Sammlung der in Elsaß-Lothringen geltenden Gesetze: [Abteilung 1], Band 3 Deutsche Einzelgesetze [Reprint 2019 ed.] 9783111697819, 9783111309583


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German Pages 1183 [1192] Year 1881

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Table of contents :
Deutsche Einzelgesetze
1833 - 1867
1867 — 1868
1868 — 1869
1869 — 1870
1870
1871
1872
1873
1874
1875
1876
1877
1878
1879
1880
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Sammlung der in Elsaß-Lothringen geltenden Gesetze: [Abteilung 1], Band 3 Deutsche Einzelgesetze [Reprint 2019 ed.]
 9783111697819, 9783111309583

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Sammlung der

in Llsaß-Lothringen geltende»

Sammlung der

in Elsaß-Lothringen geltenden

Gesetze. Auf Anregung des Wirklichen Geheimen Raths

Dr. von Möller bearbeitet und herausgegeben in Verbindung mit anderen reichsländischen Juristen

von

I. AttHoff, Professor, W. IörLfH, Landgerichtsdirektor, A. «Kcrrfeirn, Justizrath und Gouvernementsauditeur, A. Kelter, Oberlandesgerichtsrath, und A. Leorri, Landgerichtsrath.

Dritter Band.

Deutsche Einzelgesehe.

Straßburg, Verlag

von

Karl

1881.

I. Trübner.

Straßburg, Druck von I. H. Ed. Heitz.

Deutsche Einzelgesetze nach der Zeitfolge geordnet.

Deutsche Einzelzesehe nach der Zeitfolge geordnet.

11. Mai 1833. Zollkartel zwischen Preußen, Kurhessen und dem Großherzogthum Hessen,

sodann Sachsen einerseits und den zum Thüringischen Zoll- und.Handels­ vereine verbundenen Staaten anderseits. S. unterm 17. Juli 1871.

28. Juni 1834. Gesetz über den Waffengebrauch der Grenzauffichtsbeamten. S. dieses Preußische Gesetz unterm 17. Juli 1871.

21. Juni 1845. Vertrag zwischen Preußen und Frankreich

wegm

gegenseitiger Auslieferung

flüchtiger Verbrecher. S. Band II.

16. April 1846.

Staatsvertrag zwischen Baden und Frankreich streckbarkeit

der

Urtheile

in

über die wechselseitige Voll­

bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten,

sowie die

Zustellung gerichtlicher Me und Ersuchschreiben.

S. Band n.

27. Februar 1850. Gesetz, betreffend die Unterstützung der bedürftigen Familien zum Dienste einberufener Reserve- und Landwehr-Mannschaften. S. unterm 22. Juni 1872.

4

1850 — 1867 11. März 1850.

Gesetz, betreffend die an Stelle der Vermögenskonfiskatton gegen Deserteure

und ausgetretene Militärpflichtige zu verhängende Geldbuße. S. Band I unter K, Zusatz zu § 246 der Preuß. Militär-Strafgerichtsordnung.

4. Juni 1851. Gesetz über den Belagerungszustand. S. in Bem. zu G. v. 25. Juni 1873, betreffend die Einführung der Verfassung des Deutschen Reichs.

5. Oktober 1854. Reglement über die. Verpflegung der Rekruten, Reservisten, Invaliden und Landwehrmänner bei Einziehungen bzw. Entlassungen. S. unterm 13. August 1872.

2. August 1862. Handelsvertrag zwischen den Staaten des deutschen Zoll- und Handelsvereins, und Frankreich. S. Band n.

2. August 1862. Schifffahrts-Vertrag zwischen den Staaten des deutschen Zoll- und

Handelsvereins und Frankreich. S. Band n.

24. März 1865. Uebereinkunft zwischen Baiem und Frankreich wegen gegenseittgen Schutzes der Rechte an literarischen Erzeugnissen und Werken der Kunst. S. Band n.

8. Juli 1867. Vertrag zwischen dem Norddeutschen Bunde, Baiern, Württemberg, Baden und Hessen, die Fortdauer des Zoll- und Handelsvereins betteffend. S. unterm 25. Juni 1873.

12. Oktober 1867. Gesetz, betreffend die Erhebung einer Abgabe von Salz. S. unterm 17. Juli 1871.

1867 — 1868

5

1. November 1867. Gesetz über die Freizügigkeit. S. unterm 8. Januar 1873.

9. November 1867. Gesetz, betreffend die Verpflichtung zum Kriegsdienste. S. unterm 23. Januar 1872.

8. April 1868. Gesetz, die Unterstützung der bedürftigen Familien zum Dienste einherufener Mannschaften der Ersatzreserve betreffend. S. unterm 22. Juni 1872.

25. Juni 1868. Gesetz, betreffend die Quartierleistung für die bewaffnete Macht während des Friedenszustandes. S. unterm 14. Juli 1871.

4. Juli 1868. Gesetz, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirthschastsgenoffenschaften. S. unterm 12. Juli 1872.

8. Juli 1868. Gesetz,

betreffend

die Besteuerung

des

Branntweins in verschiedenen

Norddeutschen Bunde gehörenden Staaten und Gebietstheilen. S. unterm 16. Mai 1873.

17. August 1868. Maß- und Gewichtsordnung für den Norddeutschen Bund. S. unterm 19. Dezember 1874.

17. Oktober 1868. Revidirte Rheinschifffahrts-Akte. S. Band n.

zum

1868 — 1869

6

31. Dezember 1868. Instruktion zur Ausführung

des

Gesetzes,

betreffend

die

Quartierleistung

für die bewaffnete Macht während des Friedenszustandes, vom 25. Juni

1868. S. unterm 14. Juli 1871.

7. April 1869.

Gesetz, Maßregeln gegen die Rinderpest betreffend. S. unterm 11. Dezember 1871.

16. Mai 1869.

Gesetz, betreffend die Einführung von Telegraphen-Freimarken. S. unterm 8. Febrnar 1875.

31. Mai 1869.

Wahlgesetz für den Deutschen Reichstag. S. Band I unter A Nr. 5.

2. Juni 1869. Gesetz, betreffend die Kauüonen der Bundesbeamten. S. unterm 11. Dezember 1871.

5. Juni 1869.

Gesetz, betreffend die Portofreiheiten im Gebiete des Norddeutschen Bundes. S. unterm 1. März 1872.

10. Juni 1869. Gesetz, betreffend die Wechselstempelsteuer im Norddeutschen Bunde. S. unterm 14. Juli 1871.

21. Juni 1869. Gewerbeordnung für das Deutsche Reich. § 29 unterm 15. Juli 1872.

1869

7

21. Juni 1869. Gesetz, betreffend die Gewährung der Rechtshülfe. S. unterm 11. Dezember 1871.

26. Juni 1869. Gesetz, die Besteuerung des Zuckers betreffend. S. unterm 17 Juli 1871.

29. Juni 1869. Verordnung,

betreffend die Kautionen der bei den Verwaltungen der Post,

der Telegraphen und des Eichungswesens angestellten Beamten. S. unterm 11. Dezember 1871.

1. Juli 1869. Vereinszollgesetz. S. unterm 17. Juli 1871.

2. Juli 1869. Schifffahrts-Polizei und Floß-Ordnung für den Rhein. S. Band II.

16. Juli 1869. Eichordnung. S. unterm 15. Mai 1875.

25. September 1869. Bekanntmachung, betreffend die Prüfung der Aerzte, Zahnärzte, Thierärzte

und Apotheker. S. unterm 15. Juli 1872.

6. Dezember 1869. Bekanntmachung

äußersten

des

Grenzen

Kanzlers

der

des Norddeutschen

Bundes,

im öffentlichen Verkehr noch

betreffend

die

zu duldenden Ab­

weichungen der Maße, Gewichte und Waagen von der absoluten Richtigkeit. S. unterm 5. September 1875.

1869 — 1870

8

9. Dezember 1869. Bekanntmachung, betreffend die Entbindung von den im § 29 der Gewerbe­

ordnung für den

Norddeutschen

Bund

vorgeschriebenen

ärztlichen

Prü­

fungen. S. unterm 15. Juli 1872.

12. Dezember 1869. Eichgebührentaxe. S. unterm 15. Mai 1875.

4. Mai 1870. Gesetz, betreffend die Eheschließung und die Beurkundung des Personenstandes von Bundesangehörigen im Auslande. S. unterm 8. Februar 1875.

13. Mai 1870. Gesetz wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung. S. unterm 14. Januar 1872.

28. Mai 1870. Reglement zur Ausführung des Wahlgesetzes für den Deutschen Reichstag. S. Band I unter A Nr. 7.

1. Juni 1870. Gesetz über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und

Staatsangehörigkeit. S. unterm 8. Januar 1873.

11. Juni 1870. Gesetz , betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen,

musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken. S. unterm 27. Januar 1873.

1870 (10. Aug. — 14. Aug. — 21. Aug. — 26. Aug.)

9

10. August 1870.

Anordnungen des Sundesrathes zur Regelung des Laudverkehrs mit Frankreich. (Zu vgl. § 18 III der Prot. vom 20. Februar 1871.) 1) An der Grenze gegen die besetzten Theile Frankreichs bleibt allein die deutsche Zolllinie. 2) Alle im freien Verkehr des Zollvereins befindlichen Waaren werden über diese Grenze zollfrei eingelassen. 3) Abfertigungen unter Zollkontrole stehender Waaren zur Ausfuhr nach Frankreich über die deutsch-französische Grenze finden nicht mehr statt. 4) Zur Ausfuhr über diese Grenze werden Gegenstände

mit dem Anspruch auf Zoll- oder Steuervergütung nicht mehr avgefertigt.1 5) Für den Waareneingang aus Frankreich wird nichts geändert.

1. vgl. Bkm. des Kommissars rc. v. 26. Aug. 1870 und B.-R.-B. v. 3. März 1870 (§ SS II d. Prot.j.

14. August 1870.

Allerhöchste Labinetsorder, betreffend die Einsetzung des Geaeral-Gouvernemeuts Elsaß. (Auszug aus der allerhöchsten Kabinetsorder vom 14. August 1870.) Amtl. Nachr. Nr. 1. Ich bestimme hierdurch: Die oktupirten Distrikte des Elsasses werden unter die Verwaltung eines „GeneralGouverneurs im Elsab" gestellt, für welchen daS Kriegs­ ministerium in Gemeinschaft mit dem Kanzler deS Nord­ deutschen Bundes Meine Instruktionen zu entwerfen und Mir vorznlegen hat. Zum General-Gouverneur im Elsaß

ernenne Ich den General-Lieutenant Grafen von BismarckBohlen, Kommandanten von Berlin und Chef der Land' Gendarmerie rc. rc. Hauptquartier Herny, 14. August 1870. Gez. Wilhelm. An das Kriegsministerium.

21. August 1870.

Allerhöchste Verordnung, betreffend die Gebietsabgrenzung des GeneralGonvernements Elsaß. Amtl. Nachr. Nr. 1. Auf Ihren Vortrag bestimme Ich hierdurch, daß die Arrondissements Saarburg, Chateau-SalinS, Saargemünd, Metz und Thionville von den Verwaltungs-Bezirken des General-Gouvernements in Lothringen getrennt und dem General-Gouvernement im Elsaß zugewiesen werden. Sie

Haven hiernach in Gemeinschaft mit dem Kriegsministerinm die beiden General-Gouvernements zu instruiren. Pont-ä-Mousson, den 21. August 1870. Gez. Wilhelm. An den Kanzler des Norddeutschen Bundes.

26. August 1870.

Allerhöchste Labiuetrorder, betreffend Einsetzung eines Lioilkommiffars im Elsaß. Amtl. Nachr. Nr. 1. Auf Ihren Antrag vom 25. dieses Monats will Ich den Regierungs-Präsidenten von Kühlwetter zu Meinem Civilkommiffar im Elsaß ernennen, dessen Stellung durch Meine Instruktion für die General-Gouverneure vom 21. dieses Monats und durch die dabei znrückgehende Instruktion für

den Civilkommissar beim General-Gouverneur okknpirter feindlicher Landestheile geregelt wird. Sie haben hienach das Weitere zu veranlassen. Bar-le-Duc, den 26. August 1870. Gez. Wilhelm. An den Bundeskanzler und den Kriegsminister.

1870 (26. Aug. — 9. Sept.)

26. August 1870.

Lekanntmachnng -es Kommissars für die Verwaltung -er direkten und indirekten Steuern für Elsaß und Lothringen in Nanzig. * 1) Mit dem heutigen Tage hört die Zollwache an der Grenze gegen Deutschland auf und werden die an derselben bestehenden Zollämter geschloffen. 2) Bon den auS Deutschland nach Frankreich übergehenden Waaren wird kein Eingangszoll mehr entrichtet. 3) Die Bestände von unverzollten Waaren in den amt­ lichen Zolllagern werden mit Beschlag belegt, und den sich legitimirenden Eigenthümern oder Niederlegern nur nach erfolgter Verzollung zu den Sätzen des zur Zeit gültigen französischen Tariks in den freien Verkehr abgeloffen. 2 4) Für französische, zur Ausfuhr nach Deutschland bestimmte Waaren wird eine Zoll- oder Steuervergütnng nicht mehr gewährt.

1. Diese Bkm. ist durch Anschlag erfassen worden. Der Wortlaut ist aktenmäßig.

2. In Bezug auf die Wiedererrichtung der Zollgrenze zwischen Deutschland und Frankreich vgl. Art. VIII Ms. 2 der Friedenspräliminarien v. 26. Febr. 1871. Durch die An­ ordnungen unter Nrn. 1 u. 2 sind für E.-L. die französischen Gesetze über das Zollwesen, soweit sie noch Gültigkeit b«esaßen,

ö) Der Detailhandel mit Taback ist für Jeder­ mann frei.3 4 6) Die Kontrole des Tabakbaues tritt außer Wirksamkeit.4 7) Aus den Borräthen der Salinen darf Salz nur nach Erlegung der gesetzlichen Steuer in den freien Verkehr treten.5 8) In Beziehung auf alle übrigen Steuern und Abgaben haben die für deren Verwaltung und Erhebung von der kaiserlich französischen Regierung bestellten Beamten ihre Funktionen fortzusehen und diese Verwaltung nach den be­ stehenden Gesetzen und Verordnungen zu führen. 9) Die Einzahlung der fälligen Abgaben ist pünktlich bei

den dafür bestellten Lokal- und ArroNdiffementserhebern zu leisten. 10) Aus den Einnahmen sind die etatSmäßigen Zahlungen zu bestreiten, die sich ergebenden Ueberschüffe aber nicht mehr an die Generaleinnehmer in den Departements, sondern an die von mir bestellte Kaffe avzuführen.

außer Kraft getreten und später durch die deutschen Zoll­ gesetze ersetzt worden (G. v. 17. Juli 1871J.

4. Aufgeh. durch daS mit V. v. 7. Juni 1871 eingeführte Zollvereinsgesetz v. 26. Mai 1868, die Besteuerung deS Ta­ backs betreffend.

3. Durch die Bestimmungen unter 5 und 6 sind die fran­ zösischen Gesetze über das Tavacksmonopol außer WLrksamkeit getreten.

5. Aufgeh. durch das mit G. v. 17. Juli 1871 eingeführte Zollvereinsgesetz v. 12. Okt. 1867, die Erhebung einer Abgabe von Salz betr.

9. September 1870.

Veror-nung des Generalgouvernements, betreffen- -ie amtlichen Nachrichten für -as Generalgouvernement im Elsaß.1 2 Amtl. Nachr. Nr. 3. 1) Alle Verordnungen oder Verfügungen des General­ gouverneurs und des Civilkommiflars erhalten durch die Ver­ öffentlichung in den „Amtlichen Nachrichten für daS GeneralGouvernement Elsaß" r ohne Unterschied, ob sie in deutscher

1. Die Nrn. 4 ff. beziehen sich auf die Berpflichtulng der Behörden, daS Blatt zu halten, sowie auf Uebergangsbestimmungen. Erstere wurde, nachdem sie schon durch B- v. 25. Sept. 1871 für gewisse Beamtenklaffen beseitigt war, überhaupt aufgehoben durch Bkm. v. 18. März 1872. — Bezüglich der Landesgesetze und Verordnungen ist nunmehr G. v. 3. Juli 1871 nebst 8 22 G. v. 4. Juli 1879 maßgebend. 2. Auf Grund einer D. des Civilkommiffars v. 18. Okt. 1870 erschienen die „Amtlichen Nachrichten...." v>om 19. Oktober 1870 ab unter dem Titel „Sttaßburger Zeitung und amtliche Nachrichten ...Eine B. des Oberpräffidenten v. 25. September 1871 (Straßb. Zeitung Nr. 230) setzte für das Departement Deutsch-Lothringen behufs der amtlichen Publikationen die in Metz erscheinende „Zeitung für Deutsch­

oder französischer Sprache avgefaßt sind, verbindende Kraft für Jedermann.

2) Sofern in den Verordnungen selbst nicht etwas anderes bestimmt ist, tritt diese verbindende Kraft ein für das De­ partement des Niederrheins nach Ablanf des Tages der Ausgabe der „Amtlichen Nachrichten" in der Residenz des Generalgouverneurs, für das Departement deS Oberrheins nach Mlauf des auf den Ausgabetag folgenden Tages, für das Departement der Mosel nach Ablauf deS auf den Aus­ gabetag zweitfolgenden Tages. 3) Auf jeder Nummer wird der Vermerk des Ortes und das Datum der Ausgabe besonders abgedruckt.

Lothringen"'an die Stelle der „Straßburger Zeitung". Ge­ mäß einer Verfügung des Oberpräsidenten vom 18. März 1872 sollten die amtlichen Nachrichten auch durch die Amts­ blätter der Bezirkspräsidenten begannt gemacht werden. Ueber die jetzt vorgeschriebene Art der Bekanntmachung s. Bkm. v

29. März 1879, v. 8. Dez. 1879.

1870 (12. Sept. — 22. Ott.)

11

12. September 1870.

Verordnung des Generalgouverneurs, betreffend die Kompetenz der Kriegsgerichte.1 Amtl. Nachr. Nr. 3.

1. Die durch Art. 1 der B. v. 19. Dez. 1870 eingesetzte» ständigen Kriegsgerichte zu Metz und Straßburg wurden, ersteres durch Z 1 G. v. 12. Juli 1873, letzteres durch § 1 @. ü. 24. Jan. 1881 wieder aufgehoben.

12. September 1870.

Sekanntmachnng des Livitkommissars an die Geistlichkeit.1 Anrtl. Nachr. Nr. 12.

Als leitende Grundsätze der Verwaltung bringe ich hierdurch zur öffentlichen Kenntniß: 1) Die Verfassung der katholischen und prote­ stantischen Kirche bleibt ohne jegliche Antastung bestehen. Insbesondere bleiben maßgebend das Konkordat vom 15. Juli 1801, die organischen Artikel vom 8. April 1802 und das Gesetz vom 26. März 1852, nebst den in Ausführung der­ selben ergangenen Anordnungen und Instruktionen. Im gleichen bleiben dem israelitischen Kultus alle gesetzlichen Rechte und Einrichtungen ungeschmä­ lert. 2) Alle Geistlichen und Diener der verschiedenen religiösen Bekenntnisse bleiben in ihren Aemtern 1. Nrn. 3 u. 4 enthalten Ermahnungen.

und Funktionen; es wird aber darauf gehalten werden, daß dieselben die Pflichten ihres Amtes, vorzüglich auch in Bezug auf den öffentlichen Kultus, erfüllen. 5) Die von den Geistlichen aus der Staats­ kasse bisher bezogenen Gehälter werden auch ferner gewährt. 6) Die laufenden Geschäfte der kirchlichen Ver­ waltung, vorzüglich die sich auf das kirchliche Vermögen beziehenden, sind durch die dazu be­ stellten Organe nach den bestehenden Gesetzen fortzuführen. Wo die Gesetze und Verordnungen die Mit­ wirkungen der Ministerien in Anspruch nehmen, werden diese Funktionen durch den Civilkommissar wahrgenommen.

22. Oktober 1870.

Verordnung des Generalgouvernenrs, die Lrhebnng der indirekten Steuer« im Syirk des Generalgouvernements Elsaß betreffend.1 Straßb. Ztg. Nr. 17, Am». Nachr. Nr. 61.

Art. 1. Bom 1. November dieses Jahres ab findet im Bezirk des Generalgouvernements Elsaß die Erhebung von indirekten Steuern wie­ der statt. 2. Die Konstatirung und Erhebung dieser Steuern erfolgt bis auf Weiteres nach den bis­ her gültig gewesenen französischen Gesetzen und Normen. 5. Mit dem Vollzug dieser Verordnung ist der Kommissar für die Verwaltung der indirekten Steuern im Elsaß beauftragt.2 1. Artt. 3 u. 4 enthalten Uevergangs-Beftimmungen. 2. In für die 23. Okt. Nr. 62).

Vollzug obiger Verordnung ist von dem Kommissar Verwaltung der indirekten Steuern die Bkm. v. 1870 erlagen worden (Str. Ztg. Nr. 17; A. N. Dieselbe enthalt ausschließlich Uebergangs-Bestim-

6. Zuwiderhandlungen gegen die gesetzlichen Bestimmun­ gen und die Anordnungen des Kommissars werden, wenn in den Gesetzen nicht eine höhere Strafe angedroht ist, mit* einer Geldbuße Vis 500 Frank bestraft. Wo nöthig, tritt mi­ litärische Exekution ein.3

mungen. Vgl. auch Bkm. v. 21. Nov. 1870 (Str. Ztg. Nr. 40; A. N. Nr. 123), betr. die Erhebung der indirekten Steuern im Kreise Schlettstadt; ferner v. 1?. Jan. 1871 (Str. Ztg.

Nr. 15; A. N. Nr. 233) in den Kreisen Colmar, Saargemünd, Chateau-Salins, Saarburg, sowie in den Kantonen Schir­ meck und Saales; v. i. März 1871 (Str. Ztg. Nr. 53. A. N. Nr. 323) in den Kantonen Altkirch, Hirstngen, Pfirt, HaVsheim, Mülhausen, Hüningen und Landser; v. 27. März 1871 (Str. Ztg. Nr. 76; A. N. Nr. 379) in den Kreisen Belfort und Diedenhofen; v. 10. April 1871 (Str. Ztg. Nr. 87; A. N. Nr. 409) int Kreise Metz.

3. Die Bestimmungen des Art. 6 sind zwar formell nicht aufgehoben, kommen aber seit Aufhebung des Belagerungs­ zustandes nicht mehr in Anwendung.

12

1870 (8. Nov. — 27. Nov.) 8. November 1870.

Verordnung des Geveralgouverntnrs, betreffend die Geldwährung. Straßb. Ztg. Nr. 29, Amtl. Nachr. Nr. 91. Art. 1. In allen Zahlungen muß der preußische Thaler zu 3 Frank 75 Centimes und der fran­ zösische Frank zu 8 Silbergroschen angenommen werden. Danach entsprechen 4 Thaler — 7 Gul­

den rheinisch — 15 Frank = 6 Gulden öster­ reichisch. 2. Diese Verordnung tritt mit dem heutigen Tage in Kraft.

27. November 1870.

Verordnung des Generalgonverneurs, die Siersteuer betreffend. Straßb. Ztg. Nr. 46, Amtl. Nachr. Nr. 135.

Art. 1. Bom Erscheinen gegenwärtiger Verord­ nung an unterliegt das in den Bezirk des Gene­ ral-Gouvernements Elsaß von auswärts eingehende Bier der Entrichtung einer Uebergangssteuer,1 welche für den Hektoliter starken Biers 2 Frank 88 Centimes, für den Hektoliter Dünnbier 72 Cen­ times beträgt. 2 2. Die Steuer ist bei der Einfuhr über die Grenzen des Gouvernementsbezirkes unter Vor­ führung des Transports an den Steuereinnehmer oder Büralisten des nächstgelegenen Ortes, in welchem sich ein solcher Beamter befindet, zu ent­ richten. 3. Sobald an einem Theil der Grenzen des Gouvernementsbezirkes eine Zolllinie errichtet wird, 8 tritt bezüglich des über diese Grenzstrecke

eingehenden Breres der Zoll an Stelle der Ueber­ gangssteuer. Frei von der Uebergangssteuer bleibt ferner auch dasjenige Bier, welches nachgewiesener Maßen aus dem Zollvereins-Ausland durch das Gebiet des deutschen Zollvereins nach dem Elsaß durchgeführt und dabei nach den zur Zeit im Zollverein bestehenden Bestimmungen dort der Verzollung unterworfen wurde. 4. Bei Zuwiderhandlungen gegen diese Verord­ nung sowie gegen die zum Vollzug derselben ergehenden Vorschriften kommen die bezüglich der unverzollten Einfuhr fremder Biere seither bestandenen

Strafbestimmungen zur Anwendung. 5. Mit dem Vollzug dieser Verordnung ist der Kommissar für die Verwaltung der indirekten Steuern im Elsaß beauftragt.4 5

1. Bgl. G. v. 14. Dez. 1872 und § 14 Mm. v. 28. Juli 1873 (Str. Ztg. Beilage zu Nr. 186). 2. Nach Mm. v. 15. Jan. 1877 beträgt der UebergangSsteuersatz für Starkbier 2,30 Mark, für Dünnbier 58 Pfg.

4. Tit. III Art. 4 G. v. 4. Germinal II. Diese Bestimmung ist ersetzt durch G. v. 30. Juni 1873.

3 Bgl. B. v. 3. Mai 1871, betr. die Errichtung der Zoll­ linie an der Grenze gegen die Schweiz, und Mm. v. 2. Aug. 1871, hetr. die Bestimmung des Tages, an welchem die deutsche Zollgesetzgebung in Kraft tritt.

5. Die von dem Kommissar re. unterm 30. Nov. 1870 erlassene Mm. (Str. Ztg. Nr. 49; A. N. Nr. 142) ist durch die einschlägigen Vorschriften der Mm. v. 28. Juli 1873 ersetzt.

27. November 1870.

Verordnung des Generalgouverneurs, die Siersteuer betreffen-. Straßb. Ztg. Nr. 46, Amtl. Nachr. Nr. 136. Die Bierbrauer haben ihre jeweils am Ende eines Monats fälligen Biersteuerschuldigkeiten bis auf Weiteres stets baar zu entrichten. Dabei wird übrigens in der gleichen Weise, wie dies

seither im Falle baarer Zahlung geschah, Rabatt von 3 % für's Jahr zugestanden.1 1. Bgl. Art. 127 G. v. 28. April 1816 selben.

ein

u. Bem. zu dem­

1870 (12. Dez. — 24. Dez.) — 1871 (20. Jan.)

13

12. Dezember 1870.

Instruktion des Sun-eskanfteramts über die Zusammensetzung und -en Geschäftsbetrieb -er Lachverstän-igen-Vereine.1 S. unterm 27. Januar 1873.

24. Dezember 1870.

Veror-nnng -es Generalgouverneurs, betreffen- -ie Verwerthung -er Forstpro-ukte. Straßb. Ztg. Nr. 71.

Die

Art. 1.

nach dem

Code

forestier

vom

21. Mai 1827 und der Ordonnance räglementaire vom

genden

August 1827 den Präfekten oblie­

1.

Funktionen frei Verwerthung der Forst­

produkte gehen in Beziehung

auf

die

Staats­

waldungen und diejenigen ungeteilten Waldun­ gen, an denen der Staat betheiligt ist, auf den Oberforstbeamten1 über. — Der Oberforstbeamte

ist jedoch ermächtigt, mjt diesen Funktionen in

den

ihm

geeignet scheinenden

Forstinspektoren2

auch

die

Bezirke

zu

Fällen

ihrer

innerhalb

betrauen. 2. Die Bestimmung des Artikels 87 der vor­ gedachten Ordonnanz wird dahin modifizirt, daß

der versteigernde Beamte darüber zu entscheiden hat, ob der meistbietende Verkauf bei brennendem

Lichte oder in sonst üblicher Form stattfinden soll. 3. Die gegenwärtige Verordnung tritt mit dem

Tage ihrer Publikation in Kraft. 2. Jetzt die Oberförster.

1. Jetzt Forstdirektion.

20. Januar 1871.

veror-nnng des Generalgouverneurs im Elsaß ;um Schutze gegeu -ie Weiterverbreitung -er Mattern oder Pocken. Straßb. Ztg. Nr. 21. Kantonalarzt die Gefahr der Ansteckung beseitigt erklärt hat, und Kleider, Wäsche,

Gastwirthe und Medizinalpersonen sind verpflich­

der für

tet, von jeder in ihrer Familie, ihrem Hause und ihrer Praxis vorkommenden Erkrankung an den

die Wohnung durch die von der Polizeibehörde

Art. 1.

Blattern

Alle

Familienhäupter,

längstens

binnen

24

nächsten Polizeibehörde mündlich

Anzeige zu machen; dasselbe

Haus-

und

Betten des Genesenen

und

des Wärters sowie

der

dazu bestellten Personen mit Chlorkalk, Karbol­

oder schriftlich

säure oder andere vom Arzte bezeichneten geeig­

geschehen,

neten Mittel vollständig desinfizirt worden sind.

Stunden

hat zu

wenn der Kranke stirbt. Auf Kasernen und Militäretablissements findet

4. Derselben Personen,

Absonderung

welche

sich

müssen

alle

sich mit dem Kranken in dem­

diese Vorschrift keine Anwendung.

selben Hause beziehungsweise in derselben Woh­

2. An denjenigen Häusern, in welchen sich Blatternkranke befinden, sind in leicht erkennbarer

nung befinden, unterwerfen, wenn sie nicht den

Weise schwarze Tafeln mit der Inschrift „Hier

10 Jahre sind.

herrschen

die

Blattern"

anzubringen.

Für

die

Anbringung haftet der Hauswirth resp, der In­ haber der selbständigen Wohnung, in welcher der Kranke sich befindet. 3. Personen, welche an den Blattern erkranken,

Nachweis liefern,

5. Tritt

daß sie im Laufe

der letzten

geimpft oder wiedergeimpst in

erkrankungsfall

einer ein, so

Gemeinde

ein

worden

Blattern-

sind alle Kinder in der­

selben, bis zum 14. Lebensjahre einschließlich, an den

von

dem

Kantonalarzte

zu

bestimmenden

sowie diejenigen, welche zu deren Pflege dienen,

Tagen und Orten zur Impfung und nach weite­

haben sich

ren 8 Tagen zur Revision über den Erfolg der

so lange

abgesondert zu halten, bis

14

1871

(20. Jan. — 25. Jan. — 15. Febr. —. 25. Febr.)

Impfung zu bringen, falls nicht demselben der Nachweis der bereits durch einet} andern Arzt geschehenen Impfung geliefert wird. 6. In den öffentlichen Schulen dürfen Kinder aus Wohnungen, in welchen sich Blatternkranke befinden, vor der in Artikel 3 erwähnten Desin­ fektion nicht zugelassen werden. Für die Durch­ führung dieser wie der in Artikel 5 getroffenen Anordnung haften alle diejenigen Personen, deren Aufsicht die Kinder unterstellt sind. 7. Die Leichen der an den Blattern Verstorbenen sind in starken, wohlverpichten Särgen zu beer­

digen. Zusammenkünfte des Leichengefolges in den Sterbewohnungen sind nicht gestattet. 8. Die Nichtbeachtung obiger Vorschriften wird mit Geldbuße bis 50 Thaler oder Gefängniß­ strafe bis 6 Wochen bestraft. Die Berurtheilung erfolgt durch die Polizei­ gerichte und an denjenigen Orten, an welchen die Recht­ sprechung eingestellt ist, durch die Polizei-Kommissare Gemäßheit der Verordnung vom 19. November 1870.1

in

1. Jetzt durch die Amtsgerichte (Schöffengerichte); § 27. Nr. 2 G.-B.-G.

25. Januar 1871. Verordnung des Generalgouverneurs, betreffend den verkauf von Hol;. Straßb. Ztg. Nr. 23. Art. 1. Die Bestimmungen der Artikel 17 und 18 des Code forestier vom 21. Mai 1827 wer­ den, insoweit dieselben jeden nicht durch öffent­ liche Versteigerung bewirkten Verkauf von Holz in Staatswaldungen und in denjenigen ungetheilten Waldungen, an denen der Staat betheiligt ist, für null und nichtig erklären, bis auf Weiteres aufgehoben.

2. Der Verkauf von Holz aus den im Artikel 1 erwähnten Waldungen kann aus freier Hand er­ folgen, wenn dazu die Genehmigung der obersten Civilverwaltungs-Behörde des General-Gouver­ nements ertheilt worden ist. 3. Die gegenwärtige Verordnung tritt mit dem Tage der Publikation in Kraft.

15. Februar 1871.

Erlaß der Vormaleichnngskommissio«, betreffend die Eichung und Stempelung von Maßen und Meßwerkzeugen für Srennmaterialie«, sowie für Kalk «nd andere Mineralprodnkte. S. unterm 15. Mai 1875.

25. Februar 1871.

Verordnung -es Eeneralgouverneurs, betreffen) die Vereidigung der Forstschutzbeamten.1 Straßb. Ztg. Nr. 50. Art. 1. Der Artikel 5 des Code forestier vom 21. Mai 1827 wird aufgehoben. Die Vereidigung der Forstschutzbeamten erfolgt vor dem Friedens­ gerichte ihres Bezirkes, und falls der Schutzbezirk mehreren Gerichtsbezirken angehört, vor dem Friedensgerichte des Wohnorts. 1. Vgl. G. v. 20. Sept. 1871 und 8 4 G. v. SO. Dez. 1871.

2. Der Akt über die Eidesleistung ist in der Friedensgerichtsschreiberei zu hinterlegen. Eine Ausfertigung des Bereidigungsprotokolles. wird im Falle der Bersetzung, oder, wenn der Beamte bei andern Gerichten dienstlich aufzutreten hat, demselben kostenfrei mitgetheilt. 3. Die gegenwärtige Verordnung tritt mit dem Tage der Publikation in Kraft.

1871 (26. Febr.)

15

26. Februar 1871.

Friedens präliminarien zwischen dem Deutschen Keich und Frankreichs R.-G.-Bl. S. 215.

Art. 1. Frankreich verzichtet zu Gunsten des Deutschen Reichs auf alle seine Rechte und An­ sprüche auf diejenigen Gebiete, welche östlich von der nachstehend verzeichneten Grenze belegen sind.1 2 Die Demarkationslinie beginnt an der nord­ westlichen Grenze des Kantons Cattenom gegen das Großherzogthum Luxemburg, folgt südwärts den westlichen Grenzen des Kantons Cattenom und Thionville, durchschneidet den Kanton Briey, indem sie längs der westlichen Grenzen der Ge­ meinden Montois-la-Montagne und Roncourt, sowie der östlichen Grenzen der Gemeinden St.Marie-aux-Chenes, St.-Ail, Habonville hinläuft, berührt die Grenze des Kantons Gorze, welche sie längs der Grenzen der Gemeinden Bionville, Buxieres und Onville durchschneidet, folgt der Südwest- beziehungsweise Südgrenze des Arron­ dissements Metz, der Westgrenze des Arrondisse­ ments Chateau-Salins bis zur Gemeinde Pettoncourt, von der sie die West- und Südgrenze einschließt, und folgt dann dem Kamme der zwischen der Seille und dem Moncel gelegenen Berge bis zur Grenze des Arrondissements Saarburg südlich von Garde. Sodann fällt die Demarkationslinie mit der Grenze dieses Arrondissements bis zur Gemeinde Tanconville zusammen, deren Nord­ grenze sie berührt, von dort folgt sie dem Kamme der zwischen den.Quellen der weißen Saar und der Bezouze befindlichen Bergzüge bis zur Grenze des Kantons Schirmeck, geht entlang der west­ lichen Grenze dieses Kantons, schließt die Ge­ meinden Saales, Bourg-Bruche, Colroy-la-Roche, Plaine, Ranrupt, Saulxures und St-Blaise-la-^ Roche im Kanton Saales ein und fällt dann mit der westlichen Grenze des Departements Niederund Ober-Rhein bis zum Kanton Belfort zusam­ men. Sie verläßt dessen Südgrenze unweit von 1. Die Artt. 2—10 regeln die Zahlung der Kriegsentschädigung, die Räumung des franz. Gebiets, die Auslösung der Gefangenen und sehen UebergangsVestimmnngen zu Gunsten der abgetretenen Gebietstheile vor; sie konnten da­ her als nunmehr gegenstandslos weggelaffen werden.

2. Dgl. Art. 1 Friedensvertrag v. 10. Mai 1871.

Bourvenans, durchschneidet den Kanton Delle an den Südgrenzen der Gemeinden Bourogne und Froide-Fontaine und erreicht die Schweizergrenze, indem sie längs der Ostgrenzen der Gemeinden Honchery und Delle hinläuft. Das Deutsche Reich wird diese Gebiete für immer mit vollem Souverainetäts- und Eigen­ thumsrechte besitzen. Eine internationale Kommis­ sion, welche beiderseits aus der gleichen Zahl von Vertretern der Hohen vertragenden Theile gebildet wird, soll unmittelbar nach dem Austausche der Ratifikationen des gegenwärtigen Vertrages beauf­ tragt werden, an Ort und Stelle die neue Grenz­ linie in Gemäßheit der vorstehenden Verabredun­ gen festzustellen. Diese Kommission wird die Vertheilung des Grundbesitzes und der Kapitalien leiten, welche bis jetzt Distrikten oder Gemeinden, die durch die neue Grenze getrennt werden, gemeinschaft­ lich angehört haben; im Falle einer Meinungs­ verschiedenheit über die Grenze und die Ausfüh­ rungs-Bestimmungen werden die Kommissions­ mitglieder die Entscheidung ihrer Regierungen einholen. Die Grenze, wie sie vorstehend festgesetzt ist, findet sich mit grüner Farbe auf zwei überein­ stimmenden Exemplaren der Karte von den „Ge­ bietstheilen, welche das General-Gouvernement des Elsaß bilden," eingetragen, welche im September 1870 in Berlin, durch die geographische und statistische Abtheilung des großen Generalstabes herausgegeben worden ist. Ein Exemplar derselben wird jeder der beiden Ausfertigungen des gegen­ wärtigen Vertrages angefügt. Die angegebene Grenzlinie hat indessen mit Uebereinstimmung beider vertragenden Theile fol­ gende Abänderungen erfahren: Im ehemaligen Mosel-Departement werden die Dörfer St.-Marieaux-Chvnes bei St.-Privat-la-Montagne und Bion­ ville, westlich von Rezonville, an Deutschland abgetreten. Dagegen werden die Stadt und die Festungswerke von Belfort mit einem später fest­ zusetzenden Rayon bei Frankreich verbleiben.

1871 (1. März — 18. März — 16. April — 18. April)

16

1. März 1871. Instruktion -es Reichskanzlers z» -em Gesetze vom 4. Mai 1870, betreffend die Eheschließung und die Beurkundung -es Personenstandes von Sun-esangehörigen im Auslande. König, Konsularwesen S. 513.

18. März 1871.

Erlaß des Livilkommissars im Elsaß, betreffend die Stempelsteuer für Zeitungen, Zeitschriften und Ltraßenanschläge.1 2 Jacob, die Gesetze über das Enregistrements- re. Wesen S. 337. Nachdem die Gültigkeit des von der französischen

Regierung unterm 5. September v. 1.2 in Be1. Dieser an die Steuerdirekttonen gerichtete Erlaß ist durch die allgemeine Bf. des Dir. der Zölle re. v. 4. Juni 1872 (A.-Bl. 1877 S. 48) bestätigt worden. 2. B. des L. Ser. XII Nr. 9. Bgl. Schlußbemerkung zu Band II.

treff der Abschaffung

der Stempelsteuer für Zei­

tungen, Zeitschriften und Affichen erlaffenen De­

krets für die damals noch nicht okkupirten Theile des Gouvernementsbezirkes hat anerkannt werden müssen, ist es für angemeffen erachtet worden, von der ferneren Erhebung dieser Steuer überhaupt ab­ zusehen.

16. April 1871. Verfassung des Deutschen Keichs. S. Band I unter A Nr. 4.

18. April 1871.

Verordnung des Generalgouvrrmurs über das Schulwesen. Straßb. Ztg. Nr. 93.

Die

§ 1

gesetzlichen Vertreter eines Kindes

find verpflichtet, dasselbe nach ten

Lebensjahr

öffentlichen

oder

vollendetem sechs­

zum regelmäßigen Besuch einer

einer

Lehrkräften und nach

von

staatlich

geprüften

dem Lehrplan der öffent­

lichen Schulen geleiteten Privatschule (6cole libre) anzuhalten, sofern nicht für entsprechenden gleich­ mäßigen Unterricht in der Familie gesorgt ist.

Die Schulbehörde ist ermächtigt,

im einzelnen

Fall aus gewichtigen Gründen den Zeitpunkt des

Eintritts in die Schule

zu

verschieben oder die

Fortsetzung des Besuchs zu unterbrechen. 2. Der Schulbesuch muß

so lange fortgesetzt

nach

vollendetem

14.

Lebensjahr, die

Mädchen

nur nach vollendetem 13. Lebensjahr zugelassen. Bei der Entlassung erhält jedes Kind ein kosten­

frei auszustellendes Zeugniß. 3.

Zu

einer

regelmäßigen

Beschäftigung

in

Fabriken oder ähnlichen Dienstverhältniffen dürfen schulpflichtige Kinder nur unter Genehmigung

der

Schulbehörde

verwandt

werden,

und

das

Nähere bestimmt das Gesetz.1

4.

Die

gesetzlichen

Vertreter

eines

Kindes,

welche dasselbe zu einem den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechenden Schulbesuch nicht anhalten, werden mit

amtlicher

Verwarnung, 2 Geldbuße

werden, bis das Kind von der Schulbehörde als entlassungsreif erkannt worden ist. Die Reife zur

Entlassung wird auf Grund einer am Schluß des Schulhalbjahrs abzuhaltenden Prüfung ausge­ sprochen.

Zu

dieser

Prüfung werden

die Knaben nur

1. Bgl. G. v. 22. März 1841 und D. v. 7. Dez. 1868. Ein neueres Gesetz über diesen Gegenstand gibt eS nicht.

2. Diese Strafandrohung wird durch Art. V Abs. 1 E.-G. z. St.-G.-B. nicht berührt, weil die amtliche Verwarnung als gleichbedeutend mit dem Verweise des St.-G.-B. anzu­ sehen ist (a. M. Rüdorff, zu 8 6 R.-E.-G. Nr. 2).

1871 (18. April) bis zu 10 Frank, entsprechender Entziehung der Armen­ unterstützung 3 * **und * 4 5 *bei * fortgesetzter Pflichtversäumniß mit Gefängniß Lis zu einer Woche bestraft. Für den Fall der Zahlungsunfähigkeit wird die Geldbuße in Gefängniß umgewandelt und ist eine Geldbuße bis zu 1 Frank einer sechsstündigen Gefängnißstrafe gleich zu achten. Bei Personen, welche aus öffentlichen Fonds Armenunterstützun­ gen erhalten, kann diese Strafe auch statt der Geldbuße ausgesprochen werden. 5. Der Lehrer kann im Laufe eines Monats 3 Tage Urlaub ertheilen. Zu ausgedehnterem Urlaub ist die Genehmigung des Kreisdirektors noth­ wendig. Krankheiten und Naturereignisse entschuldigen; die Zulassung anderer Entschuldigungsgründe unterliegt der Genehmigung des Kreisdirektors. 4 6. Die Liste der Schulversäumnisse wird seitens des Lehrers jeden Monat nebst Belegen und gut­ achtlicher Aeußerung dem Gemeindevorsteher (Maire) eingereicht. Für diejenigen, welche sich fortgesetzter Pflichtversäumniß schuldig machen, kann der Kreisdirektor anordnen, daß die Liste alle 14 Tage eingereicht wird. 7.5 Die gesetzlichen Vertreter derjenigen Kinder, deren Ber8. Die Entziehung der Armenunterstützung darf nach Art. V AVs. 1 E.-G. z. St.-G.-B. als Strafe nicht mehr ausge­ sprochen werden.

4. Die Zulassung „anderer Entschuldigungsgründe" hängt, wenn dieselben im Prozesse zur Sprache kommen, von dem Ermessen des Genchts ab ; vgl. die nachfolgende Bem. 5. Die noch durch Art. XIV E.-G. z. St.-G.-B. aufrecht erhaltenen 88 7-10, betr. die Zuständigkeit und das Ver­ fahren bei der Verfolgung von Schulverfäumniffen, sind zufolge G.-B.-G. und E.-G. z. St.-P.-O. für beseitigt zu erachten. Denn die Schulversäumnißsachen fallen als Straf, fachen (vgl. Art. XIV cit.) unter die in § 13 G.-B.-G.,8 8 Abs. 1 u. § 6 Abs. 1 E.-G. z. St.-P.-O. aufgestellte Regel, sie gehören mithin vor die ordentlichen Gerichte, und zwar nach 8 27 Nr. 1 u. 2 G.-B.-G. vor die Schöffengerichte, und das Verfahren richtet sich nach den bezüglichen Bestimmungen der St.-P.-O. — Diese bereits in den Bem. zu Art. XIV E.-G. z. St.-G.-B. und zu 8 453 St.-P.-O. (vgl. auch Bem. 5 zu 8 6 Nr. 3 E.-G. z. St.-P.-O.) vertretene Auffassung ist indeß nicht unbestritten und die Praxis der Verwaltungs­ behörden befindet sich mit derselben in Widerspruch. Die gegentheilige Ansicht glaubt im vorliegenden Falle von einer Anwendung jener Regel des G.-B.-G. und des E.-G. z. St.-P.-O. absehen zu können, indem sie von der Annahme auSgeht, daß die 88 7-10 durch die Ausnahmebestimmung des 8 S Nr. 3 E.-G. z. St.-P.-O. geschützt und deshalb nur insofern abgeändert seien, als sie über die in 88 453 ff. St.-P.-O. gezogenen Schranken hinausgehen. Diese Annahme beruht aber nach unserem Dafürhalten auf einer Ver­ kennung des eigentlichen Wesens der in den 88 7-10 getrof­ fenen Anordnungen. Denn es handelt sich dabei nicht, wie 8 6 Nr. 3 E.-G, z. St.-P.-O. erfordert, um ein Verfahren im Verwaltungswege, sondern um die Ausübung einer förmlichen Gerichtsbarkeit. Es handelt sich auch nicht, wie 8 6 Nr. 3 ferner voraussetzt, um eine bloße Befugniß der Polizeibehörden, vielmehr sind dieselben als die ausschließ­ lichen Richter hingestellt. Und es handelt sich endlich nicht um einfache Strafverfügungen, sondern um förmliche und wirkliche Urtheile. Kurz, die Einrichtung, welche die 88 7-10 treffen, ist nicht etwa blos ein Mehr, sondern sie ist ihrem

III. Band.

17

säumniß nicht als entschuldigt von dem Gemeindevorsteher angesehen wird, werden mit Frist von 2 freien Tagen und unter der ausdrücklichen Verwarnung, daß alle nicht zur Stelle gebrachten Beweismittel unberücksichttgt bleiben, zur Aburtheilung vor denselben schriftlich vorgeladen.

Vorladungen und Zustellungen werden diener, Gemeinde- und Postboten bewirkt.

durch Polizei­

8. Erscheint der Beschuldigte, so findet mündliche Ver­ handlung statt; das Urtheil wird demselben sofort verkündet. Erscheint derselbe nicht, so wird das Urtheil auf Grund der Akten gefällt und zugestellt. Das Urtheil ist mit kurzen Motiven zu versehen. Ertheilt der Kreisdirektor einem freisprechenden Urtheil, welches in Gemäßheit des 8 5 Schlußsatz seiner Genehmi­ gung bedarf, diese nicht, so setzt er selbst die Strafe fest.

9. Gegen die Entscheidung des Gemeindevorstehers ist Berufung an den Kreisdirektor zulässig; die Entscheidungen des KreisdirektorS können bei der höhern Behörde nur dann durch Berufung angegriffen werden, wenn Gefängnißstrafe erkannt ist. Die Berufung ist bei dem Gemeindevorsteher binnen drei Tagen von der Verkündigung und bei den der Zustellung unterliegenden Urtheilen von dem Tag der Zustellung schriftlich einzulegen oder zu Protokoll zu erklären. 10. Die Entscheidungen des KreisdirektorS und der höheren Behörde erfolgen auf Grund der vorliegenden oder der neu angeordneten schriftlichen Verhandlungen.

11. Die Geldstrafen und Kosten werden in derselben Weise wie die Gemeindeabgaben veigetrieben. Die Gefängnißstrafe wird auf Grund eines vom Gemeindevorsteher ausgeferttgten, vom Kreisdirektor visirten Haftbefehls, welcher das Datum des Erkenntnisses enthält, vollstreckt.6 12. Verfahren und Urtheile sind kosten- und stempelfrei, baare Auslagen fallen dem Berurtheilten zur Last.7 13. Obige Bestimmungen finden entsprechende Anwendung bei Bersäumniß des von dem Geist­ lichen während der Schulpflichtigkeit ertheilten Religionsunterrichts. 14. Privatschulen (Scoles libres) unterliegen in Bezug auf Schulbesuch denselben Anordnungen wie die öffentlichen Schulen. 15. Zur Ausführung dieser Verordnung werden die Behörden mit Instruktion versehen werden.8 * * innersten Wesen nach ein Anderes, als das Verfahren im Verwaltungswege, welches der 8 6 Nr. 3 E.-G. z. St.-P.-O. für zulässig erklärt. Sie ist eine aus der Lage der Verhält­ nisse in E.-L. während der damaligen Zett sehr wohl erklärliche, aber mit 8 18 G.-B.-G. schlechthin unverträgliche landesgesetzliche Bestellung von Sondergerichten für Straf­ sachen.

6. Der 8 11 erledigt sich von selbst durch die Beseitigung der 88 7-10; die Strafvollstreckung ist durch die 88 481 ff. St.-P.-O. geregelt; für die Beitreibung der Kosten ist der 8 21 A.-G. z. G.-K.-G. maßgebend. 7. Diese Bestimmung ist aufrecht erhalten durch § 10 Abs. 2 A.-G. z. G.-K.-G.

8. Vgl. die Instruktionen: für den Bezirk Unter-Elsaß v. 21. Aug. 1871 (A.-Bl. Nr. 21), für den Bezirk Lothringen v. 9. Sept. 1871 sA.-Bl. Nr. 51) und für den Bezirk OberElsaß v. 30. Sept. 1871 sA.-Bl. Nr. 36). Auch ist hier noch zu erwähnen die Zirk.-Bf. des OPr. v. 5. Mai 1876, betr. die Anzeigepflicht bei Entlassung von Schülern unter 14 Jahren aus höheren Lehranstalten (Arntl. Ausg. der B. über daS höhere Unterrichtswesen S. 47).

1871 (3. Mai - 10. Mai)

3. Mai 1871.

Verordnung des Generalgouverneurs, betreffend die Errichtung einer Zolllinie an der Grenze gegen die Schweiz.' Straßb. Ztg. Nr. 105. 1. Die Verordnung, welche im Axt. 1 bestimmt, daß vom 5. Mai 1871 ab Waaren, die über die Grenze des Elsasses gegen die Schweiz eingehen, bei den zu diesem Zwecke errichteten Zollämtern nach Maßgabe des Zollgesetzes und Tarifs des deutschen Zollvereins der Verzollung zu unterwerfen sind, enthält im übrigen nur solche Bestimmungen, welche inzwischen wieder aufgehoben oder durch anderweite Vorschriften ersetzt worden sind.

10. Mai 1871.

Friedensvertrag zwischen dem Deutschen Keich und Frankreich.' R.-G.-Bl. S. 223. Art. 1. Die Entfernung zwischen der Stadt Belfort und derjenigen Grenzlinie, welche ur­ sprünglich bei den Unterhandlungen von Versailles vorgeschlagen und auf der, der ratifizirten Urkunde des Präliminarvertrages vom 26. Februar byigefügten Karte eingetragen ist, soll als Bezeichnung des Maßes für den Rayon angesehen werden, welcher zufolge der bezüglichen Verabredung im ersten Artikel der Präliminarien mit der Stadt und den Befestigungen von Belfort bei Frankreich bleiben soll. Die deutsche Regierung ist bereit, diesen Rayon dergestalt zu erweitern, daß derselbe umfaßt: die Kantone Belfort, Delle und Giromagny, und den westlichen Theil des Kantons von Fontaine, west­ lich einer Linie von dem Punkte, wo der RheinRhone-Kanal aus dem Kanton von Delle aus­ tritt, im Süden von Montreux-Chateau bis zur Nordgrenze des Kantons zwischen Bourg und Fslon, wo diese Linie die Ostgrenze des Kantons von Giromagny erreicht. Die deutsche Regierung wird indessen die vor­ erwähnten Gebietstheile nur unter der Bedingung abtreten, daß die französische Republik ihrerseits in eine Grenzberichtigung längs den westlichen Grenzen der Kantone von Cattenom und Thionville willigt, welche an Deutschland das Gebiet östlich einer Linie überläßt, die von der Grenze gegen Luxemburg zwischen Hussigny und Redingen ausgeht, die Dörfer Thil und Billerupt bei Frankreich läßt, sich zwischen Erronville und Aumetz, zwischen Beuvillers und Boulange, zwi­ schen Trieux und Lomeringen fortsetzt und die ulte Grenzlinie zwischen Avril und Moyeuvre -erreicht. Die internationale Kommission, deren im Arti­ kel 1 der Präliminarien erwähnt ist, wird sich

1. Die nicht aufgenommenen Artt. 7-10 sind gegenstands­ los, s. Bem. 1 zu den Friedens- Präliminarien.

sogleich nach der Auswechslung der Ratifikationen des gegenwärtigen Vertrages an Ort und Stelle begeben, um die ihr obliegenden Arbeiten auszu­ führen, und die Linie der neuen Grenze gemäß der vorstehenden Bestimmungen zu ziehen. 2. Den aus den abgetretenen Gebieten herstam­ menden, gegenwärtig in diesem Gebiete wohn­ haften französischen Unterthanen, welche beabsich­ tigen, die französische Nationalität zu behalten, steht bis zum 1. Oktober 1872, und vermöge einer vorgängigen Erklärung an die zuständige Behörde, die Befugniß zu, ihren Wohnsitz nach Frankreich zu verlegen und sich dort niederzulassen, ohne daß dieser Befugniß durch die Gesetze über den Mili­ tärdienst Eintrag geschehen könnte, in welchem Falle ihnen die Eigenschaft als französische Bürger erhalten bleiben wird. Es steht ihnen frei, ihren auf den mit Deutschland vereinigten Gebieten belegenen Grundbesitz zu behalten.1 2 Kein Bewohner der abgetretenen Gebiete darf in seiner Person oder seinem Vermögen wegen seiner politischen oder militärischen Handlungen während des Krieges verfolgt, gestört oder zur Untersuchung gezogen werden. 3. Die franzöfische Regierung wird der deutschen Regierung die Archive, Dokumente und Register übergeben, welche die bürgerliche, militärische oder gerichtliche Verwaltung der abgetretenen Gebiete betreffen. Sollten einige dieser Aktenstücke fortge­ schafft worden sein, so wird die franzöfische Re2. Zu Art. 2 Abs. 1 vgl. Art. 1 der Zusatzkonvention v. 11. Dez. 1871. Aus der Verbindung dieser beiden Artikel mit Art. 1 der Friedens-Präliminarien erhellt, daß nach dem Willen der beiden Kontrahenten auch diejenigen in Elsaß-Lothringen geborenen Franzosen, welche zur Zeit des Friedensschlusses dort nicht ihren Wohnsitz hatten, durch die Abtretung Deutsche geworden sind. Dieser BertragSbestimmung gegenüber ist ein Zurückgehen auf allgemeine Sätze des Völkerrechts ausgeschlossen (anders Urtheil d. Land­ gerichts Straßb. v. 14. Dez. 1875, Jur. Zeitschr. III S. 125). Vgl. Bkm. OPr. v. 7. u. 16. März 1872.

1871 (10. Mai) gierung dieselben aus Verlangen der deutschen Regierung wieder zurückgeben. 4.3 Die französische Regierung wird der Regie­ rung des deutschen Reiches innerhalb einer Frist von sechs Monaten, von der Auswechslung der Ratifikationen dieses Vertrages an gerechnet, übergeben: 1) den Betrag der von den Departements, Ge­ meinden und öffentlichen Anstalten der abgetre­ tenen Gebiete deponirten Summen; 2) den Betrag der Anwerbungs- und Stellver­ tretungs-Prämien, welche den aus den abgetre­ tenen Gebieten herstammenden Soldaten und Seeleuten gehören, die sich für die deutsche Na­ tionalität entschieden haben; 3) den Betrag der Kautionen der Rechnungs­ beamten des Staates; 4) den Betrag der für gerichtliche Konsigna­ tionen in Folge von Maßregeln der Verwaltungs­ oder Justizbehörden in den abgetretenen Gebieten eingezahlten Geldsummen. 5. Beide Nationen sollen in Bezug auf die Schifffahrt auf der Mosel, dem Rhein-Marne-, Rhein-Rhone-, dem Saar-Kanal und den mit diesen Wasserwegen in Verbindung stehenden schiffbaren Gewäffern der gleichen Behandlung genießen. Das Flößrecht wird beibehalten. 6. Da die Hohen vertragenden Theile der Meinung sind, daß die Diözesangrenzen der an das deutsche Reich abgetretenen Gebiete mit der neuen, durch obenstehenden Artikel 1 bestimmten Grenze zusammenfallen müssen, so werden sie sich nach der Ratifikation des gegenwärtigen Ver­ trages unverzüglich über die zu diesem Zwecke gemeinschaftlich zu ergreifenden Maßregeln ver­ ständigen. 3 45 Die der reformirten Kirche oder der Augsburger Konfession angehörigen, auf den von Frankreich abgetretenen Gebieten bestehenden Gemeinden werden aufhören von der französischen kirchlichen Behörde abhängig zu sein. Die zur Kirche der Augsburger Konfession ge­ hörigen, auf französischem Gebiete bestehenden Gemeinden werden aufhören von dem Ober-Kon­ sistorium und von dem Direktorium in Straßburg abhängig zu sein. Die israelitischen Gemeinden in den Gebieten östlich der neuen Grenze werden aufhören von dem israelitischen Central-Konsistorium zu Paris abhängig zu sein. 11. Da die Handelsverträge mit den verschie­ denen Staaten Deutschlands durch den Krieg aufgehoben sind, so werden die deutsche Regierung und die französische Regierung den Grundsatz der gegenseitigen Behandlung auf dem Fuße der meistbegünstigten Nation ihren Handelsbeziehungen zu Grunde legen.

19

Diese Regel umfaßt die Eingangs- und Ausgangsab^aben, den Durchgangsverkehr, die Zoll­ förmlichkeiten, die Zulassung und Behandlung der Angehörigen beider Nationen und der Vertreter derselben. Jedoch sind ausgenommen von der vorgedachten Regel die Begünstigungen, welche einer der ver­ tragenden Theile durch Handelsverträge anderen Ländern gewährt hat oder gewähren wird, als den folgenden: England,, Belgien, Niederland, Schweiz, Oesterreich, Rußland. 5 Die Schifffahrtsverträge 6 und die Uebereinkunft, betreffend die Zollabfertigung des internationalen Verkehrs auf den Eisenbahnen,7 8sowie die Ueber­ einkunft wegen gegenseitigen Schutzes der Rechte an literarischen Erzeugnissen und Werken der Kunst 3 sollen wieder in Kraft treten. Indessen behält sich die französische Regierung die Befugniß vor, von den deutschen Schiffen und deren Ladungen Tonnen- und Flaggengebühren zu erheben, mit dem Vorbehalte, daß diese Ge­ bühren die von den Schiffen und Ladungen der vorerwähnten Nationen erhobenen nicht über­ steigen. 12. Alle ausgewiesene Deutsche bleiben int vollen Genusse alles Eigenthums, welches sie in Frankreich erworben haben. Diejenigen Deutschen, welche die von den fron» zösischen Gesetzen verlangte Ermächtigung erhalten haben, ihren Wohnsitz in Frankreich aufzuschlagen, werden in alle ihre Rechte wieder eingesetzt und können in Folge dessen auf französischem Gebiete von neuem ihren Wohnsitz nehmen. Für diejenigen Personen, welche von der vor­ erwähnten Befugniß, nach Frankreich zurückzu­ kehren, binnen sechs Monaten nach Austausch der Ratifikationen dieses Vertrages Gebrauch machen, wird die durch die französischen Gesetze festgestellte Frist zur Erlangung der Naturalisation als durch den Kriegszustand nicht unterbrochen betrachtet, und die zwischen ihrer Ausweisung und ihrer Rückkehr auf französischen Boden verflossene Zeit soll dergestalt gerechnet werden, als ob sie nie aufgehört hätten, in Frankreich zu wohnen. Vorstehende Bedingungen sind in voller Gegen­ seitigkeit auf die französischen Unterthanen an-

5. Bgl. über die Handelsbeziehungen zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich ferner Artt. 5 u. 9 dieses Vertrags, Art. 11 der zusätzlichen Uebereinkunft v. 12. Okt. 1871 u. Artt. 12 ff. der Zusatzkonvention v. 11. Dez. 1871. — In Folge des Eintritts von E.-L. in das Deutsche Zollund Handelsgebiet ist es auch in die Handels- und Schiff­ fahrtsverträge eingetreten, welche zwischen den dieses Zollund Handelsgebiet bildenden Staaten und anderen Staaten bestehen (s. Erl. R.-K.-A. v. 13. Jan. 1872).

6. Schifffahrtsvertrag zwischen dem Zollverein und Frank­ reich v. 2. Ang. 1862 (Band II), Rheinschifffahrtsakte v. 17. Okt. 1868 (Band II).

7. Bom 2. Aug. 1862. 3. Bgl. Art. 11 der Zusatzkonvention v. 11. Oft. 1871. 4. S. Protokoll v. 7. Okt. 1874.

8. Für E.-L. s. Art. 18 Abs. 4 der Zusatzkonvention v. 11. Dez. 1871.

1871 (10. Mai)

20

wendbar, welche in Deutschland wohnen oder zu wohnen wünschen. 13. Die deutschen Schiffe, welche durch Prisen­ gerichte vor dem 2. März 1871 kondemnirt waren, sollen als endgültig kondemnirt angesehen werden. Diejenigen, welche an besagtem Tage nicht kon­ demnirt waren, sollen mit der Ladung, soweit solche noch vorhanden, zurückgegeben werden. Wenn die Rückgabe der Schiffe und Ladungen nicht mehr möglich ist, so soll ihr nach dem Ver­ kaufspreise bemessener Werth ihren Eigenthümern erstattet werden. 14. Jeder der vertragenden Theile wird auf seinem Gebiete die zur Kanalisirung der Mosel unternommenen Arbeiten fortführen. Die gemein­ samen Interessen der getrennten Theile der beiden Departements Meurthe und Mosel sollen liquidirt werden. 15. Die Hohen vertragenden Theile verpflichten sich gegenseitig, auf die beiderseitigen Unterthanen die Maßregeln auszudehnen, welche sie zu Gun­ sten derjenigen ihrer Angehörigen zu treffen für nützlich erachten möchten, die in Folge der Kriegs­ ereignisse in die Unmöglichkeit versetzt worden waren, die Wahrnehmung oder Aufrechthaltung ihrer Rechte rechtzeitig zu bewirken. 16. Beide Regierungen, die deutsche und die französische, verpflichten sich gegenseitig, die Grä­ ber der auf ihren Gebieten beerdigten Soldaten respektiren und unterhalten zu lassen. 17. Die Regulirung der nebensächlichen Punkte, über welche in Folge dieses Vertrages und des Präliminar-Bertrages eine Verständigung zu er­ folgen hat, wird der Gegenstand weiterer Ver­ handlungen sein, welche in Frankfurt stattfinden werden. 18. Die Ratifikationen des gegenwärtigen Ver­ trages durch Seine Majestät den deutschen Kaiser einerseits und andererseits durch die National­ versammlung und durch das Oberhaupt der voll­ ziehenden Gewalt der französischen Republik wer­ den in Frankfurt binnen zehn Tagen oder wo möglich früher ausgetauscht werden. Zur Beglaubigung dessen haben die beidersei­ tigen Bevollmächtigten denselben vollzogen und untersiegelt.

Geschehen zu Frankfurt, den 10. Mai 1871. Zusatz-Artikel. Art. 1. § 1. Die französische Regierung wird innerhalb der für den Austausch der Ratifikationen des gegenwärtigen Vertrages festgesetzten Frist von dem ihr zustehenden Rechte zum Rückkauf der der Ostbahngesellschaft ertheilten Konzession Ge­ brauch machen. Die deutsche Regierung wird, soweit es sich um die in den abgetretenen Gebieten gelegenen, vollendeten oder im Bau begriffenen Eisenbahnen handelt, in alle Rechte eintreten,

welche die französische Regierung durch den Rück­ kauf der Konzessionen erworben haben wird. 8 2. In diese Konzession sind einbegriffen: 1) alle der gedachten Gesellschaft zugehörigen Grundstücke, ohne Unterschied ihrer Bestimmung, z. B. Bahnhofs- und Stationsgebäude, Schuppen, Werkstätten und Niederlagen, Bahnwärterhäuser u. s. w.; 2) alle dazu gehörigen festen Pertinenzstücke, wie: Barrieren, Zäune, Weichen, Weichenstellun­ gen, Drehscheiben, Pumpen, hydraulische Krahnen, feste Maschinen u. s. w.; 3) alle Materialien, Brennstoffe und Borräthe aller Art, Bahnhofsmobiliar, Werkzeuge in den Werkstätten und Bahnhöfen u. s. w.; 4) die Forderungen der Ostbahngesellschaft an Korporationen oder Personen, welche in den ab­ getretenen Gebieten ihren Wohnsitz haben, auf Zahlung von Subventionen. 8 3. Ausgeschlossen von dieser Abtretung ist das Betriebsmaterial. Die deutsche Regierung wird den etwa in ihrem Besitz befindlichen Theil des Betriebsmaterials nebst Zubehör der franzö­ sischen Regierung zurückgeben. 8 4. Die französische Regierung verpflichtet sich, die abgetretenen Eisenbahnen nebst Zubehör dem deutschen Reiche gegenüber von allen Rechts­ ansprüchen zu befreien, welche dritte Personen darauf geltend machen könnten, namentlich von den Ansprüchen der Darlehensgläubiger. Gleich­ falls verpflichtet sie sich, eintretenden Falls fürdie deutsche Regierung in Bezug auf die Ansprüche einzutreten, welche gegen die deutsche Regierung von Gläubigern der in Rede stehenden Bahnen

erhoben werden möchten. 8 5. Die französische Regierung übernimmt die Vertretung der Ansprüche, welche die Ostbahn­ gesellschaft gegen die deutsche Regierung oder deren Beauftragte in Bezug auf den Betrieb der gedachten Eisenbahnen und auf den Gebrauch der im 8 2 bezeichneten Gegenstände, sowie des Be­ triebsmaterials erheben könnte. Die deutsche Regierung wird der französischen Regierung auf deren Verlangen alle Schriftstücke und Nachrichten mittheilen, welche zur Feststellung der den vorerwähnten Ansprüchen zu Grunde liegenden Thatsachen dienen könnten. 8 6. Die deutsche Regierung wird der franzö­ sischen .Regierung für die Abtretung der in den 88 1 und 2 erwähnten Eigentumsrechte und als Gegenleistung für die im 8 4 von der französi­ schen Regierung übernommene Verpflichtung die Summe von dreihundertfünfundzwanzig Millionen

(325000000) Frank zahlen. Diese Summe wird von der im Artikel 7 fest­ gesetzten Kriegsentschädigung in Abzug gebracht. In Erwägung, daß die Lage, auf welcher die zwischen der Ostbahngesellschaft und der königlich­ großherzoglichen Gesellschaft der Wilhelm-Luxem­ burg-Bahnen am 6. Juni 1857 und am 21. Ja-

1871 (10. Mai - 19. Mai — 7. Juni — 8. Juni — 9. Juni) nuar 1868 abgeschlossenen Konventionen, sowie diejenige Konvention beruht, welche zwischen der Regierung des Großherzogthums Luxemburg und den Gesellschaften der Wilhelm-Luxemburg-Bah ­ nen und der französischen Ostbahn unter dem 5. Dezember 1868 abgeschlossen ist, eine so we­ sentliche Veränderung erfahren hat, daß diese Konventionen zu der Sachlage nicht mehr passen, wie solche durch die im 8 1 enthaltenen Verab­ redungen geschaffen ist, erklärt die deutsche Regie­ rung sich bereit, ihrerseits für die aus diesen Konventionen für die Ostbahngesellschaft erwach­ senden Rechte und Pflichten einzutreten. Die französische Regierung verpflichtet sich, für den Fall, daß sie, sei es durch Rückkauf der Konzession der Ostbahngesellschaft, sei es durch eine besondere Uebereinkunft in die von dieser Gesellschaft auf Grund der vorgedachten Konzes­ sionen erworbenen Rechte eintritt, diese Rechte innerhalb einer Frist von sechs Wochen unent­ geltlich an die deutsche Regierung abzutreten. Für den Fall, daß dieser Eintritt in die Rechte der Ostbahngesellschaft nicht erfolgt, wird die französische Regierung Konzessionen für die der Ostbahngesellschaft gehörigen und auf sranzösichem Boden gelegenen Linien nur unter der

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ausdrücklichen Bedingung ertheilen, daß der Kon­ zessionär nicht die im Großherzogthum Luxem­ burg gelegenen Linien ausbeute. 2. Die deutsche Regierung bietet zwei Millionen Frank für die Rechte und das Eigenthum an, welche die Ostbahngesellschaft auf dem Theile ihres Netzes besitzt, der auf schweizerischem Ge­ biete von der Grenze bis Basel liegt, wenn die französische Regierung ihr die Zustimmung dazu binnen einem Monat beschafft. 3. Die Gebietsabtretung bei Belfort, welche die deutsche Regierung in Artikel 1 des gegen­ wärtigen Vertrages zum Austausch für die im Westen von Thionville verlangte Grenzberichti­ gung anbietet, wird um die Bezirke der folgenden Dörfer vermehrt: Rougemont, Leval, Petite-Fontaine, Romagny, Fölon, La Chapelle-sous-Rougemont, Angeot, Bautier-Mont, La Riviere, La Grange, Reppe, Fontaine, Frais, Fouffemagne, Cuneliöres, Montreux-Chateau, Bretagne, Chavannes-les-Grands, Chavanatte und Suarce. Die Straße von Giromagny nach Remiremont, welche über den Wälschbelchen geht, wird in ihrer ganzen Länge bei Frankreich bleiben und, soweit sie außerhalb des Kantons Giromagny liegt, als Grenze dienen.

19. Mai 1871.

Gesetz, betreffend die Deklaration des § 1 des Gesetzes vom 4. 3ult 1868. S. unterm 12. Juli 1872.

7. Juni 1871.

Gesetz, betreffend die. Verbindlichkeit ;um Schadenersatz für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken «. s. w. herbeigeführten Tödtungen nnd Sörperverlrtzungen. S. unterm 1. Nov. 1872.

8. Juni 1871.

Gesetz, betreffend die Inhaberpapiere mit Prämien. S. unterm 27. Jan. 1872.

9. Juni 1871.

Gesetz, betreffend die Vereinigung von Elsaß nnd Lothringen mit dem Deutschen Leiche. S. Band I unter A Nr. 1.

22

1871 (14. Juni — 19. Juni — 27. Juni)

14. Juni 1871.

Gesetz, betreffend die Lestellung -es Sundes-Gberhandelsgerichts zum oberste« Gerichtshöfe für Elsaß-Lothringen.1 2 G.-Bl. S. 241. § 1. Das Bundes-Oberhandelsgericht zu Leipzig

tritt

als oberster Gerichtshof für Elsaß und Lothringen an die Stelle des KasiationShofeS zu Paris.8

für den obersten Gerichtshof geltenden Gesetzen.

Ein

besonderes

Admissionsverfahren

über

das

Kassationsgesuch hat jedoch nicht statt. 3

2. Die Zuständigkeit und das Prozeßverfahren bestimmen sich nach den in Elsaß und Lothringen

1. Abs. 2 des 8 2 ist ersetzt durch ß 1879, §§ 3 u. 4 durch die Bestimmungen die Besetzung deS Reichsgerichts und die bei demselben, 8 5 durch 88 98-102 der nung v. 1. Juli 1878.

2 G. v. 16. Juni deS G.-B.-G. über Staatsanwaltschaft RechtSanwaltSord-

2. Soweit das Rechtsmittel der Kassation noch besteht, sowie hinsichtlich der Bestimmung des zuständigen Gerichts

in den zur ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit nicht gehö­ renden Angelegenheiten entscheidet das Oberlandesgericht als KaffationShof (8 22 A.-G. z. G.-B.-G.). Die dem ReichSOberhandelSgerichte zufolge des 8 1 zustehenden AufstchtSund DiSziplinarbefugniffe über die richterlichen Beamten in E.-L. sind auf das Reichsgericht übergegangen (8 1 Abf. 2 G. V. 16. Juni 1879). 3. Dgl. noch 8 ? G. v. 14. Juli 1871 u. 8 7 G. v. 12. Juli 1873.

19. Juni 1871.

Verordnung des Generalgouverneurs, betreffen) die Zulassung deutscher Versicherungsgesellschaften zum Geschäftsbetrieb im Bezirk des Generalgouvernements.1 Straßb. Ztg. Nr. 149.

von Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser und

tigte Gesellschaften werden ermächtigt, diesen Be­ trieb auf den Bezirk des Generalgouvernements

Der General-Gouverneur im Elsaß, kraft der König von Preußen ihm verliehenen Machtvoll­

auszudehnen, sobald sie hinsichtlich desselben durch

kommenheit, verordnet wie folgt: Sämmtliche deutsche, in ihren Heimathsstaaten

eine notarielle mittels der Straßburger Zeitung

zum Betriebe von Bersicherungsgeschäften berech-

erwählt haben. Das vorstehende bezieht sich auf alle Arten von

veröffentlichte Urkunde ein inländisches Domizil

Versicherungen, 1. Bgl. Bkm. v. 28. Juni 1871.

namentlich

auf

Lebensversiche­

rungen.

27. Juni 1871.

Gesetz, betreffend die pensionirung und Versorgung der Militärpersonen des Veichsheeres uud der Kaiserliche« Marine, sowie die Bewilligung für die Hinter­ bliebenen solcher Personen. S. unterm 8. Febr. 1875.

1871 (28. Juni — 3. Juli — 4. Juli — 14. Juli) 28. Juni 1871.

Sekanutmachung des Eivilkommissariats im Elsaß, betreffend die Zulassung deutscher Versicherungsgesellschaften )nm Geschäftsbetrieb im Seftrk des Geueralgouvrrnements. Straßb. Ztg. Nr. 154. Diejenigen deutschen Versicherungsgesellschaften, welche von der durch die Verordnung Sr. Excel­ lenz des Herrn Generalgouverneurs vom 19. d. M. ertheilten Ermächtigung zum Geschäftsbetrieb in Elsaß-Lothringen Gebrauch machen wollen, haben die darin vorgesehene notarielle Urkunde, gehörig einregistrirt, der unterzeichneten Stelle einzu­

reichen, wonächst von hier aus die „Straßurger Zeitung"1 2 zu deren Veröffentlichung, gegen Ent­ richtung der Insertions-Gebühren, veranlaßt wer­ den wird. 1. Jetzt die Lothringer Zeitung und die Elsaß-Lothringische

Zeitung.

3. Juli 1871.

Gesetz, betreffend die Verkündung der Gesetze und Verordnungen. S. Band I unter A Nr. 2.

4. Juli 1871.

Gesetz, betreffend den Setrieb von Sankgeschäften in Elsaß-Lothringen durch die preußische Sank.1 G.-Bl. S. 3.

_____________ 1. Durch den zufolge gegenstandslos geworden.

Bertrags

vom

17-18. Mai 1875 erfolgten Uebergang der Preußischen Bant an daS Reich

14. Juli 1871.

Gesetz, betreffend Abänderungen der Gerichtsverfassung.1 G.-Bl. S. 165. § 1. An die Stelle der Appellationsgerichts­ höfe tritt ein Appellationsgericht. An die Stelle der ordentlichen Kollegialgerichte erster Instanz treten kollegialisch eingerichtete Landgerichte. Die Bezirke der Handelsgerichte und der Friedens­ gerichte werden anderweitig abgegrenzt. 2

1. Der von der Ergänzung der gesetzlichen Richterzahl an den Landgerichten handelnde § 4 ist ersetzt durch § 15 A.-G. z. G.-B.-G., der auf die Schwurgerichte bezügliche § 5 durch 88 79, 83 Abs. 2 u. 146 G.-B.-G., die in § 6 behandelte Berufung in Zuchtpolizeisachen ist weggefallen (§ 76 G.-B.-G., 8 354 St.-P.-O.), die Gerichtsferien (8 9) richten sich nach 8 201 G.-B.-G. 2. Das Appellationsgericht erhielt die Bezeichnung OVerlandesgericht, die Friedensgerichte solche als Amtsgerichte; die Handelsgerichte sind aufgehoben (8 7 A.-G.).

, 2. Ueber den Beginn der Wirksamkeit der neuen Gerichte, den Sitz, die Besetzung und die Theilung des Appellationsgerichts und der Land­ gerichte in Senate und Kammern, die Zahl und die Bezirke der Landgerichte, sowie diejenigen Landgerichte, bei welchen Schwurgerichte abzu­ halten sind, und die Bezirke der letzteren wird durch kaiserliche Verordnung bestimmt. 3 Die in Folge solcher Bestimmungen nothwen­ digen Aenderungen in Bezug auf den Rath der Advokaten, die Zahl und Kammern der Anwälte, die Bezirke und Kammern der Notare und die Kam­ mern der Gerichtsvollzieher, Handelsgerichte

und

die

sowie die Besetzung oer anderweitige Abgrenzung ihrer

3. Bgl. B. v. 14. Juli 1871 u. 19. Sept. 1871.

24

1871 (14. Juli)

bleiben gleichfalls kaiserlicher Verordnung vorbehalten.4 Die Bestimmung über die Zahl, den Sitz und die Bezirke Jbet Friedensgerichte steht dem Reichs­ kanzler zu. 5 3. Die Befugnisse des Justizministers werden von dem Reichskanzler ausgeübt. 6 7. Nach Kassation eines Urtheils durch den obersten Gerichtshof ist dasjenige Gericht, an welches die Sache zur anderweitigen Verhandlung verwiesen Wochen ist, in Betreff des von dem obersten Gerichtshöfe entschiedenen Rechtspunkts an dessen Entscheidung gebunden............ 7 8 9 8. Die mit der Bollstreckungsklausel zu erthei­ lenden Ausfertigungen erhalten die Eingangs­ formel : „Im Namen Seiner Majestät des Kaisers. Wir (Name) von Gottes Gnaden, Deutscher Kaiser, König von Preußen, thun kund und fügen hiermit zu wissen, daß (folgt die Ausfer­ tigung)." Die Schlußformel behält die im Artikel 2 des Dekrets vom 2. Dezember 1852 vorgeschriebene Fassung. 8 10. Für die Verhandlungen und den sonstigen amtlichen Verkehr der Gerichte, der Staatsan­ waltschaft und der Notare, sowie für die amt­ lichen Handlungen der Anwälte, Advokaten und Gerichtsvollzieher in gerichtlichen Angelegenheiten ist die deutsche Sprache die Geschäftssprache. Wird unter Mitwirkung oder Betheiligung von Personen verhandelt, welche der deutschen Sprache nicht mächtig sind, so ist ein Dolmetscher zuzu­ ziehen; dasselbe gilt, wenn ein Schriftstück in fremder Sprache zu übersetzen ist. o

Bezirke

4. Bezüglich der Rechtsanwälte ist die RechtsanwaltSordnung maßgebend; bezüglich der an die Stelle der Handels­ gerichte getretenen Kammern für Handelssachen vgl. 88 8 u. 9 A.-D. z. G.-B.-G. 5. Dgl. B. v. 7. Aug. 1871, 2. Juni 1872, 7. Juli 1873, 12. Mai 1876, S. Jan. 1877, 27. Jan. 1878, 23. März 1878, 7. Juli 1879. - Bezüglich des R.-K. vgl. die folgende Bem. 6. Bgl. ß 2 G. v. 4. Juli 1879 u. Bem. dazu. 7. Dgl. 8 22 A.-G.; durch Abs. 2 des letzteren ist zugleich Abs. 2 des 8 7 weggefallen.

8. Die BollstreckungSklaufel richtet sich nunmehr nach 8 663 C.-P.-O., soweit nicht vor dem 1. Ott. 1879 erlassene Ur­ theile oder aufgenommene Urkunden in Frage sind, für welche 8 8 seine Anwendbarkeit behält (8 42 A.-G. z. C.-P.-O.). — Die in 8 8 vorgeschriebene Eingangsformel dürfte als nicht mit der BollstreckungSklaufel zusammenfal­ lend durch 8 663 C.-P.-O. nicht berührt werden. In dersel­ ben Weise unterscheidet Art. 545 fr. C.-P.-O., während allerdings das D. v. 2. Dez. 1852, welches in Art. 1 die Eingangsformel und in Art. 2 die Schlußformel behandelt, in der Ueberschrift beides unter der BollstreckungSklaufel zusammenfaßt. Bgl. auch Bf. des Oberstaatsanwalts v. 15. Dez. 1879 (Sammlung G.-Pr. IV Nr. 924). 9. Bezüglich der Gerichte stnd 88 186 u. 187 G.-B.-G. maßgebend. — Durch ein G. vom 2. Therm. II (Duvergier VII S. 275), welches den Gebrauch der französischen Sprache für alle öffentlichen Urkunden vorschreibt, ist gegen jeden

Beamten im Falle der Zuwiderhandlung gegen diese Vor­ schrift eine Gefängnißstrafe von sechs Monaten und die Dienstentlaffung angedroht.

11. In französischer Sprache kann die münd­ liche Verhandlung vor den Handels- und Friedens­ gerichten, sowie in Polizei- und Zuchtpolizeisachen ohne Zuziehung eines Dolmetschers erfolgen, wenn sämmtliche mitwirkende und betheiligte Personen dieser Sprache mächtig und Parteien, Zeugen oder Sachverständige der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Unter der gleichen Voraussetzung kann eine gerichtliche Vernehmung neben einer mündlichen Verhandlung oder außerhalb einer solchen in französischer Sprache erfolgen und in dieser nie­ dergeschrieben, dabei auch auf Zuziehung eines Dolmetschers verzichtet werden.10 * * 12. Bon den Ausfertigungen der in deutscher Sprache abgefaßten Urtheile ist den Parteien auf ihr Verlangen und auf ihre Kosten eine franzö­ sische Uebersetzung zu ertheilen. 13. Notarielle Verhandlungen müssen inner­ halb der nächsten drei Jahre in deutscher und französischer Sprache ausgenommen werden, wenn die Partei, nicht aber der Notar der deutschen Sprache mächtig ist. Während desselben Zeitraums können diese Verhandlungen ohne Zuziehung eines Dolmetschers ausschließlich in französischer Sprache ausgenommen werden, wenn die Voraussetzungen des § 11 vorliegen. Nach Ablauf der drei Jahre sind notarielle Verhandlungen mit der deutschen Sprache mäch­ tigen Parteien nur von Notaren, welche der deutschen Sprache gleichfalls mächtig sind, und nur in dieser, mit nur der französischen Sprache mächtigen Parteien in beiden Sprachen aufzu­ nehmen. Die Bestimmungen dieses Paragraphen kommen auch auf urkundliche Verhandlungen zur Anwen­ dung, welche Gerichtsschreiber ohne Mitwirkung eines Richters aufnehmen. 14. Die zur Zeit angestellten Anwälte und zur vollen Praxis zugelassenen Advokaten sind wäh­ rend der nächsten drei Jahre befugt, sich in schwurgerichtlichen Sachen, sowie in den zur Zu­ ständigkeit der Landgerichte und des Appellations­ gerichts gehörigen bürgerlichen Rechtsangelegen­ heiten der französischen Sprache zu bedienen.11 15. Bis auf weiteres erfolgen bei den Frie­ densgerichten Metz, Gorze, Courcelles-Chaussy

!

124. Bgl. Art. 2279 C.-G.-B. 125. Bgl. 88 3 u. 4 G. v. 5. Juli 1872.

75

Zusammentreffen mit anderen strafbaren Handlungen.

158. Treffen mit einer Kontrebande oder Defraudation andere strafbare Handlungen zu­ sammen, so kommt die für erstere bestimmte Strafe zugleich mit der für letztere vorgeschriebenen zur Anwendung. 126 159. Wird eine Kontrebande oder Defrau­ dation mittels Fälschung eines amtlichen Waarenverschlusses verübt, so tritt neben der Strafe des verübten Zollvergehens die durch die Landesgesetze für die Fälschung öffentlicher Urkunden festgesetzte Strafe ein. 12? Strafe der Bestechung.

160. Wer einem zur Wahrnehmung des Zoll­ interesses verpflichteten Beamten oder den Ange­ hörigen desselben wegen einer zu dessen amtlichem Wirkungskreise gehörigen Handlung oder Unter­ lassung einer solchen Geschenke oder andere Vor­ theile anbietet, verspricht oder gewährt, wird, wenn solches den gesetzlichen Charakter der Be­ stechung hat, mit der Strafe der Bestechung, andernfalls mit einer Ordnungsstrafe bis zu zwanzig Thalern belegt. 128 Strafe der Widersetzlichkeit.

161. Wer sich Handlungen oder Unterlassungen zu Schulden kommen läßt, wodurch ein solcher Beamter in der rechtmäßigen Ausübung seines Amtes verhindert wird, hat, insofern damit keine Beleidigung oder thätliche Widersetzlichkeit gegen die Person des Beamten verbunden ist, eine Geld­ buße bis zu fünfzig Thalern verwirkt. Beleidigungen und thätliche Widersetzungeu gegen einen zur Wahrnehmung des Zollinteresses verpflichteten Beamten bei rechtmäßiger Ausübung seines Amtes werden, sofern sie nicht unter die im § 148 Absatz 1 vorgesehenen gehören, nach den Landesgesetzen bestraft. 12s Umwandlung der Geldstrafe in Freiheitsstrafe.

162. Im Falle die Geldstrafe nicht beige­ trieben werden kann, tritt statt derselben verhältnißmäßige Freiheitsstrafe ein, welche im ersten Falle der Kontrebande oder Defraudation die Dauer von einem halben Jahre, beim ersten Rückfall in eines dieser Vergehen die Dauer von Einem und bei jedem ferneren Rückfall die Dauer von zwei Jahren nicht übersteigen soll. Das Verhältniß, nach welchem die Freiheits­ strafe abzumessen (§ 141) oder die Geldbuße in Freiheitsstrafe umzuwandeln ist, wird durch die Landesgesetze bestimmt. 130

126. Bgl. 8 2 Nr. 4 G. v. 5. Juli 1872. 127. Bgl 88 267-280 St.-G.-B. 128. Bgl. 8 333 St.-G.-B.

129. Bgl. 88 113, 114, 185, 194 U. 196 St.-G.-B. 130. Bgl. 88 28-30 St.-G.-B.

1871

76

(17. Juli [26. Juni 1869])

Unbekanntschaft mit den Zollgesetzen.

163. Unbekanntschaft mit den Vorschriften dieses Gesetzes und der in Folge derselben gehörig bekannt gemachten Berwaltungsvorschriften soll niemand, auch nicht den Ausländern, zur Ent­ schuldigung gereichen. Verjährung der Zollvergehen.

164. Die Vergehen der Kontrebande und der Defraudation (§§ 134 und 135) verjähren in drei Jahren, Ordnungswidrigkeiten (§§ 151 und 152) in Einem Jahre, von dem Tage an gerechnet, an welchem sie begangen sind. Der Anspruch auf Nachzahlung defraudirter Gefälle verjährt in fünf Jahren.131 Strafverfahren.

165. Hinsichtlich des Strafverfahrens verbleibt es bei den Bestimmungen der Landesgesetze. 132

XXI. Schluß bestimmung en.

166. Dieses Gesetz tritt vom 1. Januar 1870 an in Kraft, und sind von diesem Zeitpunkte ab alle entgegenstehenden Bestimmungen aufgehoben. 167. Bei Verkündung des Gesetzes können solche Aenderungen des Wortlautes vorgenommen werden, welche nach den bestehenden Gesetzen in den einzelnen Bereinsstaaten in der Bezeichnung der Behörden, Beamten, Uebertretungen oder des Münzfußes nöthig sind. Die zur Ausführung des Gesetzes erforderlichen Regulative und sonstigen Bestimmungen werden von dem Bundesrathe des Zollvereins festgestellt.

Gesetz, die Besteuerung des Zuckers betreffend.

Dom 26« Juni 1869. § 1. Vom 1. September d. I. ab wird die Steuer vom inländischen Rübenzucker mit acht Silbergroschen oder acht und zwanzig Kreuzern vom Zollzentner der zur Zuckerbereitung bestimm­ ten rohen Rüben erhoben. 2. Vom 1. September d. I. ist an Eingangs­ zoll vom Zentner ausländischen Zucker und Syrup zu erheben, und zwar von 1) Zucker: raffinirter Zucker aller Art, sowie Rohzucker, wenn letzterer den auf Anordnung des Bundesrathes bei den nach Bedürfniß öffentlich zu bezeichnenden Zollstellen niederzulegenden, nach Anleitung des Holländischen Standart Nr. 19 und darüber zu bestimmenden Mustern ent­ spricht ............................................................. 5 Rthlr. 2) Rohzucker, soweit solcher nicht zu dem unter 1 gedachten gehört.......................................4 Rthlr. 3) Syrup............................ 2 Rthlr. 15 Sgr. Auflösungen von Zucker, welche als solche bei der Revision bestimmt erkannt werden, unterliegen 131. Dgl. 8 26 G. v. 5. Juli 1872.

132. Dgl. §8 3, 6 Nr. 3 E.-G. z. St.-P.-O.-, wonach das G. v. 5. Juli 1872 nur beschränkt in Kraft bleibt.

dem vorstehend unter 2 aufgeführten Eingangs­ zolle. 4) Melasse unter Kontrole der Verwendung zur Branntweinbereitung............................................ frei Für Tara werden vom Zentner Bruttogewicht vergütet: beim Eingang von Brod- (Hut-) Zucker, Kan­ dis-, Bruch- oder Lumpenzucker: 14 Pfund in Fässern mit Dauben von Eichenund anderm harten Holze, 10 Pfund in anderen Fässern, 13 Pfund in Kisten, 7 Pfund in Körben; beim Eingänge von Rohzucker und Farin (Zuckermehl), sowie gestoßenem Zucker: 13 Pfund in Fässern mit Dauben von Eichen­

oder anderm harten Holz, 10 Pfund in anderen Fäffern, 13 Pfund in Kisten, 8 Pfund in außereuropäischen Rohrgeflechten (Kanassers, Kranjans), 7 Pfund in anderen Körben, 4 Pfund in Ballen; beim Eingänge von Syrup: 11 Pfund in Fässern. 133 134 135 3. Bei der Ausfuhr von inländischem wie von ausländischem Zucker über die Zollvereins­ grenze oder bei dessen Niederlegung in öffentlichen Niederlagen i3* wird, wenn die auszuführende Menge mindestens zehn Zentner beträgt, eine Vergütung für den Zentner gewährt: a) für Rohzucker von mindestens 88 Prozent Polarisation.......................................3 Rthlr. 4 Sgr. b) für Kandis und für Zucker in weißen, vollen, harten Broden bis zu 25 Pfund Nettogewicht oder in Gegenwart der Steuerbehörde zerklei­ nert 135....................................... 3 Rthlr. 25 Sgr. c) für allen übrigen harten Zucker, sowie für alle weiße trockene (nicht über 1 Prozent Wasser enthaltende) Zucker, in Krystall-, Krümel- und Mehlform von mindestens 98 Prozent Polarisa­ tion ............................................. 3 Rthlr. 18 Sgr. Der Bundesrath des Zollvereins hat die Zoll­ ämter zu bestimmen, über welche die Ausfuhr bewirkt werden kann. Derselbe ist auch befugt, zu bestimmen, daß die bei der Ausfuhr von Zucker gegen Vergütung abzugebende Deklaration auf den Zuckergehalt nach dem Grade der Polarisation gerichtet werde, 136 133. Dgl. Nr. I der Bkm. und der Anw. des Kommissars v. 27. Dez. 1871 zur Ausführung des Gesetzes.

134. Vgl. Nr. 1 B.-R.-B. v. 19. Febr. 1877 (8 66 d. Prot.), wonach auch die Lagerung in Privattransttläger unter amtlichem Mitverschluß für statthaft erklärt worden ist.

135. Vgl. die B. R.-B. v. 28. Febr. 1873 (8 74 d. Prot.-, betr. die Ausfuhrvergütung für raffinirten Zucker, und v. 25. Mai 1878 (8 335 d. Prot.), betr. die Ausfuhrvergütung für Zucker in Plattenform. 136. Bgl. Nr. II der Bkm. und der Anw. des Kommiffars v. 27. Dez. 1871 zur Ausführung des Gesetzes. Bgl. ferner wegen der Ausgangsabfertigung von Zucker die B.-R.-B.

1871 (17. Juli [12. Okt. 1867]) 4. Wird bei der unrichtige Angabe

Ausfuhr von Zucker durch

des

Zuckergehalts

oder

der

sonstigen Beschaffenheit (handelsüblichen Bezeich­

Zollvereine

wird, von den

gehörigen

eingeführt

Ländern

Einbringern zu entrichten ist.188

Unter Salz (Kochsalz) sind

zwar außer dem

Zollvergütung

Siede-, Stein- und Seesalz alle Stoffe begriffen,

bei dessen Ausfuhr eine Vergütung

aus welchen Salz ausgeschieden zu werden pflegt,

nung) des Zuckers, Steuer- oder für Zucker,

zum

77

überhaupt nicht gewährt wird, in Anspruch ge­

die oberste Finanzbehörde jedes Bundesstaates ist

nommen, so hat der

jedoch

Deklarant den Betrag des

ermächtigt, solche Stoffe von der Abgabe

vierten Theils der in Anspruch genommenen Ver­

frei zu lassen, wenn ein Mißbrauch nicht zu be­

gütung als Strafe verwirkt. Wird durch die un­

fürchten steht. 189

richtige

Angabe

Steuer-

des Zuckergehalts

oder Zollvergütung,

als

eine die

höhere

für

die

I. Abgabe (Steuer) von inländischem

Salze.

Klasse, zu welcher der auszuführende Zucker ge­

hört, festgesetzte Vergütung in Anspruch genommen, so hat der Deklarant das Doppelte der Differenz

1. Anmeldung.

3.

Die Gewinnung

oder

Raffinirung

von

zwischen der zuständigen und der beanspruchten

Salz ist nur in den gegenwärtig im Betriebe be­

Vergütung als Strafe verwirkt.

findlichen,

Außer den vorstehend gedachten Strafen tritt

die Konfiskation des unrichtig deklarirten Zuckers

sowie in denjenigen Salzwerken (Sa­

linen, Salzbergwerken, Salzraffinerien) gestattet, deren Benutzung zu einem solchen Betriebe min­

ein, wenn solcher in der Absicht, die Staatskasse

destens sechs Wochen vor Eröffnung desselben dem

zu verkürzen, zwischen Zucker verpackt worden ist,

Hauptzoll- oder Hauptsteueramte, in dessen Bezirk

für welchen eine Vergütung, beziehungsweise eine

die Anstalt sich befindet, angemeldet worden ist.140 138 141 139

höhere Vergütung gewährt wird.

Zu

einer gleichen Anmeldung

sind

auch

die

Angabe des Zuckergehalts den

Besitzer von Fabriken verpflichtet, in welchen Salz

bei der Revision ermittelten Zuckergehalt um nicht

in reinem oder unreinem Zustande als Nebenpro­

mehr als ein Drittel Prozent, so findet eine Be­

dukt gewonnen wird. 4. Jeder Besitzer

Uebersteigt die

strafung nicht statt. Ist zwar dieser Prozentbe­ trag überschritten, aber der Beweis geführt, daß

die Absicht,

eines bereits

im

Betriebe

befindlichen Salzwerkes oder einer Fabrik, welche

Staatskasse zu verkürzen, nicht

Salz als Nebenprodukt gewinnt, hat binnen einer

Vorgelegen habe, so ist nur eine Ordnungsstrafe

von der Steuerbehörde zu bestimmenden Frist bei

von fünf bis fünfzig Thalern (fünf bis fünfund-

dem Hauptamts des Bezirks in doppelter Ausfer­ tigung eine Beschreibung und Nachweisung des

die

siebenzig Gulden) verwirkt. *8?

5. Die

zur Ausführung dieses Gesetzes erfor­

derlichen Anordnungen werden vom Bundesrathe

Salzwerkes oder der Fabrik nebst Zubehör nach näherer Bestimmung der Steuerbehörde einzu­

des Zollvereins festgestellt.

reichen. Jede Veränderung in den Betriebsräumen,

sowie jeder Zu- und Abgang und jede Verände­ rung an den in der Nachweisung verzeichneten

Gesetz, betreffend die Erhebung einer Abgabe von Salz.

Geräthen und Vorrichtungen, ist dem gedachten Hauptamte vor der Ausführung anzuzeigen, "i

Dom 12. Oktober 1867.

Eine gleiche Verpflichtung liegt demjenigen ob, welcher eine neue Saline oder sonstige Anstalt,

in welcher Salz gefördert, gesotten, raffinirt oder

Aufhebung des Salzmonopols.

§ 1. Das

ausschließliche Recht des

als Nebenprodukt gewonnen wird, anlegen, oder

Staates,

eine außer Betrieb gesetzte Saline oder sonstige

den Handel mit Salz zu betreiben, soweit solches

Anstalt der gedachten Art wieder in Betrieb setzen will. Bei Anlage neuer Salinen, Salzbergwerken

zur Zeit besteht, wird aufgehoben.

Einführung einer Salzabgabe. 2. Das

zum

stimmte Salz

Thalern

inländischen

Verbrauche

be­

unterliegt einer Abgabe von zwei

für den Zentner Nettogewicht,

welche,

insoweit das Salz im Inlands gewonnen wird, von den Produzenten oder Steinsalz-Bergwerks­

besitzern,

insoweit solches aus anderen als

oder Salzraffinerien sind die Anordnungen der Steuerbehörde

wegen

Einfriedigung

des

Salz­

werkshofes zu befolgen, auch für die zur Beauf­ sichtigung

zu bestimmenden Beamten Geschästs-

und Wohnungsräume zu gewähren.

Wo nach bestehenden Reglements den Beamten

den

v. 19. Nov. 1871 (§ 586 d. Prot), v. 4. Mai 1873 (§ 236 d. Prot.), v. 19. Febr. 1877 (§ 66 d. Prot. Nr. 2), v. 15. Nov. 1877 (8 393 d. Prot.), v. 6. Dez. 1877 (§ 420 d. Prot.) und v. 1. Febr. 1879 (§ 57 d. Prot.), außerdem die Bf. des G.-Dir. v. 1. April 1877 (A.-Bl. S. 110\

137. Vgl. Nr. III der Anw. des Kommissars v. 27. Dez. 1871.

138. Ausländisches Salz mit Ausnahme des seewärts ein­ gehenden unterliegt nach Nr. 251 des Zolltarifs v. 15. Juli 1879 einer Abgabe von 12,80 Marl für 100 Kilogr. — Vgl. außerdem 8 1 der VollzugS-B. v. 1. Aug. 1871. 139. Dgl. B.-R.-B. v. 6. Juli 1878 (8 414 d. Prot.), die steuerliche Behandlung der Abraumsalze betreffend.

140. Bgl. 8 2 Abs. 3 der Bollzugsverordnung. 141. Dgl. 8 2 Bollzugs-B.

1871 (17. Juli

78 gemacht

Miethsabzüge

werden, hat

Salz­

der

werksbesitzer dieselben zu beziehen. 5. Jeder Besitzer eines neuen oder wieder in

[12. Okt. 1867]) machung zum Genuß für Menschen), sowie die Stoffe zur Denaturirung zu beschaffen und das

Salzwerkes ist die Kosten der

dazu erforderliche Personal zu stellen; 8) der Steuerverwaltung auf Verlangen, gegen

steuerlichen Ueberwachung desselben zu tragen ver­ pflichtet, wenn die Menge des auf demselben

rung durch die der Ortsbehörde vorgesetzte Ver­

Betrieb gesetzten

jährlich

zur

Berabgabung

gelangenden

Salzes

nicht mindestens zwölftausend Zentner beträgt.

waltungsbehörde festzustellende Entschädigung, ein angemessenes Lokal behufs der Geschäftsführung,

des 2. Kontrole.

6. Die liegen zur

im tz 3

bezeichneten

Ermittelung des

Salze zu entrichtenden zur

Verhütung

von

Anstalten unter­

von dem bereiteten

Abgabenbetrages,

Defraudationen

sowie

hinsichtlich

ihres Betriebes und geschäftlichen Verkehrs der Kontrole der Steuer- (Zoll-) Verwaltung, welche durch eine von dieser zu erlassende, jedem Besitzer

solcher Anstalten mitzutheilende und von diesem

zu befolgende Anweisung geregelt wird. Diese Kontrole wird für jedes Salzwerk durch

ein besonders zu errichtendes oder zu bestimmen­ des Salzsteueramt geübt. Die int § 3 Absatz 2

erwähnten Fabriken unterliegen der Kontrole des nächstgelegenen Steuer- (Zoll-) Amts.*43

7. kann

Durch

die

im

§ 6

gedachte

Anweisung

jeder Salzwerksbesitzer nach näherer

An­

ordnung der Steuerverwaltung verpflichtet werden: 1) dafür Sorge zu tragen, daß der Zugang zu den Siedegebäuden und den Trockenräumen, sowie

zu den Räumen, in welchen Steinsalz ausgeschie­ den oder zerkleinert wird, leicht beaufsichtigt und durch sicheren Verschluß behindert werden kann; 2) die Salzmagazine so einzurichten, daß sie vor gewaltsamer oder heimlicher Entfernung des

SalzeS genügend gesichert sind, und die zur An­ legung des steuerlichen Mitverschlusses erforder­

lichen Einrichtungen zu treffen; 3) das Gefäßen,

Salz nur in

und

Räumen

aufzu­

bewahren ; 4) über den Betrieb des Salzwerkes und das gewonnene und verabfolgte Salz genau Buch zu

führen und die betreffenden Bücher den Steuer­ beamten auf Verlangen jederzeit vorzulegen;

5) Personen, welche Salzhandel betreiben oder

durch ihre Angehörigen betreiben lassen, auf dem Salzwerke keine Beschäftigung zu gewähren, und den Eintritt in das Salzwerk unbefugten Per­

sonen zu untersagen;

6) in den Wohnungen, der

Salzwerkslokalitäten

welche

und

sich

der

innerhalb

zugehörigen

Höfe oder in baulicher Verbindung mit den Salz­ werken befinden, Salz irgend welcher Art nicht in

größerer als der von der Steuerbehörde gestatteten

Menge aufzubewahren; 7) die nöthigen Vorrichtungen zum Verwiegen

Uebernachtung

der

und

Aufenthalts

behörde mit einer angemeffenen Umfriedigung — deren Kosten die Staatskasse bei der ersten Ein­

richtung zur Hälfte

— zu umgeben und

während der Nacht verschlossen zu halten;

zu 8 und 9 vorbehaltlich der am Schluffe des 8 4 hinsichtlich neuer Werke ausgesprochenen Ver­

pflichtung. Die Verpflichtungen zu 2 bis 7 können auch den Besitzern von Fabriken, in denen Salz als Nebenprodukt gewonnen wird, auferlegt werden.

Wird die

Erfüllung einer der

vorbezeichneten

Verpflichtungen verzögert oder verweigert, so kann nach vorheriger Androhung der Betrieb der Sa­

line, des Salzbergwerks oder der Fabrik von der

obersten

Finanzbehörde des Bundesstaates nach

Anhörung der Bergpolizeibehörde so lange unter­

sagt werden, bis der zu stellenden Anforderung

genügt ist.142 143 8. Gewerkschaften,

oder

Korporationen

Ge­

sellschaften, welche Salzwerke besitzen, und Allein­

besitzer, welche den Betrieb ihrer Salzwerke nicht

unmittelbar leiten, sind verbunden, zur Erfüllung der ihnen der Steuerverwaltung gegenüber

ob­

liegenden Verpflichtungen einen auf dem Salz­

werke

regelmäßig

für

Vertreter

anwesenden

dessen

Handlungen

lassungen sie haften. 9. Alles auf einem Salzwerke

und

zu

Unter­

oder in einer

Fabrik gewonnene Salz, sobald es zur Lagerung reif ist, desgleichen das

muß von dem Besitzer

lichem

Mitverschluß

magazine)

gebracht

Schmutz- und

in sichere, stehende

Räume

und

werden

darf

Regel erst aus diesen in den Verkehr

Gebrauch

des

Besitzers

Fegesalz,

unter steuer­

gelangen.

(Salz­

in

der

oder zum

Mit

der,

nur nach zuvoriger Anmeldung und Abfertigung zulässigen Entnahme des Salzes aus diesen Magazinen tritt die Verpflichtung ein, die Steuer zu erlegen, sofern nicht Abfertigung auf Begleit­

schein, namentlich Behufs

Versendung in andere

(Packhoss-) Magazine stattfindet. Begleitscheine und der aus

Hinsichtlich der

der Unterzeichnung

und Empfangnahme derselben erwachsenden Ver­ pflichtungen finden die dieserhalb in dem Zollgesetz und der Zollordnung144 enthaltenen Vorschriften

und zur Denaturirung des Salzes (Unbrauchbar-

142. Bgl. § 3 BollzugS-B. und B.-R.-B. v. 6. Juli 1878, die steuerliche Behandlung der AVraumsalze betreffend.

der

Beamten zu stellen; 9) den Salzwerkshof auf Verlangen der Steuer­

bestellen,

den dazu angemeldeten

Vorrichtungen

einer gütlichen Vereinba­

eine in Ermangelung

143. Bgl. § 2 Abs. 2 und 8 4 der Bollzugs-B.

144. Bereinszollgesetz.

1871

(17. Juli [12. Okt. 1867])

und die zu deren Ausführung getroffenen An­ ordnungen auch auf inländisches Salz Anwen­ dung. 745 Für Begleitscheine und Bleie werden keine Gebühren erhoben. Bon allen Salzwerken darf Salz nur in Mengen von mindestens einem halben Zentner verabfolgt werden. 10. Der Verkehr mit versteuertem oder in denaturirtem Zustande steuerfrei abgelassenen Salze unterliegt, vorbehaltlich der nachstehenden Bestimmungen, keiner steuerlichen Kontrole. 1) Für den Bereich der Salzwerke und Fa­ briken (§ 3 am Schluß), sowie auf Personen,

welche solche verlassen, finden die Bestimmungen in den §§ 37 und 39 des Zollgesetzes und in den 88 83,

84, 87, 91, 96, 106, 107 und 113 der Zollordnung

An­

wendung 146 Dieselben Bestimmungen können für den viertelmeiligen Umkreis derjenigen Salz­ werke, welche als gehörig umfriedigt nicht aner­ kannt werden, durch eine von der obersten Finanzbehörde des Bundesstaates zu erlassende Bekanntmachung in Anwendung gebracht werden. 2) Die mit außervereinsländischen Nachbar­ staaten bezüglich des Salzverkehrs bestehenden Uebereinkünfte bleiben in Kraft.

3) Salzhaltige Quellen, deren Soole zur Berfiedung nicht benutzt wird, sowie Mutterlauge kann die Steuerbehörde unter Aufsicht stellen [unter Verschluß nehmen), um mißbräuchliche Verwendung zu verhüten. 3. Strafbestimmungen.

11. Wer es unternimmt, dem Staate die Abgabe von inländischem Salze zu entziehen, ist der Salzabgabendefraudation schuldig und soll mit der Konfiskation der Gegenstände, in Bezug auf welche die Defraudation verübt ist, und mit einer Geldbuße, welche dem vierfachen Betrage der vorenthaltenen Abgabe gleichkommt, mindestens aber zehn Thaler — fünfzehn Gulden — beträgt, bestraft werden. Kann die Konfiskation selbst nicht vollzogen werden, so ist auf Erlegung des Werthes der Gegenstände zu erkennen. Daneben ist die Abgabe mit zwei Thalern für den Zentner zu entrichten. Ist die Defraudation durch uner­ laubte Gewinnung oder Raffinirung von Salz ver­ übt (§ 3), so verfallen auch die dazu benutzten Geräthe (Siedepfannen, Kessel u. s. w.) der Kon­ fiskation. Mißbräuchliche Verwendung des steuerfrei oder gegen Erlegung der im § 20 erwähnten Kontrolegebühr empfangenen Salzes (§ 13 Nr. 6)

145. Bgl. 8 8 Bollzugs-B. und v. 20. Dez. 1869 (8 158 Nr. 3 d. Prot.), betr. den Entwurf eines Begleit­ scheinregulativs.

146. Die fraglichen Bestimmungen sind in die 88 US, 122, 124, 126, 127, 129 U. 130 des B-Z.G. v. 1. Juli 1869 übergegangen. Bgl. übrigens § 10 Abs. 1 Bollzugs-B.

79

zieht außerdem den Verlust des Anspruchs auf steuerfreien Salzbezug nach sich. 12. Im ersten Wiederholungsfälle, nach vorangegangener rechtskräftiger Berurtheilung, wird die nach § 11 außer der Konfiskation ein­ tretende Strafe verdoppelt, in jedem ferneren Rückfalle vervierfacht. In denjenigen Staaten, nach deren Zollstraf­ gesetzen die freiwillige Unterwerfung unter die Strafe der rechtskräftigen Berurtheilung gleichsteht, ist diese Bestimmung auch für den vorstehenden Fall maßgebend.147 145 146 13. Die Defraudation wird als vollbracht angenommen: 1) wenn Salz, den Bestimmungen des § 3 zuwider, oder in Anstalten, deren Betrieb auf Grund des § 7 untersagt ist, gefördert, hergestellt oder raffinirt wird; 2) wenn das in den zugelassenen Betriebs­ anstalten gewonnene Salz vor der Einbringung in die unter steuerlichem Mitverschluß stehenden Magazine ohne ausdrückliche Erlaubniß der Steuerbehörde aus den Siederäumen entfernt oder verbraucht wird; 3) wenn Salz aus solchen Magazinen ohne zuvorige Anmeldung oder ohne Buchung in den dazu bestimmten Registern weggeführt wird; 4) wenn auf Salzwerken oder deren Zube­ behörungen, sowie in Fabriken (§ 3 am Schluffe), Salz in anderer als der nach § 7 gestatteten Weise und Menge aufbewahrt wird; 5) wenn Salz von Salzwerken oder von Fabriken (§ 3 am Schluffe) zu einer anderen als der von der Steuerbehörde vorgeschriebenen Zeit oder auf anderen als den von derselben vorge­ schriebenen Wegen entfernt wird; 6) wenn über das unter Steuerkontrole oder unter Kontrole der Verwendung befindliche Salz eigenmächtig verfügt oder das steuerfrei oder gegen Kontrolgebühr abgelassene Salz zu anderen als den gestatteten Zwecke verwendet wird; 7) wenn Personen, welche sich nach § 10 Nr. 1 über den Bezug des von ihnen transportirten Salzes auszuweisen haben, ohne Ausweis be­ troffen werden; 8) wenn Soole oder Mutterlauge ohne Er­ laubniß der Steuerbehörde zu anderen Zwecken als denen der Bersiedung in deklarirten Salz­ werken oder Fabriken aus Soolqnellen, Gradirwerken, oder Soolbehältern (Mutterlaugebehältern) entnommen oder verabfolgt totrb.148 Das Dasein der Defraudation und die An­ wendung der Strafe derselben wird in den vor­ stehend aufgeführten Fällen lediglich durch die bezeichneten Thatsachen begründet. Kann jedoch

147. Bgl. § 10 G. v. 5. Juli 1872. 148. Bgl. Bf. des Kommissars v.

14. Ott. 1871 [A.-Bl. S. 595), betr. die Verabfolgung von Soole und Mutterlauge zu steuerfreien Zwecken.

80

1871

(17. Juli [12. Okt. 1867])

der Angeschuldigte vollständig nachweisen, daß er eine Defraudation nicht

verüben können

habe

Die Vorschriften für den Fall der Uebertretung der Zollgesetze

oder wollen, so findet nur eine Ordnungsstrafe

auch auf Fälle

nach § 15 statt.

inländischem

14. Ein Salzwerksbesitzer, welcher zum zweiten

Male

wegen

einer

von

theilt

wird,

Entscheidung

die

der

verur-

eigenen

waltung seines Salzwerkes. Dieser Verlust hat die Wirkung

Ver­

des im.§ 7

gedachten Verbotes.

durch

einen

Unbekannten

II. Abgabe (Zoll) von ausländischem Salze.

19.

Auf

nach deren Zollstraf­

die

Einfuhr von

Salz

und

salz­

haltigen Stoffen aus dem Auslande, sowie auf deren Durchfuhr und Ausfuhr finden die Be­ stimmungen

In denjenigen Staaten,

Salze

Anwendung.

der

Rechtskraft

zur

Befugniß

einen Unbekanntm finden

der Umgehung der Steuer von

verübten

rechtskräftig

mit

verliert

selbst

ihm

Salzabgaben - Defraudation

durch

des

Zollgesehes, der ZollordnMg und der

Zollftrafgesetze^SL, nebst den solche abändemden, er­

die

läuternden oder ergänzenden Bestimmungen An­

Strafe der rechtskräftigen Berurtheilung gleichsteht, ist diese Bestimmung auch für den vorliegenden

wendung. Bon der Bestimmung der obersten Finanzbehörde152 153

Fall maßgebend, r43

jedes Bundesstaates hängt es ab, inwieweit eine

gesetzen die freiwillige Unterwerfung unter

15.

Die

amtlichen

des

Verletzung

Ver­

schlusses von Salz ohne Beabsichtigung einer Gefällehinterziehung, ferner die Übertretung der Vorschriften

der

gegenwärtigen

Verordnung,

sowie der in Folge derselben erlassenen und öffentlich oder den Salzwerksbesitzern und Fa­ brikanten, welche Salz als Nebenprodukt ge­ winnen oder solches steuerfrei oder gegen Kontrolegebühr beziehen, besonders bekannt gemachten Ausführungsvorschriften, für welche keine beson­

dere Strafe angedroht ist, wird mit einer Ord­ nungsstrafe von Einem bis zu zehn Thalern — Einem bis fünfzehn Gulden — geahndet, iso

16. Kann das Gewicht der Gegenstände, in Bezug auf welche eine Salzabgabendefraudation verübt ist, nicht ermittelt und demgemäß der Betrag der vorenthaltenen Abgabe, sowie die

danach zu bemessende Geldstrafe nicht berechnet werden, so ist statt der Konfiskation und der Geldstrafe auf Zahlung einer Geldsumme von zwanzig bis zweitausend Thalern — dreißig bis dreitausend fünfhundert Gulden — zu erkennen.

17. Hinsichtlich der Verwandlung der Geldin Freiheitsstrafen und der subsidiären Haftung

dritter Personen, sowie der Bestrafung der Theil-

nehmer finden die Bestimmungen der Zollstraf­ gesetze Anwendung. Hinsichtlich der Anerbietungen von

Geschenken

an die

Kontrolirung

mit

der

Salzabgabe betrauten Beamten und deren Ange­

hörige, sowie auf Widersetzlichkeiten gegen Erstere, finden

die

Bestimmungen

ebenfalls Anwendung,

der

Zollstrafgesetze

soweit nicht nach den all­

gemeinen Strafgesetzen eine härtere Strafe Platz greift.

18. Die

Feststellung, Untersuchung

und

Ent­

scheidung der Salzabgabendeftaudationen erfolgt nach den Bestimmungen über Zuwiderhandlungen

gegen die Zollgesetze, isi

steuerfreie Lagerung fremden Salzes im Jnlande zu gestatten sei. m. Befreiungen von der Salzabgabe.

20. Befreit von der Salzabgabe (§ 2) ist: 154 1) das zur Ausfuhr nach dem Zollvereinsaus­

lande 155 156 und das zur Natronsulphat- und Soda­

fabrikation bestimmte Salz; 2) das zu land wirtschaftlich en Zwecken, d. h. zur

Fütterung

des

Viehes und zur Düngung

bestimmte Salz;

3) das zum Einsätzen von Häringen und ähn­ lichen Fischen, sowie das zum Einsalzen, Ein­

pökeln u. s. w. von Gegenständen, die zur Aus­

fuhr

bestimmt

find

und

ausgeführt

werden,

erforderliche und verwendete Salz;

4) das zu allen sonstigen gewerblichen Zwecken bestimmte Salz, jedoch mit Ausnahme des Salzes für solche Gewerbe, welche Nahrungs- und Genußmittel für Menschen bereiten, namentlich

auch mit Ausnahme des Salzes für die Her­ stellung für Tabacksfabrikaten, Mineralwassern und Bädern;lss 5) das von der

Staatsregierung

oder

mit

deren Genehmigung zur Unterstützung bei Noth-

152. BereinSzollgesetz.

153. Jetzt die Direktivbehörde nach B.-R.-B. v. 17. April 1871 (§ 139 d. Prot.), betr. das Regulativ für die Privat­ läger. 154. Bgl. die „Bestimmungen über die Befreiung deS zu landwirthschaftlichen und gewerblichen Zwecken bestimmten SalzeS von der Abgabe", ferner B.-R.-B. v. 1. Dez. 1873 (§ 580 d. Prot ), betr. die abgabenfreie Verabfolgung von Salz an Darmhändler, und die Bf. des KommiffarS v. 14. Olt. 1871 lA.-Bl, S. 595), betr. die Verabfolgung von Soole und Mutterlauge zu steuerfreien Zwecken; sodann B.-R.-B. v. 18. Okt. 1876 (§ 286 d. Prot.), wonach ein Erlaß der Steuer für durch Hochwaffer zu Grunde gegangenes Salz als unzulässig abgelehnt wurde.

149. Dgl. § 10 G. v. 5. Juli 1872. 150. Bgl. B.-R.-B. v. 27. März 1879, betr. Kontrolirung der Händler mit denaturirtem Salz (§ 171 d. Prot.).

151. Bgl. G. v. 5. Juli 1872.

155. Bgl. B.-R.-B. v. 5. Okt. 1876 (§ 260 d. Prol.), betr. Salzabgabevergütung für Proviant deutscher Kriegsschiffe. 156. Bgl. B.--R.-B. v. 1. Dez. 1873 (§ 580 d. Prot.), wo­ nach die abgabenfreie Verabfolgung von Salz an Darm­

händler unstatthaft ist.

1871 (17. Juli [8. Mai 1867]) ständen, sowie an Wohlthätigkeitsanstalten ver­ abfolgte Salz. Ueberall ist die abgabenfreie Verabfolgung abhängig von der Beobachtung der von der Steuerverwaltung angeordneten Kontrolemaß-

regeln.15? Die durch die Kontrole erwachsenden Kosten können in den Befreiungsfällen unter Nr. 2, 3 und 4 mit einem Maximalbetrage von 2 Sgr. — 7 Kreuzern — für den Zentner von den Salz­ empfängern erhoben werden. 21. Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 1868

in Wirksamkeit.

Uebereinkunft wegen Erhebung einer Abgabe von Salz.

Dom 8. Mai 1867. »s Die Regierungen von Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, die bei dem Thüringischen Zoll- und Handelsvereine betheiligten Staaten, Braunschweig und Oldenburg, von dem Wunsche geleitet, die Beschränkungen, denen der Verkehr mit Salz im Gebiete des Deutschen Zoll- und Handelsvereins zur Zeit noch unterliegt, zu beseitigen, haben zu diesem Zwecke Verhandlungen eröffnen lassen, wozu sie als Bevollmächtigte ernannt haben (folgen die Na­ men), .......... von welchen Bevollmächtigten, unter dem Vorbehalte der Ratifikation, folgende Ueber­ einkunft abgeschlossen worden ist. Art. 1. Der Artikel 10-des Vertrages vom 16. Mai 1865, die Fortdauer des Zoll- und Handels­ vereins betreffend, wird aufgehoben und im ganzen Umfang des Zollvereins freier Verkehr mit Salz hergestellt. 2. Das im Zollvereinsgebiet gewonnene, sowie das aus dem Auslande eingeführte Salz unter­ liegt einer Abgabe von zwei Thalern (drei Gulden dreißig Kreuzern) für den Zollzentner Nettogewicht. Neben dieser Abgabe darf in keinem Falle eine weitere Abgabe von dem Salz, weder für Rech­ nung des Staates, noch für Rechnung von Kommunen oder Korporationen, erhoben werden. Unter Salz (Kochsalz) sind außer dem Siede-, Stein- und Seesalz alle Stoffe begriffen, aus welchen Salz ausgeschieden zu werden pflegt. 3. Der Ertrag der Abgabe ist gemeinschaftlich. Derselbe wird nach Abzug derjenigen Kosten der Erhebung und Kontrolirung der Abgabe, welche zur Besoldung der damit auf den Salzwerken (Salinen, Salzbergwerken, Raffinerien) beauf­ tragten Beamten aufgewendet werden, sowie nach

157. Vgl. Mm. des Kommissars v. 1. Aug. 1871, Vetr. die Verwendung und Kontrole des abgabenfrei verabfolgten denaturirten Salzes (©tr. Ztg. Nr. 183; A. N. Nr. 633). 158. Vgl. Art. 40 R.-B. und Art. 3 § 7 Z.-B.-B. v. 8. Juli 1867.

III. Band.

81

Abzug der Rückerstattungen für unrichtige Er­ hebungen, zwischen sämmtlichen Bereinsmitgliedern nach dem Verhältnisse der Bevölkerung, mit welcher sie in dem Gesammtverein sich befinden, vertheilt. Im übrigen findet die Abrechnung über den Ertrag dieser Abgabe nach den für die Zolleinnahmen verabredeten Grundsätzen statt.159 157 158 e4. Die Erhebung und Kontrolirung der Abgabe von dem im Zollvereinsgebiete gewonnenen Salz erfolgt nach Maßgabe der hierüber zwischen den vertragenden Regierungen verabredeten besonderen Bestimmungen, die Erhebung und Kontrolirung der Abgabe von dem aus dem Auslande einge­ führten Salz nach der Zollgesetzgebung.160 161 5.161 Abgabenfrei kann Salz, vorbehaltlich der Sicherungsmaßregeln gegen Mißbrauch, verabfolgt werden: A. Auf Bereinsrechnung: 1) zur Ausfuhr nach dem Zollvereinsaus­ lande ; 2) zu landwirtschaftlichen Zwecken, d. h. zur Fütterung des Viehes, sowie zur Düngung; 3) zum Einsalzen, Einpökeln u. s. w. von Gegenständen, die zur Ausfuhr bestimmt sind und ausgeführt werden; 4) zu allen sonstigen gewerblichen Zwecken, jedoch mit Ausnahme des Salzes für solche Ge­ werbe, welche Nahrungs- und Genußmittel für Menschen bereiten, namentlich auch mit Aus­ nahme des Salzes für die Herstellung von Tabacksfabrikaten, Mineralwassern und Bädern. Salz, welches zu den unter 2 und 4 bezeich­ neten Zwecken verwendet werden soll, muß vor der abgabenfreien Verabfolgung unter amtlicher Aufsicht denaturirt, d. h. zum menschlichen Ge­ nusse unbrauchbar gemacht werden. In den Fällen zu 3 muß die Menge des verbrauchten Salzes unter stehender steuerlicher Kontrole voll­ ständig nachgewiesen werden. Läßt sich ein solcher Nachweis nicht vollständig führen, so kann die abgabenfreie Verabfolgung von Salz, bezw. die Erstattung der erlegten Steuer nur auf privative Rechnung stattfinden. B. Auf privative Rechnung kann außer dem vorstehend gedachten Falle Salz abgabenfrei ver­ abfolgt werden: 1) zu Unterstützungen bei Nothständen, sowie an Wohlthätigkeitsanstalten; 2) zu Deputaten (Salznaturalabgaben), auf deren abgabenfreie Verabfolgung die Berechtigten

Anspruch haben; 3) zur Nachpökelung von Häringen. 159. Vgl. Art. 38 R.-D.

M

160. Vgl. die unter den Zollvereins-Regierung n verein­ barte Instruktion, betr. Erhebung und Sicherung der Salz­ abgabe auf den Privatsalinen, sowie die Anleitung zur Erhebung der Salzabgabe bei den Zoll- und Steuerstellen, welche sich nicht an Salzwerksorten befinden sA. Bl. 1871 S. 535 ff.).

161. Dgl. 8 20 des Gesetzes.

6

1871

82 C.

auf Bereinsrechnung

Zur Hälfte

anderen

Hälfte

auf

privative

(17. Juli [11. Mai 1833])

und zur

Rechnung

kann

Salz zur Pökelung von Häringen und ähnlichen

Unterdrückung

und

Unterschied,

Schleichhandels,

des

ohne

derselbe zum Nachtheile der kon­

ob

trahirenden Staaten in ihrer Gesammtheit, oder

Fischen gleichfalls abgabenfrei abgelassen werden.

einzelner unter ihnen unternommen wird, durch

6. Jedem Staate bleibt Vorbehalten, von dem

alle ihrer Berfassung angemessene Maßregeln ge­

abgabenfrei verabfolgten Salze — mit Ausnahme des zur Ausfuhr nach dem Zollvereinsauslande,

meinschaftlich hinzuwirken. 2. Es sollen

auf ihrem Gebiete Rottirungen,

sowie des zur Natronsulphat- und Sodafabrikation

ingleichen solche Waarenniederlagen oder sonstige

bestimmten Salzes — eine Kontrolegebühr von zwei Silbergroschen (sieben Kreuzer)

dacht

vom Zollzentner

Waaren, welche in den anderen kontrahirenden

höchstens

für

eigene Rechnung

zu

er­

Anstalten nicht geduldet werden, welche den Ver­

mit

tigten und Stationskontrolöre erstrecken sich auch

schwärzen.

auf die Abgabe von

dem im Zollvereinsgebiete

sie

zum

Zwecke

haben,

Staaten verboten oder beim Eingänge in dieselben

heben. 162 7. Die Funktionen der Zollvereinsbevollmäch­

gewonnenen Salze. Ebenso findet das Zollkartel vom 11. Mai 1833

daß

begründen,

einer

Abgabe

belegt sind,

3. Die Behörden, Beamten

dorthin

einzu­

oder Bediensteten

aller kontrahirenden Staaten sollen sich gegenseitig

thätig und ohne Verzug den verlangten Beistand

auf diese Abgabe Anwendung. 8. Gegenwärtige Uebereinkunft tritt mit dem

in allen gesetzlichen Maßregeln leisten, welche zur

1. Januar 1868 in Wirksamkeit.

kontraventionen dienlich

Dieselbe soll alsbald zur Ratifikation der ver­ tragenden Regierungen vorgelegt und die Aus­

der

Verhütung, Entdeckung oder Bestrafung der Zoll­

sind,

die gegen irgend

einen der kontrahirenden Staaten unternommen

worden oder begangen sind.

spätestens

Unter Zollkontraventionen werden hier und in

binnen sechs Wochen in Berlin bewirkt werden.163

allen folgenden Artikeln dieses Vertrages auch die

wechslung

Ratifikationsurkunden

Verletzung

einzelnen Regierungen

erlassenen Einfuhr* oder Ausfuhrverbote, insbe­ sondere auch der Verbote solcher Gegenstände,

Dom 1. Oktober 1870 an.

deren ausschließlichen Debit diese Regierungen sich

Zollkartel

Vorbehalten haben, sowie ferner auch diejenigen Kontraventionen begriffen, durch welche die Ab­

zwischen Preußen, Kurhessen und dem

Großherzogthum Bayern und

Hessen,

Württemberg,

Sachsen einerseits

ferner sodann

und den zu dem

Thüringischen Zollvereine

von den

der

DereinS-Zolltarif.164 165

und Handels­

verbundenen

Staaten an­

derseits. 165 Dom 11. Mal 1833. Art. 1. Die sämmtlichen kontrahirenden Staaten verpflichten sich gegenseitig, auf die Verhinderung

gaben beeinträchtigt werden, welche nach der besonderen Verfassung einzelner Staaten für den Uebergang von Waaren aus

4. Auch ohne besondere Aufforderung sind die

Beamten oder Bediensteten der kon­

Behörden,

163. Das Schlußprotokoll zu der vorstehenden Uebereinkunft wurde nicht publizirt; dasselbe ist abgedruckt Bd. V der B. S. 270 ff. 164. Aufgehoben durch G. v. 15. Juli 1879.

165. Rach einer Bestimmung in der provisorischen llebereinkunft v. 8. Mai 1841, welche gemäß Nr. 1 des Schlußvrotokolls zum Z.-B.-B. v. 8. Juli 1867 noch in Geltung ist, soll das Zollkartel auch auf den sog. Uebergangsverkehr, d. h. den Verkehr mit steuerpflichtigen Gegenständen zwischen den einzelnen Staaten des deutschen Zollgebiets Anwendung finden. — Das Zollkartel wird übrigens, soweit das gerichtliche Verfahren in Betracht kommt, nur noch im Verhältniß der deutschen Zollvereinsstaaten zu Luxemburg . 29. Nov. 1875 waren die Obligationen bis zum 1. Juli 1876 zum vollen Betrage auszuhändigen.

trag der bereits eingelösten und

den Gesammt-

betrag der im Umlauf befindlichen Obligationen ersehen läßt.

5. Das Ministerium (§ 3 G. v. 4. Juli 1879).

14. Juni 1872.

Deklaration, betreffend die Legalisation von Urkunden im Geschäftsverkehr mit Frankreich. Straßb. Zta. Nr. 161. Civilstandsakte, gerichtliche und andere ähnliche

Urkunden, welche in Elsaß-Lothringen ausgefertigt und in Frankreich produzirt, oder welche in Frank­ Elsaß-Lothringen pro­

reich ausgefertigt und in

duzirt werden, sollen künftig von den zuständigen

Behörden beider Länder zugelaffen werden, wenn

richter legalisirt sind.

Keine weitere Legalisation

soll verlangt werden, außer in dem Falle wo Zweifel an der Authenticität der produzirten Stücke Platz greifen möchten.

Die gegenwärtige Anordnung für einen Zeitraum

ist abgeschlossen

von fünf Jahren, vom heu­

Gerichtshofes,

tigen Tage an gerechnet; soll jedoch als mit voller

einem Friedensrichter1 oder dessen Ergänzungs-

Kraft erneuert gelten und ferner beobachtet wer­

sie

von

dem

Präfidenten

eines

den, wenn keiner der beiden Theile

genstehenden Entschluß

einen entge­

mindestens drei Monate

vor Ablauf jenes Termins kund gegeben hat.

1. Dgl. ®. v. 2. Mai 1861.

19. Juni 1872.

Verordvuug, betreffen- die Errichtung -er Universität«- un- Lan-esbibliothek ;n Ltraßbnrg. G.-Bl. S. 464.

Nachdem

im

Bibliothekaren,

Deutschlands

Oktober

1870

Buchhändlern

zu dem

ist, um an Stelle der

Zwecke

ein Verein von und

Gelehrten

zusammengetreten

städtischen Bibliothek in

derungen, 1 als

Staatsanstalt

zunächst

für

die

Zwecke der Universität Straßburg bestimmt hat, nachdem

ferner der

so hergestellten

Sammlung

die Bibliothek der früheren Akademie zu Straß-

Straßburg und der Bibliothek des dasigen prote­

stantischen Seminars eine neue Bibliothek herzu­ stellen und diese, aus zahlreichen, von Deutschland und dem Ausland gewährten Schenkungen gebildete

Bibliothek, entsprechend den ergangenen Auffor­

1. Diese Aufforderungen, zu welchen der Professor Dr. Barack, damals Hofbibliothekar in Donau-Eschingen, gegen­ wärtig Oberbibliothekar in Straßburg, die erste AnrDrng gegeben hatte, sind in verschiedenen Zeitungen veröffentlicht worden (vgl. z. B. Straßb. Ztg. Nr. 30, v. 10. Nov. 1870).

1872 (19. Juni — 20. Juni) bürg und mehrere mit elsaß-lothringischen Landes­ fonds käuflich erworbene Büchersammlungen ein­ verleibt sind, derart, daß nunmehr eine ungefähr 200 000 Bände 2 umfassende Bibliothek geschaffen ist, wollen wir der also begründeten Bibliothek alle Rechte einer öffentlichen Anstalt, insbesondere auch die juristische Persönlichkeit, hierdurch ver­ leihen. Wir verordnen, daß die Bibliothek die Bezeich­ nung „Universitäts- und Landesbibliothek"3 führe 2. Es mag beiläufig bemerkt werden, daß die Zahl der Bände gegenwärtig sFebr. 1881} bereits über 500 000 beträgt.

225

und die bleibende Bestimmung erhalte, die litera­ rischen Hülfsmittel für die durch Unsern Erlaß vom 28. April dieses Jahres neu begründete Universität Straßburg, sowie zum Gebrauche der übrigen Lehranstalten in Elsaß-Lothringen, der Behörden und Privatleute, zu sammeln und zu ordnen. Wir beauftragen Unsern Reichskanzler, die Ver­ waltung und Benutzung der Universitäts- und Landesbibliothek zu Straßburg durch ein von ihm zu erlassendes Statut zu regeln.4 Die Ernennung des obersten Beamten der Bibliothek behalten Wir Uns vor.

3. Diese Bezeichnung war der Bibliothek schon durch Erlaß des R.-K.-A. v. 27. Febr. 1872 (vgl. Straßb. Ztg. Nr. 73, v. 27. März 1872) beigelegt worden.

4. Dgl. Statut v. 1. Juli 1872.

19. Juni 1872.

Gesetz, betreffend die Einführung der allgemeinen dentschen Wechselordnung vnd des allgemeinen dentschen Handelsgesehbnchs in Elsaß-Lothringen. S. Band I unter E.

20. Juni 1872.

Gesetz, betreffend die Einrichtung der Gendarmerie in Elsaß-Lothringen. G.-Bl. S. 441.

§ 1. Die Gendarmerie ist bestimmt, die öffent­ liche Sicherheit und Ordnung zu erhalten, die Befolgung der deshalb bestehenden Gesetze und polizeilichen Anordnungen zu überwachen und dieselben nach Maßgabe der ihr ertheilten In­ struktionen 1 *zur Ausführung zu bringen. 2. Den Mitgliedern der Gendarmerie liegt vermöge ihres Amtes auch ohne besondere An­ weisung ob, strafbaren Handlungen nachzuforschen und den Behörden zur Ausübung ihres Amtes auf Ansuchen Schutz zu gewähren. Sie sind be­ fugt, unter Beobachtung der in den Gesetzen vor­ geschriebenen Formen Verhaftungen und Haus­ suchungen vorzunehmen. Bei Ausübung ihres Dienstes und in Bezug auf denselben genießen sie des Schutzes und der Rechte der Mannschaften der bewaffneten Macht; insbesondere sind sie befugt, dabei von ihren Waffen unter denselben Voraus­ setzungen Gebrauch zu machen, wie das Militär nach den Bestimmungen des Gesetzes vom 28. März 1872, den Waffengebrauch des Militärs im Friedensdienste betreffend (Gesetzblatt für Elsaß-Loth­ ringen 1872 S. 157). Die Gendarmen, einschließlich ihrer Offiziere, stehen bei Ausübung ihres Dienstes Militärpersonen jeden Grades gegenüber in dem Verhältniß einer militärischen Wache. 2

3. Die Gendarmerie wird in Bezug auf Oekonomie, Disziplin und innere Verfassung militä­ risch organisirt und steht in diesen Beziehungen unter der oberen Aufsicht des kommandirenden Generals des Armeekorps; in Ansehung ihrer Wirksamkeit und Dienstleistung ist sie unter den Civilbehörden Unserem Oberpräsidenten3 unter­ geordnet. 4. Sie wird als Brigade formirt und besteht aus dem Brigadier, welcher ihr vorsteht, und aus der erforderlichen Anzahl von Offizieren, Oberwachtmeistern und berittenen, sowie Fuß­ gendarmen. 5. Die militärische Aufsicht über die Gendarmen wird von ihren Militärvorgesetzten einschließlich der Oberwachtmeister geführt.4 An den civildienst­ lichen Geschäften der Gendarmerie nehmen die Offiziere nur dann Theil, wenn sie dazu beson­ deren Auftrag erhalten, die Oberwachtmeister nur A.-B. z. G.-B.-G.}; wegen Vornahme von Verhaftungen und Haussuchungen s. § 112 ff. u. 102 ff. St.-P.-O.; bezüglich der Stellung der Gendarmen gegenüber Civilpersonen vgl. 88 H3 Abs. 1 u. 3, 120, 196, 232 Abs. 3 St.-G.-B., 8 420 St.-P.-O., u. gegenüber Militärpersonen sowie wegen des Begriffs einer „militärischen Wache" und der „Militärpersonen" 8 111 *M.* St. G. B. 88 4, 5 u. Bem. 4 I ebendaselbst. In Betreff des Waffengebrauchs s. auch 8 26 Dienstvorschriften v. 26. Sept.

1. S. unten 8 20, und §§ 19-26 der daselbst gedachten Dienstvorschriften.

1872.

2. Die Gendarmen gehören zu den Hülfsbeamten der Staatsanwaltschaft im Sinne des § 153 G.--B.-G. (§ 14 Nr 1

4. Nach näherer Bestimmung der 88 1-10 („von der mili­ tärischen Disziplin") Dienstvorschriften v. 26. Sept. 1872.

III. Band.

3. Jetzt Ministerium, 8 3 G. v. 4. Juli 1879.

15

226

1872 (20. Juni)

soweit, als es die Kontrole ihrer Beritte, in welchen sie die Dienstausführung der Gendarmen speziell zu überwachen haben, zuläßt. 6. Die Vertheilung der Gendarmerie im Lande und die Stationsorte der Gendarmen, Oberwacht­ meister und Offiziere werden von Unserem Ober­ präsidenten nach Einvernehmen mit dem kommandirenden General bestimmt. Der Oberpräsident bezeichnet die Civilbehörden, welchen die Ober­ wachtmeister und Gendarmen in ihren eivildienstlichen Verrichtungen unterzuordnen sind.5 7. Der Brigadier und die Offiziere werden von Uns ernannt. Ihre Entlassung und Pensionirung geschieht nach den für die Offiziere des stehenden Heeres geltenden Grundsätzen.6 7 * 8. Die Gendarmen werden entnommen aus: a) den in deutschen Staaten angestellten Gen­ darmen, welche von den Regierungen derselben abgegeben werden und zum Dienst geeignet sind, b) ehemals französischen Gendarmen, welche Angehörige von Elsaß-Lothringen und von er­ probter Zuverlässigkeit sind, c) aus denjenigen Unteroffizieren, welche die als Bedingung der Anstellungsfähigkeit vorge­ schriebene Dienstzeit 7 im stehenden Heere erfüllt haben und von untadelhafter Führung, mit den erforderlichen Kenntnissen im Lesen, Schreiben und Rechnen ausgerüstet und von guter Gesund­ heit sind. 9. Die Auswahl und Anstellung der Gendarmen, sowie die Beförderung zu Oberwachtmeistern steht dem Brigadier zu, welcher dafür zu sorgen hat, daß die vorgängige Prüfung gewissenhaft streng und zweckmäßig erfolge. 10. Die Gendarmen werden zunächst nur pro­ visorisch auf 6 Monate angestellt. Innerhalb dieses Zeitraums können sie, wenn sie den Anforderungen nicht entsprechen, von dem Brigadier ohne Wei­ teres entlassen werden. Bor der definitiven An­ stellung hat die Civilbehörde, welcher der Gen­ darm während der Probedienstzeit unterstellt war, sich über dessen Qualifikation zu äußern. Fällt das Urtheil unter Bestätigung durch den Bezirks­ präsidenten gegen die Anstellung aus, so unter­ bleibt dieselbe. Bei ihrer Anstellung haben die Gendarmen den Diensteid der Beamten (Gesetz vom 20. Sep­ tember 1871, Gesetzblatt S. 339) zu leisten. 11. Die Mitglieder der Gendarmerie gehören 5. Dies ist geschehen durch Bf. des Oberpräsidenten v. 19. Ott. 1872, betr. die Verhältnisse der Gendarmen in ihren Civildienstverrichtungen l Sam ml. G.-Pr. I S. 317); das Verhältniß der Gendarmen zu den Civilbehörden ist näher geregelt durch die Dienstvorschriften v. 26. Sept. 1872 .(88 27-31), s. auch Bem. 3. 6. S. G. v. 27. Juni 1871, betr. die Pensionirung u. Ver­ sorgung der Militärpersonen des Reichsheeres rc.; wegen -er Besoldungen und übrigen Bezüge s. §§ 11-18 Dienst­ vorschriften v. 26. Sept. 1872.

7. Bon 12 Jahren; vgl. Kab.-O. v. 20. Juni 1865 (Pr. Mil. Wochenblatt S. 259).

zu den Personen des Soldatenstandes und haben den Gerichtsstand des stehenden Heeres. 9 Auf dieselben finden die Militärstrafgesetze Anwendung.9 Disziplinarstrafen gegen dieselben können von den Distriktsoffizieren in dem einem detachirten Bataillons-Kommandeur und von dem Brigadier in dem einem Regiments-Kommandeur nach Maß­ gabe der Vorschriften über die Disziplinarbestra­ fung in der Armee io zustehenden Umfange ver­ hängt werden. Die weitere Strafgewalt steht dem kommandirenden Generale zu." Die höhere Gerichtsbarkeit übt der kommandirende General aus, der auch alle kriegsgerichtlichen Erkenntnisse zu bestätigen hat, welche nach den für die Armee bestehenden Vorschriften nicht Unserer Bestätigung Vorbehalten sind. Die niedere Gerichtsbarkeit steht dem Brigadier zu.12 12. Die Entlassung der Gendarmen kann nicht allein durch kriegsgerichtliche, sondern mit gleicher rechtlicher Wirkung auch durch standrechtliche Ent­ scheidung verhängt werden, letzteren Falls jedoch nur unter Bestätigung durch den kommandirenden General. *3 13. Oberwachtmeister und Gendarmen können wegen solcher Handlungen, welche zwar nicht in den Strafgesetzen vorgesehen sind, durch welche sie aber die Pflichten ihres Amtes verletzt haben, oder wenn sie durch ihr Verhalten in oder außer dem Dienste der Achtung, des Ansehens oder des Vertrauens, welche ihr Beruf erfordert, sich un­ würdig zeigen, zur Disziplinar-Untersuchung" gezogen und auf Grund derselben durch einen Beschluß des Brigadiers aus dem Dienste ent­

fernt werden. Gegen diese Entscheidung steht ihnen der Rekurs an den Reichskanzler" binnen einer Frist von vier Wochen nach Empfang der Ent­ scheidung zu. 14. Die Civilbehörden, welchen die Gendarmen zugewiesen sind, haben dieselben in ihrer Dienst­ führung unmittelbar zu leiten und zu überwachen, und sind befugt, ihnen Zurechtweisungen zu er­ theilen. Ein weiteres Strafrecht steht ihnen nicht zu; vielmehr sind die Anträge auf Disziplinar­ bestrafung an die Militärvorgesetzten der Gen­ darmen zu richten. 15. Zur Führung der Untersuchungen wegen

8. S. 88 4, 5 u. Bem. 4 I M.-St.-G.-B. u. 8 1 Nr. 3 M.-St.-G.-O. — Die Overwachtmeister und Gendarmen haben den Rang der Unteroffiziere mit, bezw. ohne Portepee.

9. Insbesondere das M.-St.-G.-B. v. 20. Juni 1872.

10. Bgl. 88 ", 12 Disziplinar-Straf-Ordnung füx das Heer v. 31. Olt. 1872. 11. Bgl. 8 14 Abs. 3 Nr. 1 ebenda.

12. Zu 8 11 Abs. 3 vgl. 88 20, 21, 29 a, 154, 155 c St.-G.-O.

M.-

13. S. Zusatz Izu 8 42 u. Bem. 60 M.-St.-G.-B. sowie 8 61a M.-St.-G.-O. 14. S. unten 8 15 Satz 2; vgl. auch 88 10 u. 72 R.-B.-G. 15. S. 8 2 G. V. 4. Juli 1879.

1872 (20. Juni) militärischer und gemeiner Verbrechen und Ver­ gehen der Mitglieder der Gendarmerie, sowie zur Fällung des Urtheils ist auf ^Requisition des die Untersuchung anordnenden Gerichtsherrn das dem Stationsorte des Angeschuldigten nächste Militär­ gericht verpflichtet. 16 Demselben liegt auch die Führung der Disziplinar-Untersuchung in den im § 13 vorgesehenen Fällen ob. 16. Die Suspension vom Amte tritt kraft des Gesetzes ein: 1) wenn in dem eingeleiteten Strafverfahren die Verhaftung des Gendarmen beschlossen oder ein noch nicht rechtskräftig gewordenes Urtheil erlassen ist, welches den Verlust des Amtes kraft des Gesetzes nach sich zieht; 2) wenn im Disziplinarverfahren eine noch nicht rechtskräftige Entscheidung ergangen ist, welche auf Dienstentlassung lautet. Sobald ein Strafverfahren eingeleitet oder die Einleitung einer Disziplinar-Untersuchung verfügt ist, oder auch demnächst im Laufe des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung ist der Bri­ gadier befugt, wenn er es im Interesse des Dienstes für erforderlich hält, die Suspension zu verfügen. Für die Dauer und die Wirkungen der Sus­ pension sind die allgemeinen, die vorläufige Dienst­ enthebung der Civilbeamten betreffenden Bestim­ mungen maßgebend.16 17 17. In dringlichen Fällen kann die vorgesetzte Civilbehörde dem Gendarmen in Folge eines Dienst- oder gemeinen Vergehens die Ausübung

227

aller Dienstverrichtungen untersagen, bis über die Suspension vom Amte durch die militärischen Vorgesetzten befunden ist. i8 18. Die Pensionirung der Oberwachtmeister und Gendarmen, sowie die zwangsweise Versetzung in den Ruhestand soll nach den bezüglichen allge­ meinen, für die Civilbeamten geltenden Vorschrif­ ten geregelt werden.19 20 Bis zur Einführung dieser Vorschriften wird den aus anderen deutschen Staaten übernommenen Oberwachtmeistern und Gendarmen mindestens die Pension gewährt, welche sie in ihrem Heimathsstaate nach den daselbst geltenden Grundsätzen und ihrem letzten pensionsfähigen Diensteinkommen berechnet, zu beanspruchen haben würden. 19. In gemeinschaftlichem Dienste der Gen­ darmen mit Truppen des stehenden Heeres ent­ scheidet bei den Offizieren betreffs Führung des Kommandos Grad und Anciennetät. Die Gen­ darmen selbst dagegen erhalten das Kommando über die ihnen im Range gleichstehenden Chargen des stehenden Heeres ohne Rücksicht auf Dienst­ alter. Erhält der Führer der Truppen des stehen­ den Heeres das Kommando, so muß derselbe auf die Anträge des Gendarmerieführers Rücksicht nehmen oder er ist für den aus der Unterlassung der beantragten Maßnahme erwachsenden Nach­ theil verantwortlich. 20. Die Dienstobliegenheiten der Gendarmen werden durch eine besondere Instruktion geregelt werden.29 18. Bgl. 8 131 R.-B.-G.

16. s. § 44 a M.-St.-G.-O. 17. Zu 8 16 vfll. 88 125 u. 127, 126 it. 128-130 R.-B.-G. sowie 8 98 M.-St.-G.-O.

19. S. Art. I G. v. 2.3. Dez. 1873, betr. die Rechtsverhältniffe der Beamten und Lehrer, u. 8 34 ff. R.-B.-G.

20. Dienstvorschriften v. 26. Sept. 1872.

20. Juni 1872.

Gesetz, betreffend den Termin für die Wirksamkeit der Verfassung des Deutschen Reichs in Etsaß-Lothringen. G.-Bl. S. 441. Der im § 2 des Gesetzes vorn 9. Juni 1871, betreffend die Bereinigung von Elsaß-Lothringen mit dem Deutschen Reiche (Reichsgesetzblatt 1871 S. 212), auf den 1. Januar 1873 bestimmte Ter­

min, an welchem die Berfassung des Deutschen Reichs in Elsaß-Lothringen in Wirksamkeit treten soll, wird auf den 1. Januar 1874 verlegt.

20. Juni 1872. Einführungsgesetz zum Mititär-Ltrafgesrhbuch für das Deutsche Leich. S. Band I unter J.

228

1872 (21. Juni — 22. Juni [27. Febr. 1850])

21. Juni 1872.

Lekavvimachung des Oberpräsidenten ;vr Ausführung des Dekrets über die Dampfkessel vom 25. Zannar 1865. Straßb. Ztg. Nr. 146.

Bis auf weiteres können die Druckproben von Dampfkesseln auch von den Beamten des elsässi­ schen Vereins der Dampfkefselbesitzer zu Mül­ hausen ausgeführt werden und es sollen die von

diesen Beamten ausgestellten Druckprobe-Atteste den amtlich ausgestellten Attesten im Sinne des Dekrets vom 25. Januar 1865 gleichstehen.

21. Juni 1872. Verordnung des Oberpräsidenten, betreffend die amtliche Geschäftssprache. Straßb. Ztg. Nr. 146. 1. Diese auf Grund des 8 5 G v. 31. März 1872 erlassene B. hatte den Termin zur Ausführung der §§ 2 u. 4 für die in der B. aufgeführten Gemeinden vorläufig auf den 1. Januar 1878 verlegt. An ihre Stelle ist die B. v. 5. Dez. 1877 getreten.

21. Juni 1872.

SeKanntmachung des Generalkommandos des 15. Armeekorps und des Obrrpräsideuten von Llfaß-Lothringen, betreffend provisorische Lintheilung der LandwrhrSalaillons-Sezirke des 15. Armeekorps in Lompagnie-Syirke.1 2 3 Straßb. Ztg. Nr. 151. 1. S. Bem. 1 zur Wehr-Ordnung v. 28. Sept. 1875.

22. Juni 1872.

Gesetz, betreffend die Einführung deutscher Militärgesrtze tit Llfaß-Lothringen. G.-Bl. S. 445. § 1. Die anliegenden Gesetze und Verordnungen werden in Elsaß-Lothringen eingeführt..............1 3) das Gesetz, betreffend die Unterstützung der bedürftigen Familien zum Dienst einberufener Reserve- und Landwehr-Mannschaften, vom 27. Februar 1850 (Preuß. Ges.-S. S. 70); 4) das Gesetz, die Unterstützung der bedürftigen Familien zum Dienst einberufener Mannschaften der Ersatz-Reserve betreffend, vom 8. April 1868 (Bundesgesetzbl. v. 1868 S. 38). 2

1. Gemäß Art. 61 R.-B.. Die unter Nr. 1 eingeführten Gesetze sind inzwischen beseitigt durch das G. v. 13. Juni 1873 über die Kriegsleistungen, und das zu § 27 dieses Gesetzes erlasiene Reglement v. 15. Okt. 1874 (f. Bem. 26 zu 8 27 a. a. O.). — Ebenso sind die unter Nr. 2 ein­ geführten Gesetze und Verordnungen durch das G. v. 13. Fe­ bruar 1875 über die Naturalleistungen für die bewaffnete Macht im Frieden wieder beseitigt.

2. Die auf periodische Bormusterungen des Pferdebestands bezügliche Bestimmung des § 2 ist durch 8 27 G. v. 13. Juni 1873 über die Kriegsleistungen ersetzt.

Gesetz, betreffend die Unterstützung der be­ dürftigen Familien zum Dienste einberufener Reserve- und Landwehr-Mannschaften. 2

Dom 27. Februar 1850. § 1. Die Reserve- und Landwehr-Mannschaften sollen, sobald sie zum Kriege oder wegen außer­ ordentlicher Zusammenziehung der Reserve oder der Landwehr einberufen werden, für ihre Fami­ lien, im Falle der Bedürftigkeit, eine Unterstützung nach näherer Bestimmung dieses Gesetzes erhalten. 2. Hinsichtlich des Anspruchs auf Unterstützung (§ 1) werden als zur Familie gehörig betrachtet: die Ehefrau des zum Dienst Einberufenen und dessen Kinder unter 14 Jahren. Auch können dahin noch gerechnet werden: die

3. Ueber den Begriff s. §8 6 u. 7 G. v. 9. Nov. 1867.

1872

(22. Juni [27. Febr. 1850] [8. April 1868])

Kinder über 14 Jahren, sowie Verwandte in aufsteigender Linie und Geschwister, insofern sie von dem zum Dienst Einberufenen unterhalten werden müssen. Dagegen sind entferntere Verwandte, geschiedene Ehefrauen und uneheliche Kinder von der Berech­ tigung zum Empfange einer Unterstützung ausge­ schloffen. 3. Die Verpflichtung zur Unterstützung dieser Familien (§§ 1, 2) wird den Kreisen auferlegt. Ausgenommen hiervon bleibt die den Familien der Landwehr-Offiziere in den Fällen des § 1 ju gewährende Unterstützung; diese wird in gleicher Weise wie hinsichtlich der Familien der Offiziere des stehenden Heeres aus dem Militärfonds bestritten. 4. Die Unterstützungsbedürftigkeit der Familie muß in jedem einzelnen Falle nachgewiesen werden. 5. Als Kreisunterstützung muß mindestens ge­ währt werden: a) für die Ehefrau monatlich 1 Thlr. 10 Sgr. und in der Zeit vom 1. November bis 1. April 2 Thlr., b) für jedes Kind unter 14 Jahren monatlich 15 Sgr. Die Geldunterstützung kann theilweise durch Lieferung von Brotkorn, Brennmaterial oder Kartoffeln ersetzt werden. 6. In jedem Kreise wird eine Unterstützungs­ kommission gebildet, welche a) sowohl über die Unterstützungsbedürftigkeit der betreffenden Familien, als auch b) unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ar­ beitsfähigkeit derselben, über den Umfang und die Art der ihnen zu gewährenden Unterstützung, nachdem der Ortsvorstand darüber gehört worden, mit Beachtung der Vorschriften des § 5, endgültig zu entscheiden, und c) die pünktliche Gewährung der bewilligten Unterstützung zu überwachen hat. 7. Die Unterstützungskommission besteht aus dem Landrath als Vorsitzenden und einer den Lokalverhältnissen angemessenen Anzahl von Mit­ gliedern, welche die Kreisvertretung aus den Kreiseinsassen erwählt. Die Kreisvertretung ist befugt, die Geschäfte der Kommission dem Kreis­ ausschuß zu übertragen. Einer jeden Unterstützungskommission wird ein von dem betreffenden Landwehr-Bataillonskom­ mando zu wählender Offizier beigeordnet. 8. Die Kommission (§ 7) kann nur beschließen, wenn mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder zugegen ist. Die Beschlüsse werden nach Stimmen­ mehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit ist die Stimme des Vorsitzenden entscheidend. Der der Kommission beigeordnete Offizier nimmt an den Verhandlungen Theil, hat aber keine entscheidende Stimme. 9. Die zu den Unterstützungen erforderlichen

229

Geldmittel werden von der Kreisvertretung be­ schafft und nöthigenfalls nach dem Verhältniß der sonstigen Kreis-Kommunalbeiträge aufgebracht. 10. Die von der Kommission (§ 7) festgestellte Kreisunterstützung wird den Familien in halb­ monatlichen Raten pränumerando verabreicht. Die Gewährung beginnt mit dem Abmarsch des zum Dienst Einberufenen aus der Heimath und endigt in der Regel mit dessen Rückkehr. Unterstützungen der Privatvereine und einzelner Privatpersonen dürfen auf die bewilligte Kreis­ unterstützung nicht angerechnet werden. 11. Den Familien Derjenigen, welche, während sie im aktiven Dienst sich befinden, a) der Desertion sich schuldig machen, oder b) durch gerichtliches Erkenntniß zur Festungs­ strafe oder zu einer härteren Strafe verurtheilt werden, wird die bewilligte Kreisunterstützung nicht weiter gewährt, sobald die Nachricht davon bei der Un­ terstützungskommission eingeht, welcher von solchen Fällen durch die Truppenbefehlshaber sofort Kenntniß zu geben ist. 12. Den Familien Derjenigen, welche im Ge­ fecht getödtet werden, oder in Folge einer Beschä­ digung im Dienst oder einer durch den Dienst veranlaßten Krankheit vor ihrer Entlassung in die Heimath sterben, wird noch drei Jahre lang, vom Todestage des Familienvaters gerechnet, die bewilligte Kreisunterstützung belassen, sofern ihre Hülfsbedürftigkeit nicht schon vor Ablauf dieses Zeitraums aufhört. 13. Die Familien Derjenigen, welche ohne ihr Verschulden in feindliche Gefangenschaft gerathen, erhalten die bewilligte Kreisunterstützung auch während der Dauer der Gefangenschaft. 14. Die den Familien der Reserve- und Landwehr-Mannschaften durch dieses Gesetz gewähr­ leistete Unterstützung erstreckt sich nicht auf die Zeit, während welcher diese Mannschaften an den jährlichen Uebungen der Landwehr theilnehmen. 15. Gleiche Verpflichtung wie die Kreise (§§ 3 und 6) haben diejenigen Städte, welche nicht zu einem landräthlichen Kreise gehören. An Stelle der Kreisvertretung (§§ 7 und 10) tritt die Ge­ meindevertretung und an Stelle des Landraths (§ 7) der Bürgermeister. 16. Die Minister des Innern und des Krieges sind mit der Ausführung dieses Gesetzes beauf­ tragt.

Gesetz, die Unterstützung der bedürftigen Fa­ milien zum Dienste einberufener Mann­ schaften der Ersatzreserve betreffend.

Dom 8. April 1868. Das durch Unsere Verordnung vom 7. November 1867 (Bundes-Gesetzblatt S. 125) 8 1 Nr. 5 im ganzen Bundesgebiete eingeführte Gesetz, betreffend 4. Gemäß § 69 M.-St.-G.-B.

230

1872 (22. Juni [8. April 1868] — 25. Juni — 1. Juli)

die Unterstützung der bedürftigen Familien zum Dienste einberufener Reserve- und LandwehrMannschaften, vom 27. Februar 1850, findet auch auf die bedürftigen Familien der zum Dienste

einberufenen Mannschaften der Ersatzreserve5 An­ wendung. 5. Ueber den Begriff vgl. §§ 23 ff. R.-M.-G.

25. Juni 1872. Erlaß Ler tlormaleichuagskommissiov, betreffe«- die Zulassung von Federwaagen ;nr Eichung und Stempelung und ;«r Avwendnng beim Wägen von LisenbahnPassagiergepäk.1 S. unterm 15. Mai 1875.

1. Juli 1872. Statut für die Aniversitäts- und Landesbibliothek ;u Straßburg.1 Straßb. Ztg. Nr. 173. § 1. Die obere Leitung und Beaufsichtigung der Verwaltung der Universitäts- und Landes­ bibliothek zu Straßburg, sowie die Vertretung der letzteren nach Außen steht dem Ober-Präsidenten von Elsaß-Lothringen2 zu. 2. Die Verwaltung wird von dem Oberbiblio­ thekar als obersten Beamten der Bibliothek geführt. Ihm sind untergeben die übrigen Beamten der Bibliothek, nämlich die Bibliothekare, Kustoden, Sekretäre und Unterbeamten. Die Bibliothekare, die Kustoden und die Sekre­ täre werden vom Ober-Präsidenten 2, die Unter­ beamten vom Oberbibliothekar ernannt. In Verhinderungsfällen wird der Oberbiblio­ thekar durch die Bibliothekare in der vom OberPräsidenten 2 bei der Ernennung der Letzteren zu bestimmenden Reihenfolge vertreten. 3. Die Beamten der Bibliothek sind Staats­ beamte. Sie sind für die Bewahrung, Förderung und Verwaltung der Bibliothek, sowie des Ver­ mögens derselben nach Maßgabe dieses Statuts und der ihnen gegebenen Weisungen der vorge­ setzten Behörden verantwortlich. 4. Die Benutzung der Bibliothek geschieht: 1) durch Besuch der Lesezimmer, 2) durch Entlehnung von Büchern.

Die näheren Vorschriften hierüber werden durch die vom Oberbibliothekar unter Genehmigung des Ober-Präsidenten2 zu erlassende Bibliothek-Ord­ nung festgesetzt.2 5. Die Einnahmen und die Ausgaben der Biblio­ thek werden jährlich durch den LandeshaushaltsEtat festgestellt.

1. Das Statut v. 1. Juli 1872 ist auf Grund der B. v. 19. Juni 1872 vom R.-K. erlassen. 2. Die Obliegenheiten des OPr. werden durch das Mini­ sterium für E.-L. wahrgenommen (§ 3 G. v. 4. Juli 1879).

8. Dgl. die Bibliothek-Ordnung v. 3-12. (Straßb. Ztg. Nr. 2, v. 3. Januar 1873).

Dez.

1872

6. Die eine Hälfte der nach dem Etat für Bücheranschaffungen zu verausgabenden Gelder steht zur Verfügung des Oberbibliothekars, welcher daraus Lücken zu ergänzen und solche Anschaf­ fungen zur Vervollständigung der Bibliothek zu machen hat, durch welche sie zur Erfüllung der in der Stiftungsurkunde ihr gestellten Aufgabe geeignet wird. 7. Ueber die Verwendung der andern Hälfte steht den Fakultäten der Universität Straßburg nach einem von dem Ober-Präsidenten 2 an die Bibliothekverwaltung mitzutheilenden Verhältnisse die Verfügung zu. Dieselbe geschieht in der Weise, daß die einzel­ nen Fakultäten, jede bis zu einer jährlich zu bestimmenden Summe, mittels einer bei den Bi­ bliothekakten verbleibenden Liste durch den jewei­ ligen Dekan der Fakultät, der Bibliothekverwal­ tung die anzuschaffenden Werke bezeichnen. Ueber die verwendete Summe ist jeder Fakultät jährlich beim Jahresschlüsse eine Nachweisung unter spezieller Angabe der angekauften Werke und des Preises derselben zu gebend 8. Ergeben sich beim Jahresschlüsse bei den für Bücheranschaffungen bestimmten Fonds Ersparnisse, so können diese zur Verwendung in das folgende Jahr übertragen werden. 9. Die Bestimmung über das Kapital- und Grundvermögen der Bibliothek steht dem OberPräsidenten 2 zu, soweit nicht nach den bestehenden Bestimmungen landesherrliche Anordnung erfor­ derlich ist. Bei Erwerbungen und Veräußerungen von Bermögensstücken ist der Oberbibliothekar mit seinem Gutachten vorher zu hören. Der Ober-Präsident 2 akzeptirt insbesondere die der Bibliothek gemachten Schenkungen und über­ wacht deren bestimmungsmäßige Verwendung. 4. Die Fakultäten Haven von dem ihnen nach § 7 zuste­ henden Rechte noch keinen Gebrauch gemacht, vielmehr dem Oberbibliothekar die freie Beifügung überlassen.

1872 (4. Juli — 5. Juli) 10. Die Bibliothekkasse wird von dem Quästor der Universität Straßburg nach Maßgabe der ihm als solchem ertheilten Instruktion verwaltet.

231

Die Verwaltung der Kasse steht unter der Aufsicht des Kuratoriums der Universität in gleicher Weise wie die Universitätskasse.

4. Juli 1872.

Gesetz, betreffen- -en Orden -er Gesellschaft Jesu. S. unterm 8. Juli 1872.

5. Juli 1872.

Gesetz, das Verfahren bei Inwi-erhan-lnngen gegen die Zollgesetze und -ie Gesetze über -ie in-irekten Steuern betreffend.1 2 G.-Bl. S. 465. § 1. Die Bestimmungen dieses Gesetzes treten an die Stelle der bisherigen gesetzlichen Bestim­ mungen über das Verfahren bei Zuwiderhand­ lungen gegen die Zollgesetze und die Gesetze über die indirekten Steuern, mit Ausschluß der Erb­ schaftssteuer, des Enregistrements und des für Landesrechnung erhobenen Stempels, für welche das bisherige Verfahren beibehalten wird. Auf Zuwiderhandlungen gegen die Oktroigesetze finden die Bestimmungen dieses Gesetzes nur dann Anwendung, wenn die Oktroikontravention mit einer diesen Bestimmungen unterworfenen Steuer­ kontravention zusammentrifft. 2. Die Aburtheilung der Zuwiderhandlungen steht ausschließlich den Gerichten zu: 1) wenn die Handlung unmittelbar mit Frei­ heitsstrafe bedroht ist, 2) wenn die Festnahme des Beschuldigten statt­ gefunden hat, 3) wenn der Beschuldigte zur Zeit der Bege­ hung das zwölfte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte, 4) im Falle des Zusammentreffens mit einer nach den allgemeinen Strafgesetzen zu verfolgen­ den strafbaren Handlung. Die Verwaltungsbehörden haben in diesen Fällen die bei ihnen aufgenommenen Akten der Staatsanwaltschaft mitzutheilen, insofern sie nicht selbst deren Funktionen wahrzunehmen haben — § 19 —3

1. Die Vorschriften dieses Gesetzes sind durch das G.-B.-G. u. die St.-P.-O., insbesondere die 88 459-469 der letzteren in vielen Beziehungen geändert; § 5 ist durch § 3 E.-G. z. St.-P.--O. aufgehoben u. durch §§ 112-114, 127, 128 Abs. 1 St.-P.-O., 8 14 Nr. 3 A.-B. z. G.-B.-G. ersetzt; - §§ 18-21 aufgehoben durch § 2 E.-G. z. G.-B.-G. u. ersetzt durch § 27 Nr. 1 u. 2, § 73 Nr. 1, § 75 Nr. 15 (u. Schluß), 8 76, 8 123 Nr. 2, 8 136 Nr. 2 G.-B.-G., 88 338-340, 354, 374, 464 ff. St.-P.-O. Eine „Anweisung zur Ausführung" des G. ist vom G.-Dir. unterm 12. Sept. 1879 (A.-Bl. S. 193) erlassen; abändernde Vf. unterm 26. Dez. 1879 (das. S. 438).

eine

2. Die Mittheilung der Akten an die St.-A. ist jetzt stets nothwendig, 88 464, 465 St.-P. O.

In allen übrigen Fällen erfolgt die Aburthei­ lung der Zuwiderhandlungen im Verwaltungs­ wege, wenn nicht der Beschuldigte vor Erlaß des Strafbescheides gerichtliche Entscheidung verlangt.3 Die Verwaltungsbehörde ist jedoch vor Erlaß des Strafbescheides jederzeit befugt, die Ueberweisung der Sache zum gerichtlichen Verfahren zu beschließen. 3. Der erste Angriff und die vorläufige Fest­ stellung des Thatbestandes bei Entdeckung einer Zuwiderhandlung steht den Zollbeamten, bezie­ hungsweise den Steuerbeamten, die weitere Ver­ fügung den Hauptzollämtern zu. Die Zollbeamten beziehungsweise Steuerbeamten sind berechtigt, sich der Gegenstände, welche der Konfiskation unterliegen, oder als Beweismittel für die Unter­ suchung von Bedeutung sein können, durch Be­

schlagnahme zu versichern, auch, wenn es zur Sicherstellung der Abgaben, Strafen oder Unter­ suchungskosten erforderlich ist, die Beschlagnahme auf die Transportmittel zu erstrecken. 4 Die Beschlagnahme von Thieren und von Ge­ genständen, welche dem Verderben ausgesetzt sind, darf nicht über acht Tage dauern. Sollen oder können dieselben nicht binnen dieser Frist zurück­ gegeben werden, so erfolgt der Verkauf auf An­ ordnung des zuständigen Hauptamtes. 5 4. Steuerpflichtige Gegenstände, welche außer Gewahrsam einer bestimmten Person vorgefun­ den werden, unterliegen der Beschlagnahme durch die Steuerbeamten und können, wenn sie unge­ achtet der an den bekannten Eigenthümer oder in Ermangelung eines solchen, durch zweimaliges

3. Vgl. 8 6 Nr. 3 E.-G. z. St.-P.-O.

4. Die Befugniß der Zoll- und Steuerbeamten zu Beschlag­ nahmen und Durchsuchungen ist jetzt darauf zu gründen, daß sie durch 8 14 A.-D. z. G.-B.-G. zu HülfSbeamten der Staatsanwaltschaft ernannt sind. Für das Verfahren sind im übrigen 88 98 ff., 105 St.-P.-O. maßgebend. Vgl. ferner 88 126 u. 127 B.-Z.-G, und Art. 237 G. v. 28. April 1816 (8 5 E.-G. z. St.-P.-O.).

5. Vgl. Art. 30 G. v. 1. Germ. XIII.

232

1872 (5. Juli)

öffentliches Aufgebot mit einem Zwischenraum von mindestens vier Wochen erlassenen Aufforde­ rung nicht zurückverlangt werden, auf Anordnung des Hauptamtes öffentlich meistbietend verkauft -werden.6 Der Erlös bleibt nach Abzug der Bekanntmachungs- und Berkaufskosten, der Abgaben, sowie der auf die Erhaltung der Waaren ver­ wandten Kosten sechs Monate hindurch aufbe­ wahrt und fällt, wenn er bis zu deren Ablauf von niemand in Anspruch genommen wird, der Steuerkasse anheim. 6. Ueber die entdeckte Zuwiderhandlung ist ein Protokoll aufzunehmen, welches außer dem That­ bestände das Datum und den Ort der Aufnahme, die Unterschrift der betreffenden Zoll- oder Steuer­ beamten, sowie der Zeugen und der Beschuldigten, beziehungsweise den Vermerk, daß die letzteren nicht haben unterzeichnen wollen oder können, enthalten muß. Dieses Protokoll wird dem zustän­ digen Hauptamte überreicht.7 8 7. Bei dem Verfahren im Verwaltungswege werden demnächst mittels schriftlicher Vorladung der Beschuldigte und die Zeugen zur protokollari­ schen Vernehmung vor das Hauptamt oder eine von letzterem mit der Vernehmung beauftragte Amtsstelle geladen. Die Behändiguug der Vorladung kann sowohl durch Unterbeamte der Zollverwaltung oder der Steuerverwaltung, als auch durch Bermittelung der Gemeindebehörden oder der Post bewirkt werden. 8. Bleibt auf gehörige Vorladung der Beschul­ digte aus, so wird dies einem Antrag auf gericht­ liche Entscheidung gleich geachtet. Ausgebliebene Zeugen werden aus Antrag des Hauptamtes gerichtlich vernommen, b 9. Erscheint die Anwendung einer Strafe nach den Gesetzen nicht begründet, so verfügt das Hauptamt die Einstellung des Verfahrens. Den Hauptämtern bleibt es überlassen, auch in solchen Fällen, in denen eine Strafe gesetzlich begründet ist, von der Einleitung eines Straf­ verfahrens Abstand zu nehmen, wenn mildernde Umstände vorliegen und der Betrag der Strafe fünf Thaler, oder der Betrag der hinterzogenen Gefälle einen Thaler nicht übersteigt.9 10 10. Erscheint die Anwendung einer Strafe be­ gründet, so ist der Beschuldigte zu befragen, ob

6. Vgl. 8 157 B.-Z.-G.

er sich derselben endgültig unterwerfe. Bejaht der Beschuldigte die Frage, so ist über diese Erklä­ rung eine von ihm zu unterzeichnende Verhand­ lung aufzunehmen, welche zugleich den Gegenstand der Beschuldigung, sowie die Berechnung etwa hinterzogener Gefälle, der Strafe und der Kosten enthalten muß. Diese Verhandlung wird bezüglich der Straf­ vollstreckung einem rechtskräftigen Strafbescheide gleich geachtet. 11. Erklärt der Beschuldigte, sich der Strafe nicht unterwerfen zu wollen, so erläßt das Hauptamt einen Strafbescheid mit Entscheidungs­ gründen. Eine Ausfertigung des Strafbescheides ist dem Beschuldigten unter gleichzeitiger Belehrung über die ihm zustehenden Rechtsmittel zu behändigen. Für die Form der Behändigung gelten die Vorschriften des § 7. w 12. Gegen den Strafbescheid kann der Beschul­ digte binnen zehn Tagen11 12nach Ablauf des Tages, an welchem die Behändigung erfolgt ist, entweder auf gerichtliche Entscheidung antragen, oder Beschwerde bei der Direktivbehörde (Direk­ tion der Zölle und indirekten Steuern) einlegen. Durch Einlegung eines dieser Rechtsmittel ist die Anwendung des andern ausgeschlossen. 13. Die Beschwerde an die Direktivbehörde ist innerhalb der vorgeschriebenen Frist — § 12 — bei dem Hauptamte, welches den Strafbescheid erlassen hat, schriftlich oder mündlich zu Protokoll anzumelden und zu rechtfertigen. 14. Die Entscheidung über die Beschwerde erfolgt auf Grundlage der Akten. Doch kann die Direktivbehörde sowohl auf Antrag des Beschul­ digten, als auch ohne solchen Antrag neue Beweis­

aufnahme verfügen. In diesem Falle finden bezüglich der Behändi­ gung der Vorladungen und bezüglich ausblei­ bender Zeugen die Vorschriften des § 7 Anwen­

dung. 15. Die Direktivbehörde ist befugt, auch in Fällen, in welchen eine Beschwerde nicht begrün­ det befunden wird, wenn mildernde Umstände vorhanden sind, die Strafe der Art und dem Maße nach unter den gesetzlichen Mindestbetrag herabzusetzen und von einer im Gesetze angedroh­

ten Konfiskation Abstand zu nehmen. 12 16. Eine Ausfertigung des auf die Beschwerde ergangenen Bescheides ist dem Beschuldigten zu behändigen. Bezüglich der Behändigung finden die Vorschriften des § 7 Anwendung. Sofort nach

7. Wegen der Zuständigkeit vgl. §§ 7 u. 8 St.-P.-O.

8. Wegen des Verfahrens bei Vernehmung der Zeugen vgl. 88 48 ff. St.-P.-O.

9. Vgl. Bf. d. Dir. v. 5. Sept. 1872 (A.-Bl. S. 336) und v. 4. Juni 1873 (A.-Bl. S. 191), wegen der Niederschlagsbefugniß der Hauptamtsdirigenten bei Zuwiderhand­ lungen im zollpflichtigen Verkehr, sowie Bf. v. 15. Aug. 1873 (A.-Bl. S. 243), beruhend auf B.-R.-B. v. 2. Juni 1873, betr. Niederschlagungsbefugniß bei Zuwiderhandlungen gegen das Wechselstempelsteuergesetz.

10. Wegen des Inhalts nnb der Formen des

Strafbe­

scheids vgl. 8 459 St.-P.-O. 11. Die Frist zum Antr. g auf gerichtliche Entscheidung beträgt nach 8 459 St.-P.-O. nur noch eine Woche. Vgl.

jedoch Bem. zu 8 22 Abs. 3. 12. Vgl. 8 5 Nr. 6 Regulativ über die Befugniffe des G.-Dir. v. 24. Jan. 1876; außerdem Art. 18 Z.-B.-B. v. 8. Juli 1867.

1872 (5. Juli) erfolgter Behändigung wird der Bescheid voll­ streckbar. 17. Bei dem Strafverfahren im Verwaltungs­ wege kommen außer den Zeugengebühren und sonstigen baaren Auslagen für Untersuchungs­ zwecke keine Kosten in Ansatz; Gebühren an Zeugen, Sachverständige und Dolmetscher werden

nach den für das Verfahren vor dem Polizeige­ richte vorgeschriebenen Sätzen gezahlt.13 22. Subsidiarische Verhaftungen für Geldstrafen, Gefälle und Kosten sind entweder gleichzeitig mit der Aburtheilung des Thäters oder durch nachträglichen Zahlbefehl des Gerichts oder der Verwaltungsbe­ hörde auszusprechen, welche in erster Instanz entschieden hat. Ist die Zuziehung des subsidiarisch Verhafteten zur Hauptverhandlung, sei es wegen freiwilliger Unterwerfung des Thäters oder aus anderen Gründen unterblieben, so kann der subsidiarisch Verhaftete innerhalb zehn Tagen nach Ablauf des Tages, an welchem ihm die seine Haftpflicht aussprechende Entscheidung behändigt ist, bei der erkennen­ den Behörde beantragen, daß ihm gegenüber durch ein be­ sonderes Verfahren festgestellt werde, ob eine strafbare Handlung begangen sei. Inwieweit bei diesem Verfahren die gegen den Thäter erhobenen Beweise auch dem subsidia­ risch Verhafteten gegenüber benutzt werden können, ist in das Ermessen der erkennenden Behörde gestellt.14

Bezüglich der Frage, ob die gesetzlichen Bedin­ gungen der subsidiarischen Haftbarkeit vorliegen, stehen dem Civilhaftbaren die nämlichen Rechts­ mittel 15 zu, wie dem Beschuldigten: er ist berechtigt zu verlangen, daß diese Frage vom Hauptverfahren getrennt und so lange ausgesetzt werde, bis eine auch für ihn rechts­ kräftige Aburtheilung der Thatfrage erfolgt ist.16

23. Die Strafvollstreckung erfolgt in Ansehung der Geldstrafen, Kosten und Konfiskationen durch die Verwaltungsbehörde, hinsichtlich der Freiheits13. Vgl. Gebührenordnung für Zeugen und Sachverstän­

dige v. 30. Juni 1878. 14. Wegen der subsidiarischen Haftbarkeit vgl. Art. 35 D. v. 1. Germ. XIII und Bem. hierzu, B.-Z.-G. § 153, Wechselstempelsteuerges. § 18, Salzsteuerges. § 17, Tabacksteuerges. § 43, Weinsteuerges. § 36, Branntweinsteuerges. 8 66, G. über Spielkartenstempel § 18, G. v. 30. Juni 1873 § 2, G. v. rs. Juli 1879 § 4, G. v. 20. Juli 1879 § 17 Abs. 1. 15. Der endgültige Ausspruch über die civilrechtliche Haft­ barkeit steht nach Einführung des G.-B.-G. und der

St.-P.'O. nicht mehr dem Strafrichter, sondern allein den Eivilgerichten yi; vgl. Bem. zu Art. 259 St.-P.-O. (So das Reichsjustizamt nach Bf. des G.-Pr. o. 26. Sept. 1879 I Nr. 1956; anders die in Bem. zitirte Anw. v. 12. Sept. 1879.) An der Befugniß der Verwaltung, Zahlbefehl nach Abs. 1 zu erlassen, ist durch die vorerwähnten Gesetze nichts geän­ dert. 16. Hat die Verwaltung nicht Klage bei dem Civilgericht erhoben, sondern Zahlbefehl nach Abs. 1 erlassen, so ist es Sache des Civilhaftbaren, innerhalb der Frist des § 12 auf gerichtliche Entscheidung anzutragen, d. h. jetzt Klage beim Civilgericht zu erheben.

233

strafen durch die ordentlichen Organe der Staats­ anwaltschaft. 17 Zum Zwecke der Strafvollstreckung, findet der Zwangsverkauf von Grundstücken nicht statt. 24. Die durch Strafbescheid festgesetzten Geld­ strafen werden, im Unvermögensfalle, sofern nicht die Reichsgesetze über Zölle und Reichssteuern Sondervorschriften enthalten, in Gemäßheit der §§ 28 und 29 des Strafgesetzbuchs, und zwar wenn eine Uebertretung vorliegt durch das Polizeigericht, in den übrigen Fällen durch die Rathskammer des Landgerichts nach Anhörung der ordentlichen Organe der Staatsanwalt­

in Freiheitsstrafen umgewandelt.18 25. Der Verwaltungsbehörde bleibt es über­ lassen, eine von dem Verurteilten nicht beizu­ treibende Geldstrafe entweder von dem subsidiarisch Verhafteten einzuziehen, oder mit Verzicht hierauf die im Unvermögensfalle eintretende Freiheitsstrafe sogleich an dem Verurtheilten vollstrecken zu lassen. 26. Hinsichtlich der Verjährung sind die Grund­ sätze des Strafgesetzbuchs maßgebend, insofern nicht die Zoll- oder Steuergesetze besondere Vor­ schriften über die Verjährung enthalten.19 27. Transitorische Bestimmungen. — Für das Verfahren im Verwaltungswege bleiben bis nach erfolgter Revision der bestehenden Ge­ setze über die indirekten Landessteuern 20 die be­ züglich der Zuwiderhandlungen gegen diese Gesetze und der mit denselben zusammentreffenden Oktroi­ kontraventionen den Verwaltungsbehörden zuste­ henden Transaktionsbefugnisse in Kraft und werden durch die Hauptämter ausgeübt. Transaktionen über verwirkte Strafen von mehr als 500 Frank unterliegen der Bestäti­ gung durch die Direktivbehörde. Transaktionen über verwirkte Strafen bis einschließlich 500 Frank bedürfen einer Bestätigung nicht. 21 schaft,

17. Vgl. § 1 Ziff. 3 B. v. 15. Nov. 1880 wegen Beitrei­ bung der im Verwaltungsweg erkannten Geldstrafen, Ein­ ziehungen und Kosten; § 495 St.-P.-O. u. §§ 644 ff. C. P.-O. wegen der gleichartigen gerichtlich erkannten Stra­ fen; 8 483 St.-P.-O. wegen der Freiheitsstrafen. Vgl. ferner Art 10 Nr. 4 Z.-B.-B. v. 8. Juli 1867. 18. Dgl. 8 463 St.-P.-O.; außerdem 8 162 B.-Z. G. 19. Vgl. 88 67, 68, 70 u. 71 St.-G.-B.; Art. 1 G. v 15. Juni 1835; B.-Z.-G. 8 164; Wechselstempelsteuerges. 8 17 Salzsteuerges. 8 18, Branntweinsteuerges. 8 68, Tabacksteuerges. § 45, Weinsteuerges. 8 36, G. über den Spielkarten­ stempel 8 20, G. v. 30. Juni 1873 8 4; 8 2, G. v. 19. Juli

1879.

20. Biersteuer und Lizenzgebühr. Vgl. übrigens wegen des Getränkekleinverkaufs 8 18 Bkm. v. 6. Mai 1880. — Hin­ sichtlich der Weinsteuer vgl. § 37 G. v. 20. März 1873.

21. Dgl. Art. 23. B. v. 5. Germ. XII. Transaktion nach eingeleiteter gerichtlichen Untersuchung ist nicht mehr zu­ lässig (8 154 St.-P.-O.>.

234

1872

(5.

Juli — 8. Juli

[4. Juli 1872])

5. Juli 1872.

Verordnung, betreffend die Pharmakopoe.1 G.-Bl. S. 471. Das unter dem Titel «Pharmacopoea Germa­ nica» von einer durch den Bundesrath einge1. Dom Kaiser im Namen des deutschen Reichs ans Grund des Art. 38 G. v. 21. Germinal XI für E.-L. erlassen. — Das Berzeichniß der laut Blm. des R.-K. v. 4. Juli 1873 lR.-G.-Bl. S. 200) vom Bundesrath am 2. Juli 1873 beschlossenen, in Nr. 27 C.-Bl. veröffentlichten Veränderungen der Pharmacopoea Germanica, ist avgedruckt im A.-Bl., für U.-E. 1873 S. 63. — Mit Bezug auf die Einführung der Pharmacopoea Germanica in E.-L. hat der OPr. laut Bkm. v. 1. Oktober 1872 (Straßb. Ztg. Nr. 238; A.-Bl. für U.-E. S. 234) bestimmt, daß vom 1. Nov. 1872 ab Vie in der Bem. näher aufgeführten Arzneimittel in sämmtlichen Apotheken von E.-L. jederzeit vorräthig sein müssen, daß jedoch der Untersuchung bei den Apotheken-Bisitationen auch alle andern Vorgefundenen Arzneimittel unterliegen. Dom 1. Januar 1874 ab ist durch B. des OPr. v. 12. Nov. 1873 ein neues, zum Theil abweichendes Berzeichniß der in den Apotheken vorräthig zu haltenden Arzneimittel in Kraft

getreten. — Ueber die Beschaffenheit der Arzneien u. deren

setzten Kommission festgestellte, in dem Berlage der Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei zu Berlin erschienene Arzneibuch tritt mit dem 1. November 1872 an Stelle des durch das Dekret vom 5. Dezember 1866 (Bulletin des Lois 1866 II. Semestre S. 769) für verbindlich erklärten «Codex medicamentarius, Pharmacopee fran^aise, Edi­ tion de 1866» in Geltung. Unser Reichskanzler ist mit der Ausführung dieser Verordnung beauftragt.

Aufstellung in den Apotheken ist dre B. des OPr. v. 23. Oktober 1872 ergangen. — Zur Verhütung von Ver­ wechselungen zwischen gewissen Arzneimitteln der französischen Pharmakopöe mit gleichnamigen, aber anders zusammen­ gesetzten der Pharmacopoea Germanica sind vom OPr. Anweisungen an Apotheker und Aerzte erlassen durch Bkm. v. 25. Febr. 1876, betr. Verabreichungen von Arzneimitteln.

5. Juli 1872.

Sekanritmachimg des Keichs Kanzlers, betreffend die Ausführung des Gesetzes über den Grde» der Gesellschaft Jesu. G.-Bl. S. 507. Auf Grund der Bestimmung im 8 3 des Gesetzes, betreffend den Orden der Gesellschaft Jesu, vom 4. dieses Monats, i hat der Bundesrath beschlos-sen: 1) Da der Orden der Gesellschaft Jesu vom Deutschen Reiche ausgeschlossen ist, so ist den Angehörigen dieses Ordens die Ausübung einer 1. S. nachstehend unter dem Datum des 8. Juli 1872.

Ordensthätigkeit, insbesondere in Kirche und Schule, sowie die Abhaltung von Missionen nicht zu gestatten. 2) Niederlassungen des Ordens der Gesellschaft Jesu sind spätestens binnen sechs Monaten, vom Tage der Wirksamkeit des Gesetzes an, aufzulösen. 3) Die zur Vollziehung des Gesetzes in den einzelnen Fällen zu treffenden Anordnungen werden von den Landespolizeibehörden verfügt.

8. Juli 1872.

Gesetz wegen Einführung Les Keichegesetzes, betreffend Len Orden der Gesellschaft Iesn, in Elsaß-Lothringen. G.-Bl. S. 506.

Die Wirksamkeit des anliegenden Reichsgesetzes vom 4. Juli 1872, den Orden der Gesellschaft Jesu betreffend, wird auf Elsaß-Lothringen aus­ gedehnt.

Gesetz, betreffend den

Orden der Jesu.

Gesellschaft

Dom 4. Juli 1872. § 1. Der Orden der Gesellschaft Jesu und die ihm verwandten Orden und ordensähnlichen Kongregationen sind vom Gebiet des Deutschen Reichs ausgeschlossen. Die Errichtung von Niederlassungen derselben ist untersagt. Die zur Zeit bestehenden Nieder­

lassungen sind binnen einer vom Bundesrath zu bestimmenden Frist, welche sechs Monate nicht

übersteigen darf, aufzulösen. 2. Die Angehörigen des Ordens der Gesellschaft Jesu oder der ihm verwandten Orden oder ordens­ ähnlichen Kongregationen können, wenn sie Aus­ länder sind, aus dem Bundesgebiet ausgewiesen werden; wenn sie Inländer sind, kann ihnen der Aufenthalt in bestimmten Bezirken oder Orten versagt oder angewiesen werden. 3. Die zur Ausführung und zur Sicherstellung des Vollzugs dieses Gesetzes erforderlichen Anord­ nungen werden vom Bundesrathe erlassen.1 1. Dgl. vorstehende Bkm. v. 5. Juli 1872 u. 20; Mai 1873.

1872 (8. Juli — 10. Juli — 12. Juli [4. Juli 1868])

235

8. Juli 1872.

Gesetz, betreffend die Einführung des Militär-Strafgesetzbuchs für das Deutsche Keich in Elsaß-Lothringen. S. Band I unter J.

8. Juli 1872.

Gesetz, betreffend die französische Lriegskosten-Lntschädigung. S. unterm 8. Dezember 1873.

8. Juli 1872.

Verfügung des General-Prokurators, betreffend das von den Gerichtsvollziehern bei Aufnahme von Wechselprotesten zu führende Amtssiegel. Straßb. Ztg. 1872 Nr. 160. Zufolge § 16 des Gesetzes vom 19. Juni 1872 über die Einführung der allgemeinen deutschen Wechselordnung und des allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs bestimme ich, daß die Gerichts­ vollzieher vom 1. Oktober dieses Jahres ab sich

bei Aufnahme von Wechselprotesten des nach­ stehenden Amtssiegels zu bedienen haben: „Amtssiegel des Gerichtsvollziehers N. N. in H. für Wechselproteste."

8. Juli 1872.

Gesetz, betreffend die Umzugskosten der Livitbeamte«.1 _____________

G.-Bl. S. 509.

1. Ersetzt durch die auf Grund des § 18 R.-B.-G. erlassene B. v. 25. Okt. 1880. Auf die Universitäts-Professoren und auf BezirkSbeamte, bezüglich welcher das G. v. 3. Febr. 1872 in Kraft geblieben ist, fand das G. v. 8. Juli 1872 überhaupt keine Anwendung.

10. Juli 1872.

Gesetz, betreffend die Erfordernisse zur Anstellung ats Gerichtsschreiber und Gerichtsvollzieher in Etfaß-Lothringen. G.-Bl. S. 532.

Die bestehenden Vorschriften, welche die Be­ fähigung zur Anstellung als Gerichtsschreiber oder Gerichtsvollzieher betreffen, treten außer Kraft. Der Reichskanzler^ wird ermächtigt, bezüglich

dieser Beamten die Bedingungen der Anstellungs­ fähigkeit festzusetzen.2

2. Regulativ v. 18. Juli 1872. 1. Vgl. 8 2 G. v. 4. Juli 1879 u. Bem. dazu.

12. Juli 1872.

Gesetz, betreffen- die privatrechtliche Stellung -er Erwerbs- und wirthschastsGenossenschaften. G.-Bl. S. 511. Die Wirksamkeit des anliegenden Reichsgesetzes vom 4. Juli 1868, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirthschafts-Genossenschaften, und der dazu ergangenen, gleichfalls

anliegenden Deklaration vom 19. Mai 1871 wird vom 1. Oktober 1872 an auf Elsaß-Lothringen ausgedehnt.

1872 (12. Juli [4. Juli 1868])

236

Gesetz, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirthschafts-Genosfenschaften.

Dom 4. In« 1868. Erster Abschnitt. >on Errichtung der Genossenschaft.

§ 1. Gesellschaften von nicht geschlossener Mit­ gliederzahl, welche die Förderung des Kredits, des Erwerbes oder der Wirthschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes be­ zwecken (Genossenschaften), namentlich: 1) Vorschuß- und Kreditvereine, 2) Rohstoff- und Magazinvereine, 3) Vereine zur Anfertigung von Gegenständen und zum Verkauf der gefertigten Gegenstände auf gemeinschaftliche Rechnung sProduktivgenoffenschaften), 4) Vereine zum gemeinschaftlichen Einkauf von Lebensbedürfnissen im Großen und Ablaß in in kleineren Partien an ihre Mitglieder (Konsum­ vereine), 5) Vereine zur Herstellung von Wohnungen für ihre Mitglieder, erwerben die im gegenwärtigen Gesetze bezeichne­ ten Rechte einer „eingetragenen Genossenschaft" unter den nachstehend angegebenen Bedingungen.1 2. Zur Gründung der Genossenschaft bedarf es: 1) der schriftlichen Abfassung des Gesellschafts­ vertrages (Statuts); 2) der Annahme einer gemeinschaftlichen Firma. Die Firma der Genossenschaft muß vom Gegenstände der Unternehmung entlehnt sein und die zusätzliche Bezeichnung .„eingetragene Ge­ nossenschaft" enthalten. Der Name von Mitgliedern in Folge der Steuereinrichtung in den Län­

bedürfen

müssen von einem Uebergangsschein begleitet sein.

12. Der Ausstellung der Uebergangsscheine muß eine Revision und die Anlegung des amtlichen

besondere

Post

zoll- oder steueramtlichen Bezettelung.

dung bedarf, und ohne daß

transitiren sollten. scheines das

Bestimmungen zu beobachten:

In gleicher Weise wird verfahren,

wenn die

Uebergangsschein aus­

gestellt ist, die Eisenbahn an einem Orte ver­ lassen soll, welcher früher oder später erreicht

wird, diesem

als

der

Ort

Falle ist

des

es nicht

Erledigungsamtes.

In

daß

die

erforderlich,

13. Die Uebergangsscheine werden von denje­

Sendung dem Orte des Erledigungsamtes zuge­

nigen Steuerstellen erledigt, auf welche sie aus­ gestellt sind.

führt, bezw. an demselben abgeladen werde, und

7. Dgl. 88 41-47 Begleitsch.-Reg., sowieB.-R.-B. v. 7. Nov. 1874 (§ 459 d. Prot.), betr. den Erlab der Uebergangsabgaben für daS auf dem Transport abhanden gekommene Gut.

8. Bgl. 8 21 Bkm. v. 28. Juli 1873. 9. Bgl. 8 14 I, B u. II, sowie die Bf. d. G.-Dir. v. 21. Sept. 1877 (A.-Bl. S. 212).

10. Bom Wein wird zur Zeit im deutschen Zollgebiet eine innereAbgabe außer in Elsaß-Lothringen nur noch in Württem­ berg, Baden und Hessen erhoben, in allen anderen deutschen Staaten ist der Wein von einer solchen Abgabe befreit. (Bgl. Art. 5 II 8 3 e Z.-B.-B. v. 8. Juli 1876). In Hessen wird jedoch nach dem G. v. 9. Dez. 1876 bei der Einfuhr von Wein aus andern deutschen Staaten eine Abgabe nicht er­ hoben, es kommen also nur Württemberg und Baden in Betracht.

1872 (14. Dez.)

300

es ist die Eisenbahnverwaltung, auch vor erfolgter

thümliche Abfertigungsformen für die verschiedenen

Abstempelung des Frachtbriefes, zur Verabfolgung

Fälle des Transports steuerpflichtiger Gegenstände

der Sendung an den Adressaten befugt.11

vorgeschrieben sind, und durch diese der Zweck der

2)

Gelangt die Sendung

Wasser an den

zu

Abfertigung auf Uebergangsscheine erreicht wird,

Sitz des Erledigungsamtes, so erfolgt die Erledi­

können an

gung des Uebergangsscheines, je nach den obwal­

treten, für welche alsdann die in den §§ 7—13

wegen Ausstellung

tenden örtlichen Verhältnissen, entweder

a) auf

welche sich

Grund amtlicher Revision,

b) auf Vorlegung des Uebergangsscheines und Frachtbriefes durch den Waarenführer oder dessen

sofern

von der Hafenpolizei­

und

Ueber­

Erledigung der

gangsscheine enthaltenen Bestimmungen gelten. Soweit es die Verhältnisse gestatten, kann auch

jedoch in der Regel auf die äußere Besichtigung

der Kolli zu beschränken hat, oder

Bevollmächtigten,

die Stelle der letzteren jene Formen

in diesem Falle, im Wege der Vereinbarung mit den Steuerverwaltungen der angrenzenden Staa­

ten, eine Einrichtung dahin getroffen werden, daß die steuerpflichtigen Gegenstände, welche in einem

auf

solchen Staat zum Verbleiben oder zum Durch­

dem Uebergangsscheine beurkundet ist. In diesem Falle wird nach den Bestimmungen unter Rr. 1

gang bestimmt sind, nach den daselbst bestehenden

verfahren und es wird der abgestempelte Fracht­

fertigt werden.^

behörde die richtige Ankunft

Sendung

der

Formen schon im Lande der Versendung abge­

16. Für Fälle, wo ein Transport steuerpflich­

brief dem Waarenführer oder dessen Bevollmäch­

tiger Gegenstände vom Orte der Ausstellung bis

tigten zurückgegeben. 3) Gelangt die Sendung mittels gewöhnlichen Landfuhrwerks amtes,

sie mag

an

des Erledigungs­

den Sitz

die Eisenbahn oder

unterwegs

Wasserstraße benutzt

haben oder nicht, so erfolgt

die Erledigung des Uebergangsscheines auf Grund amtlicher

Revision,

sich

zum Orte der Erledigung des Uebergangsscheines

hervorspringende oder isolirt liegende Theile an­

derer Staaten auf Wegstunden

Strecken

kürzeren

berührt,

werden

die

drei

als

betreffenden

Steuerverwaltungen sich über eine Erleichterung

der

des Verkehrs in der Art verständigen, daß in der

der Kolli zu

Regel es einer Anmeldung bei der Steuerstelle in

die durch das Gebiet

örtliche Kontrole auf eine allgemeine Aufsicht be­

welche

jedoch

Regel auf die äußere Besichtigung

in

beschränken hat.

solchen Landestheilen nicht bedürfen, sondern die

II. 12 13 Auf Sendungen,

eines Staates, in welchem eine Abgabe erhoben

schränkt bleiben soll.

wird, nach einem Staate erfolgen, welcher eben­ falls eine Abgabe erhebt, finden die unter Nr. I. B

getroffenen Bestimmungen, soweit sie

das

Ver­

17. Proben inländischer Weine sind, wenn sie in Mengen, deren Bruttogewicht

übersteigt, in Probefläschchen

10 Pfd.

aus

nicht

einem Theile

fahren bei Ausfertigung der Uebergangsscheine und die Behandlung der Sendung während des

des Zollgebiets in den anderen versendet werden,

soweit sie das

auch von der Begleitung durch zoll- oder steuer­ amtliche Bezettelungen frei.14 15

Transports betreffen,

allgemein,

Verfahren bei Erledigung der Uebergangsscheine betreffen, in dem Falle Anwendung, wenn der Staat, nach welchem die Sendung bestimmt ist,

solches anordnet.

III.

Die

vorstehenden

Bestimmungen

thun

denjenigen Verabredungen keinen Eintrag, durch

welche weitergehende Erleichterungen des in Rede stehenden Verkehrs, mit Rücksicht auf besondere örtliche Verhältnisse, festgestellt sind. die

inneren

Steuern

eigen-

11. Sowohl für den Verkehr mit Wein zwischen E.-L. und Baden, als auch für denjenigen mittelst der Eisenbahn -wischen E.-L. und Württemberg sind besondere Vereinbarungen ge­ troffen, und bei der Einfuhr von Wein nach E.-L. wird auf die UebergangSscheinkontrole überhaupt verzichtet (vgl. g 4 Mm. v. 28. Juli 1873, sowie Mm. v. 6. März 1876), so daß dieselbe für Weinsendungen nur noch in seltenen Fällen zur Anwendung kommt. Wegen der Bestimmung im dritten Abs. von Nr. 1 vgl. übrigens § 8 des Weinsteuergesetzes v. 20. März 1873, wonach jeder Transport von Wein re. — also auch der Transport von der EisenbahnempfangSstatton zum Empfänger — von einem Steuerschein begleitet sein muß.

12. Die Bestimmungen unter II u. III finden, was aus »er koordinirten Stellung zu I nicht hervorgeht, nach dem Prot. v. 23. Mai 1865, welchem dieselben entnommen sind, gleich­ falls nur auf Wein und Most Anwendung.

damit

und

18. Bei unverzollten ausländischen, ihrer Gat­ tung nach steuerpflichtigen Gegenständen, welche mit zollamtlichen Bezettelungen (Ladungsver­

zeichnissen,

Begleitscheinen rc.)

abgefertigt

sind,

bedarf es für den Transport im Zollgebiet der Abfertigung mittels der für den inneren Verkehr' vorgeschriebenen 19.

15. Wenn in einem Staate nach der bestehenden

Gesetzgebung über

von den inneren indirekten Steuern

besonderen Bezettelungen nicht.

Spielkarten, welche aus dem freien Verkehr eines

Staates nach einem anderen Staate, in welchem eine Stempel-avgabe erhoben wird, zum Verbleib oder zum Durchgänge versendet werden, unterliegen der Uebergangsscheinkontrole."

20. In jedem Staate des Zollgeb.ietes sind die

bei

dem

Verkehr

mit steuerpflichtigen

ständen

vorkommenden Defraudationen

andern

Staaten

des Zollgebietes

Gegen­

der

in

bestehenden

inneren (Uebergaugs-) Steuern mit einer dem vierfachen Betrage der verkürzten Steuer gleiche

kommenden Geldstrafe zu bestrafen.16 13. Vgl. Bem. zu g 14 I. B. 14. Vgl. g 3 Nr. 5 d. Weinstcuerges. v. 20. März 1873. 15. Aufgehoben durch G. v. 3. Juli 1878, den Spielkarten­ stempel betr. — Wegen des Verkehrs mit Spielkarten zwischen dem Gebiet des Deutschen Reichs und Luxemburg vgl. IIIE. Mm. v. 6. Juli 1878 zur Ausführung obigen Gesetzes. 16. Dgl. Zollkartel v. 11. Mai 1833; G. v. 30. Juni 1873.

1872 (14. Dez. — 22. Dez.) — 1873 (8. Jan. [1. Nov. 1867])

301

14. Dezember 1872.

Sekauntmachung des Keichskansirrs, betreffen- die bei Goldmünzgewichten, bei Meßapparaten für Flüssigkeiten und bei Federwaagen für Lisenbahn-Paffagiergepäck im öffenttichen Verkehr noch zu duldenden Abweichungen von der absolute« Dichtigkeit.1 ___________

G.-Bl. 1875 S. 179.

1. S. den Text bei der Einführungsbekanntmachung für E.-L. v. 5. Sept. 1875«

22. Dezember 1872.

Sekanntmachung des Keichskanzler-Amts, betreffend die Herausgabe des Zentral­ blattes für das deutsche Veich. Straßb. Ztg. Nr. 304. In Ausführung eines vom Bundesrathe gefaßten Beschlusses wird vom Jahre 1873 ab durch das Reichskanzleramt eine Zeitschrift unter dem Titel: „Zentralblatt für das Deutsche Reich" heraus­ gegeben werden, welche zur Aufnahme solcher für das Publikum bestimmten Veröffentlichungen der Organe des Reichs dienen soll, die der Verkündung durch das Reichsgesetzblatt nach Artikel 2 der Reichs­ verfassung und nach der Verordnung vom 26. Juli 18671 (Gesetzblatt Seite 27) nicht bedürfen. Diese 1. Der allein in Betracht kommende 8 1 V. v. 26. Juli 1867 lautet: Für das ganze Gebiet des Norddeutschen Bun-

Zeitschrist wird im Berlage des Dr. Löwenstein (Firma: Karl Heymann's Verlag) Hierselbst und zwar in der Regel wöchentlich einmal erscheinen. Der Preis des Blattes, auf welches bei allen kaiserlichen Post-Anstalten abonnirt werden kann, beträgt für das vollständige Exemplar eines Jahr­ gangs zwei Thaler.

des wird in Berlin ein „Bundesgesetzblatt des Norddeutschen Bundes" erscheinen, durch welches sämmtliche Bundesgesetze (Artikel 2 der BerfassungSurkunde des Norddeutschen Bundes) und Anordnungen nnd Verfügungen des Bundespräsidiums (Artikel 17) verkündet werden sollen.

8. Januar 1873.

Gesetz, betreffend die Einführung des Veichsgesetzes über die Freizügigkeit vom 1. November 1867 und des Neichsgesetzes über die Erwerbung und de« Verlust der Sundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870. G.-Bl. S. 1.

Art. 1. Die Wirksamkeit des anliegenden Reichs­ gesetzes über die Freizügigkeit vom 1. November 1867 wird auf Elsaß-Lothringen ausgedehnt. Die nach dem ersten Absatz des § 7 des anlie­ genden Gesetzes maßgebenden Bestimmungen1 sind in der Beilage zusammengestellt. 2. Das Gesetz über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 tritt in der durch die Bestimmun­ gen des § 9 des Reichsgesetzes vom 22. April 1871 veränderten, in dem anliegenden Abdruck wiedergegebenen Fassung in Elsaß-Lothringen mit der Maßgabe in Kraft, daß, wo im ersteren Gesetz von dem Norddeutschen Bunde, dessen Gebiet, Staaten, Jndigenat, verfassungsmäßigen Organen, Angehörigen und Beamten die Rede ist, das Deutsche Reich und dessen entsprechende Be­ ziehungen zu verstehen sind. 1. Gothaer Vertrag v. 15. Juli 1851.

Erste Beilage zu Artikel 1.

Gesetz über die Freizügigkeit, vom 1. November 1867.

8 1. Jeder Bundesangehörige hat das Rechts innerhalb des Bundesgebietes 1) an jedem Orte sich aufzuhalten oder nieder­ zulassen, wo er eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen sich zu verschaffen im Stande ist; 2) an jedem Orte Grundeigenthum aller Art zu erwerben; 3) umherziehend oder an dem Orte des Aufent­ halts, beziehungsweise der Niederlassung, Gewerbe aller Art zu betreiben, unter den für Einheimi­ sche geltenden gesetzlichen Bestimmungen. In der Ausübung dieser Befugnisse darf der Bundesangehörige, soweit nicht das gegenwärtige Gesetz Ausnahmen zuläßt, weder durch die Obrig­ keit seiner Heimath, noch durch die Obrigkeit des

302

1873

(8. Jan. [1. Nov. 1867]

Ortes, in welchem er sich aufhalten oder nieder­ gehindert oder durch lästige Bedin­

lassen will,

gungen beschränkt werden.

willen

oder

wegen

fehlender

Landes- oder Gemeindeangehörigkeit der Aufent­

der Gewerbebetrieb oder

halt, die Niederlassung, der

Erwerb

von

Bundesstaates

streitig,

so

erfolgt

verweigert

Grundeigenthum

die

Entscheidung nach den Landesgesetzen.

Die thatsächliche Ausweisung aus

Keinem Bundesangehörigen darf um des Glau­ bensbekenntnisses

desselben

einem Orte

darf niemals erfolgen, bevor nicht entweder die Annahme-Erklärung der in Anspruch genomme­

nen Gemeinde

oder eine

wenigstens einstweilen

vollstreckbare Entscheidung über die Fürsorgepflichr erfolgt ist.

werden. 2. Wer die aus der Bundesangehörigkeit fol­

schiedene Bundesstaaten beiheiligt,

genden Befugnisse in Anspruch nimmt, hat auf

das Verfahren nach dem Vertrage wegen gegen­

den Nachweis seiner Bundesangehö­

seitiger Verpflichtung zur Uebernahme der Auszu­

rigkeit und, sofern er unselbständig ist, den Nach­

weisenden d. d. Gotha, den 15. Juli 1851, sowie

Verlangen

weis der Genehmigung desjenigen, unter dessen (väterlicher,

vormundschaftlicher

oder

ehelicher)

Gewalt er steht, zu erbringen. 3. Insoweit bestrafte Personen nach den Lan­

Aufenthaltsbeschränkungen

durch

7. Sind in den in § 5 bezeichneten Fällen ver­ so regelt sich

nach den späteren, zur Ausführung

dieses Ver­

trages getroffenen Verabredungen. Bis zur Uebernahme seitens des verpflichteten

Staates ist der Aufenthaltsstaat zur Fürsorge für

die

den Auszuweisenden am Aufenthaltsorte nach den

Polizeibehörde unterworfen werden können, behält

für die öffentliche Armenpflege in seinem Gebiete

es dabei sein Bewenden.

gesetzlich bestehenden Grundsätzen verpflichtet. Ein

Solchen Personen, welche derartigen Aufenthalts­ beschränkungen in einem Bundesstaate unterliegen,

deten

oder welche in einem Bundesstaate innerhalb der

oder andere öffentliche Kassen desjenigen Staates,

letzten zwölf Monate wegen wiederholten Bettelns

welchem der Hilfsbedürftige angehört, sofern nicht

desgesetzen

Anspruch auf Ersatz der für diesen Zweck verwen­

Kosten

gegen

findet

Staats-,

Gemeinde­

oder wegen wiederholter Landstreicherei bestraft

anderweitige Verabredungen bestehen, nur inso­

worden sind, kann der Aufenthalt in jedem ande­ ren Bundesstaate von der Landespolizeibehörde

weit statt, als die Fürsorge für den Auszuwei­

verweigert werden. Die besonderen Gesetze und Privilegien einzel­

ner Ortschaften und Bezirke, welche Aufenthalts­

beschränkungen gestatten, werden hiermit aufge­

hoben. 4. Die Gemeinde ist zur Abweisung eines neu Anziehenden nur dann befugt, wenn sie nach­ weisen kann, daß derselbe nicht hinreichende Kräfte

besitzt, um sich und seinen nicht arbeitsfähigen Angehörigen den notdürftigen Lebensunterhalt zu verschaffen, und wenn er solchen weder aus

eigenem Vermögen bestreiten kann, noch von einem dazu verpflichteten Verwandten erhält. Den Lan­

desgesetzen bleibt Vorbehalten, diese Befugniß der Gemeinden zu beschränken.

senden länger als drei Monate gedauert hat.

8. Die Gemeinde ist nicht befugt, von neu An­

ziehenden wegen des Anzugs eine Abgabe zu erheben. Sie kann dieselben, gleich den übrigen Gemeindeeinwohnern, zu den Gemeindelasten heranziehen. Uebersteigt die Dauer des Aufent­ halts nicht den Zeitraum von drei Monaten, so sind die neu Anziehenden diesen Lasten nicht unterworfen.

9. Was vorstehend von den Gemeinden bestimmt ist, gilt an denjenigen Orten, wo die Last der öffentlichen

Armenpflege verfassungsmäßig

nicht

der örtlichen Gemeinde, sondern anderen gesetzlich

anerkannten Verbänden (Armenkommunen) ob­ liegt, auch von diesen, sowie von denjenigen Gutsherrschaften, deren Gutsbezirk sich nicht in

Die Besorgniß vor künftiger Verarmung be­ rechtigt den Gemeindevorstand nicht zur Zurück­

einem Gemeindeverbande befindet.

weisung. 5. Offenbart sich nach dem Anzuge die Noth­ wendigkeit einer öffentlichen Unterstützung, bevor

neu Anziehenden bleiben den Landesgesetzen mit

10. Die Vorschriften über die Anmeldung der

der Maßgabe vorbehalten, daß die unterlassene

einer Polizeistrafe, niemals

der neu Anziehende an dem Aufenthaltsorte einen

Meldung nur mit

Unterstützungswohnsitz (Heimathsrecht)2 erworben hat, und weist die Gemeinde nach, daß die Unter­

aber mit dem Verluste des Aufenthaltsrechts (§ 1)

stützung aus anderen Gründen, als wegen einer noth­

11. Durch den bloßen Aufenthalt oder die bloße Niederlassung, wie sie das gegenwärtige Gesetz

wendig geworden ist, so kann die Fortsetzung des

gestattet, werden andere Rechtsverhältniffe, nament­

nur

vorübergehenden

Arbeitsunfähigkeit

lich die Gemeindeangehörigkeit, das Ortsbürger­

Aufenthalts versagt werden. 6. Ist in den Fällen, wo die Aufnahme oder die Fortsetzung des

Aufenthalts versagt werden

darf, die Pflicht zur Uebernahme der Fürsorge zwischen

verschiedenen

Gemeinden

geahndet werden darf.

eines

und

recht, die Theilnahme an den Gemeindenutzungen und der Armenpflege, nicht begründet.

Wenn jedoch nach den Landesgesetzen durch den

Aufenthalt oder die

Niederlassung, wenn

solche

eine bestimmte Zeit hindurch ununterbrochen fort­

2. S. G. v. 24. Bendem. II.

gesetzt worden, das Heimathsrecht (Gemeindeange-

1873 (8. Jan. [1. Nov. 1867])

303

Hörigkeit, Unterstützungswohnsitz) erworben wird,

hört; im Falle des

behält es dabei sein Bewenden. 12. Die polizeiliche Ausweisung Bundesange­

desjenigen

höriger aus dem Orte ihres dauernden oder vor­

Staates,

den Gesetzen

§ 2 aber nach wo

die

Eheschließung

er­

folgt ist. 4. Eheliche Kinder sind, wenn es sich um deren

übergehenden Aufenthalts in anderen, als in den

Uebernahme

durch dieses Gesetz vorgesehenen Fällen, ist unzu­

handelt, in den Fällen des 8 1 und 2 nicht nach

lässig. 3 Im übrigen

ihrem eigenen Verhältnisse, sondern nach dem des

die

Bestimmungen über

werden die

Fremdenpolizei

durch

nicht

Gesetz

dieses

vollendetem

vor

21.

Lebensjahre

Vaters zu beurtheilen. Kinder, welche durch nach­

folgende Ehe der Ettern legitimirt find,

werden

berührt.3 4 13. Dies Gesetz tritt am 1. Januar 1868 in

den ehelich geborenen gleich geachtet.

Kraft.

Unterthans-Berhältnisse zu beurtheilen, in welchem

seine

dauernd

Angehörigen

welche

noch

fort­

(Unterthanen) sind,

und b) seine vormaligen Angehörigen (Unterthanen),

auch wenn sie die Unterthanschaft nach der inlän­ dischen

lange,

Gesetzgebung

bereits

sie nicht dem

als

verloren

anderen

dessen eigener Gesetzgebung

haben, so

Staate

nach

angehörig geworden

sind,

auf Verlangen des andern Staates wieder zu übernehmen. 2. Ist die Person, deren sich ein Staat entle­ digen

will,

zu keiner Zeit

einem der

anderen

Staaten als Unterthan angehörig gewesen (§ 1), so ist unter ihnen derjenige zur Uebernahme ver­

pflichtet, in dessen Gebiete der Auszuweisende

a) nach zurückgelegtem 21. Lebensjahre sich zu­ letzt fünf Jahre hindurch aufgehalten, ode b) sich verheirathet und mit seiner Ehefrau un­ mittelbar

nach der Eheschließung

Kinder

sind

nach

demjenigen

auch wenn sich später eine Veränderung in diesem

§ 1. Jeder Staat verpflichtet sich, Individuen,

Uneheliche

zur Zeit der Geburt derselben deren Mutter stand,

Zweite Beilage zu Artikel 1.

a) diejenigen

5.

eine

gemein­

schaftliche Wohnung mindestens sechs Wochen inne

gehabt hat, oder c) geboren ist. Die Geburt (c) begründet eine Verpflichtung

Verhältnisse der Mutter zugetragen hat. Gehörte die Mutter zur Zeit der Geburt ihres

unehelichen Kindes keinem der betheiligten Staaten als Unterthanin an, so entscheiden über die Ver­

pflichtung zu seiner Uebernahme die Bestimmun­ gen des § 2. Auch auf uneheliche Kinder findet die Vorschrift des zweiten Absatzes des § 6 Anwendung.

6. Ist keiner der im § 2 gedachten Fälle vor­ handen, so muß der Staat, in welchem der Hei­ mathlose sich aufhält, denselben behalten.

Doch sollen weder Ehefrauen noch Kinder unter

16 Jahren, falls sie einem andern Staate nach § 1 oder 2 zugewiesen werden könnten, von ihren Ehemännern und beziehungsweise Eltern getrennt

werden. 7. Wenn diejenige Regierung, welche sich einer lästigen Person entledigen will, die Uebernahme derselben von mehreren Staaten zu fordern berech­

tigt ist, so hat sie denjenigen Staat zunächst in

Anspruch zu nehmen, welcher in Beziehung auf den Berpflichttlngsgrund oder die Zeitfolge näher

verpflichtet ist. Hat dieser Staat, auch nach vorgängigem Schrift­

wechsel der obersten Landesbehörden, die Ueber­

zur Uebernahme nur dann, wenn keiner der bei­ den andern Fälle (a und b) vorliegt. Treffen

nahme verweigert, so kann die ausweisende Re­

diese zusammen, so ist das neuere Verhältniß ent­

den vorstehenden Bestimmungen hiernächst

scheidend.

pflichtet ist, die Uebernahme fordern und demsel­

3. Ehefrauen sind in den Fällen des § 1 und 2, ihre Uebernahme möge gleichzeitig mit derjenigen ihres Ehegatten oder ohne diese in Frage kom­ men,

von

demjenigen

Staate

zu

übernehmen,

welchem der Ehemann nach § 1 oder 2 zugehört.

Bei Wittwen und geschiedenen Ehefrauen ist,

jedoch nur bis zu einer in ihrer Person

eintre-

tenden, die Uebernahme-Verbindlichkeit begründen­ den Veränderung, das Verhältniß des Ehemannes

zur Zeit seines Todes und beziehungsweise der Ehescheidung maßgebend.

Die Frage, ob eine Ehe vorhanden sei, wird

im Falle des § 1 nach den Gesetzen desjenigen Staates beurtheilt, welchem der Ehemann ange­

gierung auch von demjenigen Staate,- welcher nach ver­

ben die Geltendmachung seines Rechts gegen den

vermeintlich

näher

verpflichteten

lassen. 8. Ohne Zustimmung

Staat

der Behörde

über­

des

zur

Uebernahme verpflichteten Staates darf diesem kein aus dem anderen Staate ausgewiesenes In­ dividuum zugeführt werden, es sei denn, daß

a) der Rückkehrende sich

der

Behörde

seines

im Besitze eines von

Wohnortes

ausgestellten

Paffes (Wanderbuchs, Paßkarte), seit deffen Ab­

lauf noch nicht ein Jahr verstrichen ist, befindet, oder b)

daß

der Ausgewiesene einem

in gerader

Richtung rückwärts liegenden dritten Staate zu­

gehört, welchem er nicht wohl anders als durch

3. Dgl. indessen die G. v. 4. Juli 1872 u. 4. Mai 1874. 4. S G v. 3. Dez. 1849.

das Gebiet des anderen Staates zugeführt wer­

den kann.

1873 (S. San. [1. Nov. 1867] [1. Juni 1870])

304

9. Sollte ein Individuum, welches

einen Staate dem anderen in einen rückwärts

von dem

zum Weitertransport

liegenden Staat nach Maß­

gabe des § 8 Litt. b. überwiesen worden ist, von

dem letzteren nicht angenommen werden, so kann dasselbe in denjenigen

ausgewiesen

Staat,

war,

aus

welchem es

4. Ist der Vater eines unehelichen Kindes ein Mutter nicht die

Norddeutscher und besitzt die

Staatsangehörigkeit des Vaters, so Kind durch

gesetzlichen

eine den

erwirbt das

Bestimmungen

gemäß erfolgte Legitimation die Staatsangehörig­

keit des Vaters.

zurückgeführt

5. Die Berheirathung mit einem Norddeutschen

werden. 10. Die Ueberweisung der Ausgewiesenen ge­

begründet für die Ehefrau die Staatsangehörigkeit des Mannes.

worden

wieder

schieht in der Regel mittelst Transportes und

6.

Abgabe derselben an die Polizeibehörde desjeni­

(8 2

gen Ortes, wo der Transport als von feiten des

höheren

ausweisenden Staates beendigt anzusehen ist. Mit

kunde. 6

Die

sowie

Aufnahme

Nr. 4 und 5)

Naturalisation

die

erfolgt durch eine von der

Verwaltungsbehörde

ausgefertigte

Ur­

dem Ausgewiesenen werden zugleich die Beweis­

7. Die Aufnahme-Urkunde wird jedem Angehö­

stücke, worauf der Transport gesetzlich gegründet

rigen eines anderen Bundesstaates ertheilt, welcher

wird,

In solchen Fällen, wo keine

um dieselbe nachsucht und nachweist, daß er in

Gefahr zu besorgen ist, können einzelne Ausge­

dem Bundesstaate, in welchem er die Aufnahme nachsucht, sich niedergelassen habe, sofern kein

übergeben.

mittelst eines Passes, in welchem

wiesene auch

ihnen die zu befolgende Route genau vorgeschrie­

Grund vorliegt,

den

88 2 bis 5

ben ist, in ihr Vaterland gewiesen werden. 11. Die Kosten der Ausweisung trägt innerhalb

des Gesetzes über die Freizügigkeit

vom 1. No­

seines Gebietes der ausweisende Staat.

den oder die Versagung der Fortsetzung des Auf­

Wenn der Ausgewiesene, um seiner Heimath in

einem dritten Staate zugeführt zu werden, durch das

Gebiet

eines

andern

Staates

transportirt

werden muß, so trägt letzterer die bei dem Durch­ transporte entstehenden Kosten.

Muß der Ausgewiesene im Falle des

8 9 in

den Staat, aus welchem er ausgewiesen worden war, wieder zurückgebracht werden, so hat dieser Staat sämmtliche Kosten des Rücktransportes zu vergüten.

welcher nach

vember 1867 die Abweisung eines Neuanziehen­ enthalts rechtfertigt. 8. Die

Naturalisations-Urkunde darf Auslän­

dern nur dann ertheilt werden, wenn sie

1) nach den Gesetzen ihrer bisherigen Heimath dispositionssähig sind, es sei denn, daß der Man­

gel der Dispositionsfähigkeit durch die Zustim­ mung des Vaters, des Vormundes oder Kurators des Aufzunehmenden ergänzt wird; 2) einen unbescholtenen Lebenswandel geführt

haben;

Beilage zu Artikel 2.

3) an dem Orte, wo sie sich niederlassen wollen,

Gesetz

eine

über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehö­ rigkeit.

oder

ein

Unterkommen

4) an diesem Orte nach den daselbst bestehen­

worben und erlischt mit deren Verlust. 2. Die Staatsangehörigkeit in einem Bundes­

staate wird fortan nur begründet:

Bor Ertheilung

der

Naturalisations-Urkunde

hat die höhere Verwaltungsbehörde die Gemeinde, beziehungsweise den Armenverband desjenigen Orts, will,

1) durch Abstammung (§ 3), 2) durch Legitimation (§ 4),

wo

der

Aufzunehmende

in Beziehung

sich niederlassen

auf die Erfordernisse unter

Nr. 2, 3 und 4 mit ihrer Erklärung zu hören. 9.

3) durch Verheiratung (8 5),

Norddeutschen

zu

ernähren im Stande sind.

§ 1. Die Bundesangehörigkeit wird durch die Staatsangehörigkeit5 in einem Bundesstaate er­

einen

Wohnung

den Verhältnissen sich und ihre Angehörigen Dom 1. Iirnl 1870.

4) für

eigene

finden;

durch

Aufnahme

(88 6 ff.) und

5) für einen Ausländer durch Naturalisation (88 6 ff.).

Die Adoption hat für sich allein diese Wirkung nicht. 3. Durch die Geburt, auch wenn diese im Aus­ erfolgt, erwerben eheliche Kinder eines Norddeutschen die Staatsangehörigkeit des Vaters,

lande

uneheliche Kinder einer Norddeutschen die Staats­ angehörigkeit der Mutter. 5. Ueber das Staatsbürgerrecht im Gegensatz zur Staats­ angehörigkeit vgl. Bem. zn Art. 7 C.-G.-B.

Eine

von der Regierung oder von

einer

Central- oder höheren Verwaltungsbehörde eines-

Bundesstaates vollzogene oder

bestätigte Bestal­

lung für einen in den unmittelbaren oder mittel­

baren Staatsdienst oder in den Kirchen-, Schul­

oder Kommunaldienst aufgenommenen Ausländer

oder Angehörigen

eines

vertritt die Stelle der

anderen

Bundesstaates

Naturalisations-Urkunde^

beziehungsweise Aufnahme-Urkunde, sofern nicht

ein entgegenstehender Vorbehalt in der Bestallung,

ausgedrückt wird. Ist die Anstellung eines Ausländers im Bun­ desdienst erfolgt,

so

erwirbt der Angestellte die

6. S. Bekanntmachung v. 23. Jan. 1873.

1873 (8. Jan. Staatsangehörigkeit in demjenigen Bundesstaate, in welchem er seinen dienstlichen Wohnsitz hat.? 10. Die Naturalisations-Urkunde, beziehungs­ weise Aufnahme-Urkunde, begründet mit dem Zeit­ punkte der Aushändigung alle mit der Staats­ angehörigkeit verbundenen Rechte und Pflichten. 11. Die Verleihung der Staatsangehörigkeit» erstreckt sich, insofern nicht dabei eine Ausnahme gemacht wird, zugleich auf die Ehefrau und die noch unter väterlicher Gewalt stehenden minder^ jährigen Kinder. 12. Der Wohnsitz innerhalb eines Bundesstaates begründet für sich allein die Staatsangehörigkeit nicht. 13. Die Staatsangehörigkeit geht fortan nur verloren: 1) durch Entlassung auf Antrag (§§ 14 ff.); 2) durch Ausspruch der Behörde (§§ 20 und 22); 3) durch zehnjährigen Aufenthalt im Auslande (8 21); 4) bei unehelichen Kindern durch eine den ge­ setzlichen Bestimmungen gemäß erfolgte Legitima­ tion, wenn der Vater einem anderen Staate an­ gehört als die Mutter; 5) bei einer Norddeutschen durch Berheirathung mit dem Angehörigen eines anderen Bundes­ staates oder mit einem Ausländer. 14. Die Entlassung wird durch eine von der höheren Verwaltungsbehörde des Heimathsstaates ausgefertigte Entlassungs-Urkunde ertheilt. 15. Die Entlassung wird jedem Staatsangehö­ rigen ertheilt, welcher nachweist, daß er in einem anderen Bundesstaate die Staatsangehörigkeit erworben hat. In Ermangelung dieses Nachweises darf sie nicht ertheilt werden: 1) Wehrpflichtigen, welche sich in dem Atter vom vollendeten siebenzehnten bis zum vollende­ ten^ fünfund zwanzigsten Lebensjahre befinden, bevor sie ein Zeugniß der Kreis-Ersatzkommission darüber beigebracht haben, daß sie die Entlassung nicht blos in der Absicht nachsuchen, um sich der Dienstpflicht im stehenden Heere oder in der Flotte zu entziehen; 2) Militärpersonen, welche zum stehenden Heere oder zur Flotte gehören, Offizieren des Beurlaub­ tenstandes und Beamten, bevor sie aus dem Dienste entlassen sind; 3) den zur Reserve des stehenden Heeres und zur Landwehr, sowie den zur Reserve der Flotte und zur Seewehr gehörigen und nicht als Offi­ ziere angestellten Personen, nachdem sie zum aktiven Dienste einberufen worden sind. 17. Aus anderen als aus den in dem § 15 bezeichneten Gründen darf in Friedenszeiten die Entlassung nicht verweigert werden. Für die Zeit eines Krieges oder einer Kriegsgefahr bleibt dem

7. Vgl. G. v. 20. Dez. 1875. III. Band.

[1. Juni 1870])

305

Bimdespräsidium der Erlaß besonderer Anordnung Vorbehalten. 18. Die Entlassungs-Urkunde bewirkt mit dem Zeitpunkte des Aushändigung den Verlust der Staatsangehörigkeit. Die Entlassung wird unwirksam, wenn der Ent­ lassene nicht binnen sechs Monaten vom Tage der Aushändigung der Entlassungs-Urkunde an seinen Wohnsitz außerhalb des Bundesgebietes verlegt oder die Staatsangehörigkeit in einem anderen Bundesstaate erwirbt. 19. Die Entlassung erstreckt sich, insofern nicht dabei eine Ausnahme gemacht wird, zugleich auf die Ehefrau und die noch unter väterlicher Gewalt stehenden minderjährigen Kinder. 20. Norddeutsche, welche sich im Auslande auf­ halten, können ihrer Staatsangehörigkeit durch einen Beschluß der Zentralbehörde ihres Heimaths­ staates verlustig erklärt werden, wenn sie im Falle eines Krieges oder einer Kriegsgefahr einer durch das Bundespräsidium für das ganze Bun­ desgebiet anzuordnenden ausdrücklichen Aufforde­ rung zur Rückkehr binnen der darin bestimmten Frist keine Folge leisten. 21. Norddeutsche, welche das Bundesgebiet ver­ lassen und sich zehn Jahre lang ununterbrochen im Auslande aufhalten, verlieren dadurch ihre Staatsangehörigkeit. Die vorbezeichnete Frist wird von dem Zeitpunkte des Austritts aus dem Bun­ desgebiete oder, wenn der Austre-ende sich im Besitz eines Reisepapiers oder Heimathsscheines befindet, von dem Zeitpunkte des Ablaufs dieser Papiere an gerechnet. Sie wird unterbrochen durch die Eintragung in die Matrikel eines Bun­ deskonsulats. Ihr Lauf beginnt von neuem mit dem auf die Löschung in der Matrikel folgenden Tage. Der hiernach eingetretene Verlust der Staats­ angehörigkeit erstreckt sich zugleich auf die Ehefrau und die unter väterlicher Gewalt stehenden min­ derjährigen Kinder, soweit sie sich bei dem Ehe­ manne, beziehungsweise Vater befinden. Für Norddeutsche, welche sich in einem Staate des Auslandes mindestens fünf Jahre lang un­ unterbrochen aufhalten und in demselben zugleich die Staatsangehörigkeit erwerben, kann durch Staatsvertrag die zehnjährige Frist bis auf eine fünfjährige vermindert werden, ohne Unterschied, ob die Betheiligten sich im Besitze eines Reisepa­ pieres oder Heimathsscheines befinden oder nicht. Norddeutschen, welche ihre Staatsangehörigkeit durch zehnjährigen Aufenthalt im Auslande ver­ loren und keine andere Staatsangehörigkeit erworben haben, kann die Staatsangehörigkeit in * dem früheren Heimathsstaate wieder verliehen werden, auch ohne daß sie sich dort niederlassen. Norddeutsche, welche ihre Staatsangehörigkeit durch zehnjährigen Aufenthalt im Auslande ver­ loren haben und demnächst in das Gebiet des Norddeutschen Bundes zurückkehren, erwerben die

306

1873 (8. Jan. [1. Juni 1870] — 11. Jan. — 13. Jan. —17. Jan. — 23. Jan.)

Staatsangehörigkeit in demjenigen Bundesstaate, in welchem sie sich niedergelassen haben, durch eine von der höheren Verwaltungsbehörde ausgefertigte Aufnahme-Urkunde, welche auf Nach­ suchen ihnen ertheilt werden muß. . 22. Tritt ein Norddeutscher ohne Erlaubniß seiner Regierung in fremde Staatsdienste, so kann die Zentralbehörde seines Heimathsstaates denselben durch Beschluß seiner Staatsangehörig­ keit verlustig erklären, wenn er einer ausdrück­ lichen Aufforderung zum Austritte binnen der darin bestimmten Frist keine Folge leistet. 23. Wenn ein Norddeutscher mit Erlaubniß seiner Regierung bei einer fremden Macht dient, so verbleibt ihm seine Staatsangehörigkeit. 24. Die Ertheilung von Aufnahme-Urkunden und in den Fällen des § 15 Absatz 1 von Ent­ lassungsurkunden erfolgt kostenfrei. Für die Ertheilung von Entlassungs-Urkunden in anderen als den im § 15 Absatz 1 bezeichneten

Fällen darf an Stempelabgaben und Ausferti­ gungsgebühren zusammen nicht mehr als höchstens Ein Thaler erhoben werden.8 25. Für die beim Erlasse dieses Gesetzes im Auslande sich aushaltenden Angehörigen derjeni­ gen Bundesstaaten, nach deren Gesetzen die 'Staatsangehörigkeit durch einen zehnjährigen oder längeren Aufenthalt im Auslande verloren ging, wird der Lauf dieser Frist durch dieses Gesetz nicht unterbrochen. Für die Angehörigen der übrigen Bundes­ staaten beginnt der Lauf der im § 21 bestimmten Frist mit dem Tage der Wirksamkeit dieses Gesetzes. 26. Alle diesem Gesetze zuwiderlaufenden Vor­ schriften werden aufgehoben. 27. Dieses Gesetz tritt am 1. Jannar 1871 in Kraft. 8. S. Bekanntmachung v. 23. Ian. 1873.

11. Januar 1873. Gesetz, betreffend die Keisegebiihren der Friedensrichter und Friedensgerichts­ schreiber in Sachen der freiwillige» Gerichtsbarkeit nnd in Civilrechtsstreitigkeitrn. S. dasselbe Band I im Anhänge unter Nr. 21.

13. Januar 1873. Gesetz, betreffend die Gebühren der Aerzte und Chemiker in Strafsachen. S. dasselbe Band I im Anhänge unter Nr. 22.

17. Januar 1873. Kegutativ, betreffend die Gebühren -er Aerzte nnd Chemiker in Strafsachen. S. dasselbe Band I int Anhänge unter Nr. 23.

23. Januar 1873. Sekanntmachung des Gberpriifidenten, betreffend den Vollzug des Gesetzes über die Erwerbung und den Verlust -er Sundes- und Staatsangehörigkeit. Straßb. Ztg. Nr. 22. Zum Vollzüge des durch Gesetz vom 8. d. M. in Elsaß-Lothringen eingesührten Reichsgesetzes über die Erwerbung und den Verlust der Bundes­ und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 habe ich folgende Bestimmungen erlassen: 1) Die Ausfertigung der Aufnahme-, Naturalisations- und Entlassungs-Urkunden (§§ 6, 14 und 21 des Gesetzes) erfolgt durch die BezirksPräsidenten nach vorgeschriebenen Formularen.

2) Die Gesuche um Aufnahme- Naturalisation und Entlassung sind bei den Kreisdirektoren, in den Städten Straßburg und Metz bei den Poli­ zeidirektoren schriftlich anzubringen. Diesen Be­ hörden liegt auch die Instruktion der Gesuche ob. 3) Zu Naturalisations-Urkunden und zu Ent­ lassungs-Urkunden, soweit letztere nicht nach § 24 des Gesetzes kostenfrei zu ertheilen sind, ist ein Stempel von zwei Frank zu verwenden.

1873 (24. Jan.)

307

24. Januar 1873.

Gesetz, betreffend die Sezirksvertretungen, die Lreisvertretungen und die Wahlen für die Gemeinderathe. G.-Bl. S. 17.

§ 1. In jedem Bezirke wird eine Bezirksvertretung, in jedem Kreise eine Kreisvertretung, die erstere nach den für die Conseils generaux,1 2 die letztere nach den für die Conseils d’arrondissement bisher gültig gewesenen Bestimmungen2 in Wirksamkeit treten. Die Sitzung der Bezirks­ vertretung führt den Namen Bezirkstag, diejenige der Kreisvertretung den Namen Kreistag. Die ersten Sitzungen beider Vertretungen finden im Laufe des Jahres 1873 statt. 2. In den Stadtkreisen Straßburg und Metz fungiren die Gemeinderäthe als Kreisvertretungen. Die Verkeilung der gesetzlichen Zahl der Mit­ glieder der Kreisvertretung auf die Kantone der Landkreise wird durch Kaiserliche Verordnung bestimmt.3 3. Die Mitglieder der Bezirks- und der Kreis­ vertretungen werden vor der nächsten Sitzung durchgängig neu gewählt. Für die Wahl kommen die bestehenden Bestimmungen mit nachstehenden Maßgaben bis auf Weiteres zur Anwendung: a) Wähler ist jeder Deutsche, welcher das fünf­ undzwanzigste Lebensjahr zurückgelegt hat und sich im Vollbesitz der staatsbürgerlichen Rechte befindet, in der Gemeinde, wo er seinen Wohn­ sitz hat. Wählbar ist jeder Wähler, welcher in dem Be­ zirke beziehungsweise Kreise seinen Wohnsitz hat, sowie jeder Deutsche, welcher das fünfundzwan­ zigste Lebensjahr zurückgelegt hat und sich im Vollbesitz der staatsbürgerlichen Rechte befindet, 1. 'S. namentlich G. v. 22. Juni 1833, v. 10. Mai 1838,

v. 18. Juli 1866. 2. Vgl. G. V. 22. Juni 1833, D. V. 3, Juli 1848, D. v. 2. Febr. 1852, G. v. 7. Juli 1852. 3; Bgl. D. v. 27. März 1873.

sofern er im Bezirke beziehungsweise Kreise eine direkte Steuer zahlt. b) Für Personen des Soldatenstandes ruht die Berechtigung zum Wählen so lange, als dieselben sich bei der Fahne befinden. c)

Für Elsaß-Lothringer, welche sich für die französische

Nationalität erklärt haben, aber nicht ausgewandert sind, ruht die Berechtigung zum Wählen uud zur Wählbarkeit so lange, als sie jene Erklärung vor der zuständigen Behörde nicht ausdrücklich zurückgenommeu habend

4. Für die Geschäftssprache der Bezirks- und der Kreisvertretungen gelten die Bestimmungen des Gesetzes vom 31. März 1872, betreffend die amtliche Geschäftssprache. Für die Bezirksvertretung von Lothringen und die Kreisvertretung derjenigen Kreise, in welchen die französische Sprache ganz oder theilweise Volkssprache ist, kann der Mitgebrauch derselben gestattet werden. Die Dauer und die Ausdehnung dieser Ausnahmen bestimmt der Oberpräsident. 5. Die Befugnisse, welche den Conseils gsnöraux in Betreff des Departementsbudgets, der Untervertheilung der direkten Steuern und der Begrenzung der von den Gemeinderäthen für Gemeindezwecke zu votirenden außerordentlichen Centimen zustehen, werden von den Bezirksver­ tretungen zuerst für das Etatsjahr 1874 aus­ geübt. Die ihnen zustehende Abnahme der Rech­ nungen der Bezirksverwaltung findet zuerst für das Etatsjahr 1874 statt. 6. Die im tz 3 getroffenen Bestimmungen über das Wahlrecht und die Wählbarkeit finden auch Anwendung beiden Wahlen für die Gemeinderäthe. 7. Gegenwärtiges Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündung in Kraft. 4. § 3 c aufgehoben durch § 1

D. 28. April 1876.

24. Januar 1873.

Veror-mmg des Oberpräsidenten, betreffend die Ausbildung -er Apotheker.1 Straßb. Ztg. Nr. 25. 1. Die Bestimmungen dieser B. sind, soweit sie von denen der Bkm. v. 13. Nov. 1875, betr. die Prüfung der Apothekerge­ hülfen, abweichen, mit dem 1. Jan. 1876 außer Kraft getreten: Bkm. des OPr. v. 17. Dez. 1875, betr. die Sitze der Prüfungsbehörden für Apothekergehülfen.

1873 (27. Jan.

308

[11. Juni 1870])

27. Januar 1873. Gesetz, betreffend die Linführnng des Neichsgesetzes über das Urheberrecht an Schriftwerken u. f. w. vom 11. Juni 1870 in Elsaß-Lothringe«. G.'Bl. S. 19. Die Wirksamkeit des anliegenden Reichsgesetzes vom 11. Juni 1870, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken, wird auf Elsaß-Lothringen ausgedehnt.

Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Schrift­ werken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken.

Dom 11. Juni 1870. I. Schriftwerke.

a) Ausschließliches Recht des Urhebers. § 1. Das Recht, ein Schriftwerk auf mechani­ schem Wege zu vervielfältigen, steht dem Urheber deffelben ausschließlich zu. 2. Dem Urheber wird in Beziehung auf den durch das gegenwärtige Gesetz gewährten Schutz der Herausgeber eines aus Beiträgen Mehrerer bestehenden Werkes gleich geachtet, wenn dieses ein einheitliches Ganzes bildet. Das Urheberrecht an den einzelnen Beiträgen steht den Urhebern derselben zu. 3. Das Recht des Urhebers geht auf dessen Erben über. Dieses Recht kann beschränkt oder unbeschränkt durch Vertrag oder durch Verfügung von Todes wegen auf Andere übertragen werden.

b) Verbot des Nachdrucks. 4. Jede mechanische Vervielfältigung eines Schriftwerkes, welche ohne Genehmigung des Be­ rechtigten (§§ 1, 2, 3) hergestellt wird, heißt Nachdruck und ist verboten. Hinsichtlich dieses Verbotes macht es keinen Unterschied, ob das Schriftwerk ganz oder nur theilweise vervielfältigt wird. Als mechanische Vervielfältigung ist auch das Abschreiben anzusehen, wenn es dazu bestimmt ist, den Druck zu vertreten. 5. Als Nachdruck (§ 4) ist auch anzusehen: a) der ohne Genehmigung des Urhebers erfolgte Abdruck von noch nicht veröffentlichten Schrift­ werken (Manuskripten). Auch der rechtmäßige Besitzer eines Ma­ nuskriptes oder einer Abschrift deffelben bedarf der Genehmigung des Urhebers zum Abdruck; b) der ohne Genehmigung des Urhebers erfolgte Abdruck von Borträgen, welche zum Zwecke der Erbauung, der Belehrung oder der Unterhaltung

gehalten sind; c) der neue Abdruck von Werken, welchen der Urheber oder der Verleger dem unter ihnen be­ stehenden Vertrage zuwider veranstaltet;

d) die Anfertigung einer größeren Anzahl von Exemplaren eines Werkes seitens des Verlegers, als demselben vertragsmäßig oder gesetzlich ge­ stattet ist. 6. Uebersetzungen ohne Genehmigung des Ur­ hebers des Originalwerkes gelten als Nachdruck : a) wenn von einem, zuerst in einer todten Sprache erschienenen Werke eine Uebersetzung in einer lebenden Sprache herausgegeben wird; b) wenn von einem gleichzeitig in verschiedenen Sprachen herausgegebenen Werke eine Ueber­ setzung in einer dieser Sprachen veranstaltet wird; c) wenn der Urheber sich das Recht der Ueber­ setzung auf dem Titelblatte oder an der Spitze des Werkes Vorbehalten hat, vorausgesetzt, daß die Veröffentlichung der vorbehaltenen Uebersetzung nach dem Erscheinen des Originalwerkes binnen einem Jahre begonnen und binnen drei Jahren beendet wird. Das Kalenderjahr, in welchem das Originalwerk erschienen ist, wird hierbei nicht mitgerechnet. Bei Originalwerken, welche in mehreren Bänden oder Abtheilungen erscheinen, wird jeder Band oder jede Abtheilung im Sinne dieses Paragra­ phen als ein besonderes Werk angesehen, und muß der Vorbehalt der Uebersetzung auf jedem Bande oder jeder Abtheilung wiederholt werden. Bei dramatischen Werken muß die Uebersetzung innerhalb sechs Monaten, vom Tage der Ver­ öffentlichung des Originals an gerechnet, voll­ ständig erschienen sein. Der Beginn und beziehungsweise die Vollen­ dung der Uebersetzung muß zugleich innerhalb der angegebenen Fristen zur Eintragung in- die Eintragsrolle (§§ 39 ff.) angemeldet werden, widrigenfalls der Schutz gegen neue Uebersetzungen erlischt. Die Uebersetzung eines noch ungedruckten gegen Nachdruck geschützten Schriftwerkes (§ 5 Littr. a und b) ist als Nachdruck anzusehen. Uebersetzungen genießen gleich Originalwerken den Schutz dieses Gesetzes gegen Nachdruck.

c) WaS nicht als Nachdruck anzusehen ist. 7. Als Nachdruck ist nicht anzusehen: a) das wörtliche Anführen einzelner Stellen oder kleinerer Theile eines bereits veröffentlichten Werkes oder die Aufnahme bereits veröffentlichter Schriften von geringerem Umfang in ein größeres Ganzes, sobald dieses nach seinem Hauptinhalt ein selbständiges wissenschaftliches Werk ist, sowie in Sammlungen, welche aus Werken meh­ rerer Schriftsteller zum Kirchen-, Schul- und Unterrichtsgebrauch oder zu einem eigenthümlichen

1873 (27. Jan. [11. Juni 1870]) literarischen Zwecke veranstaltet werden. Voraus­ gesetzt ist jedoch, daß der Urheber oder die be­ nutzte Quelle angegeben ist; b) der Abdruck einzelner Artikel aus Zeit­ schriften und anderen öffentlichen Blättern mit Ausnahme von novellistischen Erzeugnissen und wissenschaftlichen Ausarbeitungen, sowie von son­ stigen größeren Mittheilungen, sofern an der Spitze der letzteren der Abdruck untersagt ist; c) der Abdruck von Gesetzbüchern, Gesetzen, amtlichen Erlassen, öffentlichen Aktenstücken und Verhandlungen aller Art; d) der Abdruck von Reden, welche bei den Verhandlungen der Gerichte, der politischen, kom­ munalen und kirchlichen Vertretungen, sowie der politischen und ähnlichen Versammlungen gehalten werden.

d) Dauer des ausschließlichen Rechtes des Urhe­ bers. 8. Der Schutz des gegenwärtigen Gesetzes gegen Nachdruck wird, vorbehaltlich der folgenden be­ sonderen Bestimmungen, für die Lebensdauer des Urhebers (§§ 1 und 2) und dreißig Jahre nach dem Tode desselben gewährt. 9. Bei einem von mehreren Personen als Mit­ urhebern verfaßten Werke erstreckt sich die Schutz­ frist auf die Dauer von dreißig Jahren nach dem Tode des Letztlebenden derselben. Bei Werken, welche durch Beiträge mehrerer Mitarbeiter gebildet werden, richtet sich die Schutzfrist für die einzelnen Beiträge danach, ob die Urheber derselben genannt sind oder nicht (§§ 8, 11). 10. Einzelne Aufsätze, Abhandlungen re., welche in periodischen Werken, als: Zeitschriften, Ta­ schenbüchern, Kalendern rc., erschienen sind, darf der Urheber, falls nichts Anderes verabredet ist, auch ohne Einwilligung des Herausgebers oder Verlegers des Werkes, in welches dieselben aus­ genommen sind, nach zwei Jahren, vom Ablauf des Jahres des Erscheinens an gerechnet, ander­ weitig abdrucken. 11. Bei Schriftwerken, welche bereits veröffent­ licht sind, ist die im § 8 vorgeschriebene Dauer des Schutzes an die Bedingung geknüpft, daß der wahre Name des Urhebers auf dem Titelblatte oder unter der Zueignung oder unter der Vorrede angegeben ist. Bei Werken, welche durch Beiträge mehrerer Mitarbeiter gebildet werden, genügt es für den Schutz der Beiträge, wenn der Name des Urhe­ bers an der Spitze oder am Schluß des Beitrags angegeben ist. Ein Schriftwerk, welches entweder unter einem anderen, als dem wahren Namen des Urhebers veröffentlicht, oder bei welchem ein Urheber gar nicht angegeben ist, wird dreißig Jahre lang, von der ersten Herausgabe an gerechnet, gegen Nach­ druck geschützt (§ 28).

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Wird innerhalb dreißig Jahre, von der ersten Herausgabe an gerechnet, der wahre Name des Urhebers von ihm selbst oder seinen hierzu legitimirten Rechtsnachfolgern zur Eintragung in die Eintragsrolle (§§ 39 ff.) angemeldet, so wird dadurch dem Werke die im 8 8 bestimmte längere Dauer des Schutzes erworben. 12. Die erst nach dem Tode des Urhebers er­ schienenen Werke werden dreißig Jahre lang, vom Tode des Urhebers an gerechnet, gegen Nachdruck geschützt. 13. Akademien, Universitäten, sonstige juristische Personen, öffentliche Unterrichtsanstalten, sowie gelehrte oder andere Gesellschaften, wenn sie als Herausgeber dem Urheber gleich zu achten sind (§ 2), genießen für die von ihnen herausgegebenen Werke einen Schutz von dreißig Jahren nach deren Erscheinen. 14. Bei Werken, die in mehreren Bänden oder Abtheilungen erscheinen, wird die Schutzfrist von dem ersten Erscheinen eines jeden Bandes oder einer jeden Abtheilung an berechnet. Bei Werken jedoch, die in einem oder mehreren Bänden eine einzige Aufgabe behandeln und mithin als in sich zusammenhängend zu betrachten sind, beginnt die Schutzfrist erst nach dem Er­ scheinen des letzten Bandes oder der letzten Ab­ theilung. Wenn indessen zwischen der Herausgabe ein­ zelner Bände oder Abtheilungen ein Zeitraum von mehr als drei Jahren verflossen ist, so sind die vorher erschienenen Bände, Abtheilungen re. als ein für sich bestehendes Werk und ebenso die nach Ablauf der drei Jahre erscheinenden weiteren Fortsetzungen als ein neues Werk zu behandeln. 15. Das Verbot der Herausgabe von Uebersetzungen dauert in dem Falle des 8 6 Littr. b fünf Jahre vom Erscheinen des Originalwerkes, in dem Falle des 8 6 Littr. c fünf Jahre vom ersten Erscheinen der rechtmäßigen Uebersetzung ab gerechnet. 16. In den Zeitraum der gesetzlichen Schutzfrist (88 8 ff.) wird das Todesjahr des Verfassers, beziehungsweise das Kalenderjahr des ersten Er­ scheinens des Werkes oder der Uebersetzung nicht eingerechnet. 17. Ein Heimfallsrecht des Fiskus oder anderer zu herrenlosen Berlassenschaften berechtigter Per­ sonen findet auf das ausschließliche Recht des Urhebers und seiner Rechtsnachfolger nicht statt.

e) Entschädigung und Strafen. 18. Wer vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit einen Nachdruck (88 4 ff.) in der Absicht, denselben innerhalb oder außerhalb des Norddeutschen Bundes zu verbreiten, veranstaltet, ist den Ur­ heber oder deffen Rechtsnachfolger zu entschädigen verpflichtet und wird außerdem mit einer Geld­ strafe bis zu Eintausend Thalern bestraft. Die Bestrafung des Nachdrucks bleibt jedoch

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1873 (27. Jan. [11. Juni 1870J)

ausgeschlossen, wenn der Veranstalter desselben auf Grund entschuldbaren, thatsächlichen oder rechtlichen Irrthums in gutem Glauben gehandelt hat. Kann die verwirkte Geldstrafe nicht beigetrieben werden, so wird dieselbe nach Maßgabe der allge­ meinen Strafgesetze in eine entsprechende Frei­ heitsstrafe bis zu sechs Monaten umgewandelt. Statt jeder aus diesem Gesetze entspringenden Entschädigung kann auf Verlangen des Beschä­ digten neben der Strafe auf eine an den Beschä­ digten zu erlegende Geldbuße bis zum Betrage von zweitausend Thalern erkannt werden. Für diese Buße haften die zu derselben Berurtheilten als Gesammtschuldner. Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruches aus. Wenn den Veranstalter des Nachdrucks kein Verschulden trifft, so haftet er dem Urheber oder dessen Rechtsnachfolger für den entstandenen Schaden nur bis zur Höhe seiner Bereicherung. 19. Darüber, ob ein Schaden entstanden ist, und wie hoch sich derselbe beläuft, desgleichen über den Bestand und die Höhe einer Bereiche­ rung, entscheidet das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Ueberzeugung.1 2 20. Wer vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit einen Anderen zur Veranstaltung eines Nachdrucks veranlaßt, hat die im § 18 festgesetzte Strafe verwirkt, und ist den Urheber oder dessen Rechts­ nachfolger nach Maßgabe der §§ 18 und 19 zu entschädigen verpflichtet, und zwar selbst dann, wenn der Veranstalter des Nachdrucks nach § 18 nicht strafbar oder ersatzverbindlich sein sollte. Wenn der Veranstalter des Nachdrucks eben­ falls vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit gehandelt hat, so haften beide dem Berechtigten solidarisch. Die Strafbarkeit und die Ersatzverbindlichkeit der. übrigen Theilnehmer am Nachdruck richtet sich nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften. 21. Die vorräthigen Nachdrucks-Exemplare und die zur widerrechtlichen Vervielfältigung aus­ schließlich bestimmten Vorrichtungen, wie Formen, Platten, Steine, Stereotypabgüffe re., unterliegen der Einziehung. 2 Dieselben sind, nachdem die Einziehung dem Eigenthümer gegenüber rechts­ kräftig erkannt ist, entweder zu vernichten oder ihrer gefährdenden Form zu entkleiden und als­ dann dem Eigenthümer zurückzugeben. Wenn nur ein Theil des Werkes als Nachdruck

1. Die prozeßrechtlichen Vorschriften diese- Gesetze- werden zufolge § 13 Abs. 1 E.-G. z. C.-P.-O. und § 5 Abs. 1 E.-G. z. St.-P.-O. durch die C.-P.-O. u. St.-P.-O. nicht berührt. Hierher gehören außer § 19 die §§ 26-32 u. 55. — Vgl. auch § 260 C.-P.-O. 2. Ueber da- Verfahren bei der Einziehung vgl. §§ 477479 St.-P.-O. — Soweit indessen das G. v. 11. Juni 1870 von der St.-P.-O. abweichende Vorschriften enthält, sind dieselben in Geltung geblieben (§ 5 Abs. 1 E.-G. z. St.-P.-O).

anzusehen ist, so erstreckt sich die Einziehung nur auf den als Nachdruck erkannten Theil des Werkes und die Vorrichtungen zu diesem Theile. Die Einziehung erstreckt sich auf alle diejenigen Nachdrucks-Exemplare und Vorrichtungen, welche sich im Eigenthum des Veranstalters des Nach­ drucks, des Druckers, der Sortimentsbuchhändler, der gewerbsmäßigen Verbreiter und desjenigen, welcher den Nachdruck veranlaßt hat (§ 20), be­ finden. Die Einziehung tritt auch dann ein, wenn der Veranstalter oder Veranlasser des Nachdrucks weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt hat (§ 18). Sie erfolgt auch gegen die Erben desselben. Es steht dem Beschädigten frei, die NachdrucksExemplare und Vorrichtungen gattz oder theilweise gegen die Herstellungskosten zu übernehmen, inso­ fern nicht die Rechte eines Dritten dadurch ver­ letzt oder gefährdet werden. 22. Das Vergehen des Nachdrucks ist vollendet, sobald ein Nachdrucks-Exemplar eines Werkes beit Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes zuwider, sei es im Gebiete des Norddeutschen Bundes, sei es außerhalb desselben, hergestellt worden ist. Im Falle des bloßen Versuchs des Nachdrucks tritt weder eine Bestrafung noch eine Entschädi­ gungsverbindlichkeit des Nachdruckers ein. Die Einziehung der Nachdrucksvorrichtungen (§ 21) erfolgt auch in diesem Falle.3 4 23. Wegen Rückfalls findet eine Erhöhung der Strafe über das höchste gesetzliche Maß (§ 18} nicht statt. 24. Wenn in den Fällen des § 7 Littr. a die Angabe der Quelle oder des Namens des Urhebers vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit unterlaffen wird, so haben der Veranstalter und der Veranlasser des Abdrucks eine Geldstrafe bis zu zwanzig Thalern verwirkt. Eine Umwandlung der Geldstrafe in Freiheits­ strafe findet nicht statt. Eine Ent>chädigungspflicht tritt nicht ein. 25. Wer vorsätzlich Exemplare eines Werkes, welche den Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes zuwider angefertigt worden sind, innerhalb oder außerhalb des Norddeutschen Bundes gewerbe­ mäßig feilhält, verkauft oder in sonstiger Weise verbreitet, ist nach Maßgabe des von ihm verur­ sachten Schadens den Urheber oder dessen Rechts­ nachfolger zu entschädigen verpflichtet und wird außerdem mit Geldstrafe nach § 18 bestraft. Die Einziehung der zur gewerbemäßigen Ver­ breitung bestimmten Nachdrucks-Eremplare nach Maßgabe des § 21 findet auch dann statt, wenn der Verbreiter nicht vorsätzlich gehandelt hat.^ Der Entschädigungspflicht, sowie der Bestrafung wegen Verbreitung unterliegen auch der Veran­ stalter und Veranlasser des Nachdrucks, wenn sie

3. Vgl. Bem. zu § 21. 4. Dgl. Bem. zu § 21.

1873 (27. Jan. nicht schon als solche entschädigungspflichtig und strafbar sind. f) Verfahren.5

26. Sowohl die Entscheidung über den Entschä­ digungsanspruch, als auch die Verhängung der im gegenwärtigen Gesetze angedrohten Strafen und die Einziehung der Nachdrucks-Exemplare rc. ge­ hört zur Kompetenz der ordentlichen Gerichte. Die Einziehung der Nachdrucks-Exemplare rc. kann sowohl im Strafrechtswege beantragt, als im Civilrechtswege verfolgt werden. 27. Das gerichtliche Strafverfahren ist nicht von Amtswegen, sondern nur auf den Antrag des Ver­ letzten einzuleiten. Der Antrag auf Bestrafung kann bis zur Verkündung eines auf Strafe lau­ tenden Erkenntnisses zurückgenommen werden. 28. Die Verfolgung des Nachdrucks steht jedem zu, dessen Urheber- oder Berlagsrechte durch die widerrechtliche Vervielfältigung beeinträchtigt oder gefährdet sind. Bei Werken, welche bereits veröffentlicht sind, gilt bis zum Gegenbeweise derjenige als Urheber, welcher nach Maßgabe des § 11 Absatz 1, 2 auf dem Werke als Urheber angegeben ist. Bei anonymen und pseudonymen Werken ist der Herausgeber, und wenn ein solcher nicht an­ gegeben ist, der Verleger berechtigt, die dem Ur­ heber zustehenden Rechte wahrzunehmen. Der auf dem Werke angegebene Verleger gilt ohne weiteren Nachweis als der Rechtsnachfolger des anonymen oder pseudonymen Urhebers. 29. In den Rechtsstreitigkeiten wegen Nach­ drucks, einschließlich der Klagen wegen Bereiche­ rung aus dem Nachdruck, hat der Richter, ohne an positive Regeln über die Wirkung der Beweis­ mittel gebunden zu sein, den Thatbestand nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhand­ lungen geschöpften Ueberzeugung festzustellen. Ebenso ist der Richter bei Entscheidung der Frage: ob der Nachdrucker oder der Veranlasser des Nachdrucks (§§ 18, 20) fahrlässig gehandelt hat, an die in den Landesgesetzen vorgeschriebenen verschiedenen Grade der Fahrlässigkeit nicht ge­ bunden. 30. Sind technische Fragen, von welchen der Thatbestand des Nachdrucks oder der Betrag des Schadens oder der Bereicherung abhängt, zweifel­ haft oder streitig, so ist der Richter befugt, das Gutachten Sachverständiger einzuholen. 31. In allen Staaten des Norddeutschen Bundes sollen aus Gelehrten, Schriftstellern, Buchhändlern und anderen geeigneten Personen Sachverständigen Vereine gebildet werden, welche, auf Erfordern des Richters, Gutachten über die an sie gerichteten Fragen abzugeben verpflichtet sind. Es bleibt den einzelnen Staaten überlassen, sich zu diesem Behufe an andere Staaten des Norddeutschen Bundes an5. Vgl. Bem. zu § 19.

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[11. Juni 1870])

zuschließen, oder auch mit denselben sich zur Bil­ dung gemeinschaftlicher Sachverständigen-Bereine zu verbinden. Die Sachverständigen-Bereine sind befugt, auf Anrufen der Betheiligten über streitige Entschädi­ gungsansprüche und die Einziehung nach Maßgabe der §§ 18 bis 21 als Schiedsrichter zu verhan­ deln und zu entscheiden. Das Bundeskanzler-Amt erläßt die Instruktion über die Zusammensetzung und den Geschäftsbetrieb der Sachverständigen-Bereine. 6 32. Die in den §§ 12 und 13 des Gesetzes, betreffend die Errichtung eines obersten Gerichts­ hofes für Handelssachen vom 12. Juni 1869, ge­ regelte Zuständigkeit des Bundes-Oberhandels ­ gerichts zu Leipzig wird auf diejenigen bürger­ lichen Rechtsstreitigkeiten ausgedehnt, in welchen auf Grund der Bestimmungen dieses Gesetzes durch die Klage ein Entschädigungsanspruch oder ein Anspruch auf Einziehung geltend gemacht wird ...7 g) Verjährung.

33. Die Strafverfolgung des Nachdrucks und die Klage auf Entschädigung wegen Nachdrucks, einschließlich der Klage wegen Bereicherung (§ 18), verjähren in drei Jahren. Der Lauf der Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem die Verbreitung der NachdrucksExemplare zuerst stattgefunden hat. 34. Die Strafverfolgung der Verbreitung von Nachdrucks-Exemplaren und die Klage auf Ent­ schädigung wegen dieser Verbreitung (§ 25) ver­ jähren ebenfalls in drei Jahren. Der Lauf der Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem die Verbreitung zuletzt statt­ gefunden hat. 35. Der Nachdruck und die Verbreitung von Nachdrucks-Exemplaren sollen straflos bleiben, wenn der zum Strafantrage Berechtigte den Antrag binnen drei Monaten nach erlangter Kenntniß von dem begangenen Vergehen und von der Person des Thäters zu machen unterläßt. 36. Der Antrag auf Einziehung und Vernich­ tung der Nachdrucks-Exemplare, sowie der zur widerrechtlichen Vervielfältigung ausschließlich be­ stimmten Vorrichtungen (§ 21), ist so lange zu­ lässig, als solche Exemplare und Vorrichtungen vorhanden sind. 37. Die Übertretung, welche dadurch begangen wird, daß in den Fällen des § 7 Littr. a die Angabe der Quelle oder des Namens des Urhe­ bers unterblieben ist, verjährt in drei Monaten. Der Lauf der Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem der Abdruck zuerst verbreitet worden ist.__________ 6. Vgl. Jnstr. v. 12. Dez. 1870 u. Mm. v. 16. Juli 1879.

7. Die von der Zuständigkeit des Bundesoberhandelsgerichts in Strafsachen und dem Verfahren bei demselben handelnden Abs. 2-5 sind durch die Bestimmungen des G.-V.-G. u. der St.-P.-O. ersetzt. - Zu Abs. 1 vgl. § 8 Abs. 2 E.-G. z. G.-B.-G.

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38. Die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften bestimmen, durch welche Handlungen die Verjäh­ rung unterbrochen wird. Die Einleitung des Strafverfahrens unterbricht die Verjährung der Entschädigungsklage nicht, und eben so wenig unterbricht die Anstellung der Ent­ schädigungsklage die Verjährung des Strafver­ fahrens. h) Eintrag-rolle.

39. Die Eintragsrove, in welche die in den 88 6 und 11 vorgeschriebenen Eintragungen statt­ zufinden haben, wird bei dem Stadtrath zu Leipzig geführt, s 40. Der Stadtrath zu Leipzig ist verpflichtet, auf Antrag der Betheiligten die Eintragungen zu bewirken, ohne daß eine zuvorige Prüfung über die Berechtigung des Antragstellers oder über die Richtigkeit der zur Eintragung angemeldeten That­ sachen stattfindet. 41. Das Bundeskanzler-Amt erläßt die Instruk­ tion über die Führung der Eintragsrolle. Es ist jedermann gestattet, von der Eintragsrolle Ein­ sicht zu nehmen und sich beglaubigte Auszüge aus derselben ertheilen zu lassen. Die Eintragungen werden im Börsenblatt für den deutschen Buch­ handel und, falls dasselbe zu erscheine- aufhören sollte, in einer andern vom Bundeskanzler-Amte zu bestimmenden Zeitung öffentlich bekannt ge­ macht. 42. Alle Eingaben, Verhandlungen, Atteste, Beglaubigungen, Zeugnisse, Auszüge u. s. w., welche die Eintragung in die Eintragsrolle betref­ fen. sind stempelfrei. Dagegen, wird für jede Eintragung, für jeden

Eintragsschein, sowie für jeden sonstigen Auszug aus der Eintragsrolle eine Gebühr von je fünf­ zehn Silbergroschen erhoben, und außerdem hat der Antragsteller die etwaigen Kosten für die öffentliche Bekanntmachung der Eintragung (8 41) zu entrichten.

II. Geographische, topographische, natur­ wissenschaftliche, architektonische, technische und ähnliche Abbildungen. 43. Die Bestimmungen in den 88 1—42 finden auch Anwendung auf geographische, topographische, naturwissenschaftliche, architektonische, technische und ähnliche Zeichnungen und Abbildungen, welche nach ihrem Hauptzwecke nicht als Kunstwerke zu be­ trachten sind. 44. Als Nachdruck ist es nicht anzusehen, wenn einem Schriftwerke einzelne Abbildungen aus einem anderen Werke beigefügt werden, voraus­ gesetzt, daß das Schriftwerk als die Hauptsache erscheint und die Abbildungen nur zur Erläuterung

8. Ueber die Führung der Eintrag-rolle erging am 7. Dez. 1870 eine Instruktion des Bundeskanzleramt- sC.-Bl. 1876 S. 120).

des Textes u. s. w. dienen. Auch muß der Urheber oder die benutzte Quelle angegeben sein, widrigen­ falls die Strafbestimmung im 8 24 Platz greift. III. Musikalische,Kompositionen. 45. Die Bestimmungen in den 88 1 bis 5, 8 bis 42 finden auch Anwendung auf das ausschließ­ liche Recht des Urhebers zur Vervielfältigung musikalischer Kompositionen. 46. Als Nachdruck sind alle ohne Genehmigung des Urhebers einer musikalischen Komposition herausgegebenen Bearbeitungen derselben anzu­ sehen, welche nicht als eigenthümliche Komposi­ tionen betrachtet werden können, insbesondere Auszüge aus einer musikalischen Komposition, Arrangements für einzelne oder mehrere Instru­ mente oder Stimmen, sowie der Abdruck von ein­ zelnen Motiven oder Melodien eines und desselben Werkes, die nicht künstlerisch verarbeitet sind. 47. Als Nachdruck ist nicht anzusehen: das Anführen einzelner Stellen eines bereits veröffent­ lichten Werkes der Tonkunst, die Aufnahme bereits veröffentlichter kleinerer Kompositionen in ein nach seinem Hauptinhalte selbständiges wissenschaftliches Werk, sowie in Sammlungen von Werken ver­ schiedener Komponisten zur Benutzung in Schulen, ausschließlich der Musikschulen. Vorausgesetzt ist jedoch, daß der Urheber oder die benutzte Quelle angegeben ist, widrigenfalls die Strafbestimmung des 8 24 Platz greift. 48. Als Nachdruck ist nicht anzusehen: die Be­ nutzung eines bereits veröffentlichten Schriftwerkes als Text zu musikalischen Kompositionen, sofern der Text in Verbindung mit der Komposition ab­ gedruckt wird. Ausgenommen sind solche Texte, welche ihrem Wesen nach nur für den Zweck der Komposition Bedeutung haben, namentlich Texte zu Opern oder Oratorien. Texte dieser Art dürfen nur unter Genehmigung ihres Urhebers mit den musikali­ schen Kompositionen zusammen abgedruckt werden. Zum Abdruck des Textes ohne Musik ist die Einwilligung des Urhebers oder seiner Rechts­

nachfolger erforderlich. 49. Die Sachverständigen-Bereine, welche nach Maßgabe des 8 31 Gutachten über den Nachdruck musikalischer Kompositionen abzugeben haben, sollen aus Komponisten, Musikverständigen und Musi­

kalienhändlern bestehen. IV.Oeffentliche Aufführung dramati­ scher, musikalischer oder dramatisch­ musikalischer Werke. 50. Das Recht, ein dramatisches, musikalisches oder dramatisch-musikaliches Werk öffentlich aufzu­ führen, steht dem Urheber und deffen Rechtsnach­ folgern (8 3) ausschließlich zu. In Betreff der dramatischen und dramatisch­ musikalischen Werke ist es hierbei gleichgültig, ob das Werk bereits durch den Druck re. veröffent-

1873 (27. Jan. licht worden ist ober nicht. Musikalische Werke, welche durch Druck veröffentlicht worden sind, können ohne Genehmigung des Urhebers öffentlich aufgeführt werden, falls nicht der Urheber auf dem Titelblatt oder an der Spitze des Werkes sich das Recht der öffentlichen Aufführung Vorbe­ halten hat. Dem Urheber wird der Berfasser einer recht­ mäßigen Uebersetzung des dramatischen Werkes in Beziehung auf das ausschließliche Recht zur öffentlichen Aufführung dieser Uebersetzung gleich

geachtet. Die öffentliche Aufführung einer rechtswidrigen Uebersetzung (§ 6) oder einer rechtswidrigen Bearbeitung (§ 46) des Originalwerkes ist untersagt. 51. Sind mehrere Urheber vorhanden, so ist zur Veranstaltung der öffentlichen Aufführung die Genehmigung jedes Urhebers erforderlich. Bei musikalischen Werken, zu denen ein Text gehört, einschließlich der dramatisch-musikalischen Werke, genügt die Genehmigung des Komponisten allein. 52. In Betreff der Dauer des ausschließlichen Rechts zur öffentlichen Aufführung kommen die §§ 8 bis 17 zur Anwendung. Anonyme und pseudonyme Werke, welche zur Zeit ihrer ersten rechtmäßigen öffentlichen Auf­ führung noch nicht durch den Druck veröffentlicht sind, werden dreißig Jahre vom Tage der ersten rechtmäßigen Aufführung an, posthume Werke dreißig Jahre vom Tode des Urhebers an gegen unbefugte öffentliche Aufführung geschützt. Wenn der Urheber des anonymen oder Pseu­ donymen Werkes oder sein hierzu legitimirter Rechtsnachfolger innerhalb der Frist von dreißig Jahren den wahren Namen des Urhebers ver­ mittelst Eintragung in die Eintragsrolle (§ 39) bekannt macht, oder wenn der Urheber das Werk innerhalb derselben Frist unter seinem wahren Namen veröffentlicht, so gelangt die Bestimmung des § 8 zur Anwendung. 53. Bei dramatischen, musikalischen und drama­ tisch-musikalischen Werken, welche noch nicht me­ chanisch vervielfältigt, aber öffentlich aufgeführt worden sind, gilt bis zum Gegenbeweise derjenige als Urheber, welcher bei der Ankündigung der Aufführung als solcher bezeichnet worden ist. 54. Wer vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit ein dramatisches, musikalisches oder dramatisch-musi­ kalisches Werk vollständig oder mit unwesentlichen Aenderungen unbefugter Weise öffentlich aufführt, ist den Urheber oder dessen Rechtsnachfolger zu entschädigen verpflichtet und wird außerdem mit einer Geldstrafe nach Maßgabe der §§ 18 und 23 bestraft. Auf den Veranlasser der unbefugten Auffüh­ rung findet der § 20 mit der Maßgabe Anwen­ dung, daß die Höhe der Entschädigung nach § 55 zu bemessen ist.

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55. Die Entschädigung, welche dem Berechtigten im Falle des § 54 zu gewähren ist, besteht in dem ganzen Betrage der Einnahme von jeder Aufführung ohne Abzug der auf dieselbe ver­ wendeten Kosten. Ist das Werk in Verbindung mit anderen Werken aufgeführt worden, so ist, unter Berück­ sichtigung der Verhältnisse, ein entsprechender Theil der Einnahme als Entschädigung festzusetzen. Wenn die Einnahme nicht zu ermitteln oder eine solche nicht vorhanden ist, so wird der Be­ trag der Entschädigung vom Richter nach freiem Ermessen festgestellt. 9 Trifft den Veranstalter der Aufführung kein Verschulden, so haftet er dem Berechtigten auf Höhe seiner Bereicherung. 56. Die Bestimmungen in den §§ 26 bis 42 finden auch in Betreff der Aufführung von drama­ tischen, musikalischen und dramatisch-musikalischen Werken Anwendung.

V. Allgemeine Bestimmungen. 57. Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1871 in Kraft. Alle früheren, in den einzelnen Staaten des Norddeutschen Bundes geltenden, rechtlichen Bestimmungen in Beziehung auf das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbil­ dungen, musikalischen Kompositionen und drama­ tischen Werken treten von demselben Tage ab außer Wirksamkeit. 58. Das gegenwärtige Gesetz findet auf alle vor dem Inkrafttreten desselben erschienenen Schriftwerke, Abbildungen, musikalischen Kompo­ sitionen und dramatischen Werke Anwendung, selbst wenn dieselben nach den bisherigen Landes­ gesetzgebungen keinen Schutz gegen Nachdruck, Nachbildung oder öffentliche Aufführung genossen haben. Die bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes vor­ handenen Exemplare, deren Herstellung nach der bisherigen Gesetzgebung gestattet war, sollen auch fernerhin verbreitet werden dürfen, selbst wenn ihre Herstellung nach dem gegenwärtigen Gesetze untersagt ist. Ebenso sollen die bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes vorhandenen, bisher rechtmäßig ange­ fertigten Vorrichtungen, wie Formen, Platten, Steine, Stereotypabgüsse rc., auch fernerhin zur Anfertigung von Exemplaren benutzt werden dürfen. Auch dürfen die beim Inkrafttreten des Gesetzes bereits begonnenen, bisher gestatteten Verviel­ fältigungen noch vollendet werden. Die Regierungen der Staaten des Norddeutschen Bundes werden ein Inventarium über die Vor­ richtungen, deren fernere Benutzung hiernach gestattet ist, amtlich aufstellen und diese Borrich-

9. Dgl. Bem. zu § 19.

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1873

(27. Jan. [11. Juni 1870] [12. Dez. 1870])

Lungen mit einem gleichförmigen Stempel bedru­ cken lassen. Ebenso sollen alle Exemplare von Schrift­ werken, welche nach Maßgabe dieses Paragraphen auch fernerhin verbreitet werden dürfen, mit einem Stempel versehen werden. Nach Ablauf der für die Legalisirung angegenen Frist unterliegen alle mit dem Stempel nicht versehenen Vorrichtungen und Exemplare der be­ zeichneten Werke, auf Antrag des Verletzten, der Einziehung. Die nähere Instruktion über das bei der Aufstellung des Inventariums und bei der Stempelung zu beobachtende Verfahren wird vom Bundeskanzler-Amte erlassen. 59. Insofern nach den bisherigen Landesgesetz­ gebungen für den Vorbehalt des Uebersetzungsrechts andere Förmlichkeiten und für das Erschei­ nen der ersten Uebersetzung andere Fristen, als im Z 6 Littr. c vorgeschrieben sind, hat es bei denselben in Betreff derjenigen Werke, welche vor dem Jilkrafttreten des gegenwärtigen Gesetzes bereits erschienen sind, sein Bewenden.10

60. Die Ertheilung von Privilegien zum Schutze des Urheberrechts ist nicht mehr zulässig. Dem Inhaber eines vor dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesetzes von dem deutschen Bunde oder den Regierungen einzelner, jetzt zum Norddeutschen Bunde gehörigen Staaten ertheilten

Privilegiums steht es frei, ob er von diesem Privi­

10. In Frankreich ist bestritten, ob Uebersetzungen Nach­ druck sind (Dgl. Dalloz, v° Propr. littdr. Nr. 355 ff.). Die bisherige Gesetzgebung über literarisches Eigenthum ist sor­ gende: 1) 19. Juli 1793. D. betr. die Eigenthumsrechte der Schriftsteller jeder Art, der Urheber musikalischer Komposi­ tionen, der Maler u. Zeichner (Duvergier VI S. 35); 2) 25. Prairial III. G. betr. Auslegung des G. v. 19. Juli 1793 (B. des L. Ser. I Nr. 916); 3) 1. Terminal XIII. D. betr. die Eigenthumsrechte an nachgelassenen Werken (B. des L. Ser. IV Nr. 647); 4) 7. Germinal XIII. D. betr. den Druck kirchlicher, Gebetund Andachtsbücher (B. des L. Ser. IV Nr. 658); 5) 20. Febr. 1809. D. betr. die Handschriften der Biblio­ theken und anderen öffentlichen Anstalten (B. des L. Ser. IV Nr. 4137); 6) 5. FeVr. 1810. D. über Buchdruck und Buchhandel (B. des L. Ser. IV Nr. 5155); 7) 21. Okt. 1814. G. betr. die Freiheit der Preffe (B. des L. Ser. V Nr. 395); 8) 24. Okt. 1814. O. Vetr. die auf den Druck, die Hinter­ legung und Veröffentlichung von Schriftwerken bezüglichen Maßregeln (B. des L. Ser. V Nr. 403);

9) 9. Jan. 1828. O. betr. Abänderung der O. v. 24. Okt. 1814 (B. des L. Ser. VIII Nr. 7807); 10) 3. August 1844. G. betr. die EigenthumSrechte der Wittwen und Kinder von Urhebern dramatischer Werke (B. des L. Ser. IX Nr. 11444);

11) 28. März 1852. D. über den Nachdruck ausländischer Werke (B. des L. Ser. X Nr. 3869); 12) 8. April 1854. G. über das den Wittwen und Kindern der Schriftsteller, Urheber musikalischer Kompositionen und Künstler gewährleistete Eigenthumsrecht (B. des L. Ser. XI Nr. 1280); 13) 14. Juli 1866. G. betr. die Rechte der Erben und Rechtsnachfolger der Schriftsteller (B. des L. Ser. XI Nr. 14407).

legium Gebrauch machen oder den Schutz des gegenwärtigen Gesetzes anrufen will. Der Privilegienschutz kann indeß nur für den Umfang derjenigen Staaten geltend gemacht wer­ den, von welchen derselbe ertheilt worden ist. Die Berufung auf den Privilegienschutz ist da­ durch bedingt, daß das Privilegium entweder ganz oder dem wesentlichen Inhalte nach dem Werke vorgedruckt oder auf oder hinter dem Titelblatt desselben bemerkt ist. Wo dieses nach der Natur des Gegenstandes nicht stattfinden kann, oder bisher nicht geschehen ist, muß das Privilegium, bei Vermeidung des Erlöschens, binnen drei Monaten nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zur Eintragung in die Eintrags­ rolle angemeldet und von dem Kuratorium der­ selben öffentlich bekannt gemacht werden. 61. Das gegenwärtige Gesetz findet Anwendung auf alle Werke inländischer Urheber, gleichviel ob die Werke im Jnlande oder Auslande erschienen oder überhaupt noch nicht veröffentlicht sind. Wenn Werke ausländischer Urheber bei Ver­ legern erscheinen, die im Gebiete des Norddeutschen Bundes ihre Handelsniederlassung haben, so stehen diese Werke unter dem Schutze des gegen­ wärtigen Gesetzes. 62. Diejenigen Werke ausländischer Urheber, welche in einem Orte erschienen sind, der zum ehemaligen deutschen Bunde, nicht aber zum Norddeutschen Bunde, gehört, genießen den Schutz dieses Gesetzes unter der Voraussetzung, daß das Recht des betreffenden Staates den innerhalb des Norddeutschen Bundes erschienenen Werken einen den einheimischen Werken gleichen Schutz gewährt; jedoch dauert der Schutz nicht länger als in dem betreffenden Staate selbst. Dasselbe gilt von nicht veröffentlichten Werken solcher Urheber, welche zwar nicht im Norddeutschen Bunde, wohl aber im ehemaligen deutschen Bundesgebiete staats­

angehörig find.

Instruktion des Bundeskanzleramts über die Zu­ sammensetzung und den Geschäfts­ betrieb der Sachverstän.digenVereine. vom 12. Dezember 1870.

In Gemäßheit der §§ 31 und 49 des Gesetzes vom 11. Jnni 1870, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken u. s. w., wird über die Zusam­ mensetzung und den Geschäftsbetrieb der Sachverständigen-Bereine Folgendes bestimmt: § 1. Die Sachverständigen-Bereine sind ent­

weder a) literarische oder b) musikalische Sachverständigen-Bereine. In keinem Staate des Norddeutschen Bundes darf mehr als ein litera­ rischer und ein musikalischer SachverständigenBerein bestehen.

1873 (27. Jan. [12. Dez. 1870] — 29. Jan.) 2. Jeder Verein besteht aus sieben Mitgliedern, einschließlich des Vorsitzenden. Für den Fall der Verhinderung einzelner Mitglieder wird eine An­ zahl Stellvertreter ernannt. 3. Die Ernennung der Mitglieder und Stell­ vertreter erfolgt durch die zuständige Zentral­ behörde, welche auch den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter aus der Zahl der Bereinsmitglieder bestimmt. Die Mitglieder und Stellvertreter wer­ den als Sachverständige ein für alle Mal gericht­ lich vereidet. 4. Der literarische Sachverständigen-Berein ist berufen, auf Erfordern der Gerichte Gutachten über technische Fragen abzugeben, von welchen a) der Thatbestand des Nachdrucks von Schrift­ werken oder Abbildungen (§§ 1 ff., §§ 43 und 44 des Gesetzes vom 11. Juni 1870) oder by der Thatbestand der unerlaubten Aufführung eines dramatischen Werkes (§§ 50 ff. a. a. O.) oder c) der Betrag des durch den Nachdruck oder die unerlaubte Aufführung entstandenen Schadens, bezw. der Bereicherung abhängt. Ein Mitglied des Vereins muß als Zeichner, Kupferstecher re. mit der Anfertigung der im

§ 43 des Gesetzes vom 11. Juni 1870 erwähnten Zeichnungen und Abbildungen vertraut sein. 5. Der musikalische Sachverständigen-Berein ist berufen, auf Erfordern der Gerichte Gutachten über technische Fragen abzugeben, von welchen a) der Thatbestand des Nachdrucks von musika­ lischen Kompositionen (§§ 45 ff. a. a. O.) oder b) der Thatbestand der unerlaubten Auffüh­ rung eines musikalischen oder dramatisch-musika­ lischen Werkes (§§ 50 ff. a. a. O.) ober c) der Betrag des durch den Nachdruck oder die unerlaubte Aufführung entstandenen Schadens, bezw. der Bereicherung abhängt. 6. ii Das verlangte Gutachten hat der Verein nur dann abzugeben, wenn von dem ersuchenden Gerichte 1) in dem Ersuchungsschreiben die zu begut­ achtenden Fragen einzeln aufgeführt, 2) dem Vereine übersendet sind a) die gerichtlichen Akten, 11. Die hier wiedergegebene Fassung erhielt Art. 6 durch Bekm. v. 16. Juli 1879.

315

b) die zu vergleichenden Gegenstände, deren Identität durch Anhängung des Gerichtssiegels oder auf andere Art außer Zweifel gestellt und gegen Verwechselung gesichert ist. 7. Sobald der Antrag auf Erstattung eines Gutachtens von Seiten des Vereins an den Vorsitzenden desselben gelangt ist, ernennt der letztere zwei Mitglieder zu Referenten, welche unabhängig von einander ihre Meinung schriftlich abzugeben und in einer demnächst anzuberaumen­ den Sitzung des Vereins vorzutragen haben. Nach stattgehabter Berathung erfolgt durch Stimmen­ mehrheit der Beschluß. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Handelt es sich um den Nachdruck einer Zeich­ nung oder Abbildung (§ 43 des Gesetzes vom 11. Juni 1870), so muß einer der beiden Refe­ renten als Zeichner, Kupferstecher re. mit der Anfertigung der betreffenden Zeichnungen oder Abbildungen vertraut sein. 8. Zur Fassung eines gültigen Beschlusses ist die Anwesenheit von wenigstens fünf Mitgliedern, einschließlich des Vorsitzenden und der etwa zuge­ zogenen Stellvertreter, erforderlich. Mehr als sieben Mitglieder dürfen an dem Beschlusse nicht theilnehmen. 9. Nach Maßgabe des gefaßten Beschlusses wird das Gutachten ausgefertigt, von den bei der Beschlußfassung anwesend gewesenen Mitgliedern des Vereins unterschrieben und mit dem dem Vereine zu überweisenden Siegel untersiegelt. Die etwaige Verwendung von Stempeln zu dem Gutachten richtet sich nach den Gesetzen der ein­ zelnen Bundesstaaten. 10. Der Verein ist befugt, an Gebühren für das Gutachten zehn bis Einhundert Thaler zu liquidiren, welche vom requirirenden Gerichte sofort nach Eingang des Gutachtens dem Vor­ sitzenden des Vereins kostenfrei übersandt werden. 11. Wenn die betheiligten Parteien in Gemäß­ heit des § 31 Absatz 2 des Gesetzes vom 11. Juni 1870 einen Sachverständigen-Berein als Schieds­ richter anzurufen beabsichtigen, so haben sie ihre desfallsigen Anträge in beglaubigter Form an den Verein gelangen zu lassen. Die in den §§ 6 bis 10 enthaltenen Bestim­ mungen kommen auch in diesem Falle analog in Anwendung.

29. Januar 1873. Gesetz, betreffen) die Aufhebung der Sinnenschifffahrtsabgabe». G.-Bl. S. 59. Die bestehenden Vorschriften über die Erhebung der Binnenschifffahrts-Abgaben sind aufgehoben.11 1

1. Vgl. Art. 3 der revidirten Rheinschifffahrtsakte v. 17. Okt. 1868.

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1873 (12. Febr. — 22. Febr.) 12. Februar 1873.

Gesetz, betreffend das Unterrichtswesen. G.-Bl. S. 37. § 1. Das gesammte niedere und höhere Unter­ richtswesen (enseignement primaire et secondaire) wird unter die Aufsicht und Leitung der Staatsbehörden gestellt. Die bestehenden Bestimmungen über die örtliche Beaufsichtigung des niederen Unterrichtswesens bleiben bis auf Weiteres in Kraft.1 2 3 Staatliche Genehmigung ist erforderlich: 1) zur berufs- oder gewerbsmäßigen Ertheilung von Unterrichts 2) zur Eröffnung einer Schule, 3 3) zur Anstellung eines Lehrers an einer Schule. Jede Schule kann durch die Verwaltungs­ behörden geschlossen werden, wenn sie den staat­ lichen Anordnungen über Einrichtung und Lehr­ plan nicht entspricht. 2. Wer ohne die im § 1 vorgesehene Geneh­ migung berufs- oder gewerbsmäßig Unterricht ertheilt, oder eine Schule eröffnet, oder an einer von ihm gehaltenen oder geleiteten Schule einen Lehrer anstellt, desgleichen wer an einer wegen Nichtbefolgung der staatlichen Anordnung geschlos­ senen Schule den Unterricht fortsetzt oder fort­ setzen läßt, wird mit Geldstrafe bis zu einhundert Thalern bestraft. 3. Diejenigen Personen, welche auf Grund eines der im Artikel 25 des Gesetzes über das Unterrichtswesen vom 15. März 1850 aufge­ führten Befähigungstitels mit der berufs- oder gewerbsmäßigen Ertheilung von Unterricht be­ reits begonnen haben, desgleichen diejenigen, welche den bisherigen Gesetzen gemäß eine Schule eröffnet haben, bedürfen zur Fortsetzung dieses 1. Diese Bestimmungen sind enthalten in Art. 44 G. v. 15. März 1850 in Verb, mit Art. 18 Abs. 1 Nr. 4 u. Abs. 2 desselb. G., in Artt. 48 u. 49 B. v. 29. Juli 1850, Art. 10 D. v. 31. Dez. 1853 u. Artt. 14 ff. D. v. 21. März 1855. 2. Dgl. Art. 29 Abs. 5 u. 6 G. v. 15. März 1850.

3. Bezüglich der Eröffnung von geistlichen Sekundär­ schulen vgl. noch die besondere Bestimmung in Art. 70 Abs. 2 G. v. 15. März 1850.

Berufes oder Gewerbes einer staatlichen Geneh­ migung nicht. Lehrer an bestehenden Schulen, welche keinen der Befähigungstitel des angeführten Artikels 25 besitzen, haben binnen einer von dem Oberpräsidenten zu bestimmenden Frist die durch § 1 des gegenwärtigen Gesetzes erforderte Genehmigung ncnhzusuchen.4 5

4. Der Reichskanzler ist ermächtigt, über die Prüfung und Qualifikation der Lehrer, über die Organisation und den Lehrplan der Schulen, insbesondere die Unterrichtssprache und die obli­ gatorischen Lehrgegenstände bei einer jeden der­ selben, endlich über die Prüfungen der Schüler Regulative zu erlassen und deren Befolgung durch Inspektionen zu sichern. Er ist ferner ermächtigt, über das bei Schließung von Schulen zu beob­ achtende Verfahren Anordnung zu treffen. Er kann diese Befugnisse auf den Oberpräsidenten von Elsaß-Lothringen übertragen, s 4. Die Bestimmung des § 3 Abs. 2 ist durch den Ablauf der Frist, welche durch die D. des OPr. v. 20. Mat 1874 (Straßb. Ztg. Nr. 122 v. 28. Mai 1874) auf die Zeit bis zum 1. Aug. 1874 festgesetzt wurde, gegenstandslos geworden. 5. Dgl. die Ausführungs-Verordnung des R.K. v. 10. Juli 1873. Ferner sind auf Grund des § 4 vom R.-K. folgende Regulative und Prüfungs-Ordnungen erlaffen: a) Regulativ für die höheren Lehranstalten in E.-L. v. 10. Juli 1873; b) Regulativ für die Elementarschulen in E.-L. v. 4. Januar 1874; c) Regulativ für die Präparanden­ schulen in E.-L. v. 4. Januar 1874; d) PrüfungS-Ordnung für Elementarlehrer und Elementarlehrerinnen v. 4. Januar 1874; e) Regulativ für die Elementarlehrer- und Element tarlehrerinnen-Seminarien in E.-L. v. 4. Januar 1874; f) Prüfungs-Ordnung für Lehrerinnen und Vorsteherinnen höherer Töchterschulen v. 13. April 1876; g) Prüfungs­ Ordnung für Seminardirektoren, Seminarlehrer, Vorsteher von Präparandenschulen, Mittelschulen und höheren Töchter­ schulen v. 13. April 1876; h) Prüfungs-Ordnung für Lehrer an Mittelschulen und höheren Töchterschulen v. 13. April 1876. — Ueber das bei Schließung von Schulen zu beobach­ tende Verfahren treffen die §§ 11, 12 und 15 der Eingangs erwähnten A.-B. v 10. Juli 1873 Bestimmung. — Bezüg­ lich des Schlußsatzes von § 4 vgl. § 16 A.-B. v. 10. Juli 1873. — Endlich ist noch im allgemeinen zu bemerken, daß

die Befugniffe des R.-K. auf den Statthalter, die des OPr. auf das Ministerium übergegangen sind (§§ 2 u. 3 G. v.

4. Juli 1879).

22. Februar 1873.

Verordnung, betreffend die Zutheilnng mehrerer Gemeinden zu dem Sezirke des Gewerbegerichts zu Metz. G.-Bl. S. 38.

1873 (22. Febr.)

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22. Februar 1873.

Verordnung des Reichskanzlers, betreffend das Verfahre« vor dem Kaiserlichen Vath in Llfaß-Lothringen.1 2 G.-Bl. S. 39.

Erster Titel.

Allgemeine Bestimmungen.

§ 1. Der Vorsitz im Kaiserlichen Rath kann vom Oberpräsidenten 2 sowohl allgemein für ge­ wisse Arten von Geschäften, wie auch für einzelne Verhandlungen einem der Mitglieder übertragen werden. In Ermangelung solcher Uebertragung führt im Falle der Behinderung des Oberpräsidenten der Vize­ Behinderung das nach dem Dienstalter älteste Mitglied den Vorsitz. 2. Der Oberpräsident ernennt einen der Se­ kretariatsbeamten des Oberpräsidiums zum Sekre­ tär des Kaiserlichen Rathes, einen andern zu dessen Stellvertreter. Dem Sekretär liegt die Verwaltung der Regi­ stratur- und Sekretariatsgeschäfte und die Proto­ kollführung bei den Verhandlungen ob. Bei kommissarischen Verhandlungen kann der Kommissar, wenn der Sekretär beziehungsweise dessen Stellvertreter nicht zur Hand sind, eine anderweite geeignete Person, nach vorausgegange­ ner eidlicher Verpflichtung derselben, als Proto­ kollführer zuziehen. 3. Der Sekretär hat die für den Kaiserlichen Rath eingehenden Stücke sofort mit dem Präsen­ tationsvermerk zu versehen und dem Ueberbringer auf Verlangen den Empfang derselben zu be­ scheinigen. 4. Allen bei dem Kaiserlichen Rath eingereichten Anträgen und Erklärungen sind so viele Ab­ schriften beizufügen, als Parteien mit gesonderten Interessen dem Einreichenden gegenüberstehen. Urkunden und Schriftstücke, auf welche Bezug genommen wird, sind mit den erforderlichen Ab­ schriften beiznfügen, sonstige Beweismittel genau zu bezeichnen. Die Abschriften sind stempelfrei. Die Mitthei­ lung derselben an die Gegenpartei erfolgt von Amtswegen. Ist die Einreichung der erforderlichen Abschrif­ ten unterblieben, so kann die Anfertigung derselben auf Kosten des Einreichenden veranlaßt werden. Bei besonders umfangreichen Urkunden und Schriftstücken kann die Beibringung der Abschriften nachgelassen und die Auslegung auf dem Sekre­ tariat 'des Kaiserlichen Rathes zur Einsicht für die Gegenparteien verfügt werden. Oeffentliche Behörden können die Urschriften

präsident und in dessen

ihrer Anträge und Erklärungen in Aktenform vorlegen. Im übrigen gellen die vorstehenden Bestimmungen auch für sie. 5. Für jede eingehende Sache wird von dem Vorsitzenden ein Berichterstatter ernannt, welcher die Instruktion der Sache bis zur mündlichen Hauptverhandlung zu leiten hat. 6. Vorladungen und Zustellungen erfolgen durch die Post oder durch Beamte der Berwaltungs- und Gerichtsbehörden gegen Empfangs­ und Jnsinuationsbescheinigung. Die im Verfahren vor dem Bezirksrath erklärte Wahl eines Domizils gilt, so lange sie nicht widerrufen ist, auch für das Verfahren vor dem Kaiserlichen Rath. Vorladungen und Zustellungen an Parteien, welche im Jnlande weder ein Domizil, noch einen bekannten Aufenthaltsort haben, erfolgen in der geeignet scheinenden Weise. Ob dieselben als gehörig geschehen zu erachten sind, entscheidet der Kaiserliche Rath nach freiem Ermessen. Parteien, welche in Elsaß-Lothringen nicht wohnen, sind von dem Berichterstatter zur Wahl eines Domizils innerhalb des Landes aufzufor­ dern, und zwar auch dann, wenn die nämliche Aufforderung bereits im Verfahren vor dem Be­ zirksrath fruchtlos an sie ergangen ist. Kommen sie dieser Aufforderung nicht nach, so können fernere Zustellungen an dieselben durch öffentlichen Anschlag an einer dem Publikum zugänglichen Stelle des Sitzungsgebäudes des Kaiserlichen Rathes bewirkt werden. Die Androhung dieses Rechtsnachtheils muß in der betreffenden Verfügung enthalten sein. 7. Die Sitzungen des Kaiserlichen Rathes und die in den einzelnen Sitzungen zu verhandelnden Geschäfte werden durch den Vorsitzenden bestimmt. 8. Entscheidungen des Kaiserlichen Rathes sind in der Urschrift von allen ortsanwesenden Mit­ gliedern, welche an der Entscheidung theilgenommen haben, Zwischenbescheide, sowie Ausferti­ gungen jeder Art von dem Vorsitzenden allein zu vollziehen. Die Sitzungsprotokolle werden von dem Vor­ sitzenden und dem Sekretär, die Protokolle über Verhandlungen vor einem Kommissar von dem letzteren, und, wenn ein Protokollführer zügezogen war, auch von diesem vollzogen. Zweiter Titel.

Bestimmungen über das Verfahren im Einzelnen. 1. Erlassen auf Grund des § 8 des Bertv.-G. v. 30. Dez. 1871. 2. Ministerium, 8 3 G. v. 4. Juli 1879.

9. Die Entscheidung des Kaiserlichen Rathes über die Beschwerde gegen den Bescheid eines

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1873 (22. Febr.)

Bezirksraths, durch welchen ein Rekurs als ver­ spätet oder formwidrig zurückgewiesen ist (§ 32 der Verordnung, betreffend das Verfahren vor den Bezirksräthen, vom 1. September 1872), er­ folgt in Rathskammer-Sitzung ohne vorgängige kontradiktorische Verhandlung. 10. Wenn die Entscheidung des Bezirksrathes der provisorischen Vollstreckbarkeit entbehrt (§§ 33, 34 der Verordnung, betreffend das Verfahren vor den Bezirksräthen, vom 1. September 1872), so kann der Rekursbeklagte in jeder Lage der Sache beantragen, daß ihr dieselbe beigelegt werde. Ebenso kann der Rekurskläger in jeder Lage der Sache beantragen, daß die von Rechtswegen statthafte oder vom Bezirksrath ausgesprochene provisorische Vollstreckbarkeit der angefochtenen Entscheidung aufgehoben werde. Das Gesuch ist der Gegenpartei mitzutheilen. Ueber dasselbe kann besonders oder gleichzeitig mit der Hauptsache verhandelt werden. 11. Die Rekursschrift wird dem Rekursbeklagten zur Beantwortung binnen einer vom Bericht­ erstatter zu bestimmenden Frist mitgetheilt. Die Beantwortungsschrift, sowie die in geeig­ neten Fällen durch den Berichterstatter erforderten weiteren Schriftsätze müffen, wenn sie von einer Privatpartei ausgehen, bei Strafe der Nichtigkeit von einem in Elsaß-Lothringen angestellten Ad­ vokaten unterschrieben sein. Ausgenommen von dieser Vorschrift sind die Schriftsätze in denjenigen Sachen, welche Wahlstreitigkeiten oder Reklama­ tionen gegen direkte Steuern oder denselben gleichstehende Auflagen betreffen. 12. Die Versäumung der für die Einreichung eines Schriftsatzes oder für eine andere prozessua­ lische Handlung festgesetzten Frist hat den Verlust des Rechts zur Vornahme der betreffenden Pro­ zeßhandlung zur Folge. Die Androhung dieses Rechtsnachtheils muß in der Verfügung enthalten sein. 13. In der Rekursinstanz können die Parteien neue Thatsachen und Beweismittel vorbringen und die in erster Instanz unterbliebenen oder verweigerten Erklärungen über Thatsachen und Beweismittel nachholen. Eine Aenderung der Klage ist selbst mit Einwilligung des Gegners unstatthaft.

14. Der Rekursbeklagte kann sich in der Rekursbeantwortungs-Schrift dem Rekurs der Gegen­ partei anschließen, selbst wenn er auf den Rekurs verzichtet hat, oder wenn die Frist zur Einlegung desselben verstrichen ist. Die Anschließung hat die gleiche rechtliche Wirkung wie der selbständig eingelegte Rekurs, verliert jedoch ihre Wirkung, wenn der Rekurs zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird. 15. Nach beendigter Instruktion verweist der Berichterstatter die Sache zur Hauptverhandlung

und veranlaßt, sobald der Termin für dieselbe bestimmt ist, die Vorladung der Parteien. 16. Beschwerden über die Prozeßleitung des Berichterstatters sind an den Kaiserlichen Rath zu richten, welcher in Rathskammersitzung darüber entscheidet oder die Entscheidung bis zur Haupt­ verhandlung aussetzt. 17. Bei der Hauptverhandlung müssen die Parteien persönlich oder durch einen gehörig legitimirten Vertreter erscheinen. Die in Elsaß-Lothringen angestellten Anwälte und Advokaten sind als Beistände und Vertreter der Parteien zuzulaffen. Die Zulassung anderer Personen bleibt dem Ermessen des Kaiserlichen Rathes überlassen. Der Kaiserliche Rath ist zu jeder Zeit befugt, das persönliche Erscheinen der Parteien zu verfügen. 18. Die gesetzlichen Bestimmungen über die Auftechthaltung der Ordnung in den Sitzungen der Civilgerichte finden auch auf die Sitzungen des Kaiserlichen Rathes Anwendung.3 19. Die Hauptverhandlung beginnt mit der Darstellung der Sache durch den Berichterstatter. Demnächst werden die Parteien gehört. 20. Die Einreichung von Schriftsätzen in der Hauptverhandlung ist unzulässig. Neue thatsächliche Anführungen in der Haupt­ verhandlung dürfen nur insoweit berücksichtigt werden, als sie eine Gegenerklärung auf die letzte noch unbeantwortete Erklärung der andern Par­ tei enthalten. Die Berufung auf Beweismittel, deren recht­ zeitige Bezeichnung versäumt worden, ist in der Hauptverhandlung nur statthaft, wenn glaubhaft dargethan wird, daß dieselben neu aufgefunden sind. 21. Erscheint der Rekurskläger im Termin zur mündlichen Hauptverhandlung nicht, so gilt der Rekurs als zurückgenommen; erscheint der Re­ kursbeklagte nicht, so werden die von dem Rekurs­ kläger vorgetragenen Thatsachen, insoweit sie nicht nach § 20 Absatz 2 unberücksichtigt bleiben müssen, für zugestanden erachtet. Die Androhung dieser Rechtsnachtheile muß in den Vorladungen enthalten sein. 22. Der Kaiserliche Rath kann vor Abgabe der Endentscheidung Beweisaufnahmen anordnen. Er ist befugt, die Vornahme kostspieliger Beweis­ verhandlungen davon abhängig zu machen, daß von der Partei, welche die Beweisaufnahme beantragt hat, oder in deren Interesse dieselbe stattfinden soll, ein entsprechender Kostenvorschuß hinterlegt wird. 23. Die Beweisaufnahme wird von Amtswegen betrieben. Mit derselben kann ein Mitglied des Kaiserlichen Rathes, ein Hülfsarbeiter des Ober­ präsidiums oder eine Nnterbehörde ' beauftragt werden. 3. S. 88 170 ff. G.-B.-G.

1873 (22. Febr.) Erfolgt die Beweisaufnahme in der Sitzung des Kaiserlichen Rathes, so veranlaßt der Bericht­ erstatter die erforderlichen Vorladungen zu der­ selben. Die Parteien werden zu den Beweisauf­ nahme-Terminen nur vorgeladen, wenn sie es beantragen oder wenn es dem Kaiserlichen Rathe, beziehungsweise dem Kommissar aus sachlichen Gründen erforderlich erscheint. 24. Zeugen und Sachverständige leisten denselben Eid und erhalten dieselben Gebühren, wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten.4 Im übrigen sind für die Förmlichkeiten der Beweisaufnahme, für die Entschädigung der Zeugen und Sachverständigen und für die im Falle ungehorsamen Ausbleibens zu treffenden Maßregeln die Vorschriften, betreffend das Ver­ fahren in Strafsachen, maßgebend. 25. Aendert der Kaiserliche Rath die Entschei­ dung des Bezirksrathes, so hat er die Sache, insofern eine weitere Verhandlung derselben er­ forderlich ist, an den Bezirksrath zurückzu­ verweisen : 1) wenn in erster Instanz nur über prozeß­ hindernde Einreden entschieden ist, 2) wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs in erster Instanz über den Grund des Anspruchs vorab entschie­ den ist, 3) wenn das Verfahren erster Instanz an einem wesentlichen Mangel leidet. In dem unter Nr. 1 bezeichneten Falle sind jedoch die sämmtlichen prozeßhindernden Einreden durch den Kaiserlichen Rath zu erledigen. 26. Die Publikation der Entscheidung des Kaiserlichen Rathes erfolgt entweder sofort nach geschlossener Hauptverhandlung oder in einer späteren, nicht über vierzehn Tage hinaus anzu­ beraumenden Sitzung. Vorladungen zu dem Publikationstermin finden nicht statt. 27. Die auf stattgehabte Hauptverhandlung getroffenen Entscheidungen des Kaiserlichen Rathes sind mit Entscheidungsgründen schriftlich abzu­ fassen und den Betheiligten, insofern dieselben nicht darauf verzichtet haben, in Ausfertigung zuzustellen. Die Zustellung wird durch den Berichterstatter veranlaßt. Die Vollmacht zur Vertretung einer Partei in den Audienzverhandlungen schließt, wenn nicht das Gegentheil ausgesprochen ist, die Vollmacht zur Empfangnahme der Endentscheidung in sich. Im Falle einer Streitgenossenschaft erfolgt die Zustellung der Endentscheidung an den gemein­ schaftlichen Bevollmächtigten. Ist ein solcher nicht vorhanden, so wird eine Ausfertigung der Entscheidung mit den Entschei­

4. S. Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige u. 30. Juni 1878. Bez. des Eides vgl. §§ 357 und 375 C.-P.-O.

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dungsgründen einem der Streitgenossen zugestellt, die übrigen erhalten nur Ausfertigungen des Tenors mit Benachrichtigung, wem die Entschei­ dungsgründe zugegangen sind. Oeffentlichen Be­ hörden sind stets vollständige Ausfertigungen zuzustellen. 28. In der Endentscheidung muß über die Verpflichtung zur Kostentragung entschieden werden. Die Kosten der Rekursinstanz können der ob­ siegenden Partei ganz oder theilweise auferlegt werden, wenn sie auf Grund eines neuen Vor­ bringens obsiegt, welches sie nach freiem Ermessen des Kaiserlichen Rathes in erster Instanz geltend zu machen im Stande war. Wenn der Betrag der der Gegenpartei zu er­ stattenden Kosten in der Endentscheidung noch nicht festgestellt werden kann, so erfolgt diese Fest­ stellung durch nachträgliche Verfügung. Bei Regelung des Kostenpunktes ist von dem Grundsatz auszugehen, daß die zur Kostentragung verurtheilte Partei der Gegenpartei alle noth­ wendig oder nützlich aufgewendeten Kosten zu erstatten hat. 29. Diäten und Reisekosten der Kommiffarien für Lokaltermine, Zeugen- und Sachverständigen­ gebühren und alle übrigen von Amtswegen ver­ anlaßten Kosten werden gleich den dringlichen Kriminaljustiz-Kosten auf die Enregistrementskaffe angewiesen. Die so verauslagten Kosten, sowie die gesetz­ lichen Stempel- und Enregistrirungsgebühren werden bei Regelung des Kostenpunktes zu Gun­ sten des Staates in Rechnung gestellt, wenn und insoweit nicht eine Staatsbehörde zur Kosten­

tragung verurtheilt ist. Die Beitreibung der der Staatskaffe gebühren­ den Kosten und der vom Kaiserlichen Rathe verhängten Geldstrafen erfolgt durch die Enregistrementsverwaltung in denselben Formen, wie die Beitreibung der Kriminaljustiz-Kosten und der von den Kriminalgerichten verhängten Geld­ strafen. 30. Eine Partei, gegen welche auf Ausbleiben verfahren ist, kann die Restitution erlangen, wenn sie binnen zehn Tagen nach Ablauf des Tages, an welchem die Zustellung der Entschei­ dung erfolgte, eine gerechte Ursache ihres Aus­ bleibens bescheinigt. Ueber Gewährung oder Ablehnung des Resti­ tutionsgesuchs entscheidet der Kaiserliche Rath in Rathskammer-Sitzung endgültig. Das Restitutionsgesuch hält die Vollstreckbarkeit der Entscheidung nicht auf. Wird aber Restitution gewährt, so gilt die Entscheidung bis zu der weiter erfolgenden Entscheidung als nicht ergangen. 31. Die Vollstreckung der Entscheidungen des Kaiserlichen Rathes ist, sofern sie nicht in den Bereich der Berwaltungsthätigkeit gehört, in der­ selben Weise, wie die Vollstreckung der Urtheile der Civilgerichte zu bewirken.

1873 (22. Febr. — 26. Febr.)

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Ueber die dabei entstehenden Streitigkeiten, sie mögen die Art und Weise der Vollstreckung, oder den durch die Entscheidung festgestellten Anspruch selbst betreffen, entscheidet der Bezirksrath, welcher mit der Sache in erster Instanz befaßt gewesen ist, vorbehaltlich des Rekurses an den Kaiserlichen Rath. Der Rekurs kann in diesem Falle ohne vorgängigen Schriftwechsel zur Hauptverhandlung verwiesen werden. Dritter Titel.

Bestimmungen über das Verfahren in RechnungSavnahme-Sach en. 32. In Rechnungsabnahme-Sachen findet der Rekurs und die Anschließung an denselben nur statt wegen Verletzung oder unrichtiger Anwen­ dung eines Gesetzes oder Rechtsgrundsatzes oder wegen wesentlicher Mängel des Verfahrens. 33. Die Rekursschrift und im Falle der An­ schließung die Rekursbeantwortungs-Schrift müssen ersichtlich machen, ob und inwiefern das Rechts­ mittel auf Verletzung oder unrichtige Anwendung eines Gesetzes oder Rechtsgrundsatzes oder auf Mängel des Verfahrens gegründet wird. Der Prüfung des Kaiserlichen Rathes unter­ liegen nur die von den Parteien in den Schrift­ sätzen erhobenen Beschwerden.

34. Für die Entscheidung des Kaiserlichen Rathes sind die in erster Instanz festgestellten Thatsachen maßgebend. Außer denselben können nur solche Thatsachen berücksichtigt werden, auf welche die Behauptung wesentlicher Mängel des Verfahrens gegründet wird. 35. Ergeben die Gesetzesverletzung, aber aus anderen so ist der Rekurs

Entscheidungsgründe zwar eine stellt die Entscheidung selbst Gründen sich als richtig dar, zurückzuweisen.

36. Insoweit der Rekurs für begründet erachtet wird, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Erfolgt die Aufhebung wegen eines Mangels des Verfahrens, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird. 37. Im Falle der Aufhebung der Entscheidung ist die Sache an den Bezirksrath, welcher damit in erster Instanz befaßt gewesen ist, zur ander­ weiten Entscheidung zurück zu verweisen. Der­ selbe hat die rechtliche Beurtheilung, welche der Aushebung zu Grunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zu Grunde zu legen. 38. Im Uebrigen sind für das Verfahren in Rechnungsabnahme-Sachen die Vorschriften des zweiten Titels maßgebend.

28. Februar 1873.

Verfügung des Oberpriisibenten, betreffen- btt polizeilichen Funktionen -er Eemein-everwaltnng -er Stabt Straßburg. Straßb. Ztg. Nr. 60.

Auf Grund des § 14 Absatz 2 des Gesetzes vom 30. Dezember 1871, die Einrichtung der Verwaltung betreffend, bestimme ich, daß der Gemeindeverwaltung der Stadt Straßburg vor­ läufig und unter Vorbehalt anderweiter Regelung, folgende polizeiliche Funktionen überlassen bleiben: 1) die Baupolizei, Festsetzung der Baulinien, soweit dieselbe nicht dem Bezirkspräsidenten zusteht; 2) Beaufsichtigung und Verwaltung des Feuer­ löschwesens, vorbehaltlich des, der Staatsregierung zustehenden Rechtes der Ernennung der Führer der Feuerwehr und der dem Polizeidirektor zu­ stehenden Obsorge für Erhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit bei Feuersbrünsten und größeren Uebungen der Feuerwehr; 3) die Leitung und Beaufsichtigung des Leichenund Begräbnißwesens; 4) Mitwirkung bei Ausführung der gesund­ heitspolizeilichen Maßregeln gegen die Einschlep­ pung oder Weiterverbreitung von Epidemien nach Maßgabe der von dem Bezirkspräsidenten zu erlassenden Bestimmungen; 5) die Sorge für die Beleuchtung der Straßen und öffentlichen Plätze, die Leitung der Straßen­

reinigung und Besprengung, die Unterhaltung der öffentlichen Gärten und Anlagen, die Nummerirung der Häuser und, vorbehaltlich der Ge­ nehmigung des Bezirkspräsidenten, die Benennung der Straßen; 6) die Feldpolizei; 7) die Polizei auf dem Münsterthurme (gemäß den bürgermeisteramtlichen Verordnungen vom 13. Juni 1854 und 1. Februar 1861), sowie die Überwachung der Monumente durch besondere

Hüter; 8) die Handhabung der Ordnung im Innern des Schlachthauses, sowie die Ernennung der Abdecker; 9) die Bestimmungen wegen der Brodtaxe; 10) die. Mitwirkung bei der Polizei der Märkte

und Messen in der Art, daß a) der Gemeindeverwaltung das Ernennungs­ recht bezüglich der speziell für den Marktdienst bestimmten Beamten und Bediensteten, insbeson­ dere der mit dem Wiegen und Vermessen beauf­ tragten Personen, der Marktfaktoren, Holzleger, Karrenschieber und Sackträger mit der Maßgabe zusteht, daß vor jeder Ernennung der Polizei-

1873 (28. Febr. — 1. März — 6. März — 20. März) direktor darüber zu hören ist, ob nicht Bedenken gegen die zu bestellenden Persönlichkeiten bestehen, und b) daß die bestehenden desfallsigen ortspolizei­ lichen Vorschriften, deren Handhabung dem Poli­ zeidirektor züsteht, von letzterem ohne Zustimmung der Gemeindeverwaltung nicht abgeändert werden können.

321

Der Bürgermeister und Polizeidirektor sind gehalten, die innerhalb der ihnen zugewiesenen Befugnisse zu erlassenden Ortspolizeibeschlüsse sich gegenseitig mitzutheilen, und zwar diejenigen mit dauernder Gültigkeit gleichzeitig mit der Vorlage an den Bezirkspräsidenten, und diejenigen mit vorübergehender Wirkung unmittelbar nach der Abfassung und vor öffentlicher Bekanntmachung.

1. März 1873. Verordnung, betreffen- die Abänderung -er Grenze« -er SezirKe Lothringen ««Avterelsaß, sowie -er Kreise Saarburg im- Molsheim.1 G.-Bl. S. 60.

Der zu Elsaß-Lothringen gehörige Theil der Gemeinde Raon-les-Leaux wird von dem Bezirk

Lothringen und dem Kreise Saarburg getrennt und dem Bezirke Unter-Elsaß und dem Kreise Molsheim zugetheilt. 2

1. S. 8 3 G. v. 30. Dez. 1871, betr. Einrichtung der Ver­ 2. Kanton Schirmeck; B. v. 6. März 1873.

waltung.

6. März 1873.

Veror-nnng -es Reichskanzlers, betreffen- die Einrichtung -er Kantone Fontoq, Dammerkirch und -es Landkantons Metz, sowie die Abgrenzung -es Kantons Lchinneck. G.-Bl. S. 50. Auf Grund des § 3 Absatz 2 des Gesetzes, betreffend die Einrichtung der Verwaltung in Elsaß-Lothringen, vom 30. Dezember 1871, wird Folgendes bestimmt: Die zum Kreise Diedenhofen gehörigen Theile der Kantone Audun und Longwy werden zu einem Kantön mit dem Hauptort Fontoy, die zum Landkreise Metz gehörigen Theile der Kantone Metz I, II, III und Brieh zu einem

Kanton unter dem Namen „Landkanton Metz" mit dem Hauptort Metz, sowie die zum Kreise Altkirch gehörigen Theile der Kantone Fontaine und Dammerkirch zu einem Kantone mit dem Hauptort Dammerkirch vereinigt. Der durch Kaiserliche Verordnung vom I. März d. I. mit dem Kreise Molsheim vereinigte Theil der Gemeinde Raon-les-Leaux wird dem Kanton Schirmeck zugetheilt.

20. März 1873. Gesetz, die Weinsteuer betreffen-.1 G.-M. S. 51.

8 1. Die unter den Bezeichnungen Umlauf­ steuer (droit de circulation), Kleinverkaufssteuer (droit de dätail), Eingangssteuer (droit d’entrSe) und vereinigte Steuer (droit de taxe unique) vom Traubenwein und Obstwein bisher erhobe­ nen Abgaben, sowie die Abgaben vom Meth werden aufgehoben. 2 1. Vgl. Bkm. v. 9. Sept. 1874, sowie die Dienstvorschriften zur Ausführung dieses Gesetzes, v. 9. Aug. 1874 (A.-Bl. S. 255), ferner die Bf. d. G.-Dir. v. 26. Mai 1877 (A.-Bl.

S. 157). 2. Bgl. Bem. 1 zum G. v. 28. April 1816.

III. Band.

Der Wein, sowohl Trauben- als Obstwein, unterliegt fortan einer Weinsteuer, welche für einen Hektoliter Traubenwein drei Frank fünfund­ siebzig Centimes und für einen Hektoliter Obstwein einen Frank beträgt. 3 2. Die Weinsteuer wird erhoben, so ost Wein versendet wird. 4 3. Der Steuersatz ist durch 8 v G. v. 5. Mai 1880 auf 1,50 Mark ermäßigt. Wegen des Abzugs für den mit den Beeren oder Kämmen vermischten Wein vgl. 8 1 ®. t). 23. Mai 1877. 4. Bgl. indessen 8 7 wegen der Erhebung der Weinsteuer

bei der Kelterung von Wein.

322

1873 (20. März)

3. Bon der Weinsteuer ist befreit: * 1) Wein, welchen ein Weinbauer gekeltert hat und von der Kelter nach seinen Kellern oder Weinlagern befördert; 5 67 2) Wein, welchen ein Pächter vertragsmäßig dem Eigenthümer liefert oder von letzterem em­

pfängt; 3) Wein, welchen Weingroßhändler zum Zweck des Verkaufs im Großen einlegen (§ 19) ; 4) Wein, welcher aus einem Keller in einen anderen Keller desselben Besitzers übergeführt wird; 5) bereits versteuerter Wein, welcher in Mengen von fünf Liter oder weniger in Flaschen oder Krügen versendet wird; 6) Wein, welcher aus Elsaß-Lothringen aus­

geführt wird. 4. Zur Entrichtung der Weinsteuer ist bei Versendungen an Kleinverkäufer von Wein der Empfänger, bei Versendungen an andere Personen der Versender des Weins verpflichtet. 5. Die Weinsteuer ist, wenn der Versender zur Entrichtung derselben verpflichtet ist (§ 4), vor der Entnahme des Weins von seinem Aufbewah­ rungsort und bevor mit dem Transport des Weins begonnen wird, an die Steuerbehörde des Ortes der Versendung einzuzahlen. Liegt die Verpflichtung zur Entrichtung dem Empfänger ob, so hat letzterer, sofern ihm für die Bezahlung eine längere Frist nicht ausdrück­ lich bewilligt worden, die Weinsteuer in den ersten drei Tagen nach der Einlage des Weins an die Steuerbehörde des Einlageortes, unter Uebergabe des ausgestellten Begleitscheins (§ 13), einzu­ zahlen. Die Steuerverwaltung ist ermächtigt, in oftrot» pflichtigen Städten die Entrichtung der Weinsteuer von den steuerpflichtigen Bezügen der Kleinver­ käufer von Wein bei dem Eingänge in die be­ treffenden Städte zusammen mit dem Oktroi zu gestatten. In diesem Falle ertheilt die Hebestelle anstatt des bei ihr zurückbleibenden Begleit­ scheins einen Transportschein, welcher den Wein vom Ort der Steuerzahlung bis zum Ort der Einlage begleiten muß. 6. Bei der Berechnung der Weinsteuer von Wein in Flaschen wird der Inhalt der Flaschen, welche weniger als */2 Liter enthalten, mit */2 Liter und der Inhalt der Flaschen von über 1/3 Liter bis zu 1 Liter mit 1 Liter in Ansatz gebracht und wird danach die Steuer erhoben. 7. Die Weinbauer, welche den Weingroßhandel oder den Kleinverkauf von Wein betreiben, oder 5. Dgl. auch G. v. 15. Juli 1872 wegen der Steuerfreiheit veS verzollten, ausländischen, und § 2 G. v. 23. Mai 1877 wegen des zur Essig- oder Branntweinfabrikation verwende­ ten Weins, ferner § 8 desselben G. wegen des von Wein­ bauern aus gekauften Trauben mit der Bestimmung zum Verkauf im Groben gekelterten Weins.

6. Vgl. 88 7 u. S G. v. 23. Mai 1877.

deren Weinvorräthe der Kontrole der Steuer­ verwaltung unterliegen (§ 29), ingleichen alle anderen Personen, welche Trauben, Obst oder rauhen Most für ihre Rechnung keltern, ohne gesetzlich zur steuerfreien Einlage des Weins be­ rechtigt zu sein, sind verpflichtet, bevor sie zu keltern anfangen, der Steuerbehörde ihres Wohn­ orts von dem Tage des Beginns und des Schlusses der Kelterung Anzeige zu machen. Ueber diese Anzeige wird eine Bescheinigung (Kelter­ schein) ertheilt. Die Kelterung darf nur innerhalb der im Kelterschein angegebenen Frist erfolgen. Binnen vierundzwanzig Stunden nach Beendi­ gung der Kelterung ist der Steuerbehörde- die Menge des gewonnenen Weins anzumelden. Die Steuerbeamten sind befugt, die Richtigkeit dieser Anmeldung zu prüfen und zu diesem Be­ hufe sowohl vor dem Beginn der Kelterung die Borräthe an altem Wein, als auch während und nach der Kelterung die Menge des gewonnenen neuen Weins aufzunehmen. Bon letzterem ist die Weinsteuer, insofern nicht nach § 3 Nr. 1—3 Steuerbefreiung eintritt, in­ nerhalb acht Tagen nach erfolgter Anforderung des Steuerbetrags an die Steuerbehörde zu ent­ richten. 8. Jede Versendung von Wein ist, mit Aus­ nahme der in § 15 bezeichneten Fälle, durch den Versender der Steuerbehörde des Versendungs­ ortes anzumelden. 7 Auf Grund dieser Anmeldung und in Uebereinstimmung mit derselben wird eine zur Legitimation der Sendung dienende Urkunde (Steuerschein) ausgefertigt. 8 9. Es kommen folgende Steuerscheine in An­ wendung : 1) Transportscheine bei der Versendung von Wein in Fällen, in welchen der Versender die Weinsteuer zu entrichten hat (§4); • 2) Begleitscheine bei der Versendung von Wein innerhalb Elsaß-Lothringens in denjenigen Fällen, in welchen der Empfänger die Weinsteuer zu entrichten hat, oder die Versendung von der Steuer frei zu lassen ist; oder 3) Ausfuhrscheine bei der Versendung von Wein nach anderen Theilen des deutschen Zoll­ gebiets oder nach dem Zollausland. 10. Die Anmeldungen zur Versendung von Wein sind in dem Dienstlokal der Steuerbehörde mündlich oder schriftlich zu bewirken. Sie müssen folgende Angaben enthalten: 7. Sgl. 8 5 G. v. 23. Mai 1877. 8. Nach Art. 12 der Mab- und Gewichtsordnung v. 17. Aug. 1868 darf der in Fässern zum Berkaus kommende Wein dem Käufer nur in solchen Fässern, auf welchen die den Raumgehalt bildende Zahl der Liter durch Stempelung beglaubigt ist, überliefert werden. Eine Ausnahme findet nur bezüglich desjenigen ausländischen Weins statt, welcher in Originalgebinden wieder verkauft wird. Bgl. indessen Bf. d. G.-Dir. v. 15. Mai 1875 (A.-Bl. S. 123). Bgl. ferner Bf. v. 20. November 1875 (A.-Bl. S. 177), betr. die Legiti­ mation von Weintransporten im Grenzbezirk.

1873 (20. März) 1) Menge und Gattung des Weins (ob Trau­ benwein oder Obstwein); 2) Zahl, Art und Bezeichnung der Kolli; 3) den Namen, Bornamen, Stand, Wohnort -es Versenders und Empfängers; 4) den Grund der Steuerbefreiung, wenn eine solche in Anspruch genommen wird; 5) Bezeichnung des Frachtführers; 6) Ort der Verladung und Einlage und, bei Versendungen innerhalb desselben Orts, den seit­ herigen und künftigen Aufbewahrungsort des Weins nach Straße und Hausnummer. 11. Weinbauer und Weinhändler, welche den Kleinverkauf von Wein nicht betreiben, können von der Steuerbehörde ermächtigt werden, unter Beobachtung der deshalb zu ertheilenden Vor­ schriften, Begleitscheine und Ausfuhrscheine für Wein, welchen sie versenden, selbst auszufertigen. 12. In Fällen, in welchen nach § 9 ein Be­ gleitschein oder Ausfuhrschein ausgestellt wird, ist -er Versender des Weins verpflichtet, auf Ver­ langen der Steuerbehörde innerhalb der von dieser bestimmten Frist nachzuweisen, daß der Wein am angemeldeten Bestimmungsorte angetommen, beziehungsweise aus Elsaß-Lothringen ausgeführt ist. Wird dieser Nachweis nicht erbracht, so hat der Versender von dem Wein die Weinsteuer zu zahlen. Die Steuerbehörde kann die vorherige Sicher­ stellung der Zahlung verlangen. 13. Die Begleitscheine über Weinsendungen sind von den Empfängern der letzteren in den ersten drei Tagen nach der Einlage des Weins an die Steuerbehörde des Einlageorts abzuliefern (vgl. § 5 Abs. 2). s 14. Weingroßhändler, welche steuerfreie Lager besitzen, und Kleinverkäufer von Wein sind ver­ pflichtet, von Weinsendungen, welche ohne den vorgeschriebenen Steuerschein an sie gelangen, der Steuerbehörde binnen vierundzwanzig Stunden nach dem Empfang Anzeige zu machen.9 10 11 15. Bei den nach 8 3 Nr. 5 steuerfreien Trans­ porten bedarf es der Anmeldung der Versendung und eines Steuerscheins nicht. 16. Für jeden Steuerschein ist von dem Ver­ sender eine Stempelgebühr von fünfzehn Centimes zu entrichten, u 17. Der mit Steuerschein abgefertigte Wein muß innerhalb der Frist, welche die Steuerbehörde in dem Steuerschein vermerkt hat, von dem Fracht­ führer auf dem gewöhnlichen Wege dem ange­ meldeten Empfänger zugeführt werden. Der Frachtführer ist verpflichtet, den Steuer­ 9. Vgl. 8 6 G. v. 23. Mai 1877 wegen der Begleitscheine über steuerfreie Sendungen.

10. Vgl. 8 10 G. v. 23. Mai 1877. 11. Nach der B. v. 5. März 1875 beträgt die Stempelgevühr 10 Pfennig.

323

schein von Beginn der Versendung und währen­ der ganzen Dauer derselben als Ausweis bei sich zu führen und auf Verlangen der Beamten der Verwaltung der indirekten Steuern, der Zölle und des Oktrois sofort vorzuzeigen. Die Versendung beginnt mit dem Zeitpunkt, wo der Wein von seinem Aufbewahrungsort ent­ fernt wird. Wenn der Steuerschein mit der Ladung hin­ sichtlich der Menge oder Gattung des Weins oder der Zahl, Art oder Bezeichnung der Kolli nicht übereinstimmt, oder wenn der Transport vor Be­ ginn oder nach Ablauf der Transportfrist oder nicht auf dem gewöhnlichen Wege zum Bestim­ mungsort stattfindet, so wird angenommen, daß der Wein ohne Steuerschein transportirt werde. 18. Der Führer einer Ladung, deren Trans­ port unterbrochen wird, hat dies innerhalb vier­ undzwanzig Stunden und vor der Abladung des Weins der nächsten Steuerbehörde anzumelden. Die Steuerscheine werden bis zur Fortsetzung des Transports von der Steuerbehörde verwahrt und bei dem Abgang des Transports, nach er­ folgter Bisirung und nach Revision des Weins, welcher den Steuerbeamten auf Verlangen vorge­ führt werden muß, zurückgegeben. Die Transportfrist wird um die Dauer der Transportunterbrechung verlängert und die Ver­ längerung auf dem Steuerschein vermerkt. Wird in Folge eines Unfalls die unverzügliche Abladung oder die Umfüllung des Weins erfor­ derlich, so können diese Arbeiten ohne vorherige Anmeldung stattfinden; jedoch hat der Frachtführer die Obliegenheit, den Unfall durch die Steuerbeamten oder in deren Ermangelung durch den Bürgermeister oder den Beigeordneten der nächsten Gemeinde feststellen zu lassen. 19. Weingroßhändler, welche von der im § 3 Ziffer 3 bezeichneten Steuerbefreiung Gebrauch machen wollen, haben mit dem Anträge auf Be­ willigung eines steuerfreien Weinlagers die gesetz­ lich vorgeschriebene Lizenz zum Weingroßhandel vorzulegen. Gleichzeitig ist die Menge und Gat­ tung des auf Lager befindlichen Weins anzu­ melden, und der Raum für die steuerfreie Lage­ rung zu bezeichnen. 20. Ueber die steuerfreien Weinlager der Wein­ großhändler wird von der Steuerbehörde ein Konto geführt, worin der Zugang nach den Steuerscheinen über die stattgehabten Einlagen angeschrieben und der Abgang nach den Steuer­ scheinen über die Versendungen abgeschrieben wird. 21. Die Steuerbeamten sind befugt, bei den Weingroßhändlern, welche steuerfreie Weinlager besitzen, Revisionen vorzunehmen, um die Menge des vorhandenen Weins zu ermitteln. Diese Revisionen finden nur in den Weinlagern, Kellern und sonstigen Borrathsräumen und nur in der Zeit vom Aufgange bis zum Untergange der Sonne statt. Aller daselbst vorgefundene Wein

324

1873 (20. März)

wird bei denyAbschluß des Konto als unversteuert

behandelt. 22. Nach jeder Revision ist dem Lagerinhaber von dem Ergebniß der Aufnahme Mittheilung zu machen. Bestreitet derselbe die Richtigkeit, so wird die Aufnahme unter Zuziehung von Sachverstän­ digen wiederholt. 12 23. Für Auslaufen, Verdunsten und sonstigen Verlust wird den Weingroßhändlern, welche steuer­ freie Lager besitzen, ein Rabatt von 7 Prozent für das Jahr gewährt. Haben Verluste in Folge außerordentlicher Unfälle nachweislich stattgefun­ den, so kann die Steuerbehörde die Abschreibung des verloren gegangenen Quantums vom Konto anch über den Satz von 7 Prozent hinaus ge­ statten. 24. Bon den Weinmengen, welche bei dem Ab­ schluß der Konten nach Abzug des Rabatts (§ 23) als versendet nicht nachgewiesen sind, ist die Weinsteuer zu entrichten. Der definitive Abschluß des Kontos erfolgt im Dezember jeden Jahres. Die danach sich ergebenden Steuerbeträge sind am Jahresschluß fällig. 25. Ein Weingroßhändler, welcher sein steuer­ freies Weinlager aufgibt, hat von seinen un­ versteuerten Weinvorräthen die Weinsteuer zu zahlen.12 13 26. Personen, welche den Kleinverkauf von Wein betreiben wollen, haben dies zuvor bei der Steuerbehörde unter Angabe des Berkaufsortes anzuzeigen und dabei nachzuweisen, daß sie die im Gesetz vorgeschriebene Lizenz für den Klein­ verkauf besitzen. Unter Kleinverkauf von Wein wird die Verab­ folgung von Wein in Mengen von weniger als 25 Liter verstanden.14 27. Wollen Weinbauer oder Weingroßhändler den Weinverkauf im Kleinen betteiben, so müssen sie zuvor den steuerfrei eingelagerten Wein ver­ steuern. Andernfalls dürfen sie den Kleinverkauf nur aus abgesonderten, von ihren steuerfreien Weinlagern in der Art gettennten Kellern bettei­ ben, daß der Weintransport aus den Weinlagern in diese Keller oder in die Räume, woselbst der Kleinverkauf stattfinden soll, nicht anders als auf offener Straße möglich ist. Die für den Kleinverkauf von Wein bestimm­ ten Keller oder Borrathsräume sind der Steuer­ behörde zu bezeichnen und dürfen erst in Gebrauch genommen werden, nachdem sie von der Steuer­ behörde als zulässig erachtet worden sind. Die darin befindlichen unversteuerten Weinvorräthe müssen zuvor versteuert werden. Ausnahmsweise kann Weinbauern, welche nur zeitweise selbstgewonnenen Wein ausschenken wol­ 12. Bgl. 8 146 G. v. 28. April 1816.

len, aber Keller von der in Absatz 1 dieses Pa­ ragraphen vorgeschriebenen Art nicht besitzen, die vorgängige Versteuerung ihres gesammten Weinvorrathes erlassen und die Versteuerung nur der­ jenigen Menge zugestanden werden, welche zum Kleinverkauf bestimmt ist. Solche Weinbauer haben sich jedoch den Vorschriften der §§ 20—23, § 24 Abs. 1 und § 26 des Gesetzes, sowie den von der Steuerverwaltung hinsichtlich der Dauer des Ausschanks und zum Schutze der Steuerinteressen zu treffenden Anordnungen zu unterwerfen.15 28. Die Steuerbeamten sind befugt, die Weinvorräthe der Personen, welche den Kleinverkauf von Wein betreiben, zu revidiren und den Nach­ weis der Versteuerung dieser Borräthe durch Vorlegung der Steuerquittungen zu verlangen. 29. Werden unversteuerte Weinvorräthe von Weinbauern in solcher Nähe von steuerfreien Weinlagern der Weingroßhändler oder der Bor­ rathsräume der Kleinverkäufer aufbewahrt, daß die Ueberführung von Wein der Kontrole leicht entzogen werden kann, so können jene Borräthe auf Anordnung des Direktors der Zölle und indirekten Steuern der regelmäßigen Revision und Kontrolirung mit der Wirkung unterstellt werden, daß von den nicht nachgewiesenen Ab­ gängen an den unversteuerten Weinvorräthen, nach Abzug einer von der Steuerverwaltung festzusetzenden Vergütung für Hausttunk und Lagerabgänge, die Weinsteuer zu entrichten ist. 30. Die Besitzer von Weinlagern, welche der Revision der Steuerbehörde unterliegen, dürfen die damit beauftragten Beamten an der Vor­ nahme der Revision nicht verhindern. Sie find verbunden, die erforderlichen Handleistungen nach Anweisung der Beamten auf eigene Gefahr und Kosten zu verrichten oder verrichten zu lassen. 31. Der Weinsteuerdefraudation macht sich schuldig: 1) wer der Bestimmung des § 7 Absatz 2 ent­ gegen innerhalb der vorgeschriebenen Frist nach Beendigung der Kelterung die Menge des gewon­ nenen Weines der Steuerbehörde gar nicht oder zu gering anmeldet; 2) wer der Bestimmung des § 8 entgegen Weine ohne vorgängige Anmeldung versendet; 3) wer bei der Anmeldung von Wein zur Ver­ sendung unrichtige Angaben macht, durch welche eine geringere als die gesetzliche Steuer oder Steuerbefreiung eintreten würde; 4) wer Wein transportirt, ohne einen gültigen Steuerschein über die Ladung (§ 17) mit sich zu führen; 5) wer entgegen der Bestimmung in § 13 einen Begleitschein an die Steuerbehörde rechtzeitig nicht abliefert; 6) wer die im § 14 vorgeschriebene Anzeige unterläßt.

13. Dgl. 8 Sd G. v. 23. Mai 1877. 14. Bgl. 8 2 Abs. 1 G. v. 5. Mai 1880.

15. Vgl. 8 4 G v. 23. Mai 1877.

1873 (20. März — 27. März) 32. Die Weinsteuerdefraudation wird mit einer Geldstrafe, welche dem zehnfachen Betrag der hinterzogenen Weinsteuer gleichkommt, mindestens aber drei Frank fünf und siebzig Centimes be­ trägt, bestraft. Außerdem ist die Weinsteuer nach­ zuzahlen. Konfiskation als Strafe findet nicht statt. Kann der Beschuldigte nachweisen, daß er eine Defraudation nicht habe verüben können oder wollen, so findet nur eine Ordnungsstrafe nach § 35 Anwendung. 33. Wer wegen Weinsteuerdefraudation durch die Gerichte oder Verwaltungsbehörden verurtheilt worden ist und abermals eine Weinsteuer­ defraudation begangen hat, wird mit dem dop­ pelten Betrage der im § 32 angeordneten Geld­ strafe bestraft. 34. Der Wein, in Bezug auf welchen eine Weinsteuerdefraudation verübt worden ist, unter­ liegt einschließlich der Gefäße und Transport­ mittel, wenn es zur Sicherung des Beweises für die Untersuchung oder zur Sicherstellung der Ab­ gaben, Strafen oder Untersuchungskosten erforder­ lich ist, der Beschlagnahme durch die Steuer­ beamten. 16 35. Mit einer Ordnungsstrafe bis zu dem Betrage von Einhundert und fünfzig Frank wird außer den im Schlußsätze des § 32 bezeichneten Fällen bestraft: 1) wer der Vorschrift des § 7 Absatz 1 entge­ gen unterläßt, vor Beginn der Kelterung den Tag des Beginns und des Schlusses derselben der Steuerbehörde anzuzeigen, oder wer zu einer ande­ ren Zeit, als der hiernach angezeigten, Wein keltert; 2) wer den Kleinverkauf von Wein betreibt, ohne den aus den §§ 26 und 27 sich ergebenden Verpflichtungen Genüge geleistet zu haben; 3) wer bei der Revision seiner Weinvorräthe 16.

Dgl. 8 41 K.-O., 8 20 A.-G. z. C.-P^O.

325

(§§ 21, 22, 28, 29) einen vorhandenen Über­ schuß nicht zu rechtfertigen vermag; 4) wer die von zuständigen Beamten geforderte Vorzeigung des Steuerscheins (§ 17) verweigert; 5) wer den Vorschriften des § 30 zuwider­ handelt, sofern die Handlung nicht nach den all­ gemeinen Strafgesetzen mit Strafe bedroht ist. 36. Hinsichtlich der Umwandlung der Geld- in Freiheitsstrafen, der subsidiären Haftung dritter Personen, der Strafe der Theilnahme, der Ver­ jährung der Deftaudationen und der Ordnungs­ widrigkeiten, sowie hinsichtlich der Frage, ob die Straferhöhung wegen Rückfalles (§ 33) einzutre­ ten hat, finden die analogen Bestimmungen An­ wendung, welche bei Zuwiderhandlungen gegen das Bereinszollgesetz vom 1. Juli 1869 maß­ gebend sind. Der Anspruch auf Nachzahlung destaudirter Weinsteuer verjährt in drei Jahren. 37. Bezüglich des Verfahrens bei Zuwider­ handlungen gegen die Vorschriften dieses Gesetzes wird die Bestimmung des § 27 des Gesetzes vom 5. Juli 1872, das Verfahren bei Zuwiderhand­ lungen gegen die Zollgesetze und die Gesetze über die indirekten Steuern betreffend, außer Kraft gesetzt. 38. Die zur Ausführung dieses Gesetzes erfor­ derlichen Anordnungen erläßt der Reichskanzler, n Derselbe ist ermächtigt, Uebertretungen der in Gemäßheit dieser Bestimmung erlassenen Boll­ zugsvorschriften mit Ordnungsstrafen bis zu dem Betrage von dreißig Frank zu belegen. 39. Das Gesetz tritt mit dem 1. April 1873 in Wirksamkeit. Bon den an diesem Tage vorhandenen steuer­ pflichtigen Weinvorräthen der Kleinverkäufer ist die Weinsteuer alsbald nach erfolgter Feststellung durch die Steuerbeamten an die Steuerbehörde zu entrichten. 17.

Vgl. Mm. v. 9. Sept. 1874, sowie Bem. 1.

27. März 1873.

Verordnung, betreffend die Vertheilung der gesetzliche« Dahl der Mitglieder der Kreisvertretung ans die Kantone der Landkreise.1 2 * 4 G.-Bl. S. 60. Die gesetzliche Zahl der Mitglieder der Kreis­

vertretung wird nach Maßgabe der anliegenden Zusammenstellung auf die Kantone der Landkreise vertheilt. Unser Reichskanzler 2 ist mit der Ausführung dieser Verordnung beauftragt.

1. Erlassen in Ausführung des 3 2 G. v. 24. Jan. 1873. 2. An die Stelle des R.-K. ist in elsaß-lothringischen Lan­ desangelegenheiten der Statthalter getreten (8 2 G. v. 4. Juli 1879).

Zusammenstellung der auf die Kantone der Landkreise vertheilten gesetzlichen Zahl der Mit­ glieder der Kreisvertretung.

I. Bezirk Unter-Elfaß. 1. Landkreis Straßburg.

a) Kanton Brumath ...3 b) „ Hochfelden ... c) „ Schiltigheim . . d) „ Truchtersheim. .

zusammen

.

.

Mitglieder, 2 „ 2 „ 2 „_______

9 Mitglieder.

1873 (27. März)

326

3. Kreis Gebweiler.

2. Kreis Erstein. a) Kanton Benseld ....2 b) „ Erstein .... c) „ Geispolsheim . . d) „ Oberehnheim . . zusammen

.

.

Mitglieder, 2 3 „ 2 „ 9 Mitglieder.

a) Kanton Ensisheim . . Gebweiler . . b) Ruffach . . . c) Sulz.... d) ff

. .

2 Mitglieder, 3 „ 2 „ 2

.

.

9 Mitglieder.

zusammen

.

3. Kreis Hagenau. a) Kanton Hagenau ... 3 Mitglieder, b) „ Bischweiler... 3 „ c) „ Niederbronn . . 3 „

zusammen

.

.

9 Mitglieder.

4. Kreis Molsheim, a) Kanton Molsheim ... „ Rosheim . . . b) „ Wasselnheim . . c) „ Schirmeck . . . d) „ Saales . . . . e) zusammen

.

2 Mitglieder, 2 2 2 1 Mitglied,

9 Mitglieder.

.

5. Kreis Schlettstadt. a) Kanton Barr . . . „ Markolsheim b) „ Schlettstadt. c) d) „ Weiler . .

. . . .



2 2 2

zusammen

.

.

9 Mitglieder.

„ „

6. Kreis Weißenburg.

a) Kanton Lauterburg . b) » Seltz . . . „ Sulz. . . v) d) „ Weißenburg «) „ Wörth . .

.. . . . .

.

1 Mitglied,





2 2 2

zusammen

.

.

9 Mitglieder.

7. Kreis Zabern. a) Kanton Buchsweiler . . 2 b) Drulingen . . .. 2 Lützelstein . . . 1 c) d) Mauersmünster . 1 Zabern . . . . 2 e) f) Saar-Union . . 1 zusammen

.

.



Mitglieder, „ Mitglied, ff Mitglieder, Mitglied,

9 Mitglieder.

1. Kreis Colmar. a) Kanton Colmar . . . . 2 Mitglieder, b) Andolsheim . 2 „ Münster . . . 2 c) d) Neu-Breisach . . 1 Mitglied, e) Wintzenheim . . 2 Mitglieder, ff

.

.

9 Mitglieder.

. -

.

.

zusammen

. . . .

. . . -

2 Mitglieder, 3 2 2

zusammen

.

.

9 Mitglieder.

5. Kreis Mülhausen. a) Nordkanton Mülhausen b) Südkanton „ c) Kanton Habsheim . . d) „ Landser . . . e) „ Hüningen . .

. . . . .

2 Mitglieder, 2 2 1 Mitglied, 2 Mitglieder,

.

.

9 Mitglieder.

zusammen

6. Kreis Altkirch. a) Kanton Altkirch . . . b) „ Hirsingen . . c) „ Pfirt. . .... d) „ Dammerkirch .

zusammen

.

. . . .

3 Mitglieder, 2 2 2 „

.

9 Mitglieder.

1. Landkreis Metz.

a) Landkanton Metz . . b) Kanton Pange . . . c) „ Berny . . . d) „ Vigy .... e) „ Gorze . . .

zusammen

.

.. . . . .

3 1 2 1 2

.

9 Mitglieder.

Mitglieder, Mitglied, Mitglieder, Mitglied, Mitglieder,

2. Kreis Diedenhofen. a) Kanton Diedenhofen . . b) „ Kattenhofen . . c) „ Metzerwiese... d) „ Sierck .... e) „ Fontoy .... zusammen

.

.

3 Mitglieder, 2 „ 1 Mitglied, 2 Mitglieder, 1 Mitglied, 9 Mitglieder.

3. Kreis Saarburg.

2 Mitglieder, 2 „ 3 „ 2 „

a) Kanton Saarburg . „ Finstingen . b) „ Pfalzburg . c) „ Archen . . d) „ Rixingen . e)

. . . . .

. . . . .

2 Mitglieder, 2 3 1 Mitglied, 1

9 Mitglieder.

zusammen

.

.

9 Mitglieder.

2. Kreis'Rappoltsweiler. a) Kanton Rappoltsweiler b) Kaisersberg c) Markirch . . d) La Poutroie . ff

a) Kanton St.-Amarin Thann . . b) Sennheim . c) Masmünster d) ff

in. Bezirk Lothringen.

n. Bezirk Ober-Elsaß.

zusammen

4. Kreis Thann.

327

1873 (27. März — 31. März — 6. April — 10. April) 6. Kreis Saargemünd.

4. Kreis CH Lteau-Salins.

a) Kanton Delme .... 2 Mitglieder, b) „ Albesdorf ... 2 c) „ Dieuze .... 2 „ d) „ Chateau-Salins . 2 „ e) „ Vie........................... 1 Mitglied, zusammen

.

.

zusammen .

3 Mitglieder, 3 „ 3 „

.

zusammen

9 Mitglieder.

5. Kreis Bolchen. a) Kanton Bolchen .... b) „ Falkenberg ... c) „ Busendorf ...

a) Kanton Saargemünd . . b) „ Wolmünster . . c) „ Bitsch .... d) „ Rohrbach ...

.

3 Mitglieder. 1 Mitglied, 3 Mitglieder, 2 „

.

9 Mitglieder.

7. Kreis Forbach.

a) Kanton Forbach .... b) „ St.-Avold ... c) „ Saaralbe ... d) „ Großtänchen . .

9 Mitglieder.

zusammen

.

3 Mitglieder, 2 2 „ 2 „

.9 Mitglieder.

31. März 1873.

Ersetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Keichsbeamten. S. unterm 23. Dezember 1873.

8. April 1873.

Sekanntmachung -es Reichskanzlers, betreffend die Ermächtigung -er Forstdlrektionen zur Führung von Prozessen. G.-Bl. S. 66.

Auf Grund des § 9 Absatz 2 des Gesetzes vom 30. Dezember 1871, betreffend die Einrichtung der Forstverwaltung, sind die Forstdirektionen ermäch­ tigt worden, alle in Angelegenheiten ihres Ge­ schäftskreises schwebenden oder noch entstehenden

Prozesse, insbesondere auch solche, welche Jmmobiliarklagen betreffen, in Vertretung des Fiskus zu führen und durch die gesetzlichen Instanzen zu verfolgen.

10. April 1873.

Verordnung des Oberprästdeuten, betreffend die Befähigung znr Anstellung im Pfarramte der reformirten Lirche. Straßb. Ztg. Nr. 89.

Auf Grund der Vorschläge des reformirten Konsistoriums zu Straßburg und im Einverneh­ men mit den reformirten Konsistorien zu Mül­ hausen, Markirch, Bischweiler und Metz, verordne ich was folgt: Art. 1. Das Reglement vom 30. Oktober 1872, betreffend die Befähigung zur Anstellung im Pfarramt der Kirche Augsburgischer Konfession findet auch auf die Pfarramtskandidaten der

reformirten Kirche in Elsaß-Lothringen Anwen­ dung. 2. Wo in dem Reglement von dem Direktorium der Kirche Augsburgischer Konfession die Rede ist, tritt das reformirte Konsistorium zu Straß­ burg an dessen Stelle. Die Kandidatenprüfung erfolgt durch die auf Grund des Artikels 4 des Reglements ernannte Kommission.

328

1873 (15. April — 22. April — 5. Mai)

15. April 1873.

Verordnung, betreffend das Viensteinkommen der Lnregistrements-Linnehmer. G.-Bl. S. 80. § 1. Die Bestimmungen des Kaiserlichen Dekrets vom 24. März 1860 (Bulletin des lois XI s6rie 781, Nr. 7475), betreffend die Hebegebühren der Enregistrements-, Stempel- und Domänen-Einnehmer, sind aufgehoben. Anstatt der durch dasselbe normirten Hebe­ gebühren beziehen die Enregistrements-Einnehmer vom 1. Jannar 1873 ab feste Besoldungen in der durch den Landeshaushalts - Etat bestimmten Höhe und daneben Hebegebühren nach folgenden Sätzen....1 1. Durch das Landeshaushaltsgesetz vom 26. Dezember 1875 wurden diese Sätze für die Zeit vom 1. Januar 1876 ab erhöht, indem in den (nicht im Gesetzblatt veröffentlich­ ten) Anlagen zum Entwürfe dieses Gesetzes folgender Satz sich vorfindet, welcher vom LandeSauSschuffe und dem Bun-

2. Unser Reichskanzler ist mit der Ausführung dieser Verordnung beauftragt. desrathe nicht beanstandet wurde und deffen muthmaßliches Gesammtergebniß wie vorgeschlagen in der in Kap. 10 TU. 1-5 der Anlage A zu jenem Gesetze angegebenen Gesammtsumme der Besoldungen enthalten ist. „Hevegebühren (der Enregistrements-Einnehmer).... Die Gebühreneinnahme ist nicht pensionsberechtigt. Aus derselben sind die sämmtlichen Büreau-Bedürfniffe zu bestreiten. Die Hebegebühren werden nach folgenden Sätzen gewährt: von den ersten 20 000 Mark JahreS-Einnahme 3 % von den folgenden 50 000 Mark JahreS-Einnahme 2% von den folgenden 130000 Mark Jahres-Einnahme 1% von den folgenden 800 000 Mark Jahres-Einnahme Vs °/o von den Beträgen darüber hinaus Jahres-Einnahme V4

22. April 1873.

Sekanntmachnvg des Oberpräsidenten, betreffen- die Stellvertretung und -en Amtsaustritt -er geistlichen Inspektoren. Straßb. Ztg. Nr. 97. Durch Kaiserliche Verordnung vom 9. d. Mts. ist die von dem Ober-Konsistorium der Kirche Augsburgischer Konfession in Elsaß-Lothringen in seiner Sitzung vom 11. Juni 1872 beschlossene Aufhebung des Artikels 3 des von dem genannten Ober-Konsistorium unter dem 28. Oktober 1863

und 26. Oktober 1864 beschlossenen, durch Kaiserl. Dekret vom 26. August 1865 bestätigten Regle­ ments, betr. die Stellvertretung und den Amts­ austritt der geistlichen Inspektoren, genehmigt worden.

5. Mai 1873. Veror-nnvg, betreffe«- -ie Genehmigung, welche juristische Personen zur Erwer­ bung oder Veräußerung von Gütern, zur Annahme von freigebige« Verfügungen und zu anderen Vechtsgefchäftev bedürfen. G.-Bl. S. 85. § 1. In allen Fällen, in welchen nach den gegenwärtig geltenden Vorschriften juristische Per­ sonen zur Erwerbung oder Veräußerung von beweglichen und unbeweglichen Gütern, zur Aen­ derung der Bestimmung ihrer Grundstücke, zur Annahme oder Ausschlagung von Schenkungen und letztwilligen Zuwendungen, sowie zum Ab­ schluß von Verträgen der Genehmigung des Staatsoberhaupts bedürfen,1 werden die in dieser Beziehung dem Staatsoberhaupte zustehenden 1. S. namentlich G. v. 2. Jan. 1817, Art. 1 O. v. 2. April 1817, O. v. 14. Jan. 1831 (Religiöse Vereine), Art. 48 G. v. 18. Juli 1837 (Gemeinden), Art. 31 G. v. 10. Mai 1838 (Bezirke), Art. 8 D. v. 26. März 1852 sHilfSgenoffenschaften), Art. 10 G. v. 7. August 1851 (Pflegehäuser).

Rechte, vorbehaltlich der in den nachfolgenden §§ 2 und 3 gemachten Ausnahmen, auf den Oberpräsidenten2 von Elsaß-Lothringen über­ tragen. Dasselbe gilt hinsichtlich der im Artikel 71 des Dekrets vom 30. Dezember 1809 (Bulletin des lois 303 Nr. 5777) erwähnten Verleihungen von Bänken oder Plätzen in Kirchen.

2. Schenkungen und letztwillige Zuwendungen an Kirchenfabriken oder an gesetzlich anerkannte geistliche Anstalten dürfen, wenn der Werth der­ selben 15000 Frank (4000 Thaler) übersteigt, auch künftig nur mit Genehmigung des Staats-

2. Das Ministerium, § 3 ®. tt. 4. Juli 1879.

1873 (5. Mai — 9. Mai — 12. Mai — 16. Mai) Oberhaupts 3 angenommen werden. — Fortlaufende Leistungen sind hierbei mit fünf vom Hundert zu Kapital zu berechnen. 3. Die Bestimmung des § 1 findet keine An­ wendung auf Schenkungen und letztwillige Zu­ wendungen, welche juristischen Personen zu an­ deren als ihren bisher genehmigten Zwecken gewidmet sind, oder durch welche eine solche Person ins Leben gerufen oder eine neue Zweig­ niederlassung einer gesetzlich anerkannten geistlichen Anstalt gegründet werden soll.

329

4. Gegen den Beschluß des Oberpräsidenten,2 3 durch welchen auf Grund des § 1 die Ermäch­ tigung zur Annahme einer Schenkung oder letzt­ willigen Zuwendung ertheilt wird, steht den Jntestaterben des Schenkgebers oder Testators, wenn sie gegen den Vollzug der freigebigen Ver­ fügung Einspruch erhoben Haben, binnen einer Präklusivfrist von drei Monaten der Rekurs an den Reichskanzler offen. Die Frist läuft von dem Tage, an welchem den Jntestaterben der Beschluß bekannt gemacht ist. 4. S. 88 2 u. 4 G. v. 4. Juli 1879 und Bem. dazu.

3. Vgl. Nr. 1 Abs. 19 D. v. 23. Juli 1879.

9. Mai 1873.

Sundesraths-Seschluß, betreffen) den Sauschsummenetat für Elsaß-Lothringen.1 __________

§ 247 der Protokolle.

1. Durch diesen B.-R.-B. ist der Bauschsummenetat (Dgl. Bem. zu Art. 16 Nr. 2 u. 3 Z.-B.-B. v. 8. Juli 1867) für E.-L. festgestellt und durch den B.-R.-B. v. 27. Juni dess. Jahres (8 454 d. Prot.) ist für die Jahre 1873, 1874 und 1875 gestattet worden, daß neben den Normalsätzen dem Reiche die an die Beamten der Grenzzoll- und Salzsteuerverwaltung in E.-L. wirk­ lich gezahlten Stattonszulagen mit 2/3 ihres Betrags bis zur Maximalsumme von 100000 Thalern aufgerechnet werden. Dieser Beschluß ist vom B.-R. unterm 13. November 1875 (§ 431 d. Prot.) auch für die Jahre 1876 und 1877, unterm 16. April 1877 (8 194 d. Prot.) für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1878, sowie für die Etatsjahre 1878-1879 und 1879-1880 und unterm 5. April 1880 (8 224 d. Prot.) bis auf Weiteres verlängert worden.

12. Mai 1873.

Gesetz, betreffend das Aufgebot und die Amortisation verlorener oder vernichteter Lchuldnrknnden des Norddeutsche« Sundes und des Deutsche« Keichs.' S. unterm 8. Februar 1875.

16. Mai 1873.

Gesetz, betreffeud die Sesteucrung des Srauntweius. G.-Bl. S. 67. § 1. Die unter den Bezeichnungen Verbrauchs­ abgabe (droit de consommation) und Eingangs­ abgabe (droit d’entree) bisher erhobenen Abgaben vom Branntwein werden aufgehoben.1 Die Wirksamkeit des Reichsgesetzes vom 8. Juli 1868, betreffend die Besteuerung des Branntweins in verschiedenen zum Norddeutschen Bunde gehö­ renden Staaten und Gebietstheilen, in der Fassung der Beilage, wird auf Elsaß-Lothringen ausge­ dehnt. 2. Bon dem aus dem freien Verkehr des deut­ schen Zollgebiets eingehenden Branntwein wird eine Abgabe nur erhoben bei der Einfuhr aus Bayern, Württemberg, Baden und den Hohenzollernschen Landen. Diese Abgabe (Uebergangssteuer) beträgt 16 Frank 38 Centimes für 1 Hekto-

ütet bei 50 Prozent Alkoholstärke nach Tralles.2 3. Der Ertrag der Abgaben vom Branntwein

1. Bgl. die Bem. 1 zum G. v. 28. April 1816 (Abth. In­ direkte Stenern).

Luxemburg die Mm. v. 22. Dez. 1875.

fließt in die Reichskasse. Dieser Ertrag besteht aus der gesämmten von diesen Abgaben aufgekommenen Einnahme nach Abzug: 1) der auf Gesetzen oder allgemeinen Berwaltungsvorschriften beruhenden Steuervergütungen und Ermäßigungen, 2) der Rückerstattungen für unrichtige Erhebungen und 3) der Erhebungs- und Verwaltungskosten mit fünfzehn Prozent der Gesammteinnahme.2 4. Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem 1. Juli 1873 in Kraft. 2. 13,10 Mark

Dgl. übrigens wegen der Einfuhr

3. Bgl. R.-B. Art. 38.

aus

330

1873 (16. Mai

Bon den an diesem Tage vorhandenen unver­ steuerten Borräthen der Branntwein-Großhändler und Branntwein-Kleinhändler wird eine Abgabe von dem Betrag der Uebergangssteuer (§ 2) erhoben. Die zur Ausführung des Gesetzes erforderlichen Anordnungen erläßt der Reichskanzler.4* * *

Wese-,

[8. Juli 1868] ) b) für jede 68 7/8 und Vieh die erforderlichen Maßregeln zu ergrei­ § 7. In Gemäßheit der vorstehenden Verabre­ fen. Im Verhältnisse von einem Bereinslande zu dungen werden die vertragenden Theile : dem andern dürfen jedoch keine hemmenderen daS Zollgesetz, Einrichtungen getroffen werden, als unter gleichen die Zollordnung, Umständen den inneren Verkehr des Staates den Zolltarif,

die Grundsätze, das Zollstrafgesetz betreffend, wie solche zwischen ihnen vereinbart sind, ferner die Uebereinkunst wegen Erhebung einer Ab­ gabe von Salz vom 8. Mai dieses Jahres, die Uebereinkunst wegen Besteuerung des Rüben­ zuckers vom 16. Mai 1865, das Zollkartel vom 11. Mai 1833, zur Anwendung bringen. 20 Unter dem, in den gemeinschaftlichen Gesetzen und Berwaltungsvorschriften erwähnten allgemei­ nen Eingangszoll oder der allgemeinen Eingangs­ abgabe ist ein Zollsatz von 15 Groschen oder 52 1/2 Kreuzern zu verstehen. 21 4. Eingangs-, Ausgangs- und Durchgangsab­ gaben werden an den gemeinschaftlichen Landes­ grenzen der vertragenden Theile nicht erhoben, und es können alle im freien Verkehr des einen Gebiets bereits befindlichen Gegenstände auch frei und unbeschwert in das andere Gebiet gegen­ seitig eingeführt werden, mit alleinigem Vorbe­ halte der im Innern der vert.ragenden Theile mit einer nicht gemeinschaftlichen Steuer belegten inländischen Erzeugniffe, nach Maßgabe des Ar­ tikels 5. Die Freiheit des Handels und Verkehrs zwi­ schen den vertragenden Theilen soll auch dann keine Ausnahme leiden, wenn bei dem Eintritte außerordentlicher Umstände, insbesondere auch bei einem drohenden oder ausgebrochenen Kriege, einer von ihnen sich veranlaßt finden sollte, die Ausfuhr gewisser im inneren freien Verkehr be­ findlichen Erzeugniffe oder Fabrikate in das Aus­ land für die Dauer jener außerordentlichen Um­ stände zu verbieten. In einem solchen Falle wird man darauf Be­ dacht nehmen, daß ein gleiches Verbot von allen vertragenden Theilen erlassen werde. Sollte jedoch einer oder der andere derselben es seinem Interesse nicht angemessen finden, auch 18. Dgl. 8 7, ferner Art. 35 R.-B., das ZolNartel v. 11. Mai 1833 und die §§ 119-127 und 134-165 B.-Z.-G. v. 1. Juli 1869. 19. Bgl. 88 128-133 D.-Z.-G. v. 1. Juli 1869.

20. Dgl. die Bem. 12, 13 u. 16-19. 21. Die allgemeine Eingangsabgabe ist aufgehoben, indem gemäß 8 3 D.-Z.-G. v. 1. Juli 1869 die Zollfreiheit die Regel bildet.

treffen, welcher sie anordnet. 22 5. Die vertragenden Theile werden ihr Bestre­ ben darauf richten, eine Uebereinstimmung der Gesetzgebung über die Besteuerung der in ihren Gebieten theils bei der Hervorbringung oder Zu­ bereitung, theils unmittelbar bei dem Verbrauche mit einer inneren Steuer belegten, nicht unter die 88 3 und 4 des Artikels 3 fallenden Erzeug­ nisse im Wege des Vertrages herbeizuführen. Bis dahin, wo dieses Ziel erreicht worden, sollen hin­ sichtlich der vorbemerkten Steuern und des Ver­ kehrs mit den davon betroffenen Gegenständen unter den Bereinsstaaten, zur Vermeidung der Nachtheile, welche aus einer Verschiedenartigkeit der inneren Steuersysteme überhaupt, und nament­ lich aus der Ungleichheit der Steuersätze, sowohl für die Produzenten, als für die Steuereinnahme der einzelnen Bereinsstaaten erwachsen könnten, folgende Grundsätze in Anwendung kommen. 23

I. Hinsichtlich der ausländischen Erzeugnisse.

Bon allen bei der Einfuhr mit mehr als 15 Gr. — 52 7a Kr. — vom Zentner belegten Erzeugnissen, von welchen entweder auf die in der Zollordnung 24 vorgeschriebene Weise dargethan wird, daß sie als ausländisches Ein- oder Durch­ gangsgut die zollamtliche Behandlung bei einer Erheb'mgsbehörde des Vereins bereits bestanden haben oder derselben noch unterliegen, darf keine weitere Abgabe irgend einer Art, sei es für Rechnung des Staates oder für Rechnung von Kommunen und Korporationen, erhoben werden, jedoch — was das Eingangsgut betrifft — mit Vorbehalt derjenigen inneren Steuern, welche in einem Vereinsstaate auf die weitere Verarbeitung oder auf anderweite Bereitungen aus solchen Er­ zeugnissen, ohne Unterschied des ausländischen, inländischen oder vereinsländischen Ursprungs, allgemein gelegt sind. Unter diesen Steuern sind für jetzt die Steuern

22. Dgl. Art. 33 Abs. 2 R.-B.; Nr. 3 des Schlußprototolls zu dem gegenwärtigen Vertrage und die 88 2, 7 u. 8 B.Z.-G. v. 1. Juli 1869. 23. Bgl. 8 5®.». 25. Juni 1873.

24. Bereinszollgesetz.

1873 (25. Juni von der Fabrikation des Branntweins, Biers und Essigs, ingleichen die Mahl- und Schlachtsteuer zu verstehen, welchen daher das ausländische Ge­ treide, Malz und Vieh im gleichen Maße, wie das inländische und vereinsländische, unterliegt. In denjenigen Staaten, in welchen die inneren Steuern von Getränken so angelegt sind, daß sie bei der Einlage der letzteren erhoben oder den Steuerpflichtigen zur Last gestellt werden, findet der Grundsatz der Freilassung verzollter auslän­ discher Erzeugnisse von inneren Abgaben in der Art Anwendung, daß die erste Einlage verzollter ausländischer Getränke, d. h. diejenige, welche dem direkten Bezüge aus dem Auslande oder denl Bezüge aus öffentlichen Niederlagen oder Privat­ lägern unmittelbar folgt, von jeder inneren Steuer befreit bleibt. 25 Diese Bestimmung gilt auch da, wo die Erhe­ bung einer inneren Getränkesteuer für Rechnung von Kommunen oder Korporationen stattfindet. Ausländische Erzeugnisse, welche beim Eingänge zollfrei, oder mit einer Abgabe von nicht mehr als 15 Gr. — 52 Va Kr. — belegt sind, unter­ liegen den nachstehend unter Nr. n getroffenen Bestimmungen. 26 II.

Hinsichtlich der inländischen und vereinsländischen Erzeugnisse.

§ 1. Bon den innerhalb des Vereins erzeug­ ten Gegenständen, welche nur durch einen Vereins­ staat transitiren, um entweder in einen anderen Bereinsstaat oder nach dem Auslande geführt zu werden, dürfen innere Steuern weder für Rech­ nung des Staates, noch für Rechnung von Kom­

munen oder Korporationen erhoben werden. § 2. Jedem der vertragenden' Theile bleibt es zwar freigestellt, die auf der Hervorbringung, der Zubereitung oder dem Verbrauche von Erzeug­ nissen ruhenden inneren Steuern beizubehalten, zu verändern oder aufzuheben, sowie neue Steuern dieser Art einzuführen, jedoch sollen dergleichen Abgaben für jetzt nur auf folgende inländische und gleichnamige vereinsländische Erzeugnisse, als: Branntwein, Bier, Essig. Malz, Wein, Most, Eider lObstwein), Mehl und andere Mühlenfabri­ kate, desgleichen Backwaaren, Fleisch, Fleischwaa­ ren und Fett gelegt werden dürfen. Für Branntwein, Bier und Wein sollen die folgenden Sätze als das höchste Maß betrachtet werden, bis zu welchem in den Bereinsstaaten eine Besteuerung der genannten Erzeugnisse für Rechnung des Staates soll stattfinden können, nämlich: a) für Branntwein 10 Rthlr. von der Ohm zu 120 Quart Preußisch und bei einer Alkoholstärke von 50 Prozent nach Traktes; 25. Dgl. G. v. 15. Juli 1872, die Steuerfreiheit des ver­ zollten ausländischen Weins bctr. 26. Wie Bem. 23.

[8. Juli 1867] )

347

b) für Bier 1 Rthlr. 15 Gr. von der Ohm zu .120 Üuart Preußisch;

c) für Mein, und zwar: aa) wenn die Abgabe nach dem Werthe des Weines erhoben wird, 1 Vs Rthlr. vom Zoll­ zentner (5 Rthlr. von der Ohm zu 120 Quart Preußisch); bb) wenn die Abgabe ohne Rücksicht auf den Werth des Weines erhoben wird, 25 Gr. vom Zollzentner (2 Rthlr. 23 Vs Gr. von der Ohm zu 120 Quart Preußisch); cc) wenn die Abgabe nach einer Klassifikation der Weinberge erhoben wird, ist die Beschränkung derselben auf ein Maximum nicht für erforderlich erachtet worden. Auch für die anderen, einer inneren Steuer unterworfenen Erzeugnisse werden, so weit nöthig, bestimmte Sätze festgesetzt werden, deren Betrag bei Abmessung der Steuer nicht überschritten werden soll. § 3. Bei allen Abgaben, welche in dem Bereiche der Bereinsländer nach der Bestimmung im ß 2 zur Erhebung kommen, wird eine gegenseitige Gleichmäßigkeit der Behandlung dergestalt statt­ finden, daß das Erzeugniß eines anderen Vereins­ staates unter keinem Vorwande höher yder in einer lästigeren Weise, als das inländische oder als das Erzeugniß der übrigen Bereinsstaaten, besteuert werden darf. In Gemäßheit dieses Grundsatzes wird Folgendes festgesetzt: a) Bereinsstaaten, welche von einem inländischen Erzeugnisse keine innere Steuer erheben, dürfen auch das gleiche vereinsländische Erzeugniß nicht besteuern; b) wo innere Steuern nach dem Werthe der Waare erhoben werden, sind nicht nur die näm­ lichen Erhebungssätze auf das inländische, wie auf das vereinsländische Erzeugniß gleichmäßig in Anwendung zu bringen, sondern es darf auch bei Feststellung des zu besteuernden Werthes das inländische Erzeugniß nicht vor dem vereinslänbischen begünstigt werden; c) diejenigen Staaten, in welchen innere Steuern von einem Konsumtions-Gegenstande bei dem Kaufe oder Verkaufe oder bei der Verzehrung desselben erhoben werden, dürfen diese Steuern von den aus anderen Bereinsstaaten herrührenden Erzeugnissen der nämlichen Gattung nur in gleicher Weise fordern; d) diejenigen Staaten, welche innere Steuern auf die Hervorbringung oder Zubereitung eines Konsumtions-Gegenstandes gelegt haben, können den gesetzlichen Betrag derselben bei der Einfuhr des Gegenstandes aus anderen Bereinsstaaten voll erheben lassen; e) im Norddeutschen Bunde wird von dem in den übrigen Bereinsstaaten erzeugten Wein und Traubenmost eine Uebergangs-Abgabe nicht er­ hoben werden. Eine solche Abgabe wird auch von denjenigen

48

1873 (25. Juni

Bereinsstaaten nicht erhoben werden, welche etwa während der Dauer dieses Vertrages die Hervor­ bringung von Wein einer inneren Steuer unter­

werfen möchten; f) so weit zwischen mehreren Bereinsstaaten eine Bereinigung zu gleichen Steuer-Einrichtungen besteht, werden diese Staaten in Ansehung -er Befugniß, die betreffenden Steuern gleichmäßig auch von vereinsländischen Erzeugnissen zu er­ heben, als ein Ganzes betrachtet. 2? § 4. Diejenigen Staaken, welche eine innere Steuer auf den Kauf oder Verkauf, die Verzehrung, die Hervorbringung oder die Zubereitung eines Konsumtions-Gegenstandes gelegt haben, können, bei der Ausfuhr des Gegenstandes nach anderen Bereinsstaaten, diese Steuer unerhoben lassen, bezw. den gesetzlichen Betrag derselben ganz oder theilweise zurückerstatten. Wegen Ausübung dieser Befugniß ist Folgendes verabredet worden: a) Eine Zurückerstattung soll überhaupt nur in so weit stattfinden dürfen, als in dem betreffenden Staate bei der Ausfuhr des nämlichen Erzeug­ nisses nach dem Bereinsauslande eine Steuer­ vergütung gewährt wird, und auch nur höchstens bis zum Betrage der letzteren. b) Die betreffenden Vereinsregierungen werden ihr besonderes Augenmerk darauf richten, daß in keinem Falle mehr, als der wirtlich bezahlte Steuerbetrag erstattet werde, und diese Vergütung nicht die Natur und Wirkung einer Ausfuhr­ prämie erhalte. c) Die Entlastung von der Verbindlichkeit zur Steuerzahlung soll nicht eher eintreten, bezw. die Zurückerstattung der Steuer nicht eher geleistet werden, als bis der Eingang der besteuerten Er­ zeugnisse in dem angrenzenden Bereinsstaate, oder bezw. in dem Lande des Bestimmungsortes auf die unter den betreffenden Bereinsstaaten ver­ abredete Weise nachgewiesen worden sein wird. d) Die innere Steuer von dem zur Essigvereitung ver­ wendeten Branntwein wird nicht erlassen und, abgesehen von dem Falle der Ausfuhr des EssigS nach dem Auslande, nicht erstattet werden. 88

§ 5. Welche, dem dermaligen Stande der Gesetz­ gebung in den Bereinsstaaten entsprechende Be­ träge nach den Bestimmungen der §§ 3 und 4 zur Erhebung kommen und bezw. zurückerstattet werden können, ist besonders verabredet worden. Treten späterhin irgendwo Veränderungen in den für die inneren Erzeugnisse zur Zeit bestehenden Steuersätzen ein, so wird die betreffende Regie­ rung dem Bundesrathe des Zollvereins (Artikel 8) davon Mittheilung machen, und hiermit den Nachweis verbinden, daß die Steuerbeträge, welche, in Folge der eingetretenen oder beabsichtigten Veränderung, von den vereinsländischen Erzeug­

27. Vgl. 8 3 G. v. 14. Dez. 1872. 28. Aufgehoben durch 8 S G. v. 19. Juli 1879.

[8. Juli

1867])

nissen erhoben, und bei der Ausfuhr der be­ steuerten Gegenstände vergütet werden sollen, den vereinbarten Grundsätzen entsprechend bemessen seien. 29 Wo die Uebergangsabgabe von Bier nach dem Gewichte erhoben wird, bleibt der Zollzentner Maßstab der Erhebung^ § 6. Die Erhebung der inneren Steuern von den damit betroffenen vereinsländischen Gegenständen

soll in der Regel in dem Lande des Bestimmungs­ ortes stattfinden, insofern solche nicht, nach be­ sonderen Vereinbarungen, entweder durch gemein­ schaftliche Hebestellen an den Binnengrenzen, oder im Lande der Versendung für Rechnung des abgabeberechtigten Staates erfolgt. Auch sollen die zur Sicherung der Steuererhebung erforder­ lichen Anordnungen, soweit sie die bei der Ver­ sendung aus einem Bereinsstaate in den anderen einzuhaltenden Straßen und Kontrolen betreffen, auf eine den Verkehr möglichst wenig beschrän­ kende Weise und nur nach gegenseitiger Verab­ redung, auch, dafern bei dem Transporte ein dritter Bereinsstaat berührt wird, nur unter Zu­ stimmung des letzteren getroffen werden. Wo innere Steuern nach dem Werthe des Gegenstandes erhoben werden, wird, in Absicht der aus anderen Bereinsstaaten übergehenden Er­ zeugnisse, auf Kontroleinrichtungen Bedacht ge­ nommen werden, nach welchen die Ermittelung des Werthes in der Regel erst im Bestimmung^ orte, mit Vermeidung zeitraubender und den Ver­ kehr belästigender Untersuchungen an den Binnen­ grenzen oder auf dem Wege zwischen dem Bersendungs- und Bestimmungsorte, eintritt. § 7. Die Erhebung von Abgaben für Rechnung von Kommunen oder Korporationen, sei es durch Zuschläge zu den Staatssteuern oder für sich be­ stehend, soll nur für Gegenstände, die zur ört­ lichen Konsumtion bestimmt sind, bewilligt werden und es soll dabei der int § 3 dieses Artikels aus­ gesprochene allgemeine Grundsatz wegen gegen­ seitiger Gleichmäßigkeit der Behandlung der Erzeugnisse anderer Bereinsstaaten, eben so wie bei den Staatssteuern in Anwendung kommen. Zu den zur örtlichen Konsumtion bestimmten Gegenständen, von welchen hiernach die Erhebung einer Abgabe für Rechnung von Kommunen oder Korporationen allein soll stattfinden dürfen, sind allgemein zu rechnen: Bier, Essig, Malz, Eider (Obstwein) und die der Mahl- und Schlachtsteuer unterliegenden Erzeugnisse, ferner Brennmateria­ lien, Marktviktualien und Fourage. Vom Weine soll die Erhebung einer Abgabe der vorgedachten Art auch ferner nur in den­ jenigen Theilen des Vereins zulässig sein, welche zu den eigentlichen Weinländern gehören. So weit in einzelnen Orten der zum Zoll-

29. Dgl. Nr. 5 des Schlußprotokolls, bezw. Bkm. des R.-K. v. 15. Jan. 1877.

1873 (25. Juni vereine gehörigen

von

Abgabe

Staaten

Branntwein

oder nach

werder, Dukow, RottmannShagen, Nutzen selbe, Karlsruh und

für

Pinnow,

Rechnung

der bestehenden

nicht versagt werden kann,

349

1867])

die Erhebung einer

von

Kommunen oder Korporationen gegenwärtig statt­

findet,

[8. Juli

Gesetzgebung

wird es dabei aus­

den

werder,

Hafenort

Geestemünde,

Bremerhafen, die

Wilhelm in

Krusenbusch,

Fort

Finkenwerder, Finkenwerder-

Kattwieck,

blumensand,

das

Elbinseln Alten­

Hohenschaar,

Overhacken,

Neuhof und Wilhelmsburg, die Voigtei Kirchwerder

nahmsweise bewenden. Es sollen aber die für Rechnung

von Kom­

und die Dorfschaft Aumund;

munen oder Korporationen zur Erhebung kom­

b) auf die Großherzogthümer Mecklenburg-Schwerin und

und Branntwein,

Mecklendurg-Strelitz, ersteres mit Ausnahme seiner von Preußen umschlossenen Gebietstheile Rossow, Netzeband und Schönberg;

menden

Abgaben

von

Wein

ingleichen von Bier, in Absicht ihres Betrages

unterliegen,

Beschränkung

der

solche beim

daß

Branntwein, mit der Staatssteuer zusammen, den

im

§ 2 dieses Artikels

von 10 Rthlrn.

festgesetzten Maximalsatz

für die Ohm, und beim Wein

und Bier den Satz

von 20 Prozent -er für die

Staatssteuern ebendaselbst verabredeten Maximal­

sätze nicht überschreiten dürfen.

Ausnahmen hier­

von sollen nur in soweit zulässig sein, als ein­

c) in Oldenburg: auf den Hafenort Brake; d) auf das Herzogthum Lauenburg;

e) auf

die

Hansestädte

Lübeck,

Bremen

und

Hamburg mit einem, dem Zwecke entsprechenden Bezirke ihres oder des umliegenden Gebietes; 2) auf die nachfolgend genannten Gebietstheile

Badens, und zwar:

die Insel Reichenau,

den Ort Büsingen,

den

schon

Bittenharter Hof, die Orte und Höfe Jestetten,

gegenwärtig eine höhere Abgabe erheben, welchen

mit Flachshof, Gunzenrieder-Hof und Reutehof, Lottstetten mit Balm, Dietenberg, Nack, Locher­

zelne

Kommunen

oder

Korporationen

Falls letztere fortbestehen kann. Sollten in einem oder dem anderen Orte auch noch von anderen,

Gegenständen,

als den vorstehend genannten

so soll

Abgaben erhoben werden,

die Erhebung der letzteren zwar einstweilen fort­

bestehen

die betreffenden

hof und Bottenbach, Dettighofen mit Häuserhof,

Baltersweil,

Altenburg,

Berwangen

und

Alb­

führenhof bei Weisweil.

Sobald die Gründe

aufgehört

haben,

welche

Regierungen

die volle Anwendung des gegenwärtigen Vertra­

werden es sich jedoch angelegen sein lassen, solche

ges auf den einen oder anderen der unter Nr. 1

können,

Abgaben bei der ersten passenden Gelegenheit zu beseitigen. Ueber den Erfolg der diesfälligen Be­ mühungen wird dem Bundesrathe des

Zollvereins

von Zeit zu Zeit Mittheilung gemacht werden.

Abgaben für

Rechnung von Kommunen oder

Korporationen dürfen bei dem Uebergange besteuerten

Gegenstände nach

der

anderen Vereins­

staaten, gleich den Staatssteuern, ganz oder teil­

zurückerstattet werden,

soweit eine

genannten

Staaten und

ausschließen,

Gebietstheile zur Zeit

wird das Präsidium des Norddeutschen

Bundes den Regierungen der übrigen vertragenden

Theile Nachricht geben. Der Bundesrath des Zoll­ vereins beschließt alsdann über den Zeitpunkt, an

welchem die Bestimmungen der Artikel 3 bis 5 und 10 bis 20 in diesem Staate oder Gebietstheile in

Wirksamkeit treten. 30

solche

7. Die Gesetzgebung über die in dem Artikel 3 bezeich­

Vergütung bei dem Uebergange der besteuerten

neten Angelegenheiten, sowie über die in den ZollauSschlüffen (Artikel 6) zur Sicherung der gemeinschaftlichen Zollgrenze erforderlichen Maßregeln wird ausgeübt durch den BundeSrath des Zollvereins als gemeinschaftliches Or­ gan der Regierungen und durch das Zollparlament als gemeinschaftliche Vertretung der Bevölkerungen. Die Ueber­ einstimmung der MehrheitSbeschlüffe beider Versammlungen ist zu einem Bereinsgesetze erforderlich und ausreichend; auf andere als die vorstehend bezeichneten Angelegenheiten erstreckt sich die Zuständigkeit derselben nicht. Die Verkündung der Bereinsgesetze in den Gebieten der vertragenden Theile erfolgt in den daselbst geltenden Formen.31 32-

weise

Gegenstände nach anderen Orten desselben Landes stattstndet. § 8. Die Regierungen der Bereinsstaaten werden

dem Bundesrathe des Zollvereins: a) von allen in der Folge eintretenden Beränderungen ihrer Gesetze und Verordnungen über

die im 8 2 dieses Artikels bezeichneten Staats­ steuern, b) hinsichtlich

der Kommunal-

rc.

Abgaben

aber von den Veränderungen, welche in Bezie­ hung auf die Hebungsberechtigten,

die Orte, die

8. Ueber die Einrichtung

und

die Zuständigkeit deS

Bundesrathes des Zollvereins ist Folgendes verabredet....33

Gegenstände, den Betrag und die Art und Weise der Erhebung eintreten,

30. Vgl. Nr. 6 des Schlußprotokolls, ferner Bkm. v. 18. Nov. 1868, betr. die Ausführung des Art. 6 des Vertrags

vollständige Mittheilung machen. 6.

Die

Bestimmungen in den

Artikeln

3, 4

und 5, sowie in den Artikeln 10 bis 20 und 22

(G.-Bl. d. N. B. S. 518), sowie Artt. 1 u. 34 R.-B. und die Bem. 10.

a) in Preußen: aus die Ortschaften Drenikow, Pore

31. Art. 7 ist durch die Artt. 5, 17 u. 35 R.-V. aufgehoben. Für die Gültigkeit der Reichsgesetze in den einzelnen Bun­ desstaaten genügt nach Art. 2 R.-B. die Verkündigung im Reichsgesetzblatt. Vgl. übrigens D. v. 26. Juli 1867, betr. die Einführung des Bundesgesetzblatts im Norddeutschen Bunde sG.-Bl. d. N. B. S. 24), sowie G. v. 3. Juli 1871, betr. die Verkündung der Gesetze und Verordnungen.

und Sukow, die Kolonie und das Erbpachtsvorwerk GroßMenow, die Rittergüter und Dörfer Zettemin mit Peen-

32. Die Bestimmungen in den hier folgenden 88 1-12 sind ersetzt durch die Art. 6-10 und 11-16 R.-D. — Der Bundes-

finden vorläufig keine Anwendung: 1)

-und

auf

die

nachfolgend

Gebietstheile

des

genannten

Staaten

Norddeutschen

Bundes,

und zwar:

350

1873 (25. Juni [8. Juli 1867])

9. Ueber die Einrichtung und die Zuständigkeit des Zoll' Parlaments ist Folgendes verabredet............ 33 ****** 10. Der Ertrag der Eingangs- und AuSgangSabgaben,

der Salzsteuer und Rübenzuckersteuer in den, der gemein­ schaftlichen Gesetzgebung (Art. 3) unterworfenen Gebieten der vertragenden Theile, einschließlich der im Artikel 2 er­ wähnten Staaten oder Gebietstheile, ist gemeinschaftlich. Diese Gemeinschaft erstreckt sich auf den Ertrag der Taback­ steuer, sobald die Bestimmung im § 4 des Artikels 3 zur Ausführung gelangt sei» wird.34

Bon der Gemeinschaft sind ausgeschlossen, und bleiben, sofern nicht Separatverträge zwischen einzelnen Bereinsstaaten ein Anderes bestimmen, dem privativen Genusse der betreffenden Staats­ regierungen Vorbehalten: 1) die Steuern, welche im Innern eines jeden Staates von inländischen Erzeugnissen erhoben werden, einschließlich der nach Artikel 5 von den vereinsländischen Erzeugnissen der nämlichen Gattung zur Erhebung kommenden Uebergangsabgaben; 2) die Wasserzölle; 3) Chausseeabgaben, Pflaster-, Damm-, Brücken-, Führ-, Kanal-, Schleusen-, Hafengelder, sowie Waage- und Niederlagegebühren oder gleichartige Erhebungen, wie sie auch sonst genannt werden

mögen; 4) die Zoll- und Steuerstrafen und Konfiskate, welche, vorbehaltlich der Antheile der Denun­ zianten, jeder Staatsregierung in ihrem Gebiet verbleiben.35 11. Der Ertrag der in die Gemeinschaft fallenden Ab­ gaben wird zwischen den vertragenden Theilen, einschließ­ lich der im Artikel 2 erwähnten Staaten oder Gebietstheile, nach dem Verhältniß der Bevölkerung ihrer, der gemein­ schaftlichen Gesetzgebung (Art. 3) unterworfenen Gebiete vertheilt.36

Dieser Ertrag besteht aus der gesammten Ein­ nahme von den Abgaben nach Abzug 1) der auf Gesetzen oder allgemeinen Berwaltungsvorschriften beruhenden Steuervergütungen und Ermäßigungen, 2) der Rückerstattungen für unrichtige Erhe­ bungen, 3) der Erhebungs- und Berwaltungskosten, und zwar: a) bei den Eingangs- und Ausgangsabgaben der Kosten, welche an den gegen das Ausland gelegenen Grenzen und in dem Grenzbezirke für den Schutz und die Erhebung der Zölle erforder­ rath des Zollvereins wurde eröffnet am 2. März 1868 (vgl. B.-R.-B., § 1 b. Prot.). — Wegen des Vorsitzes im Bundes­ rath vgl. den Allerhöchsten Erlaß v. 16. Nov. 1867 (G.-Bl. d. N. B. 1868 S. 9). — Die gegenwärtige Geschäftsordnung des B.-R. d. D. R. ist festgestellt durch B.-R.-B. v.26. April 1880 (8 301 d. Prot.). 33. Die Bestimmungen in den hier folgenden §§ 1-14 sind ersetzt durch die Artt. 12 u. 20-32 R.--B.

34. Ersetzt durch Art. 38 Abs. 1 R.-D.

35. Bgl. § 19 Abs. 2 G. v. 3. Juli 1878, den Spielkarten­ stempel betr.; § 46 Abs. 2 G. v. 16. Juli 1879, die Besteue­ rung des Tabacks betr.; u. § 17 Abs. 3 G. v. 20. Juli 1879, Vetit die Statistik des Waarenverkehrs. 36. Aufgehoben und ersetzt durch Art. 38 Abs. 1 R.-B.

lich sind (Artikel 30 -er Verträge vom 22. und 30. März und 11. Mai 1833, sowie vom 12. Mai 1835, Artikel 18 der Verträge vom 10. Dezember 1835 und 2. Januar 1836, Artikel 29 des Ver­ trages vom 19. Oktober 1841, Artikel 30 der Verträge vom 4. April 1853 und 16. Mai 1865 und Artikel 16 des Vertrages vom heutigen Tage), b) bei der Salzsteuer der Kosten, welche zur Besoldung der mit Erhebung und Kontrolirung dieser Steuer auf den Salzwerken beauftragten Beamten aufgewendet werden (Artikel 3 der Uebereinkunft vom 8. Mai 1867), c) bei der Rübenzuckersteuer der Vergütung, welche nach den jeweiligen Verabredungen den einzelnen Vereinsregierungen für die Kosten der Verwaltung dieser Steuer zu gewähren ist (Ar­ tikel 2 der Uebereinkunft vom 46. Mai 1865).37 Der Stand der Bevölkerung in den Gebieten der vertra­ genden Theile wird alle drei Jahre ausgemittelt und die Nachweisung derselben dem BundeSrathe borgelegt33

12.

Die dem Münzvertrage vom 24. Januar 1857 ent­

sprechenden Silbermünzen der Vereinsstaaten — mit Aus­ nahme der Scheidemünze — werden nach der auf diesem Vertrage beruhenden Gleichwerthung von vier Thalern gegen sieben Gulden bei allen Zollhebestellen des Vereins angenommen. Hinsichtlich der Annahme der Goldmünzen bei diesen Hebestellen bewendet es bei den die Annahme dieser Münzen im allgemeinen betreffenden Bestimmungen des Münzvertrages.33

13. Vergünstigungen für Gewerbetreibende hin­ sichtlich der Zollentrichtung, welche nicht in der Zollgesetzgebung selbst begründet sind, fällen der Staatskasse derjenigen Regierung, welche sie be­ willigt hat, zur Last. Hinsichtlich der Maßgaben, unter welchen solche Begünstigungen zu bewilligen sind, bewendet es bei den darüber bestehenden Verabredungen. 40 Zollbegünstigungen für Maschinen und Maschinentheile sollen auch auf privative Rechnung nicht gewährt werden. 14. Dem aus Förderung freier und natürlicher Bewegung des allgemeinen Verkehrs gerichteten Zwecke des Zollvereins gemäß sollen besondere Zollbegünstigungen einzelner Meßplätze, nament­ lich Rabattprivilegien, da wo sie dermalen in den Bereinsstaaten noch bestehen, nicht erweitert, sondern vielmehr, unter geeigneter Berücksich­ tigung sowohl der Nahrungsverhältnisse bisher begünstigter Meßplätze, als der bisherigen Handels37. Ersetzt durch Art. 38 Abs. 2 R.-B.; unter c ist außer der Rübenzuckersteuer auch die Tabacksteuer zu nennen. Zu­ satz : d) bei den übrigen Steuern mit fünfzehn Prozent der Gesarnrnteinnahrne. Bgl. auch Art. 16 des Vertrags. 38. Bgl. den B.-R.-B. v. 7 Dez. 1871, betr. die Umgestaltung der seitherigen Statistik des Zollvereins (§ 643 d. Prot.), sowie diejenigen v. 19. März 1874 (§ 179 d. Prot.) und v.

11. Mai 1874 (§ 279 d. Prot.). 39. Bgl. Nr. 10 d. Schlußprot., sowie das Münzgesetz v.

9. Juli 1873.

40. Bgl. Art. 15 Abs. 3 und wegen der Zollbegünstigung für die beim Bau von Seeschiffen verwendeten Eisenbe­ standtheile Nr. 11 des Schlußprot. Ferner die 88 112-118 B.-Z.-G. v. 1. Juli 1869.

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(25. Juni [8. Juli 1867])

beziehungen mit dem Auslande, thunlichst beschränkt und ihrer baldigen gänzlichen Aufhebung 'ent­ gegen geführt, neue aber ohne allseitige Zustim­ mung auf keinen Fall ertheilt werden. 41 15. Von der tarifmäßigen Abgabenentrichtung bleiben die Gegenstände, welche für die Hofhal­ tung der hohen Souveräne und ihrer Regenten­ häuser, oder für die bei ihren Höfen akkreditirten Botschafter, Gesandten, Geschäftsträger u. s. w. eingehen, nicht ausgenommen, und wenn dafür Rückvergütungen statthaben, so werden solche der Gemeinschaft nicht in Rechnung gebracht. 42 Eben so wenig anrechnungsfähig sind Entschädi­ gungen, welche in einem oder dem anderen Staate den vormals unmittelbaren Reichsständen, oder an Kommunen oder einzelne Privatberechtigte für eingezogene Zollrechte oder für aufgehobene Befreiungen gezahlt werden müssen. Dagegen bleibt es einem jeden Staate unbe­ nommen, einzelne Gegenstände auf Freipässe ohne Abgabenentrichtung ein- oder ausgehen zu lassen. Dergleichen Gegenstände werden jedoch zollgesetz­ lich behandelt, und in Freiregistern, mit denen es wie mit den übrigen Zollregistern zu halten ist, notirt, und die Abgaben, welche davon zu erhe­ ben gewesen wären, kommen bei der demnächstigen Revenüenausgleichung demjenigen Staate, von welchem die Freipässe ausgegangen sind, in Ab­

rechnung. 16. In Absicht der Erhebungs- und Berwaltungskosten für die Eingangs- und Ausgangs­ abgaben kommen folgende Grundsätze zur An­

wendung : 1) Man wird, soweit nicht ausnahmsweise etwas Anderes verabredet ist, keine Gemeinschaft dabei eintreten lassen, vielmehr übernimmt jede Regierung alle in ihrem Gebiete vorkommenden Erhebungs- und Berwaltungskosten, es mögen diese durch die Einrichtung und Unterhaltung der Haupt- und Nebenzollämter, der inneren Steuer­ ämter, Hallämter und Packhöfe, und der Zoll­ direktionen, oder durch den Unterhalt des dabei angestellten Personals und durch die dem letzteren zu bewilligenden Pensionen, oder endlich aus irgend einem anderen Bedürfnisse der Zollver­ waltung entstehen. 2) Hinsichtlich desjenigen Theils des Bedarfs aber, welcher an den gegen das Ausland gelege­ nen Grenzen und innerhalb des dazu gehörigen Grenzbezirks für die Zoll-Erhebungs- und Aufsichts- oder Kontryl-Behörden und Zollschutzwachen erforderlich ist, wird man sich über Bauschsummen vereinigen, welche von der jährlich auflommenden und der Gemeinschaft zu berechnenden Brutto­ einnahme an Zollgefällen nach der im Artikel 11 41. Bgl. Nr. 12 d. Schlußprot. 42. Bgl. B.-R.-B. v. 29. April 1872 (§ 199 d. Prot.) über ben Zollerlaß für die beim Deutschen Reiche akkreditirten Gesandten.

351

getroffenen Vereinbarung in Abzug gebracht werden. 43 3) Bei dieser Ausmittelung des Bedarfs soll da, wo die Perzeption privativer Abgaben mit der Zollerhebung verbunden ist, von den Gehäl­ tern und Amtsbedürsnissen der Zollbeamten nur derjenige Theil in Anrechnung kommen, welcher dem Verhältnisse ihrer Geschäfte für den Zolldienst zu ihren Amtsgeschästen überhaupt entspricht. 43 4) Man wird auch ferner darauf bedacht sein, durch Feststellung allgemeiner Normen die Besol­ dungsverhältnisse der Beamten bei den ZollErhebungs- und Aufsichtsbehörden, ingleichen bei den Zolldirektionen in möglichste Uebereinstimmung zu bringen. Die Bereinsstaaten machen sich verbindlich, für die Diensttreue der bei der Zollyerwaltung von ihnen angestettten Beamten und Diener und für die Sicherheit der Kassenlokale und Geldtrans­ porte in der Art zu haften, daß Ausfälle, welche an den Zolleinnahmen durch Dienstuntreue eines Angestellten erfolgen, oder aus der Entwendung bereits eingezahlter Gelder entstehen, von der­ jenigen Regierung, welche den Beamten angestellt hat, oder welche die entwendeten Bestände erho­ ben hatte, ganz allein zu vertreten sind und bei der Revenüentheilung dem betreffenden Staate zur Last fallen. In Betracht, daß die Kosten für die inneren Steuerämter oder Hallämter oder Packhöfe einem jeden Bereinsstaate zur Last fallen, bleibt es jedem derselben überlassen, solche Aemter inner­ halb seines Gebietes in beliebiger Zahl zu errich43.Bgl. Artt. 36 u. 38 R.-B., sowie Art. 11 Abs. 2 Nr. 1-3 und Nr. 13 d. Schlußprot., ferner die Uebereinkunft wegen Erhebung einer Abgabe vom Salz, Schlußprot. 3c; 8 27 des Wechselstempelsteuergesetzes v. 10. Juni 1869 und 8 23 G. v. 3. Juli 1878, den Spielkartenstempel betr.; 8 14 G. v. 20. Juli 1879, betreffend die Statistik des Waarenverkehrs. Das Nähere über die, nach Art. 16 AVs. 1 Nr. 2 zu gewährenden Bauschsummen und deren Verwendung, über die Normalsätze, nach welchen dieselben zu berechnen sind, sowie über die sonstigen, bei der Aufrechnung zu beachtendeu Grundsätze, ist hauptsächlich in folgenden Verein­ barungen enthalten: Münchener Bollzugsprotokoll von 1833 (Bertr. Bd. I S. 417 ff.); Karlsruher Bollzugsprotokoll von 1835 (Bertr. Bd. II S. 147 ff.; Bes. Prot. d. d. München 12. Sept. 1836, Ziff. 1 u. 2 (Süll, zum Hauptprot. der I. Gen.-Konf.); Hauptprot. der VIII. Gen.-Konf. 8 28 S. 69. Bon diesen Bestimmungen gilt jedoch nur noch ein Theil; namentlich sind die Normalsätze für die Gehälter der einzelnen Beamtenkategorien u. s. w. im Laufe der Zeit abgeändert worden. In dieser Beziehung ist jetzt hauptsächlich der B.R.-B. v. 28. Juni 1872 (§ 421 d. Prot.), betr. die Verein­ fachung der Zollverwaltungs-Kostenliquidationen und die Erhöhung der Bauschsummenvergütung maßgebend, sowie die B.-R.-B. v. 17. März 1871 (8 79 d. Prot.), betr. die Vergütung für die Kosten der LegitimationSschein-Ausfertigung, und v. 14. Dez. 1872 (§ 518 d. Prot.), betr. die in Aufrechnung zu bringende Vergütung für die SalzfteuerVeamten. Wegen des Bauschsummenetats für E.-L. vgl. B.-R.-B. v. 9. Mai 1873.

352

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ten, so daß in Beziehung auf deren Kompetenz und Personalbestellung keine anderen als diejeni­ gen Beschränkungen eintreten, welche aus der Bereinszollordnung und den bestehenden Instruk­ tionen und Verabredungen hervorgehen. 44 Der gestimmte amtliche Schriftwechsel in den gemeinschaftlichen Zollangelegenheiten zwischen den Behörden und Beamten der Bereinsstaaten im ganzen Umfange des Zollvereins soll auf den Brief- und Fahrposten portofrei befördert werden, und es ist zur Begründung dieser Portofreiheit die Korrespondenz der gedachten Art mit der äußeren Bezeichnung „Zollvereinssache" zu versehen.45 18. 46 Das Begnadigungs- und Strafverwand­ lungsrecht bleibt jedem Bereinsstaate in seinem Gebiete Vorbehalten. Auf Verlangen werden perio­ dische Uebersichten der erfolgten Straferlasse dem Bundesrathe des Zollvereins mitgetheilt werden.

19. Die Erhebung und Verwaltung der gemein­ schaftlichen Abgaben (Art. 10) bleibt jedem Ver­ einsstaate, soweit derselbe sie bisher ausgeübt hat, innerhalb seines Gebietes überlassen. 47 Es werden daher in jedem dieser Staaten bei den Lokal- und Bezirksstellen für die Erhebung und Aufsicht, welche nach der hierüber getroffenen besonderen Uebereinkunft nach gleichförmigen Be­ stimmungen angeordnet, besetzt und instruirt wer­ den sollen, die Beamten und Diener auch ferner von der Landesregierung ernannt. In jedem dieser Bereinsstaaten, mit Ausnahme des Thüringischen Bereinsgebietes, wird die Lei­ tung des Dienstes der Lokal- und Bezirksbehör­ den, sowie die Vollziehung der gemeinschaftlichen Zollgesetze überhaupt, einer, oder, wo sich das Bedürfniß hierzu zeigt, mehreren Zolldirektionen übertragen, welche dem einschlägigen Ministerium des betreffenden Staates untergeordnet sind. Die Bildung der Zolldirektionen und die Einrichtung ihres Geschäftsganges bleibt den einzelnen Staats­ regierungen überlassen; der Wirkungskreis der­ selben aber kann, insoweit er nicht schon durch gegenwärtigen Vertrag und die gemeinschaftlichen Zollgesetze bestimmt ist, durch eine vom Bundes­ rathe des Zollvereins festzustellende Instruktion be­ zeichnet werden.48 In dem Thüringischen Bereinsgebiete vertritt der gemeinschaftliche Generalinspektor in den Be­ rührungen mit dem Bundesrathe und mit den Zoll­ behörden der anderen Bereinsstaaten die Stelle einer Zolldirektion. 20. Für Einhaltung des gesetzlichen Verfahrens

bei der Erhebung und Verwaltung der gemeinschaft­ lichen Abgaben hat das Präsidium Sorge zu tragen. Es ordnet zu diesem Zwecke, nach Vernehmung des Ausschusses des Bundesrathes für Zoll- und Steuerwesen (Art. 8 § 3), den Hauptzollämtern sowohl an den Grenzen als im Innern (Haupt­ steuerämtern mit Niederlagen), und den Direktivbehörden Bereinsbeamte bei.49 Die den Hauptämtern beigeordneten Kontrolöre haben von otten Geschäften derselben und der Nebenämter in Beziehung auf die Grenzbewachung und das Verfahren bei der Zoll- und Steuer­ erhebung Kenntniß zu nehmen und aus Ein­ haltung eines gesetzlichen Verfahrens, ingleichen auf die^ Abstellung etwaiger Mängel einzuwirken, übrigens sich jeder eigenen Verfügung zu ent­ halten. Ihre dienstliche Stellung und ihre Befug­ nisse werden durch eine Instruktion geregelt.

Die den Direktivbehörden beigeordneten Bevoll­ mächtigten haben sich von allen vorkommenden Berwaltungsgeschästen, welche sich auf die durch den gegenwärtigen Vertrag eingegangene Gemein­ schaft beziehen, vollständige Kenntniß zu ver­ schaffen. Ihr Geschäftsverhältniß ist durch eine besondere Instruktion näher bestimmt, als deren Grundlage die unbeschränkte Offenheit von Seiten der Ver­ waltung, bei welcher die Bevollmächtigten fungiren, in Bezug auf alle Gegenstände der gemein­ schaftlichen Verwaltung, und die Erleichterung jedes Mittels, durch welches sie sich die Infor­ mation hierüber verschaffen können, angenommen ist, während andererseits ihre Sorgfalt nicht minder aufrichtig dahin gerichtet sein soll, eintre­ tende Anstände und Meinungsverschiedenheiten auf eine dem gemeinsamen Zwecke und dem Ver­ hältnisse verbündeter Staaten entsprechende Weise zu erledigen. Die Ministerien oder obersten Verwaltungs­ stellen der Bereinsstaaten werden überdies dem Bundesrathe auf Verlangen jede gewünschte Aus­ kunft über die gemeinschaftlichen Angelegenheiten mittheilen. Die Gehälter und alle übrigen Kosten der

47. Bgl. Art. 36 Abs. 1 R.-B.

49. Ersetzt durch Art. 36 Abs. 2 u. 3 R.-B. Bgl. übrigens Nr. 15 des Schlußprot. In E.-L. ist durch den Erl. des R.-K.-A. v. 8. Dez. 1873, nach erfolgter Vernehmung des Ausschusses deS Bundesraths für Zoll- und Steuerwesen, v. 1. Jan. 1874 ab der Direktion der Zölle und indirekten Steuern zu Straßburg bis auf weiteres ein Bereinsbevollmächtigter beigeordnet worden, nachdem die deutsche Zoll­ gesetzgebung und die übrigen Reichssteuern mit alleinigev Ausnahme der Braumalzsteuer in E.L. eingeführt worden sind und hinsichtlich dieser Abgaben Steuergemeinschaft zwi­ schen E.-L. und den deutschen Bundesstaaten besteht. Durch Erlaß v. 30. April 1874 sind ferner, nach Vernehmung deS Ausschusses des Bundesraths für Zoll- und Steuerwesen, den Hauptzoll- und Hauptsteuerämtern in E.-L. v. 15. Mai defs. I. ab Stationskontrolöre mit dem Sitz in Straßburgs Metz, Mülhausen und Saarburg bis auf weiteres beigeordner

48. Bgl. Nr. 14 des Schlußprot. zum Bertr.

worden.

44. Vgl. 88 128, 131 und 133 B.-Z.-G. v. 1. Juli 1869. 45. Dgl. § 2 G., betr. die Portofreiheiten im Gebiet des Norddeutschen Bundes, eingeführt in E.-L. durch G. v. 1. März 1872.

46. Art. 17 ist aufgehoben und ersetzt durch Art. 39 R.-B.

1873 (25. Juni [8. Juli 1867]) Bereins-Kontrolöre und Bevollmächtigten trägt der Verein. 21. Die vertragenden Theile werden Erfindungspatente und Privilegien nur unter Beachtung der in der Uebereinkunft vom 21. September 1842 festgestellten Grundsätze ertheilen. Sollte einer von ihnen während der Dauer des gegen­ wärtigen Vertrages von dieser Verpflichtung zurücktreten wollen, so wird er seinen Rücktritt den übrigen vertragenden Theilen drei Monate vor der Ausführung erklären. Dieser Rücktritt darf sich jedoch weder auf die Bestimmung unter Nr. III der gedachten Uebereinkunft, noch auf die Verpflich­ tung erstrecken, die Angehörigen der übrigen vertragenden Theile sowohl in Betreff der Verleihung von Patenten, als auch hinsichtlich des Schutzes für die durch die Patenter­ theilung begründeten Befugnisse den eigenen Angehörigen gleich zu behandeln. 50

22. Chausseegelder oder andere statt derselben bestehende Abgaben, ebenso Pflaster-, Damm-, Brücken- und Fährgelder, oder unter welchem anderen Namen dergleichen Abgaben bestehen, ohne Unterschied, ob die Erhebung für Rechnung des Staates oder eines Privatberechtigten, na­ mentlich einer Kommune geschieht, sollen sowohl auf Chausseen, ass auch auf unchaussirten Landund Heerstraßen, welche die unmittelbare Ver­ bindung zwischen den an einander grenzenden Bereinsstaaten bilden und auf denen ein größerer Handels- und Reiseverkehr stattfindet, nur in dem Betrage beibehalten oder neu eingeführt werden können, als sie den gewöhnlichen Herstellungs­ und Unterhaltungskosten angemessen sind. Das in dem preußischen Chausseegeld-Tarise vom Jahre 1828 bestimmte Chausseegeld soll als der höchste Satz angesehen, und hinfüro in den Gebieten keines der vertragenden Theile über­ schritten werden, mit alleiniger Ausnahme des Chausseegeldes auf solchen Chausseen, welche von Korporationen oder Privatpersonen oder auf Aktien angelegt sind oder angelegt werden möchten, insofern dieselben nur Nebenstraßen sind oder blos lokale Verbindungen einzelner Ortschaften oder Gegenden mit größeren Städten oder mit den eigentlichen Haupthandelsstraßen bezwecken. An Stelle der vorstehend in Beziehung auf die Höhe der Chausseegelder eingegangenen Verbind­ lichkeit tritt für Oldenburg die Verpflichtung, die dermaligen Chausseegeldsätze nicht zu erhöhen. Besondere Erhebungen von Thorsperr- und Pflastergeldern sollen auf chaussirten Straßen da, wo sie noch bestehen, dem vorstehenden Grund­ sätze gemäß aufgehoben und die Ortspflaster den Chausseestrecken dergestalt eingerechnet werden, daß davon nur die Chausseegelder nach dem allge­ meinen Tarife zur Erhebung kommen.51 52 23. Die Wasserzölle oder auch Wegegeldgebüh­ ren auf Flüssen, mit Einschluß derjenigen, welche das Schiffsgefäß treffen (Rekognitionszebühren), sind von-der Schifffahrt auf solchen Flüssen, auf 50. Vgl. Art. 4 Nr. 5 R.-B. u. Patentgesetz v. 25. Mai 1877. 51. Vgl. Nr. 16 des Schlußprot. III. Band.

353

welche die Bestimmungen des Wiener Kongresses oder besondere Staatsverträge Anwendung finden, ferner gegenseitig nach jenen Bestimmungen zu entrichten, insofern hierüber nichts Besonderes

verabredet worden ist, oder verabredet werden wird. Auf den übrigen Flüssen, bei welchen weder die Wiener Kongreßakte noch andere Staatsver­ träge Anwendung finden, werden die Wasserzölle oder Wafferwegegelder nach den privativen An­ ordnungen der betreffenden Regierungen erhoben. Diese Abgaben sollen jedoch den Betrag von V< Gr. vom Zollzentner oder 1 Kr. vom bayeri­ schen Zentner für die Meile nicht übersteigen. Auf allen diesen Flüssen wird jeder Vereins­ staat die Angehörigen der anderen Bereinsstaaten, deren Waaren und Schiffsgefäße in jeder Bezie­ hung, insbesondere auch hinsichtlich der Binnen­ schifffahrt, gleich seinen eigenen behandeln. 52 24. In den Gebieten der vertragenden Theile sollen Stapel- und Umschlagsrechte auch ferner nicht zulässig sein. Niemand soll zur Anhaltung, Verladung oder Lagerung gezwungen werden kön­ nen, als in den Fällen, in welchen die gemein­ schaftliche Zollordnung oder die betreffenden Schiff­ fahrts-Reglements es zulassen oder vorschreiben. 25. Kanal-, Schleusen-, Brücken-, Führ-, Hafen-, Waage-, Krahnen- und Niederlagegebühren und Leistungen für Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind, sollen nur bei Be­ nutzung wirklich bestehender Einrichtungen erhoben werden und, mit Ausnahme der Abgaben für die Befahrung der nicht im Staatseigenthum befind­ lichen künstlichen Wasserstraßen, die zur Unter­ haltung und gewöhnlichen Herstellung erforder­ lichen Kosten nicht übersteigen. Alle diese Abgaben, sollen von den Angehörigen aller Vereinsstaaten auf völlig gleiche Weise, wie von den eigenen Angehörigen, ingleichen ohne Rücksicht auf die Bestimmung der Waaren erhoben werden. Findet der Gebrauch einer Waageeinrichtung nur zum Behufe der Zollermittelung oder über­ haupt einer zollamtlichen Kontrole statt, so tritt eine Gebührenerhebung nicht ein.53 26. Die vertragenden Theile werden gemein­ schaftlich dahin wirken, daß durch Annahme gleich­ förmiger Grundsätze die Gewerbsamkeit befördert, und der Befugniß der Angehörigen des eines

52. Vgl. Art. 4 Nr. 9 R.-B.; ferner Bertr. v. 14. Dez. 1865 (Bertr. Bd. V S. 453) betr. die Suspension der Weser­ zölle, die Friedensverträge von 1866 (Bertr. Bd. V S. 456) betr. die Einstellung der Abgavenerhebung auf dem Rhein, Main und Neckar, die revidirte Rheinschiffahrtsakte v. 17. Okt. 1868 und den Bertr. v. 22. Juni 1870 (Bertr. Bd. V S. 556) betr. die Aufhebung der Elbzölle. Außerdem G. über die FlößereiabgaVe v. 1. Juni 1870 (G.-B. d. N.-B. S. 312), eingeführt als Reichsgesetz durch § 12 G. v. 22. April 1871 (R.-G.-M. S. 90), und G. v. 29. Jan. 1873, betr. Aufhebung der BinnenschifffahrtsaVgaben.

53. Bgl. 88 8 u. 10 B.-Z.-G. v. 1. Juli 1869.

23

354

1873 (25. Juni

Staates, in dem anderen Arbeit und Erwerb zu suchen, möglichst freier Spielraum gegeben werde. Bon den Angehörigen eines Bereinsstaates, welche in dem Gebiete eines anderen Handel und Gewerbe treiben, oder Arbeit suchen, soll keine Abgabe entrichtet werden, welcher nicht gleichmä­ ßig die in demselben Gewerbsverhältnisse stehenden eigenen Angehörigen unterworfen sind. Desgleichen sollen Kaufleute, Fabrikanten und andere Gewerbetreibende, welche sich darüber aus­ weisen, daß sie in dem Bereinsstaate, wo sie ihren Wohnsitz haben, die gesetzlichen Abgaben für das von ihnen betriebene Geschäft entrichten, wenn sie persönlich oder durch in ihren Diensten stehende Reisende Ankäufe machen, oder-Bestellungen, nur Unter Mitführung von Mustern, suchen, in den anderen Staaten keine weitere Abgabe hierfür zu entrichten verpflichtet sein. Auch sollen beim Besuche der Märkte und Messen zur Ausübung des Handels und zum Absätze eigener Erzeugnisse oder Fabrikate in jedem Bereinsstaate die Angehörigen der anderen Bereinsstaaten ebenso wie die eigenen Angehörigen behandelt werden. 54

27. Die vertragenden Theile werden gemein­ schaftlich dahin wirken, für das Maßsystem und, soweit nöthig, für das Gewichtssystem ihrer Ge­ biete die zur Förderung des gegenseitigen Ver­ kehrs wünschenswerthe Uebereinstimmung her­ beizuführen. 55 28. Die Seehäfen der Staaten des Norddeutschen Bundes sollen dem Handel der Angehörigen der übrigen vertragenden Theile gegen völlig gleiche Abgaben, wie solche von den eigenen Angehörigen entrichtet werden, offen stehen; auch sollen die in fremden See- und anderen Handelsplätzen angestellten Kon­ suln eines oder des anderen der vertragenden Theile ver­ anlaßt werden, der Angehörigen der übrigen Bereinsstaaten sich in vorkommenden Fällen möglichst mit Rath und That anzunehmen.56 54 55

29. Der gegenwärtige Vertrag tritt mit dem 1. Januar 1868 in Wirksamkeit. Er soll, sofern er nicht vor dem 1. Januar 1876 von dem einen oder dem anderen der vertragenden Theile aufgekündigt wird, auf weitere zwölf Jahre und so fort von zwölf zu zwölf Jahren als verlängert angesehen werden. 57 58

Er soll alsbald zur Ratifikation der vertragen­ den Theile vorgelegt und die Auswechselung der Ratifikations-Urkunden spätestens am 31. Oktober -es laufenden Jahres in Berlin bewirkt werden.

54. Vgl. Nr. 17 des Schlußprot., ferner Art. 4 Nr. 1 R.-B., sowie G. v. 1. Nov. 1867 über die Freizügigkeit, ein­ geführt in E.-L. durch G. v. 8. Jan. 1873, und G. v. 14. Mai 1877, betr. das Aufsuchen von Waarenbestellungen und den Gewerbebetrieb im Umherziehen.

55. Dgl. Art. 4 Nr. 3 R.-B., sowie die Maß- u. Gewichtsvrdnung v. 17. Aug. 1868, eingeführt in E.-L. durch G. v. 19. Dez. 1874. 56. Dgl. Art. 4 Nr. 7 u. Artt. 54 u. 56 R.-B.

57. Bgl. Artt. 33 u. 40 R.-B., wonach die Bereinigung und jfcie Gültigkeit des Vertrages eine dauernde ist.

[8. Juli 1867])

Schluß-Protokoll. 1. Zum Artikel 1 des Vertrages. 1) Die Verabredung, welche im Artikel 1 des Vertrags über die Wirksamkeit der daselbst ge­ nannten Verträge getroffen ist, soll auch auf dieje­ nigen näheren Bestimmungen und Abreden, welche in den zu jedem dieser Verträge gehörigen Pro­ tokollen enthalten sind, sowie überhaupt auf alle in Folge der Zollvereinigungsverträge zum Voll­ züge derselben und zur weiteren inneren Aus­ bildung des Vereins getroffenen Vereinbarungen Anwendung finden. 2) Durch die Bestimmung in diesem Artikel wird der Berücksichtigung der in Schleswig-Hol­ stein bestehenden besonderen Verhältniffe bei der daselbst vorzunehmenden Zollorganisation nicht vorgegriffen.

2. Zum Artikel 3 § 7 des Vertrages.

Man ist übereingekommen, daß, als Ausnahme von dem bei Ausführung der Vorschrift im § 43 des Zollgesetzes seither befolgten Grundsätze, Roh­ eisen und altes Brucheisen, welches für Eisengieße­ reien, Hammerwerke und Walzwerke zur Verarbei­ tung mit der Bestimmung eingeht, die darausgefer­ tigten Waaren in das Ausland auszuführen oder für den Bau von Seeschiffen zu verwenden, unter den in der Anlage A näher bezeichneten Be­ dingungen und Kontrolen, auf Bereinsrechnung zollfrei abgelassen werden kann. 58 3. Zum Artikel 4 des Vertrages. Man ist darüber einverstanden, daß die Bestimmungen im Artikel 4, indem sitz die Fortdauer de« in einzelnen BereinSstaaten zur Zett bestehenden Verbots der Einfuhr von Spielkarten ausschließt, der Befugniß der BereinSregierungen keinen Einttag thut, wie von inländischen, so auch von den auS anderen Bereinsstaaten oder aus dem BereinSauslande eingehenden Spielkarten eine Stempelavgave zu erheben. Letztere wird von fremden Spielkarten mit keinem höheren Betrage erhoben werden, als von den im Lande der Erhebung verferttgten. Spielkarten, welche aus dem freien Verkehr eines Ber­ einsstaates nach einem Bereinsstaate, in welchem eine Stempelabgabe erhoben wird, zum Verbleib oder zum Durchgänge versendet werden, unterliegen der Uebergangsschein-Kontrole.59

4. Zum Artikel 5 Nr. II §§ 2,3,4, 5 unb 7 des Vertrages.

Die im Artikel 11 des Vertrages vom 16. Mai 1865 unter Nr. II §§ 2, 3, 4, 5 und 7 enthal­ tenen, auf die innere Steuer von Taback bezüg­ lichen Verabredungen sind in den Vertrag vom heutigen Tage nur deshalb nicht übernommen worden, weil sie ihre Erledigung finden werden, 58. Bgl. B.-R.-B. v. 30. Mai 1879 (8 315 d. Prot.). Schluß­ satz ; ferner § 5 Nr. 10 G. v. 15. Juli 1879 u. B.-R.-B. v. 13. Juli 1879 (§ 451 d. Prot.), sowie B.-R.-B. v. 5. Dez. 1879 (§ 610 d. Prot.), betr. die Zollvergütungssätze für Schiffs­ baumaterialien.

59. Aufgehoben durch G. v. 3. Juli 1878, den Spielkarten­ stempel betr.

1873 (25. Juni sobald die im Artikel 3 Z 4 des Vertrages vom heutigen Tage getroffene Bestimmung zur Aus­ führung gelangt sein wird. Sie bleiben daher bis zu diesem Zeitpunkte in voller Wirksamkeit.^

5. Zum Artikel 5 § 5 des Vertrages.

Eine Uebersicht der Steuersätze, welche in denjeni­ gen Vereinsstaaten, wo innere Steuern auf die Her­ vorbringung oder Zubereitung gewisser Erzeug­ nisse gelegt sind, von den gleichnamigen vereins­ ländischen Erzeugnissen erhoben oder bei der Ausfuhr solcher Erzeugnisse nach anderen Vereins­ staaten rückvergütet werden, ist unter B beigefügt.60 61 6. Zum Artikel 6 des Vertrages.

In Beziehung auf die schon bisher zum Zoll­ verein gehörigen Staaten bleiben diejenigen An­ ordnungen aufrecht erhalten, welche rücksichtlich des erleichterten Verkehrs der ausgeschlossenen Lan­ destheile mit dem Hauptlande gegenwärtig bestehen. 7. Zum Artikel 8 § 3 des Vertrages. Der Aufwand für die, den Ausschüssen zur Verfügung gestellten Beamten wird zwischen dem Norddeutschen Bunde und den Süddeutschen Staaten nach dem Verhältniß vertbeilt werden, in welchem die in die Kaffe des ersteren Me­ ßenden Zölle und Verbrauchsabgaben zu den Antheilen stehen, welche die letzteren von den, nach Art. 10 des Vertrages in die Gemeinschaft fallenden Abgaben erhalten.62

8. Zum Artikel 8 § 6 des Vertrages. Preußen wird, unbeschadet seiner ausschließlichen Be­ rechtigung, im Namen deS Vereins Handels- und Schiffahrts­ verträge mit fremden Staaten einzugeyen, bei Verträgen mit Oesterreich und der Schweiz die angrenzenden Vereins­ staaten zur Theilnahme an den dem Abschluß vorangehenden Verhandlungen einladen. Im Falle eine Uebereinstimmung nicht zu erzielen, wird es dessenungeachtet bei der Bestim­ mung deS § 6 sein Bewenden behalten.63 64 *

9. Zum Artikel 8 § 12 des Vertrages.

1) Die Funktionen, welche durch die, int § 1 des gegenwärtigen Protokolls bezeichneten Be­ stimmungen, Abreden und Vereinbarungen der Generalkonferenz übertragen sind, gehen auf den Bundesrath des Zollvereins über. 2) Man ist darüber einverstanden, daß der Bundesrath des Zollvereins auch diejenigen, feinem Geschäftskreise angehörenden Angelegenheiten zu erledigen hat, welche aus der Zeit vor dem 1. Januar k. I. herrühren und auf dem vertrags­ mäßigen Wege nicht haben erledigt werden können. 10. Zum Artikel 12

des Vertrages. 64

60. Erledigt durch G. über die Besteuerung des Tabacks D. 26. Mai 1868. Gegenwärtig G. v. 16. Juli 1879.

61. Die in Anlage B enthaltene Uebersicht hat wiederholt erhebliche Modifikationen erfahren und ist deshalb hier nicht abgedruckt; vgl. Bkm. des R.-K. v. 15. Jan. 1877.

62. Aufgehoben, indem der fragliche Aufwand aus der Reichskasse bezahlt wird. 63. Vgl. Art. 11 Abs. 1 u. 3 R.-B. 64. Diese Vereinbarung ist durch Einführung des Münz­ gesetzes und nachdem eine Bertheilung der Einnahmen über­ haupt nicht mehr stattfindet, außer Wirksamkeit getreten.

[8. Juli 1867])

355

11. Zum Artikel 13 des Vertrages. Die unter c anliegende Nachweisung enthält die­ jenigen Beträge, welche bei dem Neubau eines Seeschiffes für die nicht speziell nachzuweisenden Eisenbestandtheile als Zollvergütung höchstens zu gewähren sind. 65 12. Zum Artikel 14 des Vertrages.

Die unter Nr. 6 f 2 und 3, Nr. 10 c, Nr. 12 g, Nr. 19 a und b, Nr. 21 a 1, Nr. 27 b, c, d und e, Nr. 31 c, Nr. 35 b und c, Nr. 38 b, c und d und Nr. 40 b und c der zweiten Ab­ theilung des bis zum 1. Juli 1865 gültig gewe­ senen Bereinstarifs begriffenen Gegenstände sollen, ungeachtet sie durch den gegenwärtig bestehenden Zolltarif mit geringeren Zollsätzen belegt sind, als dem im ß 3 der Leipziger Meßordnung vom 4. Dezember 1833 und den analogen Bestim­ mungen für andere Meßplätze festgesetzten Mini­ malsatze, auch fernerhin kontosähig bleiben. 13. Zum Artikel 16 des Vertrages.

Mit Rücksicht auf das besonders ungünstige Ver­ hältniß, welches zwischen der Länge der Zollgrenze des Herzogthums Oldenburg auf der einen und dem Flächeninhalte, sowie der Bevölkerung desselben auf der anderen Seite obwaltet, wird Oldenburg ausnahmsweise ein Zuschuß zu seiner Bausch­ summe, und zwar auf Höhe von 4500 Thalern auch ferner gewährt werden.66

14. Zum

Artikel 28 des Vertrages vom 4. April 1853.

Auf Grund der Verabredung unter Nr. 13 des Schlußprotokolls vom 16. Mai 1865 ist für Oldenburg eine besondere Direktivbehörde errichtet worden.

15. Zum Artikel 20 des Vertrages. 1) Preußen61 wird zur Ausübung der ihm nach Art. 20 des Vertrages vom heutigen Tage zuste­ henden Kontrole auch Beamte der anderen Vereins­ staaten, unter Berücksichtigung der Wünsche der betreffenden Regierungen, verwenden. 2) Als Grundlage der in diesem Artikel erwähn­ ten Instruktion, welche das Geschästsverhältniß der den Direktivbehörden der Bereinsstaaten bei­ zuordnenden Bevollmächtigten näher bestimmen soll, ist verabredet worden, daß ein solcher Be­ vollmächtigter da, wo er seinen Sitz erhalten hat, die nachstehend bestimmte Wirksamkeit auszuüben berechtigt sein sott. 68 65. Vgl. B.-R.-B. v. 13. Juli 1879 (8 451 d. Prot.) Nr. 3. 66. Dgl. wegen deS Zuschusses für E.-L. den B.-R.-B. v.

9. Mai 1873. 67. Vgl. Art. 36 R.-B.

68. Vgl. auch im Hinblick auf Nr. 1 des Schlußprot. fol­ gende, zum Theil noch in Kraft befindliche ältere Verein­ barungen : die Verabredung

im 8 26 Ziff. 1 deS Prot. der Karls­

ruher Bollzugskommission v. 5/29. Ott. JL835 (Bd. II Bertr. S. 96 ;

356

1873

(25. Juni (8. Juli 1867])

a) Derselbe kann allen Sitzungen der Direktivbehörde beiwohnen. Eine jede BerfLgung und An­ weisung, welche die letztere oder deren Borstand in Beziehung auf die Verwaltung der gemein­ schaftlichen Abgaben an die ihr untergeordneten Behörden ergehen läßt, muß vor der Ausfertigung ihm, sofern er am Orte anwesend ist, zur Einsicht im Konzepte vorgelegt und darf nicht eher aus­ gefertigt werden, als nachdem er sein Bisa beige­

setzt hat. b) Dieses Visa soll der Bevollmächtigte zwar weder verweigern noch verzögern dürfen, bei Ertheilung desselben ist er jedoch berechtigt, wenn er befürchtet, daß aus dem Vollzüge der Verfügung oder Anweisung ein Nachtheil für den Zollverein entstehen möchte, seine abweichende Absicht motivirt auf dem Konzepte zu vermerken, und zu ver­ langen, daß die Direktivbehörde wenigstens gleich­ zeitig mit dem Erlasse der fraglichen Verfügung an das ihr vorgesetzte Ministerium Bericht er­ statte. c) Insofern das Letztere nicht rechtzeitig Ab­ hülfe getroffen haben, oder eine Verständigung mittels Korrespondenz der Ministerien oder der obersten Zollbehörden der betreffenden Staaten nicht inzwischen eingetreten sein sollte, ist an den Bundesrath des Zollvereins zu rekurriren, um die Differenz und den etwanigen Anspruch auf Ent­ schädigung des Vereins gegen diejenige Regierung, deren Behörde dazu Veranlassung gegeben hat, zur Entscheidung zu bringen. d) Zu den Befugnissen des Bevollmächtigten gehört auch die Visitation des Grenz- und Revi-

den Beschluß der III. Gen.-Konf. (§ 9 Ziff. I Hauptprot.) v. 16. Sept. 1839; den Beschluß der VIII. Gen.-Konf. (§ 28 Nr. 1-4 Haupt­ prot.) v. 17. Aug. 1846; die in dem Bericht des B.-R.-Ausschuffes für Rechnungs­ wesen, betr. die BereinSbevollmLchttgten und Stationskontrolöre, v. 1. Mai 1868 niedergelegten Auffassungen (Bd. V Bertr. S. 471); sodann: das Rescript des Borsitzenden des Bundesraths deS Zoll­ vereins v. 28. Dez. 1868 (Jahrb. der Zollgesetzgebung u. s. w. 1869 S. 561), Vetr. die dienstliche Unterordnung der Bevoll­ mächtigten unter daS R.-K.-A.; den B.-R.-D. v. 12. April 1872 (§ 150 d. Prot.), betr. Ausdehnung der ReichSkontrole auf die Branntweinsteuer; die B.-R.-B. v. 5. Juli 1872 (§ 449 d. Prot.) und v. 2. Febr. 1874 (8 60 d. Prot.), betr. Aufhebung der Befreiung der Bevollmächtigten u. StationSkontrolöre von den Staats­ und Gemeindesteuern am Orte ihres dienstlichen Wohnsitzes ; den Erlab deS R.-K.-A. v. 7. Febr. 1874 betr. die amtliche Benennung der seitherigen „Bevollmächtigten des Zollvereins" als „Reichsbevollmächtigte für Zölle und Steuern". Die Bestimmungen über Besoldung, WohnungSgeldzuschüffe, Amtsunkosten, Diäten und Reisekosten, Umzugskosten und Gnadenkompetenzen für Hinterbliebene der Bevollmächtigten und StationSkontrolöre sind in folgenden Beschlüffen des Bundesraths niedergelegt: 14. Mai 1868 i§ 111 d. Prot.); — 8. Mai 1869 (§ 40 d. Prot.); — 17. April und 14. Mai 1870 (88 30 und 73 d. Prot.); — 17. März, 11. Mai und 29. Sept. 1871 (88 80, 221 u. 422 d. Prot.); — 29. April und 27. Nov. 1873 (88 201 und 484 d. Prot.); — 5. Juli 1872 (8 508 d. Prot.); — 13. Febr. 1875 (8 132 d. Prot.); — 6. März 1876 (8 124 d. Prot.);

sionsdienstes auf der Zolllinie und des Verfahrens bei der Zoll- und Steuererhebung in dem Gebiete, wo er beglaubigt ist, wobei derselbe sich der Bei­ hülfe der ihm hierzu zugewiesenen Beamten be­ dienen kann. Er ist jedoch nicht berechtigt, bei solchen Revisionen Befehle an die Zoll- oder Steuerbeamten zu ertheilen oder Anordnungen in der Verwaltung zu treffen, vielmehr kann er nur bei der betreffenden Direktivbehörde die schleunige Abstellung der von ihm etwa entdeckten Mängel in Antrag bringen. e) Es steht dem Bevollmächtigten, wie jedem Mitgliede der Direktivbehörde, die Einsicht der Akten, Bücher, Rechnungen und Register rc. sowohl dieser Behörde, als auch der Zoll- und Steuer­

erhebungsbehörden zu. f) Er kann die Rechnungen über die gemein­ schaftlichen Abgaben prüfen und dagegen Erinne­ rungen machen, ohne jedoch die Führung und Abnahme derselben, ingleichen die Entscheidung der Erinnerungen durch die dem Rechnungsführer vorgesetzte Dienstbehörde aufzuhalten. Findet er die Entscheidung dem Bereinsinteresse nicht ent­ sprechend, so hat er den betreffenden Gegenstand bei dem Bundesrathe zur Anzeige zu bringen. 16. Zum Artikel 22 des Vertrages. In Betreff des Betrages des Chausseegeldes im Königreiche Sachsen und in denjenigen zu dem Thüringischen Vereine gehörigen Ländern, wo die Meilen eben so lang, als die Sächsischen Meilen sind, verbleibt es bei den darüber in den Schluß Protokollen zu den Verträgen vom 30. März und 11. Mai 1833 getroffenen Verabredungen.

17. Zum Artikel 26 des Vertrages. Man ist darüber einverstanden, daß die im dritten Absätze des Art. 26 bezeichneten Gewerbe­ treibenden und Reisenden Waaren zum Verkauf auch ferner nicht mit sich führen, aufgekaufte Waaren aber selbst nach dem Bestimmungsorte mitnehmen dürfen. Das hiernach anzuwendende Formular für die Gewerbe-Legitimationskarten ist unter D beigefügt.6^ Anlage A.

1) Die Begünstigung wird nur solchen Fabri­ kanten ertheilt, welche in Beziehung auf die Beobachtung der Zollgesetze unbescholten sind. 2) Den Fabrikanten wird eine, unter amtlichem Mitverschlusse stehende Privatniederlage von aus­ ländischem Roheisen aller Art und altem Bruch­ eisen bewilligt, für welche sie auf ihre Kosten einen sicheren verschließbaren Raum herzurichten 69. Bgl. 8 1b.®. über die Freizügigkeit v. 1. Nov. 1867. eingeführt in E.-L. durch G. v. 8. Jan. 1873; ferner den B.-R.-B. v. 27. Juni 1873 (8 464 d. Prot.), wonach im Gel­ tungsbereich der Gewerbeordnung v. 21. Juni 1869 den nach 8 44 derselben ausgestellten Legitimationskarten die gleiche Wirkung, wie den nach Art. 26 des Z.-B.-B. auszustellenden Gewerbelegitimationskarten zukommt. Die Gewerbeordnung ist in E.-L. nicht eingeführt.

1873 (25. Juni [8. Juli 1867] — 27. Juni) haben. Die allgemeinen Bestimmungen über die unter Mitverschluß der Zollbehörde stehenden Privatniederlagen finden auf diese Niederlage gleichmäßig Anwendung. Die Niederlegung des Roh- und Brucheisens kann auch in einer öffentlichen Niederlage stattstnden. 3) Bei der betreffenden Zoll- oder Steuerstelle wird für jeden Fabrikanten ein Konto geführt, in welchem die Mengen des eingeführten, in die Niederlage gebrachten, ausländischen Roh- und Brucheisens und die Gattung und Mengen der daraus verfertigten, in das Ausland ausge­ führten, in einer öffentlichen Niederlage nieder­ gelegten oder für den inländischen Schiffbau ver­ wendeten Waaren nachgewiesen werden. 4) Wenn aus der Niederlage Roh- oder Bruch­ eisen zur Bearbeitung für das Ausland oder zu Schiffbaugegenständen entnommen werden soll, so hat der Fabrikant der betreffenden Zoll- oder Steuerstelle solches unter Angabe der daraus zu verfertigenden Waaren zeitig zuvor mittels schrift­ licher Anmeldung anzuzeigen. Die angemeldete Menge wird aus der Nieder­ lage verabfolgt, der Abgang auf der Anmeldung bescheinigt und im Konto bemerkt. 5) Die Abschreibung vom Niederlagekonto er­ folgt, nachdem die Ausfuhr, die Niederlegung in einer öffentlichen Niederlage, oder die Verwendung zum Schiffbau der aus dem verabfolgten Rohoder Brucheisen verfertigten Gegenstände beschei­ nigt worden, und zwar auf Höhe des Gewichtes dieser Gegenstände. 6) Am Schluffe jedes Quartals wird der Zoll­ betrag fällig, welcher der Differenz zwischen dem Gewichte der im Laufe des vorletzten Quartals von der Niederlage abgemeldeten und dem Ge­ wichte der im Laufe des letzten Quartals von dem Niederlagekonto abgeschriebenen Menge ent­ spricht. Ist die letztere Menge größer als die erstere, so kommt die Differenz bei dem nächsten Quartalabschluffe zur Anrechnung. 7) Lagerrevisionen finden ganz nach dem Er­ messen der Zollverwaltung statt, jedenfalls aber

357

wird mindestens einmal im Jahre eine Revision der ganzen Niederlage vorgenommen. 8) Die Fabrikanten haben die über den Fabrik­ betrieb zu führenden Bücher (Fabrik- oder Betriebsbücher) so einzurichten, daß daraus ohne besondere Schwierigkeiten ersehen werden kann, welche Arten von Waaren hergestellt sind und welches Material dazu benutzt worden ist. Die Einsicht dieser Fabrik- oder Betriebsbücher ist den mit der Beaufsichtigung der Fabrik beauf­ tragten Beamten jederzeit zu gestatten. Auch sind die Fabrikanten verpflichtet, auf Ver­ langen des Hauptamtes, die Einsicht ihrer sonsti­ gen Geschäftsbücher und Korrespondenzen zu gestatten, um Ueberzeugung davon zu gewähren, wessen Bestellungen sie ausführen, sowie ob und in welchem Umfange sie inländisches Eisen oder Eisenwaaren beziehen. 9) Der Zollverwaltung bleibt ferner Vorbehal­ ten, nach Befinden weitere Kontrolen anzuordnen, namentlich aber den Betrieb der Fabriken durch Aufsichtsbeamte speziell überwachen zu lassen. Diesen Beamten ist der Zutritt zu allen Fabrik­ räumen zu jeder Tageszeit und auch zur Nacht­ zeit so lange zu gestatten, als in der Fabrik gearbeitet wird. 10) Die Zollverwaltung ist befugt, die Begün­ stigung jederzeit zurückzunehmen. Die Zurücknahme soll immer erfolgen, wenn ein Fabrikant wegen Defraudation die gesetzliche Strafe verwirkt hat, und sie kann insbesondere auch dann ausgesprochen werden, wenn ein Buch­ führer oder Arbeiter der Fabrik in solcher Art wegen Vergehungen, welche er im Jnteressedes Fa­ brikanten verübt hat, mit Strafebelegt worden ist. 11) Die Fabrikanten haben sich einer, von der Direktivbehörde zu bestimmenden Konventional­ strafe bis zu der Summe von 100 Thalern in allen Fällen zu unterwerfen, in welchen sie den im Jntereffe der Zollverwaltung von den zustän­ digen Zoll- oder Steuerbehörden getroffenen An­ ordnungen keine Folge leisten, vorbehaltlich der Zurücknahme der Begünstigung bei fortgesetzter Weigerung.

27. Juni 1873.

Sekanntmachnvg -es Reichskanzlers, betreffen- -ie Kre-itirung -er Sranntweinstener.1 Straßb. Ztg. Nr. 166.

In Beziehung auf die Kreditirung der Brannt­ weinsteuer werden nachstehende Vorschriften zur öffentlichen Kenntniß gebracht: 8 1. Jedem Brennereibesitzer kann gestattet werden, die Maischbottich- oder Branntweinmate­ rialsteuer statt am Ende des Monats, an welchem sie fällig ist, erst zwei Monate später zu zahlen. 1. Vgl. Bf. des Dir. v. 3. Juli 1873 (A.-Bl. S. 199).

2. Brennereibesitzern, die jährlich wenigstens 2000 Frank in Maischbottich- oder Branntwein­ materialsteuer entrichten, kann ein Kredit auf die zu entrichtende Steuer für längstens sechs Monate gewährt werden, dergestalt, daß die Kreditfrist für die einzelnen Steuerbeträge mit dem Anfang desjenigen Monats beginnt, welcher auf den Monat folgt, für welchen jeder einzelne Steuer­ betrag nach dem Gesetze fällig geworden ist, und

358

1873 (27. Juni — 30. Juni — 7. Juli)

die Abtragung nach Ablauf der bewilligten Frist von Monat zu Monat zu erfolgen hat.

Bei neu entstehenden Brennereien kann dieser Kredit bewilligt werden, wenn nach der Einrich­ tung der Brennerei und den Mitteln des Besitzers anzunehmen ist, daß die Bedingung der Entrich­ tung von wenigstens 2000 Frank Steuer im Jahre werde erfüllt werden. 3. Zur Bewilligung des Kredits nach § 1 ge­ nügt die Stellung eines zahlungsfähigen Bürgen.

Für den nach § 2 verwilligten Kredit muß volle Sicherheit geleistet werden. Die Steuer kann nur bis zum Betrag der bestellten Sicherheit ge­ stundet werden. 4. Die Bestimmungen der Anweisung vom 25. November 1871, betreffend die Kreditirung der Ein- und Ausgangsabgaben (Straßburger Zeitung 1871 Nr. 304),2 finden im übrigen auch auf die Kreditirung der Branntweinsteuer Anwendung. 2. A -Bl. S. 677.

30. Juni 1873. Gesetz, betreffend die Zuwiderhandlungen gegen die gesetzlichen Vorschriften über deu Uebergavgsverkehr mit steuerpflichtigen Gegenstände«. G.-Bl. S. 129. § 1. Der Defraudation der bei der Einfuhr von steuerpflichtigen Gegenständen aus den übri­ gen Theilen des deutschen Zollgebiets nach ElsaßLothringen zu entrichtenden inneren (Uebergangs-) Abgaben macht sich schuldig: 1) wer dergleichen steuerpflichtige Gegenstände bei der vorgeschriebenen Anmeldestelle nicht oder in zu geringer Menge oder in einer Beschaffen­ heit, welche eine geringere Abgabe würde begrün­ det haben, anmeldet; 2) wer bei der Einfuhr von dergleichen Gegen­ ständen die vorgeschriebene Uebergangsstraße nicht einhält; 3) wer Wein, (Traubenwein oder Obstwein) mit einem Uebergangsschein oder einer an Stelle der Uebergangsscheine zugelassenen amtlichen Transportbezettelung, welche mit der Ladung, oder der Zeit oder Richtung des Transports nicht über­ einstimmt, transportirt; 4) wer der Verpflichtung, die mit einer amt­ lichen Transportbezettelung eingeführten steuer­ pflichtigen Gegenstände in unveränderter Gestalt und Menge an dem vorgeschriebenen Orte zur Steuerabfertigung zu stellen, innerhalb der vorge­ schriebenen Frist nicht nachkommt.1 1. Bgl. G. v. 14. Dez. 1872.

2. Bezüglich der Bestrafung der Defraudatio­ nen (§ 1), sowie bezüglich der Verjährung des Anspruchs auf Nachzahlung der defraudirten Ab­ gaben finden analoge Anwendung: 1) bei den Abgaben von Bier und Branntwein die Bestimmungen im Abschnitt XX des Bereinszollgesetzes vom 1. Juli 1869. 2) bei den Abgaben von Wein (Traubenwein oder Obstwein) die Bestimmungen des Weinsteuer­ gesetzes vom 20. März 1873. 3. Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften, welche in Beziehung auf die Uebergangsscheine und die deren Stelle vertretenden amtlichen Be­ zettelungen erlassen sind, werden, soweit sie nicht unter § 1 fallen, nach den Bestimmungen der §§ 137 Abs. 2, 149, 151—153, 163 und 164 des Bereinszollgesetzes vom 1. Juli 1869 über die Bestrafung der Zuwiderhandlungen gegen die hinsichtlich des Begleitscheinverkehrs bestehenden Vorschriften (§ 58 desselben Gesetzes) bestraft. 4. Bezüglich des Strafverfahrens finden die Bestimmungen des Gesetzes vom 5. Juli 1872, das Verfahren bei Zuwiderhandlungen gegen die Zollgesetze und die Gesetze über die indirekten Steuern betreffend, Anwendung. 5. Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Juli 1873

in Wirksamkeit.

7. Juli 1873. Verordnung des KeichsKauffers, betreffend die Errichtung eines dritten Friedens­ gerichtes in Ltrastburg.' ---------------------1. Bgl. B. t). 7. Juli 1879.

Straßb. Ztg. Nr. 163. _______________________

7. Juli 1873. Verordnung des Reichskanzlers, betreffend die Trennung des Kantons Vigy von dem Friedensgerichtsbezirke Lonrceltes-Lhauffy und die Vereiniguug dieses Kantons mit dem Friedensgerichtsbezirkr Metz II.1 ---------------------1. Bgl. D. v. 7. Juli 1879.

Sammlung G.-Pr. II Nr. 241.

359

1873 (9. Juli)

9. Juli 1873.

Lekarmtmachimg des Keichskanzlers, betreffend die Einführung der revidirten Instruktion )«m Neichsgefetze über Mastregeln gegen die Rinderpest. G.-Bl. S. 170.

Die nachfolgende, durch Kaiserlichen Erlaß vom 9. Juni 1873 genehmigte revidirte Instruktion zum Reichsgesetze, Maßregeln gegen die Rinder­ pest betreffend, vom 7. April 1869, eingeführt in Elsaß-Lothringen durch Gesetz vom 11. Dezember 1871 (Gesetzbl. für Elsaß-Lothringen S. 403), wird unter Bezugnahme auf § 8 des Gesetzes zur Nachachtung bekannt gemacht.

Revidirte Instruktion zu dem Gesetze vom 7. April 1869, Maßregeln gegen die Rinderpest be­ treffend.

Nachstehende Instruktion zur Ausführung von § 8 des Gesetzes vom 7. April 1869, Maßregeln gegen die Rinderpest betreffend, tritt an die Stelle der Abschnitte I, II und in der bisherigen In­ struktion vom 26. Mai 1869 (Bundes-Gesetzbl. S. 149). Ihre Bestimmung ist, den Behörden eine allgemeine Anleitung zu geben, ohne die Nothwendigkeit der besonderen Entschließung über Einzelheiten und über die Ausdehnung der Maß­ regeln in jedem einzelnen Falle auszuschließen. Leitender Grundsatz soll sein: den Zweck ohne unverhältnißmäßige anderweite wirthschaftliche Opfer für die Bevölkerung zu erreichen. In der Regel wird dies am besten durch energische Maß­ regeln erfolgen, welche die Seuche in kurzer Zeit tilgen, wenn auch die direkten Opfer scheinbar groß sind. Erster Abschnitt. Waßregetn gegen die Kinfchteppung der Rinderpest in das AnndesgeSiet.

3. Die Einfuhr von Wiederkäuern aus nicht verseuchten Gegenden des betreffenden Landes kann auf bestimmte Stationen beschränkt und da­ von abhängig gemacht werden, daß a) durch amtliches Zeugniß nachgewiesen ist, daß die betreffenden Thiere unmittelbar vor ihrem Abgänge mindestens 30 Tage an einem seuchen­ freien Orte gestanden haben, und daß 20 Kilo­ meter um denselben die Seuche nicht herrscht; b) der Transport durch seuchenfreie Gegenden erfolgte; c) die betreffenden Thiere beim Uebergange über die Grenze von einem amtlichen Thierarzte untersucht und gesund befunden worden sind. Dabei können indessen erleichternde Bestimmun­ gen für die Einfuhr von Schlachtvieh nach solchen Städten getroffen werden, in welchen öffentliche Schlachtskätten vorhanden sind, die durch Schienen­

stränge mit der Eisenbahn, auf welcher die Ein­ fuhr stattfindet, in Verbindung stehen. Die Ein­ fuhr muß für jeden besonderen Fall von der Be­ hörde genehmigt werden und hat unter Beobach­ tung der für jeden Fall besonders zu erlassenden polizeilichen Vorschriften zu erfolgen. 4. Weitergehende Beschränkungen (§§ 1—3) der Einfuhr von Thieren, thierischen Produkten und giftfangenden Sachen können gegenüber solchen Ländern angeordnet werden, von welchen wegen zeitiger umfangreicher oder ständiger Ver­ seuchung die Einschleppung der Rinderpest in her­ vorragender Weise droht. 5. Was von der Einfuhr gesagt ist, gilt auch von der Durchfuhr.

a) Bei dem Ausbruche in entfernten Gegenden.

b) Bei dem Auftreten in der Nähe.

§ 1. Tritt die Rinderpest in entfernten Gegen­ den des Auslandes auf, welche durch Eisenbahnen oder durch Schifffahrt in solcher Verbindung mit dem Jnlande stehen, daß Biehtransporte in verhältnißmäßig kurzer Zeit in das Inland gelan­ gen können, so ist die Einfuhr von Rindvieh, Schafen und Ziegen und anderen Wiederkäuern aus den verseuchten Gegenden ganz zu verbieten. 2. Das Einfuhrverbot hat sich ferner zu er­ strecken auf alle von Wiederkäuern stammenden thierischen Theile in frischem Zustande (mit Aus­ nahme von Butter, Milch und Käse). Dagegen ist der Verkehr mit vollkommen trocke­ nen oder gesalzenen Häuten und Därmen, mit Wolle, Haaren und Borsten, mit geschmolzenem Talg in Fässern und Wannen, sowie auch mit vollkommen lufttrockenen, von thierischen Weich­ theilen befreiten Knochen, Hörnern und Klauen nicht zu beschränken.

6. Tritt die Seuche in Gegenden des Nachbar­ landes auf, welche nicht über 40 bis 80 Kilometer von der Grenze entfernt sind, dann ist für die nach Umständen zu bestimmende Grenzstrecke das

Einfuhrverbot unbedingt auf alle Arten von Vieh mit Ausnahme der Pferde, Maulthiere und auf alle von Wiederkäuern schen Theile in frischem stande (mit Ausnahme

Esel, stammenden thieri­ oder trockenem Zu­ von Butter, Milch

und Käse), auf Dünger, Rauchfutter, Stroh und andere Streumaterialien, gebrauchte Stallgeräthe,

Geschirre und Lederzeuge, auf unbearbeitete (beziehungsweise keiner Fa­ brikwäsche unterworfene) Wolle, Haare und Borsten, auf gebrauchte Kleidungsstücke für den Handel und Lumpen zu erstrecken.

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Personen, deren Beschäftigung eine Berührung mit Vieh mit sich bringt, z. B. Fleischer, Vieh­ händler und deren Personal, dürfen die Grenze nur an bestimmten Orten überschreiten und müssen sich dort einer Desinfektion unterwerfen. Ausnahmen können unter besonderer Genehmi­ gung der Behörde und unter Anordnung der nach den besonderen Umständen erforderlichen Sicherheitsmaßregeln eintreten bezüglich der Ein­ fuhr der im 8 2 Absatz 2 aufgeführten thierischen Produkte, sowie bezüglich in Säcken verpackter Lumpen, sofern die Einfuhr in geschloffenen Eisen­ bahnwagen erfolgt und durch amtliche Begleit­ scheine nachgewiesen ist, daß die betreffenden Ge­ genstände aus völlig seuchenfreien Gegenden stammen. Heu und Stroh, sofern es lediglich als Berpackungsmittel verwendet ist, unterliegt dem Ein­ fuhrverbote nicht, ist jedoch am Bestimmungsorte zu vernichten. 7. Rückt die Seuche bis in die Grenzgegenden vor, oder gewinnt sie längs der Grenze in einer noch vom kleinen Grenzverkehr berührten Entfer­ nung an Ausdehnung, dann hat für die betreffen­ den Grenzstrecken die vollständige Berkehrssperre unter Bildung eines Kordons mit militärischen Kräften einzutreten, im benachbarten Inland treten aber die Vorschriften des II. Abschnitts in Kraft. Der Durchgang von Eisenbahnzügen und Posten u. s. w. ist auch während der Berkehrs­ sperre unter den nach Lage der Umstände erfor­ derlichen Beschränkungen und Vorsichtsmaßregeln zu gestatten. 8. Wird in den vorstehend (§§ 6 und 7) behan­ delten Fällen die angeordnete Sperre durch­ brochen, so sind die der Sperre unterworfenen Thiere sofort zu tödten und zu verscharren, gift­ fangende Sachen aber zu vernichten oder zu desinfiziren. Sonstige Gegenstände sowie Menschen müssen im Falle eines Durchbruchs der nach § 7 beste­ henden Berkehrssperre, sofern eine Desinfektion nicht thunlich erscheint, auf kürzestem Wege wieder über die Grenze zurückgebracht werden, womöglich ohne Ortschaften zu passiren. 9. In den bedrohten Grenzkreisen sind für sämmtliche Ortschaften, welche innerhalb 15 Kilo­ meter von der Grenze entfernt liegen, folgende Kontrolmaßregeln einzuführen. Es ist in jedem Orte ein Biehrevisor zu be­ stellen, der ein genaues Register über den vor­ handenen Rindviehbestand aufnehmen und täglich den Ab- und Zugang, sowie jede Veränderung in dem Viehbestände speziell verzeichnen muß. Die Biehregister sind mindestens einmal wöchent­ lich von den vorgesetzten Organen zu revidiren. Bei vorkommenden Krankheits- oder Todes­ fällen im Rindviehstande ist sofort Anzeige zu machen.

c) Gemeinschaftliche Bestimmung.

10. Die im gegenwärtigen Abschnitte enthalte­ nen Vorschriften sind unter den durch die Umstände gebotenen Abänderungen auch dann in Anwen­ dung zu bringen, wenn die Gefahr einer Ein­ schleppung zu Wasser droht.

Zweiter Abschnitt. Maßregeln 6dm Aus-ruche der Rinderpest im Zulande. 11. Sobald in einem Orte des Inlandes ein der Rinderpest verdächtiger Krankheits- oder Todesfall an Rindvieh vorkommt, oder in einem Orte innerhalb 8 Tagen zwei Erkrankungs- oder Todesfälle unter verdächtigen Erscheinungen sich in einem Viehbestände ereignen, tritt die in § 4 des Gesetzes vom 7. April 1869 ausgesprochene Anzeigepflicht ein. * 12. Der Besitzer darf dann die kranken Thiere nicht schlachten oder tödten, etwa gefallene Thiere aber nicht verscharren oder sonst beseitigen, ehe die Natur der Krankheit festgestellt ist. Bis dahin sind todte Thiere so aufzubewahren, daß das Hinzukommen von Thieren und Menschen abge­ halten wird.* 13. Auf die erhaltene Anzeige ist von den Ortspolizeibehörden sofort der kompetente Thier­ arzt herbeizuholen, um an Ort und Stelle die Krankheit zu konstatiren. Behufs der hierzu erforlichen Sektion ist, in Ermangelung eines Kada­ vers, ein Thier zu tödten. Das Ergebniß der Untersuchung ist protokolla­ risch aufzunehmen. 14. Wird die Krankheit als Rinderpest erkannt, so ist die Untersuchung auch auf die Ermittelung der Art der Einschleppung zu erstrecken. Im übrigen ist dann sofort zur weiteren An­ zeige an die vorgesetzten Behörden und zu öffent­ licher Bekanntmachung zu schreiten, in welcher auf die Anzeigepflicht nach § 4 des Gesetzes vom 7. April 1869 für die zunächst liegenden Bezirke noch besonders hinzuweisen ist. Vom Zeitpunkte dieser Bekanntmachung an treten die in §§ 17 bis 19 angegebenen Verbote und Verpflichtungen ein. 15. Ist nur ein dringender Verdacht der Rinder­ pest zu konstatiren, so ist eine vorläufige Sperre des Gehöfts (vgl. § 20) auf so lange anzuordnen, bis die Krankheit durch weitere Erkrankungen und beziehentlich Sektionen unzweifelhaft festge­ stellt oder der Verdacht als unbegründet erwiesen ist. In zweifelhaften Fällen ist ein höherer Thier­ arzt zuzuziehen. Ergibt sich der Verdacht auf größeren, unter regelmäßiger veterinärpolizeilicher Kontrole stehen­ den Schlachtviehhöfen, so kann die vorläufige Sperre unter Anwendung der nothwendigen Bor1. Wegen der int Fall der Zuwiderhandlung eintretenden Strafe s.Bem. 6zu 8 7 G- v. 7. April 1869 (unterm 11. Dez.

1871).

1873 (9. Juli) sichtsmaßregeln auf einen einzelnen Theil des betreffenden Biehhofes beschränkt werden. Besteht der Verdacht der Rinderpest in Bezug auf Heerden, welche sich aus dem Transport be­ finden, so sind die nach den Umständen erforder­

lichen Vorsichtsmaßregeln zu treffen. 16. Anwendung, Verkauf und Anempfehlung von Vorbauungs- und Heilmitteln bei der Rinder­ pest sind bei Strafe zu verbieten. Zu den Borbauungsmitteln sind Desinfektionsmittel nicht zu

rechnen.1 17. Nach Ausbruch der Rinderpest ist in einem nach Maßgabe der Umstände besonders zu be­ stimmenden Umkreise, welcher in der Regel nicht unter zwanzig Kilometer Entfernung vom Seuchen­ orte bemessen werden soll, die Abhaltung von Viehmärkten, nach Befinden auch von anderen Märkten und sonstigen größeren Ansammlungen von Menschen und Thieren zu untersagen, auch der Handel mit Vieh und der Transport des letzteren, sowie von Dünger, Rauchfutter, Stroh und anderen Streumaterialien ohne besondere Erlaubnißscheine. Das nöthige Vieh zum Fleisch­ konsum darf nur unter Aufsicht der mit der Beterinärpolizei betrauten Behörden gekauft werdenIn den bedrohten Gemeinden sind ferner die in 8 9 Absatz 2 bis 4 erwähnten Kontrolemaßregeln einzuführen. Für Residenz- und Handelsstädte, sowie für sonstige Städte mit lebhaftem Verkehr und für die Umgebung solcher Städte können besondere, von den Bestimmungen dieses Paragraphen ab­ weichende Anordnungen getroffen werden. 18. Im Seuchenorte hat das Schlachten nur nach Anordnung der Polizeibehörde und unter Aufsicht von Sachverständigen nach Maßgabe des Bedarfes stattzufinden.

19. Im Seuchenorte erstreckt sich die Anzeige­ pflicht auf jeden Erkrankungsfall von Rindvieh und anderen Wiederkäuern, mit Ausschluß der Fälle nur äußerer Verletzungen.1

20. Das Gehöft, in welchem die Rinderpest ausgebrochen ist, wird zunächst durch Wächter ab­ gesperrt, welche weder das Gehöft betreten und mit dessen Einwohnern verkehren,' noch den Ein­ und Austritt von Personen (außer den besonders dazu legitimirten), lebenden oder todten Thieren oder Sachen aller Art dulden dürfen. Zu Wächtern sind nur Erwachsene, männliche Personen zu benutzen, und müssen dieselben mit einem leicht erkennbaren Abzeichen versehen sein. Die Ermächtigung zum Eintritte in das Gehöft kann nur den mit der Tilgung der Seuche selbst beschäftigten Personen, sowie Geistlichen, Gerichts­ personen, Aerzten oder Hebammen behufs Aus­ übung ihrer Berufsgeschäfte ertheilt werden, und ist für deren formelle Legitimation zu sorgen. Beim Wiederaustritt hat eine Desinfektion der­ selben stattzufinden. Am Eingänge und rund um

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das Gehöft sind Tafeln mit der Inschrift „Rin­ derpest" anzubringen.2 21. Für den ganzen Ort, welchem das infizirte Gehöft angehört, tritt eine relative Ortssperre ein, welche in Folgendem besteht: Die Einwohner dürfen unter einander verkeh­ ren, aber den Ort ohne besondere Genehmigung — welche in der Regel nur solchen Personen ertheilt werden soll, die keinen Verkehr mit Rind­ vieh haben — nicht verlassen. Alle Hausthiere, mit Ausnahme der Pferde, Maulthiere und Esel, müssen im Stalle behalten beziehungsweise eingesperrt werden. Werden sie frei umherlaufend betroffen, so sind sie einzufan­ gen und zu schlachten; Hunde und Katzen aber zu tödten und zu verscharren. Fuhren dürfen nur mit Pferden, Maulthieren oder Eseln gemacht werden. Für alles Vieh, Heu, Stroh und andere gift­ fangende Sachen ist die Ein-, Aus- und Durchfuhr zu verbieten. An allen Ein- und Ausgängen des Ortes sind Tafeln mit der Aufschrift „Rinderpest" aufzu­ stellen, und Wächter, welche die Beobachtung vor­ stehender Verbote zu überwachen haben.1 22. Für jeden größeren Ort beziehungsweise für mehrere benachbarte kleinere Orte gemeinsam ist für die Dauer der Seuche ein Ortskommissar (welchem nach Befinden noch besondere Aufseher beizugeben sind) zu bestellen, an welchen die im § 19 vorgeschriebenen Anzeigen zu richten sind, und welcher die Ausführung der nöthigen Maß­ regeln zu überwachen hat. Wenn der Ausbruch der Seuche an einem Orte konstatirt ist, so hat der bestellte Ortskom­ missar die Konstatirung etwaiger neuer Krank­ heitsfälle (§ 13) herbeizuführen. 23. Ergreift die Krankheit einen größeren Theil der Gehöfte des Ortes, dann kann durch die höhe­ ren Behörden die absolute Ortssperre verfügt werden. Der Ort wird dann vollständig durch Wachen (in diesem Falle militärische) cernirt und gegen jede Art des Verkehrs — mit Ausnahme legitimirter Personen und -unumgänglicher Bedürfnisse für die Ortseinwohner unter besonders anzuord­ nenden Vorsichtsmaßregeln — gesperrt. Der Verkehr der Bewohner unter einander ist ebenfalls auf das Unvermeidliche zu beschränken. Gottesdienst, Schule und andere Versammlungen (vgl. 8 17) können nicht abgehalten werden, die Schänken und Gasthöfe werden geschlossen. Die durch den Ort führenden Straßen sind einstweilen zu verlegen. Liegt der Ort an einer Eisenbahn, so darf kein Eisenbahnzug daselbst halten, selbst wenn der Ort ein Stationsort

2. Dgl. Bundesrathsbeschluß v. 3. Mai 1878 (§ 283 d. Prot.), betr. die Ausübung der Steuerkontrole in einem wegen Rinderpest geschlossenen Gehöft.

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wäre; es sei denn, daß der Bahnhof so gelegen ist, daß er vom Orte vollständig abgesperrt und der Verkehr der Eisenbahnstation mit anderen Orten ohne Berührung des Seuchenortes unter­ halten werden kann. 24. Je nach der Größe und Bauart des von der Seuche betroffenen Ortes kann die relative und die absolute Ortssperre auch auf einzelne Ortstheile beschränkt werden, sowie andererseits einzelne Häuser und Gehöfte benachbarter Orte nöthigenfalls mit in die Sperre einzuschließen sind. 25. Alles an der Rinderpest erkrankte oder der­ selben verdächtige Vieh ist sofort zu tödten. Rinder gelten stets für verdächtig, sobald sie mit erkrankten Stücken in demselben Stalle ge­ standen, die Wärter, die Futtergeräthschaften oder die Tränke gemeinschaftlich gehabt haben, oder sonst mit erkrankten Stücken in eine mittelbare oder unmittelbare Berührung gekommen sind. Unter welchen Voraussetzungen andere Wieder­ käuer als verdächtig anzusehen sind, ist in jedem Falle nach den besonderen Umständen zu er­ messen. Wird durch die Tödtung der verdächtigen Thiere -er Viehbestand eines Gehöftes bis auf einen verhältnißmäßig kleinen Rest absorbirt, so ist auch letzterer zu tödten. Auf Ermächtigung der höheren Behörde kann auch zu schnellerer Tilgung der Seuche gesundes Vieh, ohne daß die obige Voraussetzung ein­ getreten ist, getödtet, und diese Maßregel auf nachweislich noch nicht infizirte Gehöfte ausge­ dehnt werden (vergl. namentlich § 36 Abs. 1). In größeren Städten und auf den unter regelmäßiger veterinärpolizeilicher Kontrole stehen­ den Schlachtviehhöfen kann die Verwerthung der Häute und des Fleisches von Thieren, welche bei der Untersuchung im lebenden und geschlachteten Zustande gesund befunden worden sind, gestattet werden. Das Schlachten der betreffenden Thiere muß jedoch unter veterinärpolizeilicher Aufsicht in geeigneten Räumen stattfinden, auch dürfen das Fleisch und die inneren Theile erst nach dem Er­ kalten abgefahren und die Häute nur dann ausge­ führt werden, wenn sie entweder vollkommen getrocknet sind oder drei Tage in Kalkmilch (1:60) gelegen haben. 26. Die getödteten Thiere, bezüglich deren nicht die Bestimmung im letzten Absatz des § 25 An­ wendung findet, sind zu verscharren. Zu diesem Behufe sind geeignete Plätze, möglichst entfernt von Wegen und Gehöften, an solchen Stellen zu benutzen, wohin kein Rindvieh zu kommen pflegt. Soweit möglich, sind wüste und gar nicht oder wenig angebaute Stellen zu wählen. Die Berscharrungsplätze sind ferner in der Regel zu um­ zäunen und mit solchen Pflanzen zu besetzen, welche schnell wachsen und tiefe Wurzeln treiben. Die Gruben müssen so tief gemacht werden,

daß die Erde mindestens 2 Meter hoch die Ka­ daver bedeckt. 27. Tödten und Verscharren erfolgt, soweit möglich, durch die Einwohner des infizirten Ge­ höftes oder durch solche Personen aus dem Orte, welche selbst kein Vieh haben und nicht mit Vieh in Berührung kommen. Personen aus anderen Orten, insbesondere auch außerhalb des Ortes wohnende Abdecker dürfen nur dann, wenn keine geeigneten Ortseinwohner vorhanden sind, verwendet werden. Zur Verhü­ tung der Verschleppung der Rinderpest durch solche Personen sind die geeigneten Maßregeln zu er­ greifen (§ 42). 28. Die Stelle, an der die Biehstücke getödtet werden sollen, hat der Ortskommiffar unter Zu­ ziehung des bestellten Thierarztes, unter Berück­ sichtigung der Vermeidung jeder Verschleppungs­ gefahr, zu bestimmen. Auswurfstoffe, welche das Thier während des Transports entleert, sind zu beseitigen und zu

vergraben. Kadaver dürfen nur durch Pferde oder Men­ schen auf Wagen, Schleifen oder Schlitten, ohne daß einzelne Theilen die Erde berühren, nach der Grube transportirt werden. Die Transportmittel sind, so lange noch weitere Transporte in Aus­ sicht stehen, sorgfältig separirt aufzubewahren, dann aber zu vernichten. 29. Das Abledern der Kadaver, bezüglich deren nicht die Bestimmung im letzten Absätze des § 25 Anwendung findet, ist streng zu untersagen. Bor dem Verscharren muß von den dazu bestellten Personen die Haut an mehreren Stellen zer­ schnitten und unbrauchbar gemacht werden. Alle etwaige Abfälle, Blut und mit Blut getränkte Erde sind mit in die Grube zu werfen. Soweit möglich, sind die Kadaver vor dem Zuwerfen der Grube mit Kalk zu beschütten. Beim Ausfüllen der Grube sind Zwischen­ schichten von Steinen oder Reisig, wenn möglich, anzubringen. Die Grube ist bis zur Aufhebung der Sperre, mindestens aber drei Wochen hin­

durch mit Wachen zu besetzen. 30. Ist ein Stall, in welchem krankes oder ver­ dächtiges Vieh gestanden hat, durch Tödtung des Viehbestandes entleert, so ist, sofern die eigent­ liche Desinfektion (§§ 40 ff.) nicht sofort nach Entfernung des Viehbestandes vorgenommen wer­ den kann, der etwa zurückbleibende Dünger zu verbrennen oder mit Desinfektionsflüssigkeit zu übergießen, der Stall nach luftdichtem Verschluß aller Oeffnungen stark mit Chlor zu räuchern und hierauf die Stallthür bis zum Beginn der Ausführung der eigentlichen Desinfektion zu schließen und zu versiegeln. Alle Stallutensilien und was sonst bei den Thieren gebraucht worden ist, verbleiben im Stalle und sind beziehentlich vor

dessen Verschluß wieder hineinzubringen. 31. Vorstehende Vorschriften über die Gehöfts-

1873 (9. Juli) und Ortssperre erleiden dann die im Interesse der Wirthschaft unbedingt nöthigen Modifikationen, wenn die Seuche zu einer Zeit auftritt, wo Feld­ arbeiten und Weidegang im Gange sind. Diese Modifikationen sind von der vorgesetzten Behörde besonders festzustellen. Es sind dabei folgende Gesichtspunkte (§§ 32 und 33) zu beachten. 32. Die Gehöftsperre (§§ lö und 20) kann auch dann nicht umgangen oder gemildert werden. Es ist aber dann dahin zu streben, daß sobald als möglich zu völliger Reinerklärung des Ge­ höftes gelangt werde lvergl. § 25). Unaufschiebbare Feldarbeiten sind entweder durch fremde Hülfe, oder durch die eigenen Leute des Gehöftes unter den nöthigen Vorsichts­ maßregeln zu beschaffen. 33. Sind die Voraussetzungen der Ortssperre gegeben, so tritt dann an deren Stelle die Sperre der ganzen Feldmark, d. h. die in §§ 24 und 23 ff. angeordneten Sperrmaßregeln werden an die Grenze der Feldmark verlegt. Die durch die Feldmark führenden Wege werden abgegraben. Für längs der Grenze hinführende Wege wird das Betreten und der Transport von Vieh, Rauchfutter u. s. w. verboten. Alle Ortseinwohner, welche noch krankheitsfreie ungesperrte Gehöfte haben, können ihre Feldarbei­ ten mit eigenen Leuten und Gespannen verrichten. Rinderviehgespanne sind dabei von der nach­ barlichen Flurgrenze und von bezw. verbotenen Wegen soweit irgend thunlich fern zu halten.

34. Für die Umgebung des Seuchenortes (§ 17) ist nötigenfalls der Weidegang ebenfalls zu untersagen und für die unmittelbar angrenzenden Fluren sind die nöthigen Beschränkungen des freien Verkehrs und Vorsichtsmaßregeln für die Feldbestellung anzuordnen. 35. Bei der absoluten Sperre ist für Herbei­ schaffung der nothwendigsten Bedürfnisse der Bewohner: Lebensmittel, Brennmaterialien, Fut­ ter re., unter den nöthigen Vorsichtsmaßregeln Sorge zu tragen. 36. In Residenz- und Handelsstädten, sowie in anderen Städten mit lebhaftem Verkehr kommen die relative und absolute Sperre des Ortes nicht in Anwendung; auch sind sonstige durch die Ver­ hältnisse gebotene Ausnahmen von den Bestim­ mungen der §§ 18 ff. zulässig. Es ist jedoch stets auf möglichst rasche Tilgung der Seuche durch schnelle Tödtung des gesammten Viehbestandes der ergriffenen Gehöfte, sowie durch geeignete Absperrung der infizirten Lokalitäten und schleu­ nige Desinfektion Bedacht zu nehmen. Ist die Rinderpest in einem öffentlichen Schlachthause oder auf einem als besondere An­ stalt bestehenden Schlachtviehmarkte einer größeren Stadt konstatirt, so ist die betreffende Lokalität sofort gegen den Abtrieb der auf derselben be­ findlichen Wiederkäuer und Schweine abzusperren. Hierbei kann, sofern die Krankheit noch keine

solche Verbreitung gefunden hat, daß die sofortige Tödtung und Vernichtung des gesammten Be­ standes an Wiederkäuern nothwendig ist, das Ab­ schlachten der noch nicht erkrankten Thiere zum Zwecke der Verwerthung gestattet werden. Die Schlachtung, welcher auch die Schweine zu unter­ werfen sind, hat jedoch in der betreffenden Loka­ lität und unter Aufsicht und Leitung von Thier­ ärzten innerhalb längstens dreier Tage zu geschehen. Bezüglich der Abfuhr des Fleisches und der inneren Theile sowie der Häute der geschlach­ teten Thiere ist nach § 25 Abs. 6 zu verfahren. Bei dem Ausbruche der Rinderpest unter Thieren, welche sich auf dem Transporte oder Marsche befinden, sind die zu ergreifenden Vor­ kehrungen nach Lage der besonderen Verhältnisse

zu treffen. Dritter Abschnitt. Maßregeln «ach dem Krtöfchen der Seuche.

37. Die Seuche gilt in einem Gehöfte oder Orte für erloschen, wenn entweder alles Rindvieh gefallen oder getödtet ist, oder seit dem letzten Krankheits- oder Todesfälle drei Wochen ver­ strichen sind, und wenn die Desinfektion nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen stattge­

funden hat. 38. Mit der Desinfektion ist nach Maßgabe der Umstände sofort zu beginnen, sobald in einem Gehöfte ein Stall vom Vieh entleert ist. Dieselbe hat auch dann einzutreten, wenn die Tödtung eines Viehstandes stattgefunden hat, ohne daß der Ausbruch der Rinderpest unter demselben konstatirt war (§ 25 Abs. 5). 39. Die Desinfektion darf nur auf amtliche Anordnung und nur unter sachverständiger Auf­ sicht geschehen. 40. Die Desinfektion beginnt, sofern ein Ver­ schluß des Stalles (§ 31) stattgefunden hat, mit der Wiedereröffnung desselben, welche womöglich innerhalb vierundzwanzig Stunden erfolgen soll; für ausreichende Lüftung während der Desinfek­ tionsarbeiten ist Sorge zu tragen. Der Dünger wird herausgeschafft und ver­ brannt, oder an Orten, in welche innerhalb der nächsten drei Monate kein Vieh hinkommen kann, tief vergraben. Die in Jauchengruben angesam­ melte Jauche ist unter Anwendung von Schwefel­ säure und Chlorkalk entsprechend zu desinfiziren und in hinlänglich tiefe Gruben zu bringen. Alles Mauerwerk wird abgekratzt (die Fugen gereinigt) und dann frisch mit Kalk beworfen und abgeputzt. Holzwerk wird ebenfalls abgefegt, mit heißer scharfer Lauge gewaschen, nach einigen Tagen mit Chlorkalklösung überpinselt. Erd-, Sand- und Tennen- lLehmschlag-) Fuß­ böden werden aufgerissen, die Erde einen Fuß tief ausgegraben und Alles gleich dem Dünger behandelt. Pflaster-Fußböden gewöhnlicher Art, d. h. deren Steine in Sand oder Erde gesetzt

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sind, werden ebenfalls aufgerissen, die Erde einen Fuß tief ausgegraben und wie der Dünger be­ handelt. Die Steine können gereinigt, mit Chlor­ kalklösung behandelt und, wenn sie vier Wochen lang an der Luft gelegen haben, wieder benutzt werden. Fußböden von Holz werden nach Maß­ gabe ihrer Beschaffenheit verbrannt oder in ent­ sprechender Weise desinfizirt. Müssen die Fuß" böden aufgerissen werden, so ist die Erde ebenfalls wie vorstehend auszugraben und zu behandeln. Feste undurchlässige Pflaster von Asphalt, Cement oder in Cement gesetztem Pflaster werden gerei­ nigt und desinfizirt. Statt des Chlorkalks können auch andere, er­ fahrungsmäßig als wirksam bekannte Desinfek­ tionsmittel, wie siedendes Wasser, Karbolsäure u. s. w., benutzt werden. Alles bewegliche Holzwerk (Krippen, Raufen, Gefäße und sonstige Utensilien, womöglich auch die Scheidewände) wird verbrannt, Eisenzeug wird ausgeglüht. Jauchebehälter und Stallschleusen werden analog behandelt wie Stallfußböden, oder wenn sie ge­ mauert werden, wie das Mauerwerk. Nach Beendigung der Desinfektion wird der Stall 14 Tage lang durchlüftet. 41. Bei der Desinfektion dürfen nur Leute aus dem eigenen oder aus anderen instzirten Gehöf­ ten, oder solche Personen verwendet werden, welche selbst kein Vieh haben; diese Personen müssen bis zur Beendigung der Reinigung im Gehöfte bleiben. Zu den Fuhren sind nur Pferde­ gespanne anzuwenden. Bei dem Transporte von Dünger und Erde ist wie nach §§ 28 und 29 zu verfahren. Die Transportgeräthe können statt des Verbrennens auch einer sorgfältigen Desinfektion, wie sie für Holz­ werk vorgeschrieben ist, unterworfen werden. 42. Die Kleidungsstücke der mit den kranken und todten Thieren und der Reinigung und Des­ infektion beschäftigt gewesenen Leute sind entweder zu verbrennen, oder, soweit sie waschbar sind, mit heißer Lauge 12 bis 24 Stunden stehen zu lassen, dann mit Seife gründlich zu waschen und an der Luft zu trocknen; soweit sie nicht waschbar sind, 12 bis 24 Stunden lang mit Chlor zu räuchern oder trockner Hitze auszusetzen und dann 14 Tage zu lüften. Schuhwerk uud Lederzeug muß sorgfältig ge­ reinigt, mit Lauge oder schwacher Chlorkalklösung gewaschen und frisch gefettet, nochmals mit Chlor geräuchert und 14 Tage gelüftet werden. Die Personen selbst haben die Kleider zu wech­ seln und den Körper gründlich zu reinigen.

43. Alles Rauchfutter, welches nach der Art seiner Lagerung der Aufnahme von Ansteckungs­ stoff verdächtig erscheint, ist sogleich bei beginnen­ der Desinfektion durch Verbrennung zu ver­ nichten. 44. Dünger auf den Düngerstätten, welcher während des Auftretens der Seuche oder inner­ halb 10 Tagen vor Konstatirung derselben auf die Dungstätte gebracht wurde, ist wie der Stall­ dünger zu behandeln (§ 40). Der übrige Mist auf den Düngerstätten ist mit Pferdegeschirr auf das Feld zu schaffen und wo möglich nach drei bis vier Wochen unterzu­ pflügen. So lange letzteres nicht geschehen ist und vier Wochen nachher darf kein Rindvieh dieses Feld betreten. Ist die sofortige Wegschaffung des gesammten Düngers nicht thunlich, so ist die oberste Schicht mit einer Desinfektionsflüssigkeit zu übergießen. Die Fortschaffung nach Maßgabe der vorstehenden Be­ stimmungen hat indessen möglichst bald zu erfolgen. 45. Selbst nach vollständiger Desinfektion eines Gehöftes oder Ortes und Beseitigung der Sperre darf neuer Ankauf oder Verkauf von Vieh erst nach einer von der Behörde zu bestimmenden Frist erfolgen, welche nicht unter drei Wochen, von dem Zeitpunkte, an dem der Ort für seuchen­ frei erklärt wurde, an gerechnet, betragen darf. Weideplätze, welche von pestkrankem oder pest­ verdächtigem Vieh benutzt worden sind, dürfen nicht vor Ablauf von mindestens zwei Monaten wieder benutzt werden. Die Zeit, in welcher die Berscharrungsplätze wieder benutzt werden dürfen, wird nach Maßgabe der lokalen Verhältnisse in jedem Falle von der höheren Behörde bestimmt. 46. Die Abhaltung von Biehmärkten ist nicht vor Ablauf von drei Wochen, nachdem der letzte Ort im Seuchenbezirke für seuchenfrei erklärt ist,

zu gestatten. War die Rinderpest in Residenz- und Handels­ städten oder in sonstigen Städten mit lebhaftem Verkehre oder in der Nähe derselben ausgebrochen, so können besondere, von den Bestimmungen des § 45 Abs. 1 und § 46 Abs. 1 abweichende An­ ordnungen getroffen werden.

Schtußvestimryung. Bezüglich der Desinfektion der Eisenbahnwagen bleiben die Bestimmungen der Instruktion vom 26. Mai 1869 einst­ weilen unverändert in Geltung.3

3. Mit Aufhebung des § 6 G. v. 7. April 1869 durch § 6 G. v. 15. Febr. 1876 ist auch Abschnitt IV der Instruktion: „Desinfektion der Eisenbahnwagen" in Wegfall gekommen.

9. Juli 1873. Miinzgeseh. S. unterm 15. November 1874.

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10. Juli 1873.

Verordnung -es Reichskanzlers zur Ausführung des Gesetzes vom 12. Februar 1873, betreffen- das Unterrichtswesen.' G.-Bl. S. 166. Eintheilung der Schulen.

§ 1. Zum höheren Unterrichtswesen gehören und stehen unter der Aufsicht und Leitung des Oberpräsidenten 2 folgende Schulen nebst den da­ mit verbundenen Vorklassen: 1) die Gymnasien, 2) die Realgymnasien, 3) die Realschulen. 31 2 2. Zum niederen Unterrichtswesen gehören und stehen unter der Aufsicht und Leitung der Bezirks­ präsidenten : 1) die Seminarien für Lehrer und Lehrerinnen, 2) die Präparandenschulen, 3) fcic höheren Töchterschulen, 4) die Mittelschulen, 5) die Fortbildungsschulen, 6) die Elementarschulen, 7) die Kleinkinderschulen. 3. Jede bestehende oder noch zu errichtende Schule ist einer der in den §§ 1 und 2 aufge­ führten Arten einzufügen. Pensionate, in welchen Unterricht ertheilt wird, gelten in allen durch die gegenwärtige Verord­ nung betroffenen Beziehungen als Schulen. Unternehmer von Schulen.4

4. Wer eine Schule eröffnen will, muß 25 Jahre alt und unbescholten sein und durch Vor­ legung der ihm ertheilten Prüfungszeugnisse oder sonstigen Nachweise darthun, daß er nach Maß­ gabe der bestehenden Bestimmungen befähigt ist, den Unterricht in der obersten Klasse öffentlicher Schulen der entsprechenden Art mindestens in zwei Hauptfächern selbst zu ertheilen. Vorsteher der Schulen öffentlicher Behörden, Korporationen oder Stiftungen.

5. Wenn eine Schule von einer öffentlichen Behörde, einer Korporation oder Stiftung unter­ halten wird, so ist als Vorsteher (Direktor, Haupt­ lehrer) derselben eine Person anzustellen, welche die Bedingungen für die Zulassung zur Eröff­ nung einer Schule der gleichen Art erfüllt (§ 4). Der Vorsteher vertritt die Schule den Schul­ behörden gegenüber in allen die Aufsicht und Leitung betreffenden Angelegenheiten. Alle die Schule betreffenden Mittheilungen 1. Die B. v. 10. Juli 1873 ist auf Grund des 8 4 G. v.

12. Febr. 1873 vom R.-K. erlassen.

2. Die Obliegenheiten des OPr. werden von dem Ministe­ rium für E.-L. wahrgenommen (§. 3 G. v. 4. Juli 1879). 3. Dgl. § 1 Regul. für die höheren Lehranstalten v. 10. Juli 1873 nebst Bem.

4. Bgl. auch die Artt. 26, 30, 33, 60, 65 u. 68 sowie Art. 29 Abs. 5 u. 6 G. v. 15. März 1850.

können mit voller rechtlicher Wirkung dem Vor­ steher zugestellt werden. Der Vorsteher muß entweder am Unterrichte oder an der Handhabung der Disziplin unmittel­ baren Antheil haben. 6. Die Anstellung des Vorstehers bedarf der Genehmigung derjenigen Staatsbehörde, unter deren Aufsicht und Leitung die Schule steht. Sie bedarf dieser Genehmigung auch dann, wenn die Anstellung des Betreffenden als Lehrer schon früher genehmigt ist. Nach dem Tode oder sonstigen Ausscheiden des Vorstehers muß spätestens binnen sechs Monaten ein Nachfolger desselben angestellt werden. Die Staatsbehörde, unter deren Aussicht und Leitung die Schule steht, ist befugt, diese Frist im Falle des Bedürfniffes auf Antrag zu verlängern. Eröffnung von Schulen.

7. Die Genehmigung zur Eröffnung einer Schule ist bei derjenigen Behörde nachzusuchen, unter deren Aufsicht und Leitung die Schule zu treten hat. Wenn die Genehmigung von einer öffentlichen Behörde, einer Korporation oder Stiftung nach­ gesucht wird, so ist gleichzeitig mit dem Gesuch ein Vorsteher der Schule zu bezeichnen. Dem Gesuche sind beizufügen: 1) Bescheinigungen über Alter und Unbeschol­ tenheit des Unternehmers, bezw. des bezeichneten Vorstehers, sowie die Prüfungszeugnisse oder sonstigen Nachweise über die Unterrichtsbefähigung desselben (§§ 4 bezw. 5); 2) die Angabe der Art der zu errichtenden Schule und des in ihr zu befolgenden Lehr­ planes; 3) die genaue Beschreibung des Schullokals, erläutert durch einen Situationsplan. 8. Der Bescheid auf das Gesuch wird schriftlich ertheilt. Die Genehmigung des Gesuchs kann an Beschränkungen geknüpft werden. Sie gilt nur für denjenigen, welchem sie ertheilt ist und für die darin ausdrücklich angegebene oder aus dem Gesuche ersichtliche Räumlichkeit und Art und Ausdehnung des Unterrichts. Anstellung von Lehrern.5

9. Die Genehmigung zur Anstellung eines Lehrers an einer Schule ist von dem Unterneh­ mer oder Vorsteher derselben bei derjenigen Be­ hörde, unter deren Aufsicht und Leitung die Schule steht, nachzusuchen. 5. Bgl. die vorhergehende Bem.

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Dem Gesuch sind Bescheinigungen über Alter und Unbescholtenheit des Präsentirten und über seine Befähigung zu dem ihm zu übertragenden Unterricht beizufügen. 10. Der Bescheid auf das Gesuch wird schrift­

lich ertheilt. Die Genehmigung des Gesuchs kann sowohl in Betreff der Gegenstände des Unterrichts, als der zu unterrichtenden Klaffen an Beschränkungen ge­ knüpft werden. Schließung von Schulen. 6

11. Eine Schule, welche ohne staatliche Geneh­ migung eröffnet oder in ein anderes Lokal ver­ legt ist oder von einer Person, welche keine staatliche Genehmigung dazu erhalten hat oder nach erfolgter förmlicher Schließung (§ 12) fort­ geführt wird, kann von den Verwaltungsbehörden ohne weitere Förmlichkeit geschlossen werden. 12. Zur Schließung einer Schule aus einem anderen Grunde (§ 1 des Gesetzes vom 12. Fe­ bruar 1873) ist nur diejenige Behörde befugt, unter deren Aufsicht und Leitung dieselbe steht. Ist die Art der Schule noch nicht festgestellt, so ist der Bezirkspräsident zur Schließung befugt. Der Schließung muß eine schriftliche Warnung vorhergehen, in welcher die das Verfahren begrün­ denden Mängel oder Verstöße bestimmt angegeben sind und die Beseitigung derselben binnen einer von der Zustellung ab zu berechnenden Frist, welche nicht kürzer als acht Tage sein darf, unter Androhung der Schließung gefordert wird. Die Warnung ist dem Unternehmer, oder dem Vorsteher, oder in Abwesenheit oder Ermange­ lung dieser einem bei der Schule beschäftigten Lehrer zuzustellen. Sind die Mängel oder Verstöße bis zum Ab­ lauf der Frist nicht beseitigt, so kann zur Schlie­ ßung geschritten werden. Dieselbe erfolgt durch eine motivirte Verfügung, von welcher eine Aus­ fertigung spätestens 24 Stunden vor der Zwangs­ vollstreckung (§ 11) dem Unternehmer, oder dem Vorsteher, oder in Abwesenheit oder Ermangelung dieser einem bei der Schule beschäftigten Lehrer zuzustellen ist. Die Warnung verliert ihre Wirkung und muß nötigenfalls erneuert werden, wenn nicht spä­ testens binnen drei Monaten nach dem Ablaufe der in ihr gesetzten Frist die Schließungsverfügung zugestellt wird. Ertheilung von Privatunterricht.7

13. Die einem Deutschen von einer elsaß-loth­ ringischen Behörde ertheilte Anerkennung der Be­ fähigung zur Anstellung als Lehrer schließt die staatliche Genehmigung zur berufs- oder gewerbs­

mäßigen Ertheilung des entsprechenden Privat­ unterrichts in sich. Deutsche, welche eine solche Anerkennung nicht besitzen, sowie Ausländer, haben die Genehmigung zur Ertheilung von Privatunterricht bei dem Be­ zirkspräsidenten nachzusuchen. Dem Gesuch sind Bescheinigungen über Alter und Unbescholtenheit des Bittstellers und über die von ihm absolvirten Studien und Prüfungen beizufügen. Der Bezirkspräsident ist befugt, die nachgesuchte Genehmigung von einem mit dem Bittsteller ab­ zuhaltenden colloqnium, dessen Anordnung ihm überlassen bleibt, abhängig zu machen. Das Diplom als Baccalaureus gilt nicht als Anerkennung der Befähigung im Sinne des Ab­ satz 1 dieses Paragraphen. 14. Der Bescheid auf das Gesuch wird schrift­ lich ertheilt. Die Genehmigung des Gesuchs kann sowohl in räumlicher Beziehung, als auch hinsichts der Gegenstände des Unterrichts an Beschränkungen geknüpft werden. Sie gilt nur für den Bezirk, von dessen Präsi­ denten sie ertheilt ist. Rekurs.

15. Gegen eine Entscheidung, durch welche die nachgesuchte Genehmigung zur Eröffnung einer Schule (§ 7) oder zur Anstellung eines Schulvor­ stehers (§ 6) oder Lehrers (§ 9), oder zur Er­ theilung von Privatunterricht (§ 13) versagt oder nur mit Beschränkungen gewährt ist, sowie gegen eine Warnung oder Schließungsverfügung (§ 12), findet binnen dreißig Tagen, vom Tage der Zu­ stellung gerechnet, Rekurs, und zwar gegen eine von dem Bezirkspräsidenten erlassene Entscheidung, Warnung oder Verfügung an den Oberpräsiden­ ten, gegen eine von dem Oberpräsidenten erlassene Entscheidung, Warnung oder Verfügung an den Reichskanzler statt. Bei der in der Rekursinstanz ergangenen Ent­ scheidung hat es sein Bewenden. Allgemeine und Uebergangs-Besttmmungen.

16. Dem Oberpräsidenten wird die Befugniß übertragen, die Ferien und Schulzeiten, die zu­ lässigen Lehrmittel, die Prüfungen der Schüler und die Abhaltung von Inspektionen zu regeln, auch bis zum Erlasse der Regulative des Reichs­ kanzlers über die sonstigen im ersten Satze des § 4 des Gesetzes vom 12. Februar 1873 bezeich­ neten Gegenstände hinsichtlich der letzteren provi­ sorische Anordnungen zu treffen. Dem Oberpräsidenten wird ferner die Befugniß übertragen:

6. Fürsorgliche Bestimmungen für den Fall der Schließung sind getroffen in Artt. 5 u. 6 D. v. 7. Okt. 1850 und in Art. 4 D. v. 20. Dez. 1850. 7. Bgl. Bem. 4.

1) die Fristen und Formen zu regeln, in welchen bestehende Schulen ihre Umbildung nach Maßgabe der gegenwärtigen Verordnung und der Regula­ tive des Reichskanzlers zu vollziehen haben;

1873 (10. Juli) 2) Personen, welche mit der berufs- oder ge­ werbsmäßigen Ertheilung von Unterricht bereits begonnen oder eine Schule eröffnet haben (§ 3 des Gesetzes vom 12. Februar 1873) oder gegen­ wärtig als Vorsteher einer Schule fungiren, von den durch die gegeuwärtige Verordnung oder durch die Regulative des Reichskanzlers für die Ueber­ nahme eines anderen Unterrichts, oder die Er­ öffnung einer neuen Schule, oder die Uebernahme des Amts als Vorsteher vorgeschriebenen Qualifi­ kationsbedingungen ganz oder theilweise zu ent­ binden. Es bleibt ihm überlassen, die in diesen Fällen etwa nothwendig scheinenden Prüfungen anzuordnen, s . 8. In Ausführung des § 16 sind vom OPr. folgende Be­ kanntmachungen, Verordnungen und Reglements erfassen: a) Bkm. v. 13. Febr. 1874, betr. die anderweite Bezeichnung der bisherigen Kollegien; b) D. v. 26. Mai 1874, betr. die Prüfung nach der Vollendung der Studien an den Real­ schulen ; e) D. v. 22. Juni 1874, betr. die Ausführung des Regulativs für die Elementarschulen v. 4. Januar 1874;

367 Fachschulen.

17. Die gegenwärtige Verordnung findet keine Anwendung auf diejenigen Fachschulen, welche grundsätzlich ihre Schüler erst nach vollendetem vierzehnten Lebensjahre aufnehmen und dieselben unmittelbar für technische oder industrielle Berufs­ zweige ausbilden. 9 d) B. v. 5. August 1874, betr. den Unterricht in den höhe­ ren Töchterschulen und Mädchenpensionaten; e) B. v. 24. Mai 1875, betr. die Ferien der Elementarschulen und Kleinkinderschulen; k) B. v. 31. Juli 1875, betr. den Handar­ beits-Unterricht in den Elementarschulen; g) Bkm. v. 4. Mai 1876, betr. die Zulassung zur Rektoratsprüfung; h; B. v. 3. Dez. 1877, betr. den von Vorsteherinnen und Lehrerinnen an Kleinkinderschulen zu erbringenden Befähigungsnach­ weis ; i) Reglement v. 29. Dez. 1877, betr. die Abgangs­ prüfung an Gymnasien und Realgymnasien (AbiturientenExamen). — Die Zuständigkeit des R.-K. ist auf den Statt­ halter, die des OPr. auf das Ministerium üvergegangen (88 2 u. 3 G. V. 4. Juli 1879). 9. Der 8 17 bezieht sich namentlich auf die Fortbildungsund Lehrlingsschulen, vgl. Artt. 54 ff. G. v. 15. März 1850 und Art. 7 G. v. 10. April 1867.

10. Juli 1873.

Regulativ des Reichskanzlers für die höheren Lehranstalten in Llfaß-Lothriugen.1 Straßb. Ztg. Nr. 178.

§ 1. Die im § 1 der Verordnung vom 10. Juli 1873 aufgeführten, zum höheren Unterrichtswesen gehörigen Schulen unterscheiden sich von einander im Wesentlichen dadurch, daß die Gymnasien das Lateinische und Griechische als Hauptgrund­ lagen höherer Schulbildung pflegen, die Real­ gymnasien das Griechische nicht betreiben und neben dem Lateinischen den sogenannten Realien einen größeren Raum gewähren, die Realschulen endlich auch das Lateinische ausschließen und die Realien nach vorzugsweise praktischen Bedürfnissen behandeln.2 I. Gemeinsame Bestimmungen für die verschiedenen höheren Schulen. 2. Der Eintritt in die höheren Lehranstalten erfolgt nicht vor vollendetem neunten Lebens-

1. Das in Ausführung des 8 4 G. v. 12. Febr. 1873 erlassene Regulativ v. 10. Juli 1873 ist in einzelnen Punk­ ten abgeändert.und ersetzt durch den Neuen Normalplan v. 23. April 1878 und hat anßerdem zahlreiche Erläuterungen u. nähere Bestimmungen erfahren durch die mannigfachen Zirkular-Verfügungen des OPr., welche in der 1878 erschie­ nenen Amtl. Ausgabe der Gesetze und Verordnungen rc. über das höhere Unterrichtswesen S. 69-92 abgedruckt sind. 2. Vgl. die auf Grund des 8 1 ergangene Bkm. des OPr. v. 13. Febr. 1874, betr. die anderweite Bezeichnung der bis­ herigen Kollegien, vgl. ferner bezüglich der Lyzeen die Bem. 101 zu Art. 71 G. v. 15. März 1850, bezüglich der Progymnasien und Real>Progymnasien den 8 5 des vorlie­ genden Regul., sowie im allgemeinen noch 8 1 Abs. 1 G. v. 1. Nov. 1878 und das diesem G. angehängte Berzeichniß.

jähre und ist bedingt durch folgende Leistungen: Geläufigkeit im Lesen deutscher und lateinischer Druckschrift; Kenntniß der Redetheile und Wort­ klassen; eine reinliche und leserliche Handschrift; Fertigkeit, Diktirtes ohne grobe orthographische Fehler nachzuschreiben; Sicherheit in den vier Grundrechnungsarten mit ganzen Zahlen bis Eintausend. Außerdem müssen ftanzösisch redende Knaben ein solches Maß der Borkenntnisse in der deutschen Sprache gewonnen haben, daß sie dem Unterrichte in den höheren Lehranstalten folgen können. Zum Zweck der Vorbildung von Schülern dür­ fen an den höheren Lehranstalten Vorschulklassen bestehen, welche die vorstehend bezeichneten Lei­ stungen in genügender Weise zu erzielen im Stande sind. 3. Die Klassen aller höheren Lehranstalten werden von unten aufsteigend mit folgenden Na­ men bezeichnet: Sexta, Quinta, Quarta, Tertia, Secunda, Prima. 4. Die Gymnasien und Realgymnasien bilden ihre Schüler unter regelmäßigen Verhältnissen in einem neunjährigen Lehrkursus zur Reife für das Studium auf der Universität. Die Klassen Sexta, Quinta, Quarta haben ein­ jährige, Tertia, Secunda, Prima zweijährige Kursusdauer. Die Realschulen haben in der Prima zweijäh­ rige, in den übrigen Klassen einjährige Kursus­ dauer.

368

1873 (10. Juli)

Alle drei Arten von Lehranstalten schließen mit einer Abgangsprüfung der Schüler, welche über die Erreichung des vorgesteckten Zieles den erforderlichen Ausweis gibt.

5. Eine Nach dem Lehrplane der Gymnasien organisirte Anstalt, welcher eine oder zwei Oberklaffen fehlen, führt den Namen: „Progymnasium", eine nach dem Lehrplan der Realgymnasien or­ ganisirte Anstalt, bei welcher dasselbe Verhältniß besteht, den Namen: „Real-Progymnasium".

6. Die höchste zulässige Schülerzahl beträgt für Sexta und Quinta je 50, für Quarta und Tertia je 40, für Secunda und Prima je 30. Werden diese Zahlen überschritten, so sinv für die Klassen von einjähriger Kursusdauer Parallelabtheilungen mit getrenntem Unterricht, oder auch Wechsel­ kurse anzulegen, für die Klassen mit zweijähriger Kursusdauer werden obere und untere Abtheilun­ gen durch Trennung hergestellt. 7. Der für die Sexta und die Quinta der Gymnasien aufzustellende Lehrplan gilt auch für dieselben Klassen der Realgymnasien. Die Schüler sind daher innerhalb derselben Anstalt in diesen Klaffen ungetrennt. Erst in Quarta beginnt eine vollständige Scheidung für den wisienschaftlichen Unterricht. 8. Außer dem Direktor als technischem Leiter muß an jeder der vorgenannten höheren Lehr­ anstalten eine wenigstens der Zahl der Klassen oder Abtheilungen mit getrenntem Unterricht gleichkommende Anzahl von Lehrern vorhanden sein, welche durch das Zeugniß einer deutschen wissenschaftlichen Prüfungskommission den Nach­ weis ihrer Befähigung für das Lehramt an hö­ heren Schulen in dem ihrer Thätigkeit entspre­ chenden Umfange erbracht haben.

9. Die Lehrer für technische und.elementare Fächer der Unterklassen, sowie an der etwa mit der höheren Lehranstalt verbundenen Vorschule müssen auf einem deutschen Schullehrer-Seminar vorgebildet sein und die vorgeschriebene Prüfung abgelegt haben. Ausnahmen zuzulaffen ist der Oberpräsident3 befugt. 10. Die Unterrichtssprache in allen höheren Schulen ist die deutsche. Der Unterricht in der französischen Sprache darf mittels dieser Sprache selbst ertheilt werden, wenn ein genügendes Ver­ ständniß dafür vorhanden ist. Wo besondere Verhältnisse es nöthig machen, darf der Oberpräsident3 den Gebrauch der fran­ zösischen Sprache für den Unterricht in der Ma­ thematik, in der Physik und in der Chemie noch für bestimmte Zeit gestatten. 11. Für das französische und gemischte Sprach­ gebiet, dessen Abgrenzung für diesen Zweck dem

3. Die

Obliegenheiten des OPr. werden vom Ministe­

rium für E.-L. wahrgenommen (§ 3 G. v. 4. Juli 1879).

Oberpräsidenten 3 überlassen bleibt, darf der letztere bis auf weiteres folgende Ausnahmen gestatten: 1) den Unterricht in solchen Vorschulklassen, deren Schüler sämmtlich das Französische als Muttersprache reden, in französischer Sprache zu ertheilen. Der Unterricht in der deutschen Sprache jedoch wird mittels der deutschen Sprache ertheilt, sobald ein genügendes Verständniß dafür er­ reicht ist; 2) den Unterricht in der Mathematik, im Rech­ nen, in der Buchführung, in der Naturgeschichte, in der Physik und in der Chemie in französischer Sprache zu ertheilen. Doch sind gleichzeitig in den genannten Fächern auch die deutschen Kunstaus­ drücke einzuüben; 3) in Sexta und Quinta der Realschulen den Unterricht in Geschichte und Geographie in fran­ zösischer Sprache zu ertheilen; 4) für den Unterricht im Gesang und im Zeich­ nen das Französische als Unterrichtssprache zu gebrauchen; 5) in solchen Vorschulklassen, deren Schüler theilweise deutsch, theilweise französisch als Mut­ tersprache reden, den Unterricht auch in andern nach Maßgabe der Verhältnisse zu bestimmenden Fächern in französischer Sprache zu ertheilen. 12. In den Vorschulklassen wird die deutsche Sprache in sechs Stunden wöchentlich gelehrt. Die französische Sprache darf in vier bis sechs Stunden wöchentlich gelehrt werden. 13. Die Behandlung des Religionsunterrichts bleibt an den nicht öffentlichen Lehranstalten deren eigenem Ermessen überlassen. An den öffentlichen Anstalten ist es gestattet, die Schüler auf Wunsch der Eltern oder deren Vertreter von dem Reli­ gionsunterrichte zu entbinden, sofern für aus­ reichenden Ersatz gesorgt ist. II. Gymnasien.

14. Für den Lehrplan der Gymnasien sind in Bezug auf den Umfang des Unterrichts folgende Bestimmungen maßgebend: Für Lateinisch von Sexta bis Prima sind wöchentlich mindestens acht Lehrstunden anzusetzen. Für Griechisch in Quarta fünf, von Tertia bis Prima sechs Stunden. Für Geographie in Sexta und Quinta zwei Stunden, für Geschichte und Geographie von Quarta bis Prima drei Stunden. Für Rechnen und Mathematik in jeder Klaffe drei bis vier Stunden; für Naturgeschichte und Physik in jeder Klaffe eine bis zwei Stunden; für Zeichnen,

Singen, Turnen in jeder Klaffe je e i n e bis z w e i Stunden. Dem Unterricht in der deutschen Sprache sind in jeder Klaffe drei, dem in der französischen Sprache vier bis

höchstens sechs Stunden wöchentlich zuzuweisen. Auf Gymnasien, bei welchen die im § 10 Absatz 2, oder im 8 11 Nr. 2 bezeichneten Ausnahmen stattfinden, sind dem Unterrichte im Deutschen in jeder Klasse wöchentlich vier Stunden zu widmen.4

4. Abs. 2, 3 u. 4 des 8 14 sind abgeändert und ersetze durch Lil. A nebst Bem. des Neuen Normalplans v. 23., April 1878. j

1873 (10. Juli) 15. Für den Lehrplan in den einzelnen Gegen­ ständen gelten folgende allgemeine Vorschriften: Im Lateinischen fällt auf Sexta und Quinta die Einübung der Formenlehre mit ele­ mentaren Uebersetzungsübungen; in Quarta und Tertia wird die Syntax durchgenommen; für Secunda und Prima gehört außer der Wieder­ holung und Vertiefung des Gelernten die An­ schauung und Nachbildung des lateinischen Satz­ gefüges und Stiles. Was den Umfang des Lese­ stoffes betrifft, so soll der Tertianer im zweijäh­ rigen Kursus mindestens drei Bücher von Cäsars Gallischem Kriege und eintausend Verse aus Ovids Metamorphosen durcharbeiten; auf Secunda kommen zwei Bücher der Aeneide Virgils, Sallusts Catilina und drei oder vier der leichteren Reden von Cicero; in Prima sind die Oden des Horaz der Mehrzahl nach, eine längere Rede und eine der philosophischen Schriften Ciceros, endlich die Germania und ein Buch der Annalen des Tacitus zu lesen. Im Griechischen fällt die Einübung der Formenlehre auf Quarta und Tertia, wobei in letzterer Klasse wenigstens zwei Bücher von Xenophons Anabasis gelesen werden. In Secunda und Prima muß neben einer wissenschaftlichen Aneig­ nung der Syntax der homerische und herodotische Dialekt mit Hinweisungen auf die allgemeine Sprachwissenschaft erörtert werden. Als knappstes Maß der Lektüre wird für diese Klassen bezeich­ net : eine Auswahl von 50 Kapiteln des Herodot, eine längere oder mehrere kürzere Reden des Ly^ sias, Auswahl aus Xenophons Griechischer Ge­ schichte und aus Plutarchs Lebensbeschreibungen, der dritte Theil von Homers Odyssee (in Secunda) und Ilias (in Prima); dann ein leichterer Dialog Platons, drei der olynthischen Reden des De­ mosthenes und eine Tragödie des Sophokles. In der deutschen Sprache haben die drei unteren Klaffen die Aufgabe, im Anschluß an die Terminologie des Lateinischen die grammatische Formenlehre und Satzbildung durch mündliche und schriftliche Uebungen so einzuprägen, daß ein sinngemäßes Lesen, richtiges Sprechen und Schreiben, ferner auch verständliche Wiedergabe leichterer Stoffe erzählenden Inhalts beim Abschluß dieser Unterrichtsstufe erreicht wird. Das Gelesene wird dem Inhalte nach zergliedert und nacher­ zählt, die Gedichte werden auswendig gelernt und vorgetragen; die schriftlichen Uebungen gehen von bloßen Diktaten über zur Nachbildung kleinerer Erzählungen und Beschreibungen. In Tertia wird außer der an das Lateinische zu knüpfenden Lehre vom Periodenbau mit der Erklärung klei­ nerer epischer Gedichte (besonders Balladen) be­ gonnen. Für die Aufsätze werden neben der Um­ formung solcher Gedichte und der freieren Bear­ beitung fremdsprachlicher Stoffe Beschreibungen von bekannten Natur- und Kunstgegenständen, sowie auch 'leichtere historische Stoffe gewählt. In Band in.

369

den beiden Oberklassen wird nach jedesmal fest­ zustellendem Plane ein Ueberblick über die Ge­ schichte der Literatur in der Art vermittelt, daß neben kurzer Darstellung der Hauptumrisse des Ganzen die großen Epen des Mittelalters mit den ihnen zu Grunde liegenden Sagenkreisen und darnach die klassische Periode des achtzehnten Jahrhunderts ausführlichere Behandlung finden. Dabei müssen größere Abschnitte des Nibelungen­ liedes und die vorzüglichsten Gedichte Walthers von der Vogelweide, von den neueren Dichtern aber wenigstens die für die Schulen geeigneten Meisterwerke von Lessing (besonders: Minna von Barnhelm, Emilia Galotti, Nathan der Weise, Laokoon), Göthe (Egmont, Iphigenie, Tasso, Wahrheit und Dichtung, Hermann und Dorothea), Schiller (Don Carlos, Wallenstein, Jungfrau von Orleans, Maria Stuart, Wilhelm Tell) theils in der Klasse erklärt, theils nach Anweisung und unter Kontrole des Lehrers zu Hause gelesen werden. Während sich hieran gelegentlich die Grundzüge der Metrik und Poetik anschließen, wird durch praktische Uebungen in der Rhetorik und insbesondere der Dispositionslehre dahin gestrebt, daß der Schüler im Stande ist, einen in seinem Bildungskreise liegenden Gegenstand in Form einer Abhandlung zu einem planmäßigen Ganzen zu gestalten und in einer natürlichen, fehlerfreien, der Sache angemessenen Sprache zur Darstellung zu bringen. Endlich ist es wünschenswerth, daß in der Prima die Hauptthatsachen der empirischen Psychologie und die wichtigsten Leh­ ren der formalen Logik als Einleitung in das Studium der Philosophie durchgenommen werden. Inder französischen Sprache haben die drei unteren Klassen die Formenlehre nebst den Anfängen der Syntax zu behandeln; daneben Sprechübungen, schriftliche Uebersetzungen, leichtere Lesestücke prosaischer und poetischer Gattung. In Tertia folgt die Einprägung der syntaktischen Regeln durch mündliche und schriftliche Uebungen; als Lektüre dienen vorzugsweise die bedeutenden Historiker und leichtere Dichtungen. In den beiden Oberklaffen bildet die Lesung der geeigneten Dramen von Corneille, Racine und Moliere den Anknüpfungspunkt für literargeschichtliche Erörte­ rungen, zugleich finden die neueren Lyriker nebst einigen Lustspieldichtern, sowie auch die Kanzel­ redner und Philosophen der klassischen Periode gebührende Beachtung. Die Anforderungen an die schriftliche Darstellung der Schüler gehen auf die Fähigkeit, einen fremdsprachlichen Text ohne Bei­ hülfe in grammatisch korrektes Französisch zu übertragen.5 In der Geographie und Geschichte bildet für Sexta und Quinta den Mittelpunkt des Unterrichts die genauere Beschreibung von Deutsch5. SgLLittr. A Bem. 5 des Neuen Normalplans v. 23. April 1878.

370

1873 (10. Juli)

land, womit die übersichtliche Darstellung der natürlichen und staatlichen Verhältnisse von Eu­ ropa und der übrigen Welttheile zu verbanden ist. Dev Geschichtsunterricht soll sich auf dieser Stuft im Gebiet der griechischen und deutschen Sagen und Lebensbilder bewegen. In Quarta wird die Geschichte der Griechen und Römer in angemes­ sener Auswahl behandelt; daneben Beschreibung der fremden Welttheile. Dem zweijährigen Kursus der Tertia fällt die Geschichte Deutschlands im Mittelalter und in der Neuzeit zu, wobei die Befestigung und Erweiterung der geographischen Kenntnisse von Deutschland und Europa an pas­ senden Stellen und abschnittweise vorzunehmen ist.,Auf der obersten Lehrstufe wiederholt sich dje Aufgabe der Mittelstufe in der Weise, daß dem Secundaner in einem Jahre die ausführlichere Darstellung der griechischen, in dem anderen die der römischen Geschichte vorgeführt wird, worauf in der Prima die Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit, mit vorzüglicher Hervorhebung Deutschlands, bis in's neunzehnte Jahrhundert fortzusetzen ist. Daneben in Secunda alte Geo­ graphie und übersichtliche Wiederholung der außereuropäischen Länder; in Prima die euro­ päischen Lander und fortlaufende Repetition der alten Geschichte. Im Rechnen schließt sich für die drei unteren Klaffen an die Wiederholung der vier Spezies stufenweise die Einübung der Operationen mit gemeinen und dezimalen Brüchen, die Einübung des metrischen Systems, die Regeldetri nebst den daraus hergeleiteten Rechnungsarten. Die Ein­ übung geschieht mehr durch Kopfrechnen als

schriftlich. Die Mathematik beginnt in Quarta und umfaßt die ebene Geometrie, die ebene Trigono­ metrie, die körperliche Geometrie; ferner die gemeine Buchstabenrechnung, die Lehre von Po­ tenzen und Wurzeln, die Gleichungen ersten und zweiten Grades, die Reihen und die Logarithmen. Ueberall bilden die dahin gehörigen Aufgaben und Beispiele einen wesentlichen Theil des Un­ terrichts. Die beschreibenden Naturwissen­ schaften werden in den drei Unterklassen in konzentrisch sich erweiternden Lehrpensen vorge­ tragen und auf jeder Stufe durch passend gewählte Anschauungsmittel belebt. Die systematische Ue­ bersicht der drei Naturreiche muß, anknüpfend an die vorangegangenen Einzelbetrachtungen, dem Ganzen einen Abschluß geben. Den beiden obersten Klassen fällt die Physik zu, bei deren Behandlung vor Allem eine klare Einsicht in die allgemeinen Eigenschaften der Körper und in die Naturgesetze anzustreben und durch Experimente zu fördern ist. 6 16. An Gymnasien und Progymnasien, denen

keine Realabtheilung zur Seite geht, können Schüler bis zur Untersecunda einschließlichr vom Griechischen entbunden werden. Die freigewordene Zeit ist in Quarta dem Deutschen und benr Fran­ zösischen, in Tertia und Untersecunda dem Eng^ lischen und der Mathematik überall zu gleichen Theilen zuzuwenden. III. Realgymnasien.

17.

In den Realgymnasien gilt für Sexta und Quinta alles vorstehend für die gleichen Klaffen der Gymnasien Angeordnete. Bon Quarta an treten für die einzelnen Lehr­ gegenstände folgende Ansätze als Normalmaß ein: Für Lateinisch in Quarta nnd Tertia je v i e r, in Secunda und Prima je d r e i wöchentliche Stunden. Für Englisch von Tertia bis Prima je vier Stunden. Für Geographie und Geschichte in Quarta und Tertia je v i e r, in Secunda und Prima je d r e i Stunden. Für Rechnen und Mathematik in Quarta und Tertia je sechs, in Secunda und Prima je fünf Stunden. Ftzr Naturgesch chte von Quarta bis Prima je zwei Stunden; für Physik und Chemie in Secunda und Prima je vier Stunden. Für Zeichnen zwei bis v i e r

Stunden, für Singen und Turnen eine bis zwei Stunden in jeder Klaffe. Dem Unterrichte in der deutschen Sprache sind in jeder Klaffe drei, dem in der französischen Sprache vier bis höchstens sechs Stunden zu widmen.

Auf Realgymnasien, bei welchen die im § 10 Absatz 2, oder im ß 11 Nr. 2 bezeichneten Ausnahmen stattsinden, sind dem Unterrichte im Deutschen in jeder Klaffe wöchentlich wenigstens vier Stunden, dem Französischen aber nicht mehr Stunden als dem Deutschen zuzuweisen.7

18. Für das Deutsche gelten hinsichtlich der Bertheilung des Stoffes und über den Gang des Unterrichts dieselben Bestimmungen wie bei den Gymnasien; auch soll dasselbe Ziel der formalen Ausbildung des Schülers in schriftlicher Darstellung erreicht werden. In der Uebersicht des Entwicke­ lungsganges der deutschen Literatur wird die neuere Zeit vorzugsweise berücksichtigt. Ebenso sind wegen des Mangels der Kenntniß des Griechischen beim Unterrichte in der philosophischen Propä­ deutik angemessene Umgestaltungen und Verkür­ zungen vorzunehmen. Für das Französische ist im Allgemeinen derselbe Lehrgang einzuhalten, wie an den Gym­ nasien, wobei jedoch auf mehrseitige Uebung tut praktischen Gebrauch der Sprache und zu Zwecken des geschäftlichen Lebens Rücksicht genommen werden muß. Insbesondere gilt dies für Real­ gymnasien innerhalb des französischen Sprachge­ biets. Auf der obersten Lehrstufe werden regel­ mäßig schriftliche Aufsätze angefertigt und wird der Theorie des Stils ein angemessener Raum gewidmet. Im Lateinischen wird in Quarta und Tertia die Elementarsyntax durchgenommen und durch schriftliche Uebungen befestigt. Als Lesestoff dient in Quarta eine Chrestomathie, in Tertia Julius Cäsar, von deffen Gallischem Kriege wenigstens zwei Bücher zu lesen sind. In Secunda und Prima

7. Der § 17 ist abgeändert und ersetzt durch Littr. B nebst

6.

Bgl. Liltr. A Bem. 7 des Neuen Normalplans.

Bem. des Neuen Normalplans

371

1873 (10. Juli) lehnt

sich

die

fortwährende

Wiederholung

der

Grammatik an die Lesung ausgewählter Abschnitte Les Livius und Sallusttus oder einer leichteren Rede Cicero's, wobei von Zeit zu Zeit mit pas­ senden Stücken aus Ovid und Virgil gewechselt

wird. Das Englische beginnt in Tertia mit Uebungen in der Aussprache und Einprägung der Formenlehre, wobei ein praktischer Leitfaden zu Grunde gelegt wird. In den beiden Oberklassen ist eine systematische Grammatik so durchzunehmen, daß dem Schüler der freie schriftliche Gebrauch der Sprache als Ziel gesetzt wird. Zur Lektüre Lienen stufenweise die klassischen Werke der erzäh­ lenden, besonders der historischen Prosa; von poetischen in Prima die geeigneten Dramen Shakespeares. In der Geschichte und Geographie gelten für Quarta und Tertia dieselben Lehraufgaben, wie im Gymnasium, nur mit der Abweichung, daß der Geographie bei größerer Stundenzahl ein breiterer Raum zufällt. In Secunda und Prima ist die mathematische und physikalische Geographie in größerer Ausdehnung durchzunehmen. Daneben auch Geographie des Handels nebst einer Ueber­ sicht der Kolonien. Der alten und mittleren Geschichte werden die beiden Jahreskurse der Secunda gewidmet; in Prima ist vorzugsweise die neuere Zeit von der Entdeckung Amerikas an zu behandeln.

Das Rechnen wird in Quarta und Tertia besonders mit Rücksicht auf den kaufmännischen Gebrauch fortgesetzt und dabei auch die Buchfüh­

rung geübt. In der Mathematik tritt zu dem Pensum des Gymnasiums, welches hier bei größerer Stundenzahl früher beendigt werden kann, noch die sphärische Trigonometrie, die analytische Geometrie und die beschreibende Geometrie. Außerdem erfährt der Kreis der algebraischen Aufgaben eine ange­ messene Erweiterung. Für die Naturgeschichte wird neben der eingehenden Beschreibung der Naturprodukte und der Einübung eines botanischen und zoologischen Systems in den oberen Klassen die Krystallogra­ phie und Mineralogie, sowie das Wichtigste aus der Anatomie und Physiologie des menschlichen Körpers in den Lehrplan ausgenommen. In der Prima kann aus einer geschickten Behandlung der Geognosie die Grundlage zu einer wissenschaft­ lichen Geschichte der Erdrinde gewonnen werden.

In der Physik und Chemie, welche nur in den beiden Oberklassen behandelt werden, ist die auf mathematischer Grundlage ruhende Theorie mit praktischen Experimenten und Uebungen int Labo­ ratorium zu verbinden, s

8. Bgl. Littr. B Bem. 4 des Neuen Normcilplans.

IV. Realschulen.

19. Die Realschulen unterscheiden sich von den Realgymnasien wesentlich durch den Wegfall des Lateinischen und durch die Verkürzung des Lehrkursus um zwei Jahre (Vgl. § 4.). Die Zahl der wöchentlichen Lehrstunden darf für die Klassen Sexta und Quinta nicht über 28, für Quarta und Tertta nicht über 30, für Secunda und Prima nicht über 32 hinausgehen, abgesehen von Gesang und Turnen. Dem Unterrichte in der deutschen Sprache sind in jeder Klaffe mindestens vier Stunden wöchent­ lich zuzuweisen, dem in der französischen Sprache vier bis höchstens sechs Stunden. Auf Realschu­ len, bei welchen die im § 10 Absatz 2, oder im § 11 Nr 2 bezeichneten Ausnahmen stattfinden, sind dem Unterrichte im Deutschen mindestens fünf Stunden und dem Unterrichte im Französischen nicht über vier Stunden wöchentlich zu widmen. Die Bertheilung des Unterrichtsstoffes für die deutsche und französische Sprache regelt sich nach den für Realgymnasien im § 18 gegebenen Bestim­ mungen und Gesichtspunkten, sowie auch die da­ selbst bezeichneten Lehrziele festzuhalten sind. Hm denjenigen Schülern, welche späterhin ein Gymnasium besuchen wollen, die nöthige Vorbe­ reitung zu gewähren, dürfen an den Realschulen fakultative Kurse für die lateinische Sprache in sechs oder sieben wöchentlichen Stunden abgehalten werden, jedoch nur in den drei unteren Klaffen. Die daran Theil nehmenden Schüler werden von zwei Stunden des deutschen und zwei Stunden des französischen Sprachunterrichts befreit. Das Englische wird von Tertia an in vier wöchentlichen Stunden getrieben. Für Geschichte und Geographie sind in jeder Klaffe vier Stunden wöchentlich anzusetzen. Die Lehrpensa sind dieselben, wie im Realgym­ nasium, nur daß in Tertia und Secunda bei den einjährigen Kursen der Stoff die erforderliche Zusammenziehung erfährt. Das Rechnen und die Mathematik wird in Sexta und Quinta mit je vier, in den fol­ genden Klassen mit je s e ch s wöchentlichen Stun­ den betrieben. In der Prima wird demselben Ziele zugestrebt, wie im Realgymnasium. Für die Fächer der Naturgeschichte, der Physik und der Chemie gelten dieselben Be­ stimmungen, wie im Realgymnasium. In den drei oberen Klassen solcher Realschulen, welche für besondere Berufszweige, als Handel und Gewerbe, vorbereiten und sich ausdrücklich als Fachschulen erklären, können mit Genehmi­ gung des Ober-Präsidenten8 9 Veränderungen des Lehrplanes eintreten, mit Ausnahme jedoch der Bestimmungen über den deutschen und französi­ schen Sprachunterricht. 9. Jehl des Ministeriums (§ 3 G. v. 4. Juli 1879).

372

1873 (12. Juli — 13. Juli — 15. Juli) 12. Juli 1873.

Gesetz, betreffend die Kriegsgerichte.1 G.-Bl. S. 163. § 2. DaS Kriegsgericht erkennt über die in den 88 80-93,

94,96,98,100,102, 105, 106, 115, 116 und 125 deS Strafge1. Durch G. v. 24. Januar 1881 wurde daS Kriegsgericht in Straßburg aufgehoben. Damit sind alle auf die Kriegs­

gerichte bezüglichen Bestimmungen weggefallen mitAuSnahme des 8 3 obigen Gesetzes, welcher eine materiell-rechtliche Bestimmung enthält. Daß letztere durch das G. v. 24. Jan. 1881 nicht berührt witd, ergibt sich sowohl aus dem Wort­ laute dieses Gesetzes wie aus dem Zusammenhang der Motive. —Die Weitergeltung des 8 3 neben 8 49 a St.-G.--B. wurde durch Urtheil deS O.-L.-G. Kolmar, als Kassationshof, vom 21. Dez. 1880 (Jur. Zeitschr. VI S. 19) anerkannt.

sehbuchS für das Deutsche Reich mit Strafe bedrohten Hand­

lungen. . . .

3. Die erfolglose Aufforderung oder Anreizung zu den im § 2 bezeichneten Handlungen ist nach demjenigen Gesetze zu bestrafen, welches, wenn die Aufforderung oder Anreizung Erfolg gehabt hätte^ auf die begangene Handlung Anwendung gefunden haben würde; jedoch ist die Strafe nach den in den §§ 44, 45 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich in Betreff der Bestrafung des Versuchs ausgestellten Grundsätzen zu ermäßigen.

13. Juli 1873. Gesetz, betreffen- die Ermächtigung der Bezirke, Gemeinden vvd anderer Äorpo rationen zur Aufnahme von Anleihen und zur Erhebung von Lteuerznschlägen. G.-Bl. S. 165.

Die Ermächtigung der Bezirke, der Gemeinden und anderer Korporationen zur Aufnahme von Anleihen und zur Erhebung von Steuerzuschlägen wird in denjenigen Fällen, in welchen es hierzu nach der gegenwärtigen Gesetzgebung eines Gesetzes

bedarf,1 ertheilt.

fortan

durch

kaiserliche

Verordnung2

1. S. bezüglich der Bezirke Artt. 33 u. 34 G. v. 10. Mai 1838, bezüglich der Gemeinden Art. 7 G. v. 24. Juli 1867 nebst Bem. 2. Die D. wird vom Statthalter vollzogen, B. v. 23. Juli 1879.

15. Juli 1873. Verordnung, betreffend die Tagegelder vnd Reisekosten der Personen des Soldaten­ standes des preußischen Heeres. * C.-Bl. S. 248.

§ 1. Die Personen des Soldatenstandes des preußischen Heeres erhalten bei Dienst- und Ber­ setzungsreisen Tagegelder nach folgenden Sätzen: I. General-Feldmarschälle und Generale der Infanterie oder Kavallerie .... 10 Thlr. II. Die übrigen Generale, der General-StabsArzt der Armee und die in Generalsstellen stehenden Stabsoffiziere.......................6 Thlr. 1. Die auch int Armee-Berordmmgs-Blatt 1873 S. 207 veröffentlichte B. v. 15. Juli 1873 ist im G.-Bl. für E.-L. sowie im R.-G.-BI. nicht abgedruckt. Mit Einführung der BerfaffungSbestimmungen über das Reichs-Kriegswesen durch G. v. 23. Juni 1872 indeß sind das C.-Bl. für das Deutsche Reich und das Arrnee-BerordnungS-Blatt auch für E.-L. als amtliche PublikationS-Organe der Armee-Verwaltung in Wirksamkeit getreten. — Zur Ausführung der D. v. 15. Juli 1873, welche vom Kaiser erlaffen worden ist, da die seit­ herigen Bestimmungen den veränderten Berhältniffen nicht mehr entsprechen, sind gemäß 8 16 seitens des preußischen Kriegs-Ministeriums unterm 24. Aug. 1873 „Erläuterungen und nähere Festsetzungen" ergangen (Armee-B.-Bl. S. 230). — Bezüglich der Beamten der Militär- und Marineverwal­

tung s. B. V. 20. Mai 1880.

HI. Regiments-Kommandeure, die diesen im Range gleichgestellten Stabsoffiziere und die General-Aerzte der ersten und zweiten Gehalts­ stufe ..............................................................5 Thlr. IV. Bataillons- und Abtheilungs-Kommandeure, die übrigen Stabsoffiziere, Generalärzte der dritten Gehaltsstufe, Oberstabsärzte I. Klasse und die in etatsmäßigen Dezernentenstellen stehenden Offi­ ziere und Aerzte des Kriegs-Ministeriums, sowie die Präsides der Remonte - Ankaufs - Kommis­ sionen, welche noch nicht Stabsoffizier-Rang haben.............................................. 4 Thlr. 15 Sgr. V. Die ersten Hülfsoffiziere der RemonteAnkauss-Kommissionen............................ 4 ThlrVI. Hauptleute, Rittmeister, im Range derselben stehende Aerzte und die zweiten Hülfsoffiziere der Remonte-Ankauss-Kommissionen... 3 Thlr. VH. Lieutenants und im Range derselben stehende Aerzte..............................2 Thlr. 15 Sgr. VIII. Unteroffiziere, welche das Offizier-Portepee tragen, Unterärzte, Kommissionsschreiber bei den.

1873 (15. Juli) Remonte - Ankaufs - Kommissionen und Brigade­ schreiber beim Departements-Ersatz- und Super­ revisions-Geschäft.......................1 Thlr. 15 Sgr.

IX. Unteroffiziere, welche das Offizier-Portepee nicht tragen............................................. 1 Thlr.

X. Gemeine mit Einschluß der Gefreiten und Obergesreiten.............................................20 Sgr. 2. Die im § 1 angegebenen Sätze richten sich nach dem erdienten Grade und der Dienststellung; Charakter-Erhöhungen bleiben dabei ohne Einfluß. Bei Versetzungen in Folge von Beförderung kommt der Tagegeldersatz der neuen höheren Charge zur Anwendung. 3. Erfordert die Dienstreise einen außergewöhn­ lichen Kosten-Aufwand, so kann der Tagegeldersatz von dem Kriegs-Ministerium angemessen erhöht werden. 4. Bei Dienstreisen werden die Tagegelder so­ wohl für die Tage der wirklichen Reise, wie für diejenigen des Aufenthalts am Bestimmungsorte, an dem letzteren jedoch im Jnlande — wenn das Kriegs - Ministerium nicht ausnahmsweise eine weitere Zahlung gestattet — längstens für 28 Tage, den Tag der Ankunft mitgerechnet, gewährt. Dauert der Aufenthalt länger als 28 Tage, so hört die Zahlung der Tagegelder mit dem folgen­ den Tage auf; dauert derselbe voraussichtlich länger als 6 Monate, so fallen die Tagegelder mit dem Ablauf des Tages der Ankunft fort. Im ersten Falle beginnt mit dem 29. Tage, im letzten mit dem Tage nach der Ankunft die Kommando­ beziehungsweise Funktionszulage, wenn und wie eine solche nach den darüber bestehenden Grund­ sätzen gezahlt werden kann. Ist mit der Dienst­ leistung am Bestimmungsorte eine feste Zulage oder Entschädigung oder sonstiger dauernder Zu­ schuß verbunden, so werden die Tagegelder nur bis zur Ankunft am Bestimmungsorte gewährt. 5. Bei Märschen, marsch- und etappenmäßig zurückzulegenden Reisen, in Kantonnirungen und i bei den Uebungen der Truppen werden Tage­ gelder nicht bewilligt. Offiziere, welche Pulver-

* transporte führen, empfangen dagegen Tagegelder. ; 6. An Reisekosten einschließlich aller Nebenkosten 1 für Gepäck - Beförderung, Chaussee-, Brücken-, ^ Fährgeld u. s. w. erhalten: l I. Bei Reisen, welche auf Eisenbahnen s Dampfschiffen zurückgelegt werden können:

oder

;

1) sämmtliche Offiziere und im Range derselben stehende Aerzte: ! 10 Sgr. für die Meile, t \

1 Thlr. für jeden Ab- und Zugang. Hat einer dieser Offiziere oder Aerzte in der

-Charge bis zum Hauptmann einschließlich abwärts seinen Diener auf die Reise mitgenommen oder gach dem Bestimmungsorte herangezogen, so kann für denselben 5 Sgr. für die Meile bean­ spruchen ;

l

2) die Unteroffiziere, welche das Offizier-Portepee

373

tragen, die Zeugsergeanten und bie übrigen im § 1 ad VIII genannten Militärpersonen: 5 Sgr» für die Meile, 10 Sgr. für jeden Ab- und Zugang. Dieselbe Vergütung erhalten auch die in der Regel auf den Fußmarsch angewiesenen Unter­ offiziere ohne Portepee, Gefreiten und Gemeinen, wenn ihnen ausnahmsweise Reisekosten bewilligt werden. t II. Bei Reisen, welche nicht auf Eisenbahnen oder Dampfschiffen zurückgelegt werden können: 1) die in § 1 unter I bis IV genannten Offi­ ziere und Aerzte..............................1 Thlr. 15 Sgr. 2) die in 8 1 unter V bis VII genannten Offi­ zier? und Aerzte........................................1 Thlr. 3) die in 8 1 unter VIII bis X aufgeführten Militärpersonen, jedoch unter Berücksichtigung der vorstehend unter I 2 angegebenen Beschrän­ kung .............................................................. 20 Sgr.

für jede Meile nach der nächsten fahrbaren Straßenverbindung. 7. Haben erweislich höhere Reisekosten aufge­ wendet werden müssen, so werden diese erstattet. Bei Versetzungen in Folge von Beförderung kommt der Reisekostensatz der neuen höheren Charge zur Anwendung. 8. Offiziere und Aerzte aller Grade, welche mehr als eine Fourage-Ration beziehen, erhalten bei Dienstreisen in einer Entfernung bis zu 3 Meilen, von ihrer Garnison rc. ab gerechnet, keine Reisekosten. 9. Die Reisekosten werden für die Hin- und Rückreise besonders berechnet. Hat jedoch eine Militärperson Dienstgeschäfte an verschiedenen Orten unmittelbar nach einander ausgerichtet, so ist der von Ort zu Ort wirklich zurückgelegte Weg ungetheilt der Berechnung der Reisekosten zum Grunde zu legen. 10. Im mobilen Zustande werden bei Dienstund Bersetzungsreisen Tagegelder und Reisekosten in der Regel nicht gewährt. Ausnahmen hiervon bedürfen besonderer Genehmigung. 11. Für Dienstgeschäfte in der Garnison, im Kantonnement oder Kommandoorte oder außer­ halb derselben in einer Entfernung von nicht mehr als einer Fünftelmeile werden weder Tage­ gelder noch Reisekosten gewährt. War der Betref­ fende durch außergewöhnliche Umstände genöthigt, sich eines Fuhrwerkes zu bedienen, oder waren sonstige nothwendige Unkosten, wie Brücken- und Fährengeld aufzuwenden, so sind die nachweis­

lichen Auslagen zu erstatten. 12. Bei Berechnung der Entfernungen jede angefangene Fünftelmeile für eine

wird volle

Fünftelmeile gerechnet. Bei Reisen von mehr als einer Fünstelmeile, aber weniger als einer Meile, sind die Beförde­ rungskosten für eine Meile zu gewähren. 13. Reisen, welche lediglich das Privatinteresse berühren,

sowie die Reisen der auf eigenes Ansuchen Ber-

374

1873 (15. Juli — 28. Juli)

setzten, 2

schließen

den Anspruch

auf Tagegelder

wegen Bewilligung von Tagegeldern bei Dienst-

und Reisekosten aus. 14. Auf das Korps der Lanögendarmerie und

und

auf das Korps der Feldjäger findet diese Ver­

vom 28. Dezember 1848, sind aufgehoben-

ordnung nicht Anwendung.

Bersetzungsreisen

der

Offiziere

und

der

anderen Personen des Säldatenstandes ic;, beide

16. Das Kriegs-Ministerium ist mit der Aus­

15. Alle denselben Gegenstand betreffenden früheren Bestimmungen, namentlich diejenigen,

führung dieser Verordnung beauftragt und wird

welche enthalten sind in dem Reisekosten-Regulativ

im Sinne derselben zu erlassen.3 4

zugleich ermächtigt, die erforderlichen Erläuterungen

für die Armee und den vorläufigen Bestimmungen 3. S. oben Bein. 1.

2, Aufgehoben durch § 10 B. v. 23 Mai 1878.

28. Juli 1873. Stkanntmachung -es Direktors -er Zölle nud indirekten Stenern, betreffen- den Verkehr mit steuerpflichtigen Gegenständen.1 Straßb. Ztg. Beilage zu Nr. 186. I. UebergangSstraßen und ft e u e r st e l l e n.

U ehergang S-

Elsaß-Lothringen nach anderen Theilen des deut­ schen Zollgebiets

versendet werden, unterliegen,

§ 1. Der Uebergang von Wein (Trauben- und

insoweit nicht freier Verkehr besteht, den daselbst

Obstwein) und Bier über die Binnengrenzen von

vorgeschriebenen Uebergangsabgaben oder inneren

Elsaß-Lothringen ist nur auf denjenigen Straßen

Steuern. In welchen Staaten des deutschen Zollgebietes^

und

über diejenigen

stellen

Hebe-

und

(Uebergangssteuerstellen)

Abfertigungs­

zulässig,

welche

von welchen Gegenständen und in welchen Be­

anliegende Verzeichniß ergibt.2 In Elsaß-

trägen Uebergangsabgaben erhoben werden, ergibt

Lothringen und Baden sind beim Transport aus

die anliegende Uebersicht. 4 Wein (Trauben- und Obstwein) unterliegt bei

das

Eisenbahnen außsrdem die Steuerstellen der Orte,

wo diese Getränke die Eisenbahn

verlassen,

als

Uebergangssteuerstellen zu betrachten.

den daselbst bestehenden inneren Steuern. Nach

2. Für die Einfuhr von Branntwein (vgl. § 14) über die Grenze gegen Bayern und Baden ist die

Benutzung der in diesem Verzeichniß aufgeführten Straßen nur dann gestattet, wenn der Transport

unter

Uebergangsscheinkontrole

der Einfuhr nach Württemberg, Baden und Hessen 5

bewirkt

wird.

den übrigen Theilen des deutschen Zollgebiets­ kann derselbe abgabenfrei versendet werden.6 Bei der Einfuhr von Spielkarten nach den Staaten der deutschen Zollgebiets werden die daselbst gesetzlich bestehen­ den Stempelabgaben erhoben. 7 8

Andernfalls darf Branntwein nur auf folgenden

2. Ausfuhr von Wein (Trauben- und Obstwein.)

UebergangSstraßen, bezw. über folgende zur Ein­

gangsabfertigung desselben befugte Anmeldestellen eingeführt werden........... 3 Hinsichtlich der Ausfuhr von Branntwein sind

die Bestimmungen in den §§ 9—11 maßgebend.

Bei dem Eingang von Branntwein nach Baden auf den Eisenbahneg findet die Bestimmung im Schlußsätze des § 1 gleichermaßen Anwendung. II. Versendung steuerpflichtiger Gegenstände auS Elsaß-Lothringen nach anderen Staaten des Deutschen Zollgebiets oder dem ZollauSlande.

4. Bei der Ausfuhr von Wein nach den an­

grenzenden Staaten des deutschen Zollgebiets und dem Zollauslande erfolgt die Ausgangsabfertigung auf Grund von Ausfuhrscheinen.3 Soll die Aus­ fuhr auf Landwegen oder Wasserstraßen erfolgen,

wird

so

sie

als erwiesen betrachtet, wenn die

diesseitige Uebergangssteuerstelle, bezw. das Grenz­ zollamt

die

Ausfuhrbescheinigung

Bei Versendungen nach

ertheilt

Baden muß

hat.

außerdem

von

der badischen Uebergangsstelle die

Einfuhr

und

Versteuerung

Bei

Versen­

bescheinigt sein.

dungen mittels der Eisenbahn tritt an die Stelle 1. Allgemeine Bestimmungen.

3.

Steuerpflichtige

Gegenstände,

welche

aus 4. Die Uebersicht ist durch die der Bkm. v. 15. Januar

1. Im Auftrag des R.-K. v. Dir. als Ausführungsbestim­

mung zum G. v. 14. Dez. 1872 erlassen. 2. Bgl. 88 2-4 G. v. 14. Dez. 1872. Das gedachte Ber-

zeichniß ist veraltet und daher nicht abgedruckt, vgl. vielmehr das der Bf. d. G.-Dir. v. 25. Sept. 1879 (A.-Bl. S. 224) beigefügte Verzeichniß.

3. Die hier folgende Uebersicht ist veraltet, vgl. das unter Bem. 2 erwähnte Verzeichniß.

1877 beigefügte ersetzt. 5. Seit 1. Januar 1874 wird im Großh. Hessen bei dem Eingang von Wein auS anderen Staaten des deutschen Zollgebiets eine Abgabe nicht mehr erhoben.

6. Bgl. Bem. zu § 14 G. v. 14. Dez. 1872. 7. Aufgehoben durch G. v. 3. Juli 1878. 8. Bgl. 8 s Nr. 6 G. v. 20. März 1873 u. 8 14 G. v 14. Dez. 1872.

1873 (28. Juli)

375

der Ausfuhrbescheinigung diejenige der Verladung dem Anspruch auf Steuerrückvergütung ausgeführt durch die Güterexpedition des Aufgabeorts.*2 * * * * * 8 *werden soll, hat solches dem Steueramt des Be­ zirks, in welchem seine Brauerei gelegen ist, mit­ 5. Soll Wein unter Uebergangsscheinkontrole tels einer in doppelter Ausfertigung zu über­ ausgeführt werden, so ist zuvor der nach den ge­ gebenden schriftlichen Anmeldung anzuzeigen. setzlichen Vorschriften erforderliche Ausfuhrschein Einer Vorführung des auszuführenden Biers be­ bei der Steuerstelle des Bersendungsorts einzu­ darf es nicht. Zu den Anmeldungen sind Begleit­ holen und der Uebergangsscheinausfertigungsstelle scheinformulare von der vorgeschriebenen Einrich­ bei Abgabe der Deklaration (§ 19) unter Vorfüh­ tung zu verwenden. rung der Getränke10 zu übergeben. Die Ausfuhr­ 3) Hinsichtlich der weiteren Abfertigung, der scheine bleiben in solchen Fällen bei der Stelle, beizubringenden Bescheinigungen und der Erledi­ welche den Uebergangsschein ertheilt, bis nach gung der Begleitscheine sind folgende Vorschriften erfolgter Erledigung des Uebergangsscheins deponirt und werden demnächst dem Steueramt, in dessen Bezirk sie ausgefertigt worden sind, erle­ digt zurückgegeben. Die Bezugnahme auf den er­ ledigten Uebergangsschein in der Erledigungs­ bescheinigung des Ausfuhrscheins ersetzt in diesen Fällen die Ausfuhrbescheinigung und beim Aus­ führen nach Baden die Einfuhrbescheinigung. 3. Ausfuhr von Bier.

6. Wenn Bier aus Elsaß-Lothringen ausge­ führt werden soll, ohne daß eine Steuerrückver­ gütung in Anspruch genommen wird, so bedarf es einer Anmeldung nur dann, wenn die Ver­ sendung unter Uebergangsscheinkontrole erfolgen soll. Die Extrahirung von Uebergangsscheinen empfiehlt sich für die Versender in allen denjeni­ gen Fällen, in welchen Bier aus Elsaß-Lothringen nach den übrigen Theilen des deutschen Zoll­ gebiets, mit Ausnahme der bayerischen Rheinpfalz,11 ausgeführt und die Erhebung der Uebergangsabgaben auf ein Amt im Innern überwiesen, sowie wenn Bier durch das Gebiet eines Staats, in welchem es einer Uebergangsabgabe unterworfen ist, geführt werden soll. 7. Bei der Ausfuhr von Bier aus Elsaß-Loth­ ringen wird die gesetzliche Steuerrückvergütung unter folgenden Voraussetzungen gewährt:12 1) Die Rückvergütung der Biersteuer wird nur Brauern geleistet, welche selbstgebrautes und ver­ steuertes Bier ausführen und den Nachweis der wirklich erfolgten Ausfuhr, bezw. der Einfuhr und Versteuerung am Bestimmungsorte, in der unter 3 und 4 vorgeschriebenen Weise liefern. 2) Der Brauer, für dessen Rechnung Bier mit 9. Dir Vorschriften im letzten Abs. des § 4 finden auch dann Anwendung, wenn Wein mit der Eisenbahn dnrch Baden nach Staaten versendet wird, in welchen eine Weinstener nicht erhoben wird. — Wegen der Bersendnng von Wein nach Württemberg vermittels der Eisenbahn vgl. Bkm. v. 6. März 1876; wegen der Versendung verzollten ausländischen Weins die §§ 25 u. 27. 10. Die Vorführung, Revision und Verschlußanlage ist nach Vf. d. Dir. v. 3. Oktober 1874, nicht erforderlich (vgl. 8 14, Ziff. II

m.

IB G. v. 14. Dez. 1872).

11. Aufgehoben durch Bkm. o. 25. Sept. 1878 (R.-G.-Bl. S. 347), nachdem in dcr Pfalz der Malzaufschlag einge­ führt ist.

12. Vgl. Art. 4 G. v. 23. Juli 1820, sowie die §§ 97-108 der Dienstvorschriften zur Ausführung der ges. Bestimmun­ gen über die Biersteuer v. 10. März 1875 sA.-Bl. S. 84).

zu beachten: a) Bei Versendungen nach Preußen, Luxemburg oder Baden:13 Erfolgt die Ausfuhr auf Landwegen oder Wasser­ straßen, so besteht das weitere Verfahren darin, daß die elsaßlothringische Uebergangssteuerstelle nach vorheriger Revision die Bescheinigung der Ausfuhr, und die jenseitige Uebergangssteuerstelle die Bescheinigung der Einfuhr und Versteuerung ertheilt. Wenn dagegen die Ausfuhr auf Eisen­ bahnen erfolgen soll, so muß die Verladung nach vorheriger Revision durch einen Steuerbeamten unter amtlicher Aufsicht desselben geschehen und es muß hierüber auf dem Begleitschein eine Be­ scheinigung ertheilt werden. Die Güterexpedition des Aufgabeorts gibt sodann eine, die Ausfuhr­ bescheinigung ersetzende Berladungsbescheinigung ab, welcher der Amtsstempel beigedrückt wird, und die Uebergangssteuerstelle des Landes der Bestimmung — bezw. bei Versendungen nach Baden die Steuerstelle des Orts, wo das Bier die Eisenbahn verläßt, — bescheinigt die Einfuhr und Ver­

steuerung. b) Bei Versendungen Nach Bayern (Pfalz)14 und dem Zollauslande: Hier genügt beim Transport auf Landwegen oder Wasserstraßen die Bescheinigung über erfolgte Revision und Ausfuhr seitens der elsaßlothringischen Uebergangsstener- bezw. Grenzzollstelle, bei dem Transport auf Eisenbahnen das Attest über erfolgte Revision und Verladung unter Kontrole durch einen Steuerbeamten, sowie die Berladungsbescheinigung der Güterexpedition des Aufgabeorts. 4) An Stelle der Begleitscheine können auf Antrag des Versenders auch Uebergangsscheine ertheilt werden, wozu es jedoch gleichfalls der Abgabe einer schriftlichen Deklaration bedarf. Das int Schlußsatz des § 6 Gesagte gilt auch für diese Fälle. 4. Behandlung der bei Ausfuhren von Wein und Bier ansgestellteu inländischen Bezettelungen.

8. Die Ausfuhrscheine über Wein und die Be­ gleitscheine über Bier werden durch diejenige Stelle, welche die Erledigungsbescheinigung er13. Auch Bayern (Pfalz«, vgl. Bem. 11. 14. Vgl. Bem. 11.

1873 (28. Juli)

376

theilt, im Dienstwege an das Steueramt, in dessen Bezirk die Ausfertigungsstelle gelegen ist, zurückgesendet. 5. Ausfuhr von Branntwein.15

9. Bezüglich der Vergütung der Steuer für ausgeführten inländischen Branntwein gelten fol­ gende Bestimmungen: 1) Bei der Ausfuhr des im Jnlande, d. h. im deutschen Zollgebiete erzeugten Branntweins nach Ländern und Landestheilen, welche nicht zum deutschen Zollgebiet gehören, ferner nach Bayern, Württemberg, Baden und den Hohenzollern'schen Landen wird, sofern der Branntwein eine Alko­

holstärke von 35 Prozent nach Dralles oder dar­ über hat und die auf einmal ausgeführte Menge mindestens 68 7/i o Liter beträgt, eine Steuerver­ gütung von 11,4583 Centimes für je 1 145/iooo Liter Brantwein zu fünfzig Prozent Alkohol nach Dralles, oder was dasselbe ist, von 20,014555 Centimes für jedes Einhundert der in dem Brantwein enthaltenen, durch Multiplikation der Literzahl mit dem Stärkegrad ermittelten Alko­ holprozente gewährt. Bei Berechnung ver Vergütung nach dem zuletzt erwähnten Satze für den auf eine Anmeldung ausgeführten Branntwein bleiben jedoch die Al­ koholprozente, welche nicht volle 10016 betragen, außer Ansatz, so daß beispielsweise die Vergütung nicht für 243477, sondern nur für 243 40016 Pro­ zent Alkohol — 2434 Liter reinen Alkohols geleistet wird. Außerdem sind bei dem in vorstehender Weise berechneten Betrag der Steuervergütung, welche für den auf eine Anmeldung ausgeführten Branntwein zu leisten ist, die Centimes 17 insoweit außer Ansatz zu lassen, als sie durch 5 nicht mehr theilbar sind. 2) Ein regelmäßiger Nachweis des Ursprungs des zur Ausfuhr angemeldeten Branntweins wird nicht verlangt, die Forderung dieses Nachweises aber in einzelnen Fällen Vorbehalten; auch hat Jeder, der inländischen Branntwein unter Erfül­ lung der nachstehend vorgeschriebenen Bedingungen ausführt, auf die unter 1 bestimmte Steuerver­ gütung Anspruch.

15. Vgl. § 5 G. v. 8. Juli 1868, die Branntweinsteuer betr., sodann die B.-R.-B. v. 25. November 1873 (§ 562 d. Prot.), 28. November 1874 (§ 516 d. Prot.) u. v. 21 Juni 1878 (§ 384 d. Prot.), ferner Nr. IV der Bf. d. Dir. v. 28. Juli 1873 (A.-Bl. S. 369), betr. die Ein- und Ausfuhr von Bier und Branntwein; die Anleitung v. 20. Juni 1873 (A.-Bl. S. 341) zur Feststellung des Alkoholgehalts und der Menge des Branntweins; die Bf. v. 26. Aug. 1874 sA.-Bl. S. 301), betr. die Erhebung der UeVergangsabgabe von Branntwein; die Bf. v. 7. Januar 1875 (A.-Bl. S. 9), betr. die Ermittelung des Nettogewichts bei der Ausfuhr von Branntwein.

16. Jetzt 114,5, Einheitssatz der Conradi'schen Tabellen, vgl. Bf. d. Dir. v. 22. Januar 1875 (A.-Bl. S. 13), 17. Bgl. D.-R.-B. v. 13. November 1875 (8 436 d. Prot.). An Stelle des Worts „Centimes" hat „Pfennig" zu treten.

Die Vergütung wird aber nur gewährt, nach­ dem die Revision des Branntweins bei einer dazu befugten Steuerstelle (8 10) bewirkt, auch die wirklich erfolgte Ausfuhr, bezw. der Eingang in die unter 1 namentlich genannten Staaten des deutschen Zollgebiets nachgewiesen worden ist. In dieser Hinsicht wird bemerkt, daß zur Re­ vision des ausgehenden Branntweins, sowie zur Ertheilung der Ausgangsbescheinigungen alle Hauptzoll- und Hauptsteuerämter befugt sind, welche in den in Branntweinsteuergemeinschaft stehenden Staaten (vgl. Aul. 2 Nr. 111—23)18 an der Grenze gegen das Ausland oder an der Bin­ nengrenze gegen andere Staaten des deutschen Zollgebiets liegen, oder welche, im Innern der in Branntweinsteuergemeinschaft befindlichen Staa­ ten gelegen, zur Vornahme von Ausgangsabferti­ gungen beim Schiffs- und Eisenbahnverkehr er­ mächtigt sind. Werden andere Steuerstellen in den eben genannten Staaten zur Ertheilung der Ab­ fertigungen, bezw. der Ausgangsbescheinigungen gewählt, so müssen dieselben dieserhalb ausnahms­ weise mit allgemeiner Ermächtigung versehen sein (§ 11). Bei den Versendungen des inländischen Branntweins nach den unter Ziffer 1 genannten Staaten des deutschen Zollgebiets müssen außer­ dem die für den Verkehr mit steuerpflichtigen Gegenständen eröffneten Straßen (§ 1) innegehalten werden. 3) Soll Branntwein mit dem Anspruch auf Steuervergütung ausgeführt werden, so hat der Inhaber desselben solches dem Steueramt seines Wohnorts oder des Bezirks, in welchem er wohnt, mittels einer in doppelter Ausfertigung zu über­ gebenden schriftlichen Anmeldung anzuzeigen, in welcher die Anzahl, Zeichen und Nummern der Gebinde, ferner die Zahl der an denselben etwa vorhandenen Rollbänder, sowie die etwa einge­ brannten Taragewichte der Fässer und die Menge und wahre Stärke des in jedem derselben befind­ lichen Branntweins angegeben, auch das Abfertigungs- bezw. Ausgangsamt und der Bestim­ mungsort des Branntweins genannt sein müssen. Findet das Steueramt kein besonderes Beden­ ken, auch gegen die Wahl des Abfertigungs- und des Ausgangsamtes nichts zu erinnern, und hat dasselbe die weitere Abfertigung nicht selbst zu ertheilen, so gibt es ein Exemplar der Anmel­ dung, mit dem Buchungsvermerk versehen, dem

Anmelder zurück. 4) Die zurückgegebene Anmeldung muß den Transport des Branntweins begleiten. Sollte es während des Transports nöthig werden, die Richtung desselben zu ändern, so hat der Waarenführer hiervon dem nächsten Steueramte Anzeige zu machen. Von dem letzteren wird, alsdann das neu gewählte und für befugt befundene Abferti18. Bgl. die bei der Bkm. v. 15. Januar 1877 befindliche Uebersicht.

1873 (28. Juli) gungs- bezw. Ausgangsamt auf der Ausfuhran­ meldung vermerkt, zugleich aber auch die Steuer­ stelle, bei welcher die erste Anmeldung der Ver­ sendung geschehen, von der veränderten Richtung des Transports benachrichtigt. 5) Bei dem gewählten Abfertigungsamte wird die Anmeldung abgegeben und der Branntwein zur Revision gestellt. Diese Revision besteht in der Ermittelung der Menge und wahren Alkohol­ stärke des in jedem Gebinde enthaltenen Brannt­ weins nach Maßgabe der dieserhalb besonders ertheilten Vorschriften,19 außerdem aber wird in den dazu angethanen Fällen die Anlegung eines geeigneten Verschlusses vorgenommen. Wenn neben der Ausfuhranmeldung ein Uebergangsschein ausgesertigt werden muß, so ist in jeder dieser Bezettelungen auf die andere Bezug zu nehmen. 6) Soll die Revision lediglich beim Ausgangs­ amte erfolgen, so hat dieses Amt nach bewirkter Abfertigung und Bescheinigung derselben in der Anmeldung, auf dieser letzteren auch die wirklich geschehene Ausfuhr über die Grenze auf Grund der eigenen Wahrnehmung oder auf Grund der Angaben der Begleitungsbeamten zu bescheinigen. Ist die Ausfuhr nach Ländern, die nicht zum deutschen Zollgebiete gehören, erfolgt, oder geht der

Branntwein an das Hauptamt, in dessen Bezirk der Versender wohnt, unmittelbar zu übersenden. Es liegt übrigens im Interesse der Exportanten, die pünktliche Rücksendung der Anmeldungen im Auge zu behalten, und, wenn in dieser Be­ ziehung Verzögerungen sich bemerklich machen, die amtliche Bermittelung zur Beseitigung der­ selben in Anspruch zu nehmen. 7) Wenn die Revision des Branntweins bei einem anderen Amte als dem Ausgangsamte bewirkt werden soll, so werden bei ersterem Amte, nach erfolgter und bescheinigter Revision, die Ge­ binde, sofern es wegen eines zu ertheilenden Uebergangsscheins etwa besonders erforderlich ist, einzeln unter Siegelverschluß genommen, dem­ nächst aber unter ununterbrochener Aufsicht in beschlußfähige Eisenbahnwagen oder Schiffe ver­ laden und diese letzteren Transportmittel nach angelegtem Raumverschlusse ohne jede Umladung binnen einer von dem Abfertigungsamte zu be­ stimmenden angemessenen Frist mit der beschei­ nigten Anmeldung dem gewählten Ausgangsamte zugeführt. Letzteres Amt kann, soweit nicht nach seinem Ermessen eine weitere Revision erforderlich ist, sich auf Rekognition und Abnahme des Raum­ verschlusses, wenn dieser bei mangelndem Kollo­ verschluß nicht wegen des ertheilten Uebergangs­ scheins belassen werden muß, bezw. auf die Vergleichung der Anzahl und Zeichen der Gebinde beschränken. Die demnächst erfolgte Ausfuhr hat das Ausgangsamt auf der Anmeldung zu beschei­ nigen. Wegen der Beschaffung der Eingangsbescheini­ gung und der Rücksendung der bescheinigten An­ meldungen an das betreffende Hauptamt kommen die unter 6 enthaltenen Bestimmungen zur An­ wendung. 8) Bon dem Hauptamte, in dessen Bezirk der Versender wohnt, wird die Steuervergütung gleich nach dem Schluffe jeden Monats mittels einer dem Direktor der Zölle und indirekten Steuern einzureichenden und sämmtliche im Laufe des Monats eingegangene Ausfuhrbescheinigungen um­ fassenden Nachweisung liquidirt. Nach erfolgter Prüfung und Feststellung der liquidirten Beträge wird von dem Direktor auf Grund einer jeden richtig befundenen Ausfuhr­ bescheinigung ein Anerkenntnis darüber ertheilt,

Bramttwein unmittelbar über die Grenze gegen die baye­ rische Nheinpfalz aus, um in der letzteren zu verbleiben, 20

so genügt zur Erlangung der Steuervergütung die Aussuhrbescheinigung des Ausgangsamtes. Dieses hat in einem solchen Falle die bescheinigte Anmeldung dem Hauptamte zuzusenden, in dessen Bezirk der Versender wohnt, und dem Waarenführer über die Abgabe der Anmeldung und die Gestellung des Branntweins zur Revision eine Bescheinigung zu ertheilen. In allen anderen Fällen bedarf es aber zur Erlangung der Steuervergütung einer Eingangs­ bescheinigung, welche beim Uebergang über die Grenze gegen die bayerische Rheinpfalz, sofern der Bestimmungsort nicht in der letzteren gelegen ist, von der Steuerstelle des

im übrigen aber21 nach der Wahl des Waarenführers, entweder von der Steuer­ stelle des Bestimmungsortes, oder von der gegen­ überliegenden Uebergangssteuerstelle zu ertheilen ist. Diese Eingangsbescheinigung muß über die An­ zahl der Gebinde mit Branntwein, bezw. über die Unverletztheit des Verschlusses Auskunft geben und mit dem Dienststempel und der Unterschrift der Behörde versehen sein. Nach einer mit den Regierungen der betreffenden Staaten des deut­ schen Zollgebiets getroffenen Verabredung sind die Abfertigungsstellen in diesen Staaten ange­ wiesen, die von ihnen mit Eingangsbescheinigung zu versehende Anmeldung über die Ausfuhr von Bestimmungsortes,

19. Anleitung v. 20. Juni 1873 sA.-Bl. S. 341).

20. Bgl. Bem. 11. 21. Bgl. Bem. 11.

377

I

auf welchen Betrag die Steuervergütung für den ausgeführten Branntwein sich belaufe, und daß diese Summe jeder Inhaber des Anerkenntnisses in der unter 9 bezeichneten Weise erheben könne. 9) Die Anerkenntnisse werden bei den diesseiti­ gen Steuerstellen auf zu entrichtende Brannt­ weinsteuer zu dem Betrage, auf welchen sie lauten, in Zahlung genommen, auch unter den nachstehend angegebenen Bedingungen durch baare Zahlung der in denselben anerkannten Steuervergütung realisirt. Der Inhaber eines solchen Anerkennt­ nisses kann demnach

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a) wenn er selbst Brrnnereiinhaber ist', das Anerkenntniß entweder zur Tilgung eines gleich hohen Betrages kreditirter Branntweinsteuer be­ nutzen, oder wenn er keinen Steuerkredit genießt, auf zu entrichtende Branntweinsteuer in Zahlung geben, b) wenn, er nicht selbst die Brennerei betreibt, dasselbe zu den unter a angegebenen Zwecken einem Brennereiinhäber übergeben, endlich c) wenn er von dem Anerkenntniß in der unter a und b angegebenen Weise als Zahlungs­ mittel keinen Gebrauch macht, den Betrag der anerkannten Steuervergütung auf Anweisung des Direktors bei dem Hauptamte baar gezahlt er­ halten, auf dessen. Antrag das Anerkenntniß er­ theilt ist. Die baare Zahlung der Steuervergütung wird aber nur für Branntwein geleistet^ nach dessen Ausfuhr ein Zeitraum von mindestens sieben Monaten verflossen ist. 22 Die Anerkenntnisse werden nur gerade zu dem Betrage, auf welchen sie lauten, in Zahlung an-genommen oder baar realisirt, und es ist nicht zulässig, die Abtragung einer geringeren Summe darauf in Abschreibung zu bringen, auch findet ihre Annahme als Zahlungsmittel oder zur baaren Zahlung überhaupt nur innerhalb Jahres­ frist, vom Tage der Ausfertigung an gerechnet, statt. Die Anerkenntnisse können bei den Steuer­ kassen eines anderen Staates der Branntweinsteuergemeinschast in gleicher Weise in Zahlung auf geschuldete Branntweinsteuer gegeben werden, wie dies zulässig sein würde, wenn sie von den Behörden dieses Staats ausgestellt wären. 23 Jeder Inhaber eines Anerkenntnisses, welcher dasselbe in solcher Weise benutzt, hat auf dem­ selben seinen Namen und das Datum der Abgabe zu bemerken. 10) Für inländischen Branntwein, welcher be­ hufs späterer Ausfuhr nach dem Zollauslande zu einer öffentlichen Niederlage abgeführt wird, soll die Steuervergütung ebenfalls gewährt werden. Bei solchem Branntwein kommen in Bezug auf Anmeldung, Abfertigung und Erlangung der Vergütung die vorstehenden Bestimmungen mit dem alleinigen Unterschiede in Anwendung, daß die Bescheinigung des betreffenden Hauptamts über die Ablieferung des Branntweins zur Nie­ derlage die Stelle der Ausfuhrbescheinigung ver­ tritt. Da der zu Niederlagen abgeführte inländische Branntwein in Folge der dafür gewährten Steuer­ vergütung dem unversteuerten Lagergute hinzu­ tritt, so ist im Falle der Rücknahme des Brannt­ weins von der Niederlage, wenn derselbe in den freien Verkehr der Staaten der Branntweinsteuer­ gemeinschaft tritt, bei festgehaltener Identität die Uebergangsabgabe, andernfalls die Eingangsab22. Bgl. B.-R.-B. v. 15. Febr. 1874 (§ 95 d. Prot.).

23. Bgl. B.-R.-B. v. 29. April 1874 (§ 253 d. Prot.).

gäbe für unversteuerten ausländischen Brannt­ wein zu erheben. 24 Auch darf der Branntwein in der Niederlage nur so lange lagern, als dies nach dem betreffenden Niederlageregulativ zuläs­ sig ist. 11) Eine erwiesene Defraudation der Fabrika­ tionssteuer von Branntwein oder eine heimliche Wiedereinbringung des gegen Vergütung ausge­ führten Branntweins zieht außer der gesetzlichen Bestrafung den Verlust des ferneren Anspruchs auf Steuervergütung bei der Ausfuhr nach sich, sowie auch bei jedem anderen Mißbrauche dieser Vergünstigung deren Entziehung stattfindet. 10. Zur Revision und Abfertigung von Brannt­

wein, welcher mit dem Anspruch auf Sk-uervergütung ausgeführt werden soll, sind innerhalb Elsaß-Lothringens ermächtigt'............. 25 26 11. In den übrigen, zur Branntweinsteuer­ gemeinschaft gehörigen Staaten sind zur Abferti­ gung des mit dem Anspruch auf Steuerrückver­ gütung ausgehenden inländischen Branntweins, beziehungsweise zur Ertheilung der Ausgangs­ bescheinigung die in dem unter Nr. 3 anliegenden Verzeichnisse aufgeführten Steuerstellen ermäch­ tigt. 26 12. Wenn Branntwein aus Elsaß-Lothringen ausgeführt werden soll, ohne daß Steuerrückver­ gütung beansprucht wird, so bedarf es einer An­ meldung nur dann, wenn die Versendung unter Uebergangsscheinkontrole stattfinden soll. III. Einfuhr steuerpflichtiger Getränke nach EI saß-Lothringen aus anderen Staaten des Deutschen Zollgebiets. 1. Einfuhr von Wein.27

13. Der im freien Verkehr anderer Staaten des deutschen Zollgebiets befindliche Wein unterliegt bei der Einfuhr nach Elsaß-Lothringen der Wein­ steuer. Falls die Einfuhr nicht unter Uebergangsscheinkontrole erfolgt, so ist der Wein, mag er mit einer Transportbezettelung versehen sein oder nicht, bei dem Eingang ans Landwegen und Wasser­ straßen der in Elsaß-Lothringen zuerst erreichten Uebergangsstelle (§ 1) zur Steuerabfertigung an­ zumelden. Bei der Einfuhr mit den Eisenbahnen tritt an

24. Bgl. B.-R.-B. v. 14. Mai 1870 (8 64 d. Prot.). 25. Bgl. das im C.-Bl. 1873 S. 306 u. 307 abgedruckte Berzeichniß und die bezügliche Bf. d. Dir. v. 6. Okt. 1873 (A.-Bl. S. 403). — Bgl. ferner die Abänderungen im A.-Bl. 1876 S. 121 wegen der Uebergangssteuerstelle Lauter­ burg, 1877 S. 208 wegen des Nebenzollamts I Basel, 1878 S. 32 und 33 wegen der Uebergangssteuerstellen zu Banzenheim und Hüningen. Außerdem wegen des Verkehrs mit

Luxemburg A.-Bl. 1879 S. 225. 26. Das Berzeichniß sowie die an demselben eingetretenen zahlreichen Abänderungen kann bei jeder Zoll- u. Steuer­ stelle eingesehen werden und ist deshalb hier nicht abge­ druckt. 27. Bgl. 8 14 G. v. 14. Dez. 1872, G. v. 15. Juli 1872 u.

die Bkm. v. 6. März 1876.

1873 (28. Juli) die Stelle der Uebergangssteuerstelle die Orts­ einnehmerei des Ortes, wo die steuerpflichtigen Gegenstände die Eisenbahn verlassen. Die Eisenbahn­ güterexpedition dieses Ortes darf diese Gegenstände nicht eher verabfolgen, als bis dieselben der Steuerstelle angemeldet worden sind und die er­ theilte Bezettelung vorgezeigt worden ist. 2. Einfuhr von Bier und Branntwein.28

14. 1) Wenn Bier oder Branntwein ohne Uebergangsschein bei einer zur Vornahme der bezüglichen Abfertigung ermächtigten Uebergangs­ steuerstelle (§§ 1 u. 2) eingeht, so ist die Ladung durch den Waarenführer zu deklariren und muß so lange völlig unberührt bleiben, bis die Steuerstelle die Erlaubniß zum Abladen oder zum weiteren Transport ertheilt. Erklärt sich der Waarenführer zur Anfertigung der Deklaration außer Stand, so hat die Uebergangssteuerstelle auf Grund der von dem Waarenführer zu übergebenden Papiere, oder falls er solche nicht zu besitzen angibt, auf Grund seiner mündlichen Angabe, dieselbe unentgeltlich zu fertigen. Der von der Uebergangssteuerstelle gefertigten Deklaration muß nach vorheriger Vorlesung der Deklarant seine Unterschrift oder sein gewöhnliches Handzeichen beifügen, dessen Richtigkeit von einem zweiten Beamten oder einem Zeugen zu bescheiiitgeti ist. Der Deklarant haftet für die Richtigkeit der Deklaration auch in dem Falle, wenn dieselbe von der Uebergangssteuerstelle gefertigt worden ist. 2) Es genügt die Anfertigung der Deklaration in einem Exemplare, wenn die Entrichtung der Uebergangsabgabe bei der Uebergangssteuerstelle erfolgt. Findet dagegen die Ausfertigung eines Uebergangsscheines statt, so ist die Deklaration in zwei Exemplaren abzugeben. Im ersteren Fall bleibt die Deklaration bei der Uebergangssteuerstelle zurück, um als Belag des Einnahmeregisters zu dienen. Im letzteren Fall ist*nach den für die Ausfertigung der Uebergangsscheine ertheilten Vorschriften zu verfahren. 3) Ist der Deklarationspunkt berichtigt, so wird zur Revision geschritten, welche entweder eine all­ gemeine oder eine spezielle ist. Die allgemeine Revision beschränkt sich auf Prüfung nach Zahl, Zeichen und Verpackungsart der Kolli. Die spezielle Revision erfolgt bei Branntwein nach den ertheilten besonderen Vorschriften. 4) Trägt der Waarenführer darauf an, daß von dem eingeführten Bier oder Branntwein die 28. Bgl. § 29. Sodann Art.. 1 B. v. 27. Nov. 1870, § 2 G. v. 16. Mai 1873; ferner B.-R.-B. v. 21. Juni 1878 (§ 384 d. Prot.), Nr. I und II d. Bf. d. Dir. v. 28. Juli 1873 (A.-Bl. S. 369); die Anleitung v. 20. Juni 1873 (A.-Bl. S. 341’; Bf. v. 26. Aug. 1874 (A.-Bl. S. 301), v. 10. Sept. 1875 (A.-Bl. S. 146) u. V. 12. Juli 1877 (A.-Bl. S. 207).

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Uebergangsabgabe bei der Uebergangssteuerstelle erhoben werde, oder muß diese Erhebung deshalb stattfinden, weil die Ausfertigung eines Uebergangsscheines nicht zulässig ist, so ist die spezielle Revision der ganzen Ladung vorschriftsmäßig vorzunehmen. Es kann jedoch bei größeren Branntweintrans­ porten, wenn der Alkoholgehalt der einzelnen Fässer angegeben ist und die Prüfung des Alkohol­ gehalts mehrerer Fässer Uebereinstimmung mit der Deklaration ergibt, von der Prüfung des Alkoholgehalts der übrigen Fässer abgesehen und die Deklaration in dieser Beziehung als richtig angenommen werden. 5) Nach Eintragung des Revisionsbesunds in die Deklaration wird die Uebergangsabgabe be­ rechnet und nach erfolgter Zahlung hierüber eine besondere Quittung unter Beidrückung des Amts­ stempels ertheilt. Bei der Berechnung der Ueber­ gangsabgabe bleiben die Centimes 29 insoweit außer Ansatz, als sie durch 5 nicht mehr theilbar finb.30 6) Trägt der Deklarant darauf an, daß die Uebergangsabgabe bei der Uebergangssteuerstelle unerhoben bleibe, entweder weil die Abgabe bei einer Steuerstelle im Innern entrichtet oder das Getränke durch das Gebiet der Staaten der Brannt­ weinsteuergemeinschaft blos durchgeführt werden soll, so ist diesem Anträge zu willfahren, insofern die Uebergangssteuerstelle zur Ausfertigung von Uebergangsscheinen ermächtigt ist und sonst keine Bedenken in Bezug auf die zu leistende Sicher­ heit oder auf das von dem Deklaranten zu bezeich­ nende Erledigungsamt oder in anderer Hinsicht bestehen. 7) Wird die Ausfertigung eines Uebergangsscheines hiernach für zulässig befunden, so ist auf Grund der Deklaration die Revision vorzunehmen, welche in der Regel eine allgemeine sein kann und nur dann eine spezielle sein muß, wenn a) der Deklarant ausdrücklich darauf anträgt, oder b) bei der Vergleichung der Deklaration mit der Ladung nach Verpackung, Bezeichnung und der damit zu verbindenden äußerlichen Besichtigung sich Bedenken oder Berdachtsgründe gegen die Richtigkeit erheben, oder c) keine über die Ladung sprechende Papiere, Frachtbriefe und dergleichen haben vorgelegt werden können. Der Revisionsbefund ist dergestalt in die Dekla­ ration einzutragen, daß die Art und Weise, wie die Revision stattgefunden hat, ersichtlich wird. 8) Die Bestimmung im Schlußsätze des § 13 findet auch bei der Einfuhr von Bier auf Eisen­ bahnen Anwendung. 9) Die Uebergangsabgabe von Liqueuren, d. h. 29. Pfennig, vgl. B.-R.-B. v. 13. November 1875 (§ 436 b. Prot.).

30. Bgl. Bf. b. Dir. v. 19. März 1874 (A.-Bl. S. 70).

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1873 (28. Juli)

von dem mit Zucker oder Zuckerstoffen und anderen Ingredienzien versetzten Branntwein, dessen Stärke seiner Zusammensetzung wegen durch das Alkoholo­ meter nicht zu ermitteln ist, wird ohne Rücksicht auf die Alkoholstärke nach dem Normalsatze für Branntwein von 50 Prozent nach Tralles berechnet. Bon Liqueuren und anderen Spirituosen ledoch, welche ungeachtet ihrer Versetzung mit anderen Substanzen noch mehr als 50 Prozent nach Tralles zeigen, ist die der gefundenen Stärke entsprechende Uebergangsabgabe zu erheben. Ebenso ist auch Branntwein zu behandeln, welcher mit Schellack oder ähnlichen Stoffen ver­ mischt ist und unter der Bezeichnung Firniß, Po­ litur u. s. w. im Handel vorkommt» 3. Allgemeine Bestimmungen.

15. Die mit den steuerpflichtigen Gegenständen eingegangenen amtlichen Bezettelungen werden, nachdem darin die Einfuhr und die Versteuerung oder die Weiterabfertigung derselben unter Steuerkontrole bescheinigt worden ist, erledigt, und, soweit dies nach der Art der Bezettelung erforderlich ist, an die betreffende Ausfertigungsstelle im Dienst­ wege zurückgesendet. IV. Steuerfreiheit des Durchgangs.

16. Bon den im deutschen Zollgebiet erzeugten Gegenständen, welche nur durch einen Staat durch­ geführt werden, um sie entweder in einen andern Staat des Zollgebiets oder nach dem Auslande zu führen, werden, falls die vorgeschriebenen Ab­ fertigungsformen eingehalten sind, bei der Durch­ fuhr innere Steuern weder für Rechnung des Staats, noch für Rechnung von Kommunen oder Korporationen erhoben. V. Verkehr mit Wein zwischen Elsaß-Loth­ ringen und dem Großherzogthum Hessen.^ VI. Allgemeine Bestimmungen über den Ver­ kehr mit steuerpflichtigen Gegenständen unter Uebergangsscheinkontrole.

18. Zur Ausfertigung und Erledigung von Uebergangsscheinen sind in Elsaß-Lothringen sämmtliche Hauptzoll- und Hauptsteuerämter, sowie die Nebenzollämter I. Klasse und Steuerämter, 22 und zur Erledigung auch die Ortseinnehmereien unter Mit­ wirkung der ihnen vorgesetzten Steuerämter33 31 32 34befugt * 35 36 ;

zur Ausfertigung und Erledigung von Ueber­ gangsscheinen über Branntwein jedoch nur die zur Eingangsabfertigung und die zur Abfertigung von mit Anspruch auf Steuervergütung ausgehendem Branntwein ermächtigten Stellen (vgl. §§2u. 10). 34= 31. Ist hinfällig geworden, nachdem seit dem 1. Januar 1874 in Hessen Beim Eingang von Wein eine Abgabe nicht mehr erhoben wird. 32. Vgl. die Uebersicht auf S. 32 ff. des Amtsbl. von 1874 und die Anrn. $u § 7 b. G. v. 14. Dez. 1872. 33. Vgl. Nr. 4 Bf. d. Dir. v. 7. Januar 1874 (A.-Bl. S. 29).

34. Vgl. Bf. v. 8. Januar 1876 (A.-Bl. S. 7), sowie ferner: wegen des Nebenzollamts I Basel A.-Bl. 1877 S. 206; wegen der Steuerämter Zabern u. Thann A.-Bl. 1877

Bei den gedachten Stellen können die Verzeich­ nisse der in anderen Staaten des Deutschen Zoll­ gebiets zur Ausfertigung und Erledigung von Uebergangsscheinen befugten Stellen eingesehen werden. 19. Die Ausfertigung der Uebergangsscheine erfolgt auf Grund einer von dem Versender unter Vorlage der Frachtbriefe, in doppelter Ausferti­ gung zu übergebenden schriftlichen Anmeldung, worin die Gattung und Menge der zu versen­ denden Gegenstände — bei Branntwein auch der Alkoholgehalt — und deren Bestimmungsort an­ zugeben sind, und worin der Uebergangsscheinextrahent die aus dem Gesetz vom 14. De­ zember 1872 sich ergebenden Verpflichtungen zu übernehmen erklärt. Die Formulare zu diesen Deklarationen werden von den Uebergangsscheinausfertigungsstellen unentgeltlich, oder — bei Abgabe größerer Mengen gegen Ersatz der Druckkosten verabfolgt. Bei der Versendung einer geringen Zahl von Kolli, welche ohne Schwierig­ keit in den Uebergangsschein verzeichnet werden können, ist, wenn die Versendung in Wein oder Bier besteht, nach dem Ermessen der Ausferti­ gungsstelle auch die Abgabe mündlicher Deklara­ tionen zulässig. Das Verfahren bei der Ausfertigung und Erle­ digung der Uebergangsscheine richtet sich im übrigen nach den Bestimmungen des Begleit­

scheinregulativs (Str. Ztg. 1871 Nr. 184). 35 20. Bei Ausfertigung der Uebergangsscheine werden Stempelgebühren nicht erhoben. 21. Bei den mit Uebergangsscheinen abgefertigten Gegenständen bedarf es einer Anmeldung bei den auf dem Transport zum Uebergangsscheinempfangsamt berührten Uebergangssteuerstellen nur dann, wenn dies in dem Uebergangsschein ausdrücklich vorgeschrieben ist. VII. Steuerfreiheit des verzollten auslän­ dischen W e i n s. re

22. Werden steuerpflichtige Gegenstände mit Uebergangsschein in Elsaß-Lothringen eingeführt, so ertheilt das Erledigungsamt die für die Einlage und Versteuerung oder für den Weitertransport erforderliche Bezettelung. 23. Die Befreiung des verzollten ausländischen Weins (Trauben- nnd Obstweins) von inneren Steuern tritt dann ein: 1) wenn der Wein bei einem Zollamt in ElsaßLothringen zum Eingang verzollt und bis zu der für den Weitertransport erforderlichen Steuerab­ fertigung unter amtlicher Kontrole gehalten worden ist; S. 206 u. 1879 S. 50; wegen der Uebergangssteuerstellen Lauterburg A.-Bl. 1876 S. 121, Apach, Evringen, Mondors und Oettingen A.-Bl. 1876 S. 137 und Banzenheirn A.-Bl. 1878 S. 32. 35. Vgl. Bf. d. G.-Dir. v. 21. Sept. 1877 (A.-Bl. S. 212) und die Bern, zu 8 7 G. v. 14. Dez. 1872. 36. Vgl. G. v. 15. Juli 1872.

1873 (28. Juli — 30. Juli)

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2) wenn der Wein unmittelbar nach erfolgter Verzollung bei einem Zollamte in einem Theile des deutschen Zollgebiets, unter Festhaltung der Identität mit dem erforderlichen Ausweise ver­ sehen in das Gebiet von Elsaß-Lothringen einge­ führt wird. Dieser Ausweis besteht in der Zollquittung des Amtes, bei welchem die Verzollung des Weines stattgefunden hat, und in einer in die Zollquit­ tung aufzunehmenden Bescheinigung desselben Amtes, daß der Wein unmittelbar nach der Ver­ zollung und bevor er aus der zollamtlichen Beauf­ sichtigung gekommen, unter Verschluß gelegt wor­ den sei. Bei Theilsendungen kann an die Stelle der Zollquittung eine zugleich die vorstehend weiter bezeichneten Punkte umfassende amtliche Bescheini­ gung darüber treten, daß die Sendung einer un­ mittelbar vorher verzollten Post angehöre. 24. Der verzollte Wein ist von dem Zollamte mit Steuerbegleitschein, welchem die Zollquittung, beziehungsweise die dieselbe vertretende amtliche Bescheinigung beizufügen ist, abzufertigen.37 Der Begleitschein muß eine Bemerkung darüber enthalten, daß der Wein auf Grund der zuge­ hörigen nach Datum und Ausstellungsort zu be­ zeichnenden zollamtlichen Bescheinigung bei der ersten Einlage abgabenfrei zu belassen ist. 25. Der in Elsaß-Lothringen verzollte Wein, welcher unmittelbar nach der Verzollung nach anderen Theilen des deutschen Zollgebiets ver­ sendet wird, bleibt, wenn die stattgehabte Verzollung unter Festhaltung der Identität nachgewiesen wird, im Lande der Bestimmung bei der ersten Einlage von inneren Steuern ebenfalls befreit. Versendungen von verzolltem Wein nach andern Theilen des deutschen Zollgebiets sind mit Aus­

fuhrscheinen abzufertigen und, wenn der Versender die Abfertigung zum steuerfreien Eingang bean­ tragt, weiter nach Maßgabe der obigen Bestim­ mungen (§ 23 Nr. 2 und § 24) zu behandeln. 26. Bei den mit Begleitschein an inländische Empfänger abgefertigten Sendungen von verzolltem Wein kann von Seiten der Steuerverwaltung die Vorführung bei der Steuerstelle des Bestimmungs­ orts vor der Einlage verlangt werden. 27. Begleitscheine über steuerfreie Sendungen verzollten Weins sind nach den Bestimmungen des Weinsteuergesetzes zu erledigen. Bezüglich der Erledigung der Ausfuhrscheine über den zur Ausfuhr bestimmten verzollten Wein ist nach Maßgabe der Vorschriften der §§ 4 und 5 zu verfahren. 28. Wenn Weingroßhändler verzollten auslän­ dischen Wein in die ihnen nach § 19 des Wein­ steuergesetzes bewilligten steuerfreien Lager ein­ legen wollen, so sind ihnen die betreffenden Mengen im Konto zur Last zu schreiben. Verlangen sie jedoch, daß ihnen der bei Ver­ gleichung des Soll- und Jstbestands sich ergebende Abmangel, insoweit er auf verzollten ausländischen Wein fällt, steuerfrei belassen werde, so muß solcher Wein in getrennte Lagerräume verbracht und es müssen über Zu- und Abgang in einer besonderen Abtheilung des Kontos notizlich Anschreibungen geführt werden.

37. Vgl. Bf. d. G.-Dir. v. 21. Febr. 1877 (A.-Bl. S. 25).

38. Vgl. Bf. d. G.-Dir. v. 27. März 1877 lA.-Bl. S. 108).

VIII. Steuerfreiheit des verzollten auslän­ dischen Branntweins und Biers.

29. Verzollter ausländischer Branntwein und verzolltes ausländisches Bier sind bei der Einfuhr in Elsaß-Lothringen von inneren Steuern für Rechnung des Staats, bezw. von Uebergangssteuern befreit.33

30. Juli 1873.

SekaimtmachMg des Reichskanzlers, betreffend die Abänderung der Vorschriften über die Verwendvng der Wechselstempelmarken. G.-Bl. S. 184. Der Bundesrath hat beschlossen, die in der Bekannt­ machung zur Ausführung des Gesetzes, betreffend die Wechselstempelsteuer, vom 23. Juni 1871 (für Elsaß-Lothringen in Kraft gesetzt durch Bekannt­ machung vom 27. Juli 1871, Gesetzbl. S. 183) unter II zu § 13 Nr. 2 des Gesetzes ent­ haltenen Vorschriften durch folgende Bestimmungen zu ersetzen: In Bezug auf die Art und Weise der Ver­ wendung der Bundesstempelmarken zu Wechseln und den dem Wechselstempel unterworfenen An­ weisungen u. s. w. (§ 24 des Gesetzes) sind nach­ folgende Vorschriften zu beobachten:

1) Die den erforderlichen Steuerbetrag darstel­ lenden Marken sind auf der Rückseite der Urkunde, und zwar, wenn die Rückseite noch unbeschrieben ist, am oberen Rande derselben, anderenfalls unmittelbar unter dem letzten Vermerke (Indossa­ ment u. s. w.), der sich auf der Rückseite befindet, auf einer leeren Stelle dergestalt aufzukleben, daß oberhalb der Marke kein zur Niederschrei­ bung eines Vermerkes (Indossamentes, Blankoin--

dossamentes u. s. w.) hinreichender Raum übrig bleibt. Der inländische Inhaber, welcher die Marke ausklebt, hat sein Indossament oder seinen son-

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1873 (30. Juli — 6. Aug. — 3. Sept.)

fügen Vermerk unterhalb derselben niederzuschrei­ ben. 2) In jeder einzelnen der aufgeklebten Marken müssen mindestens die Anfangsbuchstaben des Namens, bezw. der Firma desjenigen, der die Marke verwendet, und das Datum der Verwen­ dung (in arabischen Ziffern), mittels deutlicher Schriftzeichen (Buchstaben und Ziffern) ohne jede Rasur, Durchstreichung oder Ueberschrift nieder­ geschrieben sein (z. B. 7/t 70 statt 7. Januar 1870, E. F. M. statt: Ernst Friedrich Molden­ hauer, oder N. B. B. statt: Norddeutsche Vereins­ bank). Es ist jedoch auch zulässig, den Kassationsvermerk ganz oder einzelne Theile desselben (z, B. die Bezeichnung der Firma) durch schwarzen oder farbigen Stempelabdruck herzustellen. Enthält der Kassationsvermerk mehr als nach dem Vorstehenden erforderlich ist (z. B. den ausge-

schriebenen Namen statt der Anfangsbuchstaben, das Datum in Buchstaben statt in Ziffern u. s. w), so ist derselbe dennoch gültig, wenn nur die vorgeschriebenen Stücke (Anfangsbuchstaben des Namens, bezw. der Firma mnd Datum) auf der Marke sich befinden. Jede Durchkreuzung der Marke, auch wenn sie die Schriftzeichen nicht berührt, ist unstatthaft, ebenso die Bezeichnung der Monate September Oktober, November und Dezember durch 7ber, 86er, Ober und lOber. 3) Bei Ausstellung des Wechsels auf einem gestempelten Blankett kann der an dem vollen gesetzlichen Betrage der Steuer etwa noch fehlende Theil durch vorschriftsmäßig zu verwendende Stempelmarken ergänzt werden. Stempelmarken, welche nicht in der vorgeschrie­ benen Weise verwendet worden sind, werden als nicht verwendet angesehen (§ 14 des Gesetzes).

6. August 1873.

Verordn««-, betreffend den Lid der Mitglieder der Sezirkstage und der Kreistage.11 * 3 G.-Bl. S. 187.

8

1. In dem Eide, welchen in Ausführung her Artikel 12 und 27 des Gesetzes vom 22. Juni 1833 (B. des L. Ser. XI Nr. 235) die Mitglieder der Bezirkstage und der Kreistage zu leisten haben, werden bis zum Eintritt der Wirksamkeit der Rcichsverfaffung an Stelle der Worte:

Gehorsam der Berfassung, die Worte gesetzt: Gehorsam den Gesetzen, derart, daß der Eid lautet: Ich schwöre Gehorsam den Gesetzen und Treue dem Kaiser. 2. Unser Reichskanzler ist mit der Ausführung dieser

Verordnung beauftragt.

1. Die Geltung dieser Verordnung erstreckte sich nach dem Wortlaut von § 1 nur vis zum Eintritt der Wirksamkeit der ReichSverfasiung (1. Jan. 1874). Die zitirten Artt. 12 u. 27 schreiben nur allgemein die Ableistung des Eides vor; die Eidesformel wechselte je nach der Berfaffung; die zuletzt maßgebende war durch das D. v. 8. März 1852 (modifizirt durch Art. 16 S.-C. v. 25. Dez. 1852) bestimmt. Nach dem Inhalt obiger B. und da keine politische Eidesformel neuerdings fest­ gesetzt wurde, scheint man von der sehr zweifelhaften Auffasiung auszugehen, daß die politische Eidesformel des franz. Kaiser­ reichs schlechthin auch jetzt noch maßgebend sei.

3. September 1873.

Reglement des Oberpräsidenteu für die Försterprüfung i« Llsaß-Lolhringen.1 Golf u. Mischer S. 186. Zweck der Prüfung. Maß der Anford erung. § 1. Die Försterprüfung, welche von den auf Forstversorgung dienenden Reservejägern der Klaffe A I nach vollendetem achten, aber vor abgelaufenem elften Dienstjahre abzulegen ist, hat den Zweck zu erforschen, ob und in welchem Maße der Jäger die Qualifikation zu künftiger Anstellung als Förster sich erworben hat. Zum Bestehen dieser Prüfung ist erforderlich, daß der Examinand diejenigen Eigenschaften, Kenntnisse 1. Das Reglement ist zur Ausführung des § 23 des Re­ gulativs v. 8. Jan. 1873, tetr, die Ausbildung, Prüfung nnd Anstellung für die unteren Stellen des Forstdienstes, erlassen. An die Stelle des letzteren ist jetzt das Reg. v. 15. Febr. 187Ssgetreten.

und Fertigkeiten darlegt, welche er besitzen muß, um allen Anforderungen der Dienst-Instruktion für die Kaiserlichen Förster Genüge leisten zu können. Theile der Prüfung. 2. Die Försterprüfung besteht: a) in einer mindestens sechsmonatlichen Prü­ fungsbeschäftigung; b) in einem schriftlichen, und c) in einem mündlichen Examen. Zeit und Ort der Ausführung. 3. Diejenige Forstdirektion, bei welcher der Jäger auf Grund des § 20 bezw. 22 des Regu­ lativs vom 8. Januar 1873 notirt ist, hat, sobald sich nach der Notirung geeignete Gelegenheit

1873 (3. Sept.) zu der Prüfungsbeschästigung ermitteln läßt, jedenfalls aber spätestens gegen Ende des zehnten Dienstjahres, die Ausführung der Försterprüfung ex officio zu veranlassen. Welche Oberförsterei innerhalb des Forstdirektionsbezirkes hiezu be­ stimmt werden soll, bleibt dem Ermessen des Ober-Forstmeisters überlassen. Ist der Examinand bereits nach § 21 des Regulativs vom 8. Januar 1873 im Kaiserlichen Forstdienste beschäftigt, oder befindet er sich, wenn die Prüfung abgehalten werden soll, in einer Kommunal- oder JnstitutenForststelle, so kann, sofern sich die betreffende Stelle nach dem Ermessen des Ober-Forstmeisters hierfür eignet, die Prüfungsbeschäftigung in diesem Dienstverhältnisse zugelassen werden. Eine andere Forstdirektion, in deren Bezirk der zu Prüfende sich aufhält, zur Ausführung der Prü­ fung zu requiriren, ist nicht statthaft. Der Beginn der Prüfungsbeschäftigung ist thunlichst in die ersten Monate des Wirthschafts-

jahres zu legen.

Prüfungsbeschästigung. 4. Der Ober-Forstmeister hat den Examinanden mindestens vier Wochen vor dem zum Beginn der Prüsungsbeschäftigung bestimmten Termine anzuweisen, wann und bei welchem Oberförster er sich zu diesem Behufe persönlich zu melden hat, und zugleich den betreffenden Oberförster mit An­ weisung zu versehen. Leistet der Jäger der Auf­ forderung nicht pünktlich Folge, so hat der Ober­ förster solches der Forstdirektion anzuzeigen, welche den Jäger in ihrer Liste der notirten Reservejäger zu streichen und der Inspektion der Jäger rrnd Schützen darüber Mittheilung zu machen hat. Den rechtzeitig sich einfindenden Examinanden hat der Oberförster als Hülfsaufseher zu beschäf­ tigen und ihm dabei die selbständige Wahrneh­ mung aller Försterfunktionen in mindestens einem Holzschlage von angemessenem Umfange, sowie bei mindestens einer größeren Kultur, thunlichst aber bei verschiedenen Kulturen (Saat und Pflanzung), zu übertragen, auch wo sich Gelegenheit dazu ermitteln läßt, die Ausführung von Durchforstun­ gen und Läuterungshieben aufzugeben.

Kontrole während der Beschäftigung. Prüfungsakten.

5. Der Oberförster hat die Leistungen des Exa­ minanden sowohl beim Forstschutze als auch bei den Hauungen und Kulturen, sowie dessen gesammtes Verhalten sorgfältig zu kontroliren und seine desfallsigen Wahrnehmungen und Urtheile, so oft sich dazu Veranlassung gibt, jedenfalls aber auch am Schluffe jedes Monats, und außerdem bei der Abnahme der dem Examinanden über­ wiesenen Schläge und Kulturen oder sonstigen Arbeiten in einem Aktenhefte zu verzeichnen, welches chlnter dem Rubro: „Prüfungsakten des

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Jägers N." anzulegcn, und vom Oberförster geheim unter eigenem Verschlüsse zu halten ist. Die dem Examinanden zugetheilten Schläge, Kulturen und sonstigen Arbeiten sind darin nach Prt, Art und Umfang speziell zu verzeichnen. So oft während der Prüsungszeit ein höherer Vor­ gesetzter im Revier anwesend ist, hat der Ober­ förster dieses Aktenheft demselben zur Einsicht und event. Beifügung seiner eigenen Wahr­ nehmungen und Bemerkungen vorzulegen. Auch dem Forstmeister und dem Ober-Forstmeister liegt es ob, bei Anwesenheit auf dem Revier von dem Verhalten und den Leistungen des Examinan­ den durch Revision seiner Schläge, Kulturen und Bücher sich zu informiren. Das Augenmerk ist hauptsächlich darauf zu richten, daß ein völlig be­ gründetes Urtheil über die Zuverlässigkeit, über die körperliche Rüstigkeit und Ausdauer und die forsttechnische Qualifikation des Examinanden, sowie über seinen Fleiß und Diensteifer und sein Interesse für die Waldgeschäfte erlangt wird. Alle hierzu dienlichen Notizen sind in den Prü­ fungsakten niederzulegen, und wenn zu erheb­ licheren Ausstellungen sich Veranlassung ergeben sollte, so ist dem Examinanden darüber protokol­ larisch Vorhalt zu machen und jede desfallsige Verhandlung zu den Prüfungsakten zu bringen. Nach Ablauf von sechs Monaten hat der Oberförster sich in einem an den Forstmeister und Ober-Forstmeister gemeinschaftlich zu erstat­ tenden Berichte, unter Beifügung der Prüfungs­ akten, zu äußern, ob er ein unzweifelhaftes Urtheil resp, welches über den Examinanden erlangt hat, oder ob er eine noch längere Beschäftigung und Beobachtung desselben für angemeffen er­ achtet. Der Forstmeister hat diesem Berichte seine Aeußerung und sein Votum beizufügen, und der Ober-Forstmeister bestimmt hierauf, ob und wie lange die Prüfungsbeschästigung noch fortzusetzen ist. Dieselbe darf jedoch im Ganzen nicht länger als höchstens 18 Monate dauern. Urtheil über die Prüfungsbeschäftigung.

6. Nach Beendigung der Prüfungsbeschäftigung ist zu den Prüfungsakten eine spezielle Beurthei­ lung des Ergebnisses zu bringen, welche vom Oberförster abzufassen und speziell abzugeben ist über: a) Gesundheit und Körperbeschaffenheit, b) Sittliches Verhalten, c) Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit im Dienst, d) Fleiß, Diensteifer und Jntereffe für den

Wald, e) Leistungen beim Forstschutz, f) Leistungen bei den Hauungen, g) Leistungen bei den Kulturen,

der

Wald­

pflege rc., h) Qualifikation für das Jagdwesen. Dieser Aeußerung des Oberförsters hat der Forstmeister auf Grund seiner eigenen Wahr-

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nehmungen und namentlich auf Grund seiner Revision der von dem Examinanden ausgeführten Arbeiten bei den Hauungen und Kulturen und der von ihm geführten Nummerbücher, des Pfand­ buchs re. re. sein eigenes Urtheil für jeden ein­ zelnen Punkt a bis h hinzuzufügen, und schließ­ lich hat der Ober-Forstmeister diejenigen Be­ merkungen zuzusetzen, zu denen er Veranlassung findet. Dispensation

von

der

Prüfungs­

beschäftigung. 7. Bon der Prüfungsbeschästigung als Hülfsaufseher kann der Ober-Forstmeister ausnahms­ weise ganz oder theilweise dispensiren, wenn der Examinand bereits eine in jeder Beziehung vor­ zügliche Qualifikation und Zuverlässigkeit durch Leistungen während längerer Beschäftigung im Kaiserlichen, Kommunal- oder Jnstitutenforstdienste dergestalt bewährt hat, daß der OberForstmeister die Verantwortlichkeit für Gestattung einer solchen Ausnahme zu übernehmen kein Be­ denken trägt. Wenn eine solche Dispensation eintritt, ist aber von dem Ober-Forstmeister zu den auch in diesem Falle bei der Forstdirektion anzulegenden Prü­ fungsakten zu notiren, während welcher Zeiten und in welchen Revieren die Beschäftigung, auf Grund deren die Dispensation beschlossen ist, stattgefunden hat und es ist außerdem eine spe­ zielle Aeußerung des Ober-Forstmeisters über jeden der Punkte a bis L im § 6 zu den Prü­ fungsakten zu bringen. Schriftliches

und

mündliches

Examen.

8. Das schriftliche und mündliche Examen, ist unter der Leitung des Ober-Forstmeisters, vom Forstmeister und demjenigen Oberförster, in dessen Revier die Prüfungsbeschästigung stattfindet, in diesem Reviere abzuhalten. Im Falle des § 7 hat der Ober-Forstmeister zu bestimmen, welcher Oberförster zu dem Examen zugezogen resp, in welchem Reviere dasselbe abgehalten werden soll. Der Prüfungstermin wird vom Ober-Forstmeister so anberaumt, daß er das Examen thunlichst bei Gelegenheit einer Revierbereisung abhalten kann. Das Examen kann sowohl während der Dauer der Prüfungsbeschästigung, als auch erst nach deren Beendigung abgehalten werden; letzteren Falls ist aber die Schlußprüfung längstens binnen acht Wochen nach dem Ende der Prüfungs­ beschäftigung auszuführen. Das schriftliche Examen kann von dem mündlichen getrennt zu einer an­ deren Zeit, als dieses, abgehalten werden, ist aber früher zu erledigen, als das mündliche. Das schriftliche Examen.

9. Mit Abhaltung des schriftlichen Examens kann der Ober-Forstmeister den Forstmeister beauftragen.

Dieses Examen besteht in der unter Aufsicht des Forstmeisters und Oberförsters zu bewirken­ den Lösung einiger innerhalb des Wirkungskreises eines Försters liegenden Aufgaben aus den Ge­ bieten des Waldbaues, der Forstbenutzung, des Forstschutzes, des Jagdwesens und der praktischen Geschäftskenntniß, einschließlich des Rechnend. Die Ausarbeitungen des Examinanden sind sofort zn dessen Prüfungsakten zu heften, nachdem am Schlüsse jeder einzelnen Aufgabe zuerst der Ober­ förster und dann der Forstmeister die Censur­ ziffer (§ 11) neben seiner Namensunterschrift notirt hat, welche jeder für die Arbeit als angemeffen erachtet. Schließlich hat jeder dieser beiden Examinatoren sein Votum über das Gesammtergebniß des schriftlichen Examens mit einem der in § 11 vor­ geschriebenen Prädikate in die Prüfungsakten niederzuschreiben. Das mündliche Eramen. 10. Das mündliche Examen ist vom OberForstmeister, Forstmeister und Oberförster gemein­ schaftlich, und zwar hauptsächlich im Walde, abzuhalten. Es ist vorzugsweise dahin zu richten, daß erforscht wird, ob der Examinand eine auf praktischer Uebung beruhende Bekanntschaft mit den Waldgeschäften eines Försters sich erworben hat. Die Fragen und Aufgaben werden daher so zu wählen sein, daß dem Examinanden Gelegen­ heit gegeben wird, seine Kenntnisse in Unter­ scheidung und Benennung der vorkommenden Holzarten und ihrer Sämereien und Keimlinge, seine Fertigkeit im Säen und Pflanzen und allen dabei auszuführenden Arbeiten und Handgriffen, seine Befähigung zur Anlegung und Anleitung der Holzhauer und Kulturarbeiter, seine Bekannt­ schaft mit der Aufarbeitung, Messung und Sortirung des Holzes, seine Uebung im Berechnen und Ansprechen des Massen- und Sortiments­ gehaltes einzelner Stämme darzulegen, ferner zu zeigen, daß er bei Handhabung des Forstschutzes in zu fingirenden konkreten Fällen richtig zu handeln weiß, und endlich auch in Betreff der Jagd nachzuweisen, daß er Wildfährten richtig anzusprechen versteht und mit den wichtigsten Regeln und Vorschriften über die Ausübung der Jagd und des Jagdschutzes bekannt ist. Nach Beendigung des mündlichen Examens ist die Ansicht eines jeden Examinators über deren Gesammtergebniß iu einer kurzen Verhandlung zu den Prüfungsakten zu vermerken und schließ­ lich ein Gesammtprädikat für die ganze mündliche Prüfung als Urtheil der Prüfungs-Kommission nach Stimmenmehrheit der Examinatoren festzu­ stellen. Wenn der Ober-Forstmeister zugleich auch die Forstmeisterfunktionen in der betreffenden Oberförsterei wahrzunehmen hat, so ist ein Forst­ meister oder Oberförster als dritter Examinator-

zuzuziehen.

1873 (3. Sept.) Censurgrade.

11. Alle Censuren bei der Försterprüfung sind nur in folgenden Abstufungen zu ertheilen: 1) Vorzüglich. 2) Gut. 3) Genügend. 4) Nicht genügend. Schluß der Prüfung. GesammtUrtheil. 12. Wenn alle Theile der Försterprüfung be­ endet sind, hat zuerst der Oberförster sein aus­ führliches Votum über die Qualifikation des Examinanden abzugeben, und schließlich, nach dem Gesammtergebniß der ganzen Prüfung und nach dem Inbegriff aller seiner Wahrnehmungen über das Verhalten und die Kenntnisse des Exami­ nanden, sich zu äußern, ob er denselben zur künftigen Anstellung als Kaiserlichen Förster vor­ züglich, gut, genügend oder nicht genügend ge­ eignet erachtet. Mit diesem Votum gehen die Prüfungsakten an den Forstmeister resp, an den nach § 10 bestimmten dritten Examinator und werden von diesem, nach Beifügung auch seines Boti, dem Ober-Forstmeister vorgelegt, welcher endlich gleichfalls sein Votum darin niederschreibt und das Schlußresultat feststellt. Das letztere darf unbedingt nur mit einem der im § 11 vorgeschriebenen Prädikate ausgesprochen werden. Die Frage, ob der Examinand überhaupt be­ standen (Censur 1—3 im § 11) oder nicht bestan­

den (Censur 4), wird nach Stimmenmehrheit der Bota der Examinatoren entschieden. Ob einem hiernach bestandenen Examinanden als schließliche Gesammtcensur „vorzüglich", „gut" oder „genügend" zu ertheilen, bleibt der Entschei­ dung des Ober-Forstmeisters Vorbehalten.

Gesammtprädikat „vorzüglich". 13. Die Gesammtcensur „vorzüglich" darf aber nur ertheilt werden, wenn der Examinand, bei völlig tadellosem dienstlichem und außerdienst­ lichem Verhalten im Allgemeinen eine über das Maß der gewöhnlichen Elementarschulkenntnisse hinausgehende allgemeine Bildung gezeigt, zwei­ fellose Zuverlässigkeit, ausdauernden Fleiß und lebendiges Interesse für den Wald und die Wald­ geschäfte bewährt, durch seine Leistungen beim Fortschutze, den Hauungen und den Kulturen völlig befriedigt, und im mündlichen Examen das Gesammtprädikat „vorzüglich" erhalten hat.

Gesammtprädikat „nicht genügend". 14. Ohne für andere Fälle dem Beschlusse der Prüfungskommission vorzugreifen, muß die Gesammtcensur auf „nicht genügend" lauten: a) wenn nach dem einstimmigen Urtheile aller Examinatoren der Examinand nach seiner Gesundheits- und Körperbeschaffenheit den Anforderungen des Forstschutzdienstes für einen Schutzbezirk von

III. Band.

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mittlerem Umfange und gewöhnlichen Verhältnissen zu genügen sich außer Stand zeigt; oder b) wenn der Examinand durch seine Führung zu so erheblichem Tadel Anlaß gibt, oder in seinen Leistungen bei der Prüfungsbeschäftigung so ungenügend sich zeigt, daß die Forstdirektion nach § 23 des Regulativs vom 8. Januar 1873 seine Entlassung als Hülfsaufseher zu beschließen

sich veranlaßt findet. In diesem Falle bedarf es der Abhaltung des schriftlichen und mündlichen Examens, wenn solche nicht schon bewirkt ist, nicht mehr; oder c) wenn der Examinand nicht im Stande sein sollte, Gedrucktes oder Geschriebenes geläufig und richtig zu lesen, seine Gedanken verständlich und ohne grobe orthographische Fehler niederzuschrei­ ben und in den vier Spezies mit benannten und unbenannten Zahlen, in der Regeldetri und mit einfachen Brüchen richtig zu rechnen; oder d) wenn das Gesammtergebniß der Förster­ prüfung die Ueberzeugung begründet, daß der Examinand den Wirkungskreis eines Kaiserlichen Försters, wie solcher durch die Dienstinstruktion bestimmt wird, nicht völlig genügend ausfüllen werde.

Wiederholung nicht zulässig. von der Prüfung.

Rücktritt

15. Wiederholung der Försterprüfung ist weder ganz noch theilweise zulässig. Wenn ein Examinand vor völlig beendeter Prüfung von derselben zurücktritt, bezw. aus der Prüfungs­ beschäftigung fteiwillig ausscheidet, so ist die Prüfung als nicht genügend befunden anzusehen, und demgemäß nach § 14 zu verfahren. Mittheilung

und Notirung fungsresultates.

des

Prü­

16. Nach schließlicher Feststellung des Gesammtresultates der Prüfung ist dasselbe dem Examinanden bekannt zu machen, in der Liste der Reservejäger (vgl. § 20 des Regulativs vom 8. Januar 1873) zu notiren, und auf dem Reser­ vepasse ist zu vermerken:

Die Försterprüfung ist in der Zeit vom.... bis .... in der Kaiserlichen Oberförsterei. .. . I vorzüglich } genügend ! bestanden, nicht genügend)

. ... den ... .ten.... 18 ... . Kaiserliche Forstdirektion. Wenn das Gesammtprädikat auf „nicht genü­ gend" lautet, hat die Forstdirektion der Inspek­ tion der Jäger und Schützen behufs Entlassung aus der Klasse A I der Reservejäger Anzeige zu machen, dabei auch sich zu äußern, ob das Er­ gebniß der Prüfung eine beschränkte Brauchbar­ keit in soweit bekundet hat, daß die künftige

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1873 (3. Sept. — 19. Sept.

[13. Mai 1689])

Ertheilung eines beschränkten Forstversorgungs­ scheines nicht für ausgeschlossen zu erachten ist.

Försterprüfung für Forstversorgungs­ berechtigte.

Remunerirung für die Prüfungsbeschäf­ tigung.

18. Wenn die Försterprüfung in den Fällen, welche die drei letzten Sätze des § 24 des Regu­ lativs vom 8. Januar 1873 erwähnen, erst nach Erlangung des Forstversorgungsscheines abgelegt wird, so ist dieselbe ebenmäßig nach den vor­ stehenden Vorschriften auszuführen, und der Ver­ merk über das Ergebniß (§ 16) auf den Forst­ versorgungsschein zu setzen, mit welchem bei nicht genügendem Ausfälle der Prüfung nach der Schlußbestimmung des § 16 zu verfahren ist.

17. Während der Dauer der Prüfungsbebeschästigung ist dem Examinanden das Dienst­ einkommen eines Hülfsaufsehers aus dem Hülfsaufsehersonds bezw. Forstextraordinario, nebst dem zulässigen Brennmaterialienbezuge, zu ge­ währen. Für die Zureise und Rückreise kann eine Ver­ gütung nicht bewilligt werden.

19. September 1873.

Bekanntmachung, betreffen- Vereinbarung zwischen Deutschtan- un- Italien über die Zulassung von Aktiengesellschaften u. s. w. G.-Bl. S. 288. Nach einer zwischen Deutschland und Italien getroffenen Vereinbarung sind deutsche Aktien­ gesellschaften und andere kommerzielle, industrielle oder finanzielle Gesellschaften, wenn sie nach den am Orte ihres Domizils geltenden Gesetzen errichtet und als zu Recht bestehend zugelassen sind, befugt, innerhalb des Königreichs Italien die ihnen zustehenden Rechte, insbesondere das Recht des Auftretens vor Gericht auszuüben.

Hierbei haben sie sich jedoch den italienischen Gesetzen zu unterwerfen; auch werden sie zum Geschäfts- oder Gewerbetriebe in Italien nur dann zugelassen, wenn sie die Bedingungen erfüllt haben, welche durch die dortigen Gesetze und sonstigen Bestimmungen vorgeschrieben sind. Die Wirksamkeit dieser Vereinbarung beginnt am 1. Oktober d. I.

19. September 1873.

Sekauutmachuug des Reichskanzlers, betreffe«) die Ausdehnung der Wirksamkeit der am 13. Mai 1869 zwischen dem Norddeutschen Sunde und der Schweiz ab­ geschlossene« Uebereinkunst wegen gegenseitigen Schutzes der Kechte an literarische« Ll?eug«issen und Werken der Lnnst auf das Verhältniß zwischen Llsaß-Lothringen und -er Schweiz. G.-Bl. S. 252. Die Regierung Seiner Majestät des Deutschen Kaisers und die Regierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft sind übereingekommen, die Wirk­ samkeit der zwischen dem Norddeutschen Bunde und der Schweiz unter dem 13. Mai 1869 abge­ schlossenen Uebereinkunst wegen gegenseitigen Schutzes der Rechte an literarischen Erzeugnissen und Werken der Kunst (Anlage) dahin auszudeh­ nen, daß in Zukunft die Bestimmungen dieser Uebereinkunst auch zwischen Elsaß-Lothringen und der Schweiz in Anwendung gebracht werden sollen.

Die Auswechselung der bezüglichen Deklaratio­ nen hat in Bern stattgefunden.

Anlage.

Uebereinkunst zwischen dem Norddeutschen Bunde und der Schweiz wegen gegenseiti­ gen Schutzes der Rechte an literari­ schen Erzeugnissen und Werken der K u n st.

Dom 13. Mai 1869» Seine Majestät der König von Preußen im Namen des Norddeutschen Bundes und der Bun­ desrath der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gleichmäßig von dem Wunsche beseelt, in gemein-

1873 (19. Sept. [13. Mai 1869]) samem Einverständniß solche Maßregeln zu treffen, welche Ihnen zum gegenseitigen Schutz der Rechte an literarischen Erzeugnissen und Werken der Kunst vorzugsweise geeignet erschienen sind, haben den Abschluß einer Uebereinkunst zu diesem Zwecke beschlossen und zu Ihren Bevollmächtigten er­ nannt : Seine Majestät der König von Preußen:

Allerhöchsteren Geheimen Ober-Finanzrath Friedrich Leopold Henning, Allerhöchstihren Geheimen Ober-Regierungs­ Karl Joseph Benjamin Herzog; der Bundesrath der Schweizerischen Eidgenossen­

schaft:

Seinen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister, eidgenössischen Obersten, Bernhard Hammer; welche, nach Austausch ihrer in guter und gehö­ riger Form befundenen Vollmachten, über nach­ stehende Artikel übereingekommen sind. I. Für die Staaten des Norddeutschen Bundes gültige Bestimmungen. Art. 1. Die Urheber von Büchern, Broschüren oder anderen Schriften, musikalischen Kompositio­ nen und Arrangements, von Werken der Zeichen­ kunst, der Malerei, der Bildhauerei, des Kupfer­ stichs, der Lithographie und allen anderen ähn­ lichen Erzeugnissen aus dem Gebiete der Literatur -oder Kunst, welche zum ersten Male in der Schweiz veröffentlicht werden, genießen in den Staaten des Norddeutschen Bundes die Vortheile, welche daselbst dem Eigenthum an Werken der Literatur oder Kunst gesetzlich eingeräumt sind oder künftig eingeräumt werden. Sie sollen den­ selben Schutz und dieselbe Rechtshülfe gegen jede Beeinträchtigung ihrer Rechte genießen, als wenn diese Beeinträchtigung gegen die Urheber solcher Werke begangen wäre, welche zum ersten Male innerhalb der Staaten des Norddeutschen Bundes veröffentlicht worden sind. Es sollen ihnen jedoch diese Vortheile nur so lange zustehen, als die Rechte der dem Norddeutschen Bunde angehörigen Urheber in der Schweiz geschützt sind, und sie sollen in den Staaten des Norddeutschen Bundes nicht über die Frist hinaus dauern, welche zu Gunsten einheimischer Urheber in den letzteren Staaten besteht. 2. Es ist gestattet, in den Staaten des Nord­ deutschen Bundes Auszüge aus Werken, oder ganze Stücke von Werken, welche zum ersten Male in der Schweiz erschienen sind, zu ver­ öffentlichen, vorausgesetzt, daß diese Veröffent­ lichungen für Zwecke der Kritik oder Literatur­ geschichte bestimmt, oder daß sie ausdrücklich für den Schulgebrauch oder Unterricht bestimmt und eingerichtet sind. 3. Um in den Genuß des im Artikel 1 festgejtellten Rechts zu gelangen, bedarf es einer be­

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sonderen Anmeldung oder Niederlegung des zu schützenden Erzeugnisses nicht; es genügt vielmehr für denjenigen, welcher den Schutz beansprucht, der Nachweis, daß er selbst Urheber des Erzeug­ nisses sei, oder seine Rechte von dem Urheber herleite. 4. Die Bestimmungen des Artikels 1 sollen gleiche Anwendung auf die Darstellung oder Auf­ führung dramatischer oder musikalischer Werke finden, welche nach Eintritt der Wirksamkeit der gegenwärtigen Uebereinkunst zum ersten Male in der Schweiz veröffentlicht, aufgeführt oder darge­ stellt werden. 5. Den Originalwerken werden die in der Schweiz veranstalteten Uebersetzungen einheimi­ scher oder fremder Werke ausdrücklich gleichgestellt. Demgemäß sollen diese Uebersetzungen rücksichtlich ihrer unbefugten Vervielfältigung im Gebiete des Norddeutschen Bundes den im Artikel 1 festgesetzten Schutz genießen. Es ist indeß wohlverstanden, daß der Zweck des gegenwärtigen Artikels nur dahin geht, den Uebersetzer in Beziehung auf seine eigene Uebersetzung zu schützen, keinesweges aber dem ersten Uebersetzer irgend eines in todter oder lebender Sprache geschriebenen Werkes das aus­ schließliche Uebersetzungsrecht zu übertragen, aus­ genommen in dem im folgenden Artikel vorge­ sehenen Falle und Umfange. 6. Der Verfasser eines jeden in der Schweiz veröffentlichten Werkes, welcher sich das Recht auf die Uebersetzung Vorbehalten hat, soll, vom Tage des ersten Erscheinens der mit seiner Er­ mächtigung herausgegebenen Uebersetzung seines Werkes an gerechnet, sünf Jahre lang das Vor­ recht genießen, gegen die Veröffentlichung jeder, ohne seine Ermächtigung veranstalteten Ueber­ setzung desselben Werkes im norddeutschen Bun­ desgebiete geschützt zu sein, und zwar unter fol­ genden Bedingungen: 1) Das Originalwerk muß auf die binnen drei Monaten, vom Tage des ersten Erscheinens in der Schweiz an gerechnet, erfolgte Anmeldung auf dem Ministerium der geistlichen Angelegen­ heiten in Berlin eingetragen werden. Die Anmel­ dung ist schriftlich an dieses Ministerium zu richten. Die Eintragung erfolgt in ein besonders zu diesem Zwecke geführtes Register und soll keinen Anlaß zur Erhebung irgend einer Gebühr geben. Die Betheiligten erhalten eine urkundliche Be­ scheinigung über die Eintragung; diese Bescheini­ gung wird kostenfrei ausgestellt werden, vorbe­ haltlich der gesetzlichen Stempelabgabe. 2) Der Verfasser muß an der Spitze seines Werkes die Absicht, sich das Recht der Ueber­ setzung vorzubehalten, angezeigt haben. 3) Die erwähnte, mit seiner Ermächtigung ver­ anstaltete Uebersetzung muß innerhalb Jahresfrist, vom Tage der nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmung erfolgten Anmeldung des Originals

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an gerechnet, wenigstens zum Theil und binnen einem Zeitraunle von drei Jahren, vom Tage der Anmeldung an gerechnet, vollständig erschie­ nen sein. 4) Die Übersetzung muß in einem der beiden Länder veröffentlicht werden.Bei den in Lieferungen erscheinenden Werken soll es genügen, wenn die Erklärung des Ver­ fassers, daß er sich das Recht der Uebersetzung Vorbehalten habe, auf der ersten Lieferung, und, sofern das Werk in mehrere Bände zerfällt, auf der ersten Lieferung jedes Bandes ausgedrückt ist. Es soll jedoch hinsichtlich der für die Ausübung des ausschließlichen Uebersetzungsrechts in diesem Artikel festgesetzten fünfjährigen Frist jede Liefe­ rung als ein besonderes Werk angesehen werden. Der Verfasser dramatischer Werke, welcher sich für die Uebersetzung derselben oder die Aufführung der Uebersetzung das in den Artikeln 4 und 6 bestimmte ausschließliche Recht Vorbehalten will, muß seine Uebersetzung drei Monate nach dem Erscheinen des Originalwerkes erscheinen oder auffübren lassen. Die durch gegenwärtigen Artikel gewährten Rechte sind an die Bedingungen gebunden, welche dem Verfasser eines Originalwerkes durch die Artikel 1 und 3 der gegenwärtigen Uebereinkunft auferlegt sind. 7. Die gesetzlichen Vertreter oder Rechtsnach­ folger der Verfasser, Uebersetzer, Komponisten, Zeichner, Maler, Bildhauer, Kupferstecher, Litho­ graphen u. s. w. sollen in allen Beziehungen derselben Rechte theilhaftig sein, welche die gegen­ wärtige Uebereinkunft den Verfassern, Uebersetzern, Komponisten, Zeichnern, Malern, Bildhauern, Kupferstechern und Lithographen selbst bewilligt. 8. Ungeachtet der in den Artikeln 1 und 5 der gegenwärtigen Uebereinkunft enthaltenen Bestim­ mungen dürfen Artikel, welche aus den in der Schweiz erscheinenden Tagesblättern oder periotzischen Sammelwerken entnommen sind, in den Tagesblättern oder periodischen Sammelwerken des Norddeutschen Bundes abgedruckt oder über­ setzt werden, wenn nur die Quelle, aus der die Artikel geschöpft sind, dabei angegeben wird. Inzwischen soll diese Befugniß auf den Abdruck von Artikeln aus in der Schweiz erscheinenden Tagesblättern oder periodischen Sammelwerken in dem Falle keine Anwendung finden, wenn die Verfasser in der Zeitung oder in dem Sammelmelwerk selbst, in welchem sie dieselben haben erscheinen lassen, förmlich erklärt haben, daß sie deren Abdruck untersagen. In keinem Fall soll diese Untersagung bei Artikeln politischen Inhalts Platz greifen können. 9. Der Verkauf und das Feilbieten von Werken oder Gegenständen, welche im Sinne der Artikel 1, 4, 5 und 6 unbefugter Weise vervielfältigt sind, ist vorbehaltlich der im Artikel 10 getroffenen Be­ stimmung im Gebiete des Norddeutschen Bundes

verboten, sei es, daß die unbefugte Vervielfälti­ gung in der Schweiz oder in irgend einem frem­ den Lande stattgefunden hat. 10. Der Norddeutsche Bund wird im Verwal­ tungswege die nöthigen Anordnungen zur Verhü­ tung aller Schwierigkeiten und Verwickelungen treffen, in welche die seinem Gebiet angehörigen Verleger, Drucker, Buch- oder Kunsthändler durch den Besitz und Verkauf solcher Vervielfältigungen schweizerischer, noch nicht zum Gemeingut gewor­ denen Werke gerathen könnten, welche sie vor dem Eintritt der Wirksamkeit gegenwärtiger Ueberein­ kunft veranstaltet oder eingesührt haben, oder welche gegenwärtig ohne Ermächtigung des Be­ rechtigten veranstaltet oder abgedruckt werden. Die Anordnungen sollen sich auch auf Abklatsche (cliches), Holzstöcke und gestochene Platten aller Art, sowie auf lithographische Steine erstrecken, welche sich in den Magazinen bei den norddeut­ schen Verlegern oder Druckern befinden und schwei­ zerischen Originalen ohne Ermächtigung des Be­ rechtigten nachgebildet sind. Indessen sollen diese Abklatsche, Holzstöcke und gestochene Platten aller Art, sowie die lithogra­ phischen Steine nur innerhalb vier Jahre, von dem Beginn der Wirksamkeit der gegenwärtigen Uebereinkunft an gerechnet, benutzt werden dürfen. 11. Die gegenwärtige Uebereinkunft soll in keiner Weise das Recht der Regierungen beschrän­ ken, die Einfuhr solcher Bücher in ihre Staaten zu verbieten, welche nach ihren inneren Gesetzen oder in Gemäßheit ihrer Verabredungen mit an­ deren Staaten für Nachdrucke erklärt sind ober

erklärt werden. 12. In Fällen von Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen der vorstehenden Artikel wird die Beschlagnahme der unbefugten Nachbildungen stattfinden und die Gerichte werden die durch das Gesetz bestimmten Strafen zur Anwendung brin­ gen, und zwar in gleicher Weise, wie wenn der Eingriff zum Nachtheile eines im Bereich des Norddeutschen Bundes erschienenen Werkes oder

Erzeugnisses begangen worden wäre. Die eine Nachbildung erweisenden Merkmale werden von den Gerichten in den Staaten des Bundes nach der daselbst in Kraft bestehenden Gesetzgebung bestimmt werden. n.

Für

die

Schweiz

gültige

Bestim­

mungen. 13. Die Bestimmungen der vorstehenden Ar­ tikel 2, 3, 5, 6, 7, 8,10 und 11 werden gleicher­ maßen für den Schutz des in den Staaten des Norddeutschen Bundes gehörig erworbenen Eigen­ thums an Werken des Geistes oder der Kunst als Gegenrecht in der Schweiz Anwendung finden. 14. Die Gerichte, die in der Schweiz, sei es für die Civil-Entschädigung, sei es für die Bestrafung der Vergehen, zuständig sind, werden auf dem ganzen Gebiete der Eidgenossenschaft zum Nutzens

1873 (19. Sept. [13. Mai 1869]) der dem Norddeutschen Bunde angehörigen Eigen­ thümer literarischer und künstlerischer Werke die Bestimmungen des Artikel 13 und der nachfolgen­ den Artikel 15 bis 30 in Anwendung bringen. Es ist, immerhin unter Vorbehalt der im Ar­ tikel 31 verabredeten Gewährleistungen, verstan­ den, daß diese Bestimmungen ersetzt werden kön­ nen durch gesetzliche Vorschriften, welche die zuständigen Behörden der Schweiz unter Gleich­ stellung der Ausländer mit den Einheimischen in Bezug auf das literarische oder künstlerische Eigen­

thum beschließen mögen. 15. Die im Artikel 6 vorgesehene Eintragung derjenigen im Gebiete des Norddeutschen Bundes veröffentlichten Werke, deren Verfasser sich das Recht auf die Uebersetzung Vorbehalten wollen, hat innerhalb der in besagtem Artikel angesetzten Fristen bei dem eidgenössischen Departement des Innern in Bern zu erfolgen. 16. Die Urheber von Büchern, Broschüren oder anderen Schriften, musikalischen Kompositionen oder Arrangements, Zeichnungen, Gemälden, Bild­ hauereien, Stichen, Lithographien und allen an­ deren gleichartigen Erzeugnissen aus dem Gebiete der Literatur oder Künste, welche zum ersten Male in dem Gebiete des Norddeutschen Bundes veröffentlicht werden, genießen in der Schweiz zum Schutze ihrer Eigenthumsrechte die in den nachfolgenden Artikeln näher bezeichneten Rechte. 17. Die Verfasser von dramatischen oder musi­ kalischen Werken, welche im Gebiete des Nord­ deutschen Bundes zum ersten Male veröffentlicht oder aufgeführt werden, genießen in der Schweiz in Bezug auf die Darstellung oder Aufführung ihrer Werke den nämlichen Schutz, welcher in letzterem Lande den Verfassern oder Tonsetzern der am meisten begünstigten Nation bezüglich der Darstellung oder Aufführung ihrer Werke gewährt ist oder künftighin gewährt werden wird. 18. Das in der Schweiz gemäß den Bestim­ mungen der vorgehenden Artikel erworbene Eigenthumsrecht an den im Artikel 16 erwähnten literarischen oder künstlerischen Werken dauert für den Urheber während seiner ganzen Lebenszeit und insofern er vor dem Ablaufe des dreißigsten Jahres, vom Zeitpunkte der ersten Veröffent­ lichung an, stirbt, so wirkt es für den Rest dieser Zeit noch fort zu Gunsten seiner Rechtsnachfolger. Wenn die Veröffentlichung nicht zur Lebens­ zeit des Urhebers stattfand, so haben seine Erben oder Rechtsnachfolger während sechs Jahre, vom Tode des Urhebers an, das ausschließliche Recht zur Veröffentlichung des Werkes. Machen sie davon Gebrauch, so dauert die Schutzfrist dreißig Jahre nach diesem Todesfälle. Die Dauer des Eigenthumsrechts auf Uebersetzungen hingegen ist auf fünf Jahre, gemäß dem, was im Artikel 6 festgesetzt ist, beschränkt. 19. Jede Vervielfältigung eines im Artikel 16 erwähnten literarischen oder künstlerischen Werkes,

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welche ohne Genehmigung des Berechtigten in Zuwiderhandlung gegen die Bestimmungen der gegenwärtigen Uebereinkunft veranstaltet wird, soll als Nachdruck bestraft werden. 20. Wer wissentlich nachgedruckte Gegenstände auf schweizerischem Gebiete verkauft, zum Verkauf auslegt oder einführt, ist mit den gegen den Nach­ druck angedrohten Strafen zu belegen. 21. Der Nachdrucker ist mit einer Buße von wenigstens einhundert Frank bis auf höchstens zweitausend Frank und der Verkäufer mit einer Buße von wenigstens fünfundzwanzig Frank bis auf höchstens fünfhundert Frank zu bele­ gen; sie sind außerdem verbunden, dem Eigen­ thümer für den ihm verursachten Nachtheil Ersatz zu leisten. Sowohl gegen den Nachdrucker, als gegen den Einbringer und den Verkäufer ist auf Wegnahme der Nachdrucksausgabe (Art. 19) zu erkennen. In allen Fällen können die Gerichte auf Ver­ langen der Civilpartei verfügen, daß derselben die nachgebildeten Gegenstände, auf Abschlag des ihr zugesprochenen Schadenersatzes, zugestellt

werden. 22. In den durch die vorigen Artikel vorge­ sehenen Fällen ist der Erlös aus den weggenom­ menen Gegenständen dein Eigenthümer auf Ab­ schlag des ihm erwachsenen Schadens auszuhän­ digen; der Rest seiner Entschädigung ist im ge­ wöhnlichen Rechtswege zu verfolgen. 23. Der Eigenthümer eines literarischen oder künstlerischen Werkes kann kraft Verfügung der zuständigen Behörde mit oder ohne Beschlag­ nahme eine detaillirte Bezeichnung oder Beschrei­ bung der Erzeugnisse vornehmen lassen, welche nach seiner Behauptung in Zuwiderhandlung gegen die Bestimmungen gegenwärtiger Ueberein­ kunft zu seinem Schaden nachgemacht sind. Die Verfügung ist auf einfachen Antrag des Eigenthümers, im Falle unbefugter Uebersetzung zugleich auf den Borweis der die Eintragung des Originals bestätigenden Bescheinigung, zu erlassen. Erforderlichen Falls hat die Verfügung die Be­ zeichnung eines Sachverständigen zu enthalten. Wird die Beschlagnahme begehrt, so kann der Richter von dem Kläger eine Kautionssumme verlangen, die zu erlegen ist, bevor zur Beschlag­ nahme geschritten wird. Dem -Inhaber der beschriebenen oder unter Beschlag gelegten Gegenstände ist Abschrift der Ver­ fügung und der die Erlegung der etwaigen Kau­ tionssumme bestätigenden Bescheinigung zuzu­ stellen. Alles bei Vermeidung der Nichtigkeit und der Entschädigungspflicht. 24. Unterläßt der Kläger, innerhalb vierzehn Tagen den Rechtsweg zu betreten, so wird die Beschreibung oder Beschlagnahme von Rechts­ wegen hinfällig, unbeschadet der Entschädigung, welche etwa verlangt werden kann. 25. Die Verfolgung vor den schweizerischen

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1873 (19. Sept. [13. Mai 1869] — 20. Sept.)

Gerichten wegen der in gegenwärtiger Uebereinkunft bezeichneten Vergehen findet nur auf An­ trag des beschädigten Theiles oder seiner Rechts­ nachfolger statt.

ausgesprochenen Strafen auch unter das vorge­ schriebene Minimum ermäßigen.

III. Allgemeine Bestimmungen.

29. Die im Artikel 21 bestimmten Strafen können bei Rückfällen verdoppelt werden. Ein Rückfall ist vorhanden, wenn gegen den Ange­ klagten in den fünf vorangegangenen Jahren ein Urtheil wegen eines gleichartigen Vergehens ge­ fällt worden ist.

31. Die vertragschließenden Theile haben sich dahin verständigt, die gegenwärtige Uebereinkunft einer Revision zu unterwerfen, wenn eine neue Gesetzgebung über die darin behandelten Gegen­ stände im einen oder anderen Lande oder in beiden Ländern eine solche Revision wünschenswerth machen sollte; es ist jedoch verstanden, daß die Bestimmungen der gegenwärtigen Ueber­ einkunft für beide Länder verbindlich bleiben werden, bis sie im gemeinsamen Einverständniß abgeändert sind. Wenn die gegenwärtig im Gebiete des Nord­ deutschen Bundes dem Schutz des literarischen und künstlerischen Eigenthums gewährten Garan­ tien während der Dauer der gegenwärtigen Ueber­ einkunft Aenderungen erleiden sollten, so würde die schweizerische Regierung befugt sein, die Bestimmungen dieses Vertrages durch die neuen, von der Gesetzgebung des Norddeutschen Bundes erlassenen Vorschriften zu ersetzen. 32. Die gegenwärtige Uebereinkunft tritt zu gleicher Zeit und für die nämliche Dauer in Kraft, wie der am 13. Mai 1869 zwischen dem Norddeutschen Bunde nebst den übrigen Staaten des Zollvereins und der Schweiz abgeschlossene Handelsvertrag, i

30. Beim Vorhandensein mildernder Umstände können die Gerichte die gegen die Schuldigen

1. Vgl. hierüber Ziff. 14 der Bem. zum Erlaß v. 13. Jan. 1872.

26. Die Klagen auf Nachbildung literarischer oder künstlerischer Werke sind in der Schweiz bei dem Gerichte des Bezirks anzubringen, in wel­ chem die unbefugte Nachbildung oder Feilhaltung stattgefunden hat. Die Civilklagen sind summarisch zu verhandeln.

27. Die durch gegenwärtige Uebereinkunft fest­ gesetzten Strafen dürfen nicht gehäuft werden. Für alle der ersten Strafeinleitung vorange­ gangenen Handlungen darf keine härtere Strafe erkannt werden, als diejenige, welche auf die am schwersten zu ahndende unter diesen Handlungen zu verhängen sein würde.

28. Das Gericht kann den Anschlag des Ur­ theils an den von ihm zu bestimmenden Orten und die ganze oder auszugsweise Einrückung desselben in die von ihm zu bezeichnenden Zei­ tungen anordnen, und zwar Alles auf Kosten des

Berurtheilten.

20. September 1873.

Verordnung des Reichskanzlers, die Zuständigkeit der Lreisdirektionen betreffend.1 G.-Bl. S. 249.

Auf Grund der Vorschrift im § 14 des Gesetzes, betreffend die Einrichtung der Verwaltung, vom 30. Dezember 1871 (Gesetzblatt für Elsaß-Loth­

ringen 1872 S. 49), wird Folgendes verordnet: § 1. Die Kreisdirektoren in Elsaß-Lothringen üben folgende Befugnisse aus, insoweit dieselben gegenwärtig durch das Gesetz den Bezirksbehörden zugewiesen sind, nämlich: 1) die Entscheidung über den Antrag eines Drittels der Gemeinderathsmitglieder auf Zu­ sammenberufung des Gemeinderaths gemäß Arti­ kel 15 Absatz 3 des Gesetzes vom 5. Mai 1855 (Bull, des Lois Serie XI Nr. 2635); 2) die Enthebung der Gemeinderathsmitglieder, welche ohne Grund drei auf einander folgende Sitzungen versäumt haben, gemäß Artikel 20 des Gesetzes vom 5. Mai 1855; 3) die Feststellung der Voranschläge (Budgets) der Gemeinden und die damit zusammenhängenden 1. Bgl. B. v. 28. August 1875.

Kuratelbefugnisse nach Maßgabe der Artikel 33, 34, 36, 37, 38, 39 des Gesetzes vom 18. Juli 1837 (Bull, des Lois Serie IX Nr. 6946), des Artikels 1 des Dekrets vom 25. März 1852 (Bull, des Lois Serie X Nr. 3855), der Nr. 42 und 67 des Tableau A zum Dekret vom 13. April 1861 (Bull, des Lois Serie XI Nr. 8928) und des Artikels 2 des Gesetzes vom 24. Juli 1867 (Bull, des Lois Serie XI Nr. 15327); 4) die Bestätigung, die Vertagung der Aus­ führung und die Aufhebung der Gemeinderaths­ beschlüsse über die int Artikel 17 und die im ersten Absatz des Artikels 44 des Gesetzes vom 18. Juli 1837, sowie in den Artikeln 1, 3 und 5 des Gesetzes vom 24. Juli 1867 bezeichneten Gegenstände, die Genehmigung der Tarife und die Erklärung der Vollstreckbarkeit der Hebere­ gister (Rollen) für die besonderen Taxerhebungen nach Maßgabe des zweiten Absatzes des Artikels 44 des Gesetzes vom 18. Juli 1837; 5) die Bildung von Sektionsausschüssen zum

1873 (20. Sept. — 22. Sept. — 30. Sept.) Zwecke der Einleitung und Führung der Prozesse gemäß Artikel 56 und 57 des Gesetzes vom 18. Juli 1837; 6) die Befugniß, anstatt des Bürgermeisters eine dem letzteren gesetzlich obliegende Amtshand­ lung vorzunehmen oder durch einen Spezialbeauftragten vornehmen zu lassen, wenn jener auf ergangene Aufforderung diese Amtshandlung ver­ weigert oder unterläßt, gemäß Artikel 15 des Gesetzes vom 18. Juli 1837; 7) die Ertheilung von Zahlungsanweisungen für liquide und im Budget vorgesehene Ausgaben an Stelle des die Ausstellung solcher Anweisungen verweigernden Bürgermeisters, gemäß Artikel 61 des Gesetzes vom 18. Juli 1837; 8) die Bescheidung der Beschlüsse der Syndikat­ kommissionen, die Ernennung der Präsidenten solcher Kommissionen und die Genehmigung über­ einstimmender Beschlüsse der betheiligten Gemein­ deräthe über die, mehrere Gemeinden gemein­ schaftlich betreffenden Angelegenheiten, gemäß Artikel 70 Absatz 4, Artikel 71 Absatz 1 und Artikel 72 Absatz 1 des Gesetzes vom 18. Juli 1837, insofern die betheiligten Gemeinden dem­ selben Kreise angehören, und die Gegenstände der Beschlußfassung ihrer Natur nach nicht der Kompetenz einer höheren Behörde, als des Kreis­ direktors, unterstellt sind; 9) die Feststellung der Verzeichnisse der Frei­ schüler, gemäß Artikel 45 des Gesetzes vom 15. März 1850 (Bull, des Lois Serie X Nr. 2029); 10) die Ernennung und Entlassung der Bann­

warte (Flurschützen, Feldhüter); 11) die Ertheilung der nach den Gesetzen erfor­ derlichen Erlaubniß zur Vornahme einzelner Geschäfte und Handlungen, insoweit nicht die

391

Ertheilung der Erlaubniß den Gemeindepolizeibehörden zusteht, oder sich auf Gegenstände der politischen und allgemeinen Landespolizei (haute police) bezieht; 12) die Anordnung von Sicherheitsmaßregeln zur Verhütung der Gefahr, welche durch den Einsturz, oder beim Niederreißen oder Aus­ bessern von, an großen Straßen (grande voirie) stehenden Gebäuden entstehen kann, und die Ge­ nehmigung der bezüglichen Beschlüsse der Bür­ germeister für die an kleinen Straßen stehenden Gebäude; 14) die Ertheilung der Erlaubniß zum Trans­ port von Leichen über die Kreis-, Bezirks- und Landesgrenzen und die Ausstellung der bezüg­ lichen Leichenpässe. 2. Gegen die auf Grund dieser Verordnung von dem Kreisdirektor getroffene Entscheidung steht den Betheiligten die Berufung an den Be­ zirkspräsidenten zu. Die Berufung ist binnen der­ jenigen Frist, an welche nach den bisherigen Bestimmungen die Berufung gegen die Entschei­ dung der Bezirksbehörde gebunden war, und in denjenigen Angelegenheiten kontentiöser Natur, für welche eine solche Frist gesetzlich nicht vorge­ schrieben ist, binnen 30 Tagen vom Empfang der Entscheidung an gerechnet, bei Vermeidung der Präklusion, einzutragen. Sofern nach den bisherigen Bestimmungen der Präfekturrath berufen war, bei den Entschei­ dungen der Präfekten in erster Instanz mitzu­ wirken, hat die Mitwirkung des Bezirksraths bei der Beschlußfassung des Äezirkspräsidenten in

zweiter Instanz einzutreten. 3. Gegenwärtige Verordnung tritt 1. November 1873 in Kraft.

mit

dem

22. September 1873.

Gesetz, betreffend die Ernennung der Untersuchungsrichter und der Ergänzungsrichter bei de« Landgerichten, sowie die Gestellung zeitweiliger Vertreter eines richterlichen Grämte« oder eines Seamtev der Staatsanwaltschaft.1 G.-Bl. S. 247.

Die Ernennung der Untersuchungsrichter... ., sowie die Bestellung zeitweiliger Vertreter eines richterlichen Beamten oder eines Beamten der

Staatsanwaltschaft

erfolgt

durch

den

Reichs­

kanzler. 2 2. Ministerium, vgl. 8 2 G. v. 4. Juli 1879 u. Bem. zu

1. Bgl. 88 60 u. 69 G.-B.-G., sodann 8 24 A.-G. dazu.

8 60 G.-D.-E.

30. September 1873.

Postvertrag zwischen Deutschland und Brasilien.1 R.-G.-Bl. 1874 S. 85—98. 1. Nach Art. 15 Weltpostvertrag v. 1. Juni 1878 beschränkt der Weltpostvertrag nicht die Befugniß der vertragschließenden Theile,Verträge unter sich bestehen zu lassen und neu zu schließen, sowie engere Vereine zur weiteren Erleichterung des

Verkehrs aufrecht zu erhalten oder neu zu gründen.

392

1873 (1. Okt. — 6. Okt. [13. Juni 1873])

1. Oktober 1873.

Bekanntmachung -es Oberpräsidenten, betreffend die Geltung des am 13. Mai 1869 zwischen dem Norddeutschen Sunde nnd -er Schweiz bezüglich -er Aktiengesell­ schaften getroffenen Verabredung für Llsasi-Lothringen. Straßb. Ztg. Nr. 233. Zwischen dem ehemaligen Norddeutschen Bund und der Schweiz ist am 13. Mai 1869 folgende Verabredung getroffen worden. 8 1. Die innerhalb des Norddeutschen Bundes, sowie die innerhalb der Schweiz errichteten Ak­ tiengesellschaften oder anonymen Gesellschaften werden gegenseitig als zu Recht bestehend, insbe­ sondere als zum Auftreten vor Gericht befähigt, anerkannt, sofern die Errichtung nach den Gesetzen des Landes, wo die Gesellschaft ihr Domizil hat, gültig erfolgt ist. Ob und inwieweit eine solche Gesellschaft in den Staaten (Kantonen) des anderen Gebietes zum Gewerbs- oder Geschäftsbetriebe zugelassen

werden kann, ist ausschließlich nach den eigenen Gesetzen der Staaten resp. Kantone zu bestim­

men. 2. Den zum norddeutschen Bunde nicht gehörigen Staaten des deutschen Zoll- und Handelsvereins bleibt der Beitritt zu dieser Uebereinkunft Vorbe­ halten. Gemäß gleichlautender Deklarationen des Fürsten Reichskanzlers vom 18. Juli und des Bundesraths der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 20. August haben in Zukunft die Bestim­ mungen dieser Verabredung auch zwischen ElsaßLothringen und der schweizerischen Eidgenossen­ schaft Geltung.

6. Oktober 1873.

Gesetz", betreffen- -ie Einführung -es Gesetzes über -ie Lriegslerstungen, vom 13. 3n«i 1873, in Llfaß-Lothringen. G.-Bl. S. 262.

Die Wirksamkeit des anliegenden Reichsgesetzes über die Kriegsleistungen, vom 13. Juni 1873 (Reichs-Gesetzbl. S. 129), wird auf Elsaß-Lothrin­ gen ausgedehnt.

Gesetz über die Kriegsleistungen.

Vom 13. Juni 1873.1 2 § 1. Bon dem Tage ab, an welchem die be­ waffnete Macht 2 mobil gemacht wird, tritt die Verpflichtung des Bundesgebiets zu allen Lei­ stungen für Kriegszwecke nach den Bestimmungen dieses Gesetzes ein.3 4 Beschränkt sich die Mobilmachung auf einzelne Abtheilungen der bewaffneten Macht, so tritt 1. Durch das Kriegsleistungsgesetz, welches — in Verbin­ dung mit der zu demselben erlassenen Kaiserlichen Aus­ führungverordnung v. 1. April 1876 — alle nach ausgesprochener Mobilmachung bis zum Wiedereintritt des Friedenszustandes für Kriegszwecke zu beanspruchende Leistun­ gen einheitlich regelt, sind die älteren Gesetze über den­ selben Gegenstand als thatsächlich beseitigt svgl. unten § 36) anzusehen, insbesondere also das durch § 1 gtr. 1 G. v. 22. Juni 1872, betr. die Einführung deutscher Militärgesetze in E.-L., eingeführte Preußische G. v. 11. Mai 1851 wegen der Kriegsleistungen und deren Vergütung, nebst B. v. 24. FeVr. 1834 u. G. v. 12. Sept. 1855, sowie der § 2 G. v. 22. Juni 1872. 2. Zur bewaffneten Macht im Sinne des Gesetzes gehört auch die Marine (Ziff. 17 Ausführungs-Verordnung v. 1. April 1876); vgl. § 2 des Wehrgesetzes v. 9. Nov. 1867. 3. Wegen Dauer dieser Verpflichtung s. unten § 32.

diese Verpflichtung nur bezüglich der mobil ge­ machten, augmentirten oder in Bewegung gesetzten Theile derselben, sowie zur Herstellung der noth­ wendigen Bertheidigungsanstalten ein. 2. Diese Leistungen sollen nur insoweit in An­ spruch genommen werden, als für die Beschaffung der Bedürfnisse nicht anderweitig, insbesondere nicht durch freien Ankauf, beziehungsweise Baar­ zahlung oder durch Entnahme aus den Maga­ zinen gesorgt werden kann. Für diese Leistungen ist nach den Bestimmun­ gen dieses Gesetzes 4 Vergütung aus Reichsmitteln zu gewähren. I. Kriegsleistungen der Gemeinden.

3. Dem Reiche gegenüber sind zunächst die Gemeinden zu nachfolgenden Leistungen ver­ pflichtet : 1) Gewährung des Naturalquartiers für die bewaffnete Macht, einschließlich des Heergefolges, sowie der Stallung für die zugehörigen Pferde, beides, soweit Räumlichkeiten hierfür vorhanden sind; 2) Gewährung der Naturalverpflegung für die auf Märschen und in Kantonnirungen befindlichen Theile der bewaffneten Macht, einschließlich des Heergefolges, sowie der Fourage für die zugehö­ rigen Pferde; 4. Nämlich den 88 7, 9-15, 18-26, 29, 30 u. 35.

1873 (6. Okt.

[13. Juni 1873])

393

3) Ueberlassung der im Gemeindebezirk vor­ handenen Transportmittel und Gespanne für militärische Zwecke und Stellung der in der Ge­ meinde anwesenden Mannschaften zum Dienste als Gespannführer, Wegweiser und Boten, sowie zum Wege-, Eisenbahn- und Brückenbau, zu fortifikatorischen Arbeiten, zu Fluß- und Hafensperren und zu Boots- und Prahmdiensten; 4) Ueberweisung der für den Kriegsbedarf erforderlichen Grundstücke und vorhandenen Ge­ bäude, sowie der im Gemeindebezirke vorhandenen Materialien zur Anlegung von Wegen, Eisen­ bahnen, Brücken, Lagern, Uebungs- und Bivouaks­ plätzen, zu fortifikatorischen Anlagen und zu Fluß- und Hafensperren; 5) Gewährung des im Gemeindebezirke vorhan­ denen Feuerungsmaterials und Lagerstrohs für Lager und Bivouaks, sowie 6) der sonstigen Dienste und Gegenstände, deren Leistung beziehungsweise Lieferung das militärische Interesse ausnahmsweise erforderlich machen könnte, insbesondere von Bewaffnungs­ und Ausrüstungs - Gegenständen, Arznei- und Verbandmitteln, soweit die hierzu erforderlichen Personen und Gegenstände im Gemeindebezirk anwesend und beziehungsweise vorhanden sind. 4.5 In welchen Fällen und in welchem Umfange die Verpflichtungen des § 3 einzutreten haben, wird auf Requisition der Militärbehörde durch Anordnung der nach den Landesgesetzen zuständi­ gen Civilbehörde bestimmt. Es ist hierbei auf die Leistungsfähigkeit der Gemeinden Rücksicht zu nehmen, In den Städten, welche einen eigenen Kreis bilden, oder welche da, wo Kreisverbände nicht bestehen, nach der letzten Volkszählung mindestens 25 000 Seelen haben, werden der Regel nach die Re­ quisitionen direkt an den Stadtvorstand gerichtet. In dringenden Fällen kann die zuständige Militärbehörde auch sonst die Leistungen direkt von der Gemeindebehörde und wo diese nicht rechtzeitig zu erreichen ist, von den Leistungs­ pflichtigen in der Gemeinde (§ 6) unmittelbar requiriren. Anordnungen wie Requisitionen sind in der Regel schriftlich zu erlassen und müssen die genaue Bezeichnung der geforderten Leistung enthalten. Ueber die erfolgte Leistung ist Bescheinigung auszustellen. 5. Für die vollständige und rechtzeitige Erfül­ lung der geforderten Leistungen sind die Gemein­ den verantwortlich. Die Weigerung oder Säumniß derselben berechtigt die Civilbehörde, die Leistung zwangsweise herbeizuführen. Bei Gefahr im Verzüge ist hierzu auch die Militärbehörde befugt. 5 6

6. Die Gemeinden sind berechtigt, behufs Er­ füllung der geforderten Leistungen, die zur Theilnahme an den Gemeindelasten Verpflichteten, sowie die sonst in der Gemeinde sich aufhaltenden oder Eigenthum in derselben besitzenden Ange­ hörigen des Reichs zu Naturalleistungen und Diensten aller Art heranziehen, insbesondere auch die in den Gemeindebezirken gelegenen Grund­ stücke und Gebäude, mit Ausnahme der landes­ herrlichen Schlösser und der unmittelbar zu Staatszwecken dienenden Gebäude oder Gebäude­ theile, zu benutzen und sich nöthigenfalls zwangs­ weise in deren Besitz zu setzen. Die in der Gemeinde durch die Leistungen etwa entstehenden Baarkosten sind von den zur Theilnahme an den Gemeindelasten Verpflichteten aufzubringen. Die Gemeinden sind berechtigt, Naturalquartier und Verpflegung für eigene Rechnung zu über­ nehmen und die erwachsenden Kosten auf die hierdurch von unmittelbarer Leistung befreiten Pflichtigen nach Verhältniß ihrer Verpflichtung zur Naturalleistung (Abs. 1) umzulegen.7 8 7. Die Gemeinde hat den nach § 6 mit Natu­ ralleistungen oder Diensten in Anspruch Genom> menen Vergütung in dem Umfange zu gewähren, in welchem die letztere nach den folgenden Bestim­ mungen vom Reiche gewährt wird. Die Gemeinde ist in der Regel nicht verpflichtet, die Vergütung früher auszuzahlen, als sie ihr vom Reiche zur Verfügung gestellt ist. Jedoch ist in den Fällen besonderer Bedürftigkeit oder unverhältnißnräßiger Belastung einzelner Leistungs­ pflichtiger diese Vergütung vorschußweise von der Gemeinde zu zahlen. Von diesen besonderen Fällen abgesehen, kom­ men die vom Reiche zu zahlenden Zinsen (§ 20) den Einzelnen zu. Zur Sicherung seiner Forderung kann jeder von der Gemeinde in Anspruch Genommene über die von ihm gemachte Leistung eine Bescheinigung von der Gemeinde fordern. 8. Die in diesem Gesetze für Gemeinden ge­ troffenen Bestimmungen gelten auch für die einem Gemeindeverbande nicht einverleibten selbständigen Gutsbezirke. 9.8 Vergütung für Naturalquartier und Stal­ lung wird seitens des Reichs nur gewährt: 1) für die Truppenteile, welche schon vor der Mobilmachung zur Besatzung des Orts gehörten, bis zu ihrem Ausmarsche; 2) für die Truppenteile, welche zur Besatzung des Ortes nach der Mobilmachung einrücken, insbesondere auch für die Besatzung der Etappen­ orte; 3) für Ersatztruppen in ihren Standquartieren,

5. S. Biff. 1 Ausführungs-Verordnung v. 1. April 1876.

7. Vgl. § 7 Abs. 6 Quartierleistungsgesetz v. 25. Juni 1868 und § 7 Abs. 4 Naturalleistungsgesetz v. 13. Febr. 1875.

6. Vgl. §§ 5 u. 11 Quartierleistungsgeseh v. 25. Juni 1868 und § 7 letzter Abs. Naturalleistungsgesetz v. 13. Febr. 1875.

8. S. Ziff. 2 Ausführungs-Verordnung v. 1. April 1876.

394

1873 (6. Okt. [13. Juni 1873])

und zwar nach den für den Friedenszustand gel­ tenden Sätzen. In diesen Fällen finden bezüglich der Beschaf­ fenheit 9 des Quartiers im Allgemeinen die für den Friedenszustand geltenden Vorschriften An­ wendung. In allen übrigen Fällen muß der Einquartierte sich mit demjenigen begnügen, was nach Maßgabe der obwaltenden Verhältnisse an­ gewiesen werden kann, und sind dem Quartier­ geber nur die auf Requisition der Militärbehörde gemachten Auslagen zu ersetzen. 10.9 10 * Die Entschädigung für die Naturalver­ pflegung erfolgt -nach den für den Friedenszu­ stand geltenden Sätzen, U jedoch mit der Maßgabe, daß nur die Hälfte dieser Sätze gewährt wird, wenn bei eiligen Märschen, bei Benutzung der Eisenbahn und bei ähnlichen Veranlassungen nur ein Theil der Verpflegung, z. B. das Mittagessen allein oder eine Abendmahlzeit und das Frühstück allein, verabreicht werden kann.

Der mit Verpflegung Einquartierte — sowohl der Offizier und Beamte als auch der Soldat — hat sich in der Regel mit der Kost des Quartier­ gebers zu begnügen. Bei vorkommenden Streitig­ keiten muß dem Einquartierten dasjenige gewährt werden, was er nach dem Reglement bei einer Verpflegung aus dem Magazin zu fordern berech­ tigt sein würde.12 11.13 Für Gewährung von Fourage werden, soweit sie in natura vorhanden war, die Durch­ schnittspreise der letzten zehn Friedensjahre, — mit Weglassung des theuersten und des wohlfeilsten Jahres — bewilligt. Soweit die nöthige Fourage im Gemeindebezirke nicht vorhanden war und von der Gemeinde durch Ankauf herbeigeschafft werden mußte, erfolgt die Vergütung nach den Durch­ schnittspreisen, welche zur Zeit der Lieferung in dem Marktorte des Lieferungsverbandes (§ 19 Abs. 2 und 3) bestanden, zu dessen Bezirke die Gemeinde gehört. 12.14 Für den Vorspann und die Spanndienste gelten die nachfolgenden Bestimmungen: 1) Die Vergütung erfolgt tageweise nach den von dem Bundesrathe von Zeit zu Zeit für jeden Bezirk eines Lieferungsverbandes (§ 17) endgültig festzustellenden Vergütungssätzen. Die Sätze sind nach den im betreffenden Bezirke übli­ chen Fuhrpreisen zu normiren. Werden die Fuhren einen halben Tag15 oder darunter in Anspruch genommen, so wird ein halber Tag berechnet. 9. S. Beilage littr. A: „ Regulativ für die Quartier­ bedürfnisse der bewaffneten Macht" zum Quartierleistungs­ gesetz v. 25. Juni 1868. 10. S. Ziff. 3 Ausführungs-Verordnung v. 1. April 1876.

tl. Der Schluß des Satzes ist hinfällig geworden, seitdem in Folge 8 9 Nr. 2 Naturalleistungsgesetz v. 13. Febr. 1875 die Vergütung nicht mehr in einem einheitlichen Tagessatz besteht.

12. Vgl. 8 4 Satz 3 u. 4 Naturalleistungsgesetz v. 13. Febr. 1875.

Auch für die Fahrt vom Wohn- nach dem Stellungsorte und zurück wird Vergütung nach gleichen Grundsätzen gewährt, wenn die Entfer­ nung mehr als eine Meile16 beträgt; in diesem Falle ist eine Wegestrecke bis zu zwei Meilen einem halben Tage gleichzusetzen.

2) Fuhren, die länger als 48 Stunden von ihrer Heimath fern gehalten werden, haben auf der ihnen vorzuschreibenden Etappenstraße neben freiem Quartier für Führer und Zugthiere freie Verpflegung zu beanspruchen, ohne Kürzung ihrer Fuhrpreise. 3) Werden Fuhren länger als 48 Stunden außerhalb ihrer Heimath oder auf unbestimmte Dauer in Anspruch genommen, so sind Zugthiere, Wagen und Geschirr vor dem Abgang durch Sachverständige zu taxiren, und ist dem Eigen­ thümer auf Grund der Taxe voller Ersatz für Verluste, Beschädigung und außergewöhnliche Ab­ nutzung an Zugthieren, Wagen und Geschirr zu gewähren, welche in Folge oder gelegentlich der Vorspann- oder Spanndienstleistungen ohne Ver­ schulden des Eigentümers oder des von ihm gestellten Gespannführers entstanden sind. Ist eine vorherige Schätzung nicht möglich, so soll der Werth nachträglich festgestellt werden. 13.17 Für die Gewährung von Arbeitskräften und Transportmitteln, mit Ausnahme der Fuh­ renleistung, sowie für die Lieferung des Lager­ strohes und Feuerungsmaterials für Lager und Bivouaks -wird die Vergütung nach den in gewöhnlichen Zeiten ortsüblichen Preisen gewährt. 14.18 Für Einräumung der zu Kriegszwecken erforderlichen, leerstehenden oder disponiblen, eigenen Gebäude der Gemeinden und für die Ueberlaffung freier Plätze, Oedungen und unbe­ stellter Aecker — bis zur Zeit der Bestellung — zu militärischen Zwecken, wird Vergütung nur für die durch die Benutzung erweislich herbeigeführte Beschädigung und außerordentliche Abnutzung gewährt. Bei Ueberweisung sonstiger Gebäude und Grundstücke wird auch für die entzogene Nutzung Vergütung gewährt, soweit der Vergütungs­ anspruch nicht durch das Gesetz über die Beschrän­ kung des Grundeigenthums in der Umgebung von Festungen, vom 21. Dezember 1871, über­ haupt ausgeschlossen ist.

Werden Grundstücke, welche zur Ergänzung fortifikatorischer Anlagen im Falle der Armirung einer Festung in Anspruch genommen worden sind, nach eingetretener Desarmirung nicht zurück­ gegeben, so erfolgt die Feststellung der Entschä­ digung für die Abtretung des Eigenthums im

13. S. Ziff. 4 Ausführungs-Verordnung v. 1. April 1876.

16. D. i. 7 i/2 Kilometer (8 9 Nr. 1 Naturalleistungs­ gesetz v. 13. Febr. 1875).

14. S. Ziff. 5 Ausführungs-Verordnung v. 1. April 1876.

17. S. Ziff. 6 Ausführungs-Verordnung v. 1. April 1876.

15. D. i. 6 Stunden (Nr. 1 Abs. 4 a. a. D.J.

18. S. Ziff. 7 a. a. O.

1873 (6. Okt. Wege des für Enteignungen vorgeschriebenen Verfahrens.19 20 21 22 23 15.20 Die Vergütung für alle in den §§ 9 bis 14 nicht genannten Kriegsleistungen erfolgt nach den am Orte und zur Zeit der Leistung bestehen­ den Durchschnittspreisen. II. Landlieferungen.

16. 21 Durch Beschluß des Bundesrathes kann, falls der Unterhalt für die bewaffnete Macht auf andere Weise nicht sicherzustellen ist, die Lieferung des Bedarfs an lebendem Vieh, Brodmaterial, Hafer, Heu und Stroh zur Füllung der Kriegs­ magazine angeordnet werden (Landlieferungen). 17.22 Die Verpflichtung zu'den im § 16 be­ zeichneten Leistungen liegt Lieferungsverbänden ob, welche von den einzelnen Bundesstaaten unter Rücksichtnahme auf angemessene Leistungsfähigkeit und thunlichst im Anschlüsse an die bestehende Bezirkseintheilung zu bilden sind. Für Staaten von geringem Gebietsumfange kann von der Bildung besonderer Verbände Ab­ stand genommen werden, in welchem Falle die Lieferungspflicht dem Staate als solchem obliegt. Innerhalb des bisherigen Geltungsgebietes des Gesetzes über die Kriegsleistungen vom 11. Mai 1851 (Bundes-Gesetzbl. 1867 S. 125) sind bis zur anderweiten Regelung die Kreise und gleich­ artigen Verbände als Lieferungsverbände beizu­ behalten. Den Umfang der Lieferungen und die Liefe­ rungsverbände, von welchen dieselben zu leisten sind, hat der Bundesrath festzusetzen. Bei Feststellung der Lieferungen und bei der Untervertheilung ist darauf Rücksicht zu nehmen, daß den einzelnen Lieferungsverbänden nur die Lieferung solcher Gegenstände und Quantitäten auferlegt wird, die sich in deren Bereiche in natura vorfinden. 18. Die Bestimmungen der §§ 6 und 7 finden auf Landlieferungen analoge Anwendung. Die Lieferungsverbände können sich zur Be­ schaffung der von ihnen geforderten Leistungen der Bermittelung der Gemeinden bedienen. 19. Die Feststellung der für geliefertes leben­ des Vieh zu gewährenden Vergütung erfolgt durch sachverständige Schätzung unter Anwendung der Bestimmungen des § 33 nach den im Frieden ortsüblichen Preisen. Die Höhe der Vergütung für alle übrigen Landlieferungen wird nach den Durchschnitts­

preisen der letzten zehn Friedensjahre — mit Weglassung des theuersten und des wohlfeilsten Jahres — bestimmt. Für jeden Lieferungsverband

19. Nach Maßgabe des G. v. 3. Mai 1841 über die Ent­ eignn g in öffentlichem Ruhen (§§ 21-52). 20. S. Ziff. 8 Ausführungs-Verordnung v. 1. April 1876. 21. S. Ziff. 9 st. st. O. 22. S. Ziff. 10 st. st. O.

[13. Juni 1873])

395

werden dabei die Preise des Haupt-Marktortes desselben zu Grunde gelegt. In denjenigen Bundesstaaten, in denen auf Grund der Gesetze Normal-Marktorte festgesetzt sind, bewendet es für die danach gebildeten Be­ zirke bei den Preisen der letzteren — mit der Maßgabe, daß für jeden Lieferungsverband die Preise nur eines, uud zwar desjenigen NormalMarktortes zu Grunde gelegt werden, zu welchem der größere Theil des Lieferungsverbandes ge­ hört. III. Gemeinschaftliche Bestimmungen.

20. 23 Die Vergütung für die in Gemäßheit des tz 3 Nr. 6 erfolgten außergewöhnlichen Lei­ stungen ist aus den bereitesten Beständen der Kriegskasse baar zu zahlen. Ueber die Bergütungsansprüche bezüglich aller übrigen Kriegsleistungen werden auf Grund der festgestellten Liquidation Anerkenntnisse ausgefer­ tigt, welche auf den Namen desjenigen lauten, der die Vergütung zu beanspruchen hat. Dieselben werden nach Maßgabe des § 21 eingelöst und die darauf zu zahlenden Beträge vom ersten Tage des auf die Leistung folgenden Monats mit vier vom Hundert verzinst. Der Bundesrath hat diejenigen Behörden zu bestimmen, bei welchen die nach Maßgabe dieses Gesetzes zu erhebenden Vergütungsansprüche an­ zumelden, sowie diejenigen, von welchen die An­ erkenntnisse auszustellen sind. Auch hat er das hierbei zu beobachtende Verfahren vorzuschreiben. 21. 23 Die Einlösung der nach § 20 ertheilten Anerkenntnisse und die Zinszahlung findet nach Maßgabe der verfügbaren Mittel statt. Die Zahlung der Beträge erfolgt gültig an die Inhaber der Anerkenntnisse gegen Rückgabe der­ selben. Zu einer Prüfung der Legitimation der Inhaber ist die zahlende Kasse berechtigt, aber nicht verpflichtet. Die Inhaber der Anerkenntnisse werden von den oberen Verwaltungsbehörden durch öffentliche Bekanntmachung in deren amtlichen Anzeigeblät­ tern aufgefordert, dieselben behufs Empfangnahme von Kapital und Zinsen bei den in der Bekannt­ machung zu bezeichnenden öffentlichen Kassen vor­

zulegen. Der Zinsenlauf hört mit dem letzten Tage des­ jenigen Monats auf, in welchem die öffentliche Bekanntmachung erfolgt ist. 22.23 Nach Wiedereintritt des Friedenszu­ standes (§ 32) haben die oberen Verwaltungs­ behörden durch Bekanntmachung in den amtlichen Anzeigeblättern zur Anmeldung aller noch nicht angemeldeten Ansprüche auf Vergütung der auf Grund der Abschnitte I und II dieses Gesetzes erfolgten Kriegsleistungen aufzufordern. Den von den Gemeinden und Lieferungsverbänden in An­ spruch Genommenen ist eine mit dem Tage der 23. Zu 88 20-22 s. Ziff. 11 st. st. O.

1873 (6. Okt.

396

Ausgabe des Anzeigeblattes beginnende Präklusiv­ frist von einem Jahr zur Anmeldung bei den Behörden der Gemeinden und Lieferungsver­ bände zu stellen. Den Gemeinden und Lieferungsverbänden ist eine mit demselben Tage beginnende Präklusiv­ frist von einem Jahr drei Monaten zur Anmel­ dung bei den üt dem Aufruf zu bezeichnenden Behörden zu stellen. Mit dem Ablauf der Präklusivfrist erlöschen die nicht angemeldeten Ansprüche. IV. Besondere Bestimmungen bezüglich der Beschaffung von

Schiffen und Fahrzeugen.

23. 24 Die Besitzer von Schiffen und Fahr­ zeugen sind verpflichtet, dieselben zur Benutzung für Kriegszwecke der Militärverwaltung auf Er­ fordern zur Verfügung zu stellen. Die Vergütung für die entzogene Benutzung, sowie für die etwaige Werthsverminderung erfolgt nach den im § 14 hinsichtlich der Gebäude gegebenen Vorschriften, sowie nach den Bestimmungen der §§ 20—22. 24. 24 Die Besitzer von Schiffen und Fahrzeu­ gen sind verpflichtet, zum Zwecke der Verwendung für Hafen- und Flußsperren ihre Schiffe und Fahrzeuge der Militärverwaltung hegen eine aus den bereitesten Beständen der Kriegskaffe baar zu zahlende, dem vollen Werth entsprechende Ver­ gütung eigenthümlich zu überlassen. Findet über den Betrag der Vergütung eine Einigung nicht statt, so erfolgt die Feststellung des Werthes durch Sachverständige nach Maßgabe der Bestim­ mungen des § 33. V. Besondere Bestimmungen bezüglich Beschaffung der MobilmachungSpferde.

25.2- Zur Beschaffung und Erhaltung des kriegsmäßigen Pferdebedarfs der Armee sind alle Pferdebesitzer verpflichtet, ihre zum Kriegsdienst für tauglich erklärten Pferde gegen Ersatz des vollen von Sachverständigen unter Zugrunde­ legung der Friedenspreise endgültig festzustellenden Werthes an die Militärbehörde zu überlassen. Befteit hiervon sind nur: 26 1) Mitglieder der regierenden deutschen Fami­ lien; 2) die Gesandten fremder Mächte und das Ge­ sandtschaftspersonal ; 3) Beamte im Reichs- oder Staatsdienste hin­ sichtlich der zum Dienstgebrauch, sowie Aerzte und Thierärzte hinsichtlich der zur Ausübung ihres Berufes nothwendigen Pferde; 4) die Posthalter hinsichtlich derjenigen Pferde­ zahl, welche von ihnen zur Beförderung der Posten kontraktmäßig gehalten werden muß. 26.25 Die Sachverständigen (§ 25) sind für

24. Zu 88 23 u. 24 s. Ziff. 12 a. a. O. 25. Zu 88 25-27 s. Ziff. 13 a. a. O. 26. Bgl. 8 3 Abs. 3 Naturalleistungsgesetz v. 13 Febr. 1875.

[13. Juni 1873])

jeden Lieferungsverband durch dessen Vertretung periodisch zu wählen. Das Schätzungsverfahren findet unter Leitung eines von der Landesregierung bestellten Kom­ missars statt. Die Kosten trägt das Reich. Der festgestellte Werth wird dem Eigenthümer­ aus den bereitesten Beständen der Kriegskasse baar vergütet. 27. 25 Das Verfahren bezüglich der Stellung und Aushebung der Pferde wird unter Zugrunde­ legung der §§ 25 und 26 von den einzelnen Bundesstaaten geregelt. *2?3 Uebertretungen * S. * * 8 der da­ bei hinsichtlich der Anmeldung und Stellung der Pferde zur Bormusterung, Musterung oder Aus­ hebung getroffenen Anordnungen werden mit einer Geldstrafe bis zu fünfzig Thalern geahndet. VI. Besondere Bestimmungen hinsichtlich der Eisenbahnen. 28

28.29 Jede Eisenbahnverwaltung ist verpflichtet: 1) die für die Beförderung von Mannschaften und Pferden erforderlichen Ausrüstungsgegenstände ihrer Eisenbahnwagen vorräthig zu halten; 2) die Beförderung der bewaffneten Macht und der Kriegsbedürfnisse zu bewirken; 3) ihr Personal uud ihr zur Herstellung und zum Betriebe von Eisenbahnen dienliches Mate­ rial herzugeben. 29. 29 Für die Bereithaltung der Ausrüstungs­ gegenstände der Eisenbahnwagen (§ 28 Nr. 1) wird eine Vergütung nicht gewährt. Für die Militärtransporte (§ 28 Nr. 2) und die Hergabe von Betriebsmaterial (§ 28 Nr. 3) erhalten die Eisenbahnverwaltungen Vergütungen nach Maßgabe eines von Bundesrathe zu erlas­ senden und von Zeit zu Zeit zu revidirenden allgemeinen Tarifs. Die Vergütung für das übrige hergegebene Material wird gemäß §§ 15 und 33 festgesetzt. 30. Die den Eisenbahnverwaltungen nach § 29 zu gewährenden Vergütungen werden bis nach Eingang, Prüfung und Feststellung der Liquida­ tion gestundet und von dem ersten Tage des auf den Eingang der gehörig belegten Liquidation folgenden Monats mit vier vom Hundert verzinst.

27. Geschehen für E.-L. durch das unterm 15. Ott. 1874 vom OPr. von E.-L. erlaffene, unterm 10. Nov. 1874 vom R. -K. und Preuß. Kriegsminister genehmigte „Reglement über das Verfahren bei den periodischen Bormusterungen des Pferoevestands und bei der Beschaffung der Mobil­ machungspferde in E.-L." (A.-Bl. für U.-E. 1875 S. 75). Daffelbe stimmt mit dem Preuß. Pferde-Aushebungs-Reglement v. 12. Juni 1875 im Wesentlichen überein. Das unterm 3. Sept. 1872 v. OPr. auf Grund des 8 2 G. v. 22. Juni 1872 erlaffene Reglement über die Abhaltung periodischer Pferdemusterungen (Straßb. Ztg. Nr. 250, A.-Bl. für U.-E. S. 247) ist hiernach als beseitigt anzusehen. — Ueber die BeschaffenhHt der Mobilmachungspferde (Anlage B des R. v. 15. Okt. 1874) sind neue Bestimmungen ergangen unterm 8. Dez. 1875 sA.-Bl. für U.-E. ©?260). 28. S. Art. 47 R.-B. 29. Zu 88 28 u. 29 s. Ziff. 14 Ausführungs-Verordnung v. 1. April 1876.

1873 (6. Okt. [13. Juni 1873] — 15. Okt.) Die Zahlung der festgestellten Beträge und Zinsen erfolgt nach Maßgabe der verfügbaren Mittel. Hinsichtlich des Aufrufes und der Präklusion der auf Grund des § 28 zu erhebenden Ansprüche finden die Bestimmungen im §§ 22 analoge An­ wendung. 31. 30 Die Verwaltungen der Eisenbahnen auf dem Kriegsschauplätze selbst oder in der Nähe desselben haben bezüglich der Einrichtung, Fort­ führung, Einstellung und Wiederaufnahme des Bahnbetriebes den Anordnungen der Militär­ behörde Folge zu leisten. Im Falle des Zuwiderhandelns gegen diese Anordnungen ist die Militärbehörde berechtigt, dieselben auf Kosten der Eisenbahnverwaltungen zur Ausführung zu bringen. VII. Schlußbesttmmungen.

32. Der Zeitpunkt, mit welchem der Friedens­ zustand für die gesammte bewaffnete Macht oder einzelne Abtheilungen derselben wieder eintreten und die Verpflichtung zu Leistungen nach Maß­ gabe dieses Gesetzes aufhören soll, wird jedesmal durch kaiserliche Verordnung festgestellt und im Reichs-Gesetzblatte bekannt gemacht. 33.31 Soweit dieses Gesetz nicht besondere Anordnungen enthält, bestimmt der Bundesrath die Behörden, welche die vom Reiche zu gewäh­ renden Vergütungen feststellen. Die Festsetzung der Vergütung erfolgt in allen

30. S. Ziff. 15 st. st. O. 31. S. Ziff. 16 st. st. O.

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Fällen, in welchen dieses Gesetz nichts anderes vorschreibt, auf Grund sachverständiger Schätzung. Bei der Auswahl der Sachverständigen haben die Vertretungen der Kreise oder gleichartigen Verbände mitzuwirken. Die Betheiligten sind zum Schätzungstermin vorzuladen. Die Kosten fallen dem Reiche zur Last. Im übrigen wird das von den gedachten Be­ hörden zu beobachtende Verfahren, insbesondere der etwa einzuhaltende Jnstanzenzug, vom Bun­ desrath angeordnet. 34. Bis zu anderweiter gesetzlicher Regelung gelten in Bezug auf die Zulässigkeit des Rechts­ weges und den Gerichtsstand für Klagen aus Ansprüchen, welche wider das Reich auf Grund dieses Gesetzes erhoben werden, dieselben Vor­ schriften, welche für den Bundesstaat, in dessen Gebiet diese Ansprüche zu erfüllen sind, maß­ gebend sein würden, wenn die nämlichen An­ sprüche gegen ihn zu richten wären. 35. Für Leistungen, durch welche einzelne Be­ zirke, Gemeinden oder Personen außergewöhnlich belastet werden, sowie für alle durch den Krieg verursachten Beschädigungen an beweglichem und unbeweglichem Eigenthum, welche nach den Vor­ schriften dieses Gesetzes nicht, oder nicht hin­ reichend entschädigt werden, wird der Umfang und die Höhe der etwa zu gewährenden Entschä­ digung und das Verfahren bei Feststellung der­ selben durch jedesmaliges Spezialgesetz des Reichs bestimmt. 36. Alle gegenwärtigem Gesetze entgegenstehen­ den Bestimmungen sind aufgehoben.

15. Oktober 1873.

Gesetz, betreffend die Kautionen der Seamten des Staates, der Gemeinde« nnd. der öffentliche« Anstalten.1 G.-Bl. S. 273.

§ 1. Beamte, welchen die Verwaltung einer dem Staate gehörigen Kaffe, oder eines dem Staate gehörigen Magazins, oder die Annahme, die Aufbewahrung oder der Transport von, dem Staate gehörigen oder ihm anvertrauten Geldern oder geldwerthen Gegenständen obliegt, haben dem Staate für ihr Dienstverhältniß Kaution zu leisten. Die Hypothekenbewahrer sind außerdem zur Bestellung einer besonderen Kaution verpflichtet, welche zur ausschließlichen Sicherheit der durch ihre Amtsführung geschädigten Parteien dient und denselben 10 Jahre lang nach beendigtem Dienstverhältniß haftbar bleibt.

Notare und Gerichtsvollzieher haben zur Sicherung des Staates und ihrer Auftraggeber, die rechnungspflichtigen Kaffenbeamten der Ge­ meinden und öffentlichen Anstalten diesen Kaution zu leisten. 2. Die Klassen der zur Kautionsleistung zu verpflichtenden Beamten und die nach Maßgabe der verschiedenen Dienststellungen zu regelnde Höhe der von ihnen zu leistenden Amtskautionen werden durch eine im Einvernehmen mit dem Bundes­ rathe zu erlassende Kaiserliche Verordnung be­ stimmt. 2 3. Die Amtskaution ist durch den kautions­ pflichtigen Beamten zu bestellen. Die Bestellung

' 1. Bez. der Reichsbeamten s. G. v. 11. Dez. 1871. — Ueber die Bestellung der Amtskautionen von Justizbeamten s. Bf. des G.-Pr. v. 16. Dez. 1873 (Samml. G.-Pr. Nr. 284).

2. Vgl. B. v. 22. Nov. 1873, v. 24. Okt. 1875, v. 12. Mai 1877. — Der Zustimmung des Bundesraths bedarf es nicht mehr, 8 8 G. v. 4. Juli 1879.

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1873 (15. Okt.)

derselben durch eine andere Person ist zulässig, sofern denjenigen, zu deren Sicherung die Kau­ tion bestimmt ist, an derselben alle Rechte gesichert werden, welche ihnen an einer durch den Beamten selbst bestellten Kaution zugestanden haben würden.3 Die hierüber abzugebende schriftliche Erklärung unterliegt nur der niedrigsten festen Registrirungsgebühr. '4. Die Amtskautionen sind durch Verpfändung von aus den Inhaber lautenden und mit min­ destens vier vom Hundert verzinslichen Obliga-. Honen über Schulden des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaates nach deren Nennwerthe zu leisten. Die Verpfändung erfolgt durch Uebergabe zum Faustpfande. 5. Die Kautionen sind bei denjenigen Kassen, welche zur Aufbewahrung derselben von dem Oberprästdenten bestimmt werden, niederzulegen.4 Die Niederlegung der Werthpapiere erfolgt einschließ­ lich des dazu gehörigen Zinserneuerungsscheines oder desjenigen Zinsscheines, an dessen Inhaber die neuen Zinsscheine ausgereicht werden. Die faustpsandlichen Rechte an. den niederge­ legten Werthpapieren sind mit voller recktlicher Wirkung erworben, sobald der Empfangsschein über die Niederlegung ertheilt ist. Der Erfüllung der im Artikel 2074 des code civil vorgeschrie­ benen Förmlichkeiten bedarf es dazu nicht. Die Zinsscheine für einen vier Jahre nicht übersteigenden Zeitraum werden den Kautions­ besteller belassen, bezw. nach Ablauf dieses Zeit­ raums oder nach Ausreichung neuer Zinsscheine verabfolgt. Die Einziehung der neuen Zins­ scheine erfolgt durch die Kaffe.3 6Letztere hat nicht die Verpflichtung, die Ausloosung der nieder­ gelegten Werthpapiere zu überwachen. 6. Die Bestellung der Amtskaution ist vor der Einführung des Beamten in das kautionspflichtige Amt zu bewirken. In welchen Fällen die vorgesetzte Dienstbehörde ermächtigt ist, den Beamten die nachträgliche, durch Ansammlung von Gehaltsabzügen zu be­ wirkende Beschaffung der Kaution ausnahms­ 3. Die Erklärung ist von der die Kaution bestellenden Person abzugeben; Bkm. OPr. v. 23. März 1874 (Sammt.

weise zu gestatten und in welcher Art dann die Ansammlung zu erfolgen hat, wird durch die im § 2 erwähnte Kaiserliche Verordnung bestimmt. 7. Im Wege der Kaiserlichen Verordnung (§ 2) wird die Höhe der Kaution auch für den Fall bestimmt, daß ein Beamter gleichzeitig mehrere kautionspflichtige Aemter verwaltet. So­ weit danach die Bestellung einer Gesammtkaution und deren Bertheilung auf die einzelnen Aemter zu erfolgen hat, haftet die ganze Kaution für jedes einzelne Amt aushülfsweise. Wenn die Gesammtkaution eines Steuer­ empfängers, welcher zugleich rechnungspflichtiger Kaffenbeamter von Gemeinden oder öffentlichen Anstalten ist, zur Deckung der sämmtlichen daraus zu befriedigenden Forderungen nicht ausreicht, so wird dieselbe zur Hälfte auf die aus dem Staats­ amte herrührenden, zur anderen Hälfte auf die aus den anderen Aemtern herrührenden Forde­ rungen und zwar auf die letzteren Aemter zu gleichen Theilen vertheilt. 8. Die für den Fall der Bereinigung mehrerer kautionspflichtigen Aemter in einer Person maß­ gebenden Vorschriften sind auch in dem Falle an­ wendbar, wenn ein kautionspflichtiger Beamter gleichzeitig ein kautionspflichtiges Amt im un­ mittelbaren Dienste des Deutschen Reichs ver­ waltet. 9. Die Amtskaution haftet für alle von dem kautionspflichtigen Beamten aus seiner Amtsfüh­ rung zu vertretenden Schäden und Verluste an Kapital und Zinsen, sowie für die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Ermittelung des Schadens. Die Ansprüche der Beschädigten gehen den all­ gemeinen Privilegien (Artikel 2101 des code civil) vor. 6 Bei Staatsbeamten kommt die fiskalische Forderung zuerst zur Deckung. 10. Während der Amtsdauer, und im Falle des § 1 Absatz 2 während der auf die Beendi­ gung des Dienstverhältnisses folgenden 10 Jahre sind die Kautionen wegen anderer, als der nach § 9 daraus zu deckenden Forderungen der Be­ schlagnahme nicht unterworfen.7 8 Arreste oder Einsprüche können fortan nur bei der Landeskasse von Elsaß-Lothringen angebracht werden und sind in ein bei derselben zu führen­ des Einspruchsregister einzutragen.3

G.-Pr. Nr. 318). 4. Aktiengesellschaft für Boden- und Kommunalkredit, Abtheilung für die Verwaltung öffentlicher Gelder, Bkm. OPr. v. 27. April 1875 (Bkm.-Bl. 1875 S. 83 ff.); über die Art der Bestellung s. Bkm. OPr. v. 21. April 1876 (ibid. 1876 S. 12) und v. 12. Juli 1877 (Samml. G.-Pr. Nr. 694), insbesondere bez. der Justizbeamten Bf. G.-Pr. v. 18. März 1874 (Samml. G.-Pr. Nr. 317). Keine höheren Kautionen als die vorgeschrieVenen, Bkm. OPr. v. 13. Mai 1876 (Bkm.-Bl. 1876 S. 16 ff.). — An Stelle des OPr. ist das Ministerium getreten, § 3 &, v. 4. Juli 1879. Ueber das Vorzugsrecht vgl. Bem. zu Art. 2098 C.-G.-B. 5. Ueber die Aushändigung der Zinsscheine s. Bkm. OPr. v. 25. März 1879, ebendaselbst über Behandlung der Zins­ coupons.

6. Art. 2101 C -G.-B. ist durch 8 24 A.-G. z. G.-B.-G. aufgehoben. Insoweit aber die in dem Art. 2101 enthaltenen Vorzugsrechte noch bestehen, weil ste auch in den 88 40, 41 K.-O. aufgeführt sind, insoweit bestehen auch obige Vor­ schriften über die Rangordnung noch zu Recht. 7. 8 10 Abs. 1 hat nur noch die Bedeutung, daß eine Pfändung während der im 8 bezeichneten Zeit nur unbe­ schadet des auf 8 9 begründeten Vorzugsrechts erfolgen kann ; die Pfändung selbst kann das Landesgesetz nicht mehn verbieten; darüber bestimmt allein 8 749 C.-P.-O.

8. Die Landeskasse wird bezüglich der Arreste und Ein­ sprüche gegen die Auszahlung von Amtskautionen durch die Depositalkassenverwaltung bei der Aktiengesellschaft für

1873 (15. Okt.) Diejenigen Arreste und Einsprüche, welche noch in Gemäßheit der Gesetze vom 25. Nivose und 6. Bentose XIII bei anderen Behörden ange­ meldet worden sind, müssen binnen Jahresfrist vom Tage der Geltung dieses Gesetzes an bei der Landeskasse wiederholt werden; andernfalls gelten dieselben als erloschen. Jeder Arrest oder Einspruch erlischt, wenn er nicht binnen fünf Jahren erneuert wird. Die Erlöschung wird durch dazwischenliegende Verträge, Urtheile oder Alte irgend welcher Art nicht gehindert; dieselbe ist im Einspruchsregister von Amts wegen zu vermerken.9* * *

11. Steht eine der nach § 9 aus der Kaution zu deckenden Forderungen zur Exekution, so ist die dem kautionspflichtigen Beamten vorgesetzte Dienstbehörde ohne weiteres berechtigt, die ver­ pfändeten Werthpapiere bis auf Höhe der For­ derung an einer innerhalb des Reichs belegenen, von ihr zu bestimmenden Börse außergerichtlich verkaufen zu lassen. Der Kautionsbesteller ist in solchem Falle zur Ausantwortung der ihm be­ lassenen noch nicht fälligen Zinsscheine (§ 5) ver­ pflichtet. Ist diese Ausantwortung von ihm nicht zu erlangen, so kann er zur Erlegung des Geld­ werthes der von ihm zurückbehaltenen Zinsscheine in dem für die Beitreibung öffentlicher Abgaben vorgeschriebenen Verfahren zwangsweise ange­ halten werden. 10 12. Von jeder Verringerung der bestellten Sicherheit hat die Landeskasse unverzüglich die vorgesetzte Dienstbehörde zu benachrichtigen. Dieser liegt es ob, die Ergänzung der Kaution, andernfalls die Dienstentlassung des Beamten herbeizuführen. 13. Nach Beendigung des kautionspflichtigen Dienstverhältnisses wird, sobald amtlich festge­ stellt ist, daß aus demselben Vertretungen nicht mehr zu leisten sind, die Kaution gegen Aushän­ digung des quittirten Empfangsscheines oder im Falle des Verlustes desselben der notariell beur­ kundeten Verlusterklärung zurückgegeben.11 Die Erben oder Rechtsnachfolger verstorbener Beamten haben ein Eigenthumszeugniß beizu­ bringen, welches beim Vorhandensein notarieller oder gerichtlicher Theilungsakte, Testamente oder Inventare von dem betreffenden Notar oder Ge­ richtsschreiber, sonst von dem Friedensrichter des Wohnsitzes des Verstorbenen auf Grund der Vormundschaftsakten oder auf die eidesstattliche Boden- und Kommunalkredit vertreten; diese Verwaltung hat auch das Einspruchsregister zu führen, Bkm. OPr. v. 23. März 1879. 9. § 10 Abs. 4 ist aufgehoben, da die C.-P.-O. eine solche Beschränkung hinsichtlich der Dauer der Pfändung von For­ derungen nicht kennt.

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Erklärung zweier Zeugen aufzunehmen und vom Landgerichts-Präsidenten zu visiren ist.12 14. Der Rückgabe der von Notaren und Ge­ richtsvollziehern bestellten Kautionen muß die öffentliche Bekanntmachung der Beendigung des Dienstverhältnisses vorausgehen. Dies geschieht durch Erklärung der Betheiligten, welche auf deren Betreiben während dreier Monate im Sitzungssaale des dem Amtswohnsitze nach zu­ ständigen Landgerichts anzuheften und binnen der nämlichen Frist ein- bis dreimal in eine der zu öffentlichen Bekanntmachungen bestimmten Zeitungen nach Anordnung de§ Oberprokurators einzurücken ist.13 Ueber die Erfüllung dieser Förmlichkeiten haben die Betheiligten eine vom LandgerichtsPräsidenten visirte Bescheinigung des Obersekre­ tärs beizubringen. 15. Die nach den bisherigen Bestimmungen be­ stellten Kautionen solcher Beamten, welche nach Inhalt der int § 2 erwähnten Verordnung zur Kautionsleistung entweder überhaupt nicht oder nur bis zu einer geringeren Höhe verpflichtet sind, werden zurückgegeben, bezw. auf den in der Ver­ ordnung bezeichneten Betrag ermäßigt. Diejenigen Kautionen, welche vor dem Erlasse jener Verordnung von den durch letztere für kautionspflichtig erklärten Beamten gestellt sind, haften vom Zeitpunkte des Erlasses der Verord­ nung ab nach Maßgabe der Vorschriften dieses Gesetzes. Die Kautionen der zur Zeit noch in Dienst befindlichen commissaires priseurs bleiben in ihrer bisherigen Höhe bestehen; im übrigen werden dieselben allen, die Kautionen der Notare und Gerichtsvollzieher betreffenden Bestimmungen dieses Gesetzes unterworfen. 16. Alle diesem Gesetze entgegenstehenden Be­ stimmungen sind aufgehoben. Insbesondere treten außer Kraft die das Kautionswesen betreffenden Gesetze vom 25. Nivose und 6. Ventose XIII (Bulletin des lois Serie IV Nr. 468 und 580), nebst den darauf bezüglichen Ausführungs-Ver­ ordnungen, sowie das Dekret vom 24. März 1809 (Bulletin des lois Serie IV Nr. 4271) und die Ordonnanz vom 22. August 1821 (Bulletin des lois Serie VII Nr. 11170), betreffend die bei Rückgabe von Kautionen der Gerichtsvollzieher und commissaires priseurs zu beobachtenden Förmlichkeiten. Jedoch kommen bei Ausführung des § 15 Satz 1 noch die bisherigen Gesetze zur Anwendung.

10. Vgl. Berw.-Zwangsvollstreckungsordnung v. 15. Nov. 1880.

12. Ueber das Verfahren, wenn Arreste oder Einsprüche auf den Amtskautionen ruhen oder wenn der Hinterleger gestorben ist s. Bkm. OPr. v. 14. Nov. 1876 (Bkm.-Bl. 1876 S. 77).

11. Dgl. über die Form der Rückgabe Bkm. OPr. v. 24. März 1879 (A.-Bl. U.-E. S. 42).

13. Ueber die Kosten dieses Verfahrens s. Bf. G.-Pr. v. 13. Juli 1875 (Sammt. G.-Pr. 475).

400

1873 (21. Okt. — 22. ©ft.)

21. Oktober. 1873.

Gesetz, betreffend die Erklärung der Verschollenheit von Personen, welche an dem in den Jahren 1870 nnd 1871 geführten Kriege theitgenommen habend G.-Bl. S. 281.

§ 1. Diejenigen, welche an dem in den Jahren 1870 und 1871 zwischen Deutschland und Frankreich geführten Kriege theitgenommen haben, können von dem Landgerichte ihres letzten Wohnsitzes für ver­ schollen erklärt werden, wenn sie in dem Kriege ver­ mißt worden und seit dem Friedensschluß Nachrich­ ten von ihrem Leben nicht eingegangen sind. 2. Der Antrag" auf Erklärung der Verschollen­ heit (Art. 860 des code de procedure civile) kann von den vermuthlichen Erben, dem Ehe­ gatten oder anderen Personen, denen von dem Tode des Vermißten abhängige Vermögensansprüche zustehen, gestellt werden. 3. Der Oberprokurator übersendet den ihm mitzutheilenden Antrag nebst den Beweisstücken dem Generalprokurator bei dem Appellationsgerichte, welcher dessen Bekanntmachung durch die BezirksAmtsblätter sowie durch eine oder mehrere der im Bezirk des letzten Wohnsitzes erscheinenden Zei­ tungen veranlaßt und geeigneten Falles auch eine Bekanntmachung in Frankreich herbeiführt.2 Die Erklärung der Verschollenheit darf nicht früher als sechs Monate, nachdem die sämmtlichen für nöthig erachteten Bekanntmachungen erfolgt sind, stattfinden, ist aber, selbst im Falle der An­ ordnung eines Zeugenbeweises, durch keine weiteren Förmlichkeiten und Fristen bedingt. 4. Der Nachweis, daß der Vermißte an dem Kriege theilgenommen hat, daß er in demselben vermißt worden und seit dem Friedensschluß von seinem Leben eine Nachricht nicht eingegangen ist, kann auf jede nach den allgemeinen Gesetzen zu­ 1. Die Bestimmungen dieses Gesetzes sind durch die C.P.-O. nicht berührt, da dieselben nicht in das Gebiet der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit gehören. Vgl. Bem. 53 z. Tit. 4 B. I C.-G.-B. u. Bem. 30 z. Tit. 6 B. I Thl. II fr. C.-PO. 2. Die Betheiligten sollen die auszuwählenden Zeitungen bezeichnen; sie sind dabei nicht auf die zur Aufnahme gericht­ licher Veröffentlichungen bestimmten Blätter beschränkt (G.Pr. v. 17. Dez. 1873. — Samml. G.-Pr. II Nr. 285).

lässige Art, insbesondere auch durch schriftliche, auf Grund amtlicher Nachrichten ausgestellte Zeug­ nisse einer Militär- oder Civilbehörde geführt werden. Außerdem hat der Antragsteller eidlich zu bekräftigen, daß er seit dem Friedensschluß von dem Leben des Vermißten keine Nachrichten, bezw. keine anderen, als die angezeigten Nachrichten, erhalten habe. 5. Als Tag des Verschwindens des Vermißten oder der letzten über ihn eingegangenen Nachrichten im Sinne der Artikel 120 bis 134 des code civi gilt der letzte Juni des Jahres 1871. 6. Das Erkenntniß, welches die Verschollenheit erklärt, wird in öffentlicher Sitzung verkündigt. Die Staatsanwaltschaft kann gegen dasselbe innerhalb eines Monats, vom Tage der Verkün­ digung an gerechnet, Berufung einlegen; sie hat dem Antragsteller zur Wahrung seiner Rechte hier­ von Kenntniß zu geben. Die Rechtskraft des Erkenntnisses ist von dem Obersekretär zu bescheinigen. 7. Die Berechtigten erlangen durch das rechts­ kräftige Erkenntniß über die Verschollenheit die definitive Einweisung in den Besitz des Vermögens des Vermißten. Dem Ehegatten des für verschollen Erklärten ist die Eingehung einer ferneren Ehe gestattet; im Falle einer solchen Eheschließung ist die frühere Ehe von Rechtswegen aufgelöst. 8. Die Verhandlungen sind von Einregistrirungs-, Stempel- und Sekretariatsgebühren, soweit letztere dem Staate zufließen, frei.3 9. Den Bestimmungen dieses Gesetzes unter­ liegen nicht allein die zum fechtenden Stande ge­ hörenden Militärpersonen, sondern auch alle die­ jenigen, welche in einem Amts- oder Dienstver­ hältniß, oder zu Zwecken freiwilliger Hülfsleistung sich bei den Truppen befunden haben. 3. Bezw. von Gerichtsgebühren, 88 1 Abs. 2, 16 Abs. 2 A.-G. z. G.-K.-G.

22. Oktober 1873.

Gesetz, betreffen) die Seaufsichtigung und die Kosten der Vormundschafts-Verwaltung.1 G.-Bl. S. 278.

§1.2 Alle Sterbefälle, welche zur Siegelanlage von Amts wegen Anlaß geben, sind von dem 1. Zur Ausführung des G. wurde vom G.-Pr. am 3. Nov. 1873 (Samml. G.-Pr. II Nr. 270) verfügt, daß die Friedens­ richter ein allgemeines Anzeigeregister über diejenigen Sterbe­ fälle, welche innerhalb des Kantons eine Bevormundung nöthig machen, sowie ein besonderes Register über die inner­ halb des Kantons eröffneten Dativvormundschaften mit Ein­ schluß der Vormundschaften über Entmündigte nach dort mitgetheiltem Muster zu führen haben. Für jede Vormund-

Civilstandsbeamten, welcher den Sterbeakt ausge­ nommen hat, binnen 24 Stunden nach der Auf­ schaft, mit Ausschluß der elterlichen und Armenvormund­ schaften, ist ein besonderes Aktenheft anzulegen (G.-Pr. v. 8. Juli 1874 — II Nr. 350). — Ueber Theilungen, bei welchen Minderjährige, Entmündigte oder Abwesende betheiligt sind, vgl. G. v. 1. Dez. 1873.

2. Die §§ 1 u. 6 sind durch das Pers.-G. v. 6. Febr. 1875 unberührt geblieben (vgl. 8 74 Nr. 2 das.).

1873 (22. Okt.) nähme des letzteren dem zuständigen Friedens­ richter kostenfrei anzuzeigen. 3 2. Die Siegelung eines Nachlasses,4 an welchem Minderjährige oder Abwesende betheiligt sind, ist nicht erforderlich, wenn der Nachlaß sich im Ge­ wahrsam ihrer Eltern, Voreltern oder großjährigen

Geschwister befindet, oder nach ungefährem Ueberschlag die Summe von 1000 Frank nicht über­ steigt. 5 6 3. Die Verzeichnung eines Nachlasses,3 an welchem Minderjährige oder Entmündigte bethei­ ligt sind, kann ohne Zuziehung eines Notars durch die Vormünder7 geschehen, wenn der Nach­ laß die Summe von 1000 Frank nicht übersteigt. Für die Eltern des Bevormundeten werden die in den Artikeln 1442, 1456, 1461 und 1483 des code civil an die Unterlassung der Inventur ge­ knüpften Rechtsnachtheile durch die vormundschaft­ liche Privatverzeichnung abgewendet, wenn der überlebende Theil das Berzeichniß innerhalb der für die Vornahme der Inventur gesetzlich vorge­ schriebenen Frist vor dem Friedensrichter an Eidesstatt bekräftigt.8 9 4. Die Zahl der Familienraths-Mitglieder wird, unbeschadet der Vorschrift des Artikels 408 des code civil, auf vier außer dem Friedensrichter festgesetzt.8 5. Der Geschäftsverkehr zwischen dem Friedens­ richter und dem Landgerichte in Vormundschafts­ sachen (Art. 885 des code de procSdure civile) wird durch die Staatsanwaltschaft vermittelt; einer Anwaltsbittschrift bedarf es in solchen Sachen nicht.10 * 3. Ueber die Frage, welche Sterbefälle zur Siegelanlage von Amtswegen Anlaß geben, treffen die Ärtt. 81S C.-G.-B. und 911 fr. C.-P.-O. Bestimmung. Die Abänderung, welche diese Artt. durch § 2 erfahren haben, kommt für die Anzeige­ pflicht nicht in Betracht und kann daher eine Beschränkung der letzteren daraus nicht abgeleitet werden. (Dgl. G.-Pr. v. 18. März 1874 — II Nr. 316). 4. Nach G.-Pr. v. 22. Okt. 1873 (II Nr. 313) ist unter dem durch den Richter nach freiem Ermeffen zu schätzenden Nachlaffe nicht die Bruttomaffe, sondern die den Erben nach Abzug der Schulden zufallende Berlassenschaft zu verstehen. — Ueber die Schätzung vgl. noch G.-Pr. v. 30. Jan. 1878 (IV Nr. 729).

5. § 2 begründet eine Abänderung der Artt. 819, 1031 C.-G.-B. und 911 Nr. 1 u. 2 fr. C.-P.-O. Dgl. die Bem. zu diesen Artt. in Verbindung mit dem Schlußsätze der zweiten Bem. zu § 1. 6. Dgl. die erste Bem. zu 8 2. 7. Bezüglich der Nothwendigkeit der Zuziehung des Gegen­ vormunds vgl. Art. 451 C.-G.-B.

8. Abs. 2 befreit die Eltern-Bormünder nicht überhaupt von der Errichtung eines notariellen Inventars, sondern nur unter der Voraussetzung des Abs. 1 (vgl. G.-Pr. v. 15. März 1874 — II Nr. 314). — Bon den in § 3 behandelten Wirkungen bleibt nur ausgenommen die dem Bormundschafts­ rechte fremde Rechtswohlthat der ErVabsonderung des Art. 794 C.-G.-B. (G.-Pr. v. 8. Jan. 1874 — II Nr. 295). 9. Durch diese Bestimmung ist Art. 407 C.-G.-B. abgeän­ dert. — Der Gegenvormund ist im Falle des 8 4 G. v. 1. Dez. 1873 über außergerichtliche Theilungen als stimmberech­ tigtes Mitglied beizuziehen. 10. 8 5 ist durch 8 I4 Theilungsges. v. 1. Dez. 1873 nicht abgeändert (vgl. G.-Pr. v. 13. Febr. 1874 — II Nr. 301).

III. Band.

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6. Der Friedensrichter ist befugt, zum Zwecke der Aufsicht gegen den Vormund und Gegenvorlnund Ordnungsstrafen bis zu dreihundert Frank, sowie gegen Civilstandsbeamte, welche die im § 1 dieses Gesetzes vorgeschriebene Anzeige unterlassen, Ordnungsstrafen bis zu fünfzig Frank auszu­ sprechen. 11 Gegen die Strafverfügung findet die Beschwerde an den Landgerichts-Präsidenten statt; die Ent­ scheidung des letzteren ist einem Rechtsinittel nicht unterworfen. 7. Vormundschaftliche Verhandlungen, welche die Siegelung, notarielle Verzeichnung, Abschätzung, Veräußerung, Belastung und Theilung von Mün­ delgütern, die Ermächtigung zur Anstellung einer Jmmobiliar- oder Theilungsklage, zur Aufnahme eines Darlehns, zur Annahme einer Schenkung, zur Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft, oder die Emanzipation des Pflegebefohlenen be­ treffen, unterliegen den bestehenden Gesetzen über die Erhebung der Einregistrirungs-, Stempel- und Sekretariatsgebühren. Alle sonstigen Bormundschaftsverhandlungen mit Einschluß der vorbereitenden Verfügungen und Gerichtsvollzieherakte werden stempelfrei visirt und einregistrirt; bei denselben bleibt der zur Staatskasse fließende Antheil der Sekretariats­ gebühren außer Ansatz. Privatquittungen und sonstige Belegstücke, welche bei einer RechnungsIeginig vorgelegt werden, unterliegen aus Grund dieser Vorlegung der Einregistrirung nicht.12 8. Für alle Akte der vormundschaftlichen Berwaltung kann der Friedensrichter auf Ansuchen des Vormundes das Armenrecht bewilligen, wenn das reine Gesammtvermögen der unter derselben Vormundschaft stehenden Pflegebefohlenen nach Ausweis der Bormundschaftsakten oder nach pflichtmäßiger Ermittelung die Summe von 3000 Frank nicht übersteigt. Bei der Werthschätzung bleiben die illiquiden und unsicheren Forderungen, sowie die nach dem Stande und dem Berufe der Bevormundeten zu ihrem persönlichen Gebrauche nöthigen Mobiliar­ gegenstände und Geräthschaften außer Anrechnung. Bei der Vormundschaft des Ehemannes über seine entmündigte Frau kommt außer dem per­ sönlichen Vermögen der letzteren auch das ganze Vermögen der ehelichen Gütergemeinschaft in Anschlag. 13 9. Das Armenrecht erstreckt sich auf die Stem­ pel-, Einregistrirungs- und Sekretariatsgefälle, 11. Ueber die Form und den Vollzug der Strafverfügung vgl. G.-Pr. v. 7. Juni 1877 (III Nr. 685). 12. Zu dem ganzen 8 7 vgl. §§ 1 u. 3 A.-G. z. G.-K.-G., zu Abs. 2 insbesondere noch 8 2 G. v. 15. Dez. 1874, sodann die Bf. G.-Pr. v. 18. März 1874, 27. Juni 1874 u. 23. April 1875 (II Nr. 316, 344, III Nr. 446) u. Bem. zu 8 16 Abs. 2 A.-G. zu G.-K.-G.

13. Die Bestimmungen der 88 8-10 werden durch 8 17 Abs. 1 A.-G. z. G.-K.-G. nicht berührt (8 17 Abs. 2 des letzteren G ).

1873 (22. Okt. — 31. Okt. — 12. Nov.)

402

sowie auf die Gebühren der Gerichtsschreiber und Gerichtsvollzieher bei vormundschaftlichen Ver­ handlungen. An Beamtengebühren kommen in Bormund­ schafts-Armensachen nur die folgenden in Ansatz: 1) Reisegebühren des Friedensrichters und des Friedensgerichtsschreibers nach dem Gesetze vom 11. Januar 1873; 2) Kopialien der Gerichtsschreiber beim Frie­ dens-, Land- und Appellationsgericht im Betrage von 20 Centimes für die Rolle

3) Reisegebühren der Gerichtsvollzieher wie in Strafsachen,

nach Maßgabe des Kostentarifs vom 18. Juni

1811. 15 * * 16 17 18

Diese Beträge werden aus dem Kriminalfonds vorgeschossen, alle übrigen Gebühren werden nieder­ geschlagen. Die Gebühren und Vorschüsse des Staates bleiben, falls nicht wegen veränderter Vermögens­ lage das Armenrecht früher entzogen wird, bis

14. Jetzt 10 Pfennig für die Seite nach § auf Grund des § 18 A.-G.dazu.

80 G.-K -G.

15 Jetzt nach § 17 Geb.-O. für Gerichtsoollz. auf Grund von 8 25 A.-G. z. G. K.-G.

zur Großjährigkeit des Bevormundeten gestun­ det. 16 10. Die Kosten der Familienraths- und Gerichts­ beschlüsse, welche eine Theilung oder den gericht­ lichen Verkauf von Liegenschaften betreffen, können, auch wenn der Vormundschaft das Armenrecht zusteht, nach dem vollen gesetzlichen Tarifsätze, jedoch nur bis zu 14/2 Prozent des durch die Theilung oder den Verkauf festgestellten reinen Vermögens, sofort aus der Masse erhoben werden. Die Gebühren der Beamten haben dabei den Vorzug vor den Staatsgefällen und werden nöti­ genfalls bis zu dem in 8 9 bestimmten Betrage aus dem Kriminalfonds ergänzt. *7 11. Dieses Gesetz tritt am 1. November 1873 in Kraft und erstreckt sich auch auf die schwebenden Vormundschaften. Dasselbe findet auf die Kuratel über emanzipirte Minderjährige entsprechende Anwendung, is 16. Vgl. Bem. zu § 8, sodann Bf. G.-Pr. v. 18. März u. 27. Juni 1874, sowie 28. Nov. 1876 (II Nr. 316, 344 u. III Nr. 618). 17. Bgl. Bem. zu § 8, sodann Bf. G.-Pr. v. 18. März 1874 (II Nr. 316).

18. Bgl. Artt. 476 ff. C.-G.-B.

31. Oktober 1873.

Sekanntmachnvg des Ober-präsidenten, betreffen) Beschluß der gemischten Liquida­ tionskommission über die Einziehung der rückständigen Holzkavfgelder.' Straßb. Ztg. Nr. 263.

Die gemischte Kommission, welche durch Artikel 11 des am 11. Dezember 1871 abgeschlossenen Zusatz­ vertrages zum Friedensvertrag vom 10. Mai 1871 eingesetzt ist, hat in ihrer Sitzung zu Straßburg vom 6. September d. I. Folgendes beschloffen: Art. 5. Die französische Regierung eedirt und überträgt an die deutsche alle ihre Rechte aus den für Holzversteigerungen aus den DomanialWaldungen in den abgetretenen Gebieten vor dem Kriege ausgestellten Wechseln und abge­ schlossenen Adjudikations-Verträgen, sofern deren Valuta (Kaufpreis) von der französischen Regie­ rung noch nicht einkassirt worden ist. Dieselbe verpflichtet sich, der deutschen Regierung die auf diese Forderungen sich beziehenden Titel und Dokumente, welche sie noch in ihren Händen 1. Bgl. Bkm. v. 21. Fevr. 1874.

haben könnte, alsbald zu überliefern. Indem sie das ausschließliche Recht der deutschen Regierung anerkennt, von jetzt ab die verschuldeten Kauf­ preise und verfallenen Wechsel für eigene Rech­ nung beizutreiben, entbindet sie zugleich die deutsche Regierung von jedem französischen An­ spruch auf dieselben. Nachdem dieser Beschluß unterm 25. September d. I. die Genehmigung der französischen und unterm 30. September d. I. die Genehmigung der deutschen Regierung erhalten hat, und die Ratifikations-Urkunden am 23. Oktober zu Straß­ burg ausgewechselt worden sind, wird derselbe hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Zugleich werden alle diejenigen, welche noch Gelder aus den Holzankäufen vor dem Kriege der Staatskasse verschulden, aufgefordert, dieselben un­ verzüglich der betreffenden Forstkasse zu entrichten.

12. November 1873.

Verordnung des Oder-präsidenten, betreffend die in Äpothrke« vorräthig zu haltenden

Arzneimittel.1 _____________

Straßb. Ztg. Nr. 270.

1. S. Bem. 1 zur B. v. 5. Juli 1872, betr. die Pharmakopoe. — Durch obige B. v. 12. Nov. 1873 ist die Bkm. des OPr v. 1. Okt. 1872, betr. die in den Apotheken vorräthig zu haltenden Arzneimittel, beseitigt.

1873 (17. Nov. — 22. Nov.)

403

17. November 1873.

Verordnung -es Ober-Präsidenten, betreffend die Ausschließung Vichtdeutscher von den kirchlichen Wahlen.1 Nach Einsicht der Artikel 18 und 34 des Geletzes vom 18. Germinal X in Verbindung mit 1. Diese an das Direktorium des Augsburgischen Bekenntniffes ergangene Bf. wurde den reformirten Konsistorien burch Vf. v. 3. Dez. 1873 mitgetheilt. Auf deren Eingabe dagegen wurde v. OPr. am 8. Jan. 1874 verfügt: „Auf das gefällige Schreiben ... erwiedere ich ergebenst, daß meine Verfügung vom 3. vorigen Monats nur den Art. 10 Abs. 2 der Verordnung vom 10. Sept. 1852 einfach aufge­ hoben bat. Eine schon vorher bestandene Uebung, der zufolge

Artikel 9 ff. des Dekrets vom 26. März 1852 und in Anwendung des Artikels 14 des letzterwähnten Dekrets bestimme ich: Artikel 10 Absatz 2 der Verfügung vom 10. Sep­ tember 1852 ist aufgehoben. solche Fremde, welche an der Entwickelung der refo» mieten Kirche in Elsaß-Lothringen Interesse nehmen, zu den kirch­ lichen Wahlen aktiv und Passiv beigezogen sind, wird hier­ durch nicht berührt."

22. November 1873.

Verordnung, betreffend die Amtskautionen. G.-Bl. S. 292. § 1. Zur Kautionsleistung sind die nachstehen­ den Beamtenklaffen verpflichtet: I. Im Bereiche der Verwaltung der Zölle und indirekten Steuern:2 3 1) die Rendanten und Kontrolöre der Haupt­ ämter, 2) die Einnehmer der Nebenzollämter, der Steuerämter, der Salzsteuerämter, der Enregistrementsämter, sowie der Stempelamts-Berwalter und der Stempelamts-Kontrolör, 3) die Hauptamts-Assistenten, die NebenamtsAssistenten und die Hauptamts-Diener, soweit der Direktor der Zölle und indirekten Steuern deren Kautionsleistung für erforderlich hält und an­ ordnet, 4) die Hypothekenbewahrer. II. Im Bereiche der Verwaltung, der direkten Steuern: 1) die Rendanten, Oberbuchhqlter, Kassirer und Diener der Bezirks-Hauptkassen, letztere jedoch nur, soweit der Oberpräsident dies für erforderlich hält und anordnet, 2) die Steuerempfänger. III. Im Bereiche der Unterrichtsverwaltung: 1) der Quästor und Rendant der Universität Straßburg, 2) der Hausverwalter in der gynäkologischen und geburtshülflichen Klinik in Straßburg, 3) die Pedelle, Hausmeister und Diener der Universität, soweit der Kurator dies für erfor­ derlich hält und anordnet, 4) die Rendanten der Lyzeen und anderen Höheren Schulen, deren finanzielle Verwaltung ganz oder zum Theil unmittelbar von der Re­ gierung geführt wird, 1. Erlassen auf Grund der §§ 1, 2, 6 u. 7. G. v. 15. Ok­ tober 1873.

2. Vgl. B. v. 12. Mai 1877.

5) die Rendanten der öffentlichen Lehrer-Bil­ dungsanstalten. IV. Die Rendanten der Strafanstaltskassen. V. Die Rendanten der Forstkassen. VI. Die Rendanten der Fischzuchtsanstalt in Hüningen und des Landgestüts in Straßburg. VII. Im Bereiche der Justizverwaltung: 1) die Notare, 2) die Gerichtsvollzieher. VIII. Die rechnungspflichtigen Kassenbeamten der Gemeinden und öffentlichen Anstalten. 2. Die Höhe der von den vorbezeichneten Beamtenklaffen zu leistenden Kautionen beträgt: I. Im Bereiche der Verwaltung der Zölle und indirekten Steuern: 1) für die Rendanten der Hauptämter 11250 Frank (3000 Thlr.), 2) für die Kontrolöre der Hauptämter 3750 Frank (1000 Thlr.), 3) für die Einnehmer der Nebenzollämter je nach dem Umfange des Amts in 4 Abstufungen 7500, 3750, 1875 und 1125 Frank (2000, 1000 500 und 300 Thlr.), 4) für die Einnehmer der Steuerämter und der Salzsteuerämter je nach dem Umfange des Amts 7500, 3750 und 1875 Frank (2000, 1000 und 500 Thlr.), 5) für die Einnehmer der Enregistrementsämter je nach der Bedeutung des Amts 11250, 7500 und 3750 Frank (3000 , 2000 und 1000 Thlr.), 6) für den Verwalter und für den Kontrolör des Stempelamts 3750 Frank (1000 Thlr.), 7) für die Hauptamts-Assistenten nach dem Ermrffen des Direktors der Zölle und indirek­ ten Steuern bis zu 1875 Frank (500 Thlr.),3 8) für die Nebenamts-Assistenten nach dem 3. Vgl. Bkm. des G.-Dir. v. 19. Juni 1877 (A.-Bl. S. 193).

404

1873 (22. Nov.)

Ermessen des Direktors der Zölle und indirekten Steuern bis zu 1125 Frank (300 Thlr.), 9) für die Hauptamts-Diener nach dem Er­ messen des Direktors der Zölle und indirekten Steuern bis zu 750 Frank (200 Thlr.),»

10) für die Hypothekenbewahrer:4 5 6 7 8 gemäß § 1 Abs. 1 des Ges. 3750 Frank (1000 Thlr.), gemäß § 1 Abs. 2 des Ges. 18 750 Frank (5000 Thlr.). II. Im Bereiche der Verwaltung der direkten Steuern:

1) für die Rendanten der Bezirks-Hauptkassen 22 500 Frank (6000 Thlr.), 2) für die Oberbuchhalter und Kassirer der Bezirks-Hauptkassen 3750 Frank (1000 Thlr.), 3) für die Diener der Bezirks-Hauptkassen nach dem Ermessen des Oberpräsidenten bis zu 750 Frank (200 Thlr.), 4) für die Steuerempfänger je nach der Be­ deutung der Stellen 15 000, 11250 und 7500 Frank (4000, 3000 und 2000 Thlr.). s

HI. Im Bereiche der Unterrichtsverwaltung: 1) für den Quästor und Rendanten der Uni­ versität Straßburg 11250 Frank (3000 Thlr.), 2) für den Hausverwalter in der geburtshülflichen und gynäkologischen Klinik der Universität Straßburg 750 Frank (200 Thlr.), 3) für die Pedelle, Hausmeister und Diener der Universität Straßburg uach dem Ermessen des Kurators bis zu 750 Frank (200 Thlr.), 4) für die Rendanten der Lyzeen und anderen höheren Schulen, deren finanzielle Verwaltung ganz oder zum Theil unmittelbar von der Re­ gierung geführt wird, je nach der Bedeutung der Kaffe 1500 und 750 Frank (400 und 200 Thlr.), 5) für die Rendanten der öffentlichen LehrerBildungsanstalten je nach der Bedeutung der Kasse 1500 und 750 Frank (400 und 200 Thlr.).

IV. Für die Rendanten der Strafanstaltskassen je nach der Bedeutung der von ihnen verwalteten Kaffen 3000 und 1500 Frank (800 u. 400 Thlr.).«

V. Für die Rendanten der Forstkassen je nach der Bedeutung der Kassen 3750, 1875 und 1125 Frank (1000, 500 und 300 Thlr.). ?

' VI. Für die Rendanten der Fischzuchtanstalt in Hüningen und des Landgestüts in Straßburg 3000 Frank (800 Thlr.).

4. Dgl. B. v. 24. Oktober 1875. 5. Dgl. 8 7 G« 22. Dezember 1876; ferner betr. die Höhe der Kautionen Bkm. OPr. v. 15. Dez. 1873 und v. 8. August 1877.

6. Nach Erl. OPr. v. 4. September 1874 und 17. Juni 1875 haben Betrag von 2400 Mark zu stellen die Rendanten der BezirkSgefängnisse zu Colmar, Mülhausen, Straßburg u. EnstSheim, sowie der Straf-Anstaltskassen in Hagenau und Ensisheim. 7. Vgl. Erl. OPr. v. 29. März 1874.

VII. Im Bereiche der Justizverwaltung: 1) für die Notare in Straßburg, Colmar, Mülhausen und Metz 7500 Frank (2000 Thlr.), 2) für die Notare in den übrigen Orten 3750 Frank (1000 Thlr.), . 3) für die Gerichtsvollzieher 750 Frank (200 Thlr.). VIII. Im Bereiche der Bezirks- und Gemeinde­ verwaltung : 1) für die rechnungspflichtigen Kassenbeamten der Gemeinden und öffentlichen Anstalten, die zugleich Steuerempsänger sind, gilt die Kaution, welche sie für das letztere Amt zu stellen haben, zugleich als Gesammtkaution für die ersteren Aemter, 2) für diejenigen rechnungspflichtigen Kaffen­ beamten von Gemeinden und öffentlichen An­ stalten, welche nicht zugleich Steuerempfänger sind, wird die Kaution nach Maßgabe des Arti­ kels 25 des Finanzgesetzes vom 8. Juni 1864 be­ rechnet. 3. Die Eintheilung der Nebenzollämter, der Steuerämter, der Salzsteuerämter und der Enregistrementsämter (§ 2 Ziffer I 3—5) in die ver­ schiedenen Kautionsklassen erfolgt durch den Direktor der Zölle und indirekten Steuern mit Genehmigung des Oberpräsidenten. 6

Die Einreihung der im § 2 Ziffer II 4, III 4 und 5, IV und V bezeichneten Beamten in die dort angegebenen Klassen erfolgt durch den Oberpräsidenten. 9 4. Die von den Enregistrementseinnehmern, welche zugleich Forstkassen-Rendanten sind, nach Maßgabe des § 2 Ziffer I 5 und V zu stellender! Kautionen haften als Gesammtkaution gemäß § 7 des Gesetzes. 5. Unterbeamten und kontraktlichen Dienern, welche die Kaution auf einmal zu beschaffen außer Stande sind, kann von der vorgesetzten Dienstbehörde ausnahmsweise gestattet werden, die Beschaffung der Kaution nachträglich durch Ansammlung von Gehaltsabzügen im Betrage von mindestens einem Thaler monatlich zu be­ wirken. 10 Soweit einzelnen Beamten vor dem Erlasse dieser Verordnung die Beschaffung der für ihr Dienstverhältniß erforderlichen Kaution durch Ratenzahlungen oder Ansammlung von Gehalts­ abzügen gestattet ist, bewendet es bei den des-

fallsigen Festsetzungen. Die Kassen, bei welchen die Ansammlung und Aufbewahrung der Gehaltsabzüge erfolgt, werden vom Oberpräsidenten bezeichnet. 8. Jetzt Ministerium. — Vgl. Bkm. G.-Dir. v. 19. Juni 1879 (A.-Bl. S. 54) sowie vom 30. April und 1. Juni 1878 (A.-Bl.

S. 83 U. 92).

9. Jetzt Ministerium.

10. Bgl. 8 2 B. v. 12. Mai 1877.

1873 (27. Nov. — 29. Nov.)

405

27. November 1873.

Gesetz, betreffend die Wiedereinführung -er Ehescheidung. G.-Bl. S. 297. § 1. Das Gesetz vom 8. Mai 1816 über die Abschaffung der Ehescheidung ist aufgehoben; die in Folge desselben unwirksam gewordenen gesetz­ lichen Bestimmungen treten wieder in Kraft, in­

soweit sie nicht mit den Gesetzen in Widerspruch stehen, welche seit der Bereinigung des Landes mit dem Deutschen Reiche erlassen sind.1 2. Die Thatsachen, welche nach den Vorschriften des Code civil die Ehescheidung begründen, haben diese Wirkung auch dann, wenn sie vor Erlaß des gegenwärtigen Gesetzes eingetreten sind. 1. Dgl. B. I Tit. 6 Hauptst. 1-4 sArtt. 229-305) C.-G.-B. nebst Bem.

3.

Wer unter der Herrschaft des Gesetzes vom 8. Mai

1816 die Trennung von Tisch und Bett erwirkt hat, kann auf Grund des ergangenen Urtheils die Ehescheidung im ordentlichen Prozeßverfahren beantragen, sofern keine Aus­ söhnung stattgefunden hat.2 In schwebenden Prozessen kann der Antrag auf Tren­ nung von Tisch und Bett in den Antrag auf Ehescheidung abgeändert werden; das Verfahren wird hierdurch nicht geändert.3

2. § 3 Abs. 1 ist ersetzt durch die weitergehende Bestimmung in § 77 Abs. 2 Pers.-G., wonach indem vorausgesetzten Falle nicht blos der obsiegende Ehegatte, sondern jeder der beiden Ehegatten die Ehescheidung beantragen kann.

3. An Stelle von § 3 Abs. 2 ist die durchgreifende Bestim­ mung in § 77 Abs. 1 Pers.-G. getreten.

29. November 1873.

Gesetz, betreffend die von dem Protestantischen Seminar ;u Straßburg verwalteten Stiftungen.1 G.-Bl. S. 298. § 1. Das Kapitel des protestantischen St. Thomasstists zu Straßburg übernimmt, an Stelle des Protestalltischen Seminars daselbst, die Verwaltung der dem letzteren unterstellten Stiftungen. Das Aufsichtsrecht verbleibt in der bisherigen Weise den kirchlichen Oberbehörden Augsburgischer Kon­ fession. 2. Das Kapitel des St. Thomasstifts besteht aus elf Mitgliedern, nämlich: 1) dem Präsidenten des Direktoriums der Kirche Augsburgischer Konfession; 1. Das protestantische Seminar in Straßburg, in welches die alte Straßburger Universität im Jahre XI (durch das nicht verkündigte D. v. 30. Flor. XI) umgewandelt wurde und das bis zum Jahre 1808 den Namen „Acaddmie Pro­ testanten führte, hatte eine doppelte Aufgabe: es war erstens Lehranstalt für Studirende der protestantischen Theo­ logie und zweitens lag ihm die Verwaltung verschiedener Stiftungen ob, welche in E.-L. unter dem Namen der prolestantischen Stiftungen allgemein bekannt sind, und als deren hauptsächlichste die Thomasstiftung anzusehen ist. In der ersteren Richtung ist das Seminar zufolge § 2 G. v. 28. April 1872 aufgehoben, indem zugleich die Universität in die bezüglichen Rechtsverhältniffe eingesetzt wurde. In der zweiten Richtung ist durch das vorliegende G. ein Ersatz in dem neuvegründeten protestantischen St. Thomasstift ge­ schaffen. Damit hat das Seminar zu bestehen aufgedört. — Die nunmehr der Verwaltung des Thomasstifts unterstell­ ten Stiftungen haben theilweise eine kirchliche Bestimmung, zum anderen Theile sind sie Universitätszwecken gewidmet — dahin gehören außer mehreren Stipendien- und PreiSstif^ tungen namentlich die Stiftungen St. Wilhelm und Hoppe, sowie nach ihrer Hauptbestimmung auch die Thomasstiftung selbst (vgl. Z 5 des G.) —, und zum dritten Theile endlich dienen sie zur Unterhaltung und Förderung des protestanti­ schen Gymnasiums in Straßburg. Mit der Verwaltung der letzteren Stiftungen ist zugleich das Kuratorium über das protestantische Gymnasium verbunden.

2—4) dem ältesten Pfarrer an der Protestant^ schen Kirche St. Thomas, St. Aurelia, St. Nikolai, zu Straßburg; 5—8) vier ordentlichen Professoren protestan­ tischer Konfession an der Universität Straßburg und zwar den beiden ältesten ordentlichen Pro­ fessoren der evangelisch-theologischen, dem ältesten ordentlichen Professor der juristischen und dem ältesten ordentlichen Professor der philosophischen Fakultät. Für die Feststellung des Alters ist die Zeit der Ernennung zum ordentlichen Professor in der betreffenden Fakultät der Universität Straßburg, bei gleichzeitiger Ernennung die Er­ nennung zum ordentlichen Professor überhaupt, und sofern auch diese gleichzeitig erfolgt ist, das Lebensalter entscheidend; 9—10) zwei von dem Direktorium der Kirche Augsburgischer Konfession auf Vorschlag des Ka­

pitels zu ernennenden Stiftsherren; 11) einem von dem Oberpräsidenten 2 nach An­ hörung des Kapitels zu ernennenden Stistsherrn. Auch die zu 9—11 bezeichneten Stiftsherren müssen der protestantischen Konfession angehören und in Straßburg wohnhaft sein. 3. Die im § 2 unter 5 bis 8 aufgeführten Mitglieder behalten diese Eigenschaft auch im

Falle der Emeritirung. 2. Die von dem OPr. geübten Obliegenheiten sind auf das Ministerium für E.-L. übergegangen (§ 3 G. v. 4. Juli

1879).

1873 (29. Nov. — 1. Dez.)

406

Die im § 2 unter 9 und 10 aufgeführten Mit­

tretenen früheren Professoren des protestantischen

glieder fungiren auf Lebenszeit; über die Dauer

Seminars sind Mitglieder des Kapitels und er­

der Mitgliedschaft des unter 11 daselbst erwähn­

halten auch fortan die

ten Stiftsherrn trifft der Oberpräsidentb Bestim­

in der hergebrachten Weise.

mung. 4. Die im § 2 unter 1 bis 4 aufgeführten Mitglieder erhalten die stistungsmäßigen Bezüge

ihres Ausscheidens treten die im 8 2 unter 5 und zwar in der im § 2 unter 5 bis 10 angege­

nach Maßgabe der durch den Etat über die Ver­

benen Reihenfolge. Der zweitälteste Professor der

Siftungsvermögens zu treffenden Festsetzungen. Den übrigen Mitgliedern steht nur

den ältesten Professor der philosophischen Fakultät.

waltung

des

die unentgeltliche Benutzung eines Stiftshauses zu St. Thomasstift ist verpflichtet,

5. Das

aus

stiftungsmäßigen Bezüge Erst nach Maßgabe

10 berufenen Stiftsherren in

das

Kapitel ein,

evangelisch-theologischen Fakultät folgt jedoch auf

7. Die Verpflichtung des St. Thomasstifts zur

Zahlung der Besoldungen für sechs Universitäts-

den Einkünften der Stiftung an die Universität

Profefforen — § 5 — tritt erst mit dem Zeit­

Straßburg den Durchschnittsbetrag der Besoldung

punkte in volle Wirksamkeit, an welchem die an die

für sechs ordentliche Professoren der evangelisch­

Universität

theologischen Fakultät zu zahlen, kann jedoch nicht

des protestantischen Seminars — § 6 — sämmt­

angehalten

werden, für diesen Zweck mehr als

fünfundvierzig tausend Frank jährlich

lich

übergetretenen

ausgeschieden

früheren

sein werden.

Professoren

Bis zu diesem

aufzuwen­

Zeitpunkte hat der Oberpräsident4 nach Anhörung

den. Das St. Thomasstift ist ferner verpflichtet, die

des Kapitels des St. Thomasstifts und des Di­

Unterrichtsbibliothek der evangelisch-theologischen Fakultät in angemessener Vollständigkeit zu er­

am Schluffe eines jeden Jahres, unter Berücksich­

halten. 6. Die an die Universität Straßburg überge­

3.

rektoriums

tigung der inzwischen erledigten Stellen, den Be­ trag zu bestimmen, welchen das St. Thomasstift

zu jenen Besoldungen beizutragen hat.

4.

Bgl. Bem. zu 8 2 Nr. 11.

der Kirche Augsburgischer Konfession

Bgl. Bem. zu 8 2 Nr. 11.

1. Dezember 1873.

Gesetz,

betreffe») außergerichtliche Theilungen und gerichtliche Verkäufe Liegenschaften.1

von

G.-Bl. S. 310. diesen, nachdem sie in Ansehung der Minderjäh­

Erster Titel.

rigen und Entmündigten die Genehmigung des

Außergerichtliche Theilungen. 2 3 § 1. Die Theilung eines Vermögens, an wel­ chem Minderjährige, Entmündigte oder Abwesende

betheiligt

sind,

kann

außergerichtlich

endgültig

erfolgen, wenn darüber eine notarielle, die voll­ ständige Auseinandersetzung der Betheiligten ent­ haltende Urkunde errichtet wird und das Land­

gericht sie bestätigt. 8 Der Bestätigung

muß in

Ansehung der Minderjährigen und Entmündigten

ein

die

Theilung

genehmigender

Beschluß

des

Familienraths vorhergehen.

Uebersteigt nach Ausweis des Inventars oder

einer anderweitigen Feststellung bei der Theilung

der Antheil keines der Bevormundeten oder Ab­

wesenden den Betrag es, daß

die

von 500 Frank, so genügt

Auseinandersetzung

privatschriftlich

oder vor dem Friedensrichter vollzogen und durch 1. Bgl. Bem. zu Art. 840 C.-G.-B. u. Bem. 51 zu fr. C.-P.-O. 2. Bgl. Bf. G.-Pr. v. 28. Febr. 1874, betr. das BestätigungSverfahren (Samml. Gr. Pr. Nr. 308, Jur. Zeitschr. I S. 112).

3. Durch Beschluß, 8 14 d. G., der vollstreckbar ist, 8 16 Ä.-G. z. C.-P.-O.

Familienraths erlangt hat, bestätigt wird. Eine solche Theilung kann nicht deshalb

angefochten

werden, weil die vorbezeichnete Voraussetzung der

Zulässigkeit derselben nicht vorhanden gewesen sei.

Die gerichtliche Beurkundung und Bestätigung erfolgt

im

Gerichtsstand

der

Erbschaft 4

oder,

falls ein solcher im Geltungsbereiche dieses Ge­

setzes

nicht begründet ist, im Gerichtsstand der

Vormundschaft beziehungsweise des Abwesenden. Unter mehreren zuständigen Gerichten haben die Betheiligten die Wahl. 2. Bei der Theilung kann von der Loosebildung und der Beobachtung des Artikels 832 des

Code civil abgesehen

und die Fortsetzung

der

Gemeinschaft in Bezug auf einzelne Gegenstände vereinbart werden. Vergleiche sind dabei zulässig

und unterliegen nicht

den Vorschriften des Ar­

tikels 467 a. a. O. 3. Ist die Veräußerung Grundstücke vor

der

geschieht dieselbe auf

4. Bgl. 8 28 C.-P.-O.

Theilung

gemeinschaftlicher erforderlich,

so

Grund eines die Schätzung,

1873 (1. Dez.) die Berkaufsbedingungen und den Empfang des Kaufpreises regelnden Bereinbarungsaktes. Der Bereinbarungsakt wird ohne Rücksicht auf den Werth des Grundstücks nach Maßgabe der Vor­ schriften des § 1 Abs. 2 vollzogen und, nachdem er in Ansehung der Minderjährigen und Ent­ mündigten die Genehmigung des Familienraths erlangt hat, bestätigt. 5 Zweiter Titel. ^erkauf von Wündetgütern.5 6

4. Grundstücke, welche einem Minderjährigen oder Entmündigten allein oder in Gemeinschaft mit solchen Pflegebefohlenen gehören, die unter der nämlichen Vormundschaft stehen, und keine einander widersprechende Interessen haben, können auf Grund eines Familienrathsbeschlusses ver­ äußert werden, wenn die Veräußerung nothwen­ dig ist oder den Bevormundeten zu offenbarem Nutzen gereicht. Der Gegenvormund ist zu dem Famikenrath als stimmberechtigtes Mitglied zuzu­ ziehen. Die Bestätigung des Beschlusses steht dem Friedensrichter zu. Dieselben Vorschriften gelten für die Verpfän­ dung oder dingliche Belastung der im Abs. 1 bezeichneten Grundstücke, sowie für die Aufnahme eines Darlehns für den Pflegebefohlenen. 5. Die Veräußerung muß im Wege öffentlicher Versteigerung vor einem Notar geschehen. Sie kann indeß aus freier Hand erfolgen, wenn nach der einstimmigen Ansicht des Familienraths daraus ein erheblicher Vortheil für den Pflege­ befohlenen zu erwarten ist. Wenn in diesem Falle der Kaufpreis 1000 Frank übersteigt, so ist der Verkauf notariell zu verbriefen.7 6. Der Familienrathsbeschluß muß die Beschaf­ fenheit und die Schätzungspreise der Liegenschaf­ ten, die Berkaufsbedingungen und im Falle der öffentlichen Versteigerung die Art der Bekannt­ machung und die Bezeichnung des Notars ent­ halten. Zum Zwecke der Abschätzung kann der Vor­ mund dem Familienrathe einen oder drei Sach­ verständige vorstellen, deren Gutachten in das Protokoll über die Familienberathung ausgenommen und vor dem Friedensrichter an Eidesstatt be­ kräftigt wird. Der bestätigte Familienrathsbesckluß wird bis zur Versteigerung in der Amtsstube des Notars zu jedermanns Einsicht kostenfrei offen gelegt.

407

7.8 Ort und Zeit der Versteigerung wird vom Notar anberaumt; die Bekanntmachung erfolgt nach Vorschrift der Berkaufsverordnung, sonst in ortsüblicher Weise, und ist wenigstens einmal und zwar frühestens 6 Wochen, spätestens 14 Tage vor dem Bersteigerungstermin in das zu diesem Zweck bestimmte Blatt einzurücken. Die Bekanntmachung muß enthalten: 1) die Erwähnung der Berkaufsverordnung; 2) Namen, Gewerbe und Wohnort der Bethei­ ligten, der Vormünder oder Kuratoren; 3) die Bezeichnung der Liegenschaften, deren Schätzungspreise und Grundsteuer; 4) Ort, Tag und Stunde der Versteigerung; 5) die Anzeige, daß die vollständigen Verhand­ lungen auf der Amtsstube des Notars zu jeder­ manns Einsicht kostenfrei offen liegen. Die Nachweise der erfolgten Bekanntmachung sind durch den Notar dem Heft der Berkaufs­ bedingungen beizufügen, jedoch nicht mit dem Bersteigerungsprotokoll auszufertigen. Der Zuziehung des Gegenvormundes zu dem Versteigerungstermine bedarf es nicht. 8.8 Die Versteigerung geschieht bei brennenden Kerzen in der Art, daß der Zuschlag ertheilt wird, sobald nach einem Gebote drei Kerzen, von denen jede wenigstens eine Minute gebrannt hat, erloschen sind, ohne daß ein Mehrgebot er­ folgt ist. Bleiben die Gebote unter dem Schätzungspreis, so ist ein vorläufiger Zuschlag zu ertheilen; der­ selbe wird endgültig, wenn der Familienrath binnen 14 Tagen nach der Versteigerung die Bestätigung beschließt.9 10 Bis zum Ablauf dieser Frist bleibt der Ankäufer gebunden. Ein Uebergebot nach erfolgtem Zuschlag ist nur in dem Falle des Artikels 2185 des Code civil zulässig. 9.8 Benennt der Ankäufer oder sein mit authentischer Vollmacht versehener Vertreter bis zum Ablauf des dritten Tagest nach dem Zu­ schlag zu Protokoll des Notars einen Dritten als denjenigen, für welchen er angekauft habe, so gilt dieser Dritte, wenn dessen Vollmacht oder Geneh­ migung durch authentische Urkunde in der näm­ lichen Frist beigebracht wird, als unmittelbarer Käufer und derjenige, welcher den Zuschlag er­ halten hat, als Solidarschuldner. Diese Erklärungen werden als Fortsetzung des Bersteigerungsprotokolls beurkundet, oder, sofern 8. Die 88

7-9, 13 Abs. 1

finden nach

§ 15 A.-G. z.

C.-P. O. (s. Bd. I unter D „Civilprozeß") auf die Ver­ äußerung von Liegenschaften im gerichtlichen Thei­ 5. Ueber das Verfahren bei dem Verkaufe bestimmt § 11. 6. Wegen franz. Minderjähriger vgl. Bf. G.-Pr. v. 25. Mai 1875 (Samml. G.-Pr. Nr. 458) u. über den Fall, daß beide Ettern noch leben, Jur. Zeitschr. II S. 316.

7. Bf. G.-Pr. v. 12. Okt. 1875 (Sammt G.-Pr. Nr. 503) macht unter Hinweis auf § 11 ausdrücklich darauf aufmerk­ sam, daß der § 5 auch auf solche Verkäufe Anwendung finde, bei welchen außer den Bevormundeten handlungsfähige Personen bethciligt sind.

lungsverfahren entsprechende Anwendung. Vgl. auch unten § 13 Abs. 3. 9. Das Gericht, welches den Verkauf angeordnet hat, beschließt, wenn es sich um einen Verkauf im gerichtlichen Theilungsverfahren handelt, § 15 Abs. 3 A.-G. z. C.-P.-O. Vgl. vorhergehende Bem. sowie unten § 13 Abs. 3.

10. Diese Frist gilt auch für die Anwendung des Art. 44 Nr. 3 G. v. 28. April 1816, wonach die Registrirungsgebühr nur 2,40 Mark betragen soll.

408

1873 (1. Dez.)

sie in besonderen Akten enthalten sind, auf dem­

ein Sachverständiger ersetzt werden, so

selben vermerkt.

dies durch

10. Das Bersteigerungsprotokoll wird in voll­

Ausfertigung ist dem Ankäufer erst

des ihm zur Last fallenden Kostenbetrages und

der Erfüllung der auf die Ausfertigung bezüg­ lichen Bedingungen geführt hat. Die Beweisstücke

11. Auf das Verfahren bei dem Verkaufe von

Grundstücken, welche in Gemäßheit des § 3 ver­

äußert werden, finden die Bestimmungen dieses Bleiben

Anwendung.

welche

Hemeinfame Bestimmungen. 14.14 Die gerichtlichen Beschlüsse erfolgen auf

gemeinsame Bittschrift 15 und Kosten aller Bethei­ ligten. Dieselben, sowie die Beschlüsse des Fami­ lienraths werden in Urschrift ausgehändigt, wenn

werden der Urschrift als Anhang beigefügt.

entsprechende

geschieht

Vorsitzenden,

Vierter Titel.

zu

behändigen, nachdem er den Beweis der Zahlung

Titels

des

dem Einspruch und der Berufung nicht unterliegt.

Form ausgefertigt.

streckbarer

Die

Verfügung

die

nicht das Gegentheil gerichtlich verordnet ist. 1® Gegen einen ablehnenden Gerichtsbeschluß findet

die Beschwerde an das im Jnstanzenzuge zunächst vorgesetzte Gericht statt, eine weitere Beschwerde­

Bestätigung des nach 8 8 zu ertheilenden vor­

führung ist unzulässig. Die Entscheidungen der Landgerichte und des Ap­

läufigen Zuschlages die Zustimmung der außer

pellationsgerichts ergehen nach schriftlichem Antrag

den Minderjährigen oder Entmündigten betheiligten Personen erforderlich.

der Staatsanwaltschaft in der Rathskammer. 15. Die erforderlichen Bestimmungen über ge­ richtliche Gebühren und Kosten werden durch

Gebote unter dem Schätzungspreise, so ist zu der

Dritter Titel,

kaiserliche Verordnung getroffen.11

^freiwillige Verkäufe von Grundstücke«.

16. Alle diesem Gesetze widersprechenden Be­

12. Grundstücke, welche zu einem erblosen Nach­

stimmungen

sind

aufgehoben,

insbesondere

die

lasse, zu einer unter Kuratel gestellten Vermögens­

Artikel 459, 838-840 des Code civil, der Arti­

oder Fallitmasse, 12 zum Dotalgut, oder zu einer unter der Rechtswohlthat des Inventars ange­

kel

tretenen Erbschaft

Artikel 1001 des Code de procSdure civile. Ueberall wo in den Gesetzen auf die durch

gehören,

können,

sofern

der

Verkauf überhaupt gesetzlich zulässig ist, auf Ver­

ordnung des zuständigen Landgerichts in öffent­ licher Versteigerung freiwillig verkauft werden. Bei Veräußerung

wähnten

Art

von Grundstücken der letzter­

bleibt

die

Rechtswohlthat

des

573

des Code

de commerce,

die

Artikel

953-965, 984, 987, 988, 997 Satz 2 und 3, und

dieses

Gesetz

modifizirten

oder

Bestimmungen verwiesen wird,

Stelle die Vorschriften

dieses

aufgehobenen

treten an

deren

Gesetzes mit den

speziell angeordneten Maßgaben. 13 17. Das gegenwärtige Gesetz tritt am 15. De­

Inventars erhalten.

13. Die Berkaufsverordnung muß die Bezeich­ nung der Grundstücke und deren Schätzungspreise

zember 1873 in Kraft. An diesem Tage bereits gerichtlich angeordnete

nach Erwerbs- oder Pachtverträgen, oder in Er­

Verkäufe

mangelung solcher Anhaltspunkte nach der Grund­ steuer-Mutterrolle, ferner die Berkaufsbedingun-

schriften zu bewirken.

sind

nach

den bisher gellenden Vor­

gen, die Vorschriften in Betreff der Bekanntmach­

14. Nach § 15 Abs. 3 A.'-G. z. C.-P.-O. soll dieser 8 auch

ung und die Ernennung eines Notars enthalten, 3

auf den Fall der Versteigerung im gerichtlichen Theilungsverfahren entsprechende Anwendung finden; die in Abs. 3 vorgeschriebene Anhörung der Staatsanwaltschaft tritt hier nur ein, soweit solche für das Verfahren der nicht-

Beauftragt

mit

der

das

Landgericht

Abschätzung,

so

Sachverständige

haben

dieselben

das

abgegebene Gutachten am Schluffe desselben an Eidesstatt mit ihrer Unterschrift zu bekräftigen.

Das Gutachten wird vermittels der Post an die Gerichtsschreiberei eingesandt und bleibt dort in

Urschrift hinterlegt. Auf den Verkauf finden die §§ 7-10 entspre­

chende Anwendung; die Bestätigung des vorläu­

figen Zuschlags im Falle des § 8 Abs. 2 steht dem Landgerichte zu.13 11 14 12 15 16 17 18 Muß im Laufe des Verfahrens der Notar oder 11. Die Vollstreckbarkeit tritt jetzt nur dann ein, wenn die­ selbe nach § 702 Nr. 5 C. P.-O. unter die Kaufsbedingungen ausgenommen ist. 12. Ueber den Fall daß Liegenschaften, welche zu einer Kon­ kursmasse gehören, durch notarielle Versteigerung veräußert werden sollen, bestimmt jetzt § 32 A.-G. z. C.-P.-O., die Ber­ kaufsverordnung steht danach dem Konkursgericht (§ 64 K.-O.) zu; im übrigen kommen die §§ 12 u. 13 zur Anwendung. 13. Vgl. § 16 A.-G. z. C.-P.-O.

streittgen Gerichtsbarkeit — denn um ein solches handelt es sich, wenn auch der Verkauf im Theilungsprozeffe angeordnet ist — überhaupt vorgeschrieben ist. Art. 83 fr. C.-P.-O. — Ueber eine weitere Anwendbarkeit des § 14 int gerichtlichen Theilungsverfahren vgl. Bem. 51 a. E. zur fr. C.-P.-O. 15. Anwaltsbittschrift wurde schon vor Erlaß der Rechts­ anwaltsordnung nicht für erforderlich erachtet, Bf. G.-Pr. v. 13. Febr. 1874 (Samml. G.-Pr. Nr. 301). Vgl. jetzt Bem, zu Art. 94 G. v. 27. Bent. VIII. 16. Die Beschlüsse und Familtenrathsgutachten sollen zu den Bormundschaftsakten genommen werden. Bf. G.-Pr. v. 5. Dez. 1874 sSamml. G.-Pr. Nr. 379). Durch die AuSferttgung der Beschlüsse erwachsen jetzt (s. Bem. 16) nur Schreibgebühren. 17. Diese B. ist nicht erschienen. Während bisher eine Versteuerung nach Art. 68 § I Nr. 46 G. v. 22. Frim. VII erfolgte, sind jetzt § 1 Abs. 2, §§ 2, 6, 17, 18, 21 A.-G. z. G.-K.-G. (s. Bd. I int Anhänge) maßgebend. 18. Diese Bestimmung ist durch § 15 Abs. 2 A.-G. z C.-P.-O. für den Fall der Versteigerung im gerichtlichen Theilungsverfahren durch Hinweis auf § 13 Abs. 1 u. §§ 7-9 erläutert. (Den diesen Fall betreffenden, aufgehobenen Artt. 972,953 ff. fr. C.-P.-O. entsprachen eigentlich die 88 4,'6,11 u. 3

1873

(1. Dez. — 4. Dez. — 6. Dez. — 8. Dez. [25. Mai 1873])

409

1. Dezember 1873.

Sekanntmachung des Keichs Kanzlers, betreffend die Feststellung der Wahlkreise für die Wahlen zum deutschen Keichstage. S. Band I unter A Nr. 6.

1. Dezember 1873.

Sekauntmachung des Keichskanzlers, betreffend das wahlreglement. S. Band I unter A Nr. 8.

4. Dezember 1873.

Verordnung, betreffend die Genehmigung -er znr Deckung des Kostenaufwands der Handelskammern und Handelsbörsen erforderlichen Umlagen. G.-Bl. S. 395. Die durch Artikel 16 des Finanzgesetzes vom 23. Juli 1820 dem Staatsoberhaupte vorbehal­ tene Befugniß, jährlich diejenigen Beträge fest­ zusetzen, welche zur Deckung des Kostenaufwands der Handelskammern und Handelsbörsen als Zu­

schlag zur Patentsteuer auf die Steuerpflichtigen

umzulegen sind, wird auf den Oberpräsidenten1 von Elsaß-Lothringen übertragen. 1. Ministerium; vgl. 8 3 G. v. 4. Juli 1879.

6. Dezeniber 1873.

Gesetz, betreffend die Einführung der Militär-Ztrafgerichtsordnung rc. S. Band I unter K.

8. Dezember 1873.

Gesetz, betreffend die Linführnng -es Veichsgesehes vom 25. Mai 1873 über die Vechtsverhältniffe der zum dienstlichen Gebrauch einer Keichsverwaltung bestimmten Gegenstände. G.-Bl. S. 387. Die Wirksamkeit des anliegenden Reichsgesetzes vom 25. Mai 1873 über die Rechtsverhältnisse der zum dienstlichen Gebrauch einer Reichsverwaltung bestimmten Gegenstände (Reichs-Gesetzbl. S. 113) wird auf Elsaß-Lothringen ausgedehnt. Daneben gelten die in Anlage II beigefügten Bestimmungen der Artikel I und IV des Reichsgesetzes vom 8. Juli 1872, betreffend die französische Kriegskostenent­ schädigung (Reichs-Gesetzbl. S. 289). Anlage 1.

Gesetz über die Rechtsverhältnisse der zum dienstlichen Gebrauch einer Reichsver­ waltung bestimmten Gegenstände.

Vom 25. Mai 1873. 8 1. An allen dem dienstlichen Gebrauche einer verfassungsmäßig aus Reichsmitteln zu unter­

haltenden Verwaltung gewidmeten Gegenständen stehen das Eigenthum und die sonstigen dinglichen Rechte, welche den einzelnen Bundesstaaten zuge­ standen haben, dem Deutschen Reiche zu. Der Zeitpunkt des Uebergangs dieser Gegenstände in eine solche Verwaltung ist als Zeitpunkt des Uebergangs der Rechte auf das Reich anzusehen. Hinsichtlich der Befreiung von Steuern und sonstigen dinglichen Lasten sind die im Eigenthume des Reichs befindlichen Gegenstände den im Eigenthume des einzelnen Staates befindlichen gleichartigen Gegenständen gleichgestellt. Auch unterliegt das Reich bezüglich der ihm zugehörigen Gegenstände der nämlichen Gerichts­ zuständigkeit, welcher der Staat, in dessen Bereich jene Gegenstände sich befinden, bezüglich der ihm zugehörigen gleichartigen Gegenstände unterworfen

ist.

410

1873 (8. Dez.

2. Ausgenommen von den Bestimmungen im § 1 bleiben: 1) solche beim Erlaß dieses Gesetzes den Zwecken einer Reichsverwaltung dienenden Grundstücke und deren gesetzliche Zubehörungen, welche nach den in den einzelnen Bundesstaaten geltenden Bestimmungen der Benutzung des Staatsober­ hauptes oder der Apanagirung der Mitglieder des regierenden Hauses gewidmet sind; 2) Grundstücke, welche bei dem Uebergange in eine Verwaltung des Reichs dieser nur aus eine bestimmte Zeit, oder auf Widerruf, oder mieth­ weise überlassen sind; 3) Grundstücke, auf deren Erlös die zur Er­ werbung oder Bebauung eines im Besitze dersel­ ben Reichsverwaltung befindlichen Grundstücks von einem Bundesstaate gemachten Ausgaben nach den darüber getroffenen Bestimmungen zu

erstatten sind; 4) Grundstücke, welche bei dem Uebergange in eine Verwaltung des Reichs dem betreffenden Dienstzweige nicht unmittelbar dienten, vielmehr nur insofern mit ihm in einem Zusammenhänge standen, als die aus den Grundstücken aufkom­ menden Einkünfte bei jenem Dienstzweige mit verrechnet wurden; 5) Grundstücke, welche zu einem Theile von einer Reichsverwaltung, zu einem andern Theile von einer Landesverwaltung benutzt werden, sofern der letzteren die Mitbenutzung nicht lediglich auf eine bestimmte Zeit oder auf Widerruf oder miethweise eingeräumt ist. An solchen Grund­ stücken steht dem Reiche auch ein Miteigentum nicht zu, die Reichsverwaltung behalt aber, bis sie mit der Landesverwaltung eine Theilung odersonstige Auseinandersetzung vereinbart, das Be­ nutzungsrecht im bisherigen Umfange. 3. Wenn aus einem in das Eigenthum des Reichs übergegangenen Grundstücke, neben der Benutzung zum Dienstgebräuche oder zu Dienst­ wohnungen, noch sonst Erträgnisse gezogen wer­ den, so ist eine feste Geldrente, welche nach dem nachhaltigen Werthe dieser Erträgnisse zu ermit­ teln ist, an denjenigen Bundesstaat abzuführen, von welchem das betreffende Grundstück an das Reich übergegangen ist. 4. Die nach der Bestimmung im 8 1 in das Eigenthum des Reichs übergegangenen Grund­ stücke können, wenn sie für die Zwecke der Reichs­ verwaltung in demjenigen Dienstzweige, dem sie bisher gewidmet waren, entbehrlich oder unbrauch­ bar werden, für Zwecke eines anderen Dienst­ zweiges der Reichsverwaltung verwendet werden. 5. Das Reich ist zur Veräußerung eines nach § 1 in sein Eigenthum übergegangenen Grund­ stücks nur dann befugt, wenn dasselbe für die Zwecke der Reichsverwaltung entbehrlich oder unbrauchbar wird und der Erlös aus seinem Ver­ kaufe dazu bestimmt ist, durch die Erwerbung eines anderen Grundstücks, oder die Herstellung

[25. Mai 1873]) einer anderen Baulichkeit im Gebiete desselben Bundesstaates einen Ersatz für das entbehrlich oder unbrauchbar gewordene Grundstück zu be­ schaffen. 6. Ist für ein entbehrlich oder unbrauchbar gewordenes Grundstück ein Ersatz nicht nothwen­ dig, so ist dasselbe in dem Zustande, in welchem es sich befindet, unentgeltlich und ohne Ersatz­ leistung für etwaige Verbesserungen oder Ver­ schlechterungen demjenigen Bundesstaate zurückzu­ geben, aus dessen Besitz es in die Verwaltung des Reichs übergegangen war. 7. Die Rückgabe (§ 6) solcher Grundstücke, welche den Zwecken der Militärverwaltung ge­ widmet sind, erfolgt, wenn sie für diese Verwal­ tung entbehrlich oder unbrauchbar werden, und weder nach § 5 ein Ersatz für sie zu beschaffen, noch ihre Verwendung für Zwecke der Marine erforderlich ist. Im Falle der Einziehung einer Befestigung erfolgt die Rückgabe nur nach Vollendung der im Interesse der Landesvertheidigung nothwendigen Einebnungsarbeiten gegen Erstattung der Kosten dieser Arbeiten. 8. Die Entscheidung darüber, ob für ein von der Reichsverwaltung nicht weiter verwendbares Grundstück — §§ 5 bis 7 — ein Ersatz erfor­ derlich sei, und die Feststellung der zu erstatten­ den Einebnungskosten stehen der obersten Behörde derjenigen Reichsverwaltung zu, in deren Besitz sich das Grundstück befindet. 9. Durch den Uebergang des Eigenthums an den im 8 1 bezeichneten unbeweglichen Gegen­ ständen an das Reich werden nicht berührt: 1) Verfügungen, welche in Betreff dieser Gegen­ stände vor dem 1. Januar 1873 getroffen sind; 2) die Fortdauer von Zahlungen oder anderen Leistungen, welche von einer Reichsverwaltung für die Einräumung eines Rechts an einem Grundstücke oder einem Theile desselben (8 1 und 8 2 Nr. 5) bisher an einen Bundesstaat zu ent­

richten waren; 3) die Rechte Dritter, insbesondere der Staats­ gläubiger. Die zur Wahrung dieser Rechte in den Landes­ gesetzen bestehenden Vorschriften sind auch von dem Reiche zu erfüllen. Rechte und Pflichten in Bezug auf rückständige Kaufgelder gehen auf das Reich nicht über. 10. Alle Einnahmen aus der Veräußerung von Grundstücken, Materialien, Utensilien oder sonsti­ gen Gegenständen, welche sich im Besitz der Reichs­ verwaltung befinden, müssen für jedes Jahr ver­ anschlagt und aus den Reichshaushaltsetat gebracht werden (Art. 69 der Verfassung). Eine Nachwei­ sung der Ueberschreitungen solcher Einnahmeetats und der außeretatsmäßigen Einnahmen aus der Veräußerung der erwähnten Gegenstände ist jedes­ mal spätestens in dem auf das Etatjahr folgen­ den zweiten Jahre dem Bundesrath und dem

1873

(8. Dez. [25. Mai 1873] [8. Juli 1872] — 11. Dez. — 15. Dez.)

Reichstage zur nachträglichen Genehmigung vor­ zulegen. 11. Die Einnahmen aus der Veräußerung der im Besitz der Reichsverwaltung befindlichen Grund­ stücke dürfen nur unter Genehmigung des Bundes­ raths und des Reichstags verausgabt werden und sind, sofern diese Genehmigung nicht anderweitig erfolgt ist, im nächsten Reichshaushaltsetat in die zur Deckung der gemeinschaftlichen Ausgaben bestimmten Einnahmen einzustellen. 12. Dem Reichstage ist ein Berzeichniß des als Eigenthum des Reichs festgestellten Grundbesitzes mitzutheilen, auch alljährlich von den im Grund­ besitz des Reichs stattgehabten Veränderungen Kenntniß zu geben.

Gesetz, betreffend die französische Kriegskosten­ entschädigung. Dom 8. Juli 1872.

Art. 1. Zur Wiederherstellung, Vervollständi­ gung und Ausrüstung der in Elsaß-Lothringen gelegenen Festungen, sowie zur Erbauung und Einrichtung der erforderlichen Kasernen, Lazareth und Magazinanstalten in den offenen Garni­ sonstädten von Elsaß-Lothringen ist aus den bereitesten Mitteln der von Frankreich zu zah­ lenden Kriegskostenentschädigung die Summe von 40 250 950 Thalern flüssig zu machen. Bon dieser Summe sind zu verwenden: 1) für die artilleristische Ausrüstung und die Herstellung von Artilleriege­ bäuden 2) für Wiederstellung der Artillerie­ werkstatt in Straßburg und Ergän­ zung der Betriebseinrichtungen der Pulverfabrik in Metz 3) für den fortifikatorischen Ausbau der elsaß-lothringischen Festungen

Straßburg, Metz, Bitsch, Neu-Breisach und Diedenhofen

Thaler, 19 000 000

4) zur erstell Einrichtung und Ausstattung der Kasernements, Stal­ lungen und sonstigen Garnisonan­ stallen

9 500 000

5) zur Herstellung, Vervollständi­ gung und Ausstattung der Festungslazarethe 6) desgleichen der Garnisonlazarethe

386100 318 000

7) zum Neubau und zur Einrich­ tung der Trainwagenhäuser für das Traindepot in Straßburg .... und für den Ausbau und die Ausstat­ tung des Kriegsschulgebäudes in Metz. 8) zur Wiederherstellung der Ma­ gazin-, Bäckerei- und Mühlenetablis­ sements

Anlage 2.

Thaler, 9 000000

210000

411

9) zur Sicherstellung des FestungsApprovisionnements an Brodmaterial und Hafer

182 000 100 000

906 950

442 900

10) zur Instandsetzung des Montirungs-Depotgebäudes in Straßburg.

25 000

11) zur Erwerbung und Einrich­ tung eines Gouvernementsgebäudes in Straßburg

180000

Summe

.

.

40 250950

4. Die Einnahmen aus der Veräußerung der entbehrlich werdenden Festungsgrundstücke, oder solcher Grundstücke, welche nach der Wiederher­ stellung und Vervollständigung der Festungen im Besitze der Militärverwaltung verbleiben oder welche aus Reichsmitteln in Gemäßheit dieses Gesetzes erworben werden, dürfen nur unter Ge­ nehmigung des Bundesraths und des Reichstags verausgabt werden und sind, sofern diese Geneh­ migung nicht anderweitig erfolgt ist, in dem nächsten Reichshaushaltsetat in die zur Deckung der gemeinschaftlichen Ausgaben bestimmten Ein­ nahmen einzustellen.

11. Dezember 1873.

ltebereinkunft zwischen -em Deutschen Keich und den Niederlanden, betreffend die gegenseitige Iulaffung der in -en Grenzgemein-en wohnhaften Aerzte, Wundärzte und Hebamme« zur Ausübung der praris. R.-G.-Bl. 1874 S. 99.

15. Dezember 1873.

Bekanntmachung des Ober-Präsidenten, betreffend die Höhe der Amtskautionen der Lteuerempfiivger. Bkm.-Bl. d. OPr. S. 70. Auf Grund des § 3 der Kaiserlichen Verord­ nung vom 22. November 1873, betreffend die Amtskautionen lGes.-Bl. S. 292), bestimme ich

bezüglich der Amtskautionen der Steuerempfänger, was folgt: 1. Die Höhe der von den Steuerempfängern zu befiel-

1873 (15. Dez. — 16. Dez.)

412

lenden Amtskautionen richtet sich nach der Höhe deS Dienst­ einkommens , dergestalt, daß die Amtskautionen bei einem Brutto-Diensteinkommen bis zu 6000 Frank einschließlich beträgt.................................................. von 6001 Frank bis incl. 10000

2000 Thlr. (7500 Fr.), 3000 Thlr. (11250 Fr.),

von mehr als 10000 Frank.

4000 Thlr. (15000 Fr.).*

.

.

2. Zum ersten Mal wird die Höhe der von sämmtlichen Steuererypfängern zu bestellenden Dienstkaution von mir festgestellt. Künftig ist die Höhe derselben durch die Steuerdirektoren auf Grund eines dreijährigen Durchschnitts des Dienst­ einkommens 2 festzusetzen, dergestalt, daß alle drei Jahre, zuerst im Jahre 1876, eine allgemeine neue Feststellung für sämmtliche Steuerkassen erfolgt. Bei anderweiter Besetzung von Steuer­ kassen gelten die festgesetzten Kautionen bis zu der nächsten allgemeinen Festsetzung der Kau­

tionen. Bei Ermittelung des Diensteinkommens sind

1. Bgl. über die Berechnung der Kautionen Btm. OPr. v.

8. August 1877. 2. Abgeändert, vgl. Bkm. v. 8. August 1877.

die Bezüge aus allen denjenigen Kassen in Be­ rechnung zu ziehen, für deren Verwaltung nicht eine besondere Kaution zu bestellen ist. 3. Ergibt sich bei den demnächstigen Feststel­ lungen, daß die bis dahin bestellten Kautionen ermäßigt werden können, so ist es dem Ermessen der jeweils fungirenden Steuer-Empfänger zu überlassen, ob sie die wirkliche Ermäßigung be­ anspruchen oder die Kaution in bisheriger Höhe bestehen lassen wollen. Bei Neuanstellungen tritt stets der nach der letzten Feststellung maßgebende Satz in Kraft. 4. Ist dagegen nach den neuen Feststellungen die Dienstkaution zu erhöhen, so sind die betref­ fenden Steuer-Empfänger unverweilt zur Hinter­ legung der erforderlichen Werthpapiere nach Maßgabe des Gesetzes vom 15. Oktober d. I. (G.-Bl. S. 273) heranzuziehen. 5. Nach jeder Revisionsepoche reichen mir die Herren Steuerdirektoren ein Berzeichniß der Kautionssätze nach Maßgabe der neuen Abstellung ein.

16. Dezember 1873.

Berggesetz für Elsaß-Lothringen.1 G.-Bl. S. 397.

Erster Titel.

Einleitende Bestimmungen. § 1. Die nachstehend bezeichneten Mineralien sind von dem Berfügungsrechte des Grundeigenthümers ausgeschlossen. 2 3 Die Aufsuchung und Gewinnung derselben un­ terliegt den Vorschriften des gegenwärtigen Ge­ setzes. Diese Mineralien sind: Gold, Silber, Quecksilber, Eisen (mit der im § 2 des gegenwärtigen Gesetzes angegebenen Be­ schränkung), Blei, Kupfer, Zinn, Zink, Kobalt,

Nickel, Arsenik, Mangan, Antimon und Schwefel, gediegen und als Erze, Alaun- und Bitriolerze, Steinkohle, Braunkohle, Graphit und Bitumen, 2 Steinsalz nebst den mit demselben aus der nämlichen Lagerstätte vorkommenden Salzen und die Soolquellen. 2. Der Tagebau auf Eisenerze steht dem Grund­ eigenthümer zu,4 vorausgesetzt, daß diese Gewin­ nung den unterirdischen Abbau der tiefer gelege­ nen Eisenerze aus bergtechnischen oder bergpoli­ zeilichen Gründen nicht unmöglich macht (§ 189). 3. Der Erwerb und Betrieb von Bergwerken für Rechnung des Staates ist den Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes ebenfalls unterworfen.

1. Durch dieses G., welches im Wesentlichen mit dem All­ gemeinen Berggesetz für die preußischen Staaten v. 24. Juni 1865 sowie mit den meisten anderen, zur Zeit geltenden deutschen Berggesetzen übereinstimmt, sind die bisherigen berg­ rechtlichen Vorschriften außer Kraft gesetzt,insbesondere das G. v. 21. April 1810 (ausgen. §§ 31 ff., betr. Steuern) einschließ­ lich der noch angewandten Bestimmungen des Bergges. v. 28. Juli 1791 (vgl. jedoch Art. 2 Abs. 2 Tit. 1), das Dekret über die Organisation deS Bergwerkskorps v. 18. Nov. 1810, das Bergpolizeidekret v. 3. Jan. 1813, daS G. über Aus­ trocknung rc. der Bergwerke v. 27. April 1838, das G. über daS Salz v. 17. Juni 1840 (ausgen. Art. 17), endlich das G. v. 9. Mai 1866, betr. Abänderungen des Bergges. v. 1810; desgleichen ferner daS Uebergangsgesetz, betr. Ein­ richtung und Zuständigkeit der Bergbehörden, v. 14. Juli 1871 und die auf Grund von Art. 8 dieses G. laut Bkm. v. 7. Sept. 1871 erfolgte Bestellung deS Oberbergamts zu Bonn als Oberbergamt für E.-L. — S. unten § 193.

3. Hinsichtlich des Bitumen abweichend von den deutschen Berggesetzen, aber dem . bisherigen RechtSzustande ent­ sprechend.

2. Die Torfgewinnung (Artt. 3, 83-86 G. v. 21. April 1810) ist hierdurch freigegeben und der Beaufsichtigung durch die Bergbehörden entzogen.

4. Was dem bisherigen Rechtszustande (Artt. 3, 57 G. v. 21. April 1810 (G. v. 9. Mai 1866]) entspricht. Bgl. § 172 Abs. 4.

Zweiter Titel.

Bon der Erwerbung des Bergwerkseigenthums. Erster Abschnitt. ^om Schürfen. 4. Die Aufsuchung der im 8 1 bezeichneten Mineralien auf ihren natürlichen Ablagerungen — das Schürfen — ist unter Befolgung der nach­ stehenden Vorschriften einem Jeden gestattet.

413

1873 (16. Dez.) 5. Auf öffentlichen Plätzen, Straßen und Eisen­ bahnen, sowie auf Friedhöfen ist das Schürfen unbedingt untersagt. Auf anderen Grundstücken ist das Schürfen unstatthaft, wenn nach der Entscheidung der Bergbehörde überwiegende Gründe des öffent­ lichen Interesses entgegenstehen. Unter Gebäuden und auf dazu gehörigen Grund­ stücken desselben Eigenthümers in einem Umkreise um erstere bis zu sechzig Meter, in Gärten und eingefriedigten Hofräumen darf nicht geschürft werden, es sei denn, daß der Grundbesitzer seine ausdrückliche Einwilligung hierzu ertheilt hat. 6. Wer zur Ausführung von Schürfarbeiten fremden Grund und Boden benutzen will, hat hierzu die Erlaubniß des Grundbesitzers nachzu­ suchen. Mit Ausnahme der im § 5 bezeichneten Fälle muß der Grundbesitzer, er sei Eigenthümer oder Nutzungsberechtigter, das Schürfen auf seinem Grund und Boden gestatten. 7. Der Schürfer ist verpflichtet, dem Grund­ besitzer für die entzogene Nutzung jährlich im

aufgehalten, vorausgesetzt, daß die Entschädigung an den Berechtigten gezahlt oder bei verweigerter Annahme gerichtlich deponirt, desgleichen die ge­ richtliche Deposition6 der Kaution geschehen ist. 11. In den Feldern fremder Bergwerke darf nach denjenigen Mineralien geschürft werden, auf welche der Bergwerkseigenthümer Rechte noch nicht erworben hat. Bedrohen jedoch solche Schürfarbeiten die Sicher­ heit der Baue oder den ungestörten Betrieb des Bergwerks, so hat die Bergbehörde dieselben zu untersagen. Der Bergwerksbesitzer kann verlangen, daß der Schürfer ihm vor Beginn der Schürfarbeiten eine angemessene Kaution für die etwa zu leistende Entschädigung bestellt. Auf diese Kaution finden die §§ 9 und 10 Anwendung. 12. Der Schürfer ist befugt, über die bei seinen Schürfarbeiten geförderten Mineralien (§ 1) zu verfügen, insofern nicht bereits Dritte Rechte auf dieselben erworben haben. Hinsichtlich der Entrichtung der verhältnißmäßigen Bergwerkssteuer kommen die für die Bergwerke maßgebenden Vorschriften zur Anwen­ dung. Zweiter Abschnitt.

voraus vollständige Entschädigung zu leisten und das Grundstück nach beendigter Benutzung zurück­ zugeben. Tritt durch die Benutzung eine Werths­ verminderung des Grundstücks ein, so muß der Schürfer bei der Rückgabe den Minderwerth er­ setzen. Für die Erfüllung dieser letzteren Ver­ pflichtung kann der Grundbesitzer schon bei Ab­ tretung des Grundstücks die Bestellung einer an­ gemessenen Kaution von dem Schürfer verlangen. Auch ist der Eigenthümer des Grundstücks in diesem Falle zu fordern berechtigt, daß der Schürfer, statt den Minderwerth zu ersetzen, das Eigenthum des Grundstücks erwirbt. 8. Die dem Grundeigenthümer in den §§ 118 und 119 gegen den Bergwerksbesitzer eingeräumten Rechte stehen demselben auch gegen den Schür­ fer zu. 9. Kann der Schürfer sich mit dem Grund­ besitzer über die Gestattung der Schürfarbeiten nicht gütlich einigen, so entscheidet die Berg­ behörde 5 durch einen Beschluß darüber, ob und unter welchen Bedingungen die Schürfarbeiten unternommen werden dürfen. Die Bergbehörde darf die Ermächtigung nur in den Fällen des § 5 versagen. Dieselbe setzt beim Mangel einer Einigung unter den Betheiligten die Entschädigung und die Kaution (§ 7), vorbehaltlich des Rechtsweges, in Gelde fest. Die Kosten des Verfahrens hat für- die erste Instanz der Schürfer, für die Rekursinstanz der unterliegende Theil zu tragen. 10. Durch Beschreitung des Rechtsweges wegen der Festsetzung der Entschädigung oder der Kau­ tion wird der Beginn der Schürfarbeiten nicht 5. Dgl. 8 165.

Vorn Muthe«.

13. Das Gesuch um Verleihung des Bergwerks­ eigenthums in einem gewissen Felde — die Muthung — muß bei der Bergbehörde (§ 165) angebracht werden. 14. Die Muthung ist schriftlich in zwei gleich­ lautenden Exemplaren einzulegen. Jedes Exemplar wird mit Tag und Stunde der Präsentation versehen und sodann ein Exem­ plar dem Muther zurückgegeben. Es ist statthaft, die Muthung bei der zur An­ nahme derselben befugten Behörde zu Protokoll zu erklären. 15. Jede Muthung muß enthalten: 1) den Namen und Wohnort des Muthers, 2) die Bezeichnung des Minerals, auf welches die Verleihung des Bergwerkseigenthums verlangt wird, 3) die Bezeichnung des Fundpunktes, 4) den dem Bergwerke beizulegenden Namen. Wird eine Muthung auf das Mineralvorkom­ men eines verlassenen Bergwerks eingelegt, so muß dieselbe statt des Erfordernisses unter 3 eine Angabe über die Lage dieses Bergwerks ent­ halten. Fehlt der Muthung die eine oder andere dieser Angaben, so hat der Muther dem Mangel auf die Aufforderung der Bergbehörde innerhalb einer Woche abzuhelfen. Geschieht dies nicht, so ist die Muthung von Anfang an ungültig.

I

6. Die Deponirung geschieht nach Maßgabe der Ord. v. 3. Juli 1816 U. G. v. 4. Nov. 1872, Bkm. V. 25. Nov. 1872.

1873 (16. Dez.-

414

Dritter Abschnitt.

IS. Die Gültigkeit einer Muthung ist dadurch bedingt, daß das in derselben bezeichnete Mineral

Vom Verleihen.

an dem angegebenen Fundpunkte (§ 15) auf seiner­ 23.

natürlichen Ablagerung vor Einlegung der Muthung entdeckt worden ist und bei der amtlichen

Untersuchung nachgewiesen wird, und daß außer­ dem

nicht bessere Rechte Dritter auf den Fund

(§ 15),

verlassenen

eines

bedarf

so

es

zur

Bergwerks

angelegt

Gültigkeit

derselben

abgebaut, so ist eine solche Muthung von Anfang

wege nicht

gegen

auf dem Rechts­

verleihende

die

Bergbehörde,

sondern nur gegen diejenigen Personen verfolgt

werden, welche dem Muther die Behauptung eines

und Boden oder

24. Wer auf eigenem Grund in

seinem

eigenen

Grubengebäude

durch

oder

Schürfarbeiten, welche nach Vorschrift der §§ 4 bis 11 unternommen worden sind, ein Mineral

an ungültig.

18. Der Muther hat die Lage und Größe des begehrten Feldes (§ 27), letztere nach Quadrat­

metern, anzugeben und einen von einem seitens der Oberbergbehörde als befähigt anerkannten Markscheider oder Feldmesser angefertigten Si-

tuationsriß im Maßstabe von 1: 10 000 und in zwei Exemplaren einzureichen, auf welchem der Fundpunkt, die Feldesgrenzen, die zur Orientirung erforderlichen Tagesgegenstände und der Meridian angegeben sein müssen. Angabe

der

Lage

und

Größe

des

Feldes, sowie die Einreichung des Situations­ risses (§ 18) müssen binnen sechs Wochen nach Präsentation der Muthung bei der zur Annahme

der letzteren befugten Bergbehörde erfolgen.

Geschieht dies nicht, so

hat als Finder das Vorrecht vor anderen, nach

dem Zeitpunkte seines Fundes

eingelegten Mu­

thungen.

Der Finder muß jedoch innerhalb einer Woche

nach Ablauf des Tages der Entdeckung Muthung einlegen, widrigenfalls sein Vorrecht erlischt.

25. In allen übrigen Fällen

Muthung

der

jüngeren

vor.

geht die ältere

Das

Alter

wird

durch das Präsentatum der zur Annahme befug­ ten Bergbehörde (§ 13) bestimmt.

26. Das Bergwerkseigenthum wird für Felder verliehen, welche, soweit die Oertlichkeit es ge­ stattet, von geraden Linien an der Oberfläche und von senkrechten Ebenen in die ewige Teufe

Der Flächeninhalt der Felder ist nach der hori­

zontalen

Unterläßt der Muther die Einreichung eines zweiten Exemplars des Situationsrisses, so kann

die Bergbehörde dasselbe auf Kosten des Muthers

anfertigen lassen.

Projektion

in

Quadratmetern

festzu-

stellen. 27. Der Muther hat das Recht, ein Feld bis zu 200 Hektaren zu verlangen.

In dieser Ausdehnung kann dem Felde jede

20. Die Lage und Größe des begehrten Feldes

können nur innerhalb der auf dem Situations­ 18)

(§ 1) auf seiner natürlichen Ablagerung entdeckt,

begrenzt werden.

ist die Muthung von

Anfang an ungültig.

angegebenen

Grenzen

abgeändert

werden.

Gegen

Anspruch

auf Verleihung des Bergwerkseigenthums in dem

War jedoch das Mineral erwiesenermaßen be­ reits bei dem Verlassen des Bergwerks gänzlich

risse

einen

besseren Rechts entgegensetzen.

keiner vorherigen neuen Aufschlüsse.

19. Die

begründet

Dieser Anspruch kann jedoch

17. Wird eine Muthung auf das Mineralvor­

ent­

Erfordernissen

gesetzlichen

den

im § 27 bestimmten Felde.

entgegenstehen. kommen

Die

sprechende Muthung

beliebige, den Bedingungen des § 26 entsprechende

Form gegeben werden. Jedoch muß der Fund­ punkt (§ 16),

bezw. der

frühere Aufschluß

des

Mineralvorkommens eines verlaffenen Bergwerks Muthungen

Dritter ist

das

gesetzlich

(§ 17) stets in dieses Feld

eingeschlossen werden.

begehrte, auf dem Situationsrisse angegebene Feld

Auch darf kein Punkt der Begrenzung mehr als

einer Muthung für die Dauer ihrer

Gültigkeit

2000 Meter von dem Fundpunkte entfernt sein.

tritt mit dem Zeitpunkte der

thums erfolgt, hat der Muther in einem vor der

geschlossen.

28. Ehe die Verleihung

Diese Wirkung

Präsentation der Muthung

ein und

wird

auf

des Bergwerkseigen­

Bergbehörde anzusetzenden, ihm mindestens vier­

diesen Zeitpunkt auch dann zurückbezogen, wenn

zehn Tage vorher bekannt zu machenden Termine

der Situationsriß erst später innerhalb der im

seine Schlußerklärung über die Größe und Be­

§ 19 vorgeschriebenen Frist eingereicht worden ist. 21. Das Feld einer jeden Muthung wird von der Bergbehörde auf die Revier-Uebersichtskarte

grenzung

aufgetragen.

Die Einsicht dieser Karte ist einem Jeden ge­

stattet.

des Feldes, sowie über etwaige Ein­

sprüche und kollidirende Ansprüche Dritter abzu­ geben. Auf den Antrag

des Muthers kann der Ter­

min verlegt, auch kann zur Fortsetzung des Ver­ fahrens ein fernerer Termin angesetzt werden.

22. Versuchsarbeiten,

noch vor

der

denselben

Vorschriften,

welche der Muther etwa

Verleihung

Schürfers (§§ 4 bis 12).

ausführt, unterliegen

wie

die

Arbeiten

des

Erscheint der Muther im Termine

wird

angenommen,

derselbe beharre

Ansprüche auf Verleihung thums in dem auf

des

nicht,

so

bei seinem

Bergwerkseigen­

dem Situationsriffe (§ 18)

1873 (16. Dez.) angegebenen Felde und erwarte die Entscheidung der Bergbehörde über seinen Anspruch, sowie über die etwaigen Einsprüche und Ansprüche Dritter. 29. Zu dem Termine (§ 28) werden 1) diejenigen Muther, deren Rechte vermöge der Lage ihrer Fundpunkte oder Felder mit dem begehrten Felde bereits kollidiren oder doch in Kollision gerathen können, 2) die Vertreter der durch das begehrte Feld ganz oder theilweise überdeckten und der benach­

barten Bergwerke zur Wahrnehmung ihrer Rechte mit dem Eröffnen vorgeladen, daß im Falle ihres Ausbleibens die Bergbehörde lediglich nach Lage der Verhand­ lungen entscheiden werde. 30. Liegen Einsprüche und Kollisionen mit den Rechten Dritter nicht vor und findet sich auch sonst gegen die Anträge des Muthers gesetzlich nichts zu erinnern, so fertigt die Oberbergbehörde ohne weiteres die Berleihungsurkunde aus. 31. Liegen Einsprüche oder Kollisionen mit den Rechten Dritter vor oder kann aus anderen ge­ setzlichen Gründen den Anträgen des Muthers gar nicht oder nicht in ihrem ganzen Umfange entsprochen werden, so entscheidet die Oberberg­ behörde über die Ertheilung oder Versagung der Verleihung durch einen Beschluß, welcher dem Muther und den betheiligten Dritten in Ausfer­ tigung zugestellt wird. Einsprüche und Ansprüche, welche durch den Beschluß der Oberbergbehörde abgewiesen werden, müssen, insofern wegen derselben der Rechtsweg zulässig ist, binnen drei Monaten, vom Ablaufe des Tages, an welchem der Beschluß, bezw. der Rekursbescheid (§ 168) zugestellt ist, durch gericht­ liche Klage verfolgt werden. Wer von dieser Frist keinen Gebrauch macht, ist seines etwaigen Rechts verlustig. Die in dem Berleihungsverfahren durch unbe­ gründete Einsprüche entstehenden Kosten hat der Widersprechende zu tragen. 32. Sind die der Verleihung entgegenstehenden Hindernisse (§ 31) durch die Entscheidung der Berg­ behörde oder durch Richterspruch beseitigt, so fer­ tigt die Oberbergbehörde die Berleihungsurkunde aus. 33. Bei Ausfertigung der Berleihungsurkunde werden die beiden Exemplare des Situationsriffes (§ 18) von der Oberbergbehörde beglaubigt, erfor­ derlichen Falles aber vorher berichtigt und ver­ vollständigt. Das eine Exemplar des Risses erhält der Berg­ werkseigenthümer, das andere wird bei der Berg­ behörde aufbewahrt. 34. Die Berleihungsurkunde muß enthalten: 1) den Namen, Stand und Wohnort des Be­ rechtigten, 2) den Namen des Bergwerks, 3) den Flächeninhalt und die Begrenzung des

415

Feldes unter Verweisung auf den Situationsriß (§ 33), 4) den Namen der Gemeinde, des Kreises und des Bezirks, in welchem das Feld liegt, 5) die Benennung des Minerals oder der Mine­ ralien, auf welche das Bergwerkseigenthum ver­ liehen wird, 6) Datum der Urkunde, 7) Siegel und Unterschrift der Oberbergbehörde. 35. Die Berleihungsurkunde ist binnen sechs Wochen nach der Ausfertigung durch das Amts­ blatt des Bezirks, in welchem das Bergwerk liegt, unter Verweisung auf diesen und den folgenden Paragraphen zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. Muther, welche auf das in der Bekanntmachung bezeichnete Feld oder auf Theile desselben ein Vorzugsrecht zu haben glauben, können dieses Recht, insofern über dasselbe nicht bereits in dem Berleihungsverfahren verhandelt und in dem Be­ schlusse der Oberbergbehörde (§ 31) entschieden worden ist, noch binnen drei Monaten vom Ab­ laufe des Tages, an welchem das die Bekannt' machung enthaltende Amtsblatt ausgegeben worden ist, durch gerichtliche Klage gegen den Bergwerks­ eigenthümer verfolgen. Wer von dieser Frist keinen Gebrauch macht, ist seines etwaigen Vorzugsrechts verlustig. Wird das Vorzugsrecht des Widersprechenden durch Richterspruch anerkannt, so hat die Ober­ bergbehörde die Berleihungsurkunde je nach Lage des Falles gänzlich aufzuheben oder abzuändern. 36. Der § 35 findet auch auf solche Bergwerks­ eigenthümer Anwendung, welche nach § 45 ein Vorzugsrecht auf die in der publizirten Berlei­ hungsurkunde bezeichneten Mineralien zu haben glauben, insofern dieses Recht nach § 45 nicht schon erloschen, auch über dasselbe nicht bereits in dem Berleihungsverfahren verhandelt und in dem Beschlusse der Oberbergbehörde (§ 31) entschieden worden ist. Im übrigen werden die Rechte des verliehenen Bergwerkseigenthums durch die Aufforderung und Präklusion des § 35 nicht betroffen. 37. Während der dreimonatlichen Frist des § 35 ist die Einsicht des Situationsrisses (§ 33) bei der Bergbehörde einem Jeden gestattet. 38. Die Kosten des Berleihungsverfahrens hat mit Ausschluß der durch unbegründete Einsprüche entstandenen (§ 31) der Muther zu tragen.

Vierter Abschnitt.

Vermessen. 39. Der Bergwerkseigenthümer ist befugt, die amtliche Vermessung und Berlochsteinung des durch die Verleihungsurkunde bestimmten Feldes zu verlangen. Dieselbe Befugniß steht den Eigenthümern an­ grenzender Bergwerke zu. Dieses Geschäft wird unter Leitung der Berg­ behörde durch einen von der Oberbergbehörde als

1873 (16. Dez.)

416

befähigt anerkannten Markscheider oder Feldmesser ausgeführt. Die Kosten hat der Antragsteller zu tragen. 40. Zu der Vermessung und Berlochsteinung werden außer dem Bergwerkseigenthümer die Ver­ treter der angrenzenden Bergwerke und die Be­ sitzer derjenigen Grundstücke, auf welchen Loch­

steine zu setzen sind, zugezogen. Die Grundbesitzer sind verpflichtet, das Betreten ihrer Grundstücke und das Setzen der Lochsteine gegen vollständigen Ersatz des Schadens zu ge­

statten. Dritter Titel.

Bon dem Bergwerkseigenthume. Erster Abschnitt.

’gott dem NergwerÜseigenthume im Allgemeine«. 41. Das durch die Verleihungsurkunde begrün­ dete Bergwerkseigenthum gehört zu den unbeweg­

lichen, Sachen. 42. Auf das Bergwerkseigenthum finden hin­ sichtlich der Veräußerung, der Verpfändung und des Arrestes, 7 sowie der Privilegien die allgegemeinen gesetzlichen Vorschriften Anwendung, welche in dieser Beziehung für das Grundeigen­ thum gelten. Wegen übermäßiger Verletzung können Verträge über Veräußerung von Bergwerken nicht ange­ fochten werden. 43. Die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften über die Führung der Hypothekenregister, die Subhastation, 8 den Konkurs und die Rangord­ nung der Gläubiger sind auch für das Berg­ werkseigenthum maßgebend. Bei den auf Grund des sechsten Titels des gegenwärtigen Gesetzes einzuleitenden Subhastationen bleiben jedoch die §§ 2 und 3 des Gesetzes über den Zwangsverkauf von Liegenschaften vom 1. Dezember 1873 außer Anwendung. 8 Den Bergleuten wird in Beziehung auf die Rückstände aus dem letzten Jahre an Lohn und anderen Emolumenten das Privilegium des Artikels 2101 Nr. 4 des code civil beigelegt.10 789

44. Der Bergwerkseigenthümer hat die aus­ schließliche Befugniß, nach den Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes das in der Verleihungs­ urkunde benannte Mineral in seinem Felde auf­ zusuchen und zu gewinnen, sowie alle hierzu er­ forderlichen Vorrichtungen unter und über Tage zu treffen. Diese Befugniß erstreckt sich auch auf die inner» 7. Dgl. 88 31-34 G. v. 30. April 1880. 8. Jetzt G. v. 30. April 1880 mit besonderen Bestimmungen für daS Bergwerkseigenthum in § 29.

9. Das G. v. 1. Dez 1873 ist durch das vom 30. April 1880 aufgehoben und ersetzt, nachdem die in § 2 verordnete Zahlungsaufforderung schon durch § 671 C.-P.-O. wegge­ fallen war. Dem § 3 entspricht im Sinne des § 73 Abs. 2 G. v. 30. April 1880 der § 2 des letzteren Gesetzes.

10. Aufgehoben durch die K.-O. u. § 23 A. G. z. C.-P.-O., Bgl. jetzt 8 54 Nr. 1 K. O.

halb des Feldes befindlichen Halden eines frühern Bergbaues. 45. Auf Mineralien, welche mit dem in der Berleihungsurkunde benannten Mineral innerhalb der Grenzen des Feldes in einem solchen Zu­ sammenhänge vorkommen, daß dieselben nach der Entscheidung der Bergbehörde aus bergtechnischen oder bergpolizeilichen Gründen gemeinschaftlich gewonnen werden müssen, hat der Bergwerks­

eigenthümer in seinem Felde vor jedem Dritten ein Borrecht zum Muthen. Legt ein Dritter auf solche Mineralien Muthung ein, so wird dieselbe dem Bergwerkseigenthümer mitgetheilt. Letzterer muß alsdann binnen vier Wochen nach Ablauf des Tages dieser Mitthei­ lung Muthung einlegen, widrigenfalls sein Vor­ recht erlischt. Auf andere Mineralien, welche nicht in dem vorbezeichneten Zusammenhänge Vorkommen, hat der Bergwerkseigenthümer kein Borrecht. 46. Steht das Recht zur. Gewinnung verschie­ dener Mineralien innerhalb derselben Feldes­ grenzen verschiedenen Bergwerkseigenthümern zu, so hat jeder Theil das Recht, bei einer plan­ mäßigen Gewinnung seines Minerals auch das­ jenige des andern Theils insoweit mit zu gewin­ nen, als diese Mineralien nach der Entscheidung der Bergbehörde aus den int § 45 angegebenen Gründen nicht getrennt gewonnen werden können. Die mitgewonnenen, dem andern Theile zuste­ henden Mineralien müssen jedoch dem Letzteren auf sein Verlangen gegen Erstattung der Gewinnungs- und Förderungskosten herausgegeben werden. 47. Der Bergwerkseigenthümer ist befugt, die durch den Betrieb des Bergswerks gewonnenen, nicht unter den § 1 gehörigen Mineralien zu Zwecken seines Betriebes ohne Entschädigung des Grundeigenthümers zu verwenden. Soweit diese Verwendung nicht erfolgt, ist der Bergwerkseigenthümer verpflichtet, die bezeichneten Mineralien dem Grundeigenthümer auf sein Ver­ langen gegen Erstattung der Gewinnungs- und Förderungskosten herauszugeben. 48. Dem Bergwerkseigenthümer steht die Befug­ niß zu, die zur Aufbereitung seiner Bergwerks­ erzeugnisse erforderlichen Anstalten zu errichten und zu betreiben. 49. Der Bergwerkseigenthümer ist befugt, im freien Felde Hülfsbaue anzulegen. Dieselbe Befugniß steht ihm im Felde anderer Bergwerksbesitzer zu, sofern die Hülfsbaue die Was­ ser- und Wetterlösung oder den vorteilhafteren Be­ trieb des Bergwerks, für welches die Anlage gemacht werden soll, bezwecken und der eigene Bergbau des Andern dadurch weder gestört noch gefährdet wird. Der Hülfsbau ist Zubehör des berechtigten Bergwerks, beziehungsweise der berechtigten Berg­ werke, wenn die Eigenthümer zweier oder mehrerer

1873 (16. Dez.) Bergwerke sich zur gemeinschaftlichen Anlage eines Hülfsbaues vereinigt und keine anderweitige Ver­ einbarung getroffen haben.11 50. Bestreitet der Bergwerkseigenthümer, in dessen Felde ein Hülfsbau angelegt werden soll, seine Verpflichtung zur Gestattung desselben, so entscheidet hierüber die Bergbehörde mit Aus­ schluß des Rechtsweges. 51. Wird ein Hülfsbau in dem Felde eines andern Bergwerkseigenthümers angelegt, so muß der Hülfsbauberechtigte für allen Schaden, welcher dem belasteten Bergwerke durch seine Anlage zu­ gefügt wird, vollständige Entschädigung leisten. 52. Die bei Ausführung eines Hülfsbaues im freien Felde gewonnenen Mineralien (§ 1) werden als Theil der Förderung des durch den Hülfsbau zu lösenden Bergwerks behandelt. Werden bei Ausführung eines Hülfsbaues im Felde eines andern Bergwerkseigenthümers Mine­ ralien gewonnen, auf welche der Letztere berech­ tigt ist, so müssen diese Mineralien demselben auf sein Verlangen unentgeltlich herausgegeben werden. 53. Der Bergwerkseigenthümer hat die Befugniß, die Abtretung des zu seinen bergbaulichen Zwecken (§§ 44 bis 49) erforderlichen Grund und Bodens nach näherer Vorschrift des fünften Titels zu verlangen.

Zweiter Abschnitt. 'Aon der Konfottbatton,12 der Ketdeslyeitimg und dem Aetdesaustaufch.

54. Die Bereinigung zweier oder mehrerer Bergwerke zu einem einheitlichen Ganzen — Konsolidation — unterliegt der Bestätigung der Oberbergbehörde (§ 57). 55. Zur Konsolidation ist erforderlich: 1) ein notariell beglaubigter Konsolidationsakt — je nach Beschaffenheit des Falles ein Vertrag oder Beschluß der Mitbetheiligten oder eine Erklä­ rung des Alleineigenthümers, 2) ein von einem seitens der Oberbergbehörde als befähigt anerkannten Markscheider oder Feld­ messer in zwei Exemplaren angefertigter Situationsriß des ganzen Feldes, 3) die Angabe des dem konsolidirten Bergwerke beigelegten Namens. 56. Für den Fall, daß auf den einzelnen zu konsolidirenden Bergwerken Privilegien, Hypo­ theken oder andere Realrechte hasten, muß außer dem Konsolidationsakte eine mit den Berechtigten vereinbarte Bestimmung darüber beigebracht wer­ den, daß und in welcher Rangordnung die Rechte derselben auf das konsolidirte Werk als Ganzes übergehen sollen.

11. Der 8 49 ersetzt 28. Juli 1791.

den

Art. 25

Tit.

1

Bergges. v.

12. Durch die Vorschriften dieses Abschnittes ist auch das D. v. 23. Ott. 1852, betr. die Bereinigung (röunion) meh­ rerer Bergwerke in Einer Hand, beseitigt.

III. Band-

417

57. Sind privilegirte Gläubiger, Hypotheken­ gläubiger und andere Realberechtigte nicht vorhan­ den, oder ist die im § 56 bezeichnete Vereinbarung beigebracht, so entscheidet die Oberbergbehörde über die Bestätigung der Konsolidation. Die Bestätigung darf nur versagt werden, wenn die Felder der einzelnen Bergwerke nicht an ein­ ander grenzen oder wenn Gründe des öffentlichen Interesses entgegenstehen. Der Bestätigungsurkunde werden die Berleihungsurkunden der einzelnen Bergwerke beigefügt. Hinsichtlich der Beglaubigung, Aushändigung und Aufbewahrung der Risse finden die Bestim­ mungen des § 33 Anwendung. 58. Die reale Theilung des Feldes eines Berg­ werks in selbständige Felder, sowie der Austausch von Feldestheilen zwischen angrenzenden Berg­ werken unterliegt der Bestätigung der Oberberg­ behörde. Für den Fall, daß auf den betreffenden Berg­ werken Privilegien, Hypotheken oder andere Real­ rechte haften, muß die Zustimmung der Berech­ tigten zu der Feldestheilung oder dem Feldesaus-tausch beigebracht werden. Die Bestätigung darf nur versagt werden, wenrr überwiegende Gründe des öffentlichen Interesses entgegenstehen. Dieselbe wird unter Beobachtung des Verfah­ rens ertheilt, welches sich aus der Anwenduuss der §§ 55 und 57 auf die vorstehenden Fälle ergibt. Bei dem Austausche von Feldestheilen geht das Recht der erwähnten Gläubiger und anderen Realberechtigten mit der Bestätigung der Berg­ behörde ohne weiteres auf den zu dem belasteten Bergwerke hinzutretenden Feldestheil über, wo­ gegen der abgetretene Feldestheil von der ding­ lichen Belastung befreit wird.

Dritter Abschnitt. &. April 1881 in der oben angegebenen Weise bestimmt.

30. März 1874.

Gesetz, betreffen- -ie Einschränkung -er Gerichtsbarkeit -er -rutschen Konsul« in Egypten. R.-G.-Bl. S. 23. Einziger Artikel. Die den Konsuln des Deutschen Reichs in Egypten zustehende Gerichtsbarkeit kann durch eine mit Zustimmung des Bundes­

raths zu erlassende Kaiserliche Verordnung ein­ geschränkt oder aufgehoben werden.1 Die Dauer der Einschränkung oder Aufhebung soll jedoch den Zeitraum von fünf Jahren nicht übersteigen.2

1. S. B. v. 23. Dezember 1875. — 2. Die Zeitbeschränkung ist aufgehoben durch G. v. 5. Juni 1880.

1874 (4. April — 8. April)

478

4. April 1874.

Gesetz, betreffend einige Abänderungen und Ergänzungen des Gesetzes vom 27. Juni 1871 über die pensionirung «nd Versorgung der Militärpersonen rc. R.-G.-Bl. S. 25.

§ 1. Das Gesetz vom 27. Juni 1871,1 betref­ fend die Pensionirung und Versorgung der Mili­ tärpersonen des Reichsheeres und der Kaiserlichen Marine, sowie die Bewilligungen für Hinter­ bliebene solcher Personen (R.-G.-Bl. S. 275), wird durch nachfolgende Vorschriften abgeändert Lezw. ergänzt.

11. 12. 13. 14. 15. 16. 17.

(s. (f. (s. (s. (i. (s. ls.

Zusatz Zusatz Zusatz Zusatz Zusatz Zusatz Zusatz

zu § 75 ebenda.) I zu 8 76 ebenda.) zu 8 82 ebenda.) I zu 8 98 ebenda.) I zu 8 103 ebenda.) zu 8 107 ebenda.) I zu 8 H2 ebenda.)

1. Offiziere und im Offizierrange stehende Militärärzte.

III. Gern einschaftliche und Schluß bestimmungen.

A. Im Reichsheere.

18. (s. Zusatz zu 8 17 ebenda.) 19. (s. Zusatz zu 8 14 ebenda.) 20. (s. Zusatz II zu 8 76 ebenda.) 21. (s. Zusatz II zu 8 98 ebenda.) 22. (s. Zusatz n zu 8 103 ebenda.) 23. (s. Zusatz II zu 8 112 ebenda.) 24. Die Bestreitung derjenigen Ausgaben, welche dem Reiche nach dem gegenwärtigen Ge­ setze in Folge des Krieges von 1870/71 erwachsen, erfolgt aus dem durch das Gesetz vom 23. Mai 18732 begründeten Reichs-Jnvalidenfonds.

2. 3. 4. 5. 6.

(s. (s. (s. (f. (s.

Zusatz I zu ß 14 G. v. 27. Juni 1871.) Zusatz zu § 16 ebenda.) Zusatz zu § 31 ebenda.) Zusatz zu § 39 ebenda.) Zusatz zu § 10 ebenda.) B. In der Kaiserlichen Marine.

7 bis 9.

(s. Zusatz I bis in zu § 55 ebenda.)

Militärpersonen der Unterklassen.

II.

10. (s. Zusatz zu § 58 ebenda.) 1.

S. dasselbe unterm 8. Februar 1875.

2.

In E.-L. nicht besonders veröffentlicht.

8. April 1874. Impfgeseh.1 R.-G.-Bl. S. 31.

8 1. Der Impfung mit Schutzpocken soll unterLogen werden: 1) jedes Kind vor dem Ablaufe des auf sein Geburtsjahr folgenden Kalenderjahres, sofern es nicht nach ärztlichem Zeugniß (8 10) die natür­ lichen Blattern überstanden hat; 2) jeder Zögling einer öffentlichen Lehranstalt oder einer Privatschule, mit Ausnahme der Sonntags- und Abendschulen, innerhalb des Jah­ res, in welchem der Zögling das zwölfte Lebens­ jahr zurücklegt, sofern er nicht nach ärztlichem Zeugniß in den letzten fünf Jahren die natür­ lichen Blattern überstanden hat oder mit Erfolg geimpft worden ist. 2. Ein Jmpfpflichtiger (8 1), welcher nach ärztlichem Zeugniß ohne Gefahr für sein Leben -oder für seine Gesundheit nicht geimpft werden kann, ist binnen Jahresfrist nach Aufhören des

1. Zum Jmpfgesetz ist gemäß § 18 für E.-L. ergangen die Ausführungs-Verordnung des LPr. v. 6. April 1875. — Wegen der durch Ausführung des Jmpfgesetzes erwachsenden Kosten trifft Bestimmung das G. v. 14. November 1875.

diese Gefahr begründenden Zustandes der Impfung zu unterziehen. Ob diese Gefahr noch fortbesteht, hat in zweifel­ haften Fällen der zuständige Jmpfarzt (8 6) end­ gültig zu entscheiden. 3. Ist eine Impfung nach dem Urtheile des Arztes (8 5) erfolglos geblieben, so muß sie spätestens im nächsten Jahre und, falls sie auch dann erfolglos bleibt, im dritten Jahre wieder­ holt werden. Die zuständige Behörde kann anordnen, daß die letzte Wiederholung der Impfung durch den Jmpfarzt (8 6) vorgenommen werde. 4. Ist die Impfung ohne gesetzlichen Grund (88 1, 2) unterblieben, so ist sie binnen einer von der zuständigen Behörde zu setzenden Frist nachzu­ holen. 5. Jeder Impfling muß frühestens am sechsten, spätestens am achten Tage nach der Impfung dem impfenden Arzte vorgestellt werden. 6. In jedem Bundesstaate werden Jmpfbezirke gebildet, deren jeder einem Jmpfarzte unterstellt wird.

1874 (8. April) Der Jmpfarzt nimmt in der Zeit vom Anfang Mai bis Ende September jeden Jahres an den vorher bekannt zu machenden Orten und Tagen für die Bewohner des Jmpfbezirks Impfungen unentgeltlich vor. Die Orte für die Bornahme der Impfungen, sowie für die Vorstellung der Impflinge (§ 5) werden so gewählt, daß kein Ort des Bezirks von dem nächst belegenen Impf­ orte mehr als 5 Kilometer entfernt ist. 7. Für jeden Jmpsbezirk wird vor Beginn der Jmpfzeit eine Liste der nach § 1 Ziffer 1 der Impfung unterliegenden Kinder von der zustän­ digen Behörde aufgestellt. Ueber die auf Grund des § 1 Ziffer 2 zur Impfung gelangenden Kinder haben die Vorsteher der betreffenden Lehr­ anstalten eine Liste anzufertigen. Die Jmpfärzte vermerken in den Listen, ob die Impfung mit oder ohne Erfolg vollzogen, oder ob und weshalb sie ganz oder vorläufig unter­ blieben ist. Nach dem Schluffe des Kalenderjahres sind die Listen der Behörde einzureichen. Die Einrichtung der Listen wird durch den Bundesrath festgestellt. 8. Außer den Jmpfärzten sind ausschließlich Aerzte befugt, Impfungen vorzunehmen. Sie haben über die ausgeführten Impfungen in der im 8 7 vorgeschriebenen Form Listen zu führen und dieselben am Jahresschluß der zu­ ständigen Behörde vorzulegen. 9. Die Landesregierungen haben nach näherer Anordnung des Bundesraths dafür zu sorgen, daß eine angemessene Anzahl von Jmpfinstituten zur Beschaffung und Erzeugung von Schutzpocken­ lymphe eingerichtet werde. Die Jmpfinstitute geben die Schutzpockenlymphe an die öffentlichen Jmpfärzte unentgeltlich ab und haben über Herkunft und Abgabe derselben Listen zu führen. Die öffentlichen Jmpfärzte sind verpflichtet, auf Verlangen Schutzpockenlymphe, soweit ihr ent­ behrlicher Borrath reicht, an andere Aerzte un­ entgeltlich abzugeben. 10. Ueber jede Impfung wird nach Feststellung ihrer Wirkung (8 5) von dem Arzte ein Impf­ schein ausgestellt. In dem Impfschein wird, unter Angabe des Bor- und Zunamens des Impflings, sowie des Jahres und Tages seiner Geburt, be­ scheinigt, entweder, daß durch die Impfung der gesetzlichen Pflicht genügt ist, oder, daß die Impfung im nächsten Jahre wieder­ holt werden muß. In den ärztlichen Zeugnissen, durch welche die gänzliche oder vorläufige Befreiung von der Impfung (88 1, 2) nachgewiesen werden soll, wird, unter der für den Impfschein vorgeschrie­ benen Bezeichnung der Person, bescheinigt, aus welchem Grunde und auf wie lange die Impfung unterbleiben darf.

479

11. Der Bundesrath bestimmt das für die vor­ gedachten Bescheinigungen (8 10) anzuwendende Formular. Die erste Ausstellung der Bescheinigungen erfolgt stempel- und gebührenfrei. 12. Eltern, Pflegeeltern und Vormünder sind gehalten, auf amtliches Erfordern mittels der vorgeschriebenen Bescheinigungen (8 10) den Nach­ weis zu führen, daß die Impfung ihrer Kinder und Pflegebefohlenen erfolgt oder aus einem ge­ setzlichen Grunde unterblieben ist. 13. Die Vorsteher derjenigen Schulanstalten, deren Zöglinge dem Jmpfzwange unterliegen (8 1 Ziffer 2), haben bei der Aufnahme von Schülern durch Einfordern der vorgeschriebenen Bescheinigungen festzustellen, ob die gesetzliche Impfung erfolgt ist. Sie haben dafür zu sorgen, daß Zöglinge, welche während des Besuches der Anstalt nach 8 1 Ziffer 2 impfpflichtig werden, dieser Ver­ pflichtung genügen. Ist eine Impfung ohne gesetzlichen Grund unterblieben, so haben sie auf deren Nachholung zu dringen. Sie find verpflichtet, vier Wochen vor Schluß des Schuljahres der zuständigen Behörde ein Verzeichnis derjenigen Schüler vorzulegen, für welche der Nachweis der Impfung nicht erbracht ist. 14. Eltern, Pflegeeltern und Vormünder, welche den nach 8 12 ihnen obliegenden Nachweis zu führen unterlassen, werden mit einer Geldstrafe bis zu zwanzig Mark bestraft. 2 Eltern, Pflegeeltern und Vormünder, deren Kinder und Pflegebefohlene ohne gesetzlichen Grund und trotz erfolgter amtlicher Aufforderung der Impfung oder der ihr folgenden Gestellung (8 5) entzogen geblieben sind, werden mit Geld­ strafe bis zu fünfzig Mark oder mit Haft bis zu drei Tagen bestraft. 15. Aerzte und Schulvorsteher, welche den durch 8 8 Absatz 2, 8 7 und durch 8 13 ihnen auferlegten Verpflichtungen nicht nachkommen, werden mit Geldstrafe bis zu einhundert Mark bestraft. 16. Wer unbefugter Weise (8 8) Impfungen vornimmt, wird mit Geldstrafe bis zu einhun­ dertfünfzig Mark oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen bestraft. 17. Wer bei der Ausführung einer Impfung fahrlässig handelt, wird mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark oder mit Gefängnißstrafe bis zu drei Monaten bestraft, sofern nicht nach dem Strafgesetzbuch eine härtere Strafe eintritt. 2 18. Die Vorschriften dieses Gesetzes treten mit dem 1. April 1875 in Kraft. 2. Zuständig für die in den 88 14—17 angedrohten Geld­ strafen sind die Amtsgerichte (Schöffengerichte), § 27 Nr. 1 und 2 G. B.-G.

480

1874 (8. April — 18. April — 20. April — 29. April — 30. April)

Die in den einzelnen Bundesstaaten bestehenden Bestimmungen über Zwangsimpfungen bei dem Ausbruch einer Pocken-Epidemie werden durch

dieses Gesetz nicht berührt.

Die einzelnen Bundesstaaten werden die zur Ausführung erforderlichen Bestimmungen treffen.3 3. S. Bem. 1.

18. April 1874.

Sekanntmachung, betreffen- Vereinbarung zwischen Deutschland und Großbritannien über die Zulaffnng von Aktiengesellschaften u. s. w. C.-Bl. S. 143. Nach einer zwischen Deutschland und Groß­ britannien getroffenen Vereinbarung sind deutsche Aktiengesellschaften und sonstige kommerzielle, industrielle und finanzielle Gesellschaften, wenn sie nach den am Orte ihres Domizils geltenden Gesetzen errichtet und als zu Recht bestehend zu­ gelassen sind, befugt, innerhalb Großbritanniens das Recht des Auftretens vor Gericht auszuüben.

Hierbei haben sie sich jedoch den in Großbritan­ nien geltenden Gesetzen und Gewohnheiten zu unterwerfen; auch werden sie zur Ausübung ihres Gewerbe- oder Geschäftsbetriebes in Groß­ britannien nur dann zugelaffen, wenn sie die daselbst gesetzlich vorgeschriebenen Erfordernisse erfüllen.

20. April 1874.

Gesetz, betreffend die Abänderung des Art. 15 des Münzgrfehes vom 9. Juli 1873.' R.-G.-Bl. S. 35.

Die Bestimmung int Artikel 15 Ziffer 1 des Münzgesetzes vom 9. Juli 1873 findet auch auf

die in Oesterreich bis zum Schluffe des Jahres 1867 geprägten Bereinsthaler und Bereinsdoppelthaler Anwendung.

1. S. dasselbe unterm 15. Nov. 1874.

29. April 1874.

Sekanntmachung des krichskanzlers, betreffend eine Vereinbarung mit Oesterreichllngarn über die Verpflegung erkrankter und die Uebernahme ausgewiesener Landesangehöriger. G.-Bl. S. 13.

Die Regierungen des Deutschen Reichs und der österreichisch-ungarischen Monarchie sind überein­ gekommen, in Elsaß-Lothringen einerseits und in den Ländern der gedachten Monarchie andererseits folgende Grundsätze bezüglich der Verpflegung erkrankter und der Beerdigung verstorbener An­ gehöriger des anderen Theils, sowie bezüglich der Uebernahme Auszuweisender zur Anwendung zu bringen. Art. 1. Die Bestimmungen des zwischen mehre­ ren deutschen Staaten am 11. Juli 1853 zu Eise­ nach abgeschlossenen Uebereinkommens über die

Verpflegung erkrankter und die Beerdigung ver-. florbener Angehöriger der vertragenden Staaten werden auch für das Verhältniß zwischen ElsaßLothringen und der österreichisch-ungarischen Mo­ narchie zur Anwendung gebracht werden. 2. Jeder der vertragenden Theile verpflichtet sich, auf Verlangen des anderen Theils seine Angehöri­ gen wieder zu übernehmen, anch wenn dieselben die Staatsangehörigkeit nach der inländischen Ge­ setzgebung bereits verloren haben, sofern sie nicht dem anderen Lande nach dessen eigener Gesetz­ gebung angehörig geworden sind.

30. April 1874.

Erlaß der tlormaleichungskommission, betreffend die eichamtliche Ermittelung undSeglaubiguug des Gewichts leerer Faßkörper (Faßtara). S. unterm 15. Mai 1875.

1874 (30. April — 2. Mai)

481

30. April 1874.

Gesetz, betreffend die Ausgabe von Keichskaffenscheinen. R.-G.-Bl. S. 40.

kassenscheme zum Gesammtbetrage von 120 Millio­

ausgegeben haben, werden die ihnen ausgefolgten Reichskassenscheine (§§ 1 und 3), soweit der Be­

nen Mark in Abschnitten zu 5, 20 und 50 Mark

trag der letzteren den Betrag

ausfertigen zu lassen und unter die Bundesstaaten

Staatspapiergeldes nicht übersteigt, nur in dem

nach dem Maßstabe ihrer durch die Zählung vom

Maße in Umlauf setzen, als Staatspapiergeld zur

§ 1. Der Reichskanzler wird ermächtigt, Reichs-

1. Dezember

1871

festgestellten Bevölkerung

zu

des ausgegebenen

Einziehung gelangt. 5. Die Reichskassenscheine werden bei allen Kas­

vertheilen. Ueber die Bertheilung

des Gesammtbetrages auf die einzelnen Abschnitte beschließt der Bun­

sen des Reichs und sämmtlicher Bundesstaaten nach

desrath. 2. Jeder Bundesstaat hat das von ihm seither

von der Reichs-Hauptkasse für Rechnung des Reichs jederzeit auf Erfordern gegen baares Geld einge­

ausgegebene Staatspapiergeld spätestens bis zum

löst. 1

1. Juli 1875 zur Einlösung öffentlich aufzurufen

ihrem Nennwerthe in Zahlung angenommen und

Im Privatverkehr findet

ein Zwang zu ihrer

Annahme nicht statt.

und thunlichst schnell einzuziehen.

Zur Annahme von Staatspapiergeld sind vom

6. Die Ausfertigung der Reichskassenscheine wird

1. Januar 1876 an nur die Kassen desjenigen Staats verpflichtet, welcher das Papiergeld aus­

der Preußischen Haupt-Verwaltung der Staats­

gegeben hat.

Berwaltung" übertragen. DieReichsschulden-Berwaltung hatfür beschädigte

3. Denjenigen Staaten, deren Papiergeld

den

schulden

unter

der Benennung

„Reichsschulden-

von

oder unbrauchbar gewordene Exemplare für Rech­

Reichskassenscheinen übersteigt, werden zwei Dritt-

nung des Reichs Ersatz zu leisten, wenn das vor­ gelegte Stück zu einem echten Reichskassenscheine

ihnen nach

8

1 zu überweisenden Betrag

theile des überschießenden Betrages aus der Reichs­ kasse als ein Vorschuß überwiesen und zwar, soweit

gehört und mehr als die Hälfte eines solchen be­

die Bestände der letzteren es gestatten, in baarem

trägt. 1 2 Ob in anderen Fällen ausnahmsweise ein

Gelde, soweit sie es nicht gestatten, in Reichskassen­

Ersatz geleistet werden kann, bleibt ihrem pflicht­

scheinen. Der Reichskanzler wird zu diesem Zwecke er­

mäßigen Ermessen überlassen.

mächtigt, Reichskassenscheine über beu in § 1 fest­

eine genaue Beschreibung derselben öffentlich bekannt

gesetzten

Betrag

hinaus

bis

auf Höhe des

leistenden Vorschusses anfertigen zu lassen, soweit als nöthig in Umlauf zu setzen.

zu und

7. Bor der Ausgabe der Reichskassenscheine ist

zu machen. 3 Die Kontrole über die Ausfertigung und Aus­

gabe der Reichskaffenscheine übt die Reichsschulden-

Ueber die Art der Tilgung dieses Vorschusses wird gleichzeitig mit der Ordnung des Zettelbank­

Kommission.

wesens Bestimmung getroffen. In Ermangelung einer solchen Bestimmung hat die Rückzahlung des Vorschusses innerhalb 15 Jahren, vom 1. Januar

auf Grund

1876

an gerechnet, in gleichen Jahresraten zu

erfolgen. Die auf den Vorschuß eingehenden Rückzahlun­ gen sind zunächst zur Einziehung der nach vor­ stehenden Bestimmungen ausgefertigten Reichs­ kassenscheine zu verwenden.

4. Diejenigen Bundesstaaten, welche Papiergeld

8. Bon den Bundesstaaten darf auch ferner nur eines Reichsgesetzes Papiergeld aus­

gegeben oder dessen Ausgabe gestattet werden.

1. Ueber die Behandlung nachgemachter und verfälschter sowie beschädigter und unbrauchbar gewordener Reichskassenscheine bei den öffentlichen Kaffen s. den BundesrathSbeschlub v. 24. März 1876 in der Bkm. des OPr. v. 26. April 1876 sBkm.-Bl. 1876 S. 13). 2. Bgl. Bkm. vom 18. Mai 1876.

3. Erfolgte durch Bkm. der Reichsschuldenverwaltung v. 24. Dez. 1874 sC.-Bl. 1875 S. 48).

2. Mai 1874.

Keichs-Milttiirzefetz.1 * III. R.-G.-BI. S. 45. Erster Abschnitt.

Hrganifation des Zteichsyeeres.

Zeit vom 1. Januar 1875

bis

zum 31. Dezember

1881 401 659 Mann. Die Einjährig-Freiwilligen die Friedenspräsenzstärke

nicht in

§ 1. Die Friedenspräsenzstärke des Heeres an Unteroffizieren und Mannschaften beträgt für die

kommen

1. In Ausführung des Art. 61 Abs. 2 R.-B. erlassen; ab­ geändert u. ergänzt durch G. v. 6. Mai 1880.

2. Art. 60 R.-B. normirt die Friedenspräsenzstärke des deutschen HeereS bis 31. Dez. 1871 auf ein Prozent der Be-

III. Band.

auf

Anrechnung.2

31

482

1874 (2. Mai)

2. Die Infanterie wird formirt in 469 Ba­ taillonen, die Kavallerie in 465 Eskadrons, die Feldartillerie in soo Batterien, von welchen je 2 bis 4 eine Abtheilung bilden; die Fußartillerie in 29, die Pioniertruppe und der Train in je 18 Bataillonen.3* * Die Bataillone haben in der Regel 4, die des Trains 2 bis 3 Kompagnien. In der Regel wird bei der Infanterie aus 3 Bataillonen, bei der Kavallerie aus 5 Eska­ drons, bei der Artillerie aus 2 bis 3 Abthei­ lungen beziehungsweise Bataillonen ein Regiment formirt. 3. 2 oder 3 Regimenter werden zu einer Brigdde, 2 oder 3 Brigaden der Infanterie und Kavallerie zu einer Division vereinigt. Aus 2 bis 3 Divisionen mit den entsprechenden Artillerie-, Pionier- und Train-Formationen wird ein Armee-Korps gebildet, derart, daß die gesammte Heeresmacht des Deutschen Reichs im Frieden aus 18 Armee-Korps besteht. 2 Armee-Korps werden von Bayern, je eins von Sachsen und Württemberg aufgestellt, wäh­ rend Preußen gemeinschaftlich mit den übrigell Staaten 14 Armee-Korps formirt. Für je 3 bis 4 Armee-Korps besteht eine Armee-Inspektion. 4. In der Regel wird jede Kompagnie, Eska­ dron und Batterie durch einen Hauptmann oder Rittmeister mit Hülfe eines Premier-Lieutenants, 2 oder 3 Sekonde-Lieutenants und der entspre­ chenden Anzahl von Unteroffizieren militärisch ausgebildet und befehligt. An der Spitze eines jeden Bataillons und einer jeden Artillerie-Abtheilung steht ein Stabsoffizier; an der Spitze eines jeden Regiments ein älterer Stabsoffizier (Oberst, Oberstlieutenant, Major). Zu den Regimentsstäben gehört außerdem in der Regel noch je ein zweiter Stabsoffizier, und zu den Stäben der Regimenter und Bataillone bezw. Abtheilungen je ein Lieutenant als Adjutant, sowie das erforderliche Personal an Aerzten, Zahl­ meistern, Roßärzten, Büchsenmachern und Satt­ lern. Eine Brigade wird in der Regel durch einen Generalmajor, eine Division durch einen General­ lieutenant befehligt. An der Spitze eines jeden Armee-Korps steht ein kommandirender General (General der Infanterie re. oder Generallieute­ völkerung von 1867 u. bestimmt, daß die Heeresstärke für die spätere Zeit im Wege der Reichsgesetzgebung festgestellt werden soll. Dies ist geschehen für die Jahre 1872, 1873 u. 1874 durch G. v. 9. Dez. 1871 (s. § 2 Abs. 2 G. v. 23. Ja­ nuar 1872, betr. die Einführung von Bestimmungen über das Reichskriegswesen in E.-L.) und für die folgenden Jahre durch obigen § 1 R.-M.-G. Die Feststellung für die Zeit vom 1. April 1881 bis 31. März 1888 ist durch § 1 Art. 1 der Novelle v. 6. Mai 1880 erfolgt. 3. Durch tz 2 Art. 1 der Novelle ist vom 1. April 1881 ab die Stärke der Infanterie auf 503 Bataillone, der Feldar­ tillerie auf 340 Batterien, der Fußartillerie auf 31 Batail­ lone, der Pioniere auf 19 Bataillone festgesetzt.

nant). Den höheren Truppenkommandos sind die zur Befehlsführung erforderlichen Stäbe beige­ geben. Außerdem gehören zum Heere eine Anzahl von Offizieren außer Reih und Glied, als: General-, Flügel- und andere persönliche Adjutanten, Offi­ ziere der Kriegs-Ministerien, des Generalstabes, des Ingenieur-Korps, des Militär-Erziehungs­ und Bildungswesens re., sowie das gesammte Heeres-Berwältungspersonal. Die hiernach im Friedensstande des Heeres nothwendigen Offizier-, Arzt- und Beamtenstellen, sowie die hieran erforderlich werdenden Aende­ rungen unterliegen der Feststellung durch den Reichshaushalts-Etat.

5. Das Gebiet des Deutschen Reichs wird in militärischer Hinsicht in 17 Armee-Korps-Bezirke eingetheilt. Unbeschadet der Souveränetätsrechte der ein­ zelnen Bundesstaaten sind die kommandirenden Generale die Militärbefehlshaber in den ArmeeKorps-Bezirken.

Als Grundlage für die Organisation der Land­ wehr, sowie zum Zwecke der Heeresergänzung werden die Armee-Korps-Bezirke in Divisions­ und Brigade-Bezirke und diese, je nach Umfang und Bevölkerungszahl, in Landwehr-Bataillons­ und Landwehr-Kompagnie-Bezirke eingetheilt. 4 5 6 7 6. Die Kriegsformation des Heeres, sowie die Organisation des Landsturmes bestimmt der Kaiser. Alle bereits im Frieden zur schleunigen Ueberführung des Heeres auf den Kriegsfuß erforder­ lichen Vorbereitungen sind nach den Bestimmungen des Kaisers zu treffen, 3 Die Dienstverhältnisse der Landsturmpflichtigen werden durch ein Gesetz geregelt.3

7. Die Bestimmungen über die Zulassung zu den Stellen und Aemtern des Heeres, sowie über das Aufrücken in die höheren Stellen erläßt der Kaiser. Zu der Stelle eines richterlichen MilitärJustizbeamten kann nur berufen werden, wer die Befähigung zur Bekleidung eines Richteramtes in einem Bundesstaate erworben hat.

Personen, welche aus dem Heere ausscheiden, bedürfen zum Tragen der Militäruniform der Genehmigung desjenigen Bundesfürsten oder Senats, von welchem die Offiziere des Kontingents ernannt werden. 8. Die Vorschriften über die Handhabung der Disziplin im Heere werden vom Kaiser erlassen. ?

4. Vgl. unten § 30 Nr. 2. 5. Gemäß Art. 63 R.-B. 6. S. 88 2, 3 und 16 G. v. 9. Nov. 1867, betr. die Ver­ pflichtung zum Kriegsdienste, u. G. v. 12. Febr. 1875 über den Landsturm. 7. S. Disziplinar-Straf-Ordnung für das Heer v. 31. Okt. 1872 (Armee-Berordnungs-Blatt S. 330).

1874 (2. Mai) Zweiter Abschnitt. Ergänzung

des Keeres.

9. Bei der nach Maßgabe der Vorschrift im § 9 des Gesetzes vom 9. November 1867 (Bundes-

Gesetzbl. S. 131) erfolgenden Bertheilung des Rekrutenbedarfs sind, außer den in den einzelnen Bundesstaaten sich aufhaltenden Ausländern, auch die ortsanwesenden, im aktiven Dienst befindlichen Militärpersonen außer Berechnung zu lassen. Die Freiwilligen (§§ 10 und 11 des Gesetzes vom 9. November 1867, Bundes-Gesetzbl. S. 131) und die für die Marine ausgehobenen Mannschaften sind ihren Aushebungsbezirken in Rechnung zu stellen. Eine Abweichung von dem vorgeschriebenen Bertheilungsmaßstabe kann, und zwar unter Zu­ stimmung des Ausschusses für das Landheer und die Festungen, nur dann angeordnet werden, wenn nach erfolgter Vertheilung des allgemeinen Ersatzbedarfs bei einem Truppentheile durch un­ vorhergesehenen Ausfall oder Abgang an Mann­ schaften ein außerordentlicher Ersatzbedarf entsteht. Die Ausgleichung hierfür ist bei der Rekruten­ gestellung des nächstfolgenden Jahres zu bewirken. Vermag ein Bezirk seinen Rekrutenantheil nicht aufzubringen, so wird der Ausfall auf die anderen Bezirke desselben Bundesstaates und zwar zunächst auf die der nächst höheren Militär-Territorial­ einheit (§ 5) angehörigen Bezirke übertragen. Die Erhöhung der Rekrutenantheile anderer Bundes­ staaten kann erst dann erfolgen, wenn die gesammten Anshebungsbezirke eines Bundesstaates nicht zur Leistung des demselben aufgegebenen Rekrutenantheils im Stande find. Diejenigen Bundesstaaten, welche besondere Armee-Korps bilden, können unbeschadet der Be­ stimmungen im Absatz 3 im Frieden zur Rekru­ tengestellung für andere Armee-Korps nur in dem Maße herangezogen werden, als Angehörige anderer Bundesstaaten bei ihnen in Gemäßheit des § 12 zur Aushebung gelangen. Im übrigen ist für die Zutheilung der auszuhebenden Rekruten an die Truppen des Reichsheeres das militärische Bedürfniß bestimmend. 10. Alle Wehrpflichtigen sind, wenn sie nicht freiwillig in den Heeresdienst eintreten (§§ 10 und 11 des Gesetzes vom 9. November 1867, Bundes-Gesetzbl. S. 131), vom 1. Januar des Kalenderjahres an, in welchem sie das 20. Lebens­ jahr vollenden, der Aushebung unterworfen (militärpflichtig). 8 Sie haben sich zu diesem Zwecke vor den Ersatzbehörden zu gestellen, bis über ihre Dienstverpflichtung den Bestimmungen dieses Gesetzes gemäß endgültig entschieden ist, jedoch höchstens zweimal jährlich. Der Eintritt zum drei- oder vierjährig-freiwil-

8. Dgl. 88 20-25 (Abschnitt III: „Militärpflicht") Theil I Wehr-Lrdnnng.

483

ligen Dienst kann Militärpflichtigen durch die Ersatzbehörden gestattet werden.8 9 10 11. Personen, welche das Reichsgebiet verlassen, die Reichsangehörigkeit verloren, eine andere Staatsangehörigkeit aber nicht erworben oder wieder verloren haben, sind, wenn sie ihren dauernden Aufenthalt in Deutschland nehmen, gestellungspflichtig und können nachträglich aus­ gehoben, jedoch im Frieden nicht über das 31. Lebensjahr hinaus im Dienst zurückgehalten wer­ den. Dasselbe gilt von den Söhnen ausgewanderter und wieder in das Deutsche Reich zurückgekehrter Personen, sofern die Söhne keine andere Staats­ angehörigkeit erworben haben. Die vorstehenden Bestimmungen finden auch Anwendung auf Ausgewanderte, welche zwar eine andere Staatsangehörigkeit erworben hatten, aber vor vollendetem 31. Lebensjahre wieder Reichs­ angehörige werden, io 12. Jeder Militärpflichtige ist, sofern er nicht die Erlaubniß zum freiwilligen Eintritt in den Heeresdienst erhalten hat, in dem Aushebungs­ bezirke, in welchem er seinen dauernden Aufent­ haltsort oder, in Ermangelung eines solchen, seinen Wohnsitz hat, gestellungspflichtig. Wer innerhalb des Bundesgebiets weder einen dauernden Aufenthaltsort, noch einen Wohnsitz hat, ist in denl Aushebungsbezirke seines Geburtsortes ge­ stellungspflichtig, und wenn der Geburtsort im Auslande liegt, in demjenigen Aushebungsbezirke des Inlandes, in welchem die Eltern oder Fami­ lienhäupter ihren letzten Wohnsitz hatten.11 In dem Aushebungsbezirke, in welchem die Militärpflichtigen sich zu gestellen haben, werden sie auch, unter Anrechnung auf das von demselben aufzubringende Rekrutenkontingent, zum Militär­ dienst herangezogen. 13. Die Reihenfolge, in welcher die in einem und demselben Jahre geborenen Militärpflichtigen auszuheben sind, wird in jedem Aushebungsbezirke durch das Loos bestimmt. Ein Hinausgreifen über die dem Bedarf ent­ sprechende höchste Nummer (Abschlußnummer), oder eine Abweichung von der Nummerfolge ist nur zulässig, soweit die erforderliche Anzahl solcher Rekruten, an welche im Interesse einzelner Waffen­ gattungen besondere Anforderungen gestellt werden müssen, innerhalb der vorangehenden Nummern nicht zu finden ist. Die zum einjährig-freiwilligen Dienst Berech­ tigten nehmen an der Loosung nicht Theil.12 Auf diejenigen Militärpflichtigen, welche in Folge

9. S. unten §§ 68 u. 69 Nr. 7. 10. Abs. 2 ist durch Art. 2 G. v. 6. Mai 1880 dem § 10 hinzugefügt. 11. Der erste Absatz hat durch Art. 2 G. v. 6. Mai 1880 obige Fassung erhalten. Dgl. § 17 Nr. 1 G. v. 9. Nov. 1867. 12. Dgl. auch unten § 33 Abs. 2.

484

1874 (2. Mai)

hoher Loosnummer in dem ersten Jahre ihrer Dienstpflicht nicht zur Einstellung in den Militär­ dienst gelangen, kann in den beiden nächstfolgenden Jahren zurückgegriffen werden, jedoch nur dann, wenn in dem Aushebungsbezirk der Rekrutenbe­ darf des Jahres in anderer Weise nicht gedeckt werden kann. Die im dritten Jahre übrig blei­ benden Militärpflichtigen werden der @rfo6refert)e13 14

sie nicht nach ihrer Loosnummer zu den Ueberzähligen ihres Jahrganges (§ 13) gehören, für das nächste Jahr vorgemerkt. Wenn dieselben jedoch vor Ablauf des dritten Dienstpflichtjahres nicht dienstfähig werden, so werden sie der Ersatzreserve überwiesen. Die für den Militärdienst erforderliche Körper­ größe wird durch Kaiserliche Verordnung bestimmt.2"

überwiesen. 14. Die zum einjährig-freiwilligen Dienst Be­ rechtigten haben die Verpflichtung, sich spätestens zum 1. Oktober desjenigen Jahres, in welchem sie das 23. Lebensjahr vollenden, zum Dienstan­ tritt zu melden, i* Ausnahmsweise kann ihnen über diesen Zeitpunkt hinaus Aufschub gewährt werden. Bei ausbrechendem Kriege müssen sich alle zum einjährig-freiwilligen Dienst Berechtigten, welche bereits in das militärpflichtige Alter einge­ treten sind, auf öffentliche Aufforderung sofort zum Heeresdienst stellen. Wer die rechtzeitige Meldung zum Dienstantritt versäumt, verliert die Berechtigung zum einjährig­ freiwilligen Dienst; nach Befinden der Ersatz­ behörde kann ihm die Berechtigung wieder ver­ liehen werden. Ein Gesetz wird die Vorbedingungen regeln, welche zum einjährig-freiwilligen Dienst berech­ tigen. Zur Annahme Einjährig-Freiwilliger sind die Truppen der Feldartillerie und des Trains in Orten, wo außerdem Truppen zu Fuß garnisoniren, nur in so weit verpflichtet, als die Zahl von vier Einjährig-Freiwilligen bei jeder Batterie und Kompagnie nicht überschritten wird.15 15. Militärpflichtige, welche wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen16 17 dauernd 18 19 dienstunbrauch­ bar 17 befunden werden, sind vom Militärdienst und von jeder weiteren Gestellung vor die Ersatz­ behörden zu befreien. 16. Militärpflichtige, welche wegen unheilbarer körperlicher Fehler nur bedingt dienstbrauchbar 13 befunden werden, sind der Ersatzreserve zu über­ weisen. 17. Militärpflichtige, welche noch zu schwach oder zu klein für den Militärdienst oder mit heil­ baren Krankheiten von längerer Dauer behaftet sind, werden vorläufig 'zurückgestellt, und falls

18. Wer wegen einer strafbaren Handlung, welche mit Zuchthaus oder mit dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte bestraft werden kann, oder wegen welcher die Berurtheilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechswöchentlicher

13. S. unten 88 23-29. 14. Bei dem von ihnen gewählten Truppentheil, § 17 Abs. 2 G. v. 9. Nov. 1867. 15. Abs. 4 ist durch Art. 2 G. v. 6. Mai 1880 hinzugefügt. 16. Berzeichniß derselben s. Anlage 4 $u § 9 Theil I Heer-Ordnung v. 28. Sept. 1875. 17. Zum Waffendienst sowohl als zu sonstigen militäri­ schen Dienstleistungen, welche ihrem bürgerlichen Berufe entsprechen, § 1 Abs. 2 G. v. 9. Nov. 1867. 18. Verzeichnisse der in Betracht kommenden Fehler u. Gebrechen s. Anlage 1 u. 2 gu § 7 Heer-Ordnung. 19. Krankheiten u. Gebrechen, welche zeitig untauglich machen, sind zusammengestellt in Anlage 3 $u § 8 HeerOrdnung.

Dauer oder zu einer entsprechenden Geldstrafe zu erwarten ist, in Untersuchung sich befindet, wird nicht vor deren Beendigung,21 und wer zu einer Freiheitsstrafe oder zu einer in Freiheitsstrafe umzuwandelnden Geldstrafe rechtskräftig verurtheilt ist, nicht vor deren Vollstreckung oder Erlaß eingestellt. Die Zurückstellung solcher Personen ist bis zum fünften Dienstpflichtjahre zulässig. Dasselbe gilt von denjenigen, welche nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte sind, für die Zeit, wäh­ rend welcher sie unter Wirkung der Ehrenstrafe stehen. Wenn dieselben jedoch vor Ablauf ihrer aktiven Dienstzeit wieder in den Besitz der Ehren­ rechte gelangen würden, so kann ihre Einstellung in eine Arbeiterabtheilung unter Anrechnung auf die Dienstzeit erfolgen. 19. 22 In Berücksichtigung bürgerlicher Verhält­ nisse sind Zurückstellungen oder Befreiungen vom Militärdienste zulässig. Dieselben werden von den Ersatzbehörden auf Ansuchen der Militärpflichtigen oder der Angehörigen derselben unter den in den §§ 20 und 21 bezeichneten Voraussetzungen und in dem daselbst bestimmten Maße auf Grund spezieller Prüfung der Verhältnisse angeordnet.

20. Auf ein bis zwei Jahre können zurückgestellk und, falls sie nicht nach ihrer Loosnummer zu den Ueberzähligen ihres Jahrganges gehören, für das nächste Jahr vorgemerkt werden: 1) die einzigen Ernährer hülfloser Familien,

20. Geschehen durch § 29 Nr. 2 Theil I Wehr-Ordnung („die Minimalgröße für den Dienst mit der Waffe beträgt 1 m 57 cm"). Im Einzelnen sind die Anforderungen an. die Körpergröße für die verschiedenen Truppengattungen, näher festgesetzt in § 5 Nr. 2 Theil I Heer-Ordnung. 21. Im Hinblick auf § 31 Abs. 1 und 8 34 Nr. 2 St.-G.-B. sowie 8 9 Abs. 1 M.-St.-G.-O. — Kommen solche strafbare Handlungen erst nach dem Diensteintritt zur Sprache^ so muß der Angeschuldigte entlasten und die Untersuchung dem zuständigen Civilgericht überwiesen werden, § 9 Abs. 2 ff. M.-St.-G.-O. Die Entlastung erfolgt zur Disposition der Ersatzbehörden (§ 52 R.-M.-G.; § 81 Nr. 2 Theil I WehrOrdnung). Die Entscheidung über die Entlastung steht dem kommandirenden General zu (§ 15 Nr. 4 Theil I HeerOrdnung). Das fernere Militärverhältniß der so Entlaffenen regelt sich nach 88 54 u. 55 R.-M.-G. 22. Zu 88 19 bis 22 s. 88 26 bis 42 (Abschnitt IV: „Grundsätze für Entscheidungen über Militärpflichtige") Theil I Wehr-Ordnung.

1874 (2. Mai) erwerbsunfähiger Eltern,

Großeltern oder Ge­

schwister; 2) der Sohn eines zur Arbeit und Aufsicht un­ fähigen Grundbesitzers, Pächters oder Gewerbe­ treibenden, wenn dieser Sohn dessen einzige und unentbehrliche Stütze zur wirtschaftlichen Erhal­ tung des Besitzes, der Pachtung oder des Gewerbes

ist; 3) der nächstälteste Bruder eines vor dem Feinde gebliebenen, oder an den erhaltenen Wunden ge­ storbenen, oder in Folge derselben erwerbsunfähig gewordenen oder im Kriege an Krankheit gestor­ benen Soldaten, sofern durch die Zurückstellung den Angehörigen des letzteren eine wesentliche Erleichterung gewährt werden kann; 4) Militärpflichtige, welchen der Besitz oder die Pachtung von Grundstücken durch Erbschaft oder Bermächtniß zugefallen, sofern ihr Lebensunter­ halt auf deren Bewirthschaftung angewiesen und die wirthschaftliche Erhaltung des Besitzes oder der Pachtung auf andere Weise nicht zu ermöglichen ist; 5) Inhaber von Fabriken und anderen gewerb­ lichen Etablissements, in welchen mehrere Arbeiter beschäftigt sind, sofern der Betrieb ihnen erst in­ nerhalb des dem Dienstpflichtjahre vorangehenden Jahres durch Erbschaft oder Bermächtniß zuge­ fallen und deren wirthschaftliche Erhaltung auf andere Weise nicht möglich ist. Auf Inhaber von Handelshäusern entsprechenden Umfanget findet diese Vorschrift sinngemäße Anwendung; 6) Militärpflichtige, welche in der Vorbereitung zu einem Lebensberufe oder in der Erlernung einer Kunst oder eines Gewerbes begriffen sind und durch eine Unterbrechung bedeutenden Nach­ theil erleiden würden. In ausnahmsweise:: Ver­ hältnissen kann die Zürückstellung derselben bis zu einer Gesammtdauer von 4 Jahren erfolgen; 7) Militärpflichtige, welche ihren dauernden Aufenthalt im Auslande haben. Können zwei arbeitsfähige Ernährer hülfloser Familien, erwerbsunfähiger Eltern, Großeltern oder Geschwister nicht gleichzeitig entbehrt werden, so ist Einer von ihnen zurückzustellen, bis der Andere entlassen wird. Spätestens nach Ablauf des zweiten Dienstpflichtjahres soll der einstweilen Zurückgestellte eingestellt und gleichzeitig der zuerst Eingestellte entlassen werden. Diese Bestimmung findet auf Nr. 2 entsprechende Anwendung. 21. Militärpflichtige, welchen die im § 20 unter 1 bis 5 aufgeführten Berücksichtigungsgründe auch im dritten Dienstpflichtjahre noch zur Seite stehen, werden der Ersatzreserve überwiesen. Ein Berücksichtigter, der sich der Erfüllung des Zweckes entzieht, welcher seine Befreiung vom Militärdienste herbeigeführt hat, kann vor Ablauf des Jahres, in welchem er das 25. Lebensjahr vollendet, nachträglich ausgehoben werden. 23 23. Bgl. unten 88 30 Nr. 4 c und 55 Abs. 2.

485

22.22 Die ausnahmsweise Zurückstellung oder Befreiung Militärpflichtiger vom Dienste im Frieden kann durch die oberste Instanz für Ersatzangelegenheiten des betreffenden Bundes­ staats verfügt werden, wenn in einzelnen Fällen besondere in diesem Gesetze nicht ausdrücklich vor­ gesehene Billigkeitsgründe die Zurückstellung oder Befreiung rechtfertigen. Die Zurückstellung oder Befreiung ganzer Berufsklassen auf Grund der vorstehenden Bestimmung ist unzulässig. 24 Durch Verheiratung eines Militärpflichtigen können Ansprüche auf Zurückstellung nicht be­ gründet werden. 23. Die Ersatzreserve 25 26 wird in zwei Klassen getheilt. Die Dienstverpflichtung in der ersten Klasse dauert 5 Jahre, von dem ersten Oktober des Jahres an gerechnet, in welchem die Ueberweisung zur Ersatzreserve erfolgt ist. Nach Ablauf der fünf Jahre werden die Mannschaften in die zweite Klaffe der Ersatzreserve versetzt.23 Die Zugehörigkeit zur Ersatzreserve erlischt mit dem vollendeten 31sten Lebensjahre. 24. Die erste Klasse der Ersatzreserve27 dient zur Ergänzung des Heeres bei Mobilmachungen und zur Bildung von Ersatz-Truppentheilen. Der­ selben sind alljährlich so viele Mannschaften zu überweisen, daß mit fünf Jahrgängen der Bedarf für die Mobilmachung des Heeres gedeckt wird. 25. Der ersten Klasse der Ersatzreserve werden vorzugsweise diejenigen Personen überwiesen, welche zum Militärdienst tauglich befunden, aber wegen hoher Loosnummer nicht zur Einstellung gelangt sind. 27 Der etwaige weitere Bedarf ist zu entnehmen: a) aus der Zahl derjenigen Militärpflichtigen, deren häusliche Verhältnisse die Befreiung vom Militärdienste im Frieden zur Folge haben, aber für den Fall eines Krieges die weitere Berück­ sichtigung nicht gerechtfertigt erscheinen lassen; b) aus der Zahl derjenigen Militärpflichtigen, welche wegen geringer körperlicher Fehler befreit werden;27 c) aus der Zahl derjenigen Militärpflichtigen, welche wegen zeitiger Dienstunbrauchbarkeit vom Militärdienste im Frieden befreit werden, deren Kräftigung aber während der nächstfolgenden Jahre in dem Maße zu erwarten ist, daß sie voraus24. S. Erlaß des R.-K. und Preuß. Kriegsministers v. 23. Juli 1874, betr. die bisherigen Befreiungen der Theolo­ gen vom Militärdienst (C.-Bl. S. 294). 25. Darüber, welche Militärpflichtige der Ersatzreserve überwiesen werden, vgl. 88 13 Abs. 4, 16, 17 Abs. 2, 21 Abs. 1 R.-M.-G.

26. S. jedoch unten § 69 Nr. 6.

27. Wegen ihrer militärischer Pflichten s. unten § 69. — Für die Mannschaften, welche wegen hoher LooSnummer oder wegen geringer körperlicher Fehler der Ersatzreserve erster Klaffe überwiesen werden (8 25 Abs. 1 u. Abs. 2 b R.-M.-G.) gelten jetzt die Bestimmungen deS § 3 Art. 1 der Novelle v. 6. Mai 1880.

486

1874 (2. Mai)

sichtlich zum Kriegsdienste werden eingezogen werden können. Ist ein Ueberschuß vorhanden, so entscheidet unter den Freigeloosten die Reihenfolge der Loosnummer, nach Maßgabe der in dieser Beziehung im § 13 getroffenen Bestimmungen, unter den übrigen Mannschaften das Lebensalter, die bessere Dienstbrauchbarkeit und Abkömmlichkeit. 26. Außer den Mannschaften, welche wegen abgelaufener Zeitdauer (§ 23 Abs. 2) in- die zweite Klasse der Ersatzreserve eintreten, werden dieser alle Militärpflichtigen zugetheilt, welche der Ersatzreserve zu überweisen sind, aber als unge- • eignet oder überschüssig nicht der ersten Klasse überwiesen werden. 27. Die Mannschaften der zweiten Klasse der Ersatzreserve sind in Friedenszeiten von allen militärischen Verpflichtungen befreit. Bei aus­ brechendem Kriege können sie im Falle außerorordentlichen Bedarfes zur Ergänzung des Heeres verwandt werden. Die Einberufung erfolgt auf Grund Kaiserlicher Verordnung. Auf Grund dieser Verordnung ist in ortsüb­ licher Weise bekannt zu machen, welche Alters­ klassen zunächst zur Einziehung gelangen. Die Mannschaften dieser Altersklassen werden dadurch verpflichtet, sich zur Stammrolle wieder anzu­ melden und zur Aushebung zu stellen. Vom Zeit­ punkte der Bekanntmachung an unterliegen die Mannschaften der bezeichneten Altersklassen den Vorschriften über die Militärpflichtigen. Für diejenigen Mannschaften, welche durch die Einberufung in das Verhältniß des Militär­ pflichtigen versetzt, aber nicht eingezogen worden sind, hört dieses Verhältniß mit der Auflösung der Ersatz-Truppentheile auf. 28. Mannschaften der zweiten Klasse der Ersatz­ reserve, welche durch Konsulatsatteste nachweisen, daß sie in einem außereuropäischen Lande, jedoch mit Ausschluß der Küstenländer des Mittelländi­ schen und Schwarzen Meeres, eine feste Stellung als Kaufleute, Gewerbetreibende u. s. w., erwor­ ben haben, können für die Dauer ihres Aufent­ halts außerhalb Europas von der Gestellung bei ausbrechendem Kriege befreit werden. 29. Mannschaften, welche aus der Ersatzreserve erster oder zweiter Klasse zum Dienst eingezogen werden, sind bei Zurückführung des Heeres auf den Friedensfuß wieder zu entlassen (§ 50).28 29 30. Für die Zusammensetzung der mit der Heeresergänzung zu beauftragenden Behörden 29

28. Wegen ihrer ferneren Dienstpflicht s. unten 88 50 Abs. 2 u. 62. 29. Bezüglich Zusammensetzung der Ersatzbehörden vgl. 8 2 („Ersatz-Behörden") u. 8 95 Nr. 2 Theil I Wehr-Ord­ nung ; bezüglich des Verfahrens s. 8 63 („Geschäfts-Ordnung der Ersatz-Kommission"), 8 64 („Entscheidungen der ErsatzKommission"), tz 70 („Geschäftsordnung der Ober-Ersatzkom-

mission"), 8 72 („Entscheidungen der Ober-Ersatzkommission") ebendas.

und für das Verfahren vor denselben sind fol­ gende Vorschriften maßgebend: 1) Die Einrichtung der Ersatzbehörden hat sich an die in § 5 vorgeschriebene Eintheilung des Reichsgebietes in Militärbezirke anzulehnen. 2) Der Landwehr-Bataillonsbezirk bildet ent­ weder ungetheilt den Aushebungsbezirk oder zer­ fällt in mehrere Aushebungsbezirke, deren Umfang und Größe sich nach der Beschaffenheit und See­ lenzahl der entsprechenden Civilverwaltungs-Bezirke bestimmt. 3) Die mit den ständigen Geschäften der Hee­ resergänzung betrauten Behörden sind: a) für den Aushebungsbezirk die Ersatzkommission, bestehend aus dem Landwehr-Bezirks­ kommandeur und einem Berwaltungsbeamten des Bezirks, oder wo ein solcher Beamter fehlt, einem besonders zu diesem Zwecke bestellten bürgerlichen Mitgliede; b) für den Jnfanterie-Brigadebezirk die OberErsatzkommission, bestehend aus dem JnfanterieBrigadekommandeur und einem höheren Berwal­ tungsbeamten ; c) für den Armee-Korpsbezirk der kommandirende General des Armeekorps in Gemeinschaft mit dem Chef einer Provinzial- oder Landes­ behörde, sofern nicht hierfür in einzelnen Bundes­ staaten besondere Behörden bestellt sind; d) für die oberste Leitung der Heeresergänzung die zuständigen Kriegsministerien in Gemein­ schaft mit den obersten Civil-Berwaltungsbehörden der einzelnen Bundesstaaten. 4) Zur Entscheidung a) über die in § 20 vorgesehenen Befreiungen und Zurückstellungen, b) über den nach Maßgabe des § 33 eintre­ tenden Verlust von Vergünstigungen, c) über den nach Maßgabe der §§ 21, 51 und 55 eintretenden Verlust der Befreiung vom Mi­

litärdienst, d) über die Klassifikation der Reservemann­ schaften, der Landwehr und der Ersatzreserve I. Klasse mit Rücksicht auf die häuslichen und gewerblichen Verhältnisse in Gemäßheit der §§ 64 und 69, treten den ständigen Mitgliedern der Ersatzund Ober-Ersatzkommission andere Mitglieder hinzu, welche aus den Bezirkseingesessenen von Kommunal- oder Landesvertretungen gewählt, oder, wo solche Vertretungen nicht vorhanden sind, von der Landes-Verwaltungsbehörde ernannt

werden. Es sollen hiernach bestehen: die verstärkte Ersatzkommission neben den stän­ digen Mitgliedern aus höchstens noch einem Offi­ zier und aus vier bürgerlichen Mitgliedern; die verstärkte Ober-Ersatzkommission neben den ständigen Mitgliedern aus einem bürgerlichen

Mitgliede. 5) Die Mitglieder

der

Ersatzbehörden

haben

1874 (2. Mai) gleiches Stimmrecht; ihre Beschlüsse werden mit Stimmenmehrheit gefaßt. Wo nur die ständigen Mitglieder an der Beschlußfassung theilnehmen, ist bei Meinungsverschiedenheit die Angelegenheit der nächst höheren Instanz zur Entscheidung vor­ zulegen. Für unaufschiebbare vorläufige Maß­ regeln ist bei der Ersatzkommission die Stimme des Civilmitgliedes, bei der Ober-Ersatzkommission die Stimme des militärischen Mitgliedes maßge­ bend. Desgleichen entscheidet bei der Ober-Ersatz­ kommission die Stimme des militärischen Mit­ gliedes über die körperliche Brauchbarkeit der Militärpflichtigen und die Bertheilung der ausge­ hobenen Mannschaften auf die verschiedenen Waf­ fengattungen und Truppenteile. 6) Bei dem Verfahren vor den Ersatzbehörden sind die Betheiligten berechtigt, ihre Anträge durch Vorlegung von Urkunden und Stellung von Zeugen und Sachverständigen zu unterstützen. 7) Die Ersatzkommission arbeitet der OberErsatzkommission vor. Sie verfügt die nach dem Gesetze zulässigen Zurückstellungen der Militär­ pflichtigen. Im übrigen unterliegen ihre Be­ schlüsse der Revision und endgültigen Entscheidung der Ober-Ersatzkommission. Gegen Entscheidungen der Ersatzkommission über die Klassifikation der Mannschaften der Re­ serve, der Landwehr und der Ersatzreserve 1. Klasse steht dem ständigen militärischen Mitgliede die Erhebung des Einspruches zu, in welchem Falle die endgültige Entscheidung lediglich durch die ständigen Mitglieder der Ober-Ersatzkommission erfolgt. 8) Gegen die Entscheidungen der Ober-Ersatz­ kommission steht nur den Militärpflichtigen bezw. ihren zur Reklamation berechtigten Angehörigen eine Berufung an die höheren Instanzen zu. In Aushebungsbezirken, welche ihren Rekrutenantheil nicht aufzubringen vermögen, kann jedoch gegen die auf Befreiung vom Militärdienst gerichteten Entscheidungen auch seitens des ständigen mili­ tärischen Mitgliedes der Ober-Ersatzkommission Berufung an die höhere Instanz eingelegt werden. 31.80 Die Gemeinden oder gleichartigen Ver­ bände haben unter Kontrole der Ersatzbehörden Stammrollen über alle Militärpflichtigen zu füh­ ren. Die Militärpflichtigen und deren Angehörige haben die Anmeldungen zur Stammrolle nach Maßgabe der gegenwärtig bestehenden Vorschriften zu bewirken. 2r 32. Die Stammrollen werden auf Grund der Civilstandsregister und der nach § 31 zu erstat­

tenden Meldungen geführt. Die mit Führung der Civilstandsregister betrauten Behörden und Per­ sonen sind verpflichtet, die zur Führung der

30. Zu 88 31 u. 32 vgl. 88 43-49 (Abschnitt V: „Listen­ führung") Theil I Wehr-Ordnung. 31. 8 59 Militär-Ersatz-Jnstruktion für den Norddeutschen Bund, jetzt 8 23 Theil 1 Wehr-Ordnung.

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Stammrollen erforderlichen Auszüge unentgeltlich vorzulegen. 33. Wer die nach Maßgabe des § 31 vorge­ schriebenen Meldungen zur Berichtigung von Stammrollen unterläßt, sowie Militärpflichtige, welche in den von den Ersatzbehörden abzuhal­ tenden Terminen nicht pünktlich erscheinen, sind, sofern sie nicht dadurch zugleich eine härtere Strafe verwirkt haben, 32 mit Geldstrafe bis zu dreißig Mark, oder Haft bis zu drei Tagen zu bestrafen. Militärpflichtigen, welche in einem von den Ersatzbehörden abzuhaltenden Termine nicht pünktlich erschienen sind, können von den Ersatz­ behörden die Vortheile der Loosung entzogen werden. 83 Ist diese Versäumniß in böslicher Absicht oder wiederholt erfolgt, so können die Ersatzbehörden sie mich des Anspruchs auf die nach §§ 19 bis 22 zulässigen Vergünstigungen verlustig erklären und als unsichere Heerespflichtige sofort in die Armee einreihen lassen. Die Dienst­ zeit wird alsdann erst vom nächstfolgenden Rekruten-Einstellungstermine ab gerechnet. Ist die Versäumniß durch Umstände herbeige­ führt, deren Beseitigung nicht in dem Willen des betreffenden Anmeldungs- oder Gestellungspflich­ tigen lag (Abs. 1, 2), so treten die vorerwähnten Folgen nicht ein. 34. Rekruten, welche nach ihrer Aushebung, sowie Freiwillige, welche nach definitiver An­ nahme bei einem Truppentheile vorläufig in die Heimath beurlaubt werden, gehören bis zu ihrer Einstellung zu den Mannschaften des Beurlaub-

tenstandes. 34 35. Alle auf die Heeresergänzung bezüglichen amtlichen Verrichtungen und Verhandlungen, mit Ausnahme der durch strafbare Handlungen be­ dingten, unterliegen weder einer Stempelgebühr noch einer Taxe. 36. Bon den Kosten des Rekrutirungsverfahreus sind nur diejenigen auf Reichsfonds zu übernehmen, welche sich unmittelbar aus der Betheiligung von Militärbehörden und Militär­ personen an demselben ergeben. Den einzelnen Bundesstaaten bleibt die Be­ stimmung überlassen, von wem die übrigen Kosten zu tragen sind. 37. Ueber die Ergebnisse des Ergänzungsge­ schäftes ist dem Bundesrath und Reichstag all­

jährlich Mittheilung zu machen. Dritter Abschnitt.

Vom aktive» Keere. 38. Zum aktiven Heere gehören: A. Die Militärpersonen des Friedensstandes, und zwar 32. Nach Maßgabe des 8 140 St.-G.-B. 33. Dgl. 8 13 R.-M.-G. 34. Dgl. 8 56 Nr. 2 R.-M.-G.

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1) die Offiziere, Aerzte und Militärbeamten des Friedensstandes vom Tage ihrer Anstellung bis zum Zeitpunkte ihrer Entlassung aus dem Dienste; 2) die Kapitulanten vom Beginn bis zum Ab­ lauf oder bis zur Aufhebung der abgeschlossenen Kapitulation;

41. Die Militärpersonen des Friedensstandes und die Civilbeamten der Militärverwaltung können die Uebernahme von Vormundschaften ablehnen, und sind zu deren Uebernahme nur mit Genehmigung ihrer Vorgesetzten berechtigter 42. Die landesgesetzlich für einzelne Klassen von Militärpersonen bestehenden Beschränkungen hinsichtlich der Erwerbung, Veräußerung und Belastung von Grundstücken werden aufgehoben. 43. Zum Betriebe eines Gewerbes bedürfen die Militärpersonen des Friedensstandes für sich und für die in Dienstgebäuden bei ihnen wohnenden Mitglieder ihres Hausstandes der Erlaubniß ihrer Vorgesetzten, insofern nicht das Gewerbe mit der Bewirthschaftung eines ihnen gehörigen ländlichen Grundstückes verbunden ist. 42 44.43 In Kriegszeiten oder während eines Bela­ gerungszustandes können die im § 38 bezeichneten und die nach §§ 155 bis 158 des Militär-Straf­ gesetzbuchs vom 20. Juni 1872 den Militärge­ setzen unterworfenen Personen letztwillige Verord­

3) die Freiwilligen und die ausgehobenen Re­ kruten von dem Tage, mit welchem ihre Verpfle­ gung durch die Militärverwaltung beginnt, Ein­ jahrig-Freiwillige von dem Zeitpunkte ihrer de­ finitiven Einstellung in einen Truppentheil an, sämmtlich bis zum Ablauf des Tages ihrer Ent­ lassung aus dem aktiven Dienste. B. 1) die aus dem Beurlaubtenstande (5. Ab­ schnitt) zum Dienst einberufenen Offiziere, Aerzte, Militärbeamten und Mannschaften von dem Tage, zu welchem sie einberufen sind, bis zum Ablauf des Tages der Wiederentlassung; 2) alle in Kriegszeiten zum Heeresdienst auf­ gebotenen oder freiwillig eingetretenen Offiziere, Aerzte, Militärbeamten und Mannschaften, welche nungen unter besonders erleichterten Formen zu keiner der vorgenannten Kategorien gehören, gültig errichten (privilegirte militärische letztwillige von dem Tage, zu welchem sie einberufen sind, Verfügungen). Die Vorrechte der Militärpersonen bezw. vom Zeitpunkte des freiwilligen Eintritts in Beziehung auf diese letztwilligen Verordnungen an, bis zum Ablauf des Tages der Entlassung. bestehen allein darin, daß sie nach Maßgabe der C. Die Civilbeamten der Militärverwaltung, nachstehenden Bestimmungen den für ordentliche Dom Tage ihrer Anstellung bis zum Zeitpunkte letziwillige Verfügungen vorgeschriebenen Förm­ ihrer Entlassung aus dem Dienste. lichkeiten nicht unterworfen sind. Es sind dabei 39. Die besondere Gerichtsbarkeit über Militär­ die folgenden Bestimmungen zu beobachten: personen bs beschränkt sich auf Strafsachen35 36 37 und 1) Die Befugniß, in Krregszeiten oder während wird durch Reichsgesetz geregelt. eines Belagerungszustandes privilegirte militäri­ Den allgemeinen Gerichtsstand haben die Mi­ sche letztwillige Verfügungen zu errichten, beginnt litärpersonen bei dem Gerichte des Garnisonortes; für die oben bezeichneten Personen von der Zeit, diejenigen jedoch, welche nur zur Erfüllung der wo sie entweder ihre Standquartiere, oder im Fall Wehrpflicht dienen oder welche selbständig einen ihnen solche nicht angewiesen sind, ihre bisherigen Wohnsitz nicht begründen können, nur bezüglich Wohnorte im Dienste verlassen oder in denselben der Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche. angegriffen oder belagert werden. Es bleiben diejenigen landesgesetzlichen Vor­ Kriegsgefangene oder Geißeln haben diese Be­ schriften in Kraft, nach welchen für Truppentheile, fugniß, so lange sie sich in der Gewalt des Fein­ die nach der Mobilmachung ihre Garnison ver­ des befinden. lassen haben oder sich dauernd im Auslande auf­ 2) Privilegirte militärische letztwillige Verfü­ halten, die Ausübung der streitigen oder frei­ gungen sind in gültiger Form errichtet: willigen Gerichtsbarkeit einem inländischen Gerichte a) wenn sie von dem Testator eigenhändig ge­ oder den Auditeuren ein für alle Mal übertragen schrieben und unterschrieben sind; ist, oder für den einzelnen Fall im Verordnungs­ wege übertragen werden kann.38 40. Die Militärpersonen des Friedensstandes 39 40 * * 41. Diese Genehmigung ist seitens der Generale u. Stabs­ offiziere, welche sich in einer Jmmediatstcllung befinden, bei bedürfen zu ihrer Berheirathung der Genehmi­ dem Kaiser unmittelbar nachzusuchen, dagegen seitens der gung ihrer Vorgesetzten.^9

35. Ueber den Begriff „Militärpersonen" f. § 4 Abs. 1 u. 8 5 Abs. 1 M.-St.-G.-B. 36. Dgl. 8 2 M.-St.-G.-O. 37. Vgl. 88 14, 15, 21 Abs. 2 C.-P.-O. 38. Z. B. für Preußen: Abschnitt I u. III G. v. 8.Juni 1860, betr. die Befugniß der Auditeure zur Aufnahme von Akten der freiwilligen Gerichtsbarkeit rc. (Preußische GSamml. S. 240). 39. S. oben 8 38 A. 40. Vgl. 8 38 Abs. 1 G. v. 6. Febr. 1875, über die Beur­ kundung des Personenstandes u. die Eheschließung, u. 8 150 M.-St.-G.-B.

übrigen Generale und Stabsoffiziere, ebenso wie von allen anderen Militärpersonen, bei der zunächst vorgesetzten Mili­ tärbehörde zu beantragen u. geeigneten Falls zu ertheilen, Preuß. Kab.-O. v. 8. Aug. 1876 (Armee-Verordnung S-Blatt 1876 S. 189). - Auch nach Art. 428 C.-G.-B. sind Militär­ personen in Dienst von Uebernahme der Vormundschaft befreit.

42. Vgl. 8 16 R.-B.-G., 8 9 Dienstvorschriften für die Gen­ darmerie v. 26. Sept. 1872. 43. Die Bestimmungen des § 44 sind den §§ 4-9 des Preußischen Gesetzes v. 8. Juni 1860, betr. die Befugniß

der Auditeure zur Aufnahme von Alten der freiwilligen Ge­ richtsbarkeit rc., entnommen und an Stelle der Artt. 981-984 C.-G.-B. getreten.

1874 (2. Mai) b) wenn sie von dem Testator eigenhändig unterschrieben und von zwei Zeugen oder einem Auditeur oder Offizier mitunterzeichnet sind; c) wenn von einem Auditeur oder Offizier, unter Zuziehung zweier Zeugen oder noch eines Auditeurs oder Offiziers, über die mündliche Erklärung des Testators eine schriftliche Verhand­ lung ausgenommen und diese dem Testator vor­ gelesen, sowie von dem Auditeur oder Offizier und den Zeugen, bezw. von den Auditeuren oder Offizieren unterschrieben ist. Bei verwundeten oder kranken Militärpersonen können die unter b und c erwähnten Auditeure und Offiziere durch Militärärzte oder höhere Lazarethbeamte oder Militärgeistliche vertreten werden. 3) Die sub 2 erwähnten Zeugen sind Beweis­ zeugen; sie brauchen nicht die Eigenschaft von Jnstrumentszeugen zu haben und es kann die Aussage eines derselben für vollständig beweisend angenommen werden. 4) Die nach Vorschrift sub 2 c aufgenommene Verhandlung hat in Betreff ihres Inhalts und der in ihr angegebenen Zeit der Aufnahme die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde. Ist in der eigenhändig geschriebenen und unter­ schriebenen, oder in der eigenhändig unterschriebe­ nen letztwilligen Verfügung (2 a b) die Zeit der Errichtung angegeben, so streitet die Vermu­ thung bis zum Beweise des Gegentheils für die Richtigkeit dieser Angabe. Eine gleiche Vermuthung streitet dafür, daß die letztwillige Verfügung während des die privilegirte Form zulassenden Ausnahmezustandes errichtet ist, wenn dieselbe während dieser Zeit oder innerhalb vierzehn Tagen nach deren Aufhören einer vorgesetzten Militärbehörde zur Aufbewah­ rung übergegeben ist, oder wenn dieselbe in dem Feldnachlaß des Testators aufgefunden wird. 5) Privilegirte militärische letztwillige Verfü­ gungen verlieren ihre Gültigkeit mit dem Ablauf eines Jahres von dem Tage ab, an welchem der Truppentheil, zu dem der Testator gehört, demobil gemacht ist, oder der Testator aufgehört hat zu dem mobilen Truppentheil zu gehören, oder als Kriegsgefangener oder Geißel aus der Gewalt des Feindes entlassen ist. Der Lauf dieser Frist wird jedoch suspendirt durch anhaltende Unfähigkeit des Testators zur Errichtung einer anderweiten letztwilligen Verord­ nung. Wenn der Testator innerhalb des Jahres ver­ mißt und in dem Verfahren auf Todeserklärung oder auf Abwesensheitserklärung festgestellt wird, daß er seit jener Zeit verschollen ist, so tritt die Ungültigkeit der letztwilligen Verfügung nicht ein. 45. Die durch Reichs- oder Landesgesetze vor­ geschriebenen Beschränkungen der gerichtlichen Zwangsvollstreckungen gegen Militärpersonen44 44. S. 88 673 u. 699, 715 Nr. 6 u. 7 C.-P. O.

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finden auf alle Arten der Zwangsvollstreckung gegen die letzteren entsprechende Anwendung. Eine Aufhebung dieser Beschränkungen durch vor­ gängige Einwilligung des Schuldners ist ohne rechtliche Wirkung. Den Anspruch auf Zahlung von Dienstein­ künften, Wartegeldern oder Pensionen können die Militärpersonen mit rechtlicher Wirkung nur inso­ weit abtreten, verpfänden oder sonst übertragen, als eine Beschlagnahme im Falle einer Zwangs­ vollstreckung zulässig gewesen wäre. Die Benachrichtigung an die auszahlende Kaffe geschieht durch eine der Kasse auszuhändigende öffentliche Urkunde. 4*

46. Die Verpflichtung der Militärpersonen zur Entrichtung der Staatssteuern regelt sich nach den Landesgesetzen46 47unter Berücksichtigung des Gesetzes wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung vom 13. Mai 1870 (Bundes-Gesetzbl. des Nord­ deutschen Bundes S. 119). Jedoch ist das Militäreinkommen der Personen des Unteroffizier- und Gemeindestandes, sowie für den Fall einer Mobilmachung das Militär­ einkommen aller Angehörigen des aktiven Heeres bei der Veranlagung bezw. Erhebung von Staats­ steuern außer Betracht zu lassen. Die Feststellung eines angemessenen Steuernachlasses für die Unteroffiziere und Gemeinen des Beurlaubten­ standes und deren Familien für die Monate, in welchen jene sich im aktiven Dienste befinden, bleibt der Landesgesetzgebung überlassen.

47. Zur Annahme von Aemtern in der Ver­ waltung und Vertretung der kirchlichen oder po­ litischen Gemeinden und weiteren Kommunalver­ bände bedürfen aktive Militärpersonen39 der Genehmigung ihrer Dienstvorgesetzten.

48. Diejenigen Begünstigungen, welche nach der Gesetzgebung der einzelnen Bundesstaaten den Hinterbliebenen von Staatsbeamten hinsichtlich der Besteuerung der aus Staatsfonds oder aus öffentlichen Bersorgungskaffen denselben gewährten Pensionen, Unterstützungen oder sonstigen Zuwen­ dungen zustehen, finden auch zu Gunsten der Hinterbliebenen von Militärpersonen hinsichtlich der denselben aus Reichs- oder Staatsfonds oder aus öffentlichen Bersorgungskaffen zufließenden gleichartigen Bezüge Anwendung.4? 49. Für die zum aktiven Heere gehörigen Mililärpersonen, mit Ausnahme der Militärbeamten, ruht die Berechtigung zum Wählen sowohl in Betreff der Reichsvertretung, als in Betreff der

45. Die Vorschrift des Abs. 2 stimmt mit der in § 6 R.-B. G. überein; über die Beschränkungen der Pfändung von Diensteinkünften re. der Militärpersonen s. § 749 Nr. 6 u. 8 C -P.-O. 46. Vgl. Art. 14 G. v. 21. April 1832 u. Bem. 47. Diese Vorschrift stimmt mit der in § 19 Abs. 2 R.-B.-G. zu Gunsten der Reichsbeamten gegebenen überein.

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einzelnen Landesvertretungen.48 49Eine Bereini­ gung der hiernach wahlberechtigt bleibenden Mi­ litärpersonen zu besonderen Militär-Wahlbezirken für die Wahl der auf indirektem Wahlrecht be­ ruhenden Landesvertretungen darf nicht statt­ finden. Die Theilnahme an politischen Vereinen und Versammlungen ist den zum aktiven Heere gehö­ rigen Militärpersonen untersagt.

Vierter Abschnitt. Hnttastung aus dem akttveu Aienste.

50. Alle Soldaten, welche nach erfüllter aktiver Dienstpflicht von den Fahnen entlassen werden, treten nach Maßgabe der zurückgelegten Gesammtdienstzeit zur Reserve, zur Landwehr oder zum Landsturm über.48 Mannschaften, welche bei Mobilmachung des Heeres oder bei Bildung von Ersatz-Truppentheilen aus der Ersatzreserve zum Dienst einbe­ rufen und bei Zurückführung des Heeres auf den Friedensfuß wieder entlassen werden (§ 29), treten, wenn sie militärisch ausgebildet sind, je nach ihrem Lebensalter (§ 62) zur Reserve oder Landwehr über, anderenfalls aber in die Ersatz­ reserve zurück. Mannschaften der Kavallerie, welche sich frei­ willig zu einer vierjährigen aktiven Dienstzeit verpflichtet haben, dienen in der Landwehr nur drei Jahre. Einjährig-Freiwillige, welche während ihrer Dienstzeit mit Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes bestraft werden, verlieren die Eigenschaft als Einjährig-Freiwillige und den Anspruch auf Entlassung nach einjähriger Dienst­ zeit. 50 51 52 51. Bolksschullehrer und Kandidaten des Volks­ schulamtes, welche ihre Befähigung für das Schulamt in vorschriftsmäßiger Prüfung nachge­ wiesen haben, können nach kürzerer Einübung mit den Waffen zur Verfügung der Truppentheile beurlaubt werden. Gibt der Beurlaubte seinen bisherigen Beruf gänzlich auf oder wird er aus dem Schulamte für immer entlassen, so kann er vor Ablauf des Jahres, in welchem er das 25. Lebensjahr voll­ endet, zum aktiven Dienst eingezogen werden. 52. Soldaten, welche während der Erfüllung ihrer aktiven Dienstpflicht dienstunbrauchbar wer­ den, sind zur Disposition der Ersatzbehörden zu entlassen (§ 54).

48. DaS Wahlgesetz für den deutschen Reichstag v. 31. Mai 1869 bestimmt in 8 2: „Für Personen des Soldatenstandes, des HeereS u. der Marine ruht die Berechtigung zum Wählen so lange als dieselben sich bei der Fahne befinden." — Das passive Wahlrecht der Militärpersonen ist gesetzlichen Beschränkungen nicht unterworfen.

49. S. 88 6, 7, 3 Abs. 2 G. v. 9. Nov. 1867, betr. die Verpflichtung zum Kriegsdienste.

50. S. 8 11 ebenda.

53. Soldaten im aktiven Dienst können auf Ansuchen zur Verfügung der Ersatzbehörden ent­ lassen werden, wenn einer der im § 20 Nr. 1—5 bezeichneten Gründe nach ihrer Aushebung eingetreten ist, oder wenn in einzelnen Fällen beson­ dere in diesem Gesetz nicht ausdrücklich vorge­ sehene Billigkeitsgründe dies rechtfertigen (§ 22). Ueber die Zulässigkeit des Gesuchs entscheidet nach Begutachtung der Verhältnisse durch die ständigen Mitglieder der Ersatzkommission der kommandirende General desjenigen Armeekorps, in welchem der Reklamirte seiner Dienstpflicht genügt, in Gemeinschaft mit der betreffenden (§ 30 Nr. 3 c) Landes- oder Provinzialbehörde seines Heimathsbezirkes, bezw. das zuständige Kriegsministerium in Gemeinschaft mit der obersten Civilverwaltungsbehörde seines Heimathsbezirks.51 Die Entlassung des Reklamirten erfolgt erst zu dem nächsten allgemeinen Entlassungstermine, so­ fern nicht ein ungewöhnlicher Grad der Dring­ lichkeit die frühere Entlassung nothwendig macht. Auf Soldaten, welche sich bei mobilen Truppen im Dienst befinden, haben diese Bestimmungen in der Regel keine Anwendung. 54. Die zur Disposition der Ersatzbehörden entlassenen Soldaten gehören bis zur Entscheidung über ihr ferneres Militärverhältniß zu den Mannschaften des Beurlaubtenstandes (5. Ab­ schnitt). 55. Ueber das fernere Militärverhältniß der zu ihrer Disposition entlassenen Mannschaften entscheiden die Ersatzbehörden nach denselben Grundsätzen, wie über die noch nicht eingestellten Militärpflichtigen der entsprechenden Alters­ klassen. Haben dergleichen Mannschaften jedoch bereits ein Jahr oder als Einjährig-Freiwillige neun Monate aktiv gedient, so sollen sie nicht von neuem für den aktiven Dienst ausgehoben werden, es sei denn, daß sie der Verpflichtung, deren Erfüllung ihre Entlassung aus dem Militärdienst begründete, sich entziehen und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. ü2 Fünfter Abschnitt. Hlom Neurtauötenstande und der HrsaHreferve erster Ktaste.

56. Zum Beurlaubtenstande gehören: 1) die Offiziere, Aerzte, Beamten und Mann­ schaften der Reserve und Landwehr; 2) die vorläufig in die Heimath beurlaubten Rekruten und Freiwilligen (§ 34); 3) die bis zur Entscheidung über ihr ferneres Militärverhältniß zur Disposition der Ersatz­ behörden entlassenen Mannschaften (§ 54);

51. Abs. lit. 2 haben durch Art. 2 G. v. 6. Mai 1880 obige Fassung erhalten. 52. Vgl. oben 8 21 Abs. 2.

1874 (2. Mai) 4) die vor erfüllter aktiver Dienstpflicht zur Disposition der Truppentheile beurlaubten Mann­ schaften.

57. Die Personen des Beurlaubtenstandes sind während der Beurlaubung den zur Ausübung der militärischen Kontrole erforderlichen Anord­ nungen unterworfen. 53 Sie haben geeignete Vor­ kehrungen zu treffen, daß dienstliche Befehle ihrer Vorgesetzten und namentlich Einberufungsordres ihnen jederzeit zugestellt werden können. Im dienstlichen Verkehr mit ihren Vorgesetzten oder wenn sie in Militäruniform erscheinen, sind sie der militärischen Disziplin unterworfen (§ 8). 54 Ueber die Ausübung der militärischen Kontrole, die Uebungen und die gegen Personen des Be­ urlaubtenstandes zulässigen Disziplinarstrafmittel wird ein besonderes Gesetz nähere Bestimmung treffen. 55 58. Bei eintretender allgemeiner Mobilmachung haben alle im Auslande befindlichen Personen des Beurlaubtenstandes sich unverzüglich in das Inland zurückzubegeben, sofern sie hiervon nicht ausdrücklich dispensirt werden. 59. Im Frieden können Mannschaften der Re­ serve und Landwehr, welche nach außereuro­ päischen Ländern gehen wollen, unter Dispensa­ tion von den gewöhnlichen Dienstpflichten, jedoch unter der Bedingung der Rückkehr im Falle einer Mobilmachung, auf zwei Jahre beurlaubt werden. Weist der Beurlaubte durch Konsulatsatteste nach, daß er sich in einem der erwähnten Länder eine feste Stellung als Kaufmann, Gewerbetrei­ bender rc. erworben hat, so kann der Urlaub bis zur Entlassung aus dem Militärverhältnisse und unter gleichzeitiger Dispensation von der Rück­ kehr im Falle einer Mobilmachung verlängert werden. Auf die Küstenländer des Mittelländischen und Schwarzen Meeres findet diese Bestimmung keine Anwendung.

60.

Außerdem

gelten

die

folgenden Bestim­

mungen :

1) Den Offizieren und den im Offizierrang stehenden Aerzten des Beurlaubtenstandes, sowie den im § 56 unter 2 bis 4 bezeichneten Mann­ schaften darf — falls sie nicht nachweisen, daß sie in einem anderen Bundesstaate die Staatsange­ hörigkeit erworben haben — die Entlassung aus

53. Das G. v. 9. Nov. 1867, betr. die Verpflichtung zum Kriegsdienste, bestimmt bereits in § 15 Abs. 1: „Die beur­ laubten Mannschaften des Heeres u. der Marine (Reserve, Landwehr, Seewehr) sind während der Beurlaubung den zur Ausübung der militärischen Kontrole erforderlichen Anord­

nungen unterworfen." 54. Vgl. § 6 M.-St.-G.-B.; 88 23-31, 36, 49, 50 Diszi­ plinarstrafordnung für das Heer v. 31. Okt. 1872. 55. S. G. v. 15. Febr. 1875, betr. die Ausübung der mi­ litärischen Kontrole über die Personen des Beurlaubten­ standes, die Uebungen derselben, sowie, die gegen sie zulässi­ gen Disziplinarstrafmittel.

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der Staatsangehörigkeit nur mit Genehmigung der Militärbehörde ertheilt werden. 56 2) Offiziere und im Offizierrang stehende Aerzte des Beurlaubtenstandes, welche ohne Er­ laubniß auswandern, werden mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark oder mit Hast oder mit Ge­ fängniß bis zu sechs Monaten bestraft. 57 3) Die im § 56 unter 2—4 bezeichneten Mannschaften sind den Bestimmungen im dritten Abschnitte des Militär - Strafgesetzbuchs vom 20. Juni 1872, über unerlaubte Entfernung und Fahnenflucht, und den Bestimmungen im vierten Abschnitte desselben Gesetzbuchs, über Selbstbe­ schädigung und Vorschützung von Gebrechen, in gleicher Weise, wie die Personen des aktiven Dienststandes unterworfen. 4) Die vorläufig in die Heimath beurlaubten Rekruten und Freiwilligen bedürfen zur Verheirathung der Genehmigung der Militärbehörde. 58 5) Die zur Disposition der Truppentheile be­ urlaubten Mannschaften können bis zum Ablauf ihres dritten Dienstjahres jederzeit zur Fahne wieder einberufen werden, und bedürfen bis da­ hin der militärischen Genehmigung zum Wechsel des Aufenthaltsortes. 61. Im übrigen gelten für die Personen des Beurlaubtenstandes die allgemeinen Landesgesetze und sind dieselben in der Wahl ihres Aufenthalts­ ortes im In- und Auslande, in der Ausübung ihres Gewerbes, rücksichtlich ihrer Berheirathung und ihren sonstigen bürgerlichen Verhältnisse Be­ schränkungen nicht unterworfen. 59 62. Die Mannschaften der Reserve und Landwehr werden in Jahresklassen nach ihrem Dienstalter eingetheilt. Die Dienstzeit in der Reserve und Landwehr wird von demselben Zeitpunkte an berechnet, wie die aktive Dienstzeit, 60 auch wenn in Erfüllung der letzteren eine Unterbrechung stattgefunden hat. Die Versetzung aus der Reserve in die Landwehr, bezw. die Entlassung aus der Landwehr erfolgt bei den Herbst-Kontrolversammlungen des betref­

fenden Jahres.6i 56. Vgl. Art. 59 Abs. 2 R.-B., 8 15 Abs. 3 G. v. 9. Nov. 1867, betr. die Verpflichtung zum Kriegsdienste, u. 8 15 G. v. 1. Juni 1870 über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit. 57. Die Bestimmung in 8 60 Nr. 2 ist zufolge G. v. 26. Febr. 1876 wörtlich in 8 140 Nr. 2 St.-G.-B. übergegangen. 58. Vgl. oben 8 40. 59. Wie dies bereits 8 15 Abs. 2 G. v. 9. Nov. 1867, betr. die Verpflichtung zum Kriegsdienste für die beurlaub­ ten Mannschaften des Heeres u. der Marine (Reserve, Land­

wehr, Seewehr), bestimmt hat. 60. S. 8 6 Abs. 3 G. v. 9. Nov. 1867. 61. Diese Bersetzung bezw. Entlassung findet jetzt, soweit die zwölfjährige Gesammtdienstzeit (Art. 59 R.-B.) zur Ein­ führung gelangt ist, im Frieden bei den nächsten, auf Er­ füllung der Dienstzeit folgenden Frühjahrs-Kontrolversamm» lungen statt. Bei obiger Bestimmung des 8 62 R.-M.-G. bewendet es hinsichtlich derjenigen Mannschaften, deren Dienstzeit in der Periode vom 1. April bis zum 30. Sept, ihr Ende erreicht, 8 4 Art. 1 der Novelle v. 6. Mai 1880.

492

1874 (2, Mai)

Mannschaften, welche in Folge eigenen Ver­ schuldens (§ 18 des Militär-Strafgesetzbuchs vöm 20. Juni 1872) verspätet aus dem aktiven Dienste entlassen werden, treten stets in die jüngste Jahresklasse der Reserve ein. Die Reserve und Landwehrpflicht derjenigen Mannschaften, welche der Ersatzreserve angehört haben (§ 50), ist so zu bemessen, als wenn sie im ersten Jahre ihres dienstpflichtigen Alters ausgehoben wären. 63. Bei nothwendigen Verstärkungen oder Mobilmachungen des Heeres werden die Mann­ schaften des Beurlaubtenstandes nach Bedarf, jedoch in den Grenzen der bezüglichen Bestim­ mungen des Gesetzes, betreffend die Verpflichtung zum Kriegsdienst, vom 9. November 1867, zur Fahne einberufen, 62 und zwar, soweit die mili­ tärischen Interessen es gestatten, nach den Jahres­ klassen, mit der jüngsten beginnend. 64. Hierbei können dringende häusliche und gewerbliche Verhältnisse derart Berücksichtigung finden, daß Reservisten hinter die letzte Jahres­ klasse der Reserve ihrer Waffe oder Dienstkate­ gorie, Landwehrmannschaften aber, sowie in besonders dringenden Fällen auch einzelne Re­ servisten, hinter die letzte Jahresklasse der Land­ wehr ihrer Waffe oder Dienstkategorie zeitweise zurückgestellt werden. 62 63 64 65 66 67 68 69 Jedoch darf in keinem Aushebungsbezirke die Zahl der hinter den letzten Jahrgang der Reserve zurückgestellten Mannschaften zwei Pro­ zent der Reserve, die Zahl der hinter den letzten Jahrgang der Landwehr zurückgestellten Mann­ schaften drei Prozent der Reserve und Landwehr übersteigen. Auf die Dauer der Gesammt-Dienstzeit hat die Zurückstellung keinen Einfluß. 65. Reichs-, Staats- und Kommunalbeamte, sowie Angestellte der Eisenbahnen, welche der Re­ serve oder Landwehr angehören, dürfen für den Fall einer Mobilmachung oder nothwendigen Verstärkung des Heeres hinter den ältesten Jahr­ gang der Landwehr zurückgestellt werden, wenn ihre Stellen selbst vorübergehend nicht offen ge­ lassen werden können und eine geeignete Vertre­ tung nicht zu ermöglichen ist. 64 62. S. 88 5-8 G. v. 9. Nov. 1867; vgl. auch 8 68 M.-St.-G.-B. Wegen Unterstützung der bedürftigen Familien zum Dienste einberufener Mannschaften der Reserve u. Land­ wehr, sowie der Ersatzreserve, s. unterm 22. Juni 1872; G. v. 27. Febr. 1850 u. 8. April 1868.

Personen des Beurlaubtenstandes und der Ersatzreserve, welche ein geistliches Amt in einer mit Korporationsrechten innerhalb des Bundes­ gebiets bestehenden Religionsgesellschaft bekleiden, werden zum Dienste mit der Waffe nicht heran­ gezogen. 65 Außerdem findet auf dieselben die Bestimmung des ersten Absatzes dieses Para­ graphen Anwendung. 66. Reichs-, Staats- und Kommunalbeamte sollen durch ihre Einberufung zum Militärdienst in ihren bürgerlichen Dienstverhältnissen keinen Nachtheil erleiden. Ihre Stellen, ihr persönliches Diensteinkommen aus denselben und ihre Anciennetät, sowie alle sich daraus ergebenden Ansprüche bleiben ihnen in der Zeit der Einberufung zum Militärdienste gewahrt. Erhalten dieselben Offizierbesoldung, so kann ihnen der reine Betrag derselben auf die Civilbesoldung angerechnet werden; denjenigen, welche einen eigenen Hausstand mit Frau oder Kind haben, beim Verlassen ihres Wohnortes jedoch nur, wenn und soweit das reine Civileinkommen und Militärgehalt zusammen den Betrag von 3600 Mark jährlich übersteigen. Nach denselben Grundsätzen sind pensionirte oder auf Wartegeld stehende Civilbeamte hin­ sichtlich ihrer Pensionen oder Warlegelder zu be­ handeln, wenn sie bei einer Mobilmachung in den Kriegsdienst eintreten. Obige Vergünstigungen kommen nach ausge­ sprochener Mobilmachung auch denjenigen in ihren Civilstellungen abkömmlichen Reichs- und Staatsbeamten zu Gute, welche sich freiwillig in das Heer aufnehmen lassen. 66 Die näheren Bestimmungen bleiben den ein­ zelnen Bundesregierungen 6? überlassen. 67. Mannschaften des Beurlaubtenstandes, welche sich der Kontrole länger als ein Jahr entziehen oder eine Ordre zum Dienste ohne anerkannte Entschuldigung unbefolgt lassen, kön­ nen, abgesehen von der etwa noch anderweit über sie zu verhängenden Strafe, 6« unter Verlänge­ rung ihrer Dienstzeit in die nächst jüngere Jahresklasse versetzt werden. 69 Dauert die Kontrolentziehung zwei Jahre und darüber, so können sie entsprechend weiter zurückversetzt werden. 65. Sie werden im Falle des Bedarfs im „Dienst der Krankenpflege u. Seelsorge verwandt", § 13 Nr. 5 Abs. 2 Theil II Wehr-Ordnung.

66. Abs. 4 ist dnrch Art. 2 G. v. 6. Mai 1880 dem 8 66 hinzugefügt.

63. Bgl. 8 30 Nr. 4 d R.-M.-G. Das Verfahren ist geord­ net durch 88 17-19 (Abschnitt IV „Klassifikations-Verfahren") Theil II Wehr-Ordnung. — Gesuche der Offiziere des Beurlaubtenstandes um Zurückstellung auf Grund dringender häuslicher u. gewerblicher Berhältnisie unterliegen der Be­ gutachtung des Landwehr-Bezirks-Kommandos u. der Ent­ scheidung des General-Kommandos, 8 27 Nr. 2 Abs. 2 Theil II Heer-Ordnung.

67. Bgl. für Preußen namentlich Staatsministerialbeschluß v. 19. Juli 1850 nebst Anlage: Zusammenstellung der Be­ stimmungen über die Behandlung der militärpflichtigen Civilbeamten int Falle ihrer Einberufung zum Kriegsdienste bei einer Mobilmachung der Armee.

64. DaS Verfahren ist geordnet durch 88 20 bis 23 (Ab­ schnitt V „Unabkömmlichkeits-Verfahren") Theil II WehrOrdnung.

69. „Die Entscheidung hierüber steht dem LandwehrBezirks-Kommandeur zu": 8 11 Nr. 4 Abs. 3 Theil I WehrOrdnung ; vgl. auch oben 8 62 Abs. 1 R.-M.-G.

68. Gemäß 8 360 Nr. 3 St.-G.-B., 88 68, 69, 113 M.-St.-G.-B., 8 23 Disziplinarstrafordnung für das Heer v. 31. Okt. 1872.

1874 (2. Mai) 68. Personen des Beurlaubtenstandes, welche nach erfolgter Auswanderung vor vollendetem 31. Lebensjahre wieder naturalisirt werden, treten in denjenigen Jahrgang, welchem sie ohne die stattgehabte Auswanderung angehört haben wür­ den, wieder ein. 69. Die Mannschaften der Ersatzreserve erster Klasse werden den nachfolgenden Bestimmungen unterworfen:70 1) Wegen der Reihenfolge der Einberufung und wegen der Berücksichtigung häuslicher und gewerblicher Verhältnisse im Falle der Einbe­ rufung finden die §§ 63 und 64 auf sie ent­ sprechende Anwendung. 2) Sie haben der Militärbehörde den Wechsel ihrer Wohnung anzuzeigen und geeignete Vor­ kehrungen zu treffen, daß ihnen eine etwaige Einberufungsordre jederzeit richtig zugehen kann. 3) Im Falle eines außerordentlichen Bedürf­ nisses können sie auf Grund Kaiserlicher Verord­ nung zu Kontrolversammlungen einberufen werden. 4) Bei eintretender allgemeiner Mobilmachung haben die im Auslande befindlichen Ersatzreser­ visten erster Klaffe sich unverzüglich in das In­ land zurückzubegeben; von dieser Verpflichtung können sie im entsprechenden Falle des § 59 be­ freit werden. 5) Bei Mobilmachungen und bei beginnender Bildung von Ersatz-Truppentheilen müssen sie der Einberufung sofort Folge leisten; für den Fall der Zuwiderhandlung finden die auf die Personen des Beurlaubtenstandes bezüglichen Vorschriften im dritten Abschnitte des Militär-Strafgesetz­ buchs vom 20. Juni 1872 auf sie Anwendung. 6) Mannschaften der Erfatzreserve erster Klasse, welche sich der ihnen auf Grund des Gesetzes aufer­ legten Kontrole entziehen, werden mit Geldstrafe bis zu sechzig Mark oder Haft bis zu acht Tagen bestraft. Abgesehen von den hiernach zu verhängenden Strafen können sie unter Verlän­ gerung ihrer Dienstpflicht in die nächst jüngere Jahresklasse versetzt werden. Dauert die Kontrolentziehung zwei Jahre und darüber, so wer­ den sie entsprechend weiter zurückversetzt, jedoch niemals über das vollendete 31. Lebensjabr hinaus.

70. Ueber den Begriff der Ersatzreserve s. oben 88 23 ff. R.-M.-G. — Für die Mannschaften, welche wegen hoher Loosnummer oder wegen geringer körperlicher Fehler der Ersatzreserve erster Klaffe überwiesen werden (§ 25 Abs. 1 u. 2 b R.-M.-G.) gelten jetzt die Bestimmungen des § 8 Art. 1 der Novelle v. 6. Mai 1880.

493

7) Mannschaften der Ersatzreserve erster Klasse, welche nach erfolgter Auswanderung vor vollen­ detem 31. Lebensjahre wieder naturalisirt werden, treten in den Jahrgang wieder ein, welchem sie ohne die stattgehabte Auswanderung angehört haben würden.71

8) Außer dem Falle einer besonderen Anord­ nung für die Zeit eines Krieges oder einer Kriegsgefahr (§ 17 des Gesetzes vom 1. Juni 1870, Bundes-Gesetzbl. S. 355) bedürfen sie keiner Erlaubniß zur Auswanderung. Sie sind jedoch verpflichtet, von ihrer bevorstehenden Aus­ wanderung der Militärbehörde Anzeige zu machen. Die Unterlassung dieser Anzeige unterliegt der im § 360 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich angedrohten Strafe.72 73

70. Alle Reichs-, Staats- und Kommunalbe­ hörden sind verpflichtet, in dem Bereiche ihrer gesetzlichen Befugnisse die Militärbehörden bei der Kontrole und bei Regelung der Militärverhält­ nisse der Personen des Beurlaubtenstandes und der Ersatzreserve erster Klasse, insbesondere auch bei Einberufung derselben zum Dienst, zu unter­ stützen. Schlußbestimmungen.

71. Die Ausführungsbestimmungen zu den Ab­ schnitten n, IV und V dieses Gesetzes erläßt der Kaiser. ™ 72. Gegenwärtiges Gesetz kommt in Bayern nach näherer Bestimmung des Bündnißvertrages vom 23. November 1870 (Bundes-Gesetzbl. 1871 S. 9) unter III § 5, in Württemberg nach nähe­ rer Bestimmung der Militärkonvention vom 21/25. November 1870 (Bundes-Gesetzbl. 1870 S. 658) zur Anwendung.

71. Dgl. oben 88 11/ 68 R.-M.-G.

72. Der 8 15 Nr. 1 G. v. 1. Juni 1870 findet auf die Mannschaften der Ersatzreserve erster Klaffe keine Anwen­ dung. Auf den Fall, daß ein Ersatzreservist erster Klaffe auswandert, ohne von seiner bevorstehenden Auswanderung der Militärbehörde Anzeige erstattet zu haben, ist der 8 360 Nr. 3 St-G.-B. durch G. v. 26. Febr. 1876 ent­ sprechend ausgedehnt. Ebenso ist durch G. v. 26. Febr. 1876 in dem 8 140 St.-G.-B. unter Nr. 3 eine neue Strafvor­ schrift ausgenommen wider jeden Wehrpflichtigen, welcher nach öffentlicher Bekanntmachung eines vom Kaiser für die Zeit eines Krieges oder einer Kriegsgefahr erlaffenen be­ sonderen Anordnung in Widerspruch mit derselben aus­ wandert. 73. Die gedachten Ausführungsbestimmungen sind enthal­ ten in der deutschen Wehr-Ordnung v. 28. Sept. 1875 (s. Bem. 20 zu 8 19 G. v. 9. Nov. 1867).

494

1874 (4. Mai — 8. Mai)

4. Mai 1874.

Gesetz, betreffen- die Verhinderung -er unbefugten Ausübung von Lirchenämtern. R.-G.-Bl. S. 43.

§ 1. Einem Geistlichen oder anderen Religions­ diener, welcher durch gerichtliches Urtheil aus seinem Amte entlassen worden ist und hierauf eine Handlung vornimmt, aus welcher hervor­ geht, daß er die Fortdauer des ihm entzogenen Amtes beansprucht, kann durch Verfügung der Landespolizeibehörde der Aufenthalt in bestimm­ ten Bezirken oder Orten versagt oder angewiesen werden. Besteht die Handlung desselben in der ausdrück­ lichen Anmaßung des Amtes, oder in der that­ sächlichen Ausübung desselben, oder handelt er der gegen ihn ergangenen Verfügung der Landes­ polizeibehörde zuwider, so kann er seiner Staats­ angehörigkeit durch Verfügung der Zentralbehörde seines Heimathsstaats verlustig erklärt und aus dem Bundesgebiete ausgewiesen werden. 2. Die Vorschriften des § 1 finden auch auf diejenigen Personen Anwendung, welche wegen Vornahme von Amtshandlungen in einem Kirchen­ amte, das den Vorschriften der Staatsgesetze zu­ wider ihnen übertragen, oder von ihnen über­ nommen ist, rechtskräftig zu Strafe verurtheilt worden sind. 3. In der Verfügung (§§ 1, 2) sind die Gründe der angeordneten Maßregel anzugeben. Behauptet der Betroffene, daß er die ihm zur Last gelegten Handlungen nicht begangen habe, oder daß dieselben den im 8 1 bezeichneten That­ bestand nicht enthalten, so steht ihm binnen acht Tagen nach Zustellung der Verfügung die Beru­ fung auf richterliches Gehör offen. Zuständig ist in denjenigen Bundesstaaten, in welchen ein aus ständigen Mitgliedern zusammen­ gesetzter besonderer Gerichtshof für kirchliche An­ gelegenheiten besteht, dieser Gerichtshof; in den übrigen Bundesstaaten das höchste Gericht für Strafsachen. Das Gericht entscheidet, ob der Berufende eine der im 8 1 bezeichneten Handlungen begangen

hat. Wird festgestellt, daß keine Handlung vor­ liegt, auf Grund deren dieses Gesetz die ange­ fochtene Verfügung für zulässig erklärt, so ist die letztere durch die anordnende Behörde aufzuheben. Die Berufung muß von dem Berufenden in gerichtlich oder notariell beglaubigter Form unter­ zeichnet und dem zuständigen Gericht eingereicht werden. Für das Verfahren kommen die bei dem zustän­ digen Gericht geltenden Vorschriften zur Anwen­ dung. Erforderliche Abänderungen und Ergänzun­ gen derselben werden bis zur gesetzlichen Regelung durch das Gericht festgestellt. Die für den Fort­ gang des Verfahrens gesetzlich vorgeschriebenen Fristen können nach Ermessen des Gerichts abge­ kürzt werden. Die Berufung hätt die Vollstreckung der ange­ fochtenen Verfügung nur dann auf, wenn die letztere den Verlust der Staatsangehörigkeit aus­ gesprochen hat. In diesem Falle kann dem Beru­ fenden bis zur richterlichen Entscheidung der Aufenthalt in bestimmten Bezirken oder Orten versagt oder angewiesen werden. 4. Personen, welche nach den Vorschriften dieses Gesetzes ihrer Staatsangehörigkeit in einem Bundes­ staate verlustig erklärt worden sind, verlieren die­ selbe auch in jedem anderen Bundesstaate und können ohne Genehmigung des Bundesraths in keinem Bundesstaate die Staatsangehörigkeit von neuem erwerben. 5. Personen, welche wegen Vornahme von Amtshandlungen in einem Kirchenamte, das den Staatsgesetzen zuwider ihnen übertragen, oder von ihnen übernommen ist, zur Untersuchung ge­ zogen werden, kann nach Eröffnung der gericht­ lichen Untersuchung durch Verfügung der Landes­ polizeibehörde bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens der Aufenthalt in bestimmten Bezirken oder Orten versagt werden.

8. Mai 1874.

Verordnung des Oberprästdenten, betreffend Ausführung des Gesetzes 16. Vyember 1873 über die Besteuerung der Bergwerke.1

vom

Straßb. Ztg. Nr. 115.

8 1. Die Veranlagung der Bergwerkssteuern erfolgt auf Grund einer Mutterrolle, welche für jeden Bezirk von dem Bergmeister am Anfänge eines jeden Jahres nach dem Schema A anzu­ fertigen ist. In die Mutterrolle sind sämmtliche 1. Vgl. 8 6 das.

in dem Bezirk am Schluffe des vorhergehenden Jahres vorhandene Bergwerke in fortlaufender Nummer einzutragen, unter Angabe: der Lage des Bergwerks; des Namens und Wohnortes des Besitzers oder

Repräsentanten; der Größe des Feldes in Hektaren.

1874 (8. Mai) 2. Der Bergmeister hat behufs Ermittelung der verhältnißmäßigen Bergwerkssteuer von jedem in dem abgelaufenen Jahre in Betrieb gewesenen Bergwerke eine Rechnungsübersicht nach dem hier­ für vorgeschriebenen Schema einzufordern. Die Bergwerksbesitzer oder deren Repräsentanten sind verpflichtet, diese Rechnungsübersichten gehörig auszufüllen und spätestens bis zum i. Mai2 eines jeden Jahres an den Bergmeister einzureichen. 3. Die Rechnungsübersicht muß alle Angaben enthalten, welche erforderlich sind, um eine Ein­ schätzung des steuerpflichtigen Reinertrages des Bergwerks nach den Betriebsresultaten des abge­ laufenen Jahres aussühren zu können. In dieselbe sind daher von dem Bergwerksbesitzer oder dessen Repräsentanten aufzunehmen: 1) Die Produktenrechnung mit vollständiger An­ gabe der Förderung und der Bestände, sowie des Verkaufes und des Selbstverbrauches der Pro­ dukte bis zum Schlüsse des Jahres; 2) Die Geldrechnung und zwar a) in Einnahme: der Erlös für verkaufte Pro­ dukte, der Werth der selbstverbrauchten und ver­ hütteten Produkte, alle sonstigen Einnahmen aus dem Bergwerksbetrieb; b) in Ausgabe: sämmtliche auf den Betrieb, die Produktion, den Absatz und die Verwaltung des Bergwerks verwandten Kosten, sofern dieselben in dem Jahre, für welches die Rechnungsübersicht aufzustellen ist, wirklich verausgabt worden sind. Auszuschließen von diesen Ausgaben sind jedoch folgende Ausgaben, welche bei der Ermittelung des steuerpflichtigen Reinertrages nicht in An­ rechnung kommen: 3t) die für die Erlangung der Konzession oder Verleihung aufgewandten Kosten; ß) die Ausgaben zur Verzinsung von Anleihen, Aktien- und Betriebskapitalien, zur Amortisation und zur Bildung von Reservefonds; T) die Ausgaben, welche lediglich Angelegen­ heiten der einzelnen Bergwerksbesitzer, die Ge­ sellschaftsverhältnisse, die für den Fortgang des Unternehmens nicht unbedingt erforderlichen Kosten der Direktion und Generalkosten, sowie Honorare für Gesellschaftsmitglieder betreffen; o) die Bergwerkssteuern und sonstigen auf das Bergwerksunternehmen fallenden Staatssteuern. Sämmtliche Ausgaben, auch diejenigen, welche nach Vorstehendem bei der Ermittelung des steuer­ pflichtigen Reinertrages nicht in Anrechnung kom­ men, müssen in der Rechnungsübersicht nach den verschiedenen Gegenständen spezifizirt werden; 3) Der Abschluß. In demselben ist der nach den eigenen Annah­ men des Bergwerksbesitzers sich ergebende steuer­ pflichtige Reinertrag für das abgelaufene Jahr anzugeben und sodann dieser Abschluß mit der Unterschrift des Bergwerksbesitzers oder dessen Repräsentanten und dem Datum zu versehen. Anlagen zu der Rechnnngsübersicht sowie etwaige

495

besondere Bemerkungen des Bergwerksbesitzers oder des Repräsentanten sind zugleich mit der Rechnungsübersicht an den Bergmeister einzu­ reichen. 4. Wo die Bergwerksprodukte wesentlich zum Selbstverbrauche durch Verhüttung gelangen, z. B. bei den zu Eisenhütten gehörigen Bergwerken, haben die Besitzer, so lange nicht ein anderwei­ tiges Uebereinkommen über die Werthannahme getroffen ist, unter den Einnahmen denjenigen Preis für die Bergwerksprodukte einzusetzen, welcher nach Analogie benachbarter Werke erzielt sein würde, wenn die Hütte einen anderen Eigen­ thümer hätte. Wo zu einem solchen Nachweise ein bestimmter Anhalt fehlt, ist eine besondere detaillirte Bilanz über die Geschäftsresultate des ganzen Werkes vorzulegen, um aus dieser den Gewinnantheil für den Bergwerksbetrieb nach Verhältniß des ganzen Geschäftsumfanges ermitteln zu können. 5. Wird die Rechnungsübersicht bis zum i. Mai2 des betreffenden Jahres gar nicht oder nicht voll­ ständig eingereicht, so erfolgen die zur Feststellung des steuerpflichtigen Reinertrages erforderlichen Ermittelungen von Amtswegen durch den Berg­ meister. Derselbe ist berechtigt, zu diesem spe­ ziellen Zwecke die Einsicht der Geschäftsbücher auf dem Werke zu verlangen und die erforder­ lichen Auszüge aus denselben zu machen. Sollte die Einsicht der Bücher nicht gestattet oder erschwert werden, oder sollten unrichtige Angaben erfolgen, so hat der Bergmeister nach eigenem Ermessen die Einschätzung des Rein­ ertrages vorzuneymen. 6. Der Bergmeister hat die eingereichten Rech­ nungsübersichten nach Bedürfniß vervollständigen und berichtigen zu lassen. Er hat in die betreffenden Kolonnen der Rech­ nungsübersichten seine eigenen Vorschläge bei der Geldeinnahme, der Geldausgabe und dem Ab­ schlüsse einzutragen und dieselben, soweit sie von den Angaben des Bergwerksbesitzers abweichen, unter dem Abschlüsse näher zu begründen. Aus den Rechnungsübersichten hat der Berg­ meister hiernächst sowohl die Selbsteinschätzung der Bergwerksbesitzer, als auch seine eigene Ein­ schätzung des steuerpflichtigen Reinertrages der Bergwerke in die Mutterrolle zu übertragen. 7. Die Mutterrollen sind mit sämmtlichen Rechnungsübersichten spätestens bis zum 15. Juni 3 eines jeden Jahres dem Oberpräsidenten 4 ein­ zureichen, welcher den Zusammentritt der Steuerermittelungs-Kommissionen. gemäß § 3 des Ge­ setzes vom 16. Dezember 1873 veranlassen wird. 8. Die Steuerermittelungs-Kommission hat die ihr vorgelegten Rechnungsübersichten und dazu 2. 1. August, vgl. B. v. 1. Oktober 1878.

3. 15. September, vgl. B. v. 1. Oktober 1878.

4. Ministerium, § 3 &. ü. 4. Juli 1879.

496

1874 (8. Mai — 11. Mai)

gehörigen^ Nachweise rc. einzeln zu prüfen, auf Grund dieser Prüfung und nach Maßgabe des § 3 der gegenwärtigen Verordnung den Rein­ ertrag der einzelnen Bergwerke protokollarisch festzustellen und denselben sodann in die letzte Kolonne der Mutterrolle einzutragen. 9. Die von der Steuerermittelungs-Kommission abgeschlossene Mutterrolle wird dem Steuerdirektor zur Anfertigung der Steuerrolle nach dem Schema C zugestellt. Die Steuerrolle wird alsdann durch den Oberpräsidenten4 für exekutorisch erklärt und dem Steuerdirektor behufs Einziehung der Beträge durch den Steuerempfänger zurückge­ geben. 10. Für die Anstellung und Behandlung der Reklamationen wegen Freistellung oder Minde­ rung der Bergwerkssteuern (demandes en decharge et en reduction) sowie der Gesuche um Steuererlaß (demandes en remise et en moderation), sind im Allgemeinen die bezüglichen Vorschriften für die direkten Steuern5 6mit fol­ genden Aenderungen maßgebend: 1) Die Reklamationen wegen Freistellung oder Minderung der Steuern sind bei dem Steuer­ direktor anzubringen. Letzterer übersendet diesel­ ben dem Bergmeister, welcher sie zu instruiren und motivirt zu begutachten hat. Hierauf gehen die Verhandlungen an den Steuerdirektor zurück und werden von diesem, mit seinem Gutachten versehen, dem Bezirksrath zur Entscheidung vor­ gelegt. 2) Bei Gesuchen um Steuererlaß 6 wird wie zu Nr. 1 verfahren. Die Entscheidung über dieselben steht jedoch dem Oberpräsidenten4 zu, an wel­

chen daher die Verhandlungen von dem Steuer­ direktor einzusenden sind. Die Einzahlung der nach dem Steuerzettel fälligen Steuerquoten darf durch die Reklamation nicht aufgehalten werden. 11. Anträge auf Bewilligung eines Abonne­ ments für die verhältnißmäßige Bergwerkssteuer (§ 4 des Gesetzes vom 16. Dezember 1873) sind spätestens bis zum 15. April 7 des Jahres, mit welchem das Abonnement beginnen soll, bei dem Bergmeister, unter Beifügung der Rechnungs­ übersicht für das abgelaufene Jahr, einzureichen. Anträge, welche erst nach jenem Zeitpunkte ein­ gehen, können nicht berücksichtigt werden. Das Abonnement soll der Regel nach auf drei Jahre und höchstens auf fünf Jahre bewilligt werden. Die Anträge sind bei der jährlichen Feststellung des steuerpflichtigen Reinertrages der übrigen Bergwerke von der Steuerermittelungs-Kommission mit zu begutachten. Ueber die Bewilligung oder Ablehnung des Abonnements entscheidet sodann der Oberpräsi­ dent nach eigenem Ermessen; ein Anspruch auf Bewilligung eines Abonnements steht dem Berg­ werksbesitzer nicht zu. Beantragt ein Bergwerksbesitzer nach dem Ab­ laufe eines Abonnements die Erneuerung oder Verlängerung desselben, so wird der Oberpräsident diejenigen Rechnungsübersichten aus den vorher­ gehenden Jahren bezeichnen, welche behufs Beur­ theilung des Antrages einzureichen sind. 12. Die Salinen und Steinsalzbergwerke, welche von der Entrichtung der verhältnißmäßigen Berg­ werkssteuer befreit sind, 8 haben Rechnungsüber­ sichten nicht einzureichen.

5. Dgl. Artt. 28 ff. G. v. 21. April 1832 u. Bem. das., bezw. Artt. 24 ff. D. v. 24. Floreal VIII. 6. Dgl. auch Art. 38 G. v. 21. April 1810.

7. 15. Juni, D. v. 1. Oktober 1878. 8. Dgl. Art. 4 G. v. 17. Juni 1840.

11. Mai 1874.

Lekamttmachung des Keichs Kanzlers, betreffen) das Setrirbs-Keglement für die Eisenbahnen Deutschlands. C.-Bl. S. 179.

In Ausführung des Artikels 45 der Reichs­ verfassung hat der Bundesrath des deutschen Reichs an Stelle des Betriebs-Reglements für die Eisenbahnen im Norddeutschen Bunde vom 10. Juni 18701 und der Nachträge zu demselben vom 22. Dezember 1871 und vom 5. August 1872 das nachfolgende

1. In E.-L. eingeführt durch Bkm. des R.-K. v. 22. Dez. 1871 (G.-Bl. 1872 S. 5).

Betriebs-Reglement für die Eisenbahnen Deutschlands

beschlossen.

Die nachstehenden Bestimmungen für die Be2. Die laut Bekanntmachungen des R.-K. v. 6. April 1876 lC.-Bl. S. 223), 7. Dez. 1877 (C.-Bl. S. 633) u. 30. April 1878 (C.-Bl. S. 238), 13. Juli 1879 I C.-Bl. S. 478), 13. Juni 1880 lC.-Bl. S. 452), 1. März 1881 (C.-Bl. S. 83) gebrachten Aenderungen sind im Texte der §§ 44, 48, 50 und Anlage B, C u. D nachgetragen.

1874 (11. Mai) von

förderung

Fahrzeugen

Personen,

und

Thieren,

Reisegepäck,

Leichen,

von

Gütern,

sowie

497

Beschränkung der Verpflichtung zum Transporte. Zahlungsmittel.

Die Beförderung

6.

von

Personen,

Thieren

kommen vom 1. Juli 1874 ab auf sämmtlichen Eisenbahnen Deutschlands im Lokal- und Ber-

und Sachen kann verweigert werden, wenn außer­

bandverkehr, sowie im Bahn zur Anwendung.

gegenstehen,

Verkehr

einzelner

Spezialbestimmungen

Bahn

von

zu

Eisenbahnver­

waltungen oder Eisenbahnverbände haben neben diesem Reglement nur Geltung, wenn sie in die

bezüglichen Tarife ausgenommen

sind,

mit den

Festsetzungen dieses Reglements nicht im Wider­ spruch

stehen,

dieselben vielmehr

oder wenn sie dem Publikum dingungen gewähren.

nur

ergänzen

günstigere Be­

gewöhnliche Hindernisse oder höhere Gewalt ent­

den

auf

Nachbarbahnen gesetzlichen Kurs besitzende Gold-

und Silbergeld, mit Ausschluß der Scheidemünze, zu dem von der Eisenbahnverwaltung festgesetzten und bei jeder Expedition durch Anschlag publi-

zirten Kurse anzunehmen, insoweit der Annahme

II. Beförderung von Personen, Reisegepäck, Leichen, Fahrzeugen und lebenden Thieren,

Pflichten des Dienstpersonals.

a) Beförderung von

§ 1. Das bei den Eisenbahnen angestellte Dienst­ personal ist zu einem bescheidenen und höflichen, aber entschiedenen Benehmen gegen das Publikum,

sowie ferner verpflichtet, sich innerhalb der ihm angewiesenen Dienstgrenzen gefällig zu bezeigen.

Dasselbe hat die ordnungsmäßigen Dienstlei­

zu verrichten; es ist ihm

'strenge untersagt, für solche vom Publikum ein Geschenk anzunehmen.

Dem Dienstpersonal ist das Rauchen während

des dienstlichen Verkehrs mit dem Publikum ver­

Personen.

Fahrpläne. Extrafahrten. Abfahrtszeit.

7. Die Personenbeförderung findet nach Maßgabe

der öffentlich bekannt gemachten und auf allen Stationen ausgehängten Fahrpläne statt, aus denen auch zu ersehen ist, welche Wagenklassen die einzelnen Züge führen.

Extrafahrten werden nur nach dem Ermessen der Verwaltung gewährt. Für den Abgang der Züge sind die auf den

Bahnhöfen befindlichen Stationsuhren maßgebend. Fahrpreise.

boten. Rechte des Dienstpersonals.

2. Den dienstlichen Anordnungen des in Uni­

8. Die Fahrpreise bestimmt der auf allen Sta­ tionen ausgehängte Tarif.

form befindlichen, mit Dienstabzeichen oder mit

einer Legitimation versehenen Dienstpersonals ist das Publikum Folge zu leisten verbunden.

dem Dienstpersonal entscheidet auf den Stationen

der Stationsvorsteher, Zugführer.

während

der

Fahrt der

den

Dienstvor­

Beschwerdeführung.

Beschwerden

können

bei

gesetzten mündlich oder schriftlich angebracht, auch in das auf jeder Station befindliche Beschwerde­ buch eingetragen werden. Die Verwaltung hat

baldmöglichst

auf

alle

Beschwerden zu antworten, welche unter Angabe

des Namens und des Wohnorts des Beschwerde­ führenden

erfolgen.

Dienstthuenden

Beschwerden

müssen

dessen

Billetverkauf. Zurücknahme gelöster BilletS.

9.

Fahrbillets

Der Verkauf der

einen

über

thunlich

genaue

Bezeichnung nach dem Namen oder der Nummer

oder einem Uniformmerkmale enthalten.

(Fahrkarten)

kann aus Stationen von geringerer Frequenz nur innerhalb der letzten halben

Entscheidung von Streitigkeiten.

3. Streitigkeiten zwischen dem Publikum und

4.

die regelmäßigen Transport­

ein gesetzliches Verbot nicht entgegensteht.

I. Allgemeine Bestimmungen.

stungen unentgeltlich

oder

mittel nicht ausreichen. Als Zahlungsmittel ist überall das

tionen

mit größerer

Stunde- auf

Frequenz

Sta­

aber innerhalb

einer Stunde vor Abgang desjenigen Zuges, mit welchem der Reisende befördert sein will, wenn jedoch zwischen zwei nach derselben Richtung abgehenden Zügen eine noch kürzere Zwischenzeit

liegt, nur innerhalb dieser Frist verlangt werden. Diejenigen, welche bis 5 Minuten vor Abgang des

Zuges noch kein

Billet gelöst, haben auf

Verabfolgung eines solchen keinen Anspruch. Das zu entrichtende Fahrgeld ist abgezählt

bereit zu halten, damit Aufenthalt durch Geld­

wechseln vermieden werde.

Die

Fahrbillets

geben Anspruch auf die ent­

sprechende Wagenklaffe, soweit in

diesen Plätze

vorhanden sind, resp, beim Wechseln der Wagen vorhanden bleiben. Wenn einem Reisenden

der

seinem Billet entsprechende Platz nicht angewiesen und ihm auch zeitweilig

Betreten der Bahnhöfe und der Bahn.

ein Platz in einer hö­

5. Das Betreten der Bahnhöfe und der Bahn

heren Klaffe nicht eingeräumt werden kann, so

außerhalb der bestimmungsmäßig dem Publikum

steht es ihm frei, das Billet gegen ein solches

für immer oder zeitweilig geöffneten Räume ist den

der niedrigeren Klasse, in welcher noch Plätze vorhanden sind, und gegen Erstattung der'Diffe­

Bestimmungen des Bahnpolizei-Reglements befug­

renz umzuwechseln oder die Fahrt zu unterlassen

ten Personen, untersagt.

und das bezahlte Fahrgeld zurückzuverlangen.

jedermann,

mit Ausnahme der

III. Band.

dazu nach

32

498

1874 lll. Mai)

Jedenfalls haben die mit durchgehenden Billets

sind. Unterwegs auf Zwischenstationen kann ein

ankommenden Reisenden den Vorzug vor den neu

Uebergehen auf Plätze einer höheren Klaffe nur

Hinzutretenden. Auf der Abgangsstation

gegen Zukauf eines Billets auf die Bestimmungs­

ist

spätestens

stelle, durch dessen Preis, einschließlich desjenigen

20 Minuten vor Abgang des betreffenden Zuges

für das bereits gelöste Billet, der Fahrpreis für

die Bestellung ganzer Kupees oder Wagenabthei­

die höhere Klasse mindestens gedeckt wird, bean­

lungen der ersten zwei Wagenklassen gegen Be­

sprucht werden.

zahlung

vieler

so

bis

Fahrbillets

der

Der Umtausch eines schon gelösten Billets hö­

betreffenden Klasse, als das Kupee Plätze enthält,

herer Klasse gegen ein solches niedrigerer Klasse

höchstens

zulässig.

Zwischenstationen

Auf

Kupees

dann

nur

beansprucht

können

ganze

werden,

wenn

ist nur in dem im § 9 gedachten Falle zulässig. Anweisung der Plätze.

solche unbesetzt in dem ankommenden Zuge vor­

12. Einzelne bestimmte Plätze werden nicht ver­

handen sind.

Für den Fall, daß ein Reisender ein besonderes wird

bezahlt,

Kupee

Schein

ausgestellt.

Anspruch

darauf

Reisenden

Dem

zu,

darüber

demselben

steht

Personen in

mehr

ein kein

das

kauft und können im voraus nicht belegt werden. Das Dienstpersonal ist berechtigt und auf Ver­

langen der Reisenden verpflichtet, denselben ihre Plätze anzuweisen. Allein reisende Damen sollen

Kupee aufzunehmen, als Fahrbillets bezahlt sind.

auf Verlangen möglichst nur mit Damen in ein Kupee zusammengesetzt werden. In jedem Zuge

Fahrbillets und Gültigkeit derselben. Fahrpreis-Ermäßigung für Kinder.

muß sich mindestens je ein Damenkupee für die

10. Das Fahrbillet bezeichnet die

Stationen,

Reisenden der befinden. Bei

zweiten und dritten den nach

Wagenklaffe

amerikanischem

System

verlangt

gebauten Wagen findet die letztere Bestimmung

worden; ferner das Fahrgeld für die Wagen­ klaffe, welche der Reisende benutzen will, insofern

nur mit den durch dieses System gebotenen Mo­

von

und

bis

zu

welchen

die

Fahrt

difikationen Anwendung.

Fahrpreis Balutaschwankungen nicht unter­

der

liegt; endlich die Zeit oder den Zug, wofür das Billet gilt. Die Zeit oder der Zug, wofür jedes

Ausschluß belästigender Personen von der Fahrt.

Fahrbillet gültig, ist durch Abstempelung darauf

13. Personen, welche wegen einer sichtlichen Krankheit oder aus anderen Gründen durch ihre

ausgedrückt, so daß jeder Käufer sofort zu prüfen

Nachbarschaft den Milreisendenaugenscheinlich lästig

im Stande ist, ob das Billet auf die von ihm beabsichtigte Fahrt lautet.

terreise ausgeschloffen werden, wenn sie nicht ein

Den Reisenden ist gestattet, während der Fahrt

besonderes Kupee bezahlen. Etwa bezahltes Fahr­

auf einer Zwischenstation auszusteigen, um mit

nächstfolgenden

geld wird ihnen zurückgegeben, wenn ihnen die Mitreise nicht gestaltet wird. Wird erst unter­

der Bestimmungsstation abgehenden,

wegs wahrgenommen, daß ejn Reisender zu den

einem

am

Tage nach

nämlichen

oder

am

werden würden, können von der Mit- und Wei­

Zuge

vorstehend bezeichneten Personen gehört, so muß

Reisende haben jedoch auf der betreffenden Zwischenstation sofort

er an der nächsten Station, sofern kein besonderes

Kupee bezahlt und für ihn bereitgestellt werden

nach dem Verlassen

kann,

zu

keinem

höheren

Tarifsätze

fahrenden

dahin weiter zu reisen. Solche

vorsteher ihr

des Zuges dem Stations­

Billet vorzulegen und dasselbe mit

dem Vermerke der verlängerten Gültigkeit versehen

Eine Verlängerung der für Retour- und Rundreise-Billets festgesetzten Frist wird hierdurch nicht herbeigeführt.

Kinder unter 10 Jahren werden zu ermäßigten Fahrpreisen befördert.

statt,

so

ausgeschlossen

Weiterbeförderung

ersetzt.

zu lassen.

Finden

von der

werden. Das Fahrgeld sowie die Gepäckfracht werden ihm für die nicht durchfahrene Strecke

Zweifel

über

das Alter

der Kinder

entscheidet der Ausspruch des

bei der

Revision anwesenden obersten Beamten. Für Kinder, die noch getragen werden müssen und ihre Stelle auf ihrer Angehörigen Plätzen

mitfinden, erfolgt keine Zahlung. Umtausch gelöster Fahrbillets.

11. Ein Umtausch gelöster Fahrbillets gegen Billets höherer Klassen ist den Reisenden bis

Wartesäle. Billet- und Gepäck-Expeditionen. Billet-Kontrole.

14. Die Wartesäle sind spätestens eine Stunde, die

Billet- und Gepäck-Expeditionen

auf Stationen

mit größerer Frequenz gleichfalls spätestens eine

Stunde, auf Stationen mit geringerer Frequenz

mindestens eine halbe Stunde vor Abgang eines

jeden Zuges zu öffnen.

Das vom Reisenden gelöste Billet ist auf Ver­ langen bei dem Eintritt in den Wartesaal, sowie beim

Einsteigen

in

den

Wagen

vorzuzeigen.

Während der Fahrt muß der Reisende das Billet bis zur Abnahme desselben bei sich behalten. Der Reisende, welcher ohne gültiges Fahrbillet

betroffen wird, hat für die ganze von ihm zurück­

10 Minuten vor Abgang des Zuges gegen Nach­

gelegte

zahlung der Preisdifferenz unverwehrt, soweit noch Plätze in den höheren Klassen vorhanden

nicht sofort unzweifelhaft nachgewiesen wird, für

die

Strecke

und

ganze vom Zuge

wenn

die

Zugangsstation

zurückgelegte Strecke

das

1874 (11. Mai) Doppelte des gewöhnlichen Fahrpreises, mindestens aber den Betrag von 6 Mark zu entrichten. Der­

499

dann gestattet, wenn der Zugführer die ausdrück­ liche Bewilligung dazu ertheilt. Die Reisenden

jenige Reisende jedoch, welcher in einen Personen­

müssen sich dann sofort von dem Bahngeleise ent­

wagen einsteigt und gleich beim Einsteigen unauf­

fernen, auch auf das erste Zeichen mit der Dampf­

gefordert dem Schaffner oder Zugführer meldet,

pfeife ihre Plätze wieder einnehmen.

daß er wegen Verspätung kein Billet mehr habe

hat, wenn er überhaupt noch zur

lösen können,

Das Zeichen zur Weiterfahrt wird durch ein dreimaliges

Ertönen

der

Dampfpfeife

gegeben.

Mitfahrt zugelaffen wird, worauf er keinen An­

Wer beim dritten Ertönen der Dampfpfeife noch

spruch hat, einen um 1 Mark erhöhten Fahrpreis

nicht wieder eingestiegen ist, geht des Anspruchs

zu zahlen. Wer die sofortige Zahlung verweigert,

auf die Mitreise verlustig.

kann

ausgesetzt werden.

19. Während der Fahrt darf sich niemand seit­

Einsteigen in die Wagen.

15. Das Zeichen zum Einsteigen in die Wagen

wird durch zwei unterschiedene Schläge auf die Glocke gegeben.

Nachdem

das

Abfahrtszeichen durch

Dampfpfeife der Lokomotive gegeben, kann

die nie­

mand mehr zur Mitreise zugelaffen werden. Jeder

Versuch zum Einsteigen und jede

wärts aus dem Wagen biegen, gegen die Thür anlehnen oder auf die Sitze treten. Auf Verlangen auch nur Eines

Reisenden

müssen die Fenster auf der Windseite geschloffen

Versäumung der Abfahrtszeit.

16.

Verhalten während der Fahrt und beim Ein- und Ans­ si eigen.

Hülfeleistung

dazu, nachdem die Wagen in Bewegung

gesetzt

find, ist verboten und strafbar. Dem Reisenden, welcher die Abfahrtszeit ver­ säumt, steht ein Anspruch weder auf Rückerstat­

tung des Fahrgeldes noch auf irgend eine andere Entschädigung zu.

werden. Die Reisenden dürfen zum Ein- und Aussteigen die Wagenthüren nicht selbst öffnen; sie müssen vielmehr das Oeffnen dem Dienstpersonal über­ lassen und dürfen nicht ein- und aussteigen, bevor

der Zug völlig stillsteht. Jeder Reisende muß sich entfernt von den Fahr­ geleisen und Maschinen halten, und niemand darf den Bahnhof in einer andern als der angewiesenen

Richtung verlassen.

Demselben ist jedoch gestattet, auf Grund des gelösten Fahrbillets mit einem am nämlichen oder

nächstfolgenden Tage nach der Bestimmungsstation

Beschädigung der Wagen.

20. Für Zertrümmern von Fenstern besteht eine Entschädigungstaxe, und werden die darin

abgehenden, zu keinem höheren Tarifsätze fahren­

festgesetzten Beträge durch das Dienstpersonal von

den Zuge zu reisen,

dem Schuldigen sofort eingezogen. Dieser darf jedoch Vorzeigung der Taxe verlangen. Auch ist

sofern

er sein Billet ohne

Verzug dem Stationsvorsteher vorlegt und mit Vermerk über die verlängerte

einem

Gültigkeit

die Eisenbahnverwaltung befugt, für Beschmutzen

versehen läßt.

des Innern der Wagen, Zerreißen der Gardinen

Eine Verlängerung der für Retourbillets, sowie für Billets zu Rundreisen und Bergnügungszügen

u. s. w. eine Entschädigung zu fordern und von dem Schuldigen sofort einziehen zu lassen.

festgesetzten

Frist

wird

hierdurch

nicht herbei­ Verspätung der Züge.

geführt. Verhalten auf den Zwischenstationen. Oeffnen und Schließen der Wagenthüren.

Unterbrechung der Fahrt.

21. Verspätete Abfahrt oder Ankunft der Züge

begründen keinen Anspruch gegen die Eisenbahn­

17. Bei Ankunft auf einer Station wird der Name derselben, die Dauer des für sie bestimmten

verwaltung.

Aufenthalts, sowie der etwa stattfindende Wagen­

berechtigt nur zur Rückforderung des für die nicht

wechsel ausgerufen.

Sobald der Wagenzug still­

steht, werden nach der zum Aussteigen bestimmten Seite die Thüren derjenigen Wagen geöffnet,

Eine

ausgefallene

oder

unterbrochene

Fahrt

durchfahrene Strecke gezahlten Fahrgeldes. Wird jedoch in Folge einer nicht durch höhere

Gewalt herbeigeführten Verspätung der Ankunft

welche für die bis zu dieser Station Reisenden

eines Zuges der Anschluß an einen andern Zug

sind. Die Thüren der übrigen Wagen

versäumt, so ist dem mit durchgehenden Billets

bestimmt

werden nur auf Verlangen geöffnet.

Wer auf

den Zwischenstationen

seinen

Platz

verläßt, ohne denselben zu belegen, muß sich, wenn derselbe inzwischen

anderweitig

besetzt ist,

mit

einem andern Platze begnügen.

versehenen Reisenden nach erbrachtem Nachweise, daß er mit dem nächsten zurückführenden Zuge

ununterbrochen zur Abgangsstation zurückgekehrt ist, der bezahlte Preis für die Hinreise sowie der

Preis der Rückreise in der auf der erstern benutzten Wagenklasse zu erstatten.

Außergewöhnliches Anhalten auf freier Bahn.

18. Sollte wegen eingetretener Hindernisse außer­

Der Reisende ist jedoch zur Wahrung des des-

fallsigen Anspruchs

verpflichtet,

denselben unter

halb einer Station längere Zeit angehalten werden

Vorlegung seines Fahrbillets sogleich nach Ankunft

müssen, so ist ein Aussteigen der Reisenden nur

des verspäteten Zuges dem Stationsvorsteher an-

1874 (11. Mai)

500

zumelden. Letzterer hat hierüber, der Stations­

Fahrgeldes von der Mit- und Weiterreise ausge­

vorsteher der Abgangsstation über die Zeit der

schlossen.

Rückkunft eine Bescheinigung zu ertheilen.

zum

Wenn Elementar-Ereignisse ober andere Hinder­ nisse die Fahrt auf einer Strecke der Bahn unzu­

Namentlich

Mitfahren und

dürfen trunkene zum

Personen

in

Aufenthalte

Wartesälen nicht zugelassen und

den

müssen ausge­

wiesen werden, wenn sie unbemerkt dazu gelangten.

lässig machen, so muß für die Weiterbeförderung

Erfolgt die Ausweisung unterwegs, oder werden

bis zur fahrbaren Strecke mittels anderer Fahr­

die betreffenden Personen zürückgewiesen, nachdem

gelegenheiten nach Thunlichkeit so lange gesorgt

sie ihr Gepäck bereits der Expedition übergeben

werden, bis für jeden einzelnen Fall eine beson­

haben, so haben sie keinen Anspruch darauf, daß

dere Anordnung getroffen sein wird. Die Reisenden

ihnen dasselbe anderswo,

können jedoch nicht verlangen, daß die Weiterbe­

wohin es expedirt worden, wieder verabfolgt wird.

als auf der

Station,

förderung mittels anderer Fahrgelegenheiten um die für die Fahrt auf der Eisenbahn erledigten

b) Beförderung des Reisegepäcks. Begriff des Reisegepäcks.

Gebühren von letzterer besorgt werde.

Betriebsstörungen

sind

Zugverspätungen

und

auf den Stationen durch Anschlag an einer dem Publikum leicht zugänglichen Stelle in deutlich

24.

Als

Reisegepäck wird in der Regel nur

was der Reisende zu seinem und seiner Angehö­ rigen Reisebedürfnisse mit sich führt, namentlich

erkennbarer Weise sofort bekannt zu machen.

Koffer, Mantel- und Reisesäcke, Hutschachteln, kleine Kisten und dergleichen, befördert; größere

Mitnahme von Hunden re. Tabackrauchen. Mitnahme feuer­ gefährlicher Gegenstände.

kaufmännisch

22. Hunde und. andere Thiere dürfen in den

Personenwagen nicht mitgeführt werden.

Ausge­

nommen hiervon sind jedoch kleine Hunde, welche

auf dem Schooße getragen werden, sofern gegen deren Mitnahme von den Mitreisenden desselben Kupees Einspruch nicht erhoben wird.

Das Tabackrauchen ist in allen Wagenklassen gestattet; in der I. Wagenklasse jedoch nur unter

Zustimmung aller in demselben Kupee Mitreisenden,

verpackte

müssen

Kupees

zweiter

thunlich

und wo

auch

Tonnen,

sowie

Gegenstände

können

ausnahmsweise

zugelaffen

werden. Gegenstände, welche von der Beförderung als Frachtgut sowie nach § 22 Absatz 3 von der

Mitnahme in die Personenwagen ausgeschlossen sind, dürfen auch als Reisegepäck nicht aufgegeben

werden, bei Vermeidung der im 8 48 festgesetzten Folgen. Art der Verpackung.

insofern nicht besondere Rauchkupees dieser Klasse im Zuge vorhanden sind. In jedem Personenzuge

Kisten,

andere nicht zu den Reisebedürsnissen zu rechnende

Entfernung älterer Post- und Eisen­ bahnzeichen.

25. Reisegepäck, welches nicht sicher und dauerhaft verpackt ist, kann zurückgewiesen werden. Die

vorhanden sein.

Gepäckstücke müssen von älteren Post- und Eisen­

Die Tabackspfeifen müssen mit Deckeln versehen

bahnzeichen befreit sein. Ist dieß nicht der Fall

sein.

und findet in Folge dessen eine Verschleppung des Gepäcks statt, so kommt die Eisenbahn für den

dritter Klaffe für Nichtraucher

Feuergefährliche Gegenstände, sowie alles Ge­

päck, welches Flüssigkeiten und andere Gegenstände

daraus erwachsenen Schaden nicht auf.

enthält, die auf irgend eine Weise Schaden ver­

Einlieferung des Gepäcks.

ursachen können, insbesondere geladene Gewehre, Schießpulver, leicht entzündbare Präparate und

26. Die Mitnahme des Gepäcks, spätestens 15 Minuten

andere Sachen gleicher Eigenschaft, dürfen in den

unter Vorzeigung des Fahrbillets in die Gepäck-

Personenwagen nicht mitgenommen werden.

Expedition eingeliefert ist, kann nicht beansprucht

Eisenbahn-Dienstpersonal

dieser

Das

sich

in

Beziehung die nöthige Ueberzeugung

zu

ist

berechtigt,

welches nicht

vor Abgang

des Zuges

werden.

Wird ausnahmsweise unter Vorbehalt späterer

verschaffen. Der Zuwiderhandelnde haftet für allen

Expedirung in dringenden

aus der Uebertretung des obigen Verbots an dem

unexpedirt mitgenommen, so wird solches bis zum

ftemden Gepäck oder sonst entstehenden Schaden

Zeitpunkt der Expedirung als

und verfällt außerdem in die durch das Bahn-

polizei-Reglement bestimmte Strafe.

aufgegeben nicht angesehen. Dasselbe gilt für die Annahme von Reisegepäck

Jägern und im öffentlichen Dienste stehenden Personen ist jedoch die Mitführung von Hand-

auf Haltestellen.

munition gestattet.

des Nachtheils, daß die Beförderung unterbleibt,

Der Lauf eines

mitgeführten

Gewehrs muß

Fällen zum

Gepäck auch Transport

Die Gepäckfracht muß sofort, bei Vermeidung berichtigt werden.

nach oben gehalten werden. Mitnahme von Handgepäck. Ausschluß trunkener oder renitenter Personen von der Fahrt.

23.

Wer

die

vorgeschriebene

Ordnung

nicht

27. Kleine leicht tragbare Gegenstände können^

beobachtet, sich den Anordnungen des Dienstper­ sonals nicht fügt, oder sich unanständig benimmt,

wenn die Mitreisenden dadurch nicht belästigt werden, von den Reisenden in den Wagen mit­ geführt werden, sofern Zoll- und Steuervorschristen

wird ohne Anspruch auf den Ersatz des bezahlten

solches gestatten.

Für solche in den Wagen mit-

501

1874 (11. Mai) genommene Gegenstände werden Gepäckscheine nicht ausgegeben; sie sind von den Reisenden selbst zu beaufsichtigen. Unter denselben Voraussetzungen ist Reisenden IV. Klasse auch die Mitführung von Handwerks­ zeug, Tornistern, Tragelasten in Körben, Säcken, Kiepen rc. und anderen Gegenständen, welche Fuß­ gänger bei sich führen, nach Entscheidung des Stationsvorstandes gestattet. Gepäckschein und Auslieferung des Gepäcks.

28. Gegen Einlieferung des Gepäcks, wobei die Vorzeigung des Fahrbillets verlangt werden kann, erhält der Reisende einen Gepäckschein. Dem In­ haber dieses Scheins, dessen Legitimation die Ver­ waltung zu prüfen nicht verpflichtet ist, wird das

Gepäck nur gegen Rückgabe des Scheins, welche die Bahnverwaltung von jedem weiteren Ansprüche befreit, ausgeliefert. Der Inhaber des Gepäckscheins ist berechtigt, nach Ankunft des Zuges, zu welchem das Gepäck zum Transport aufgegeben ist, am Bestimmungs­ orte die sofortige Auslieferung des Gepäcks nach Ablauf der zur ordnungsmäßigen Ausladung und Ausgabe, sowie zur etwaigen steueramtlichen Ab­ fertigung erforderlichen Zeit im Lokal der Gepäck­ expedition zu verlangen. Will derselbe die sofortige Auslieferung des Gepäcks nicht erwarten, so kann er dasselbe innerhalb 24 Stunden nach dessen Ankunft in bestimmten Expeditionsstunden gegen Rückgabe des Scheins in der Gepäckexpedition abfordern oder abfordern lassen. Wird das Gepäck innerhalb 24 Stunden nicht abgeholt, so ist für dasselbe das vorgeschriebene Lagergeld zu ent­ richten. In Ermangelung des Gepäckscheins ist die Verwaltung zur Aushändigung des Gepäcks nur nach vollständigem Nachweise der Empfangs­ berechtigung gegen Ausstellung eines Reverses und nach Umständen gegen Sicherheit verpflichtet. In der Regel soll das Gepäck nur auf der Station verabfolgt werden, wohin es ausgenommen ist. Insofern Zeit und Umstände, sowie Zoll- und Steuervorschriften dies gestatten, kann jedoch auf Verlangen des Reisenden das Gepäck auch auf einer vorliegenden Station zurückgegeben werden. In einem solchen Falle hat der Reisende bei der Auslieferung des Gepäcks den Gepäckschein zurück­ zustellen und das Fahrbillet vorzuzeigen. Haftpflicht der Eisenbahn für Reisegepäck.

29. Die Eisenbahn haftet von dem Zeitpunkte der Aushändigung des Gepäckscheins ab für die richtige und unbeschädigte Ablieferung der Gepäck­ stücke, und zwar im Allgemeinen nach den in Abschnitt in (Beförderung von Gütern) enthal­ tenen Bedingungen und Abreden, soweit solche auf die Beförderung von Reisegepäck anwendbar sind, insbesondere aber nach folgenden Grundsätzen: a) Ist von dem Reisenden ein höherer Werth nicht deklarirt, so wird im Falle des Verlustes

oder der Beschädigung der wirklich erlittene Schaden vergütet; dieser kann jedoch in einem höheren Betrag als mit 12 Mark für jedes Kilo­ gramm nach Abzug des Gewichts des unversehrten Inhalts des blos beschädigten Gepäckstücks nicht beansprucht werden. b) Ist von dem Reisenden ein höherer Werth deklarirt, so wird mit der Gepäckfracht ein Fracht­ zuschlag erhoben, welcher für jede wenn auch nur angefangenen 150 Kilometer, die das Gepäck Don der Absende- bis zur Bestimmungsstation zu durch­ laufen hat, im Minimum 0,20 Mark beträgt und 2 pro Mille der ganzen deklarirten Summe nicht übersteigen darf. Die Werthdeklaration hat nur dann eine rechts­ verbindliche Wirkung, wenn sie von der Expedi­ tion der Abgangsstation im Gepäckschein einge­ schrieben ist. c) Die Verwaltung ist von jeder Verantwort­ lichkeit für den Verlust von Reisegepäck ftei, wenn es nicht innerhalb acht Tagen nach Ankunft des Zuges (§ 28) auf der Bestimmungsstation abge­ fordert wird. Der Reisende, welchem das Gepäck nicht über­ liefert werden würde, kann verlangen, daß ihm auf dem Gepäckschein Tag und Stunde der ge­ schehenen Abforderung des Gepäcks von der GepäckExpedition bescheinigt werde. Für den Verlust und die Beschädigung von Reisegepäck, welches von dem Reisenden nicht zum Transport aufgegeben worden ist, insbesondere für den Verlust und die Beschädigung der in den Wagen mitgenommenen Gegenstände (§§ 26, 27), wird nur Gewähr geleistet, wenn ein Verschulden der Bahnverwaltung oder ihrer Leute nachgewiesen ist. In Verlust gerathene Gepäckstücke.

30. Fehlende Gepäckstücke werden erst nach Ab­ lauf von drei Tagen nach der Ankunft des Zuges, zu welchem dieselben aufgegeben sind, auf der Bestimmungsstation des Reisenden als in Ver­ lust gerathen betrachtet, und ist der Reisende erst dann befugt, mit Ausschluß aller weiteren Ent­ schädigungsansprüche desselben, die Zahlung der im § 29 bestimmten Garantiesumme zu fordern. Falls das verloren gegangene Gepäckstück später gefunden wird, ist hiervon der Reisende, sofern sein Aufenthalt zu ermitteln ist, ungeachtet der Empfangnahme der Entschädigung, zu benachrich­ tigen und kann derselbe innerhalb vier Wochen nach erhaltener Nachricht verlangen, daß ihm das Gepäckstück gegen Rückerstattung des für den Ver­ lust erhaltenen Schadensersatzes und zwar nach seiner Wahl entweder am Bestimmungsorte oder ftachtfrei am Aufgabeort verabfolgt werde. Haftpflicht der Eisenbahn für versäumte Lieferungszeit.

31. Die Haftpflicht der Eisenbahn für Versäu­ mung der Lieferungszeit (§ 28) richtet sich nach folgenden Bestimmungen:

502

1874 (11. Mai)

1) Der für Versäumung der Lieferungszeit zu leistende Ersatz des nachzuweisenden Schadens, sobald solcher überhaupt eintritt, kann nur im Betrage von 0,20 Mark für jedes Kilogramm des ausgebliebenen Gepäcks und jeden augefangenen Tag der Bersäumniß bis dahin, daß das Gepäck als in Verlust gerathen anzusehen ist (§ 30), beansprucht werden. Will der Reisende die Höhe des wegen verspäteter Lieferung zu leistenden Schadensersatzes als die Höhe des Interesses an der rechtzeitigen Lieferung sich sichern, so hat er die desfallfige Erklärung mindestens eine halbe Stunde vor Abgang des Zuges, mit welchem die Beförderung geschehen soll und nach den Betriebsvorschriften geschehen kann, in der Gepäckexpedition abzugeben. Sie hat nur dann rechtsverbindliche Wirkung, wenn sie von dieser im Gepäckschein vermerkt ist. Die hierfür zu entrich­ tende Vergütung darf 2 pro Mille der angege­ benen Interesse-Summe für jede angefangenen 150 Kilometer, welche das Gepäck von der Absendebis zur Bestimmungs-Station zu durchlaufen hat, mit einem Minimalbetrage von 1 Mark und unter Abrundung der zu entrichtenden Beträge auf 0,10 Mark nicht übersteigen. Dagegen wird den Reisenden als Schadensersatz für die verspätete Lieferung derjenige Betrag desselben von der Ei­ senbahn geleistet, welcher innerhalb des deklarirten Betrages nachgewiesen werden kann. 2) Die Eisenbahn ist von der Haftung für den Schaden, welcher durch Versäumung der Liefe­ rungszeit entstanden ist, befreit, sofern sie beweist, daß sie die Verspätung durch Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht

habe abwenden können. Gepäckträger.

32. Auf denjenigen Stationen, wo sich Gepäck­ träger befinden, können die Reisenden sich der­ selben, jedoch ohne Verantwortlichkeit der Ver­ waltung, für den von der Eisenbahn nicht über­ nommenen Transport des Gepäcks nach und von den Lokalen der Gepäck-Expeditionen bedienen. Die Gepäckträger sind durch die Dienstabzeichen erkennbar und mit einer gedruckten Dienstanwei­ sung versehen, welche sie, sowie die gedruckte Ge­ bührentaxe, im Dienste bei sich führen und auf Verlangen vorzeigen müssen. Sie haben eine mit der Nummer des Gepäckträgers versehene Marke bei Empfangnahme des Gepäckscheines zu verab­ folgen. Auf größeren Stationen müssen Einrichtungen bestehen, welche es dem Reisenden ermöglichen, sein Gepäck ohne Verantwortlichkeit der Verwal­ tung einem Bahnbediensteten (Portier) gegen eine festgesetzte Gebühr zur vorübergehenden Aufbe­ wahrung zu übergeben. Zurückgelaflene Gegenstände.

33. Alle im örtlichen Bezirk der Bahnverwal­ tung oder in den Wagen zurückgelassenen, an die

Eisenbahn abgelieferten Gegenstände werden min­ destens 3 Monate lang aufbewahrt. Erst nach Ablauf dieser Frist wird mit denselben nach Maßgabe der bei den einzelnen Bahnen darüber bestehenden Bestimmungen verfahren. Gegenstände, welche dem Verderben ausgesetzt sind, können bestmöglichst verkauft werden, sobald deren Verderben zu befürchten steht, und wird in diesem Falle der Erlös bis zum Ablauf der fest­ gesetzten Frist zur Disposition des Berechtigten gehalten. Im übrigen unterliegen dergleichen gefundene Gegenstände der in den gesetzlichen Vorschriften vorgezeichneten Behandlung.

c) Beförderung von Leichen. Beförderungs-Bedingungen.

34. Der Transport einer Leiche muß, wenn er von der Ausgangsstation des Zuges erfolgen soll, wenigstens 6 Stunden, auf einer Zwischenstation mindestens 12 Stunden vorher angemeldet werden. Die Leiche muß in einem Sarge luftdicht ein­ geschloffen und dieser von einer hölzernen Kiste umgeben sein. Der Transport kann auch im Leichenwagen stattfinden. Der Leiche muß ein Begleiter beigegeben werden, welcher ein Fahrbillet zu lösen hat. Bei der Aufgabe muß der vorschriftsmäßige Leichenpaß beigebracht werden, welchen die Eisen­ bahn übernimmt und bei Ablieferung der Leiche zurückstellt. Die tarifmäßigen Transportgebühren müssen bei der Aufgabe entrichtet werden. Wer unter falscher Deklaration Leichen zur Beförderung bringt, hat außer der Nachzahlung der verkürzten Fracht vom Abgangs- bis zum Bestimmungsorte das Vierfache dieser Fracht­ gebühr als Konventionalstrafe zu entrichten. Innerhalb 6 Stunden nach Ankunft des Zuges auf der Bestimmungsstation muß die Leiche ab­ geholt werden, widrigenfalls sie nach der Ver­ fügung der Ortsobrigkeit beigesetzt wird. ä) Beförderung von Equipagen und anderen Fahrzeugen. Annahme und Beförderung. Einlieferungszeit.

35. Equipagen und andere Fahrzeuge werden nur auf und nach den zu deren Annahme bestimmten Stationen zur Beförderung angenommen. Sie müssen zwei Stunden vor Abgang des Zuges angemeldet und spätestens eine Stunde vorher zur Expedition aufgeliefert werden. Auf Zwischen­ stationen kann auf eine sichere Beförderung der­ selben mit dem vom Versender gewünschten Zuge nur dann gerechnet werden, wenn sie 24 Stunden vorher angemeldet worden. Equipagen und andere Fahrzeuge mit den Eil­ und Schnellzügen zu befördern, ist die Eisenbahn nicht gehalten. Die Reisenden dürfen während der Fahrt nicht

in ihren Equipagen bleiben.

1874 (11. Mai) Auslieferung.

36. Nach Ankunft auf der Bestimmungsstation wird gegen Rückgabe der etwa ertheilten Quittung die Equipage oder das Fahrzeug ausgeliefert und muß spätestens innerhalb 2 Stunden abgeholt werden, wenn die Ankunft bis Abends 6 Uhr erfolgt. Trifft dagegen der Zug auf der Bestim­ mungsstation erst später ein, so läuft diese Frist erst von Morgens 6 Uhr des folgenden Tages an. Für jede Stunde längeren Verweilens ist die Verwaltung ein Standgeld zu fordern berechtigt. Belastung von Reisegepäck rc. in den Equipagen.

37. Den Begleitern der Equipagen und Fahr­ zeuge steht es frei. Reisegepäck (§ 24) in demselben zu belassen, sofern nicht Zoll- und Steuervor­ schriften entgegenstehen (siehe § 38). Haftpflicht der Eisenbahn für Fahrzeuge.

38. Die Eisenbahn haftet für die beförderten Equipagen und Fahrzeuge nach den für den Güterverkehr geltenden Bedingungen und Abreden, soweit sie auf den Gegenstand anwendbar sind. Sie hastet aber nicht für denjenigen Schaden, welcher aus der Gefahr entstanden ist, deren Ab­ wendung durch die von ihr vorgeschriebene oder von dem Versender freiwillig übernommene Be­ gleitung bezweckt wird. Dabei gilt als bedungen, daß bei Verfolgung von Enschädigungs-Ansprüchen, für Verlust oder Beschädigung der der Schadensberechnung nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu Grunde zu legende Werth den vom Aufgeber deklarirten Werth nicht übersteigen soll. Eine solche Werthangabe ist nur für die Equi­ page oder für das Fahrzeug selbst, nicht für die darin befindlichen Gegenstände (§ 37) zulässig. In Bezug auf letztere haftet die Eisenbahn nicht für den Schaden, welcher aus der Gefahr entstanden ist, deren Abwendung durch die Be­ gleitung bezweckt wird, für Schäden anderer Art aber nur, wenn ein Verschulden der Bahnver­ waltung oder ihrer Leute nachgewiesen ist. Ist Werthangabe gewählt, so wird der im Tarif angegebene Transportpreis der Equipage oder des Fahrzeuges um einen bestimmten Satz erhöht. Dieser Satz darf 1 pro Mille der für jedes Fahrzeug deklarirten ganzen Summe für jede angefangenen 150 Kilometer der ganzen Transportstrecke mit einem Minimalbetrage von 0,10 Mark und Abrundung des zu entrichtenden Betrages auf 0,10 Mark nicht übersteigen. Ist Werthangabe nicht erfolgt, so gilt als bedungen, daß der nach den gesetzlichen Bestimmungen zu

ermittelnde und zu ersetzende Werth jedes Fahr­ zeuges, einschließlich der darin befindlichen Gegen­ stände, weder in Verlust- noch in Beschädigungs­ fällen den Betrag von 900 Mark übersteigen soll. Die Angabe eines höheren Werths als 900 Mark für eine unter Begleitung versendete Equipage hat nur dann eine rechtsverbindliche Wirkung,

503

wenn sie von der Expedition der Abgangsstation im Transportscheine vermerkt ist; die Angabe eines höheren Werths der ohne Begleitung ver­ sendeten Equipagen erfolgt nach den für Fracht­ güter gegebenen Vorschriften (§ 68). Lieferungszeit.

39. Der Transport begleiteter Equipagen und anderer Fahrzeuge, welche mit den Personenzügen befördert werden, geschieht mit dem Zuge bis zur Bestimmungsstation, zu welchem sie aufgegeben sind; sofern sie aber unterwegs aus einem Zuge in einen anderen übergehen müssen, brauchen sie erst mit dem nächstfolgenden Personenzuge einzu­ treffen. Die Lieferungszeit für alle anderen Equipagen und Fahrzeuge ist die für gewöhnliches Gut vor­ gesehene. Die Haftpflicht für den durch Versäumung dieser Lieferfrist entstandenen Schaden erstreckt sich der Regel nach nicht weiter, als auf Zahlung von höchstens 30 Mark für jede ausgebliebene Equipage und jeden angefangenen Tag der Bersäumniß. Die Deklaration eines höheren Inte­ resses der rechtzeitigen Lieferung begleiteter Equipagen und anderer Fahrzeuge hat nur dann eine rechtsverbindliche Wirkung, wenn sie von der Expedition der Abgangsstation im Transport­ scheine vermerkt ist; für Equipagen ohne Beglei­ tung erfolgt die Deklaration nach den für Fracht­ güter gegebenen Vorschriften. In beiden Fällen wird ein Frachtzuschlag erhoben, welcher für jede 7,5 Kilometer und für jede angefangenen 60 Mark der ganzen deklarirten Summe 0,5 Pfennig unter Abrundung auf 0,10 Mark mit einem Minimalsatz von 0,30 Mark nicht übersteigen darf. e) Beförderung von lebenden Thieren. Annahme. Ein- und Ausladen. Ausschließung kranker nnd wilder Thiere.

40. Lebende Thiere werden nur auf und nach den zu deren Annahme bestimmten Stationen zur Beförderung angenommen. Der Absender bezw. Empfänger muß das Ein- und Ausladen in die Wagen und aus denselben, sowie die zur Befesti­ gung der Thiere erforderlichen Mittel und das Anbinden selbst besorgen oder besorgen lassen, sich auch von der sicheren Anlegung der Thiere selbst

überzeugen. Kranke Thiere werden zur Beförderung nicht angenommen. Inwiefern der Transport von Thieren wegen der Gefahr einer Verschleppung von Seuchen ausgeschlossen ist, richtet sich nach den bestehenden Sanitätsvorschriften. Zum Transport wilder Thiere ist die Eisen­ bahn nicht verpflichtet. Bei der Beförderung anderer lebender Thiere ist die Eisenbahnverwaltung Begleitung zu fordern berechtigt. Die Begleiter haben — sofern der

1874 (11. Mai)

504

Stationsvorstand nicht Ausnahmen zuläßt — ihren Platz in den betreffenden Viehwagen zu nehmen und die Beaufsichtigung des Viehes während des Transports zu bewirken. Bei kleinem Vieh, ins­ besondere Geflügel, wenn es in tragbaren gehörig verschlossenen Käfigen (luftigen und hinlänglich geräumigen Behältern) aufgegeben wird, bedarf es der Begleitung nicht. Beförderung von Hunden.

41. Die Beförderung der Hunde geschieht in abgesonderten Behältnissen. Der Transportpreis muß bei der Aufgabe des Hundes gegenLösung eines Scheines bezahlt werden, gegen dessen Zurücklieferung nach beendigter Fahrt der Hund verabfolgt wird. Hunde, welche nach Ankunst auf der Bestimmungsstation nicht sofort abgeholt werden, zu verwahren, ist die Verwal­ tung nicht verpflichtet. Diese Bestimmungen finden jedoch nur auf solche Hunde Anwendung, welche als Begleiter von Passagieren mit Personenzügen befördert werden, andernfalls gelten für die Beförderung von Hunden ebenfalls die allgemeinen Vorschriften der §§ 40 und 43. Beförderung von Pferden.

42. Mit welchen Zügen und in welcher Zahl die Beförderung von Pferden stattfindet, hängt von dem Ermessen der Eisenbahn ab. Die Pferde müssen wenigstens eine Stunde vor Abgang der Züge zur Einbringung in die Wagen bereit stehen. Wenn der Zug irkder Nacht oder des Morgens früh vor 7 Uhr abgeht, müssen die Pferde bis 8 Uhr Abends angemeldet werden. Auf die Versendung von Zwischenstationen ab kann mit Sicherheit nur im Falle vorheriger Verständigung mit dem Stationsvorstande gerechnet werden. Bei der Ankunft am Bestimmungsorte werden die Pferde gegen Rückgabe der etwa ausgestellten Beförderungsscheine ausgeliefert, das Abführen derselben muß spätestens eine Stunde nach der Ankunft auf dem Bahnhöfe geschehen. Mit Ablauf dieser Frist ist, selbst wenn die Pferde im Freien auf dem Bahnhöfe stehen bleiben, die Eisenbahnverwaltung ein Standgeld zu erheben berechtigt. Der Fahrpreis der Pferde ist am Abgangsorte zu entrichten. Beförderung von anderen Thieren.

43. Die Quantität der gleichzeitig zu beför­ dernden sonstigen Thiere, sowie die Züge, mit welchen sie zu befördern, bestimmt die Eisenbahn. Namentlich hängt die Mitnahme einzelner Stücke davon ab, ob paßlicher Raum vorhanden ist und kann daher im voraus nicht zugesichert werden. Der Fahrpreis ist am Absendungsorte zu erlegen. Die Thiere müssen zwei Stunden vor Abgang des Zuges auf den Bahnhof gebracht und, wenn

der Zug in der Nachtzeit oder des Morgens vor 7 Uhr abgeht, bis 8 Uhr Abends vorher ange­ meldet werden. Bei der Ankunft an dem Bestim­ mungsorte werden die Thiere gegen Rückgabe der Beförderungsscheine ausgeliefert; das Ausladen und Abtreiben muß spätestens zwei Stunden nach Ankunft auf dem Bahnhöfe geschehen. Nach Ablauf dieser Frist ist die Eisenbahnverwaltung berechtigt, die Thiere auf Gefahr und Kosten des Versenders in Verpflegung zu geben oder ein Standgeld zu erheben, falls sie dem Vieh einen ferneren Aufenthalt auf dem Bahnhöfe gestattet. Haftpflicht der Eisenbahn für Thiere.

44. Die Haftpflicht der Eisenbahn für Verlust und Beschädigung zur Beförderung übernommener Hunde, Pferde und sonstiger lebender Thiere richtet sich nach den für den Güterverkehr im Abschnitt HI enthaltenen Vertragsbedingungen, soweit solche auf den Transport von Thieren an­ wendbar sind. Die Eisenbahn haftet aber nicht für den Schaden, welcher aus der mit dem Transporte der Thiere für dieselben verbundenen besonderen Gefahr entstanden ist; sie leistet daher insbesondere keinen Ersatz, wenn der Verlust oder die Beschä­ digung durch Entspringen, Fallen, Stoßen, Er­ sticken oder aus sonstigen Ursachen beim Einladen, Ausladen, während des Transportes oder beim Aufenthalt auf dem Bahnhöfe entstanden ist. Auch haftet sie nicht für den Schaden, welcher aus der Gefahr entstanden ist, deren Abwendung durch die (§ 40) geforderte Begleitung bezweckt wird. Dahin sind alle Gefahren zu- rechnen, welche nicht aus einer von der Eisenbahn zu vertretenden Beschädigung des zum Transport benutzten Fahr­ zeuges entstehen, namentlich auch diejenigen, welche durch gehörige Beaufstchtigung, Wartung und Fütterung der Thiere während des Transportes abgewendet werden können. Tritt Ersatzpflicht ein, so bilden, sowohl in Verlust- wie in Beschädigungsfällen, der vom Aufgeber deklarirte Werth, falls aber eine solche Werthangabe nicht erfolgt ist, die folgenden Be­ träge die Maximalentschädigungssätze: 600 Mark für ein Pferd, 200 „ „ ein Füllen bis zu einem Jahr, 300 „ „ einen Mastochsen, 200 „ „ ein Haupt Rindvieh, 25 „ „ ein Kalb bis zu einem Jahr, 90 „ „ ein Mastschwein, 35 „ „ ein mageres Schwein, 10 „ „ ein Ferkel bis zu 3 Monaten, 20 „ „ ein Schaf oder eine Ziege, 10 „ „ einen Hund, 100 „ „ 100 Kilogramm sonstiger Thiere.

Ist Werthangabe gewählt, so ist neben dem tarifmäßigen Transportpreise ein Zuschlag zu bezahlen, welcher 1 pro Mille der ganzen deklarirten Summe für jede angefangenen 150 Kilo-

1874 (11. Mai) meter der ganzen Transportstrecke mit einem Minimalbetrage von 0,10 Mark und Abrundung des zu entrichtenden Betrages auf 0,10 Mark nicht übersteigen darf. Die Angabe eines höheren Werthes hat nur dann eine rechtsverbindliche Wirkung, wenn sie entweder (nämlich in Fällen, wo die Beförderung mittels Frachtbriefes erfolgt) auf der Adreßseite des Frachtbriefes an der dazu bestimmten Stelle durch den Versender mit Buchstaben eingetragen oder auf dem Transportscheine durch die Expe­ dition der Abgangsstation vermerkt ist. Lieferungszeit.

45. Die Lieferungszeit ist, je nachdem die Be­ förderung mit Personen- oder mit Güterzügen geschieht, die für Eilgut oder für gewöhnliches Gut, und berechnet sich nach den im Abschnitte III enthaltenen Bestimmungen, welche auch für die Folgen versäumter Lieferungszeit maßgebend sind. Die Auslieferung von Pferden und Hunden, welche mit Personenzügen befördert werden, kann jedoch in der § 28 Alinea 2 für Gepäck bestimm­ ten Frist verlangt werden. Die Deklaration eines höheren Interesses an der rechtzeitigen Lieferung hat nur dann eine rechtsverbindliche Wirkung, wenn sie entweder (nämlich in Fällen, wo die Beförderung mittels Frachtbriefs erfolgt) auf der Adreßseite des Frachtbriefes an der dazu bestimm­ ten Stelle durch den Versender mit Buchstaben eingetragen oder auf dem Transportscheine durch die Expedition der Abgangsstation vermerkt ist. In beiden Fällen wird ein Frachtzuschlag er­ hoben, welcher für jede 7,5 Kilometer und für jede angefangenen 60 Mark der ganzen deklarirten Summe 0,25 Pfennig, unter Abrundung auf 0,10 Mark, mit einem Minimalsatze von 0,30 Mark nicht übersteigen darf.

in. Beförderung von Gütern. 46. Der Transport von Gütern erfolgt von und nach allen für den Güterverkehr eingerichte­ ten Stationen, ohne daß es behufs des Uebergangs von einer Bahn auf die andere einer Ber­ mittelungsadresse bedarf. Uebernahme von Gütern.

47. Die Eisenbahn ist nicht verpflichtet, Gut zum Transport zu übernehmen, welches nicht ordnungsmäßig oder gar nicht verpackt ist, un­ geachtet seine Natur eine Verpackung zum Schutze gegen Verlust oder Beschädigung auf dem Trans­ porte erfordert. Dergleichen Gut kann ausnahms­ weise befördert werden, wenn der Absender das Fehlen oder die Mängel der Verpackung durch eine mit seiner Unterschrift versehene, auf dem Frachtbriefe zu wiederholende Erklärung anerkennt. In dieser Erklärung sind die einzelnen Kolli zu spezifiziren und zu beschreiben. Für die von dem Versender hinsichtlich des

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Fehlens oder des mangelhaften Zustandes der Verpackung abzugebende Erklärung ist der Wort­ laut durch ein Formular vorgeschrieben (cfr. An­ lage A), welches in den Expeditionen bereit ge­ halten wird. Die sorgfältig und deutlich zu gebenden äußeren Bezeichnungen der einzelnen Kolli müssen mit den desfallsigen Angaben im Frachtbriefe (cfr. § 50 Nr. 3) genau übereinstimmen. Auch ist die Eisern bahn zu verlangen berechtigt, daß seitens der Versender Stückgüter mit der Bezeichnung der Bestimmungsstation in dauerhafter Weise versehen sind, sofern deren Beschaffenheit dies ohne beson­ dere Schwierigkeit gestattet. Bon der Beförderung ausgeschlossene oder nur bedingungs­ weise zugelassene Gegenstände.

48. A. Bon der Beförderung sind ausge­ schlossen : 1) Alle solche Güter, die — wegen ihres Ge­ wichts oder Umfangs, ihrer Form oder sonstigen Eigenschaft — nach den Einrichtungen und der Benutzungsweise der Bahn sich zum Transport nicht eignen. 2) Die postzwangspflichtigen Gegenstände. 3) Alle der Selbstentzündung oder Explosion unterworfenen Gegenstände, soweit nicht die Be­ stimmungen in Anlage D Anwendung finden, insbesondere: a) Nitroglycerin (Sprengöl) als solches, ab­ tropfbare Gemische von Nitroglycerin sowie Ge­ mische von Nitroglycerin mit an sich explosiven Stoffen, als nitrirter Cellulose, Pulversätzen rc.; b) nicht abtropfbare Gemische von Nitroglycerin mit pulverförmigen, an sich nicht explosiven Stoffen (Dynamit und ähnliche Präparate) in loser Masse (wegen Dynamitpatronen vergleiche Anlage D Nr. 1); c) unreine Pikrinsäure (vergleiche Anlage D Nr. 15), Pikrinsäure Salze sowie explosive Ge­ mische, welche Pikrinsäure und chlorsaure Salze enthalten; d) Knallquecksilber (wegen Zündungen und Zündhütchen vergleiche Anlage v Nr. 1 und 3), Knallsilber und Knallgold, sowie die damit dar­ gestellten Präparate; e) solche Präparate, welche Phosphor in Sub­ stanz beigemischt enthalten, namentlich Zünd­ blättchen (amorces); f) geladene Schußwaffen. B. Bedingungsweise werden zur Beförderung zugelassen: 1) Die in Anlage D verzeichneten Gegenstände. Für deren Annahme und Beförderung sind die daselbst getroffenen näheren Bestimmungen maß­ gebend. 2) Gold- und Silberbarren, Platina, gemünztes und Papiergeld, geldwerthe Papiere, Dokumente, ferner Pretiosen, wie Edelsteine, ächte Perlen und dergleichen.

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Unter welchen Bedingungen diese Gegenstände zur Beförderung angenommen werden, bestimmen die besonderen Vorschriften jeder Eisenbahn. 3) Gemälde und andere Kunstgegenstände. Zur Uebernahme der Beförderung ist die Eisen­ bahnverwaltung nur dann verpflichtet, wenn in den Frachtbriefen keine Werthangabe enthalten ist. 4) Diejenigen Gegenstände, deren Verladung oder Transport nach dem Ermessen der überneh­ menden Verwaltung außergewöhnliche Schwierig­ keit verursacht. Die Beförderung solcher Gegenstände kann von jedesmal zu vereinbarenden besonderen Bedingun­ gen abhängig gemacht werden. C. Wer Gegenstände der unter Litt. A Nr. 3 dieses Paragraphen oder der in Anlage D erwähn­ ten Art unter unrichtiger oder ungenauer Dekla­ ration zur Beförderung aufgibt oder die als Be­ dingung für deren Annahme vorgeschriebenen Sicherheitsmaßregeln außer Acht läßt, hat neben den durch Polizeiverordnungen oder durch das Strafgesetzbuch festgesetzten Strafen, auch wenn ein Schaden nicht geschehen ist, für jedes Kilo­ gramm des Bruttogewichts solcher Bersandstücke eine schon durch die Auflieferung verwirkte Kon­ ventionalstrafe von 12 Mark zu erlegen und hastet außerdem für allen etwa entstehenden Schaden. Abschluß des Frachtvertrages.

49. Der Frachtvertrag wird durch die Ausstel­ lung des Frachtbriefes seitens des Absenders und durch die zum Zeichen der Annahme erfolgende Aufdrückung des Expeditionsstempels seitens der Erpedition der Absendestation geschlossen. Die Aufdrückung des Expeditionsstempels erfolgt ohne Verzug nach geschehener vollständiger Auflieferung des in demselben Frachtbriefe deklarirten Gutes (cfr. § 55 al. 2). Mit diesem Zeitpunkte ist der Frachtvertrag als abgeschlossen zu betrachten und gilt die Uebergabe des Gutes als geschehen. Frachtbriefe.

50. Jede Sendung muß von dem vorgeschriebe­ nen gedruckten, von der ELsenbahnverwaltung ge­ stempelten Frachtbriefe begleitet sein. Es gelten dafür folgende einzelne Bestimmungen: 1) Für die laut § 48 Litt. B nur bedingungs­ weise zur Beförderung zugelassenen Gegenstände sowie für die vom Versender und Empfänger auf- und abzuladenden Güter und für die unter Zoll- oder Steuerkontrole stehenden Waaren sind besondere, andere Gegenstände nicht umfassende Frachtbriefe beizugeben. Ferner dürfen nur solche Gegenstände in den­ selben Frachtbrief ausgenommen werden, welche nach ihrer Beschaffenheit ein Zusammenladen ohne Nachtheil gestatten. Bei Aufgabe von Wagenladungen kann der Versender verpflichtet werden, für jeden Wagen einen eigenen Frachtbrief dem Gute beizugeben.

2) Der nach § 49 abgestempelte Frachtbrief gilt als Beweis über den Vertrag zwischen der Eisenbahnverwaltung und dem Absender, jedoch macht bei Gütern, deren Auf- und Abladen nach Bestimmung dieses Reglements, des Tarifs oder besonderer Vereinbarung mit dem Absender, von diesem oder dem Empfänger besorgt wird, die Angabe des Gewichts oder der Menge des Guts in dem Frachtbriefe keinen Beweis gegen die Eisenbahn, sofern nicht die Verwiegung der Wa­ genladung oder der Güter, welche dieselben bil­ den, erfolgt und die Stückzahl oder das Gewicht, letzteres durch den Wägestempel von der Abgangs­ station auf dem Frachtbriefe, bescheinigt ist. Den Anträgen auf bahnseitige Feststellung der Stück­ zahl oder des Gewichts der Güter in Wagenla­ dungen muß die Eisenbahn gegen eine von der Aufsichtsbehörde festznsetzende Gebühr nachkom­ men, sofern die Güter vermöge ihrer Beschaffen­ heit eine derartige Feststellung ohne erheblichen Aufenthalt ermöglichen, beziehungsweise sofern die auf dem Bahnhöfe vorhandenen Wägevorrichtun­ gen dazu ausreichen. Hat eine bahnseitige Feststellung der Stückzahl oder des Gewichts nicht stattgefunden, so muß der Beweis über Gewicht und Menge auf andere Weise, als durch Berufung auf den Frachtbrief erbracht werden. Auf Verlangen des Absenders ist der Stempel der Expedition der Absendestation (§ 49), welche für das Datum der Aufgabe des Gutes allein maßgebend ist, in seiner Gegenwart dem Fracht­ briefe aufzudrücken. Die Annahme von Frachtbriefen, welche von den Bestimmungen dieses Reglements abweichende Vorschriften enthalten, kann verweigert werden. Frachtbriefe, mit welchen das Gut vor der Aus­ gabe zur Eisenbahn durch andere Frachtführer befördert worden, werden auch als Beilagen zu den Eisenbahn-Frachtbriefen nicht angenommen. 3) In dem Frachtbriefe sind Ort und Datum der Ausstellung anzugeben und die Güter nach Zeichen, Nummern, Anzahl, Verpackungsart, In­ halt und Bruttogewicht der Frachtstücke (Kolli), die Güter aber, welche nach den besonderen Vor­ schriften der annehmenden Eisenbahn nicht nach Gewicht angenommen werden, nach dem Inhalte dieser Vorschriften deutlich und richtig zu bezeich­

nen. Der Frachtbrief muß die Unterschrift des Ab­ senders oder eine gedruckte beziehungsweise ge­ stempelte Zeichnung seines Namens, sowie die deutliche und genaue Bezeichnung des Empfängers

und des Bestimmungsortes enthalten. Führen vom Absendungs- nach dem Bestim­ mungsorte verschiedene Wege, so ist im Fracht­ briefe neben der Adresse der Transportweg be­ stimmt anzugeben und muß dieser von Seiten der Bahn eingehalten werden. Fehlt die Angabe des Transportweges, so wählt die Versand-Expedition

1874 (11. Mai) auf Gefahr des Absenders denjenigen Weg, der ihr in dessen Interesse am zweckmäßigsten erscheint. 4) Der Versender bürgt für die Richtigkeit der Angaben des Frachtbriefes und trägt alle Folgen, welche aus unrichtigen, undeutlichen oder unge­ nauen Angaben im Frachtbriefe entspringen. Die Eisenbahn-Expedition ist befugt, die Ueber­ einstimmung des Frachtbriefes mit den betreffen­ den Gütern auch nach dem Inhalte in Gegenwart des Absenders oder Empfängers oder deren Be­ vollmächtigten oder nötigenfalls in Gegenwart von mindestens zwei Zeugen, zu prüfen und verifiziren zu lassen. Bei unrichtiger Angabe des Gewichts oder In­ haltes kann eine jede Eisenbahn, außer der Nach­ zahlung der etwa verkürzten Fracht vom Ab­ gangs- bis zum Bestimmungsorte, eine Konven­ tionalstrafe nach Maßgabe ihrer besonderen Vor­ schriften von dem Versender oder Empfänger erheben. 5) Wünscht der Absender eine Bescheinigung der erfolgten Uebergabe von Gütern an die Eisen­ bahn, so hat derselbe, sofern ihm die nach den besonderen Vorschriften einzelner Verwaltungen etwa gestattete Ausstellung eigener „Ausnahmsscheine" nicht genügt, zwei gleichlautende Exem­ plare des Frachtbriefes einzureichen, deren eins ihm von der Eisenbahn-Expedition mit der Be­ zeichnung „Duplikat" vollzogen zurückgegeben wird. Dieses Duplikat hat nicht die Wirkung des das Gut begleitenden Frachtbriefes oder eines Ladescheines. 6) Bei Versendung von Gütern nach Orten, welche an einer Eisenbahn nicht gelegen oder nach Eisenbahnstationen, welche für den Güterverkehr nicht eingerichtet sind, soll der Versender wegen des Weitertransportes auf dem Frachtbriefe die Eisenbahnstation bezeichnen, von welcher der Adressat den Weitertransport zu besorgen hat (cfr. §§ 61 und 65). 7) Das Formular zum Frachtbriefe ist in den Anlagen B und C vorgeschrieben und auf allen Stationen zu den in den Tarifen angezeigten Preisen käuflich zu habeü. Frachtbriefe, welche nicht für Rechnung von Eisenbahnverwaltungen gedruckt sind, ünterliegen behufs Feststellung ihrer Uebereinstimmung mit dem vorgeschriebenen Formular der zuvorigen Stempelung seitens einer der Verwaltungen, in deren Bereich sie in Gebrauch genommen werden sollen, gegen eine im Tarif festgesetzte Gebühr. Diese Stempelung kann verweigert werden, sofern nicht gleichzeitig mindestens 100 Frachtbriefe zu diesem Zwecke vorgelegt werden. Es ist gestattet, auf die Rückseite des Fracht­ briefes, ohne Beeinträchtigung des für die bahn­ seitige Behandlung desselben bestimmten Raumes, die Firma des Ausstellers aufzudrucken.3 3. Hierzu hat das Reichs-Eisenbahnamt unterm 14. Juli 1879 Ausführungsvorschriften erlassen (C.-Bl. S. 482).

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8) An Orten, wo mehrere Verwaltungen Güter­ expeditionen haben, sind die von der einen Ver­ waltung gestempelten Frachtbriefe auch von den anderen als gültig anzuerkennen. 9) Die Ausstellung anderer Erklärungen und Urkunden als die des Frachtbriefes darf nicht gefordert werden, sofern nicht das Handelsgesetz oder dies Reglement eine Ausnahme gestattet; ebenso dürfen die Frachtbriefe keine Erklärungen oder Vereinbarungen enthalten, die nicht durch das Handelsgesetz oder dieses Reglement für statt­ haft erklärt worden sind. Zoll- und Steuervorschriften.

51. Der Absender ist verpflichtet, bei Gütern, welche vor der Ablieferung an den Empfänger einer zoll- oder steueramtlichen Behandlung unterliegen, die Eisenbahn in den Besitz der deshalb erfor­ derlichen Begleitpapiere bei Uebergabe des Fracht­ briefes zu setzen. Der Eisenbahn liegt eine Prü­ fung der Nothwendigkeit oder Richtigkeit oder Zulänglichkeit der Begleitpapiere nicht ob, und sie, bezw. ihre Nachfolger im Transporte, sind für ein bei Annahme von Gut ohne Begleitpapiere oder mit unzulänglichen Papieren etwa vorge­ kommenes Verschulden nicht verantwortlich. Da­ gegen haftet der Absender der Eisenbahn für alle Strafen und Schäden, welche dieselbe wegen Un­ richtigkeit oder Unzulänglichkeit oder Mangels der Begleitpapiere treffen. Würde auf ausdrücklichen, im Frachtbriefe ge­ stellten Antrag der Versender die Eisenbahn, wenn die vorschriftsmäßigen Deklarationen und Legitimationspapiere beigefügt sind, die zoll- und steueramtliche Behandlung der Güter vermitteln und Eingangs-, Ausgangs- und DurchgangsAbgaben, sowie andere öffentliche Abgaben und Gebühren, soweit sie vorschriftsmäßig und nicht am Abgangs- oder Bestimmungsorte zu entrichten sind, vorschießen, so übernimmt sie dadurch keine Verantwortlichkeit. Die Eisenbahn ist durch einen solchergestalt gestellten Antrag nicht verpflichtet, die Bermittelung zu übernehmen und ist befugt, dieselbe einem Spediteur zu übertragen, wenn keine Mittelsperson im Frachtbriefe genannt ist. Sollte der Absender eine solche Abfertigung der Güter beantragt haben, wie sie in dem gegebenen Falle gesetzlich nicht zulässig ist, so wird ange­ nommen, daß er damit einverstanden sei, wenn die Eisenbahn diejenige Abfertigung veranlaßt, welche sie nach ihrem Ermessen für sein Interesse am Vortheilhaftesten erachtet. Würde die Eisen­ bahn die mittels Frachtbriefes an den Grenzen des betreffenden Zollgebietes ihr übergebenen Güter ohne von dem Versender extrahirte zoll­ amtliche Begleitpapiere zur Beförderung an den Bestimmungsort oder an die für die Abgabe der Zolldeklaration zulässige Zollstelle übernehmen, so ist bezw. Absender und Empfänger für alle Schä­ den und Nachtheile gegen die Eisenbahn verant­ wortlich und regreßpflichtig, welche aus Unrich-

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tigkeiten, Fehlern und Versäumnissen der Frachtbrief-Deklaration des Versenders der Eisenbahn als Frachtführerin bei der ihr obliegenden Abgabe einer nach Maßgabe der Deklaration im Fracht­ briefe auszufertigenden und zu vollziehenden Zoll­

deklaration erwachsen möchten. Der Absender hat die zur zoll- und steueramt­ lichen Behandlung beigefügten Begleitpapiere auch im Frachtbriefe zu verzeichnen. Für Begleitpapiere, welche im Frachtbriefe nicht verzeichnet sind, wird von der Eisenbahn keine Haftung übernommen. Berechnung der Frachtgelder.

52. So lange und soweit keine gemeinschaft­ lichen Frachttarife publizirt sind, wird die Fracht nach den aus den publizirten Tarifen der einzel­ nen Bahnen bezw. der Verbände zusammenzu­ stoßenden Beträgen berechnet. Außer den in den Tarifen angegebenen Sätzen an Frachtvergütung und an Vergütung für besondere im Tarife vor­ gesehene Leistungen darf nichts erhoben werden. Baare Auslagen der Eisenbahnen (z. B. Transit-, Ein- und Ausgangsabgaben, Kosten für Ueberführung, nöthig werdende Reparaturkosten an den Gütern, welche diese in Folge ihrer eigenen äu­ ßeren oder inneren Beschaffenheit und Natur zu ihrer Erhaltung während des Transportes bedin­ gen) sind zu ersetzen. Wenn einzelne Eisenbahnen die Güter von der Behausung des Absenders abholen, aus Schiffen löschen lassen, sowie an dir Behausung des Emp­ fängers oder an irgend einen anderen Ort, z. B. nach Packhöfen, Lagerhäusern, Revisionsschuppen, in Schiffe u. s. w. bringen lassen, so sind auch die aus den Tarifen zu ersehenden Bergütigungen hierfür zu entrichten. Die Fracht wird nach Kilogramm, bei denje­ nigen Gütern aber, welche ohne Gewichtsermitte­ lung übernommen werden, nach Maßgabe der darüber in den Tarifen und besonderen Vor­ schriften der einzelnen Eisenbahnen enthaltenen Bestimmungen nach Tragkraft der Wagen oder nach Rauminhalt oder Raummaß berechnet. Die Ermittelung des Gewichts geschieht entweder durch wirkliche Verwiegung auf den Bahnhöfen oder durch Berechnung nach den in den Tarifen ange­ gebenen Normalsätzen. Bei Kollogütern hat dieselbe stets auf der Aufgabestation stattzufinden. Sen­ dungen unter 30 Kilogramm werden höchstens für 30 Kilogramm, das darüber hinausgehende Gewicht wird bei Kollogütern mit 10 Kilogramm, bei Wagenladungsgütern mit 100 Kilogramm steigend so berechnet, daß jede angefangenen resp. 10 und 100 Kilogramm für voll gelten. Durch diese Gewichtsberechnung soll jedoch die Erhebung der in den Tarifen einzelner Eisenbahnen vorge­ schriebenen Minimalbeträge des Frachtgeldes nicht

ausgeschloffen werden. Dem Aufgeber wird überlassen, bei der Fest­ stellung des Gewichts gegenwärtig zu sein. Ver­

langt derselbe, nachdem diese Feststellung seitens der Eisenbahnverwaltung bereits erfolgt ist und vor der Verladung der Güter, eine anderweite Ermittelung des Gewichts in seiner oder seines Beauftragten Gegenwart, so ist die Eisenbahn­ verwaltung berechtigt, dafür ein im Tarif be­ stimmtes Wägegeld zu erheben. Dies Wägegeld kann, jedoch nur von gewöhnlichem Frachtgut, auch dann erhoben werden, wenn ausnahmsweise der Versender das Gewicht im Frachtbriefe anzu­ setzen unterlassen hat und die Ergänzung des Frachtbriefes in dieser Beziehung der Eisenbahn­ verwaltung überläßt. Alle in einem Frachtbriefe enthaltenen Gegen­ stände desselben Frachtsatzes bilden eine Abferti­ gungsposition zur Berechnung des Frachtgeldes. Die zu erhebende Fracht wird mit vollen 0,10 Mark abgerundet, so daß Beträge unter 5 Pfen­ nigen gar nicht, von 5 Pfennigen ab aber für 0,10 Mark gerechnet werden. Wenn nach den besonderen Vorschriften der einzelnen Eisenbahnen Güter von den Versendern selbst zu verladen sind, so dürfen die Versender die Wagen nur bis zu der an denselben vermerk­ ten Tragfähigkeit beladen. Für Ueberladung kann die Eisenbahn, vorbehaltlich sonstiger Entschädi­ gung, eine in den besonderen Vorschriften festzu­ stellende Konventionalstrafe erheben. Zahlung der Fracht.

53. Die Frachtgelder werden bei der Aufgabe des Gutes berichtigt oder auf den Empfänger zur Zahlung angewiesen. Bei Gütern, welche nach dem Ermessen der annehmenden Eisenbahn dem schnellen Verderben unterliegen oder die Fracht nicht sicher decken, kann eine sofortige Berichti­ gung der Frachtgebühren gefordert werden. Unrichtige Anwendungen des Tarifs, sowie Fehler bei der Gebührenberechnung sollen weder der Eisenbahn noch dem zur Zahlung Verpflich­ teten zum Nachtheil gereichen. Zuviel erhobene Beträge sind dem Bezugsberechtigten thunlichst zu avisiren. Nachnahme u»d Provision.

54. Die auf Gütern bei ihrer Aufgabe auf die Bahn haftenden Spesen, deren Spezifizirung ver­ langt werden darf, können nachgenommen werden. Auch Vorschüsse auf den Werth des Gutes werden bis auf Höhe von 300 Mark unter den­ selben Bedingungen wie Spese-Nachnahmen zuge­ lassen, wenn dieselben nach dem Ermessen des expedirenden Beamten durch den Werth des Gutes sicher gedeckt werden. Für jede aufgegebene Nachnahme, gleichviel ob dieselbe verabfolgt oder in Folge anderweiter Disposition ganz oder theilweise zurückgezogen ist, wird die durch den Tarif der Aufgabestation be­ stimmte Provision berechnet. Von den Eisenbah­ nen im Falle des Weitertransports von einer Bahn auf die andere nachgenommene Frachtgelder sind jedoch provisionsfrei.

1874 (11. Mai) Für baare Auslagen (§ 52), welche ebenfalls nachgenommen werden können, darf die im Tarife der die baaren Auslagen vorschießenden Eisenbahn bestimmte Provision für Nachnahme erhoben werden. Als Bescheinigung über die Auflegung von Nachnahmen auf Güter dient in der Regel der abgestempelte Frachtbrief oder die anderweit ge­ stattete Form der Bescheinigung über Aufgabe von Gütern (cfr. § 50 Nr. 5), jedoch werden auf Verlangen noch besondere Nachnahmescheine und zwar gebührenfrei ertheilt. Eingegangene Nachnahmen werden dem zum Empfange Berechtigten ohne Verzug avisirt und ausgezahlt. Annahme der Güter.

55. Die Eisenbahn ist nicht verpflichtet, Güter zum Transporte eher anzunehmen, als bis die Beförderung geschehen kann, namentlich also nicht, insofern die regelmäßigen Transportmittel der Bahn zur Ausführung des nachgesuchten Trans­ ports nicht genügen. Die Eisenbahn ist jedoch gehalten, die zugeführten Güter, soweit die dispo­ niblen Räumlichkeiten zureichen, gegen Empfangs­ bescheinigung mit dem Vorbehalt deponiren zu lassen, daß die Annahme zum Transport und die Aufdrückung des Expeditionsstempels auf den Frachtbrief (cfr. § 49) erst dann erfolgt, wenn die Verladung des Gutes möglich geworden ist. Der Aufgeber hat im Frachtbriefe sein Einverständniß zu erklären, daß die Sendung bis zur thunlichen Verladung eingelagert bleibe. Auflieferung der Güter und Beförderung.

56. Das Gut muß in den festgesetzten Expedi­ tionszeiten aufgeliefert, bezw. von dem Absender verladen werden, und wird, je nach der Deklara­ tion des Absenders, in Eilfracht oder in gewöhn­ licher Fracht befördert (§ 59). An Sonn- und Festtagen wird gewöhnliches. Frachtgut nicht angenommen und am Bestim­ mungsorte dem Adressaten nicht verabfolgt. Eilgut wird auch an Sonn- und Festtagen, aber nur in den ein 'für alle Mal bestimmten, durch Aushang in den Expeditionslokalen und bezw. auch in einem Lokalblatte bekannt gemach­ ten Tageszeiten angenommen und ausgeliefert. Eilgut muß mit einem auf rothem Papier ge­ druckten Frachtbriefe (Anlage C) aufgegeben wer­ den und wird vorzugsweise und schleunig be­ fördert. Gewöhnliches Frachtgut ist mit einem Frachtbriefe nach Anlage B aufzugeben. In Ansehung der Zeit der Beförderung der Güter bildet die Reihenfolge der Auflieferung die Regel und darf kein Absender vor dem andern ohne einen in den Einrichtungen der Bahn, in den Transportverhältnissen oder im öffentlichen Interesse liegenden Grund begünstigt werden. Zuwiderhandlungen begründen den Anspruch auf Ersatz des dadurch entstandenen Schadens.

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Die Eisenbahnen sind verpflichtet, solche Ein­ richtungen zu treffen, daß die Reihenfolge der Güterabfertigung konstatirt werden kann. Die Gestellung der Wagen für solche Güter, deren Verladung der Absender selbst besorgt, muß für einen bestimmten Tag nachgesucht und die Verladung in der von der Absendestation zu be­ stimmenden Frist vollendet werden. Diese Frist wird durch Anschlag in den GüterExpeditionen und bezw. auch durch Bekannt­ machung in einem Lokalblatte zur allgemeinen Kenntniß gebracht. Lieferungszeit.

Berechnung derselben.

57. Jede Bahnverwaltung publizirt durch die Tarife für den Verkehr innerhalb ihres Bahn­ gebiets Lieferungszeiten, welche sich aus Trans­ port- und Expeditionsfristen zusammensetzen und die nachfolgenden Maximalansätze nicht über­ schreiten dürfen: a) für Eilgüter: 1) Expeditionsfrist.......................................1 Tag, 2) Transportfrist für je auch nur an­ gefangene 225 Kilometer... 1 Tag.

b) für Frachtgüter: 1) Expeditionsfrist................................. 2 Tage, 2) Transportfrist für je auch nur angefangene 225 Kilometer . . 2 Tage. Wenn der Transport aus dem Bereiche einer Verwaltung in den Bereich einer andern anschlie­ ßenden Verwaltung übergeht, so berechnen sich die Transportfristen aus der Gesammt-Entfernung zwischen der Aufgabe- und Bestimmungsstation, während die Expeditionsfristen ohne Rücksicht auf die Zahl der durch den Transport berührten Berwaltungsgebiete nur einmal zur Berechnung kommen. Den Eisenbahn-Verwaltungen wird Vorbehalten, für Messen und andere außergewöhnliche Verkehrs­ verhältnisse mit oder vorbehaltlich der Genehmi­ gung der Aufsichtsbehörde Zuschlagfristen festzu­ setzen und zu publiziren. Aus der Bekanntmachung muß zu ersehen sein, ob und durch welche Behörde die Genehmigung ertheilt oder ob eine solche Vorbehalten ist. Im letzter» Falle muß die nachträglich erfolgte Geneh­ migung innerhalb 8 Tagen durch eine besondere Bekanntmachung veröffentlicht werden. Die Fest­ setzung der Zuschlagsfristen ist wirkungslos, wenn die nachträgliche Genehmigung von der Aufsichts­ behörde versagt oder die ertheilte Genehmigung nicht rechtzeitig publizirt wird. Wenn das Gut einen nicht überbrückten Fluß­ übergang oder eine bei einem größeren Orte zwischen mehreren daselbst mündenden Bahnen bestehende Verbindungsbahn zu passiren hat, so können für solchen Transport angemessene Zuschlag­ fristen mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde pu­ blizirt werden. Die Lieferungszeit beginnt mit der auf die

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Abstempelung des Frachtbriefes (§§ 49 und 50) folgenden Mitternacht und ist gewahrt, wenn innerhalb derselben das Gut dem Empfänger oder derjenigen Person, an welche die Ablieferung gül­ tig geschehen kann, an die Behausung oder an das Geschäftslokal zugeführt ist, oder, falls eine solche Zuführung nicht zugesagt oder ausdrücklich ver­ beten ist (§ 59), wenn innerhalb der gedachten Frist schriftliche Nachricht von der erfolgten An­ kunft für den Empfänger zur Post gegeben oder solche ihm auf andere Weise wirklich zugestellt ist. Für Güter, welche Bahnhof restante gestellt sind, ist die Lieferzeit gewahrt, wenn das Gut innerhalb derselben auf der Bestimmungsstation zur Abnahme bereit gestellt ist. Der Lauf der Lieferfristen ruht für die Dauer steueramtlicher Abfertigung, sowie für die Dauer einer ohne Verschulden der Bahnverwaltung ein­ getretenen Betriebsstörung, durch welche der An­ tritt oder die Fortsetzung des Bahntransports zeitweilig verhindert wird. Zeitweilige Verhinderung des Transports.

58. Wird der Antritt oder die Fortsetzung des Bahntransports durch Naturereignisse oder sonstige Zufälle zeitweilig verhindert, so ist der Absender nicht gehalten, die Aufhebung des Hindernisses abzuwarten; er kann vielmehr vom Vertrage zurücktreten, muß alsdann aber die Eisenbahn, sofern derselben kein Verschulden zur Last fällt, wegen der Kosten zur Vorbereitung des Trans­ ports und der Kosten der Wiederausladung durch eine (in den besonderen Vorschriften festgesetzte) Gebühr entschädigen und außerdem die Fracht für die von dem Gute etwa schon zurückgelegte Trans­ portstrecke berichtigen. Wenn jedoch wegen einer Betriebsstörung die Fortsetzung des Transports auf dem vom Ver­ sender vorgeschriebenen oder von der Eisenbahn gewählten Wege nicht möglich ist, wohl aber auf einem andern, wenn auch längern Wege statt­ finden kann, so bleibt es, unbeschadet der aus Rücksichten des allgemeinen Verkehrs ergehenden Anordnungen der Aufsichtsbehörde, der Entscheidung der Eisenbahn überlassen, ob es dem Interesse der Betheiligten mehr entspricht, die Beseitigung der Störung abzuwarten oder die Sendungen auf Kosten der Versender resp. Empfänger über eine Hülfsroute dem Bestimmungsorte zuzuführen oder endlich die Absender um anderweite Disposition über die Güter anzugehen. Avisirung und Ablieferung des Gutes.

59. Die Eisenbahn ist verpflichtet, am Bestim­ mungsorte dem durch den Frachtbrief bezeichneten Empfänger den Frachtbrief und das Gut auszu­ liefern. Nachträglichen Anweisungen des Absenders wegen Zurückgabe des Gutes oder Auslieferung desselben an einen andern als den im Frachtbriefe bezeichneten Empfänger hat die Eisenbahn so lange Folge zu leisten, als sie letzterm nach Ankunft des

Gutes am Bestimmungsorte den Frachtbrief noch nicht übergeben hat. Der Absender hat in diesem Falle auf Erfordern das ihm etwa ausgestellte Frachtbrief-Duplikat (§ 50 Nr. 5) oder den Aufnahmsschein zurückzugeben. Die Eisenbahn ist nicht verpflichtet, andere Anweisungen als diejenigen, welche auf der Auf­ gabestation erfolgt sind, zu beachten. Ist dem Empfänger nach Ankunft des Gutes am Bestimmungsorte der Frachtbrief bereits über­ geben, so hat die Eisenbahn nur die Anweisungen des bezeichneten Empfängers zu beachten, widri­ genfalls sie demselben für die Ladung verhaftet ist. Bei denjenigen Gütern, welche die Eisenbahn nicht selbst dem Empfänger an seine Behausung oder an sein Geschäftslokal zuführen läßt, wird dem Adressaten spätestens nach Ankunft und Bereitstellung der transportirten Güter schriftliche Nachricht durch Boten, per Post oder durch sonst übliche Gelegenheit zugesendet. Wo die Verwaltung es für angemessen erachtet, werden von derselben besondere Rollfuhr-Unternehmer zum An- und Abfahren der Güter inner­ halb des Stationsortes oder von und nach seit­ wärts belegenen Ortschaften bestellt, auf welche der § 63 des Reglements Anwendung findet. Die Taxe für die dem Rollfuhr-Unternehmer zu zahlende Gebühr muß in den betreffenden Güter-Expeditionen zur Einsicht aushängen und auch von dem Fuhrmann auf Verlangen vorge­ zeigt werden. Diejenigen Empfänger, welche sich ihre Güter selbst abholen oder sich anderer, als der von der Bahnverwaltung bestellten Fuhrunternehmer be­ dienen wollen, haben dies der betreffenden GüterExpedition rechtzeitig vorher, jedenfalls noch vor Ankunft des Gutes und auf Erfordern der GüterExpedition unter glaubhafter Bescheinigung der Unterschrift schriftlich anzuzeigen. Die Befugniß der Empfänger, ihre Güter selbst abzuholen oder durch andere als von der Bahnverwaltung be­ stellte Fuhrunternehmer abholen zu lassen, kann von der Eisenbahn im allgemeinen Berkehrsinteresse mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde beschränkt oder auch aufgehoben werden. Ausgeschlossen von der Selbstabholung sind die­ jenigen Güter, welche nach steueramtlichen Vor­ schriften oder aus anderen Gründen nach Pack­ höfen oder Niederlagen der Steuerverwaltung ge­ fahren werden müssen. Güter, welche Bahnhof restante gestellt sind oder den Adressaten durch die Bahnverwaltung zugeführt werden, werden nicht avisirt. Nach geschehener Zahlung der etwa noch nicht berichtigten Fracht und der auf den Gütern haf­ tenden Auslagen und Gebühren erfolgt gegen Einlieferung der Empfangsbescheinigung — welche sich einfach auf den Empfang, mit Ausschluß also der Forderung tadellosen,* rechtzeitigen rc.

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1874 (11. Mai) Empfanges zu beschränken hat — und Vorzei­ gung des quittirten Frachtbriefes die Auslieferung des Guts in den Expeditionslokalen (auf den Güterböden) und die Stellung der Wagen zur Entladung auf den Entladungsplätzen und zwar mit folgenden näheren Zeitbestimmungen: 1) Die Güter sind, vorbehaltlich der unter 2 nachfolgenden Bestimmung, binnen der im Tarife festzustellenden lagerzinsfreien Zeit, welche nicht weniger als 24 Stunden nach Absendung resp. Empfang (cfr. § 57) der Benachrichtigung betra­ gen darf, während der vorgeschriebenen Geschäfts­ stunden abzunehmen. Für Bahnhof restante gestellte Güter, sowie für Güter derjenigen Empfänger, welche sich die Avisirung schriftlich ein für alle Mal verbeten haben, beginnt diese Zeit mit der Ankunft des Guts. 2) Die Fristen, binnen welcher die von dem Versender selbst verladenen Güter durch die Empfänger auszuladen und abzuholen sind, wer­ den durch die besonderen Vorschriften jeder Ver­ waltung festgesetzt und auf jeder Station durch Aushang in den Expeditionslokalen, bezw. auch durch Bekanntmachung in einem Lokalblatte zur allgemeinen Kenntniß gebracht. 3) Zwischenfallende Sonn- und Festtage werden überall nicht mitgerechnet. 4) Wegen nicht erfolgter Ankunft eines Theils der in demselben Frachtbriefe verzeichneten Sen­ dung, wovon jeder Theil ohne Zusammenhang mit dem Ganzen einen gemeinen Werth hat, kann die Annahme des angekommenen Theils und die Zahlung des verhältnißmäßigen Frachtbe­ trages vom Adressaten nicht verweigert werden, unbeschadet der auf Grund der §§ 62 ff. von ihm zu erhebenden Entschädigungsansprüche. Eilgüter werden, sofern außergewöhnliche Ver­ hältnisse nicht eine längere Frist unvermeidlich machen, binnen zwei Stunden nach der Ankunft avisirt resp, binnen sechs Stunden dem Adressa­ ten in seine Behausung zugeführt. Die Avisirung resp. Zuführung der später als 6 Uhr Abends angekommenen Eilgüter kann erst am folgenden Morgen verlangt werden. Die im § 57 getroffe­ nen Festsetzungen werden hierdurch nicht be­ rührt. Der Empfänger ist berechtigt, bei der Ausliefe­ rung von Gütern an ihn, deren Nachwägung in seiner Gegenwart auf dem Bahnhöfe zu ver­ langen. Diesem Verlangen muß die Eisenbahn­ verwaltung bei Kollogütern stets, bei Wagen­ ladungsgütern insoweit, als die auf dem Bahnhöfe vorhandenen Wägevorrichtungen dazu ausreichen, nachkommen. Gestatten die Wägevor­ richtungen der Eisenbahn eine Verwiegung von Wagenladungsgütern auf dem Bahnhöfe nicht, so bleibt dem Empfänger überlassen, die Verwiegung da, wo derartige Wägevorrichtungen am nächsten zur Verfügung stehen, in Gegenwart eines dazu

von der Eisenbahnverwaltung zu bestellenden Be­ vollmächtigten vornehmen zu lassen. Ergibt die Nachwägung kein von der Eisen­ bahnverwaltung zu vertretendes Gewichtsmanko, so hat der Empfänger die durch die Verwiegung entstandenen Kosten, bezw. tarifmäßigen Gebühren, sowie die Entschädigung für den etwa abgeordne­ ten Bevollmächtigten zu tragen. Dagegen hat die Eisenbahnverwaltung, falls ein von ihr zu vertretendes und nicht bereits an­ erkanntes Gewichtsmanko festgestellt wird, dem Empfänger die ihm durch die Nachwägung ver­ ursachten Kosten zu erstatten. Lagergeld und Konventtonalstrafe.

60. 1) Wer ohne die im § 58 erwähnten Ver­ anlassungen die von ihm zur Beförderung aufge­ lieferten Güter aus den Lagerräumen oder den Wagen der Eisenbahn vor deren Abfahrt zurück­ nimmt, hat auf Verlangen der Eisenbahnver­ waltung außer den Auf- und Abladegebühren für jeden Tag vom Augenblicke der Auflieferung, der Tag sei blos angebrochen oder verstrichen, ein Lagergeld zu entrichten. Wird vom Absender die Zurückgabe eines Gutes auf einer Zwischenstation der Transport­ strecke verlangt, und geht die Verwaltung auf dieses Verlangen ein, so ist neben der tarifmäßi­ gen Fracht für die von dem Gute zurückgelegte Bahnstrecke das tarifmäßige Reugeld zu zahlen. 2) Bei einer nach und nach stattfindenden Auf­ lieferung der in demselben Frachtbriefe deklarirten Sendungen, oder wenn Güter mit unvollstän­ digen oder unrichtigen Frachtbriefen aufgeliefert find und deshalb bis zum Eingänge der vervoll­ ständigten oder berichtigten Frachtbriefe liegen bleiben müssen, kann die Eisenbahn, wenn die Auflieferung nicht innerhalb 24 Stunden voll­ bracht und eine Verzögerung des Auflieferungs­ geschäfts ersichtlich ist, bezw. wenn innerhalb jener Zeit die Vervollständigung und Berichtigung der Frachtbriefe nicht erfolgt ist, von den aufge­ lieferten Gütern nach Ablauf jener 24 Stunden bis zur vollständig vollbrachten Auflieferung der ganzen Frachtbrief-Sendung, bezw. bis zur Ver­ vollständigung und Berichtigung der Frachtbriefe, ein Lagergeld erheben lassen. Eine Konventional­ strafe, für welche auf Verlangen bei Bestellung der Wagen eine den Betrag der Strafe für eine Tagesversäumniß ausgleichende Kaution zu er­ legen ist, kann die Eisenbahn ebenfalls von Dem­ jenigen einziehen, welcher Eisenbahnwagen zum Transporte von Gütern, deren Verladung der Versender zu besorgen hat, bestellt, und welcher nicht in der durch die besonderen Vorschriften (cfr. § 56 am Schluß) zu bestimmenden Frist die Beladung ordnungsmäßig bewirkt und die Güter zur Abfertigung bringt; auch ist im letzteren Falle die Eisenbahn nach Ablauf jener Frist befugt, das Geladene von dem Wagen auf Kosten des

1874 (11. Mai)

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Bestellers wieder zu entfernen, das Entladene auf Gefahr desselben und gegen ein Lagergeld lagern zu lassen und den Eisenbahnwagen der Verfügung des Bestellers zu entziehen. Dagegen ist die Eisenbahn verpflichtet, den Besteller von Wagen durch Zahlung einer gleich hohen Konventionalstrafe zu entschädigen, sofern sie fest zugesagte Wagen nicht rechtzeitig stellt. 3) Wer Güter innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht abnimmt, hat gleichfalls Lagergeld zu bezahlen. Dagegen ist die Eisenbahnverwaltung zum Er­ sätze der nachgewiesenen Kosten der zwar recht­ zeitig, aber vergeblich versuchten Abholung eines Gutes in dem Falle verpflichtet, wenn ein bereits avisirtes Gut im Bahnhöfe nicht spätestens inner­ halb 1 Stunde nach dem Eintreffen des Abholers zur Entladung resp. Abgabe bereit gestellt ist. 4) Wenn aus den vom Versender beladenen Wagen die verladenen Güter nicht innerhalb der im § 59 Nr. 2 vorgeschriebenen Zeit ausgeladen und abgeholt sind, so ist die Eisenbahn zu dieser Ausladung auf Kosten des Empfängers resp. Versenders, jedoch ohne Uebernahme irgend einer Garantie, ermächtigt und kann durch die beson­ deren Vorschriften zugleich eine konventionelle

Entschädigung als Lagergeld Strafmiethe festsetzen.

oder als

Wagen-

5) Bei Gütern, deren Empfänger nicht hat be­ nachrichtigt werden können, beginnt die Berech­ nung des Lagergeldes und der Wagen-Strafmiethe nach Ablauf der in den besonderen Vorschriften bestimmten Fristen.

6) Ueber die Höhe und über die Art und Weise der Berechnung dieser konventionellen Lagergelder und Wagen-Strafmiethen enthält der Tarif für die Güterbeförderung die näheren Be­ stimmungen. Wenn der geregelte Verkehr durch große Güter­ anhäufungen gefährdet wird, so ist die Eisenbahn zur Erhöhung der Lagergelder und der Wagen-Straf­ miethe und, wenn diese Maßregel nicht ausreichen sollte, auch zur Verkürzung der Lagerfristen und zur Beschränkung der lagerzinsfreien Zeit für die Dauer der Anhäufung der Güter und zwar alles dieses unter Beachtung der für die Festsetzung von Zuschlagslieferfristen im § 57 Absatz 3 und 4 gegebenen Vorschriften berechtigt. Verfahren bei Ablieferungs-Hindernissen.

61. Güter, deren Ab- oder Annahme verweigert oder nicht rechtzeitig bewirkt wird, und Güter, deren Abgabe nicht thunlich geworden, sowie solche, welche unter der Adresse „Bahnhof res­ tante" länger als die durch die besonderen Vor­ schriften nachgelassene Frist nach der Ankunft ohne geschehene Meldung des Empfängers daselbst ge­ lagert haben, lagern auf Gefahr und Kosten der Versender, welche mit thunlichster Beschleunigung

hiervon zu benachrichtigen sind. Auch hat die Eisenbahn das Recht, solche Güter unter Nach­ nahme ihrer darauf haftenden Kosten und Aus­ lagen in ein öffentliches Lagerhaus oder einem ihr als bewährt bekannten Spediteur für Rech­ nung und Gefahr dessen, den es angeht, auf Lager zu übergeben und sie da zur Disposition des Versenders unter sofortiger Benachrichtigung des­ selben zu stellen. Die Eisenbahn ist berechtigt, Güter, deren Be­ stimmungsort nicht an der Eisenbahn gelegen ist, mittels eines Spediteurs oder einer anderen Ge­ legenheit nach dem Bestimmungsorte auf Gefahr und Kosten des Versenders weiterbefördern zu lassen, wenn nicht wegen sofortiger Weiterbeför­ derung der Güter vom Absender oder Empfänger Verfügung getroffen ist. Dasselbe gilt von Gütern, deren Bestimmungsort eine nicht für den Güter­ verkehr eingerichtete Eisenbahnstation ist. Die vorstehende Bestimmung findet keine An­ wendung, soweit die Verwaltung Rollfuhr-Unternehmer zur Beförderuug der Güter nach seitwärts belegenen Orten bestellt hat (cfr. § 59). Der Versender erklärt sich durch die Aufgabe des Gutes auch damit einverstanden, daß die Eisenbahn Güter, deren An- und Abnahme ver­ weigert oder nicht rechtzeitig bewirkt wird, oder deren Abgabe nicht thunlich ist, wenn sie dem schnellen! Verderben ausgesetzt sind, oder endlich solche Güter, deren angebotene Zurücknahme durch den Versender bei verweigerter Abnahme seitens des Adressaten, oder im Falle, daß der Adressat nicht zu ermitteln ist, unterbleibt, ohne weitere Förmlichkeit bestmöglich und zwar Güter, die dem schnellen Verderben ausgesetzt sind, ohne Verzug, alle anderen aber frühestens 4 Wochen nach Ab­ lauf der lagerzinsfreien Zeit verkauft. Das Gleiche gilt für den Fall, daß der Ver­ sender nicht zu ermitteln ist. Herrenlose Güter, welche sich im örtlichen Bezirk der Eisenbahn vorfinden, unterliegen den Bestimmungen des § 33. Haftpflicht im Allgemeinen.

62. Wenn eine Eisenbahn das Gut mit einem Frachtbriefe übernimmt, nach welchem der Trans­ port durch mehrere, sich an einander anschließende Eisenbahnen zu bewirken ist, so haften als Frachtführer für den ganzen Transport nicht sämmtliche Eisenbahnen, welche das Gut mit dem Frachtbriefe übernommen haben, sondern nur die erste und diejenige Bahn, welche das Gut mit dem Frachtbriefe zuletzt übernommen hat; eine der übrigen in der Mitte liegenden Eisenbahnen kann nur dann als Frachtführer in Anspruch ge­ nommen werden, wenn ihr nachgewiesen wird, daß der Schaden, dessen Ersatz gefordert wird, auf ihrer Bahn sich ereignet hat. Der den Eisenbahnen unter einander zustehende Rückgriff wird dadurch nicht berührt.

1874 (11. Mai) Haftpflicht der Eisenbahn für ihre Leute.

63. Die Eisenbahn haftet für ihre Leute und für andere Personen, deren sie sich bei Ausführung des von ihr übernommenen Transportes bedient. Umfang und Zeitdauer der Haftpflicht.

64. Die Eisenbahn haftet, abgesehen von den beson­ deren Bestimmungen im § 67, für den Schaden, welcher durch Verlust oder Beschädigung des Gutes seit dem Abschluß des Frachtvertrages (§ 49) bis zur Ablieferung entstanden ist, sofern sie nicht beweist, daß der Verlust oder die Be­ schädigung durch höhere Gewalt (vis major) oder durch die natürliche Beschaffenheit des Gutes, namentlich durch inneren Verderb, Schwinden, gewöhnliche Leckage und dergleichen, oder durch äußerlich nicht erkennbare Mängel der Ver­ packung entstanden ist. Die Haftpflicht der Eisenbahnen für Verlust oder Beschädigung des Guts während der Zeit von der Auflieferung desselben bis zur Abstem­ pelung des Frachtbriefes, soweit sie gesetzlich be­ gründet ist, wird hierdurch nicht berührt. Der Ablieferung an den Adressaten steht die Ablieferung an Zoll- und Revisionsschuppen nach Ankunft des Gutes auf der Bestimmungsstation, sowie die nach Maßgabe dieses Reglements statt­ findende Ablieferung des Gutes an Lagerhäuser oder an einen Spediteur gleich. Als in Verlust gerathen ist das Gut erst vier Wochen nach Ablauf der Lieferungszeit zu be­ trachten. Durch Annahme des Gutes seitens des im Frachtbriefe bezeichneten Empfängers oder seiner Leute oder derjenigen Personen, an welche die Ablieferung gültig erfolgen kann, und durch Bezahlung der Fracht erlischt jeder Anspruch gegen die Eisenbahn. Nur wegen Verlustes oder Be­ schädigungen, welche bei der Ablieferung äußerlich nicht erkennbar waren, kann die Eisenbahn auch nach Annahme des Gutes und Bezahlung der Fracht in Anspruch genommen werden, jedoch nur, wenn die Feststellung des Verlustes oder der Be­ schädigung ohne Verzug nach der Entdeckung nachgesucht und der Anspruch innerhalb 4 Wochen bei der Eisenbahnverwaltung schriftlich angemeldet worden ist, und wenn bewiesen wird, daß der Verlust oder die Beschädigung während der Zeit seit der Empfangnahme bis zur Ablieferung ent­ standen ist. Außerdem verjähren alle Ansprüche wegen gänz­ lichen Verlustes des Gutes nach einem Jahre, von dem Ablaufe des Tages an gerechnet, an welchem die Ablieferung hätte bewirkt sein müssen, und, sofern das Gut angenommen, die Fracht aber nicht bezahlt ist, alle Ansprüche wegen Ver­ minderung oder Beschädigung des Gutes nach einem Jahre von dem Ablaufe des Tages an, an welchem die Ablieferung geschehen ist. In allen Verlust- und Beschädigungsfällen haben die Eisenbahnverwaltungen die eingehendiii. Band.

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sten Recherchen anzustellen und auf Erfordern der Berechtigten aktenmäßige und genaue Mit­ theilungen über das Resultat der Nachforschungen zu geben. Bei Empfangnahme der Entschädigung kann der Entschädigungsberechtigte beanspruchen, daß er, falls das in Verlust gerathene Gut später ge­ funden wird, hiervon benachrichtigt werde. Ueber den erhobenen Anspruch ist ihm eine Bescheini­ gung zu ertheilen. Innerhalb 8 Tagen nach erhaltener Nachricht kann der Berechtigte gegen Rückerstattung der er­ haltenen, um den Betrag der ihm für versäumte Lieferfrist gebührende Entschädigung zu kürzenden Summe verlangen, daß das wiedergefundene Gut von dem Orte, wo dasselbe gefunden wurde, bis zu dem im Frachtbriefe angegebenen ursprüng­ lichen Bestimmungsort kostenfrei geliefert werde. Ist an einem Gute eine Verminderung oder eine Beschädigung eingetreten, so hat die Eisen­ bahn in Gegenwart von unparteiischen Zeugen, und wo möglich in Gegenwart des Reklamations­ berechtigten das Gewicht und den sonstigen That­ bestand und nach Umständen unter Beiziehung von Sachverständigen den an dem Gute einge­ treten Schaden feststellen zu lassen. Will der Reklamationsberechtigte sich mit der Eisenbahn über die von letzterer zu leistende Ent­ schädigung im außergerichtlichen Wege ausglei­ chen, so hat er noch vor dem Empfange, bezw. vor der Zurücknahme des Gutes den Thatbestand an­ zuerkennen und seinen Ersatzanspruch anzumelden. Stellt er sich hierbei mit dem Ausspruche der von der Eisenbahn beigezogenen Sachverständigen nicht zufrieden, so steht es ihm frei, den Schaden durch vom Handelsgerichte oder in dessen Er­ mangelung vom Richter des Ortes ernannte oder durch bei dem Gerichte bereits ständig bestellte Sachverständige feststellen zu lassen. Eine angemeldete Reklamation ist mit einem den Werth des Gutes nachweisenden Dokumente, und wenn das Gut in Empfang genommen wurde, auch mit dem Frachtbriefe belegt, binnen der gesetzlichen Verjährungsfrist wirklich einzu­ bringen, und muß solche mit thunlichster Be­ schleunigung von der Eisenbahn beantwortet und erledigt werden. Beschränkung der Haftpflicht für Güter, welche nicht nach Eisenbahnstationen bestimmt sind.

65. Wird Gut mit einem Frachtbriefe zum Transport übernommen, in welchem als Ort der Ablieferung ein nicht an einer anschließenden Eisenbahn liegender Ort bezeichnet ist, so besteht die Haftpflicht der Eisenbahnen als Frachtführer nicht für den ganzen Transport, sondern nur für den Transport bis zu dem Orte, wo der Trans­

port mittels Eisenbahn enden soll. In Bezug auf die Weiterbeförderung treten nur die Ver­ pflichtungen des Spediteurs ein.

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In Ansehung der von der Bahnverwaltung eingerichteten Rollfuhren nach seitwärts belegenen Orten (cfr. § 59) besteht die Haftpflicht der Eisenbahn als Frachtführer auch für den Trans­ port bis zu dem Bestimmungsorte des Gutes.

! I

in ungedeckten Wagen befördert werden, jo kann unter der mit dieser Transportart -verbundenen Gefahr ausfallender Gewichtsabgang oder Abgang von ganzen Kollis nicht verstanden werden. 3) Die Eisenbahn haftet in Ansehung derjenigen Güter, welche, ungeachtet ihre Natur eine Ver­ packung zum Schutze gegen Verlust oder Beschä­ digung auf dem Transporte erfordert, nach Er­ klärung des Absenders auf dem Frachtbriefe unverpackt oder mit mangelhafter Verpackung aufgegeben sind, nicht für den Schaden, welcher aus der mit dem Mangel-der Verpackung oder mit der mangelhaften Beschaffenheit der VerPackung verbundenen Gefahr entstanden ist. 4) Die Eisenbahn haftet in Ansehung derjeni-

! |

gen Güter, deren Auf- und Abladen nach Bestimmung des Tarifs oder- nach Vereinbarung

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Beschränkung der Haftpflicht bei Angabe mehrerer Bestim­ mungsorte.

66. Ist vou dem Absender auf denl Frachtbriefe bestimmt, daß das Gut an einem an einer Eisen­ bahn, für welche dies Reglement gilt, liegenden Orte abgegeben werden oder liegen bleiben soll, so gilt, ungeachtet im Frachtbriefe ein anderwei­ ter Bestimmungsort angegeben ist, der Transport als nur bis jenem ersteren, an der Bahn liegen­ den Orte übernommen, und die Eisenbahn ist nur bis zur Ablieferung an diesen Ort verantwortlich. Besondere Beschränkung der Haftpflicht.

67. 1; Die Eisenbahn haftet in Ansehung der Güter, welche vermöge ihrer eigenthümlichen na­ ; türlichen Beschaffenheit der besonderen Gefahr ! ausgesetzt sind, gänzlich oder theilweisen Verlust ■ oder Beschädigung, namentlich Bruch, Rost, : inneren Verderb, außergewöhnliche Leckage, Selbst­ ; entzündung li. s. w. zu erleiden, nicht für den Schaden, welcher aus dieser Gefahr entstanden ist, insbesondere also nicht a) überhaupt, bei gefährlichen Substanzen als: i Schwefelsäure, Scheidewasser und anderen ätzen­ den, sowie bei leicht entzündlichen Gegenständen; i b) für den Bruch: bei leicht zerbrechlichen I Sachen, als: leicht zerbrechlichen Möbeln, leicht I ' zerbrechlichem Eisenguß, Glas, leeren oder ge füllten Krügen, Flaschen und Glasballons, 3ucfer ■ in losen Broden u. s. w.; c) für das Verderben: bei Flüssigkeiten und : anderen Gegenständen, welche leicht in Gährung oder Fäulnis; übergehen oder durch Frost oder i i Hitze leiden: ■ d) für das Einrosten: bei Metallwaaren; e) für Gewichtsverluste: bei frischen und ge­ i i salzenen Fischen, Austern und Südfrüchten. 2) Die Eisenbahn haftet in Ansehung derjeni­ I gen Güter, welche in unbedeckten Wagen trans- ■ portirt werden, nicht für den Schaden, welcher ■ aus der mit dieser Transportart verbundenen ' Gefahr entstanden ist. Welche Güter die Eisen­ ! bahn bei Anwendung einer ermäßigten Tarifklasse i in unbedeckten Wagen zu transportiren befugt | ist, bestimmt der Tarif, und gibt der Absender ; sein Einverständniß mit dieser Beförderungsart | zu erkennen, falls er nicht bei der Aufgabe durch i schriftlichen Vermerk auf dem Frachtbriefe die I Beförderung des betreffenden Gutes in gedeckten oder mit Decken versehenen Wagen ausdrücklich verlangt. Die Eisenbahn ist jedoch in diesem Falle berechtigt, einen Zuschlag zu der tarifmäßi­ gen Fracht zu erheben. Wenn in Folge besonderer Vereinbarung Güter, die sonst in gedeckten Wagen verladen werden,

mit dem Absender von diesem, bezw. dem Em­ pfänger besorgt wird, nicht für den Schaden, welcher ans der mit dem Auf- und Abladen oder mit mangelhafter Verladung verbundenen Gefahr

entstanden ist. Dagegen haftet der Absender, bezw. der Empfänger für den Schaden, welcher durch das Auf- und Abladen oder bei Gelegen­ heit desselben den Fahrzeugen der Eisenbahn zu­ gefügt ist. 5) Die Eisenbahn haftet in Ansehung begleiteter Güter nicht für den Schaden, welcher aus der Gefahr entstanden ist, deren Abwendung durch die Begleitung bezweckt wird. 6) In allen vorstehend unter 1 bis 5 gedachten Fällen wird bis zum Nachweise des Gegentheils

vermuthet, daß ein eingetretener Schaden, wenn er aus der seitens der Eisenbahnen nicht über nonnnenen Gefahr entstehen konnte, ans derselben wirklich ent stand eii ist. 7i Die vorstehend unter 1 bis 5 bedungenen Befreiungen treten nicht ein, wenn nachgewieseii wird, daß der Schaden durch Schuld der BahnVerwaltung oder ihrer Leute entstanden ist. 8) Gewichtsmängel werden nicht vergütet, soweit für die ganze durchlaufene Strecke das Fehlende bei trockenen Gütern nicht mehr als ein Prozent, bei nassen Gütern, denen geraspelte und gemahlene Farbehölzer, Rinden, Wurzeln, SüßHotz, geschnittener Taback, Fettwaaren, Seifen und harte Oele, frische Früchte, frische Tabacksblätter, Schafwolle, Häute, Felle, Leder, getrock neres und gebackenes Obst, Thierflechsen, Hörner und Klau eil, Knochen «ganz und gemahlen-, ge trocknete Fische, Hopfen und frische Kitte gleich behandelt werden sotten, nicht mehr als zwei Prozent des im Frachtbriefe angegebenen, bezw. durch die Absendestation festgestellten Gewichts beträgt. Dieser Prozentsatz wird, im Falle mehrere Stücke zusanimen auf einen Frachtbrief transportirt worden sind, für jedes Stück beson­ ders berechnet, wenn das Gewicht oder das Maß der einzelnen Stücke im Frachtbriefe verzeichnet oder sonst erweislich ist.

1874 (14. Mai) Die vorstehend gedachte Befreiung von der Haftpflicht tritt nicht ein' wenn und soweit nach­ gewiesen wird, -daß der Verlust nach den Um­ ständen des Falles- nicht in Folge der natürlichen Beschaffenheit-des Gutes entstanden ist, oder daß der angenonimene Prozentsatz dieser Beschaffenheit oder den sonstigen Umständen des Falles nicht entspricht. Es bleibt jedoch den einzelnen Ver­ waltungen Vorbehalten, bei solchen Gütern, welche

vom Versender selbst verladen oder vom Em­ pfänger abgeladen werden, mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde höhere Prozentsätze als zwei Prozent nach Maßgabe der Beschaffenheit der einzelnen Artikel festzusetzen, bis zu welchen eine Vergütung für Gewichtsmängel nicht stattfinden soll. ; Bei gänzlichem Verlust des Gutes ist ein Ab­ zug für Gewichtsverlust überhaupt unstatthaft. Wclbincrtf) der Haftung.

68. Eine der Eisenbahn nach den Bestimmungen der vorstehenden Paragraphen zur Last fallende

Entschädigung ist in ihrem Geldwerthe nach fosgenden Grundsätzen zu bemessen: 1) Im Falle des gänzlichen oder theilweisen Verlustes wird bei der Schadenberechnung der von dem Beschädigten nachzuweisende gemeine Handelswerth, und in Ermangelung eines solchen

der gemeine Werth, welchen Güter gleicher Beschaffenheit zur Zeit und am Orte der bedungenen Ablieferung gehabt haben würden, nach Abzug der in Folge des Verlustes etwa ersparten Zölle und Unkosten zum Grunde gelegt. 2) Zum Zwecke der Entschädigungsberechnung wird jedoch der gemeine Handelswerth, bezw. der gemeine Werth nicht höher als 60 Mart pro 50 Kilogramm brutto angenommen, insofern ein

höherer Werth nicht ausdrücklich auf der Adreßseite des Frachtbriefes an der dazu bestimmten Stelle mit Buchstaben deklarirt ist. 3) Im Falle einer höheren Werthdektaration bildet die deklarirte Summe den Maximalsatz der zu gewährenden Entschädigung. In diesem Falle hat der Versender neben der tarifmäßigen Fracht einen Zuschlag zu entrichten, welcher ‘/io pro Mille der ganzen deklarirten Summe für jede angefangencn 150 Kilometer, welche das Gut

innerhalb der einzelnen Bahn resp, des einzelnen Verbandes zu durchlaufen hat, mit einem Minimalbetrage von 0,10 Mark und unter Abrundung des zu erhebenden Betrages auf 0,10 Mark nicht

übersteigen darf. 4) Bei Beschädigung von Gütern: wird die durch die Beschädigung entstandene Werthvermin­ derung nach Verhältniß des gemäß der Bestim­ mung ad 1 zu ermittelnden Werths zu dem ad. 2 und 3 erwähnten Maximalsatze vergütet. Im Falle einer böslichen Handlungsweise der Eisenbahnverwaltung oder ihrer Leute kann die Beschränkung der Haftpflicht auf den Normalsatz

oder

den

515 angegebenen Werth

des Gutes nicht

geltend gemacht werden. Haftpflicht für Versäumung der Lieferungszeit.

69. Die Eisenbahn haftet für den Schaden, welcher durch Versäumung der Lieferungszeit (§ 57) entstanden ist, sofern sie nicht beweist, daß sie die Verspätung durch Anweudung der Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht habe anwendcn können. Durch Annahme des Gutes seitens des im Frachtbriefe bezeichneten Empfängers oder seiner Leute, und durch Bezahlung der Fracht erlöschen alle Ansprüche aus Versäumung der Lieferungs­ zeit, insofern solche nicht binnen 8 Tagen nach der Ablieferung, bezw. nach Bezahlung der Fracht erhoben worden sind. Ist das Gut nicht angenonlmen, oder die Fracht nicht bezahlt, so ver­ jähren sie nach einem Jahre. Diese Frist beginnt j mit dem Ablaufe des Tages, an welchem die Ablieferung geschehen ist, und, wenn sie überhaupt ; [ nicht erfolgt ist, mit dem Ablaiffe der Lieferungs­ zeit. | ; Uftldwerll; der Haftung für Versäumung der ^ieferungszeik. 70. Für Versäumung der Lieferfrist vergütet die Eisenbahn, ohne den Beweis zu verlangen, daß durch die verspätete Ablieferuug ein Schaden ent­ | standen ist: ! a) bei Frachtgütern: wenn die Verspätung mehr als 1 Tag betrügt, bis zu 3 Tagen */4, bis zu 8 Tagen 73, und wenn die Verspätung mehr als 8 Tage beträgt, die Hälfte der Fracht; b) bei Eilgütern: wenn die Verspätung mehr ; ! als 12 Stunden beträgt, bis zu 24 Stunden 1 , - bis zu 3 Tagen 1/5, und wenn die Verspätung ! mehr als 3 Tage beträgt, die Hälfte der Fracht. ! Wird von dem Eutschüdigungsberechtigten die Vergütung einer höheren Summe beansprucht, so liegt demselben ob, den durch die verspätete , Ablieferung wirklich entstandenen Schaden auf Verlangen der Eisenbahnverwaltuug nachzuweisen. Die Höhe des von der Eisenbahn alsdann zu leistenden Ersatzes bestimmt sich durch die Höhe des nachgewieseneu Schadens mit der Maßgabe, ; daß : 1 im Falle einer Deklaration des Interesses ! an der rechtzeitigen Lieferung die deklarirte i Sunuue: 1 2) in Ermangelung einer solchen Deklaration: i a) falls die Versäumnis; nicht mehr als 24 i Stunden beträgt, der Betrag der halben Fracht, b; falls die Versäumnis; mehr als 24 Stunden ; beträgt, der Betrag der ganzen Fracht, die Maximaljätze der zn gewährenden Entschä­ digung bilden, insofern nicht die Versäumniß der Lieferfrist durch eine bösliche Handlungsweise der Eisenbahn oder ihrer Leute herbeigeführt worden ist. Die Deklaration des Interesses an der recht­ zeitigen Lieferung muß behufs ihrer Gültigkeit

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auf der Adreßseite des Frachtbriefes an der dafür vorgesehenen Stelle erfolgen und der desfallsige Betrag von dem Versender mit Buchstaben einge­ tragen werden. Die Eisenbahn ist in diesem Falle berechtigt, neben der tarifmäßigen Fracht einen Frachtzu­ schlag zu erheben, welcher für je 10 Mark der dcklarirten Summe — angefangene 10 Mark für voll gerechnet — für die ersten 150 Kilometer, welche das Gut innerhalb der einzelnen Bahn resp, des einzelnen Verbandes zu durchlaufen hat...............................................................1 Pf-, für die folgenden 225 Kilometer. . . V2 „ für jede weiteren folgenden 375 Kilo­ meter .................................................... 7s „ nicht übersteigen darf. Angefangene 150 resp. 225 und 375 Kilometer werden für voll ge­ rechnet. Ueberschießcnde Pfennige sind auf 0,10 Mark abzurunden. Der geringste Frachtzuschlag betrügt 0,10 Mark.

IV. Schlußbestimmung. Das Betriebsreglement wird durch das „Cen­ tralblatt für das Deutsche Reich" publizirt. Jede Eisenbahnverwaltung hat Exemplare desselben für das Publikum bereit zu halten und demselben gegen Erstattung der Kosten zu überlassen. Abänderungen des Reglements werden außer durch das „Centralblatt für das Deutsche Reich" auch von den Eisenbahnverwaltungen in je einem am Sitze derselben erscheinenden öffentlichen Blatte gültig publizirt. Anlage A.

Erklärung. * Die Güter-Expedition der ... . Eisenbahn zu .... hat auf .... Ersuchen folgende Güter, welche laut Frachtbrief vom heutigen Tage in nach­ stehender Weise bezeichnet sind, zur EisenbahnBeförderung nach .... von .... angenommen, nämlich .... erkenne .... hierbei ausdrücklich an, daß diese Güter unverpackt mit folgenden Mängeln in der Verpackung, nämlich .... aus­ gegeben sind, und daß dieses auf dein Fracht­ briefe von .... anerkannt ist. .... den ... ten .... 18 . . * Das Anerkenntnis ist bei Sendungen, die aus meh­ reren Kollis bestehen, auf diejenigen Stücke zu beschräuken, welche unverpackt sind oder Mängel in der Verpackung zeigen.

(Anlage B und C s. am Schluffe hinter S. 522.)

Anlage D.

Bestimmungen über bedingungsweise zur Beförde­ rung auf Eisenbahnen zugelassene Gegenstände.

(§ 48 B. 1.) I. Schieß- und Sprengpulver (Schwarz­ pulver) und ähnliche Gemenge, wie insbe­ sondere der sogenannte brennbare Salpeter;

Pulvermunition einschließlich fertiger Patronen (wegen Metallpatronen vgl. unten Nr. III); ' '

Feuerwerkskörper, insoweit sie nicht Stoffe enthalten, welche 11 adj § 48 A. 3 Litt, a bis e (einschließlich) von der Beför­ derung ausgeschlossen siud; Sprengkräftige Zündungen, mit Aus­ nahme der S p r e n g z ü n d h ü t ch c n 0 b er Sprengkapseln, (vgl. unten Nr. III), auch elektrische Minenzündungen, ferner Zünd­ schnüre mit Ausnahme der Sicherheits­ zünder (vgl. unten Nr. V); Patronen aus Dynamit; , Nitrocellulose, insbesondere Schießbaum­ wolle (auch Cotton-Powdcr) und daraus ge­ fertigte Patronen, ferner Kollodium­ wolle, Pyropapier (sogenanntes Düpplerschanzenpapier), unterliegen nachstehenden Vorschriften: 1) Diese Gegenstände sind in hölzerne Kisten oder Tonnen, deren Fugen so gedichtet sind, daß ein Ausstreucn nicht stattfinden kann, und welche nicht mit eisernen Reifen oder Bändern versehen sind, fest zu verpacken. Pulver kann in metallene Behälter (ausgeschlossen solche von Eisen) ver­ packt werden. Vor der Verpackung in Tonnen oder Kisten muß loses Kornpulver in leinene, Mehlpulvcr in lederne Säcke geschüttet werden. Dynamitpatronen und mit einem Ueberzuge von Paraffin versehene Patronen aus gepreßter (gemahlener) Schießbaum­ wolle sind durch eine Umhüllung von Papier in Packete zu vereinigen. Die genannten Patronen, sowie Schießbaumwolle und andere N i tr 0cellulose dürfen weder mit Zündungen ver­ sehen, noch mit solchen in dieselben Gefäße oder in denselben Wagen verpackt werden. Schießbaum­ wolle, sowie andere Nitrocellulose muß bis zu mindestens 20 Prozent Wassergehalt angefeuchtet in wasserdichte Behälter besonders fest verpackt sein, so daß eine Reibung des Inhalts nicht statt­ finden kann. Die zur Verpackung explosiver Stoffe dienenden Behälter müssen je nach ihrem Inhalt mit der Aufschrift: „Pulver, Pulvermunition, Feuerwerks­ körper, Zündungen, Dynamitpatronen, Schieß­ baumwolle" 2C. versehen sein. Das Bruttogewicht der Schießbaumwolle oder andere Nitrocellulose enthaltenden Behälter darf 85 Kilogramm, das Bruttogewicht der Pulver, Pulvermunition, Feuerwerks­ körper, Zündungen enthaltenden Behälter 75 Kilogramm, das Bruttogewicht der Dynamitund der vorgedachte Schießbaumwolle-Pa­ tronen enthaltenden Behälter 35 Kilogramm nicht übersteigen. 2) Auf dem Frachtbriefe muß vom Versender unter amtlicher Beglaubigung der Unterschrift be­ scheinigt sein, daß die Beschaffenheit und die Ver-

1874 (11. Mai) Packung der zu versendenden Sprengstoffe den Vorschriften der Verordnung entspricht. Dynamitpatronen dürfen außerdem nur dann zum Transport angenommen werden, wenn sie aus ciirer konzessionirten Fabrik herstammen. Die Behälter müssen mit der Bezeichnung des Ursprungsortes (Fabrikmarke) versehen und jede Sendung voll einem unter amtlicher Beglaubigung von dem Fabrikanten ausgestellten Ursprungs­ zeugniß begleitet feilt. Auch werden Dyn amitpatrouen nur in den ursprünglichen Behältern und nur in der Originalverpackung zum Eisenbahlltransport zugelaffeli. 3) Die Annahme und Beförderung kann, falls der Transport nicht mit Ertrazügen bewirkt wird, von den Eisenbahnen von vornherein auf bestimmte Tage und für bestinimte Züge beschränkt werden. Jeder Transport muß — unbeschadet anderer Vereinbarungen mit den betreffenden Eisenbahn­ verwaltungen im Einzelfalle, — sofern er auf der Anfgabebahn verbleibt, min­ destens 1 Tag, sofern er zwar auf der Aufgabebahn verbleibt, aber für Stationen von Zweigbahnen bestimmt ist, mindestens 2 Tage, sofern er sich über mehrere, unter getrennter Verwaltung stehende Bahnen bewegt, mindestens 4 Tage vor der Aufgabe 'unter Vorlage einer genauen und vollständigen Abschrift des Frachtbriefes bei der Versandtexpedition angemeldet und darf nur zu der von dieser schriftlich bestimmten Tageszeit eingeliefert werden. Die Aufgabe und Beförderung als Eilgut ist ausgeschlossen. Die Beförderung darf niemals mit Personen­ zügen, mit genlischten Zügen aber nur da erfolgen, wo keine Güterzüge gefahren werden. Güterzügen, beziehungsweise gemischten Zügen dürfen nicht mehr als acht mit Pulver, Pulver­ munition, Zündungen, Feuerwerks körpern und Schießbaumwolle und nicht mehr als vier mit Dynamitpatronen beladene Achsen beige­ geben werden. Größere Mengen dürfen nur in Extrazügen befördert werden. Derartige Trans­ porte sind der Aufgabebahn mindestens acht Tage vor der Aufgabe unter Bezeichnung des Trans­ portweges anzukündigen. 4) Die Verladung darf niemals von den Güter­ böden oder Güterperrons aus geschehen, muß viel­ mehr auf möglichst abgelegenen Seitensträngen und thunlichst kurz vor Abgang des Zuges, mit welchem die Beförderung geschehen soll, bewirkt werden. Dieselbe hat durch den Versender unter Bestellung sachverständiger Aussicht zu erfolgen. Die besonderen Lade-Utensilien und Warnungs­ zeichen (Decken, Flaggen und dergl.) sind vom Versender herzugeben und werden dem Empfänger mit dem Gute ausgeliefert. Die Verladungsplätze dürfen, den: Publikinn

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nicht zugänglich sein und sind, wenn ausnahms­ weise das Verladen bei Dunkelheit stattfindet, mit fest- und hochstehenden Laternen zu erleuchten. Bei dem Verladen insbesondere von Dynamit­ patronen, sind Erschütterungen sorgfältig zu ver­ meiden. Die Behälter (Kisten, Tonnen) dürfen deshalb nie gerollt oder abgeworfen weiden. Auch sind dieselben in dem Laderaum der Eisenbahn­ wagen so fest zu verpacken, daß sie gegen Scheuern, Rütteln, Stoßen, Umkanten und Herabfallen aus den oberen Lagen gesichert sind. Insbesondere dürfen Tonnen nicht aufrecht gestellt werden, müssen vielmehr gelegt, parallel mit der Bahn­ achse verladen und durch Holzunterlagen unter Haar- und Strohdecken gegen jede rollende Be­ wegung verwahrt werden. Zur Beladung und Beförderung dürfen nur bedeckte Güterwagen mit elastischen Stoß- und Zugapparaten und fester sicherer Bedachung thunlichst ohne Bremsvorrich­ tungen benutzt werden. Die Wagenthüren, sowie die etwa vorhandenen Fenster sind unter Verschluß zu halten und zu dichten. Aeußerlich müssen solche Wagen durch viereckige schwarze Flaggen mit einem weißen erkennbar sein, welche oben auf der Vorder- und Hinterwnnd oder an den beiden Längsseiten ange­ bracht werden. Sprengstoffe dürfen nur in Mengen von höch­ stens 1000 Kilogramm mit anderen Gütern und auch nur dann verladen werden, wenn die letzteren nicht leicht entzündlich sind und nicht früher als die Sprengstoffe zur Ausladung kommen sollen. Es ist aber untersagt, in den mit Dynamit­ patronen, Schi eßbaumwolle oder anderer Nitrocellulose befrachteten Wagen zugleich Pulver, P u l v e r m u n i t i o n, Feuerwerks­ körper oder Zündungen unterzubringen. Jeder Wagen darf nur bis zu zwei Dritteln seiner Tragfähigkeit beladen werden. Bei dem Verladen darf Feuer oder offenes Licht nicht gehalten und Taback nicht geraucht werden; ebensowenig während des Trans Ports in oder an den mit Sprengstoffen beladenen Wagen. Fährt eine Lokomotive an der Ladestelle oder an bereits mit Sprengstoffen bela­ denen Wagen vorüber, so müssen Feuerthür und Aschenklappen geschlossen, und darf das Blaserohr nicht verengt werden. Während der Vorüberfahrt der Lokomotive müssen die Wagenthüren verschlossen gehalten und muß der außerhalb der Eisenbahn­ wagen befindliche Theil der Sendung mit einer Decke feuersicher geschützt, ailch die Verladung unterbrochen werden. 5) Die beladenen Wagen dürfen sowohl auf der Verladestation wie unterwegs und auf der Bestimmungsstation mit der Lokomotive nur dann bewegt werden, wenn sich zwischen ersteren und letzterer mindestens vier nicht mit Feuer erzeu­ genden Gegenständen befrachtete Wagen befinden. Wagen mit Sprengstoffen dürfen niemals abge-

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1874 (11. Müi>

stoßen werden und sind auch zum Verkuppeln mit größter Vorsicht anzuschieben. 6) Die mit Sprengstoffen beladenen Wagen sind m die Züge möglichst entfernt von der Loko­ motive, jedoch so einzureihen, daß ihnen noch drei Wagen folgen, die nicht mit Feuer erzeugenden oder fortpflanzenden Stoffen beladen sind Minde­ stens vier solcher Wagen müssen den mit Spreng­ stoffen beladenen Wagen vorangehen Letztere sind unter sich und mit den vorangehenden und nach­ folgenden Wagen fest zu verkuppeln und ist die gehörige Verbindung aus jeder Zwischenstation, wo der Aufenthalt es gestattet, einer sorgfältigen Revision zu unterziehen. Vor und nach Wagen, in denen loses Pulver in Mengen von nicht mehr als 15 Kilogramm Bruttogewicht oder andere explosive Stoffe in Mengen von nicht mehr als 35 Kilogramm Bruttogewicht verladen sind, ist die Einstellung besonderer Schutzwagen nicht erfor­ derlich. Weder an den mit Sprengstoffen beladenen, noch, wenn die Beförderung mit den gewöhnlichen Zügen erfolgt (s unter Nr. 3), an dem nächstvor­ angehenden und an dem nächstfolgenden Wagen dürfen die Bremsen besetzt werden Dagegen muß der am Schluß der Zuges befindliche Wagen mit einer Bremse versehen und dieselbe bedient sein. 7) Bei Aufgabe von mehr als einer Wagen­ ladung ist von dem Versender Begleitung mitzu­ geben, welcher die spezielle Bewachung der Ladung obliegt. Die Begleiter dürfen während der Fahrt ihren Platz weder in noch auf den mit Spreng­ stoffen beladenen Wagen nehmen. 8) Die sämmtlichen auf der Fahrt zu berüh­ renden Stationen, nebst dem Personal der Züge, nut welchen unterwegs Kreuzung oder Ueberholung stattfindet, sind seitens der Bahnverwal­ tung von dem Abgänge bezw. dem Eintreffen der Sendungen rechtzeitig zu benachrichtigen, damit jeder unnöthige Aufenthalt vermieden und die durch die Natur des Bahnbetriebs bedingte Gefahr möglichst vermindert, auch jede andere Ursache einer solchen aiisgeschlossen werde Bei längerem Halten sind die mit Sprengstoffen beladenen Wagen ui möchlichst abgelegene Nebengeleise zu fahren Dauert der Aufenthalt voraussichtlich länger als eine Stunde, so ist der Ortspolizeibehörde Anzeige zu machen, um dieselbe in die Lage zu versetzen, die ihr im öffentlichen Interesse erforderlich erschei­ nenden Vorsichtsmaßregeln zu treffen Wenn eine Sendung auf eine andere Bahn übergehen soll, so ist die Verwaltung der letztern sobald als möglich von der Zuführung derselben ui Kenntniß zu setzen. 9) Wird während der Beförderung an den Wagen oder an der Ladnng eine Unregelmäßig­ keit bemerkt, so ist der Wagen mit Beachtung aller Vorsichtsmaßregeln auszusetzen und nöthigenfalls umzuladen. Abgesehen von einem solchen Falle ist das Umladen von Sprengstoffen und der etwa

i | I

beigeladenen Güter während ihrer Beförderuug unzulässig. 10) Die Sendungen sind dem Adressaten thunlichst im voraus, spätestens aber sofort nach An­ kunft am Bestimmungsorte zu avisiren. Die Ab­ nahme hat innerhalb drei Tagesstunden nach An­ kunft und Avisierung zu erfolgen. Begleitete Sendungen (vgl. Nr. 7), welche innerhalb der vorgeschriebenen drei Stunden der Empfänger nicht abgenommcn hat, sind ohne weiteren Verzug von den Begleitern abzunehmen. Ist das Gut 12 Tagesstunden nach Ankunft nicht abgenommen, so ist dasselbe der Ortspolizei­ behörde zur weiteren Verfügung zu übergeben und von der letzteren ohne Verzug vom Bahnhöfe zu entfernen Die Ortspolizeibehörde ist befugt, die Vernichtung anzuordnen. 11) Bis zur Abnahme ist die Ladung unter besonderer Bewachung zu halten Die Entladung und etwaige Lagerung darf nicht auf den Güterperrons oder in den Güterböden, sondern nur auf möglichst abgelegenen Seiten strängen beziehungsweise in räumlich von den Güterböden getrennten, gleichzeitig andcreii Zwecken nicht dienenden Schuppen nut der für die Ver­ ladung vorgeschriebenen Vorsicht erfolgen 12) Die Frachtgebühren sind ausnahmslos bei der Aufgabe zu entrichten. Nachnahmen des Ver­ senders sind ausgeschlossen. II. Petarden für Knall-Haltesignale auf den Eisenbahnen müssen fest in Pa Pierschnitzeln, Sägemehl oder Gyps verpackt oder auf andere Weise so fest und getrennt gelegt sein, das; die Blechtapseln sich weder selbst untereinan­ der, noch einen anderen Körper berühren können. Die Kisten, in denen die Verpackung geschieht, müssen von mindestens 2,6 Zentimeter starken ge­ spundeten Brettern angefertigt, durch Holzschrau­ ben zusammengehalten, vollständig dicht gemacht und mit einer Zweiten dichten Kiste umgeben sein, dabei darf die änßere Kiste keinen größeren Raum als 0,06 Kubikmeter haben. Die Annahme zur Beförderung erfolgt nur dann, wenn die Frachtbriefe mit einer amtlichen Bescheinigung über die vorschriftsmäßig ausge führte Verpackung versehen sind. III. Zündhütchen (einschließlich der Spreng zündhütchen oder Sprengkapseln) Z ü n d s p i e g e l, n i ch t spreugkräftige Zündungen, Pa t r o ii c ii h ü l s en mit Zündvorrichtungen und fertige Metallpatronen müssen sorgfältig in festen Kisten oder Fässern verpackt, und jedes Kollo muß nut einem besonderen, je nach dem Inhalte die Bezeichnung „Zündhütchen" oder „Zündspiegel" ?e. tragenden Zettel beklebt sein. (Wegen sp r e n g k r ä f t i g e r Z ü n d u ngen vgl. Nr. I) IV. Streichhölzer und andere N e i b - und S t r e i ch z ü n d e r (als Z ü n d l i ch t ch e n , Z ü n d s ch w ä m m e ?c) müssen in Behältnissen

1874 (11. Mm) von starkem Eisenblech ober in sehr festen hölzer­ nen Kisten, beide von nicht über 1,2 Kubikmeter Größe, sorgfältig und dergestalt fest verpackt sein, daß der Raum der Kisten völlig ausgefüllt ist. Die'Kisten sind äußerlich deutlich mit dem Inhalte zu bezeichnen. V. Sicherheitszünder, d. h. solche Zünd­ schnüre, welche aus einem dünnen, dichten Schlauche bestehen, in dessen Innerem eine verhältnißmäßig geringe Menge von Schießpulver enthalten ist, unterliegen den unter Nr. IV gegebenen Vor­ schriften. Anstatt der hölzernen Kisten können ledoch auch sehr feste hölzerne Fässer verwendet werben. (Wegen anderer Zündschnüre vgl. Nr. I.) VI. Bucher ' sche Feuerlös ch dosen in blechernen Hülse n werden nur in höchstens 10 Kilogramm enthaltenden Kistchen, welche in­ wendig mit Papier verklebt und außerdem in gleichfalls ausgeklebten größeren Kisten emgeichloffeu sind, zum Transporte zugelassen. VII. Gewöhnlicher (gelber- Phosphor muß nut Wasser nmgeben, ui Blechbüchsen, welche höchstens 6 Kilogramm fassen und verlöthet sind, in starken Kisten mit Sägemehl fest verpackt sein, Tie Kisten müssen außerdem gehörig in graue Leinwand einbolhrt fein, an zwei ihrer oberen Kanten starke Handhaben besitzen, dürfen nicht mehr als 90 Kilogramm wiegen und müssen äußerlich als „gewöhnlichen gelben Phosphor enthaltend" und nut „Oben" bezeichnet fein.

A m orph e r (rother) Phosphor ist in gut verlötheteu Blechbüchsen, welche in starke Kisten mit Sägespahneii eingesetzt sind, zu verpacken. Diese Kisten dürfen nicht mehr als 90 Kilogramm wiegen und müssen äußerlich als „rothen Phosphor enthaltend" bezeichnet sein. VIII. Rohes, ii nkrystallis irtes Sch we­ se l n a t r i n m, sowie so gen an nte sJc a t r o n = totes (ein bei der Bereitung der T h e e r ö l e erhaltenes Nebenprodukt) werden nur in dichten Blechbehältern, rafftnirtes, k r y st a l l i s i r t e s L ch w e f e l n a rriuni nur in wasserdichten Fässern oder ande­ ren wasserdichten Behältern verpackt zur Beförderung übernommen. IX. Die durch Bermischung von Petro-

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werden, deren Verpackung nachstehende Beschaffen­ heit haben muß: 1) befinden sich diese Präparate in Glasflaschen oder Blechgefäßen, so müssen dieselben in starke Holzkisten mit Kleie, Sägemehl oder lockeren erdigen Substanzen, wie Infusorienerde, fest ver­ packt sein; 2) befinden sich dieselben in Ballons c starken kugelförmigen Glasbehältern) deren Inhalt höch­ stens 35 Kilogramm wiegt, so kann deren Ver­ packung auch in soliden, mit gut verfestigten Deckeln versehenen und nut hinreichendem Ver­ packungsmaterial (ungefütterten Körben erfolgen. XL Schwefelkohlen st off (Schwefeln!kohol - wird ausschließlich auf offenen Wagen ohne Decktuch befördert und nur entweder: 1) in Gefäßen aus starkem, gehörig vernietetem und in den Nähten gut verlöthetem Eisenblech

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1 |

| | , 1 1 i

bis zu 500 Kilogramm Inhalt; oder 2- ui eylindrischen, aus Zinkblech gefertigten, oben und unten durch aufgelöthete eiserne Reifen verstärkten Gesäßen, oder in Kannen aus verzinktem Eisenblech Derartige Gefäße oder Kannen dürfen nicht mehr als 50 Kilogramm enthalten und müssen ennveder von geslochteneii Körben unu schlossen oder in Kisten nut Kleie, Sägemehl oder lockeren erdigen Substanzen, wie Jnfusorieiierde,

verpackt fein, oder 3) in Glasgefäßen, die in Blechbüchsen oder in starken Holzkisten nut Kleie, Sägemehl oder locke­ ren erdigen Substanzen, wie Infusorienerde, ein­

gefüttert sind. XII H o l z g e i st i n r o h e in undrektifiz i r t e in Z u st a n d e und Alkohol (Weingeist Alkohol) werden — sofern sie nicht i ii Fässern zur Aufgabe gelangen -mir in Glasflaschen, Ballons oder Blechgefäßen zur Beförderung zugelassen. Diese Behälter müssen

ui der oben unter Nr. X für Aether ?c schriebenen Weise verpackt fein

vorge-

XIII G r ü ii k a l k wird nur auf offenen Wa­

; 1 |

lennirliefstnnben, Harze n nnd dergleichen i Gegeiiständen nut lockeren brennbaren Kö r p er n erzen gte n n n d unter der Bezeichnung „ P a st a " in den Handel kommenden Feueranzünder werden nur in Behältern von Blech oder in dichten Holzge­ fäßen verpackt zur Beförderung übernommen. | X. A ethe r S ch w e f e l ä t h e r), N a p h t a , .v o f m a n n s t r o p s e n ( H o fm a n n s g e i st -, sowie andere A e t h e r a r t e n, a n ch Chlo r o f o r m ; ferner Kollodium u u d M i r banöl (Nitrobenzol- dürfen nur in voll­ kommen dicht verschlossenen Gefäßen versendet

gen befördert. XIV Chlorsäure s Kali muß sorgfältig ui dichten, nut Papier aiisgeklebteii Fässern oder Kisten verpackt fein

XV W eine Pikrin s ä ii r e wird nur gegen eine von einem geeigneten Chemiker ansznftellende Bescheinigung über die Reinheit und Ungefähr lichkeit der anfgegebenen Pikrinsäure befördert. Vgl

§ 48 A 3 . Tie Neichsmartrechnung wurde in (S V. durch B. v. 31. Dez. 1874 ringeführt: für da» Reich trat sie am 1. Jan. iH7fi in Straft (B. v. 22. Sept. !M7.h.

vom

| I

steigen. G. Von den Landesscheidemünzen sind: 1, die auf andere als Thalerwährung lauten den, mit Ausschluß der bayerischen Heller und

548

1874 (15. Nov.i

der mecklenburgischen nach dem Marksysteme aus­ geprägten Fünf-, 3roei- und Einpfennig-Ltücke, 2) die auf der Zwölstheilnng des Groschens beruhenden Scheidemünzen zu 2 und 4 Pfen­

nigen, 3) die Scheidemünzen der Thalerwährung, welche auf einer anderen Eintheilung des Thalers, als der in 30 Groschen beruhen, mit Ausnahme der Stücke im Werthe von */ ln7l

15. jlovembev 1874.

SeKanntmachung des iieichskanjlrrs, brtrrffend d'e kaiserliche Verordnung wegen der Geschäftssprache der Gerichte und gerichtlichen Sramten in Elsaß-Lothringen. G -Bl 3. 52. Ter Sictdjvtiiq bat in der SiUniifl vom 14. No vember d 3 der aus Wiunb des 8 des Gesetzes I d 25 Jnni 1873 erlassenen, die Geschästssprache |

der Gerichte u»d gerichtliche» Beamte» betresjei de» Kaiserlichen ' erorbnunq vom 17. September 1874 die vorbehaltene Genehmig»»^ ertheilt

16. Noveinber 1874.

Ersetz, betreffend die Lestruerung des üranntweius in Gebielsthrilrn, welche in die Zollgrenze eingeschloffen werden. R -G.Werden Gebietstheile, welche zur Zeit auster­ halb der gemeinschaftlichen Zollgrenze liegen, in dieselbe eingeschloffen, so tritt mit dem Tage ihrer Einschlicstung in diese Grenze das Gesetz, betreffend die Besteuerung des Branntweins in ver'chiedenen Zlini Norddeutschen Bunde gehörenden Staaten und Gebietstheilen, vom 8 Juli 1868 (Bnndes-

l. S. 134 \ I I

Gcsetzbl E. 384), 1 tu Ärast, sofern nicht daselbst bi Besteuerung des inländischen Branntweins verfas'ungsmastig der Landcsge'etzgebunq vorbe-

I

halten ist

I

I j I

1. Bgl W v. lb Mai lH7i, die Bcsieueruuq des * lauut tönii» betr.

1874 (Ls, Nw, — 2S. Nov.)

551

22. November 1874.

AMliMal-PMvrrtrag M dem Mischt« -e« Uor-de«tfche« Sunde und Selgien «uterm 26. Miiy 1868 abgeschlossenen Vertrage, betreffend den gegenseitigen Austausch von kleine« packele« und von Geldsendungen. R.-G.-Bl. 1875 S. 12. T »Kem. 1 zum Postverreüst mit Brasilien v. 30. Stpt. 1873.

23. November 1874.

Verordnung, betreffend die Zuständigkeit der tieichsbehörden zur Ausführung des Gefetzes -sm $L März 1873 nnd die Anstellung der Neichsbeamten.1 IRAtMBL S. 135. § L Die Zuständigkeit der Reichsbehörden zur Ausühung derjenigen Funktionen, welche in dem besetze, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten, vom 3L Marz 1873, der obersten Reichsbehörde, den höheren Reichsbehörden, den vorgesetzten Dienstbehörden und den unmittelbar vorgesetzten Behörden beigelegt sind, wird nach Maßgabe des anliegenden Verzeichnisses hierdurch sestgestettt. 2. Eine Kaiserliche Bestallung erhalten: 1; die Mitglieder der höheren Reichsbehörden, sowie diejenigen Reichsbeamten, welche nach ihrer dienstlichen Stellung denselben vorgehen oder gleich stehen; 2. die Konsuln (Art. 56 der Reichsverfassung). 3. Die Anstellungs-Urkunden der übrigen Reichs­ beamten werden im Namen ües Kaisers vom Reich kanzler oder von den durch denselben dazu ermächtigten Behörden ertheilt. 4. Die §§ L und 3 finden auf diejenigen Reichsbeamten feine Anwendung, über deren Anstellung durch Reichsgeseß oder vertragsmäßig eine abweichende Bestimmung getroffen ist.

Derzeichniß der Reichsbehörden.

I Oberste Rei chsbehörde. besetz vom 31. März 1873 htz 8, 15, 16, 33, 51, 64-66, 68, «9, 7r, 81, 84, 85, 96-98, 101, 121, 122, 127, 128, 131, *39, 150, 151, 153

Vorbehaltlich der Verfassung mäßigen Berantantwortlichkeit des Reichskanzlers sind zuständig:2 1 das Reichskanzler-Amt, 2) das Auswärtige Amt, 3) das Königlich preußische Krieg Ministerium, 4j das Königlich sächsische Kriegsministerium, 5) das Königlich Württembergische Kriegsmini­ sterium, 1. Erlassen ans Grund des g 159 G. v. 31. Marz 1873 Vgl bez. der Beamten der Reichsbank B v 19. Tez. 1875, be; der Landesbeaniten B. v. 23. Febr. 1871. 2 Ter General Postmeister, § 2 B. v. 22 Tez. 1875, letzt Staatssekretär des Reichs Postamts, Erl. v. 23 Hebr 1880

6) die Kaiserliche Admiralität, 7) das Reich eisettbahtt-Amt.

II. Höhere, der obersten Reich behörde unmtltsslbar untergeordnete Reichs­ behörden und Vorsteher solcher Behörd en. Geiet' vom 31 Mai; 1873 §1? 81, 85, 13t, 151, 153

A. Auswärtiges Amt.

1) die Botschafter und die Gesandten, 2) die Minister-Residenten und die Geschäfts­

träger, 3) die General-Konsuln und die Berufs-Konsuln in Ländern, in welchen ein höherer diplomatischer

Beamter nicht residirt. B. Verwottrmg des Zkeichs-eeres.

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#ur

das Disziplinarverfahren

(Gesetz vom 31. März 1873 §§ 81, 85)

find zuständig: L die tommandirenden Generale, 2) der Chef des Generalstabes der Armee, 3) die Gouverneure von Berlin und Mainz und der Kommandant von Potsdam, 4) der General-Inspekteur des Militär-Erzie­ hungs- und Bitdungswesens, 5) der General Inspekteur des Etappen- und Eisenbahnwesens, 6) der Kommandeur des Kadettenkorps, 7) der Direktor der Kriegsatademie, 8, der Präses der Ober-Examinations-Kommission, 9' das Kuratorium der vereinigten Artillerie-

und Ingenieurschule, 10) der Inspekteur der Jnfanterieschulen, 11 der Chef des Militär Reitinstitnts, 12) der Inspekteur des Militär-Beterinärwesens, 13) der Königlich preußische General-Stabsarzt der Armee und der Königlich Württembergische

General-Stab arzt, 14) der Königlich preußische General-Auditeur der Armee, der Vorstand des Königlich sächsischen

1874 (23. NvV.)

552

Ober-Kriegsgerichts und der Königlich württetnbergische General-Auditeur, 15) der Präses der Artillerie -- PrüfungsKommission, 16) der Inspekteur der Gewehrfabriken, 17) die Korps-Intendanturen und Intendanten

| I I

4) die unter II B a ausgeführten Behörden, 5) die Königlich preußischen technischen Institute der Artillerie, 6) die Königlich preußische GeneraL-Militärfasse und die Königlich preußische General-Kriegs fasse,

die Königlich preußischen RemontedepM, 8) die Stadtfommandantur zu Dresden, 9) die Kommandantur der Festung Königstein, (Gesetz vom 31, März 1873 §§ 139, 151, 153) 10) der Kommandeur des Kadettenkorps zu sind zuständig: [ Dresden, 1) die kommandirenden Generale, 1 II) der Kommandeur der Unteroffizierschule zu 2) die Korps-Intendanturen Marienberg, 12) der Direktor der Lehr- und Erziehungs­ C. Verwaltung der Kaiserlichen Marine. a) Für das Ti szip linarverfah ren anstalt zu Klein-Struppen, (Gesetz vom 31. März 1873 §§ 81, 85 13- der Direktor der Garnisonschule zu Dresden, sind zuständig: I 14- die Königlich sächsische Sanitätsdirektion, 1) die Kommandos der Marinestationen der 15} der Direktor der Königlich sächsischen Ar Nordsee und der Ostsee, tillerie-Werkstätteu und Depots, 2) die Marmestatwns-Intendanturen, 16) die Königlich sächsische Geniedirektion, 3) die Werften. 17; das Königlich sächsische Kriegszahlamt, hj Für das Verfahren bei Defekten und b c i . 18) das Königlich Württembergische Knegszahl der Verfolgung v e r in ö g e n s re ch tl i ch e r | amt; d) Für das Verfahren bei Defekten und bei der Verfolgung Vermögensrechtkicher A n f p r ü ch e

|

7)

| i

A n s p r ü ch e

sind zuständig: die Marinestations-Jntendanturen. D Vostverwaltung.

F ü r die ausschließlich unter Mi litär b ef e hls hab ern' st ch end en Militärb eamten

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b)

I

sind zuständig:

I 1

1) die kommandirenden Generale, 2) die Festungs Inspekteure, 3- die Kommandeure der FüßarMerie-Brigaden als vorgesetzte Instanzen der Artllleriedepots, 4) die Militärabtheilung des Königlich rolirt tembergischen Kriegsministeriums als vorgesetzte Instanz des Königlich württembergischen Artillerie depots

(Gesetz vom 31 März 1873 §g 139, 151, 153

1) die Ober-Postdirektionen, 2) der Vorsteher des Post-Zeitungsamts, 3) der Vorsteher des deutschen Reichs-Postamts zu Konstantinopel Bemerkung. Den unter Nr 2 und 3 ge­ nannten Beamten steht die Eigenschaft einer höheren Reichsbehörde nur in Bezug auf das Disziplinarverfahren zu

C. Vermattung der Kaiserlichen Marine.

1) die Kaiserliche Admiralität, 2i die unter II. (1 aufgeführten Behörden

E. Telegrap henverwaltung.

Tie Telegraphendirektionen 3

F Aekchs-OisenVahnverwattrmg.

1) Vostverwattung.

I

1) das Geiieral-Postamt, 2) die unter II D ausgeführten Behörden

Die Generaldirektion der Reichs-Eisenbahnen. Bemerkung. Die Befugniß der Vorsteher höherer Reichsbehörden zur Verhängung von Geldstrafen erstreckt sich nicht auf die Mitglieder dieser Behörden.

E. Tetegraphenverwaltung. 1) die Generaldirektion der Telegraphen, 4 2i die Telegraphendirektionen.3 F. Gisenvahnverwaltung.

|

III. Vorgesetzte Dienstbehörden

1 > das Reichskanzler-Amt, 2) das Reichseisenbahn-Amt, 3- die Generaldirektion der Reichseisenbahnen.

(Gesetz vom 31. März 1873 §§ 7, 12, 38, 62.

Vorbehaltlich der verfassungsmäßigen Verant­ * wortlichkeit des Reichskanzlers sind zuständig: A. Auswärtiges Amt.

IV. Unmittelbar vorgesetzte Behörden bezw. Beamte

Die unter II. A. aufgeführten Behörden.

.Gesetz vom 31 März 1873 88 53, 146.'

B. Verwaltung des Aeichsheeres. a) I m Allgemeinen.

1) das Königlich preußische Kriegsministerium, 2) das Königlich sächsische Kriegsministermm, 3) das Königlich Württembergische Kriegsmini­ sterium, 3. Jetzt Ober-Postdirektionen, 8 4 B. v 22. Dez. 1875.

A Verwaltung des Aeichs Heeres.

a

Für bie ausschließlich unter Militär befehlshabern stehendeu Militärbeamteu

sind zuständig: 4. General Telegraphenamt, 8 3 B v 22. Dez. 1875, letzt Zweite Abtheilung des Reichs Postamts Bf des G -Post Meisters v 20. März 1880, A. Bl. der Post und Telegraphen Verwaltung S. 121 -

1874 (2& Nov. -r-'" 3. Nov.) 1/ btt Pegi-mmtS^ bezw. Batstllons-Kommanbeure, 2) bie Vorstände des Artilleriedepols, *3z dte-< Platzingknieme,. 4) , bte Festuttgsbaubirektoreu,) 5) die Direktoren der Kriegsschulen, der £bßre FeuePVnkerschLle und de-r OsfizierfReitschule. bi AußevH em ' fun gi-'r en al 4 un mittelbare Borgef^tzte der nfjiren. unrorffebenen Beamte n.;.

1; die Gouverneure und Kommandanten

2) die Kommandeure der Kädetteuhauser, 3) die Direktoren der Militär-Schießschnle, deK Militär-Knaben-Erzrehungsinstttuis zu Aunabuxg, der vereinigten Artillerie» und Ingenieurschule ruzd der Direktor her ^ehr^ und Erziehungsanstalt zu Kleiu-Strnppen> 4) die Kommandeure der Untoroffizrerschulen. zu Weißenfels und zu Marienberg, 5) der Unterrichrsdingent der Zentral-Tuvnanstalt, 6; die Vorsitzenden der Kuratorien ber Garnisonschulen, der Direktor der Garnisonschule zu Dresden, 7- die Direktoren der Gewehrfabriken, 8i die Königlich sächsische Geniedlrektion, 9) die Präsides der Gewehr-Revisions-Kommissionen, 10- die Direktoren der technischen Jiistitute der Artillerie, 11) die Kommandanten der Jnvattdenhäuser, 12- die Korps-Generalärzte, tue Königlich säch­ sische SamtätSdirekuon, 13) der Subdlrektor der militürärztlichen BUdungsanstalten, die Chefärzte der Lazarethe, die Chefärzte der Krankentraiisport-KoniMissionen, 14) die Vorsteher der Lazareth-Reservedepots, 151 die Rendanten der General-Militärkasse, bezw General-Kriegskasse, 16) der Rendant der Zahlnngsstelle des 14 Armee-Korps, der Rendant des Königlich sächsi­ schen Knegszahlamis und der Rendant des Königlich württembergischen Kriegszahlamts, 17) die Vorstände der Proviantämter, Reserve­ magazin - Rendanturen und Depot - Magazinver­ waltungen,

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18) die Rendanten der Montirungsdepots, 19) die Vorstände der Garnisonverwaltungen, 20) die Vorsteher der Güter-Depots und Maga­ zine an den Sammelstellen, 21; der Präses der Artillerie-Prüfungs-KomTiiiffiork Bemerkun g, Die unter Nr 1 bis 20 aufgefi'chrten Stellen haben im Disziplinarverfahren hinsichtlich der Verhängung von Geldstrafen die Zuständigkeit der im § 81 Nr 3 des Gesetzes vom 31. März 1873 erwähnten Behörden und Vorsteher von Behörden. B. Kerrvattung der Kaiserlichen Marine. a,

j'y ii r d i e ausschließlich unter Militär b e f e h l S l) a b e r n st e h e n d e n Marinebeamten

sind zuständig: 1) die Kommandeure der Matrosen- Und Werft­ divisionen, der Schlffsfungen-Abtheilung, des Seebataillons und der Seeartillerle-Abtheilung, 2) die Vorstände der Marine-Artilleriedepots, 3, die Ober-Werftdirektoren, 4) die Direktoren der Marineakademie, der Marineschule, der Maschinistenschulen, ä) die Abtheilungsführer. I) A u Herd e in f n n i r e ii al» u n ili i t t e l b a r e Borges etzte der ihnen untergebenen Beamten

1) die Direktoren der Werften, 2) die Hafenbau - Kommissionen zu Kiel und Wilhelmshaven, 3) die Vorstände der Werstkassen- und Magazmverwaltungen, 4) der Rendant des Marine-Bekleidungsmaga­ zins, 5) die Vorstände der Marme - Garnisonsver­ waltungen, 6, das Lootsenkonimandö zu Wilhelmshaven. c. Zm übriger» gelter» als unmittelbar Vorgesetzte Behörden Vezw. Meamte :

1) der Vorsteher jeder Behörde hinsichtlich der bei ihr angestellten Beamten, 2) jede Behörde, welcher eine andere unmittel­ bar untergeben ist, hinsichtlich des Vorstehers oder, wo ein solcher fehlt, hinsichtlich der Beamten der untergebenen Behörde.

30. November 1874. Gesetz über Markenschutz. R-G.-Bl. 2 143. § 1. Gewerbetreibende, deren Firma im Han­ delsregister eingetragen ist, können Zeichen, welche zur Unterscheidung ihrer Waaren von den Waaren anderer Gewerbetreibenden auf den Waaren selbst oder auf bereu Verpackung angebracht wer­ den sollen, zur Eintragung in das Handelsre­

gister des Ortes ihrer Hauptniederlassung bei dem zuständigen Gerichte anmelden. 1 2 Der Anmeldung muß eine deutliche Dar­ stellung des Waarenzeichens (§ 1) nebst einem 1 Bgl Bkm v 8. Febr 1875.

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1874 3) den Vermerk des Standesbeamten, daß und ! auf welche Weise er sich die Ueberzeugung von der Persönlichkeit der Erschienenen verschafft hat; 4) den Vermerk, daß die Eintragung den Er­ schienenen vorgelesen und von denselben geneh- * migl ist; 5) die Unterschrift der Erschienenen und, falls sie schreibensunkundig oder zu schreiben verhin-

i 1

dert sind, ihr Handzeichen oder die Angabe des Grundes, aus welchem sie dieses nicht beifugen konnten; 6) die Unterschrift des Standesbeamten. Die auf schriftliche Anzeige erfolgenden Eintra­ gungen sind unter Angabe von Ort und Tag der Eintragung zu bewirten und durch die Unterschrift des Standesbeamten zu vollziehen Zusätze, Löschungen oder Abänderungen sind am Rande zu vermerken und gleich der Eintragung selbst besonders zu vollziehen

, 1 1

unter den Aufsichtsbehörden die Gerichte begreift, aufrecht

|

erhalten ist, muß nothwendiger Weise auch die Bertheilnnq der durch § 11 Abs ‘ ohne Aufzahlung bestimmter Falle verallgemeinerten Befugnis; zur Verhängung der zuqelassenen

|

Ordnungsstrafen auch nach den bisher von der Landesgcsetzgebung aufgestellte,i Grundsätzen erfolgen.

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14. Erne besondere landesgesetzliche Bestimmung besteht Nicht. 15 Ueber bie zu führenden alphabetischen Namensreglstcr und sonstigen Verzeichnisse vgl § 10 B v. 22. Juni 1875

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— Bezüglich der Führung der Standesregister un Allge meinen vgl Bf. des G.-Pr. v. 29. Sept 1877, 1. Aug. 1878, 4 u 27. Jan. 1879 (Sammt G -Pr III Nr. 703, IV Nr. 788, 815 li. 821). — Bezüglich auswärtiger Standcsurkunden, welche nicht zu überschreiben, sondern zu den ^ammclakten zu nehmen sind, vgl. G.-Pr. v 9 Juni 1879 ; Sammt. G.-Pr. IV Nr. 858-.

14. Von jeder Eintragung in das Register ist von dem Standesbeamten an demselben Tage eine von ihm zu beglaubigende Abschrift in ein Neben­ register einzutragen.

Nach Ablauf des Kalenderjahres hat der Stan­ desbeamte jedes Haupt- und jedes Nebenregister unter Bermerkung der Zahl der darin enthaltenen Eintragungen abzuschließen nnd das Nebenregister der Aufsichtsbehörde einzureichen; die letztere hat dasselbe nach erfolgter Prüfung dem Gerichte erster Instanz zur Aufbewahrung zuzustellen 10 Eintragungen, welche nach Einreichung des Ncbenregisters in dem Hauptregister gemacht wer­ den, sind gleichzeitig der Aufsichtsbehörde in be­ glaubigter Abschrift mitzutheilen. Die Letztere hat zu veranlassen, daß diese Eintragungen dem Nebenreglster beigeschrieben werden.

15. Tie ordnungsmäßig geführten Standesre­ gister 12 bis 14) beweisen diejenigen That­ sachen, zu deren Beurkundung sic bestimmt und welche in ihnen eingetragen sind, bis der Nachweis der Fälschung, der unrichtigen Eintragung oder der Unrichtigkeit der Anzeigen und Feststellungen, auf Grund deren die Eintragung stattgefunden hat, erbracht ist Dieselbe Beweiskraft haben die Auszuge, welche als gleichlautend mit dem Haupt- oder Nebenre­ gister bestätigt und mit der Unterschrift nnd dem Dienstsiegel des Standesbeamten oder des zustän­ digen Gerichtsbeamten versehen sind. Inwiefern durch Verstöße gegen die Vorschriften dieses Gesetzes über Art und Form der Eintra­ gungen die Beweiskraft aufgehoben oder geschwächt wird, ist nach freiem richterlichen Ermessen zu be urtheilen 17 16. Die Führung der Standesrcgister und die darauf bezüglichen Verhandlungen erfolgen kostenund stempelfrei.

Gegen Zahlung der nach dem angehängten Tarife zulässigen Gebühren müssen die Standes­ register jedermann zur Einsicht vorgelegt, sowie beglaubigte Auszüge (§ 15) aus denselben ertheilt werden. In amtlichem Interesse und bei Unver­ mögen der Betheiligten ist die Einsicht der Re­ gister und die Ertheilung der Auszüge gebühren­ frei zu gewähren. 18 Jeder Auszug einer Eintragung muß auch die zu derselben gehörigen Ergänzungen und Berich­ tigungen enthalten.

1G Bezüglich der Prüfung der Standesregrster vgl. £ v. 26. Nov. 18^3 n 10. Marz 1825. 17. § 15 wird von der C.-P.-O nicht berührt (§ 13 Abs 1 E.G. z. C.-P.-O -.

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18 Vgl. G v. 10 Dez. 1850. — Im amtlichen Interesse durch anslandlsche Behörden verlangte Auszüge ans den Standesregistern sind kostenfrei i G.-Pr. v 15 Dez. 1876. — Sammt. G -Pr. III Nr. 625»

1875 (6. gebt.) Zweiter Abschnitt

g3furftunt>unß btr Kurten. 19 * ** * 15 * * * 17. Jede Geburt eines Kindes ist innerhalb einer Woche dem Standesbeamten de5 Bezirks, in welchem die Niederkunft stattgefunden hat, anzuzeigen. 18. Zur Anzeige sind verpflichtet:

1) der eheliche Väter: 2) die bei der Niederkunft zugegen gewesene Hebamme; 3) der dabei zugegen gewesene Arzt; 4) jede andere dabei zugegen gewesene Person; 5 die Mutter, sobald sie dazu im Stande ist. Jedoch tritt die Verpflichtung der in der vor­ stehenden Reihenfolge später genannten Personen nur dann ein, wenn ein früher genannter Ver­ pflichteter nicht vorhanden oder derselbe an der Erstattung der Anzeige verhindert ist

19. Die Anzeige ist mündlich von dem Ver­ pflichteten selbst oder durch eine andere aus eige­ ner Wissenschaft unterrichtete Person zu machen.

2(. Bei Geburten, welche sich in öffentlichen Entbindungs-, Hebammen-, Krauten-, Gefangen- und ähnlichen Anstalten, sowie ni Kasernen ereignen, trifft dre Verpflichtung zur Anzeige aussthlicßlich den Vorsteher der Anstalt oder den von der zu­ ständigen Behörde erniächtigtcn Beamten. Es ge­ nügt eine schriftliche Anzeige in amtlicher Form. 21. Der Standesbeamte ist verpflichtet, sich von der Richtigkeit der Anzeige 17 bis 20), wenn er dieselbe zu bezweifeln Anlas; hat, in geeigneter Weise Ueberzeugung zu verschaffen

22. Die Eintragung des Geburtsfalles soll ent­ halten :

1) Bor- und Familiennamen, Stand oder Ge­ werbe^ und Wohnort des Anzeigenden: 2) Ort, Tag und Stunde der Geburt; 3) Geschlecht des Kindes; 4 Vornamen des Kindes; 20 5) Vor- und Familiennamen, Religion, Stand oder Gewerbe und Wohnort der Eltern. Bei Zwillings- oder Mehrgeburten ist die Ein­ tragung für jedes Kind besonders und so genau zu bewirken, das; die Zeitfolge der verschiedenen Geburten ersichtlich ist. Standen die Vornamen des Kindes zur Zeit der Anzeige noch nicht fest, so sind dieselben nach­ träglich und längstens binnen zwei Monaten nach der Geburt anzuzeigen. Ihre Eintragung erfolgt am Rande der ersten Eintragung.

19 Ueber dre Beurkundung der Geburten von MilitarPersonen, welche rhr Standquartier nach ernqctreteuer Mobrlmachunq verlassen haben, vgl 3-6 V. v. 20. Jan. 187') 20. Bczuqlrch der zulässigen Vornamen vgl. G. v 11. Germ. XI Ueber fremdländische, insbesondere französische Vor­ namen vgl Bf. G -Pr. v 18 Juni 1878 (Sammt G.-Pr. IV ’Hr 772

579

23. Wenn ein Kind todtgeboren oder in der Geburt verstorben ist, so muß die Anzeige spätestens am nächstfolgenden Tage geschehen. Die Eintra­ gung ist alsdann mit dem im § 22 unter Nr. 1 bis 3 und 5 angegebenen Inhalte nur im Ster­ beregister zu machen.

24. Wer ein neugeborenes Kind findet, ist ver­ pflichtet, hiervon spätestens am nächstfolgenden Tage Anzeige bei der Ortspolizeibehörde zu machen. Die letztere hat die erforderlichen Er­ mittelungen vorzunehmen und dem Standesbeam­ ten des Bezirks von deren Ergebniß behufs Eintragung in das Geburtsregister Anzeige zn machen. Die Eintragung sott enthalten die Zeit, den Ort und die Umstände des Auffindens, die Be­ schaffenheit und die Kennzeichen der bei dem Kinde Vorgefundenen Kleider und sonstigen Ge­ genstände, die körperlichen Merkmale des Kindes, sein vermuthliches Alter, sein Geschlecht, die Be­ hörde, Anstalt oder Person, bei welcher das Kind untergebacht worden, und die Namen, welche ihm beigelegt werden. 21 25 Die Anerkennung eines unehelichen Kindes darf in dal-» Geburtsregister nur dann eingetragen werden, wenn dieselbe vor dem Standesbeamten oder in einer gerichtlich oder notariell aufgenom­ menen Urkunde erklärt ist 22 23

26. Wenn die Feststellung der Abstammung eines Kindes erst nach Eintragung des Geburts­ falles erfolgt oder die Standesrechte durch Legiti­ mation, Annahme an Kindesstatt oder in anderer Weise eine Veränderung erleiden, so ist dieser Vorgang, sofern er durch öffentliche Urkunden nachgewiesen wird, auf Antrag eines Betheiligten am Rande der über den Geburtsfall vorgenom­ menen Eintragung zu vermerken. 27. Wenn die Anzeige eines Geburtsfalles über drei Monate verzögert wird, so darf die Eintra­ gung nur nut Genehmigung der Aufsichtsbehörde22 nach Ermittelung des Sachverhalts erfolgen. Die Kosten dieser Ermittelung sind von dem­ jenigen emzuzichen, welcher die rechtzeitige An­ zeige versäumt hat

21. Bezüglich der Vormundschaft über tn Pfleqehausern aufqenommene Kinder und über Findelkinder, welche daher auch die Namen zu bestimmen hat, vql. Art 1 G v 15 Pluv XIII, Art. 15 D v 19 Jan. 1811.

22. Nach Erl. des R.K. v. 8 Dez. 1876 ^Samml. G. Pr. III Nr 624) ist die Beurtnndunq der Anerkennung unehe­ licher Kinder in der Heliathsurtunde der Eltern znlässtg. — Durch § 25 ist an der Vorschrift der Artt. 335 it 342 C G B. nichts geändert, wonach eine Anerkennung von in Blutschande oder 1111 Ehebruch erzeugter Kinder nicht stattslnden kann, es darf daher auch eine Staudesurkunde nicht darüber aufgenommen werden § 25 behandelt nur die Frage, wie eine Anerkennung zu beurkunden ist, nicht aber die Voraussetzung derselben, ob solche geschehen darf

23 Vgl Bem 311 St.-R G v. 12 Brnm. XI.

1875 (6. Febr.)

580 Dritter Abschnitt. Erfordernisse der Khefchtie^nng.

28. Zur Eheschließung ist die Einwilligung und die Ehemündigkeit der Eheschließenden er­ forderlich. Die Ehemündigkeit des männlichen Geschlechts tritt mit dem vollendeten zwanzigsten Lebensjahre, die des weiblichen Geschlechts mit dem vollendeten sechszehnten Lebensjahre ein. Dispensation ist zulässig. 24 29. Eheliche Kinder bedürfen zur Eheschließung, so lange der Sohn das fünfundzwanzigste, die Tochter das vierundzwan-igste Lebensjahr nicht vollendet hat, der Einwilligung des Vaters, nach dem Tode des Vaters der Einwilligung der Mutter und, wenn sie minderjährig sind, auch des Vormundes. Sind beide Eltern verstorben, so bedürfen Minderjährige der Einwilligung des Vorniunde . Dem ^ode des Vaters oder der Mutter steht c^> gleich, wenn dieselben zur Abgabe einer Er­ klärung dauernd außer Stande sind, oder ihr Aufenthalt dauernd unbelannt ist. Eine Einwilligung des Vormundes ist für die­ jenigen Minderjährigen nicht erforderlich, welche nach Landesrecht einer Vormundschaft nicht unter­ liegen. Inwiefern die Wirksamkeit einer Vormund­ schaftsbehörde oder eines Familienrathev stattfindet, bestimmt sich nach Landesrecht. 2-> 30. Auf uneheliche Kinder finden die im vor­ hergehenden Paragraphen für vaterlose eheliche Kinder gegebenen Bestimmungen Anwendung 2g 31. Bei angenommenen Kindern tritt an Stelle des Vaters 29) derjenige, welcher an Kindes­ statt angenommen hat. Diese Bestimmung findet in denjenigen Theilen des Bundesgebietes keine Anwendung, in welchen durch eine Annahme an Kindesstatt die Rechte der väterlichen Gewalt nicht begründet werden können. 27 * * * * * * 26 32. Im Falle der Versagung der Einwilligung zur Eheschließung steht großjährigen Kindern die Klage auf richterliche Ergänzung zu. 33. Die Ehe ist verboten: 1) zwischen Verwandten in auf- und absteigen­ der Linie, 2) zwischen voll- und halbbürtigen Geschwistern, 3) zwischen Stiefeltern und Stiefkindern, Schwiegereltern und Schwiegerkindern jeden Grades,

ohne Unterschied ob das Berwandtschafts- oder Schwägerschaftsverhältniß auf ehelicher oder

außerehelicher (Geburt beruht und ob die Ehe, durch welche die Stief- oder Schwtegerverbindung begründet wird, noch besteht oder nicht, 4) zwischen Personen, deren eine die andere an Kindesstatt angenommen hat, so lange dieses Rechtsverhältmß besteht, 5) zwischen einem wegen Ehebruchs Geschiedenen und seinem Mitschuldigen. Im Falle der Nr. 5 ist Dispensation zulässig.28 * 34. Niemand darf eine neue Ehe schließen, be­ vor seine frühere Ehe aufgelöst, für ungültig oder für nichtig erklärt ist. 35. Frauen dürfen erst nach Ablauf des zehn­ ten Monats seit Beendigung der früheren Ehe eine weitere Ehe schließen. Divpensation ist zulässig. 29 36. Hinsichtlich der rechtlichen Folgen einer gegen die Bestimmungen der 28 hiS 35 ge­ schlossenen Ehe sind die Vorschriften des Landesrechtv maßgebend. Dasselbe gilt von dem Einflüsse des Zwangs, Irrthums und Betrugs auf die Gültigkeit der Ehe. r»o 37. Die Eheschließung eines Pflegebefohlenen mit seinem Vormund oder dessen Kindern ist während der Dauer der Vormundschaft unzu­ lässig. Ist die Ehe gleichwohl geschlossen, so kann dieselbe als ungültig nicht angefochten werden. 38. Die Vorschriften, welche die Ehe der Mili­ tärpersonen, der Landesbeamten und der Aus­ länder von einer Erlaubniß abhängig machen, werden nicht berührt. 31 Auf die Rechtsgültigleit der geschlossenen Ehe ist der Mangel dieser Erlaubniß ohne Einfluß. Ein Gleiches gilt von den Vorschriften, welche vor der Eheschließung eine Nachweisung, Aus­ einandersetzung oder Sicherstellung des Vermögen erfordern. 39. Alle Vorschriften, welche tzas Recht zur Eheschließung weiter beschränken, als es durch dieses Gesetz geschieht, werden aufgehoben.82 40 Die Befugniß zur Dispensation von Ehe­ hindernissen steht nur dem Staate zu. Ueber die Ausübung dieser Befugniß haben die Landes­ regierungen zu bestimmen.88

28. Vgl. Bem zu § 28 29. Vgl Bem zu § 28

24 Die Dispensation wird B. v. 22. Nov. 1875, 8 2 G. in den Fallen der §§ 33 u. und die Kosten vgl. V. v. 8. 20 Prcnr. XL

vom Statthalter ertheilt (§ 1 v. 4. Juli 1879). Dasselbe gilt 35. — Ueber das Verfahren Jan. 1876 m Verb nut B. v.

25 Bql. Artt. 159 u 160 (S.-Q5 -B nebst Bem.

26. Bql Alt 159 C.-G. B nebst Bem. 27. Tie Voraussetzung des zweiten Satzes und damit die Unanwendbarkeit des 8 31 ist durch die Bestimmung des Art. 348 C.-'A.-B. gegeben

30. Vgl. Artt 146 ff. C GL B. nebst Bem, 180 ff C G -B. nebst Bem.

sowie Artr.

31 Besondere Vorschriften bestehen bezüglich der Militär­ personen und zwar in 88 40 u. 60 ReichSmUrtarges v 2 Mar 1874 und 8 79 Nr. 3 Wchrordnung v. 28. Sept. 1875.

32. Ueber die Frage, ob durch 8 39 die Bestimmungen bey (£ -G.B (Artt 66-68, 172-178' über den Einspruch gegen eine beabsichtigte Ehe beseitigt sind, vgl. Bem 33 zu Hauptst. 3 Tit II Buch I E -G -B.

33 Vgl B V 22. Nov 1875

1875 (6. Febr.) Vierter Abschnitt. Form und Beurkundung der Hyefchttetzung.34

41. Innerhalb des Gebietes, des Deutschen Reichs kaun eine. Ehe rechtsgültig nur vor dem Standesbeamten geschlossen werden. 42 Zuständig ist der Standesbeamte, in dessen Bezirk einer der Verlobten seinen Wohnsitz hat oder sich gewöhnlich aushält. Unter mehreren zuständigen StaudeHbeamten habeu die Verlobten die Wahl. Eine nach den Vorschriften dieses Gesetzes geIchlossene Ehe tqnn nicht aus dem Grunde ange­ fochten werden, weil der Standesbeamte nicht der zuständige gewesen ist. 43. Auf schriftliche Ermächtigung des zuständi­ gen Standesbeamten darf die Eheschließung auch vor dem Standesbeamten eines anderen Orts

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3) wenn einer der Verlobten seinen Wohnsitz innerhalb der letzten sechs Monate gewechselt hat, auch in der Gemeinde seines früheren Wohn­ sitzes. Die Bekanntmachung hat die Vor- und Fami­ liennamen, den Stand oder das Gewerbe und den Wohnort der Verlobten und ihrer Eltern zu enthalten. Sie ist während zweier Wochen 3^ an dem Raths­ oder Gemeindehause, oder an der sonstigen, zu Bekanntmachungen der Gemeindebehörde bestimm­ ten Stelle auszuhängen. 47. Ist einer der Orte, an welchem nach § 46 das Aufgebot bekannt zu machen ist, im Auslande belegen, so ist an Stelle des an diesem Orte zu bewirkenden Aushanges die Bekanntmachung auf Kosten des Antragstellers einmal in ein Blatt einzurücken, welches an dem ausländischen Orte erscheint oder verbreitet ist Die Eheschließung ist nicht vor Ablauf zweier Wochen nach dem Tage der Ausgabe der betreffenden Wummer des Blattes

stattfinden. 44. Der Eheschließung soll ein Aufgebot vorher­ gehen. Für die Anordnung desselben ist jeder Standes­ beamte zuständig, vor welchem nach § 42 Absatz 1 die Ehe geschlossen werden kann. 45. Vor Anyrdnung des Aufgebots sind dem Standesbeamten (§ 44) die zur Eheschließung ge­ setzlich nothwendigen Erfordernisse als vorhanden nachzuweisen. Insbesondere haben die Verlobten in beglau­ bigter Form beizubringeu: 1) ihre Geburtsurkunden, 2) die zustimmende Erklärung derjenigen, deren Einwilligung nach dem Gesetze erforderlich ist. Der Beamte kann die Beibringung dieser Ur­ kunden erlassen, wenn ihm die Thatsachen, welche durch dieselben festgestetlt werden sollen, persönlich bekannt oder sonst glaubhaft nachgewiesen sind. Auch kann er von unbedeutenden Abweichungen in den Urkunden, beispielsweise von einer ver­ schiedenen Schreibart der Namen oder einer Ver­ schiedenheit der Vornamen absehen, wenn in an­ derer Weise die Persönlichkeit der Betheiligten festgestellt wird. Der Beamte ist berechtigt, den Verlobten die eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit der Thatsachen abzunehmen, welche durch die vor­ liegenden Urkunden oder die sonst beigebrachten Beweismittel ihm nicht als hinreichend festgestellt erscheinen. 46. Das Aufgebot ist bekannt zu machen: 1) in der Gemeinde oder in den Gemeinden, woselbst die Verlobten ihren Wohnsitz haben; 2) wenn einer der Verlobten seinen gewöhn­ lichen Aufenthalt außerhalb seines gegenwärtigen Wohnsitzes hat, auch in der Gemeinde seines jetzigen Aufenthalts:

gekommen sind. 50 Die Befugniß zur Dispensation von dem Aufgebot steht nur dem Staate zu. Ueber die Ausübung dieser Befugniß haben die Landesre­ gierungen zu bestimmen.3? Wird eine lebensgefährliche Krankheit, welche einen Aufschub der Eheschließung nicht gestattet, ärztlich bescheinigt, so kann der Standesbeamte (§ 42 Abs. 1) auch ohne Aufgebot die Ehe­ schließung vornehmen. 51. Das Aufgebot verliert seine Kraft, wenn seit dessen Vollziehung sechs Monate verstrichen sind, ohne daß die Ehe geschlossen worden ist. 52. Die Eheschließung erfolgt in Gegenwart von zwei Zeugen durch die an die Verlobten ein­ zeln und nach einander gerichtete Frage des Standesbeamten: ob sie erklären, daß sie die Ehe mit einander eingehen wollen,

34. Ueber die Form und Beurkundung der Eheschließung im Auslande vgl. § 85 G. v 4. Mai 1870 u. Artt. 170 u. 171 C -G -B Bezüglich der Militarpersonen, welche ihr Standquartier nach eingetretener Mobilmachung verlassen haben, vgl 88 7-11 V. v. 20. Jan. 1879.

35. Wegen Berechnung der Frist vgl. Bf. des Oberstaatsanw. v. 28 Aug 1880 (Sammt G.-Pr. V S. 309) 36 Vgl. Bern zu 8 39. 37. Vgl V. v. 22. Nov. 1875. Darnach (§ 2) ertheilt die Dispensation der Erste Staatsanwalt des Landgerichtsbezirk-, in welchem die Che abgeschlossen werden soll.

zulässig. Es bedarf dieser Einrückung nicht, wenn eine Bescheungung der betreffenden ausländischen Ortsbehvrde dahin beigebracht wird, daß ihr von dem Bestehen eines Ehehindernisses nichts bekannt sei 48. Kommen Ehehrndernisse zur Kenntniß des Standesbeamten, so hat er die Eheschließung ab­ zulehnen. 36 37 49. Soll die Ehe vor einem anderen Standesbeamten als demjenigen geschlossen werden, welcher das Aufgebot angeordnet hat, so hat der letztere eine Bescheinigung dahin auszustellen, daß und wann das Aufgebot vorschriftsmäßig erfolgt ist und daß Ehehlndernisse nicht zu seiner Kenntniß

1875 (6. Febr.)

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durch die bejahende Antwort der Verlobten und den hierauf erfolgenden Ausspruch des Standes­ beamten, daß er sie nunmehr kraft des Gesetzes für rechtmäßig verbundene Eheleute erkläre. 53. Als Zeugen sollen nur Großjährige zuge­ zogen werden. Verwandtschaft und Schwäger­ schaft zwischen den Betheiligten und den Zeugen, oder zwischen den Zeugen unter einander steht deren Zuziehung nicht entgegen. 54. Die Eintragung in das Heirathsregister soll enthalten:33 1) Bor- und Familiennamen, Religion, Alter, Stand oder Gewerbe, Geburts- und Wohnort der Eheschließenden; 2) Vor- und Familiennamen, Stand oder Ge­ werbe und Wohnort ihrer Eltern; 3) Vor- und Familiennamen, Alter, Stand oder Gewerbe und Wohnort der zugezogenen Zeugen; 4) die Erklärung der Eheschlreßenden; 5 den Ausspruch des Standesbeamten. Ueber die erfolgte Eheschließung ist den Ehe­ leuten sofort eine Bescheinigung auszustellen. 55. Ist eine Ehe für aufgelöst, ungültig oder nichtig erklärt worden, so ist dies am Rande der über die Eheschließung bewirkten Eintragung zu vermerken. Die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen es zur Trennung einer Ehe einer besonderen Er­ klärung und Beurkundung vor dem Standesbeam­ ten bedarf, werden hierdurch nicht berührt.39

Fünfter Abschnitt. ReurKundung der StervefäUe.40

56. Jeder Sterbefall ist spätestens am nächst­ folgenden Wochentage dem Standesbeamten des Bezirks, in welchem der Tod erfolgt ist, anzu­ zeigen. 57. Zu der Anzeige verpflichtet ist das Fami­ lienhaupt, und wenn ein solches nicht vorhanden oder an der Anzeige behindert ist, derjenige, in dessen Wohnung oder Behausung der Sterbefatt sich ereignet hat. 58. Die §§ 19 bis 21 kommen auch in Be­ ziehung aus die Anzeige der Sterbefälle zur An­ wendung. Findet eine amtliche Ermittelung über den Todesfall statt, so erfolgt die Eintragung aus Grund der schriftlichen Mittheilung der zustän­ digen Behörde.^ 59. Die Eintragung des Sterbesall' soll ent­ halten :

38. Vgl. Bem. zu § 25, sowie Bem. 37 zu Art. 75 C. G -B 39. Dre in dieser Beziehung Bestimmungen enthaltenden Artt. 258, 264-266, 290 u. 294 C.-G.-B. smd durch § 11 A.-G. z. C.-P -O. aufgehoben. 40 Ueber die Beurkundung der Sterbefalle von Militär­ personen, welche ihr Standquartier nach eiugetrerener Mobilmachung verlassen haben, vgl. §§ 12-14 V. v. 20. Jan. 1879. 41. Vgl. § 157 St.-P.-O.

1) Bor- und Familiennamen, Stand oder Ge­ werbe und Wohnort de Anzeigenden; 2 Ort, Tag und Stunde des erfolgten Todes; 3) Vor- und Familiennamen, Religion, Wtcr, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Geburt, ort des Verstorbenen; 4) Vor- und Familiennamen seines Ehegatten, oder Vermerk, daß der Verstorbene ledig gewesen sei; 5) Vor und Familiennamen, Stand oder Gewerbe und Wohnort der Eltern des Verstor­ benen. Soweit diese Verhältnisse unbekannt sind, ist dies bei der Eintragung zu vermerken. 60. Ohne Genehmigung der Ortspolizeibe­ hörde 42 darf keine Beerdigung vor der Eintra­ gung des Sterbefattcs in das Sterberegister statt­ finden. Ist die Beerdigung dieser Vorschrift ent­ gegen geschehen, so darf die Eintragung des Sterbesallcs nur mit Genehmigung der Au"sichtsbehörde 43 nach Ermittelung des Sachverhaltes erfolgen. Sechster Abschnitt. AeurKundung des Personenstandes der ans See vestndttchen Personen. 44

61. Geburten und Stcrbefalle, welche sich aus Seeschiffen während der Reise ereignen, sind nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens am nächst­ folgenden Tage nach der Geburt oder dem Todes­ fall von dem Schiffer, unter Zuziehung von zwei Schiffsofsizieren oder anderen glaubhaften Per­ sonen, in dem Tagebuch zu beurkunden. Bei Sterbefällen ist zugleich die muthmaßliche Ursache des Todes zu 'vermerken. 62. Der Schisser hat zwei von ihm beglaubigte Abschriften der Urkunden denjenigen Seemanns­ amte, bei dem es zuerst geschehen kann, zu über geben. Eine dieser Abschriften ist bei dem See­ mannsamte aufzubewahren, die andere ist dem­ jenigen Standesbeamten, in dessen Bezirk die Eltern des Kindes, bezw. der Verstorbene ihren Wohnsitz haben oder zuletzt gehabt haben, behufs der Eintragung in das Register zuzufertigen. 63. Ist der Schiffer verstorben oder verhindert, so hat der Steuermann die in den §§ 61 und 62 dem Schiffer auserlegten Verpflichtungen zu er­ füllen. 64. Sobald das Schiff in den inländischen Hafen eingelausen ist, in welchem es seine Fahrt

42. Bql Art 77 C.-G -B nebst Bem, D. v. 4. Therm XIII, § 157 Sr P -O. Die beiven ersteren Bestimmungen schreiben eine (IrlaubniK des Standesbeamten vor; sie beruhen auf Alt 13 (Y. v. 28 Pluv. VIII, wonach der Bür ermeister zugleich Standesbeamter ist, was nach § 4 nicht nothwendig ist.

43. Vgl Bem. zu St.-R.-G. v. 12. Brum. XI. 44. Bezüglich der Beurkuuduug von Sterbefallen solcher Militarpersonen, welche sich an Bord der in Dienst gestellter Schiffe oder anderer Fahrzeuge der M arme befinden, vgl B. v. 4. Nov. 1875.

1875 (6. Febr.) beendet, ist das Tagebuch der für den Standes­ beamten des Hafenorts zuständigen Aufsichts­ behörde vorzulegen.

Diese hat beglaubigte Abschrift der in das Tagebuch eingetragenen Standesurkunde dem Standesbeamten, ui dessen Register der Fall ge­ hört (8 62), behufs Kontrolirung der Eintragun­ gen zuzustellen.

Siebenter Abschnitt. Berichtigung der Standesregister.

65. Die Berichtigung einer Eintragung in dem Standesregister kann nur auf Grund gerichtlicher Anordnung erfolgen. *r Sie geschieht Lurch Bei­ schreibung eines Vermerks am Rande der zu berichtigenden Eintragung. • 66 Für das Berichtigungsverfahren gelten, insoweit die Landesgesetze nicht ein Anderes be­ stimmen, die nachstehenden s orschriften. 45 46 Die Aufsichtsbehörde hat, wenn ein Antrag aus Berichtigung gestellt wird, oder wenn sie eine solche von Amtswegen für erforderlich erachtet, die Betheiligten zu hören und gecignetenfalls eine Aufforderung durch ein öffentliches Blatt zu er­ lassen. Die abgeschloffenen Verhandlungen hat sie demnächst dem Gerichte erster Instanz vorzu­ legen. Dieses kann noch weitere thatsächliche Auf­ klärungen veranlassen und geeignetenfalls den Antragsteller auf den Prozeßweg verweisen. Im übrigen finden die für Sachen der nicht­ streitigen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften Anwendung. Achter Abschnitt. Schtußvestimmnngen.

67. Ein Geistlicher oder anderer Religions­ diener, welcher zu den religiösen Feierlichkeiten einer Eheschließung schreitet, bevor ihm nach­ gewiesen worden ist, daß die Ehe vor dem Standesbeamten geschlossen sei, wird mit Geld­ strafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefäng­ niß bis zu drei Monaten bestraft. 68. Wer den in den §§ 17 bis 20, 22 bis 24, 56 bis 58 vorgeschriebenen Anzeigepflichten nicht nachkommt, wird mit Geldstrafe bis zu einhundert­ fünfzig Mark oder mit Haft bestraft. Die Straf­ verfolgung tritt nicht ein, wenn die Anzeige, obwohl nicht von den zunächst Verpflichteten, doch rechtzeitig gemacht worden ist. Die bezeichnete Strafe trifft auch den Schiffer oder Steuermann, welcher den Vorschriften der §§ 61 bis 64 zuwiderhandelt. Die Standesbeamten sind außerdem befugt, die 45 Bei Beantragung von Berichtigungen auf diploma­ tischem Wege sind solche von Amtsweqen kostenfrei zu betreiben lt>s.-Pr. v. 5 Dez 1878. — Samml. ly -Pr. IV Nr 811) — Bezüglich der Armen vgl. Art. 7." G. v. '5 Marz 1817 u. G. v. 10. Dez. 1850. 46 Tas Verfahren ist durch die Artt 99 u. 100 C -G -B sowie die Artt 855 u 856 fr. C.-P -O bestimmt (vgl. Bem. 42 zu Hauptst. 6 Tit II Buch I C.-G.-B.).

583

zu Anzeigen oder zu sonstigen Handlungen auf Grund dieses Gesetzes Verpflichteten hierzu durch Geldstrafen anzuhalten, welche für jeden einzelnen Fall den Betrag von fünfzehn Mark nicht über­

steigen dürfen. 69. Ein Standesbeamter, welcher unter Außer­ achtlassung der in diesem Gesetze gegebenen Vor­ schriften eine Eheschließung vollzieht, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark bestraft. 70. Gebühren und Geldstrafen, welche in Ge­ mäßheit dieses Gesetzes zur Erhebung gelangen, fließen, insoweit die Landesgesetze nicht ein An­ deres bestimmen, den Gemeinden zu, welche die sächlichen Kosten der Standesämter (§§ 8, 9) zu tragen haben. 71. In welcher Weise die Verrichtungen der Standesbeamten in Bezug auf solche Militär­ personen wahrzunehmen sind, welche ihr Stand­ quartier nicht innerhalb des deutschen Reichs, oder dasselbe nach eingctretener Mobilmachung verlassen haben, oder welche sich auf den in Dienst gestellten Schiffen oder anderen Fahrzeugen der Marine befinden, wird durch kaiserliche Verord­ nung bestimmt. 47 72. Für die Landesherren und die Mitglieder der landesherrlichen Familien, sowie der Fürst­ lichen Familie Hohenzollern erfolgt die Ernen­ nung del Standesbeamten und die Bestimmung über die Art der Führung und Aufbewahrung der Standesregister durch Anordnung des Landes­ herrn. In Betreff der Stellvertretung der Verlobten und in Betreff des Aufgebot entscheidet die Ob­ servanz. Im übrigen werden in Ansehung der Mit­ glieder dieser Häuser die auf Hausgesetzen oder Observanz beruhenden Bestimmungen über die Erfordernisse der Eheschließung und über die Gerichtsbarkeit in Ehesachen nicht berührt. 73. Den mit der Führung der Standesregister oder Kirchenbücher bisher betraut gewesenen Be­ hörden und Beamten verbleibt die Berechtigung und Verpflichtung, über die bis zur Wirtsamteit dieses Gesetzes eingetragenen Geburten, Heirathen und Sterbefälle Zeugnisse zu ertheilen. 74. Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, welche 1) Geistlichen und Kirchendienern aus Anlaß der Einführung der bürgerlichen Standesregister und der bürgerlichen Form der Eheschließung einen Anspruch auf Entschädigung gewähren; 2) bestimmten Personen die Pflicht zu Anzeigen von Geburts- und Todesfällen auserlegen.48 Wo die Zulässigkeit der Ehe nach den bestehen­ den Landesgesetzen von einem Aufgebote abhängig ist, welches durch andere bürgerliche Beamte als

47. Vgl. V. v 20. Jan. 1879 sowie V. v. 4. Nov. 1875.

48. Vgl. § 1 G v. 22 Ott 1873.

584

1875 (6. Febr.)

die Standesbeamten vollzogen wird, vertritt dieses die Stelle des von den Standesbeamten anzu­ ordnenden Aufgebots. 75. Innerhalb solcher Grenzpfarreien, deren Bezirk sich in das Ausland erstreckt, bleibt das bestehende Recht für die Beurkundung derjenigen Geburten und Sterbefälle, sowie für die Form und Beurkundung derjenigen Eheschließungen maßgebend, für welche ein Standesbeamter nach den Vorschriften dieses Gesetzes nicht zuständig, dagegen nach dem bestehenden Recht die Zustän­ digkeit des Geistlichen begründet ist. Im Geltungsgebiet des preußischen Gesetzes vom 9. März 1874 ist unter dem bestehenden Recht dasjenige Recht zu verstehen, welches vor dem Inkrafttreten jenes Gesetzes maßgebend war. 76. In streitigen Ehe- und Berlöbnißsachen sind die bürgerlichen Gerichte ausschließlich zuständig. Eine geistliche oder eine durch die Zugehörigkeit zu einem Glaubensbetenntniß bedingte Gerichts­ barkeit findet nicht statt. 49 50 77. Wenn nach dem bisherigen Rechte auf beständige Trennung der Ehegatten von Tisch und Bett zu erkennen sein würde, ist fortan die Auflösung des Bandes der Ehe auszusprechen. Ist vor dem Tage, an welchem dieses Gesetz in Kraft tritt, auf beständige Trennung von Tisch und Bett erkannt worden, so kann, wenn eine Wiedervereinigung der getrennten Ehegatten nicht stattgefunden hat, jeder derselben auf Grund des ergangenen Urtheils die Auflösung des Bandes der Ehe im ordentlichen Prozeßverfahren bean­ tragen. 78 Ehestreitigkeiten, welche in Bayern vor dem Tage, an welchem dieses Gesetz daselbst in Kraft tritt, durch Zustellung des Beschlusses über Zu­ lässigkeit der Klage anhängig geworden sind, werden von dem mit der Sache befaßten Gericht bis zur rechtskräftigen Entscheidung nach Maß­ gabe der bisher geltenden Gesetze durchgeführt. Daselbst kann die Auflösung der Ehe auf Grund eines die beständige Trennung von Tisch und Bett verfügenden Urtheils geltend gemacht wer­ den, nachdem das Gericht auf Anrufen eines Ehegatten in dem nach Artikel 675 Absatz 1 und 2 der Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitig­ keiten vom 29. April 1869 vorgesehenen Ver­ fahren die Auflösung des Bandes der Ehe aus­ gesprochen hat. Das Verfahren in streitigen Ehesachen richtet sich in Bayern in den rechtsrheinischen G^bietstheilen nach den Bestimmungen des Haup-stuckes XXVI der genannten Prozeßordnung, in der Pfalz nach den Bestimmungen des Artitels 69 des Gesetzes über die Einführung dieser Prozeß­ ordnung. so

79. Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1876 in Kraft. Es bleibt den Landesregierungen

49. Vgl. § 15 Abs. 3 G.-B.-G. 50. Abs. 3 ist aufgehoben durch § 13 Abs. 2 Nr. 6 E.-G. z C.-P.-O.

überlassen, das ganze Gesetz oder auch den dritten Abschnitt und § 77 im Veryrdnungswege früher einzuführen. 80. Die vor dem Tage, an welchem dieses Gesetz in Kraft tritt, nach den Vorschriften des bisherigen Rechts ergangenen Aufgebote behalten ihre Wirksamkeit. 81. Auf Geburts- und Sterbefälle, welche sich vor dem Tage, an welchem dieses Gesetz in Kraft tritt, .ereignet haben, an diesem Tage aber noch nicht eingetragen sind, findet das gegen­ wärtige Gesetz mit der Maßgabe Anwendung, daß der Lauf der vorgeschriebenen Anzeigesristen mit dem Tage beginnt, an welchem dieses Gesetz in Kraft tritt. Ein Gleiches gilt für den Fall, daß auch nur die Vornamen eines Kindes an diesem Tage noch nicht eingetragen sind. 82. Dre kirchlichen Verpflichtungen in Beziehung auf Taufe und Trauung werden durch dieses Gesetz nicht berührt. 83. Die zur Ausführung dieses Gesetzes erfor­ derlichen Bestimmungen werden, soweit dieselben nicht durch eine vom Bundesrathe erlassene Aus­ führungsverordnung getroffen werden, von den einzelnen Landesregierungen erlassen 51 84. Welche Behörden in jedem Bundesstaate unter der Bezeichnung: höhere Verwaltungs­ behörde, untere Verwaltungsbehörde, Gemeinde­ behörde, Gemeindevorstand, Gericht erster Instanz zu verstehen sind, wird von der Centralbehörde des Bundesstaates bekannt gemacht. 52 85. Durch dieses Gesetz werden die Bestim­ mungen des (Gesetzes vom 4. Mai 1870, betref­ fend die Eheschließung und die Beurkundung des Personenstandes von Reichsangehörigen im Aus­ lande, nicht berührt. Der Reichskanzler kann einem diplomatischen Vertreter oder einem Konsul des deutschen Reichs die allgemeine Ermächtigung zur Vornahme von Eheschließungen und zur Beurkundung der Ge­ burten, Heirathen und Sterbefälle, wie für Reichs­ angehörige, so auch für Schutzgenossen ertheilen. Diese Vorschrift tritt mit dem 1. März 1875 in Kraft. 53

Gebührentarif.

I. Gebührenfrei sind die nach §§ 49 und 54 oder zum Zwecke der Taufe oder der Beerdigung ertheilten Bescheinigungen. II. An Gebühren kommen zum Ansatz: 1) für Vorlegung der Register zur Einsicht, und zwar für jeden Jahrgang, eine halbe Mark, für mehrere Jahrgänge zusammen jedoch höchstens eine und eine halbe Mark,

51. Vgl. Ausführungsverordnung 22. Juni 1875.

des Bundesraths v.

52. Vgl V. v. 19. Nov. 1875

53 Vgl. Bem. 25 zu Art. 48 C.-G.-B.

1875 (6. Febr. — 8. Febr.) 3) für die schriftliche Ermächtigung nach § 43 und für jeden beglaubigten Auszug aus den Re­ gistern mit Einschluß der Schreibgebühren, eine halbe Mark. Bezieht sich der Auszug auf mehrere Eintra­

585

gungen und erfordert derselbe das Nachschlagen von mehr als einem Jahrgange der Register, für jeden weiter nachzuschlagenden Jahrgang noch eine halbe Mark, jedoch zusammen höchstens zwei Mark.

8. Februar 1875.

Bekanntmachung des ilteichskanzteramts zur Ausführung des Gesetzes über -en Markenschutz.1 C.-Bl. S. 123.

Die nachfolgenden Bestimmungen zur Ausfüh­ rung des Gesetzes über Markenschutz sind vom Bundesrathe erlassen worden: 1. In dem Handelsregister wird eine beson­ dere Abtheilung für die Eintragung der Waarenzeichen angelegt, welche den Namen „Zeichenregister" führt. Das Zeichenregister umfaßt fünf Spalten. Sie sind bestimmt: 1) für die Benennung der anmeldenden Firma und die Bezeichnung des Orts ihrer Hauptnieder­ lassung, sowie der Stelle, an welcher die Firma im Handelsregister eingetragen steht; 2) für die Angabe von Tag und Stunde der Anmeldung; 3) für die Angabe. der Waarengattungen, für welche das Zeichen bestimmt ist; 4) für die Darstellung des angemeldeten Zei­ chens ; 5) für sonstige Bemerkungen. Im übrigen finden auf die Zeichenregister die in Betreff der Handelsregister erlassenen Bestim­ mungen Anwendung. 2. Die Anmeldung der Zeichen erfolgt in den für Anmeldung zum Handelsregister überhaupt vorgeschriebenen Formen. Die der Anmeldung anzuschließende Darstellung der Zeichen hat in einer Abbildung von höchstens 3 Zentimeter Höhe und Breite auf dauerhaftem Papier und, soweit dies die Deutlichkeit erfordert, in einer Angabe über die Art der Verwendung der Zeichen zu bestehen. Die Abbildung ist in vier Exemplaren einzureichen. Den Stock für den Ab­ druck der Zeichen beizufügen, steht der meldenden Firma frei. 3. Die Eintragung jedes einzelnen Zeichens er­ folgt der Reihe nach unter fortlaufender Nummer. Bei der Eintragung ist in der für die Darstel­ lung der Zeichen bestimmten Spalte ein Exemplar der eingereichten Abbildung zu befestigen. Die Löschung von Zeichen wird durch den Ver-

1 Vgl. die Geschäftsantversung des G.-Pr. über dre Führung der Zerchenrcglster v. 19. März 1875 (Sammt G-'ir. III Nr 4:2), 17. Aprrl 1875 (Sammt G.-Pr. III Nr. 443-, io. Mai 1875 (Sammt G -Pr. III Nr. 453), 3. Aug 1875 (Sammt G.-Pr. III Nr. 486', 8. Sept. 1875 Sammt G Pr III Nr. 493k

merk: „gelöscht" in der Spalte für Bemerkungen bewirkt. Die Löschung kann außerdem nach den für die Handelsregister erlassenen Bestimmungen

kenntlich gemacht werden. 4. Wird gemäß § 5 Nr. 2 des Gesetzes die Aenderung einer Firma und zugleich die Beibe­ haltung des für "ie eingetragenen Zeichens ange­ meldet, so ist an Stelle der früheren die neue Bezeichnung der Firma in die für die Eintragung der Firmen bestimmte Spalte einzutragen. 5. Wird gemäß § 5 Nr. 3 des Gesetzes vor dem Ablauf der gesetzlichen Schutzfrist die weitere Beibehaltung eines eingetragenen Zeichens ange­ meldet, so ist Tag und Stunde der neuen statt der früheren Anmeldung in der dafür bestimmten

Spalte zu vermerken. 6 Jeder Vermerk in dem Zeichenregister hat am Schluffe das Datum der Verfügung, auf welcher er beruht, die Angabe, an welcher Stelle der Akten die Verfügung sich befindet, und soweit eine solche für die Handelsregister vorgeschrieben ist, die Un­ terschrift des eintragenden Beamten zu enthalten. 7. Von dem Vollzüge, sowie von der Ablehnung einer Eintragung ist die Firma, welche die An­ meldung bewirkt hat, und zwar im letzteren Falle unter Mittheilung der Hinderungsgründe, zu be­ nachrichtigen. 8. Die Bekanntmachung der Eintragungen und Löschungen ist, soweit das Gesetz sie vorschreibt, durch das Gericht, welches da Zeichenregister führt, unverzüglich zu veranlassen. Bei Eintragungen sind gleichzeitig zwei Exemplare der eingereichten Abbildungen oder, falls der Stock für das Zeichen eingereicht ist, der letztere der Expedition des „Deutschen Reichsanzeigers" zu übersenden, um danach den Abdruck des Zeichens zu bewirken. Ueber die geschehene Bekanntmachung ist ein

Belagblatt zu den Akten zu bringen. 9. Die Bekanntmachung einer Eintragung hat

zu enthalten: die laufende Nummer der Eintragung, den Na­ men der Firma und den Ort ihrer Hauptnieder­ lassung, Tag und Stunde der Anmeldung, die Waarengattungen, für welche das Zeichen bestimmt ist, die Abbildung des Zeichens und die Unter­

schrift des Gerichtes.

586

1875 (8. Febr. — 8. Fedr. [16. Mai 1869])

Sie ist nach folgendem Muster abzufassen r

Als Marke ist eingetragen unter Nr. 10 zu der Firma I. Haupt in Leipzig nach Anmeldung vom 1' Juli 1875, Morgens 9 Uhr, für ätherische Oele und Seifen das Zeichen $ Königliches Handelsgericht zu Leipzig. 10. Die Bekanntmachung einer Löschung hat zu enthalten:

die laufende Nummer der Eintragung, den Na­ men der Firma und den Ort ihrer Hauptnieder­

lassung, die NuMMör des „Deutschen Reichsanzei­ gers", welche die Bekanntmachung der Eintragung enthält, ferner, sofern die Löschung nür für ein­ zelne Waarengattungen erfolgt, deren Angabe, endlich die Unterschrift des Gerichtes.

Sie ist nach folgendem Muster abzufassen: Als Marke ist gelöscht das unter Nr. 10 zu der Firma I. Haupt in- Leipzig laut Bekannt­ machung in Nr. 150 des „Deutschen Reichsanzei­ gers" von 1875 für Seifen eingetragene Zeichen.

Königliches Handelsgericht zu Leipzig.



8. Februar 1875. Bekanntmachung des Neichskaryleramts, betreffend die Kosten -er Bekanntmachung nnd Löschung eines Waarenzeichens. C.-Bl S. 131.

Nach § 6 des Gesetzes über Markenschutz vom 30. November 1874 wrrd die erste Eintragung und die Löschung eines Waarenzeichens im „Deut­ schen Reichsanzeiger" bekannt gemacht.

Die Kosten dieser Bekanntmachungen betragen:

1) für die Bekanntmachung einer Eintragung,

ausschließlich der Kosten für das Schneiden des Zeichcustockes, 6 Mark, 2) für die Bekanntmachung einer Löschung 2 Mark. Für Rückporto, Belagblätter, Verpackung und Rücksendung der Clichös und dergleichen werden Kosten nicht berechnet.

8. Februar 1875.

Grset-, betreffend die Einführung vo« Keichsgesehen in Elsaß-Lothringen. G.-Bl. S. 9. Die Wirksamkeit der anliegenden Reichsgesetze, nämlich: 1) des Gesetzes vom 16. Mai 1869, betreffend die Einführung von Telegraphen-Freimarken, 2) des Gesetzes vom 4. Mai 1870, betreffend die Eheschließung und die Beurkundung des Per­ sonenstandes von Bundesangehörigen im Auslande, 3) des Gesetzes vom 27. Juni 1871, betreffend die Pensionirung und Versorgung der Militär­ personen des Reichsheeres und der Kaiserlichen Marine, sowie die Bewilligungen für die Hinter­ bliebenen solcher Personen, 4) des Gesetzes vom 12. Mai 1873, betreffend das Aufgebot und die Amortisation verlorener oder vernichteter Schuldurkunden des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reichs, 5) des Gesetzes vom 17. Mai 1873, betreffend einige Abänderungen des Gesetzes über das Post­ taxwesen im Gebiete des Deutschen Reichs vom 28. Oktober 1871, 6) des Gesetzes vom 20. Dezember 1873, be­ treffend die Abänderung der Nr. 13 des Artikels 4 der Verfassung des Deutschen Reichs, wird hierdurch auf Elsaß-Lothringen ausgedehnt, jedoch gilt das vorstehend zu 3 bezeichnete Gesetz

vom 27. Juni 1871 daselbst nur mit denjenigen Maßgaben, welche sich aus dem Gesetze vom 4. April 1874, betreffend einige Abänderungen nnd Ergänzungen des Gesetzes vom 27. Juni 1871 über die Pensionirung und Versorgung der Mrlitärpersonen rc. (Reichs-Gesetzbl. S. 25), ergeben.

I. Gesetz, betreffend die Einführung von grap Hen-Frei mark en.

Tele­

Dom 16. Mai 1869.

§ 1. Die Bundes-Telegraphenverwaltung ist ermächtigt, Freimarken zur Frankirung telegra­ phischer Depeschen anjertigen und durch die Tele­ graphenstationen verkaufen zu lassen. Die Telegraphen-Freimarken sind zu demselben Betrage zu verkaufen, welcher durch den Franko­ stempel bezeichnet ist. Die weiteren Anordnungen wegen Benutzung der Telegraphen-Freimarken werden von der Bundes-Telegraphenverwaltung im administrativen Wege getroffen. 2. Wer unechte Telegraphen-Freimarken anfertigt oder echte Telegraphen Freimarken verfälscht, wer wissentlich von falschen oeer verfälschten Telegraphen Freimarken Gebrauch

1875 (8. Fe-r. [4. Mai 1870]) wer Telegraphen-Freimarken nach ihrer Entwerthung zur Frankirung einer telegraphischen Depesche benutzt, hat- dieselbe Strafe verwirkt, welche in den Bunde?- oder Landevgesetzen gegen denjenigen festgesetzt ist, welcher sich einer dieser Handlungen in Beziehung aus Post-Freimarken schuldig macht.1 2 * * * 6

macht, sowie

2. Gesetz, betreffend

die

Eheschließung

uni)

die

Beurkundung des Personenstandes von Bundesangehörigen' im Auslandes Dom 4. Mai 1870. I. Allgemeine Bestimmungen.

§ 1. Der Bundeskanzler kann einem diploma­ tischen Vertreter des Bundes für das ganze Gebiet I. I. Der § 2 G. o. 16. Mai 18fj9 ist, soweit er die Fälschung von Telegraphen-Freimarken betrifft, durch § 275 St -G.-B bedeutungslos geworden, welcher § den wissent­ lichen Gebrauch von falschen oder gefälschten TelegraphenFrennaiken, die Anfertigung von unechten TelegiaphenFrennarten zur Berwendnnq als echte und das Bei falschen von echten Telegrapben-Fielmarken ui der Absicht, sie zu einem höheren Werthe zn verwenden, besonders mit Strafe (Gefängniß nicht unter drei Monaten) bedroht II. Daö Benutzen von Telegrapheu-Fl eunarten, nach ihrer Entwerthung, zur Franliiung einer telegraphischen Depesche wird nach obigem § 2 l„sowie, wer u. s w u} tn Bcrbindung Mit § 27 Nr. 3 G. v. 28 Ott 1871 über das Postwesen des Teutschen Reichs, mit dem vierfachen Betrage der defraubirteii Gebühren, mindestens aber mit drei Mart bestraft.— Tiefer zweite Theil des § 2 G. v. 16. Mai 1869 ist als noch in Kraft befindlich zu erachten, wie ebenso Schwarze, Kom­ mentar, Bem. 4 zu § 275 St -G -B., und )iudorff, Kommentar, Bem 2 zu § 276 gegen Rubo, Kommentar, Bem 4 zu § ‘ 76 St -G.-B., annehmen. III Tie wissentliche Verwendung entwerteter Post- und Telegraphin Freimarken ist im St -G B mit einer besonderen Strafe nicht bedroht, da dieser Freimarken neben den Stempelwerthzerchen im § 276 St -G.-B. nicht gedacht ist. Dies beruht auf einem Versehen (t>gL auch Tambach, Teleqraphen-Strafrecht S. 31', rndein man bei Fassung des § 276 's. Motive S 133) davon ausging, daß schon das G. v. 2 Nov. 1867, über das Postwesen des Norddeutschen Bundes, sowie das auf dieses hinweisende G. v. 16. Mai 1869, betr. die Einführung von TelegraphenFreimarten, die wissentliche Wiederverwendung von ge­ brauchten Freimarken mit Strafe bedrohen. Tas G. v. 2. Nov. 1867 und das an seine Stelle getretene G. v. 28. Okt. 1 71 über das Postwcsen des Deutschen Reichs, bestrafen aber im § 30 Nr 4 bezw § 27 Nr 3 nur die einfache Gebuhren-Defrandation und verweiln für den Fall, daß durch hiuzugetretene Vertilgung deS Cntwerthungsz ichens eine härtere Strafe verwirkt ist, selbst wieder auf die a l l g e m e i u e n Strafgesetze. Da diese eine ent­ sprechende Strafbestimmung nicht enthalten, so sehlt es an einer solchen, und kann dieselbe um so weniger aus der Landes gesetzgebunq entnommen werden, als § 51 des Postgesetzes v. 28. Okt 1861 „alle bisherigen allgemeinen und besonderen Bestimmungen" über Gegenstände, über welche jenes Gesetz verfugt, aufgehoben hat Das durch Art. 10 des fr G. v. 13. Junr 1866 über den telegraphischen Prrratverkehr auf die Telegraphen-Freimarken auSge) ehnte G v 16. Okt. 1849, welches den wissentlichen Gebrauch sowie den Verkauf und Vertaufsversuch entwertheter Post Freimarten unter Strafe stellt, ist daher als beseitigt zu erachten. ‘. Zu dem G. erging am 1. März 1871 eine ausführliche Instruktion des R K — TaS G. ist durch § 85 Pers G v. 6. Febr 1875 ausdrücklich aufrecht erhalten.

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des Staates, bet dessen Hofe oder Regierung der­ selbe beglaubigt ist, und einem Bundeskonsul für dessen Amtsbezirk die allgemeine Ermächtigung ertheilen, bürgerlich gültige Eheschließungen von Bundesangehörigen vorzunehmen, und die Ge­ burten, Heirathen und Sterbefälle von Bundes­ angehörtgen zu beurkunden. 2. Die zur Eheschließung und zur Beurkundung des Personenstandes ermächtigten Beamten (§ 1) haben über die Beurkundung der Geburten, Hei­ rathen und Sterbefälle getrennte Register zu führen. Die vorkommenden Fälle sind in proto­ kollarischer Form unter fortlaufender Nummer in die Register einzutragen. Jedes Register wird in zwei gleichlautenden Originalen nach einem For­ mulare geführt, welches von dem Bundeskanzler vorgeschrieben wird. Das Formular soll für alle Beamten ein übereinstimmendes sein. Am Jahresschlüsse hat der Beamte die Register abzuschließen und das eine Exemplar derselben dem Bundeskanzler einzusenden. Gleichzeitig hat er den Regierungen der einzelnen Bundesstaaten aus den Registern einen Auszug der Fälle mitzutheilen, welche Angehörige derstlben betreffen. Wenn im Laufe des Jahres in ein Register eine Eintragung nicht erfolgt ist, so hat der Beamte eine amtliche Bescheinigung hierüber am Jahres­ schlüsse dem Bundeskanzler einzusenden. II. Eheschließung und Beurkundung derselben.

3. Der Schließung der Ehe muß das Aufgebot vorangehen. Vor Beginn desselben sind dem Be­ amten die zur Eingehung einer Ehe nach den Gesetzen der Heimath der Verlobten nothwendigen Erfordernisse als vorhanden nachzuweisen. Insbe­ sondere haben die Verlobten in beglaubigter Form beizubringen: 1) ihre Geburtsurkunden; 2) die zustimmende Erklärung derjenigen Per­ sonen, deren Einwilligung nach den Gesetzen der Heimath der Verlobten erforderlich ist. Der Beamte kann die Beibringung dieser Ur­ kunden erlassen, wenn ihm die Thatsachen, welche durch dieselben festgestellt werden sollen, persönlich bekannt oder auf andere Weise glaubhaft nachge­ wiesen sind. Auch kann er von unbedeutenden Abweichungen in den Urkunden, beispielsweise von einer verschie­ denen Schreibart der Namen oder einer Verschie­ denheit der Vornamen absehen, wenn in anderer Weise die Identität der Betheiligten festgestellt wird. Der Beamte ist berechtigt, den Verlobten die eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit der Thatsachen abzunehmen, welche durch die vorlie­ genden Urkunden oder die sonst beigebrachten Be­ weismittel ihm nicht als hinreichend festgestellt erscheinen. 3. Durch § 85 Abs 2 Perf -G. wurde diese Bestimmung auf die Schutzgenossen des Reiches ausgedehnt.

588

1875 (8. Febr. [4, Mai 1870])

4. Das Aufgebot geschieht durch eine Bekannt­ machung des Beamten, welche die Vornamen, die Familiennamen, das Alter, den Stand oder das Gewerbe und den Wohnort der Verlobten und ihrer Eltern enthalten muß. Diese Bekanntmachung muß an der Thür oder an einer in die Augen fallenden Stelle vor oder in der Kanzlei des Be­ amten eine Woche hindurch ausgehängt bleiben. Erscheint an dem Amtssitze des Beamten eine Zeitung, so ist die Bekanntmachung außerdem ein­ mal darin einzurücken, und die Eheschließung nicht

vor Ablauf des dritten Tages von dem Tage an zulässig, an welchem das die Bekanntmachung ent­ haltende Blatt ausgegebcn ist. Unter mehreren an dem bezeichneten Orte erscheinenden Zeitungen hat der Beamte die Wahl. 5 Wenn eine der aufzubietenden Personen in­ nerhalb der letzten sechs Monate ihren Wohnsitz außerhalb des Amtsbereichs (§ 1) des Beamten gehabt hat, so muß die Bekanntmachung des Auf­ gebots auch an dem früheren Wohnsitze nach den dort geltenden Vorschriften erfolgen, oder ein ge­ hörig beglaubigtes Zeugniß der Obrigkeit des früheren Wohnortes darüber beigebracht werden, daß daselbst Ehehindernisse in Betreff der einzu­ gehenden Ehe nicht bekannt seien. 6. Der Beamte kann aus besonders dringenden Gründen von dem Aufgebote (§§ 4 und 5) ganz dispensiren. 7. Die Schließung der Ehe erfolgt in Gegen­ wart von zwei Zeugen durch die an die Verlobten einzeln und nach einander gerichtete feierliche Frage des Beamten: ob sie erklären, daß sie die Ehe mit dem gegen­ wärtigen anderen Theile eingehen wollen, und durch die bejahende Antwort der Verlobten und durch den hierauf erfolgenden Ausspruch des Beamten:

daß er sie nunmehr kraft des Gesetzes für recht­ mäßig verbundene Eheleute erkläre. 8. Die Ehe erlangt mit dem Abschlüsse vor dem Beamten bürgerliche Gültigkeit. 9. Die über die geschlossene Ehe in die Re­ gister einzutragende Urkunde (Heiraths-Urkunde) muß enthalten: 1) Vor- und Familiennamen, Staatsangehörig­ keit, Alter, Stand oder Gewerbe, Geburts- und Wohnort der die Ehe eingehenden Personen; 2) Vor- und Familiennamen, Alter, Stand oder Gewerbe und Wohnort ihrer Eltern; 3) Vor- und Familiennamen, Alter, Stand oder Gewerbe und Wohnort der zugezogenen Zeugen; 4) die auf Befragen des Beamten abgegebene Erklärung der Verlobten, sowie die erfolgte Ver­ kündung ihrer Verbindung; 5) die Unterschrift der anwesenden Personen. 10. Die vorstehenden Bestimmungen über die Eheschließung (§§ 3—9) finden auch Anwendung,

wenn nicht beide Verlobte, sondern nur einer derselben ein Bundvsangeh'öriger ist. III. Geburtsurkunden.

11. Die Eintragung der Geburt eines Kindes in die Register kann von dem Beamten nur vor­ genommen werden, nachdem sich derselbe durch Vernehmung des Vaters des Kindes oder an­ derer Personen die Uefbrt&eügung von der Rich­ tigkeit der einzutragenden Thatsachen verschafft hat. Diese Eintragung muß enthalten: 1) den Ort, den Tag und,bie Stuytze der Ge­ burt; 2) das Geschlecht des Kindes; 3) die ihm beigelegten Vornamen; 4) Vor- nnd Familiennamen, Staatsangehörig­ keit, Stand oder Gewerbe, sowie den Wohnort der Eltern nnd zweier bei der Eintragung zuzu­ ziehender Zeugen; 5) die Unterschrift des Vaters, wenn er an­ wesend ist, und der vorgedachten Zeugen. IV. Urkunden über Sterbefalle.

12 Die Eintragung eines Todesfalles in die Register erfolgt auf Grund der Erklärung zweier Zeugen Sie muß enthalten: 1) Bor- und Familiennamen des Verstorbenen, dessen Staatsangehörigkeit, Alter, Stand oder Ge­ werbe, Wohn- und Geburtsort, 2) Vor- und Familiennamen seines Ehegatten, 3) Vor- und Familiennamen, Staatsangehörig­ keit, Stand oder Gewerbe und Wohnort der Eltern des Verstorbenen, 4) Ort, Tag nnd Stunde des erfolgten Todes, soweit diese Verhältnisse bekannt sind; 5) Bor- und Familiennamen, Alter, Stand oder Gewerbe und Wohnort der Zeugen, welche die Erklärung abgeben, und, wenn es Verwandte des Verstorbenen sind, den Grad ihrer Verwandtschäft; 6) Unterschrift der Zeugen. V. Schlutzbestimmungen.

13. "Insoweit durch die Gesetze eines Bundes­ staates den- diplomatischen Vertretern und Kon^ suln in Ansehung der Eheschließungen, sowie der Beurkundung der Geburten, Heirathen und Ster­ befälle der Angehörigen dieses Staates von einer besonderen Ermächtigung nicht abhängige oder ausgedehntere Befugnisse, als die im gegenwärti­ gen Gesetze bestimmten, beigelegt sind oder künftig beigelegt werden, stehen diese Befugnisse für die bezeichneten Angehörigen auch den diplomatischen Vertretern des Bundes und den Bundeskon­ suln zu. 4 14. Auf die Gebühren, welche für die durch das gegenwärtige Gesetz den Beamten des Bundes überwiesenen Geschäfte und insbesondere für die

4. Vgl. Bem. 25 zu Art. 48 C.-G.-B.

1875 (8. Febr. [27. Juni 1871]) Ausfertigungen und Abschriften aus den Perso­ nenstands-Registern zu erheben sind, findet der § 38 des Bundesgesetzes, betreffend die Organi­ sation der Bundeskonsulate, sowie die Amtsrechte und Pflichten der Bundeskonsuln, vom 8. No­

vember 1867 Anwendung.5 3. Gesetz,

betreffend die Pensionirung und Ver­ sorgung der Militärpersonen des Reichsheeres und der Kaiserlichen Marine, sowie die Bewilligungen für die Hinterbliebenen solcher Per­ sonen.

vom 27. Juni 1871.

§ 1. Für die Pensionirung und Versorgung der Militärpersonen des Reichsheeres und der Kaiserlichen Marine, sowie für die Bewilligungen an die Hinterbliebenen solcher Personen gelten die nachfolgenden Vorschriften. 6

Erster Theil.

Offiziere und im Offizierrange stehende Militärärzte. A. I m Reichsh e e r e. Anspruch auf Venston.

2. Jeder Offizier und im Osfizierrange stehende Militärarzt, welcher sein Gehalt aus dem MiütarEtat bezieht, erhält eine lebenslängliche Pension, wenn er nach einer Dienstzeit von wenigstens zehn Jahren zur Fortsetzung des aktiven Militär­ dienstes unfähig geworden ist7 und deshalb ver­ abschiedet wird. Ist die Dienstunfähigkeit die Folge einer bei Ausübung des Dienstes ohne eigene Verschuldung erlittenen Verwundung oder sonstigen Beschädi­ gung, so tritt die Pensionsberechtigung auch bei kürzerer als zehnjähriger Dienstzeit ein. 3. Als Dienstbeschädigungen (§ 2) gelten: a) die bei Ausübung des aktiven Militärdienstes im Kriege oder Frieden erlittene äußere Beschä­ digung, 5. § 38 des Bundesgesetzes v. 8 Nov 1867 lautet. „Die von den Bnndeskonsnln zu erhebenden Gebühren werden durch Bundesgesetz sestgestellt. Bis zum Inkrafttreten eines solchen Gesetzes erfolgt die Gebührenerhebung nach einem von dem Bundeskanzler un Ciuvernehmcn nut dem Ausschüsse des Bundesraths für Handel und Verkehr zu erlassenden provisorischen Tarife" 6. S. G. v 8 Febr. 1875 a G Tie 2 bis 23 G v 4. April 1874, betr. einige Abänderungen und Ergänzungen des G. v 27 Juni 1871 nber die Pensionirung und Ber sorgung der Mililarpersonen u. s. w, sind den §§ dieses Gesetzes, auf welche sie sich beziehen, als Zusätze beigefngt. — Zu beiden Gesetzen sind vom Preußischen Kriegsm i n r st e r i u m A n s f u h r u n g s - B e st i in m nnqe n erlassen worden, und zwar unterm 18. Aug 1871 (z. G v 27. Ium 1871y und unterm !. Mai 1874 (z. G. v I. April 1874 . — Armce-Berordnungvblatt 1871 S. 2l7; 1874 S 86

7 Bgl §§ 40, 43 n 44 Dienstanweisung v. 8. April 1877 zur Beurtheilung der Militär Dienstfahigkert und zur Aus stellung von Attesten

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b) anderweite nachweisbar durch die Eigen­ thümlichkeiten des Militärdienstes, sowie durch epidemische oder endemische Krankheiten, welche an dem zum dienstlichen Aufenthalt angewiesenen Orte herrschen, insbesondere durch die kontagiöse Augenkrankheit hervorgerufene bleibende Störung der Gesundheit, wenn durch sie — a und b — die Militär­ dienstfähigkeit sowohl für den Dienst im Felde, als auch in der Garnison aufgehoben wird. Die Beantwortung der Frage, ob eine Dienst­ beschädigung vorhanden, erfolgt durch die oberste Militär-Verwaltungsbehörde des Kontingents. 4. Der Anspruch auf Pension ist bei einer kür­ zeren als zehnjährigen Dienstzeit (§ 2) zuvörderst auf ein Jahr oder einige Jahre zu beschränken, insofern die Unfähigkeit zur Fortsetzung des akti­ ven Militärdienstes nicht mit Sicherheit als eine bleibende angesehen werden kann. Mit der Wie­ derherstellung zur völligen Dienstfähigteit erlischt die Berechtigung zur Pension. Beruht die Ursache der Invalidität jedoch in einer vor dem Feinde eilittenen Verwundung oder äußerlichen Beschädigung, so findet die Ge­ währung der Pension stets auf Lebenszeit statt. 5. Wird außer dem im § 2 bezeichneten Falle ein Offizier oder im Offizierrange stehender Mi­ litärarzt vor Vollendung des zehnten Dienstjahres dienstunfähig und deshalb verabschiedet oder zur Disposition gestellt, so kann demselben bei vor­ handener Bedürftig "eit eine Pension entweder auf bestimmte Zeit oder lebenslänglich bewilligt wer­ den. 6. Die Höhe der Pension wird bemessen nach der Dienstzeit und dem pensionssähigen Diensteinlommen (§ 10) der mindesten^ während eines Dienstjahres innerhalb des Etats bekleideten Charge Tritt die Pensionirung in Folge von Dienstbeschädignng (§ ?) ein, so wird die Höhe der Pen­ sion nach der bei der eintretenden Pensionirung bekleideten Charge auch in dem Falle bemessen, wenn der Pensionär dieselbe noch kein volles Jahr bekleidet Die Beförderung über den Etat, die bloße Karaktererhohung wahrend des Dienstes oder beim Ausscheiden aus demselben, sowie die vorüber­ gehende Verwendung in einer höher dotirten Stelle gewähren keinen höheren Pensionsansprnch. 7. Wird cm Offizier oder cm im Offizierrange stehender Militärarzt in einem militärischen Dienst­ verhältniß mit geringerem Diensteinkommen, als er bisher etatsmaßig bezogen hat, verwendet, so wird bei seinem späteren Eintritt in den Ruhe­ stand die Pension dennoch nach dem vorher bezo­ genen höheren Diensteinkommen unter Berücksich­ tigung der gesammten Dienstzeit berechnet. Soweit jedoch das früher bezogene höhere Diensteinkommen aus Dienstzulage (§ 10) bestand, wird die Pension nur, je nachdem es für den zu

1875 (8. Febr. [27. Juni 1871])

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Pensionirenden vorteilhafter ist, nach dem frühe­ ren höheren Diensteintommen und der bis dahin zurückgelegten Dienstzeit oder nach dem zuletzt bezogenen Diensteinkommen und der gesammten Dienstzeit berechnet. 8. Die Offiziere und im Offizierrange stehen­ den Militärärzte des Beurlaubtenstandes erwer­ ben den Anspruch auf eine Pension nicht auf Grund der Dienstzeit, sondern lediglich durch eine im Militärdienste erlittene Verwundung oder Beschädigung (§§ 2 und 3). Setrag der Ä»enston.

9. Die Pension beträgt, wenn die Verabschie­ dung nach vollendetem zehnten, jedoch vor vollen­ detem elften Dienstjahre cintritt, 20/80 und steigt von da ab mit jedem weiter zuruckgelegten Dienst­ jahre um Vko des pensionsfähigen Dienstein­ kommens. Ueber den Betrag von ro/8O dieses Einkom­ mens hinaus findet eine Steigerung der Pension nicht statt. In dem im § 2 erwähnten Falle der Invali­ dität dnrch Beschädigung bei kürzerer als zehn­ jähriger Dienstzeit betrügt die Pension 2O/«o des pensionsfähigen Dienstemkommens, in dem Falle des § 5 höchstens 20/80 desselben. 10 Als pensionsfahiges Diensteintommen (§ 9) wird in Anrechnung gebracht: a) das chargenmaßige Gehalt nach den Sätzen für Infanterie-Offiziere, oder, wo das wirtlich bezogene etatsmäßige Gehalt niedriger ist, dieses letztere; b) der mittlere Stellen- beziehungsweise Char­ gen- (Personal-) Servis: c) für die Offiziere vom Brigade-Kommandeur einschließlich aufwärts die im Etat ausgeworfenen Dienstzulagen; d) für die Offiziere vom Hauptmann erster Klasse einschließlich abwärts eine Entschädigung für Bedienung; p) für die Premier- und Setonde-Lieutenants der etatsmüßige Werth ihrer Berechtigung zur Theilnahme an dem gemeinschaftlichen Offiziertische; f) für die unter e aufgcführtcn Chargen, sowie für die Hauptleute dritter Klasse der Werth ihrer Berechtigung zur Ausnahme in das Lazareth gegen eine billige Durchschnittsvergütung. Zusatz. Bei Bemessung der Pension der Zeug-, Feuerwerks- und Train-Depot-Offiziere wird der Betrag des wirklich bezogenen etats­ mäßigen Gehalts zu Grunde gelegt (§§ 10 und 47 G. v. 27. Juni 1871) « 11. In Fällen, wo das pensionsfähige Dienst­ einkommen insgesammt mehr als 4000 Thaler beträgt, wird von dem übcrschießenden Betrage nur die Hälfte in Anrechnung gebracht. 8. § ß G v. 4. April 1874: s 27. Juni 1871.

Zusatz II zu 8 76 G. v.

Ansprüche auf 2»enstonserhöyuirg und Betrag derfetven.

12. Jeder Offizier oder im Offizierrange ste­ hende Militärarzt, welcher nachweislich durch den Krieg invalide und zur Fortsetzung des aktiven Militärdienstes unfähig geworden ist, * erhält eine Erhöhung der Pension: a) wenn dieselbe 550 Thaler und weniger be­ trägt, um 250 Thaler jährlich; b) wenn dieselbe zwischen 550 und 000 Thaler beträgt, auf 800 Thaler jährlich; c wenn dieselbe zwischen 000 und 800 Thäler betrügt, um 200 Thaler jährlich; d) wenn dieselbe zwischen 800 und 900 Thaler betragt, ans 1000 Thaler jährlich; e) wenn dieselbe 900 Thaler und mehr betragt, um 100 Thaler jährlich. 13. Jeder Offizier oder im Offizicrrange ste­ hende Militärarzt, welcher nachweislich durch den aktiven Militärdienst, sei es im Kriege oder im Frieden, verstümmelt, erblindet oder ui der nach­ stehend angegebenen Werse schwer und unheilbar beschädigt worden ist, erhält neben der Pension und eintretenden Falls neben der nach § 12 be­ stimmten Penfionserhöhung eine fernere Erhöhung der Pension um je 200 Thaler jährlich: a) bei dem Verluste einer Hand, eines Fußes, eines Auges bei nicht völliger Gebrauchsfahigteit des anderen Auges. Die Erblindung eines Anges wird dem Ver­ luste desselben gleich geachtet: b) bei dem Verluste der Sprache; c) bei Storung der aktiven Bewegungsfähigkeit einer Hand oder eines Armes, sowie cmc2 Fußes in dem Grade, daß sie dem Verluste des Gliedes gleich zu erachten ist. Die ewilligung dieser Erhöhung ist ferner zulässig: d) bei nachgewiesener außergewöhnlicher Pflege­ bedürftigkeit, die in wichtigen, gleich dem Verluste eines Gliedes sich äußernden Funktionsstörungen ihren Grund hat. Die unter a bis d aufgeführten Pensionserhohungen dürfen zusammen den Betrag von 400 Thalern nur in dem Felle übersteigen, wenn die Invalidität durch Verwundung oder äußerliche Beschädigung herbeigeführt ist. Die für Erblindung eines oder beider Augen ausgesetzten Pensionserhöhungen von beziehungs­ weise 200 Thalern und 400 Thalern jährlich werden jedoch von der vorstehenden Einschränkung nicht betroffen. Ist die Gebrauchsunfähigkeit der unter c be­ zeichneten Gliedmaßen oder die unter d erwähnte Pflegebedürftigkeit als vorübergehend anzusehen, so wird die Pensionserhöhung nur auf die voraus­ sichtliche Dauer des Schwächezustande angewiesen. 9. Vgl. §§ 41 Nr. 3, 42 n. 45 Dienstanweisung v. 8. April 1877 zur Beurtheilung der Militar-Tienstsahigkeit und zur Ausstellung von Attesten

1875 (8. Febr. [27. Juni 1871]) 1£. Offiziere und int Offizissrrange stehende Militärärzte, welche als Invalide aus dem aktiven Dienste mit Pension ausgeschieden sind, erlangen, wenn sie zum Militärdienste wieder herangezogen werden, Ansprüche auf die im § 12 bestimmte Pen­ sionserhöhung nur dann, wenn durch eine im Kriege erlittene Verwundung oder Beschädigung eine bleibende Störung ihrer Gesundheit herbei­ geführt worden ist. Zusatz I Die im § 14 des Gesetzes vom 27. Juni 1871 genannten Offiziere und Militärärzte erlangen Ansprüche auf die Hälfte der int § 12 daselbst bestimmten Pensionserhöhung auch schon dann, wenn durch eine im Kriege erlittene Ver­ wundung oder Beschädigung zwar eine bleibende Störung ihrer Gesundheit herbeigeführt, durch diese aber nur ihre Felddienstfähigkeit, nicht auch ihre Garnisonsdienstfähigkeit (§ 3 daselbst) aufge­ hoben worden ist. 10 Zusatz II Die Vorschrift des § 2 (S. Zusatz I) hat rückwirkende Kraft für die Theilnehmer am letzten Kriege mit Frankreich 11 15. Die in den §§ 12 und 13 aufgeführten Pensionserhohungen werden auch bewilligt, wenn der Betrag der Pension mit den Erhöhungen den Be­ trag des pensionsfähigen Diensternkomutens erreicht oder übersteigt. 16 Die Bewilligung der Pensionserhöhungen auf Grund einer int Kriege erlittenen Verwundung oder Dienstbeschädiguug ist nur zulässig, wenn die Pensioiitrung vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Friedensschlüsse eintritt. Im Falle einer im Friedcnsdienste entstandenen Invalidität wird btc Pensionserhöhung gewährt, wenn die Pensionirung innerhalb fünf Jahren nach der erlittenen Beschädigung erfolgt. Zusatz. Die § 13 a bis d des Gesetzes vom 27 Juni 1871 erwähnten Pensionserhöhungen sind auch danu zu gewähren, wenn die Pensionirung später als fünf Jahre nach dem Friedensschlüsse, bezw nach erlittener Beschädigung cintritt (§ 16 ebenda) 12 17. Die Entscheidung darüber, ob ein Offizier oder im Offizierrange stehender Militärarzt im Sinne dieses Gesetzes den Krieg mitgemacht, bezw. durch den Krieg invalide und zur Fortsetzung des Dienstes unfähig geworden ist (§12, erfolgt durch die oberste Militär-Verwaltungsbehörde des Kon­ tingents. Zusatz. Für jeden einzelnen Feldzug erläßt der Kaiser besondere Bestimmungen darüber, wer im Sinne des Gesetzes vom 27. Juni 1871 (§§ 17 und 71 daselbst) Theilnehmer am Kriege war. 13 Berechnung der Dienstzeit.

18. Die Dienstzeit wird vom ^age des Eintritts tu den Dienst bis zu dem Tage einschließlich, an 10 11 12 13.

§ § § §

2 W v. 4 April 1874. 19 ebenda. 3 ebenda. 18 ebenda

591

welchem die Order der Verabschiedung oder Dis­ positionsstellung ergangen ist, gerechnet. Den Offizieren und im Ossizierrange stehenden Militärärzten des Beurlaubtenstandes wird nur diejenige Zett als Dienstzeit gerechnet, in welcher sie aktiven Militärdienst geleistet haben. Die Theilnahme an Kontrol - Versammlungen bleibt außer Ansatz. 19. Bei Berechnung der Dienstzeit kommt auch die Zeit in Anrechnung, während welcher ein Offizier oder im Ossizierrange stehender Militär­ arzt: a) im Militärdienste eines Bundesstaates oder der Regierung eines zu einem Bundesstaate ge­ hörenden Gebietes sich befunden, oder b) mit Gehalt vorübergehend und die Dauer eines Jahres nicht übersteigend zur Disposition gestanden hat. 20. Die im Civildienste des Reichs oder eines Bundesstaates zugebrachte Zeit wird mit zur An­ rechnung gebracht. Bei den Personen des Beurlaubtenstandes taun eine solche Anrechnung nicht erfolgen, wenn die­ selben bei ihrer auf Grund des gegenwärtigen Gesetzes erfolgten pensionirung sich noch im aktiven Civildienste befinden Ob die Zeit, während welcher ein Offizier oder im Offizierrange stehender Militärarzt im Ge­ meinde-, Kirchen-oder Schuldienste oder int Dienste einer landesherrlichen Haus- oder Hofverwaltung gestanden hat, mit zur Anrechnung gelangen kann, entscheidet die oberste Militär-Verwaltungsbehörde des Kontingents. Eine doppelte Anrechnung desselben Zeitraums ist unstatthaft. ‘1. Die Zeit, während welcher ein mit Pen siousansprüchen aus dem aktiven Dienste geschie­ dener Offizier oder im Osfizierrange stehender Militärarzt zu demselben wieder herangezogen worden ist und in einer etatsmäßtgen Stellung Verwendung findet, begründet bei einer Gesammtdienstzcit von mindestens 10 Jahren mit jedem weiter erfüllten Dienstjahre den Anspruch auf Er­ höhung der bisher bezogenen Pension um */« o des derselben zum Grunde liegenden pensionssähigen Diensteinkommens Wenn jedoch denjenigen Offizieren oder im Offizierrange stehenden Militärärzten, welche nach früheren Gesetzen oder Reglements pensionirt sind, nach Maßgabe der betreffenden Gesetze, Reglements oder Bestimmungen der Anspruch auf eine höhere Pension 'usteht, so verbleibt ihnen derselbe. 22. Die Dienstzeit, welche vor den Beginn des achtzehnten Lebensjahres fällt, bleibt außer Be­ rechnung. Nur die in die Dauer eines Krieges fallende und bei einem mobilen oder Ersatz-Truppentheile abgeleistete Militärdicnstzeit kommt ohne Rücksicht auf das Lebensalter zur Anrechnung. Als Kricgszeit gilt in dieser Beziehung die Zeit vom Tage einer geordneten Mobilmachung, auf

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1875 (8. Febr.

[27. Juni 1871])

welche ein Krieg folgt, bis zum Tage der Demo­ bilmachung. 23. Für jeden Feldzug, an welchem ein Offizier oder im Offizierrrange stehender Militärarzt im Reichsheer, in der Kaiserlichen Marine oder in der Armee eines Bundesstaates derart Theil ge­ nommen hat, daß er wirtlich vor den Feind ge­ kommen oder bei den mobilen Truppen angestellt gewesen untk mit diesen in das Feld gerückt ist, wird demselben zu der wirklichen Dauer der Dienst­ zeit ein Jahr zugerechnet. Ob eine militärische Unternehmung in dieser Beziehung als ein Feldzug anzusehen ist und in­ wiefern bei Kriegen von längerer Dauer mehrere Kriegsjahre in Anrechnung kommen sollen, darüber wird in jedem Falle durch den Kaiser Bestimmung getroffen. Für die Vergangenheit bewendet es bei den hier­ über in den einzelnen Bundesstaaten erlassenen Vorschriften.^»

die oberste Militär-Verwaltungsbehörde des Kon­ tingents. 28. Offiziere oder im Offizierrange stehende Militärärzte, welche das 60ste Lebensjahr zurück­ gelegt haben, sind bei Nachsuchung ihrer Verab­ schiedung mit Pension von dem Nachweise der Invalidität befreit. Für den Anspruch auf die Pensionserhöhungen (§§ 12 und 13) ist jedoch der Nachweis in jedem Dienstalter erforderlich. 29. Das Gesuch um Gewährung von Pension muß in dem Abschiedsgesuche enthalten und be­ gründet sein; eine nachträgliche Forderung von Pension ist unzulässig; nur in dem Falle, daß die Art der Invalidität gleichzeitig den Anspruch auf Pensionserhöhung begründet, kann eine nach­ trägliche Bewilligung stattfinden, insofern eine solche innerhalb der im § 16 angegebenen Fristen beantragt wird.

24. Von der Anrechnung ausgeschlossen ist: a) die Zeit emes Festnngsarrestes von einjäh­ riger und längerer Dauer, sowie b) die Zeit der Kriegsgefangenschaft. Unter besonderen Umstünden kann jedoch in die­ sen Fällen die Anrechnung und zwar in dem Falle unter a mit Genehmigung des Kontingentshcrrn, in dem Falle unter b mit Kaiserlicher Genehmi­ gung stattfinden. 25. Mit Genehmigung der obersten MilitärVerwaltungsbehörde des Kontingents lann auch die Zeit angerechnet werden, während welcher ein Offizier oder im Osfi^ierrange stehender Militär­ arzt im Dienste eine dem Reiche nicht angehörr gen Staates gestanden hat. Sind bei der Uebernahme in den Dienst eines Bundesstaates bereits bindende Zusagen über die Anrechnung der vorangegangenen Dienstzeit ertheilt worden, so bleiben dieselben in Kraft

Iahtöarkeit der 'Pension, Kürzung, Einziehung und Wiedergewnhrung derselbe».

^erfahren bei der pensionirung

26. Die Feststellung und Anweisung der Pen­ sionen erfolgt durch die oberste Militar-Verwaltungsbehörde des Kontingents. 27. Offiziere oder im Offizierrange stehende Militärärzte, welche Ansprüche auf Pension erhe­ ben und noch nicht das 60ste Lebensjahr zurück­ gelegt haben, sind verpflichtet, ihre Invalidität nachzuweisen. Hierzu ist namentlich auch die Er­ klärung der unmittelbaren Vorgesetzten erforderlich, daß sie nach pflichtmäßigem Ermessen den die Pensionirung Nachsuchetlden für unfähig zur Fort­ setzung des aktiven Militärdienstes halten. Inwieweit noch andere Beweismittel allgemein oder im einzelnen Falle beizubringen sind, bestimmt 13 a. Ueber die Anrechnung des Feldzugs von 18G6 für bic ui Reichsdienste cui getreten en Betheiligten erging Äab -O. v 11. Febr. 1875 (abgedrnckt Bkm.-Bl. 1875 S. 79, für 1870'71 genuin .ttab.-O v. 16. Mar 1871, anwendbar auch auf elsan-lothr Civilbeamte, Erl. Min v 16. Ium 1881 (A.-Bl. Min 2. 34)

30. Die Pension wird monatlich im voraus be­ zahlt. 31. Die Zahlung der Pension beginnt mit dem Ablaufe desjenigen Monats, für welchen der Ver­ abschiedete das etatsmäßige Gehalt zum letzten Male eulpfangen hat. Ist der Betrag dieses Gehaltes geringer als die Pension, so soll der sich ergebende Ausfall für den letzten Monat vergütet werden. Zusatz. Die Zahlung der Pension an solche Verabschiedete, welche zur Zeit der Pensionirung Gehalt nicht mehr beziehen, beginnt mit dem Mo­ nat, für welchen die Pensionirung ausgesprochen worden ist (§ 31 G. v. 27. Juni 1871 14 32 Das Recht auf den Bezug der Pension erI lischt:

a) durch den Tod dev Pensionärs; b) durch rechtskräftige gerichtliche Berurtheilung zum Pensionsverlust. Die Pensionserhöhungen können jedoch durch richterliches Erkenntni" nicht entzogen werden. 33. Das Recht auf den Bezug der eigentlichen Pension ruht: a) wenn ein Pensionär das deutsche Jndigenat verliert,15 bis zu etwaiger Wiedererlangung des­ selben; b) mit der Wiederanstellung im aktiven Militär­ dienste während ihrer Dauer; c) wenn und so lange ein Pensionär im Reichs-, Staate- oder im Kommunaldienste ein Dienstein­ kommen bezieht, insoweit al' der Betrag dieses neuen Dienstcinkonnnens unter Hinzurechnung der Pension, ausschließlich der Pensionserhöhung, den

Betrag des vor der Pensionirung bezogenen pensionsfahigen Diensteinkommens übersteigt. 14 8 4 G. v. 4. April 1874 15. Geinatz § 13 tt. v. 1. Juni 1870 über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit.

1875 (8. Febr. [27. Juni 1871]) 34. Das Recht

auf den Bezug

der Pensions­

erhöhungen (§§ 12 und 13) ruht in

dem Falle

deS § 33 unter a. Das Recht ruht ferner in dem

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noch für den auf den Sterbemonat folgenden Mo­ nat bezahlt.

Die Zahlung

der Pension

für den

auf den

jedoch mit folgenden

Sterbemonat folgenden Monat kann mit Geneh­

ä) bei Anstellung in den für Garnisondienstfähige

des Kontingents auch dann stattfinden, wenn der

Falle des § 33 unter b,

Ausnahmen:

migung der obersten Militär-Verwaltungsbehörde

zugänglichen militärischen Stellen, z. B. bei den

Verstorbene Ettern, Großeltern, Geschwister, Ge­

Traindepots,

schwisterkinder oder Pflegekinder, deren Ernährer

den Landwehr-Bezirkskommandos,

den Garde-Landwehr-Bataillons-Stämmen, als

er gewesen ist, in Bedürftigkeit hinterläßt, oder

Platzmajors, Führer der Strafabtheilungen, Vor­

wenn der Nachlaß nicht ausreicht, um die Kosten

stände der Handwerksstätten, Etappen-Jnspektoren

der letzten Krankheit und der Beerdigung zu decken.

und in der Militär- und Marineverwaltung; b) bei vorübergehender Heranziehung zum akti­

ven Dienste für die Dauer des mobilen Verhält­

Der über den

genstand der Beschlagnahme sein.

Zusatz.

nisses; c) bei Versorgung in Jnvaliden-Jnstituten. Bei Anstellung im Civildienste verbleiben die

Pensionserhöhungen

dem

Pensionär

neben den

sonst zuständigen Kompetenzen.

Sterbemonat hinaus gewährte

einmonatliche Betrag der Pension kann nicht Ge­ Die Befugniß

zur Bewilligung

der

Pensionszahlung an die Hinterbliebenen pensionir­

ter Offiziere oder im Offizierrange stehender Mili­ tärärzte für den auf den Sterbemonat folgenden Monat kann auch anderen Behörden, als den ober­

35. Mit der Gewährung einer Civilpension aus

sten Militär-Verwaltungsbehörden der Kontingente

Reichs- oder Staatsfonds fällt bis auf Höhe des

übertragen werden (§ 39 G. v. 27. Juni 1871).16

Betrages derselben das Recht auf den Bezug der

40. Erfolgt der Tod eines mit Pension verab­

hinweg. Die Pensions­

schiedeten Offiziers oder im Offizierrange stehenden

früheren Militärpension

Militärarztes in dem Monat, in welchem derselbe

erhöhung verbleibt jedoch dem Empfänger. Hat die Civildienstzeit weniger als ein Jahr

das

etatsmäßige

Gehalt

zum

letzten Male zu

betragen, so wird für den Fall des Zurücktretens

empfangen hatte, so hat seine Familie (§ 39) für

in den Ruhestand die volle Militärpension wieder­

den Monat nach dem Ableben nur Anspruch auf

gewährt. 36. Erdient ein Militärpensionär, welcher in eine an sich zur Pension berechtigende Stellung des Kommunaldienstes eingetreten ist, in dieser Stel­

Gewährung des einmonatlichen Pensionsbetrages.

lung eine Pension, so findet neben derselben der Fortbezug der auf Grund dieses Gesetzes erwor­

benen

Militärpension nur tn dem durch § 33

unter c begrenzten Umfange statt. Die Pensionserhöhung verbleibt

jedoch

dem

Empfänger.

41.

Den

Wittwen

von

denjenigen Offizieren

und im Offizierrange stehenden Militärärzten der Feldarmee, welche a) im Kriege geblieben oder an den erlittenen Verwundungen während des Krieges oder später

gestorben sind, b) im Laufe des Krieges erkrankt oder beschä­

digt und in Folge dessen vor Ablauf eines Jahres nach dem Friedensschluß verstorben sind,

37. Die Einziehung,

Kürzung oder Wiederge­

werden besondere Beihülfen, so lange sie im Witt-

währung der Pension auf Grund Der Bestimmun­

wenstande bleiben, und im Falle

gen in den §§ 32 bis 36 tritt mit dem Beginn desjenigen Monats ein, welcher auf das, eine

heirathung noch für ein Jahr, gewährt und zwar: den Wittwen der Generale im Betrage von 500

solche Veränderung nach sich ziehende Ereigniß folgt.

Thalern,

Im

Falle

vorübergehender

Beschäftigung im

Reichs-, im Staats- oder im Kommunaldienste gegen Tagegelder oder eine anderweite Entschädi­ gung wird die Pension für die ersten sechs Mo­ nate dieser Beschäftigung unverkürzt, dagegen vom siebenten Monat ab nur zu dem nach den vor­

stehenden

Bestimmungen

zulässigen Betrage ge­

währt.

38. Die Bewilligung einer Pension kann auch

bei der Stellung zur Disposition erfolgen. In die­ sem Falle finden die Bestimmungen des gegen­

wärtigen Gesetzes gleichmäßige Anwendung.

der Wiederver-

den Wittwen der Stabsoffiziere im Betrage von 400 Thalern, den Wittwen der Hauptleute und Subaltern­

offiziere im Betrage von 300 Thalern, jährlich.

Dieselben Beträge empfangen die Wittwen der Aerzte

nach

Maßgabe

des

Militärranges

der

letzteren. Die mittels Karaktererhöhung erworbene Charge wird hierbei der mit einem

Patent verliehenen

Charge gleich geachtet. 42. Für jedes Kind der im § 41 bezeichneten

Offiziere und im Offizierrange stehenden Militär­

ärzte wird bis zum vollendeten siebenzehnten Le­ AewiLttgungen für Kinterötievene.

bensjahre eine Erziehungsbeihülfe von 50 Thalern,

39. Hinterläßt ein pensionirter Offizier oder im Offizierrange stehender Militärarzt eine Wittwe

oder eheliche Nachkommen, so wird die Pension

III. Band.

16. 8 s G. v. v. 4. April 1874. 38

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1875

(8. Febr. [27. Juni 1871])

und wenn das Kind auch mutterlos ist oder wird, von 75 Thalern jährlich gewährt. Eine Beihülfe von je 50 Thalern jährlich er­ hält der Hinterbliebene Vater oder Großvater und die Hinterbliebene Mutter oder Großmutter, sofern der Verstorbene der einzige Ernährer derselben war und so lange die Hülfsbedürftigkeit derselben dauert. 43. Die Zahlung der in §§ 41 und 42 bezeich­ neten Beihülfen erfolgt monatlich im voraus. Die Beihülfen werden vom Ersten desjenigen Monats an gewährt, welcher auf den den An­ spruch begründenden Todestag folgt. 44. Die §§ 41 bis 43 finden auf die Ange­ hörigen der nach einem Feldzuge Vermißten gleichmäßige Anwendung, wenn nach dem Er­ messen der obersten Militär-Verwaltungsbehörde des Kontingents das Ableben mit hoher Wahr­ scheinlichkeit anzunehmen ist. 45. Die nach § 41 erforderliche Zugehörigkeit zur Feldarmee wohnt allen zur unmittelbaren Aktion gegen den Feind bestimmten Truppen, sowie den zu denselben gehörenden Kommandobe­ hörden, Stäben, Trains und Administrationen bei. Bei allen anderen Truppen und Militärbehör­ den sind der Kategorie des § 41 gleich zu achten: diejenigen während des mobilen Verhältnisses bezw. während der Kriegsformation im Dienste befindlich gewesenen Offiziere und im Offizier­ range stehenden Militärärzte, denen in Folge der eingetretenen kriegerischen Verhältnisse außerordent­ liche Anstrengungen und Entbehrungen auferlegt, oder welche dem Leben und der Gesundheit gefähr­ lichen Einflüssen ausgesetzt werden mußten. Die Entscheidung, ob das Eine oder An­ dere der Fall gewesen, erfolgt durch die oberste Militär-Verwaltungsbehörde des Kontingents. Für die Begrenzung des Anspruchs gilt auch hier, daß der Tod vor Ablauf eines Jahres nach dem Friedensschlüsse eingetreten ist. NeSergangsvestimrnimgen.

46. Die den Offizieren und im Offizierrange stehenden Militärärzten nach Maßgabe dieses Gesetzes zu bewilligenden Pensionen dürfen nicht hinter demjenigen Betrage zurückbleiben, welcher denselben bei etwaiger Pensionirung vor Erlaß dieses Gesetzes bereits zugestanden haben würde. Dasselbe gilt für die Bewilligungen an Wittwen und Waisen. 47.17 Das gegenwärtige Gesetz hat rückwirkende Kraft in Bezug: a) auf alle Pensionsgewährungen und Unter­ stützungen, welche seit dem 1. August 1870 den Theilnehmern an dem Feldzuge gegen Frankreich bezw. ihren Hinterbliebenen zuerkannt sind; b) aus diejenigen Wittwen und Kinder verstor­ bener, am Kriege 1870/71 betheiligt gewesener

17. Zu § 47 s. oben Zusatz zu § 10 dieses Gesetzes.

Offiziere und im Offizierrange stehender Militär­ ärzte, welchen die nach dem königlich preußischen Gesetz vom 16. Oktober 1866 zu gewährenden Beihülfen bisher versagt werden mußten, weil der Nachweis des Bedürfnisses nicht geführt werden konnte; c) auf die im § 14 bezeichneten, während des Feldzuges von 1870/71 zum Militärdienste her­ angezogenen Pensionsempfänger, indem diesen der Anspruch auf die Pensionserhöhung (§ 12) nach der näheren Bestimmung des § 14 gewährt wird. Eine anderweite Feststellung ihrer eigentlichen Pension aber kann nur nach Maßgabe der Be­ stimmung des § 21 erfolgen. Für die nach den bisher gültig gewesenen Vor­ schriften pensionirten Offiziere und im Offizier­ range stehenden Militärärzte findet der § 33 unter c ebenfalls Anwendung, sofern nicht die bisherigen Bestimmungen ihnen günstiger sind. Für die im Offizierrange stehenden Militärärzte wird bei deren Pensionirung das chargenmäßige Gehalt nach den Sätzen für Jnfanterieoffiziere (§ 10 a) der entsprechenden Militärcharge als pensionsfähiges Diensteinkommen in Anrechnung gebracht. Stabsoffiziere, welche ein Gehalt von 1300 Thalern, sowie Hauptleute erster Klasse, welche ein Gehalt von 1000 Thalern beziehen, werden nach dem pensionsfähigen Diensteinkom­ men der Stabsoffiziere mit dem Gehalte von 1800 Thalern, bezw. der Hauptleute mit einem Gehalte von 1200 Thalern pensionirt. Insoweit das Diensteinkommen der Offiziere einzelner Kontingente dem Diensteinkommen der Offiziere der Norddeutschen Armee noch nicht

gleichgestellt ist, wird das letztere gleichwohl bei Berechnung der Pensionen für die Theilnehmer an dem Kriege gegen Frankreich zu Grunde ge­ legt.

B. In der Kaiserlichen Marine. 48. Die vorstehenden Bestimmungen finden auf die ihr Gehalt aus dem Marine-Etat beziehenden Offiziere, sowie auf die im Offizierrange stehenden Aerzte und die Deckoffiziere der Kaiserlichen Ma­ rine und auf deren Wittwen und Kinder mit den nachfolgenden Maßgaben Anwendung. 49. Als pensionsfähiges Diensteinkommen (§§ 9 und 10) wird in Anrechnung gebracht: 1) für die Chargen von Unterlieutenant zur See (excl. Maschineningenieur) aufwärts das im § 10 festgesetzte Diensteinkommen; 2) für die Chargen der Maschineningenieure und Deckoffiziere a) das etatsmäßige Gehalt, b) der mittlere Chargen-Serviszuschuß und, e) der Werth der ihnen zustehenden Berechti­ gung zur Aufnahme in das Lazareth gegen eine billige Durchschnittsvergütung; 3) für die Chargen der Maschineningenieure eine Entschädigung für Bedienung;

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4) für die Marineärzte die ihnen nach dem Etatsgesetze gebührende Zulage. 50. Der Schiffsbesatzung eines zur kaiserlichen Marine gehörigen Schiffes wird, auch während -es Friedens, die auf einer ostasiatischen Expedi­ tion zugebrachte Dienstzeit, vom Tage des Ab­ gangs aus dem Ausrüstungshafen bis zum Tage -er Rückkehr in die Nordsee, bei der Pensionirung doppelt in Anrechnung gebracht. Dasselbe gilt auch für Seereisen beziehentlich Indienststellungen, bei welchen mindestens 13 Mo­ nate außerhalb der Ost- und Nordsee zugebracht worden sind. In den Fällen, wo eine Seereise von kürzerer Dauer nachweislich sich als besonders schädigend und nachtheilig für die Gesundheit der Schiffs­ besatzung erwiesen hat, ist es kaiserlicher Ent­ schließung Vorbehalten, dem Vorstehenden ent­ sprechende Bestimmungen zu treffen. Ausgenommen von der für die Seeexpeditionen bewilligten Doppelrechnung der Dienstzeit ist die in solche Jahre fallende Zeit, welche bereits als Kriegs­ jahre zu erhöhtem Ansatz kommt. Den Militärpersonen der kaiserlichen Marine, welche bei dem Marinelazarethe zu Uokohama eine längere als einjährige Verwendung gefunden haben, wird die daselbst zugebrachte Dienstzeit bei der Pensionirung doppelt in Anrechnung ge­ bracht. 18 19 51. Als Dienstbeschädigung ist außer den, nach § 3 bei Ausübung des Dienstes unmittelbar ein­ getretenen Verletzungen und anderweiten nach­ weislich durch die Eigenthümlichkeit des Militärbeziehentlich Marinedienstes hervorgerufenen blei­ benden Störungen der Gesundheit, auch die, lediglich und nachweislich auf die klimatischen Einflüsse bei Seereisen, insbesondere in Folge längeren Aufenthalts in den Tropen, zurückzusührende, bleibende Störung der Gesundheit an­ zusehen, wenn dadurch die Dienstfähigkeil für den Seedienst aufgehoben wird. 52. 'Die auf Seereisen nachweislich in Folge «iner militärischen Aktion oder durch außerordent­ liche klimatische Einflüsse, namentlich bei längerem Aufenthalte in den Tropen, invalide und zur Fortsetzung des Seedienstes, ohne ihr Verschulden, unfähig gewordenen Offiziere, Aerzte und Deck­ offiziere haben auf die im 8 12 festgesetzten Pen­ sionserhöhungen Anspruch. Den Wittwen der durch Schiffbruch verun­ glückten, sowie der in Folge der oben gedachten Ursachen auf Seereisen oder innerhalb Jahres­ frist nach der Rückkehr des Schiffes in den ersten heimathlichen Hasen verstorbenen Offiziere, Aerzte und Deckoffiziere sind die im § 41, und den Kindern, Eltern oder Großeltern die im § 42 festgesetzten Beihülfen zu gewähren. 18. Der § 50 G. v. 27. Juni 1871 hat als vierten Absatz den oben abgedruckten Zusatz durch 8 1 G. v. 30. März 1880 Erhalten.

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53. Den in der kaiserlichen Marine angestellten Maschineningenieuren, Obermaschinisten und Ma­ schinisten wird die Zeit, in welcher sie sich vor ihrer etatsmäßigen Anstellung ununterbrochen in einem Kontraktverhältnisse bei der kaiserlichen Marine befunden haben, als Dienstzeit mit in Anrechnung gebracht. 54. Den mit Pension aus dem Marinedienste ausscheidenden Personen wird, wenn sie vor dem, für den Beginn der pensionsberechtigenden Dienst­ zeit vorgeschriebenen Termine an Bord eines Kriegsschiffes der kaiserlichen Marine eingeschifft gewesen sind, die im aktiven Marinedienste zuge­ brachte Zeit von dem Zeitpunkte der ersten Ein­ schiffung ab als pensionsberechtigende Dienstzeit in Anrechnung gebracht, gleichviel, bei welchem Marinetheile beziehentlich in welcher Stellung dieselben sich bei ihrem Ausscheiden ans dem Marinedienste befinden. Offizieren der Kriegsmarine, welche früher der Handelsflotte angehörten, wird die Fahrzeit mit derselben vom 18. Lebensjahre an bis zum Ein­ tritt in die Kriegsmarine zur Hälfte als pensions­ fähige Dienstzeit angerechnet. 55. Die durch dieses Gesetz der obersten Mili­ tär-Verwaltungsbehörde des Kontingents über­ tragenen Befugnisse werden in Bezug auf die der kaiserlichen Marine angehörigen Personen von dem Marineministerium ausgeübt. Zusatz I. Die vorstehenden Bestimmungen (88 2—6) 19 finden gleichmäßig im Geschäftsbereich der Kaiserlichen Marine Anwendung (88 48 und 55 des Gesetzes vom 27. Juni 1871). Die Maschineningenieure der Marine sind den im 8 48 des Gesetzes vom 27. Juni 1871 be­ zeichneten Angehörigen der Marine beizuzählen. Die ebendaselbst nur zu Gunsten der Wittwen und Kinder getroffene Bestimmung findet über­ haupt auf die Hinterbliebenen dieser Angehörigen der Marine entsprechende Anwendung (88 29 ff. ebenda). 20 Zusatz II. Die auf Seereisen nachweislich in Folge einer militärischen Aktion oder durch außer­ ordentliche klimatische Einflüsse, namentlich bei län­ gerem Aufenthalte in den Tropen, invalide oder zur Fortsetzung des Seedienstes ohne ihr Verschulden unfähig gewordenen Offiziere, Aerzte, Maschinen­

ingenieure und Deckoffiziere haben auf die im 8 12 des Gesetzes vom 27. Juni 1871 festgesetzten Pensionserhöhungen nur dann Anspruch, wenn ihre Pensionirung vor Ablauf von fünf Jahren nach der Rückkehr des Schiffes in den ersten heimathlichen Hafen eintritt (8 52 ebenda). 21 Zusatz IH. Den mit Pension aus dem Marine­ dienste ausscheidenden im Offizierrang stehenden

19. Des G. v. 4. April 1874, welche als Zusätze zu 88 14, 16, 31, 39 u. 10 G. v. 27. Juni 1871 abgedruckt sind.

20. 8 ? G. V. 4. April 1874. 21. 8 8 G. V. 4. April 1874.

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Aerzten, Maschineningenieuren, Deckoffizieren und oberen Marinebeamten, welche früher der Handels­ flotte angehörten, wird die Fahrzeit mit derselben vom 18. Lebensjahre an bis zum Eintritt in die Kriegsmarine zur Hälfte als pensionsfähige Dienst­ zeit in gleichem Maße angerechnet, wie den Offi­ zieren der Kriegsmarine (§ 54 und § 56 ebenda).22 Schlußvestimmungeu. 56. Auf die oberen Militärbeamten des Reichs­ heeres und der Kaiserlichen Marine werden die §§ 12 bis 19, § 47 Litt, a bis c, §§ 50, 51 und 52, auf die Hinterbliebenen derselben die §§ 41 bis 45 und 52 dieses Gesetzes in Anwendung gebracht. Der den Wittwen dieser Beamten zu gewährende Betrag (§ 41) wird nach dem pen­ sionsfähigen Diensteinkommen bemessen, welches von dem Manne bezogen worden ist, je nachdem dasselbe dem pensionssähigen Diensteinkommen eines Generals, eines Stabsoffiziers oder eines Hauptmanns und Subalternoffiziers am nächsten gestanden hat. Die Vorschrift im § 50 9 bsatz 4 findet auch auf die Civilbeamten der kaiserlichen Marine Anwendung. 23 57. Im Sinne dieses Gesetzes werden den oberen Marine-Militärbeamten gleich behandelt: 1) die Marineverwalter, und 2) die ihr Gehalt aus dem Marineetat empfan­ genden Lootsenkommandeure, Oberlootsen, Schiffs­ führer und Steuerleute vom Lootsen- und Beton­ nungspersonal der kaiserlichen Marine, sowie die sonstigen Lootsenkommandeure und Oberlootsen, welche während des Krieges im Dienste der kaiserlichen Marine beschäftigt werden, insoweit eine Invalidität und Unfähigkeit zur Fortsetzung des Dienstes durch den Krieg (§ 12), oder eine Verstümmelung oder Erblindung (§ 13), oder der Tod in Folge des Krieges (§§ 41 und 44) ein­ getreten ist.

Zweiter Theil. Versorgung der Militärpersonen der Unter­ klassen, sowie deren Hinterbliebener.

A. Unteroffiziere und Soldaten. JUTgemeine Bestimmungen. 58. Die zur Klasse der Unteroffiziere und Ge­ meinen gehörenden Personen des Soldatenstandes 24 haben Anspruch auf Jnvalidenversorgung, wenn sie durch Dienstbeschädigung oder nach einer Dienstzeit von mindestens acht Jahren invalide geworden sind. 22. 8 9 G. v. 4. Aprll 1874; s. Zusatz II zu § 76 G. v. 27. Juni 1871.

23. Dem 8 56 G. v. 27. Ium 1871 ist der letzte Satz durch 8 2 G. v. 30. März 1880 hinzugefügt.

24. Ueber den Begriff s. 8 65 u Bem. 27. — Zu 88 »8 bis 88 s. Instruktion v. 26. Juni 1877, betr. das Verfahren bei Anmeldung und Prüfung der Bersorgungsanspruche invalider Mannschaften vom Feldwebel u. s. w. abwärts, bekannt gemacht v. Preußischen Kriegs-Min. unterm 26. Juli 1877 (Armee-Verordnungsblatt 1877 S. 150)

Haben dieselben achtzehn Jahre oder länger aktiv gedient, so ist zur Begründung ihres Bersorgungsanspruches der Nachweis der Invalidität nicht erforderlich. Zusatz. Unteroffiziere, welche nicht als Inva­ liden versorgungsberechtigt sind, erlangen durch zwölfjährigen aktiven Dienst bei fortgesetzter guter Führung den Anspruch auf den Civilversorgungsschein (§§ 58 und 75 G. v. 27. Juni 1871). Unteroffiziere und Mannschaften des Beurlaub­ tenstandes 25 erwerben Anspruch auf Jnvaliden­ versorgung nicht auf Grund der Dienstzeit, sondern nur durch eine im Militärdienste erlittene Dienst­ beschädigung. 26 27 59. Als Dienstbeschädigung sind anzusehen: a) Verwundung vor dem Feinde; b) sonstige bei Ausübung des aktiven Militär­ dienstes im Kriege oder Frieden erlittene äußere Beschädigung (äußere Dienstbeschädigung); c) erhebliche und dauernde Störung der Ge­ sundheit und Erwerbsfähigkeit, welche durch die besonderen Eigenthümlichkeiten des aktiven Mili­ tär- beziehentlich Seedienstes veranlaßt sind (innere Dienstbeschädigung). Hierher gehören auch epidemische und endemische Krankheiten, welche an dem den Soldaten zum dienstlichen Aufenthalt angewiesenen Orte herr­ schen, insbesondere d) die koutagiöse Augenkrankheit. 60. Für die Berechnung der Dienstzeit finden die in den §§ 18 bis 25, 50 und 54 enthaltenen Bestimmungen Anwendung. 61. Die Invaliden sind entweder: Halbinvalide, d. h. solche, welche zum Feldbeziehentlich Seedienste untauglich, aber zum Garnisondienste noch fähig sind, oder Ganzinvallde, welche zu keinerlei Militärdienst mehr tauglich sind. 62. Die Invalidität und der Grad derselben werden sowohl für sich als in ihrem ursächlichen Zusammenhänge mit einer erlittenen Dienstbe­ schädigung auf Grund militärärztlicher Bescheini­ gung durch die dazu verordneten Militärbehörden festgestellt. Die Thatsache einer erlittenen Dienstbeschädi­ gung muß durch dienstliche Erhebungen nachge­ wiesen sein. 63. Invaliden von kürzerer als achtjähriger Dienstzeit, bei denen eine Besserung ihres Zu­ standes zu erwarten steht, haben nicht sogleich den Anspruch auf lebenslängliche, sondern nur auf vorübergehende Versorgung, bis ihr Zustand ein endgültiges Urtheil möglich macht. 64. Als Jnvalidenversorgung gelten Pension

25. Ueber den Begriff des Beurlaubtenstandes s. 8 56 R. M.-G.

26. 8 10 G. v. 4. April 1874. Zu 88 58 u. 75 ®. v. 27. Juni 1871 u. 8 10 G. v. 4. April 1874 s. B. v 26. Jan. 1878, betr. die Anstellung der Militäranwärter in E.-L.

1875 (8. Febr. und Pensionszulagen, der Civilversorgungsschein, die Aufnahme in Jnvalideninstitute, die Verwen­ dung im Garnisondienste. Pension.

65.27 Die den versorgungsberechtigten Unter­ offizieren und Soldaten zu gewährenden Jnvalidenpensionen zerfallen für jede Rangstufe in 5 Klassen, sie betragen monatlich: a) für Feldwebel: in der 1. Klasse 14 Thlr., 2. Klasse 11 Thlr., 3. Klasse 9 Thlr., 4. Klasse 7 Thlr., 5. Klasse 5 Thlr.; b) für Sergeanten: in der 1. Klasse 12 Thlr., 2. Klasse 9 Thlr., 3. Klasse 7 Thlr., 4. Klasse 5 Thlr., 5. Klasse 4 Thlr.; c) für Unteroffiziere: in der 1. Klasse 11 Thlr., 2. Klasse 8 Thlr., 3. Klasse 6 Thlr., 4. Klasse 4 Thlr., 5. Klasse 3 Thlr.; d) für Gemeine: in der 1. Klasse 10 Thlr., 2. Klasse 7 Thlr., 3. Klasse 5 Thlr., 4. Klasse 3 Thlr., 5. Klasse 2 Thlr. • Die Bewilligung der chargenmäßigen Pension erfolgt nach den Vorschriften des § 6. 66. Die Jnvalidenpension erster Klasse wird gewährt: A. nach einer Dienstzeit von 36 Jahren ohne Nachweis der Invalidität, B. den Ganzinvaliden, welche 1) nach 25jähriger Dienstzeit, oder 2) durch Dienstbeschädigung gänzlich erwerbs­ unfähig geworden sind und ohne fremde Wartung und Pflege nicht bestehen können. 67. Die Jnvalidenpension zweiter Klasse wird gewährt: A. nach einer Dienstzeit von 30 Jahren ohne Nachweis der Invalidität, B. den Ganzinvaliden, welche 1) nach 20jähriger Dienstzeit, oder 2) durch Dienstbeschädigung gänzlich erwerbs­ unfähig geworden sind. 68. Die Jnvalidenpension dritter Klasse wird gewährt: A. nach einer Dienstzeit von 24 Jahren ohne Nachweis der Invalidität, B. den Ganzinvaliden, welche 1) nach Ibjähriger Dienstzeit, oder 2) durch Dienstbeschädigung größtentheils er­ werbsunfähig geworden sind. 69. Die Jnvalidenpension vierter Klasse wird gewährt: 27 Zu 8 65 s. Erl. des Preußischen Kriegs-Min. v. 31. Mai 1874, enthaltend ein Berzeichniß der zu den im 8 65 gedachten fünf Rangstufen gehörigen Personen des Soldatenstandes (Armee-Berordnungsblatt 1874 S. 130), und die Ergänzung v. 2. Jan. 1877 (Armee-Verordnungs­ blatt 1877 S. 3J.

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A. nach einer Dienstzeit von 18 Jahren ohne Nachweis der Invalidität, B. den Ganzinvaliden, welche 1) nach 12jähriger Dienstzeit, oder 2) durch Dienstbeschädigung theilweise erwerbs­ unfähig geworden sind. 70. Die Jnvalidenpension fünfter Klasse wird gewährt: A. den Ganzinvaliden, welche 1) nach achtjähriger Dienstzeit, oder 2) durch eine der im § 59 unter a. b. d. be­ zeichneten Dienstbeschädigungen zu jedem Mili­ tärdienste untauglich geworden sind; B. den Halbinvaliden, welche 1) nach zwölfjähriger Dienstzeit, oder 2) durch eine der im § 59 unter a. b. d. be­ zeichneten Dienstbeschädigungen zum Feld- bezw. Seedienste untauglich geworden sind. ^enstonszntage».

71. Unteroffiziere und Soldaten, welche nach­ weislich durch den Krieg ganzinvalide geworden sind, erhalten eine Pensionszulage von 2 Thalern monatlich neben der Pension. 28 72. Unteroffiziere und Soldaten, welche nach­ weislich durch Dienstbeschädigung, sei es im Kriege oder im Frieden, verstümmelt, erblindet oder in der nachstehend angegebenen Weise schwer und unheilbar beschädigt worden sind, erhalten neben der Pension und event, neben der Pensiouszulage eine Verstümmelungszulage. Dieselbe beträgt je 6 Thaler monatlich: a) bei dem Verluste einer Hand, eines Fußes, eines Auges bei nicht völliger Gebrauchssähigkeit des anderen Auges. Die Erblindung des Auges wird dem Verluste desselben gleich geachtet; b) beim Verluste der Sprache; c) bei Störung der aktiven Bewegungsfähigkeit einer Hand oder eines Armes, sowie eines Fußes in dem Grade, daß sie dem Verluste des Gliedes gleich zu achten ist. Die Bewilligung dieser Zulage ist ferner zu­ lässig : d) bei solchen schweren Schäden an sonstigen wichtigen äußeren oder inneren Körpertheilen, welche in ihren Folgen für die Erwerbsfähigkeit einer Verstümmelung gleich zu achten sind. Die unter a bis d aufgesührtcn Zulagen dürfen den Betrag von 12 Thalern monatlich nur in dem Falle übersteigen, wenn die Invalidität durch Verwundung oder äußere Dienstbeschädigung (§ 59 a und b) herbeigeführt ist. Die für Erblindung eines oder beider Augen ausgesetzten Zulagen von 6 Thalern beziehentlich 12 Thalern monatlich, werden jedoch von der vorstehenden Einschränkung nicht betroffen. 73. Invalide, welche einfach verstümmelt sind, 28. S. oben Zusatz zu 8 17.

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werden als gänzlich erwerbsunfähig, diejenigen, welche mehrfach verstümmelt sind, als solche an­ gesehen, die ohne fremde Wartung und Pflege nicht bestehen können. 74. Den Unteroffizieren vom Feldwebel ab­ wärts wird vom zurückgelegten 18. Dienstjahre ab für jedes weitere Dienstjahr bei eintretender nachzuweisender Ganzinvalidität eine Pensions­ zulage von Vs Thaler monatlich gewährt (Dienst­ zulage). Der hiernach erworbene Pensionssatz darf jedoch — unbeschadet der in den §§ 71 und 72 bezeichneten Zulagen — das gesammte Diensteinkommen der Stelle, welche der Invalide im Etat bekleidet hat, nicht übersteigen.

ßivttverforgnngsfchein. 75. Die als versorgungsberechtigt anerkannten Invaliden erhalten, wenn sie sich gut geführt haben, einen Civilversorgungsschein. Die Ganz­ invaliden erhalten diesen Schein neben der Pen­ sion, den Halbinvaliden wird derselbe nach ihrer Wahl an Stelle der Pension verliehen, jedoch nur dann, wenn sie mindestens zwölf Jahre gedient haben. Zusatz. Ganzinvaliden, deren Invalidität durch eine in dem Kriege von 1870/71 erlittene Dienstbe­ schädigung herbeigeführt worden ist, und welche Anspruch auf den Civilversorgungsschein haben, wird nach ihrer Wahl an Stelle des Civilversorgungsscheins eine Pensionszulage von 2 Tha­ lern monatlich gewährt (Anstellungsentschädigung). Das Recht zur Wahl erlischt für die bereits anerkannten Berechtigten innerhalb sechs Mona­ ten nach Eintritt der verbindlichen Kraft dieses Gesetzes, für die etwa noch später anzuerkennenden Berechtigten innerhalb sechs Monaten nach der erfolgten Anerkennung der Invalidität, bezie­ hungsweise durch Annahme des Civilversorgungsscheins vor Ablauf dieser Frist. 29 76. Invalide, welche an der Epilepsie leiden, dürfen den Civilversorgungsschein nicht erhalten. Ist die Epilepsie durch Dienstbeschädigung ent­ standen, so wird den damit Behafteten, unter der Voraussetzung ihrer Berechtigung zum Civilver­ sorgungsschein, nicht die dem Grade ihrer Inva­ lidität entsprechende Jnvalidenpension, sondern, sofern sie nicht schon die Pension der ersten Klasse beziehen, die der nächst höheren Klasse gewährt. Dieselbe Vergünstigung darf unter gleichen Voraussetzungen auch anderen Invaliden beim Ausscheiden aus dem aktiven Dienste zu Theil werden, wenn sie ihrer Gebrechen wegen zu kei­ nerlei Verwendung im Civildienste tauglich sind. Zusatz I. An Stelle der nach § 76 des Gesetzes vom 27. Juni 1871 zu bewilligenden Pensionserhö­ hung für Nichtbenutzung des Civilversorgungsscheins tritt eine Pensionszulage von 3 Thalern

monatlich, welche den Invaliden aller Pensions­ klassen gewährt werden kann. Ganzinvaliden von mindestens achtjähriger aktiver Dienstzeit bedürfen zum Erwerbe dieser Pensionszulage des Nachweises erlittener Dienst­ beschädigung nicht. Die Anstellungsentschädigung und die vorer­ wähnte Pensionszulage können nicht nebeneinander bezogen werden. In dem Fall des § 74 ist jede dieser Pensionszulagen für sich neben einer dem gesammten Diensteinkommen gleichkommenden Pension zahlbar. so Zusatz II. Die Vorschriften in den §§ 6,9,11,12 und 13 81 finden auch auf diejenigen ehemaligen Mi­ litärpersonen Anwendung, über deren Versor­ gungsansprüche unter Zugrundelegung der Be­ stimmungen des Gesetzes vom 27. Juni 1871 bereits entschieden ist, beziehungsweise zu ent­ scheiden war. Aus den angeführten Paragraphen können Ansprüche auf Nachzahlungen für eine vor Ein­ tritt der verbindlichen Kraft dieses Gesetzes lie­ gende Zeit nicht abgeleitet werden. Die Zahlung der nach den §§ 11 und 12 ein­ tretenden Bewilligungen für die bereits aner­ kannten, im Besitze des Civilversorgungsscheins, beziehungsweise im Genuß der Pensionserhöhung für Nichtbenutzung des Civilversorgungsscheins befindlichen Invaliden hebt mit demjenigen Monat an, in welchem gegenwärtiges Gesetz Geltung erlangt. 82 77. Die Subaltern- und Unterbeamtenstellen bei den Reichs- und Staatsbehörden, jedoch aus­ schließlich des Forstdienstes, werden nach Maßgabe der darüber von dem Bundesrathe festzustellenden allgemeinen Grundsätze vorzugsweise mit Inva­ liden besetzt, welche den Civilversorgungsschein besitzen. In dem bestehenden Konkurrenzverhältnisse zwischen den Invaliden und den übrigen Mili­ täranwärtern tritt durch die obige Vorschrift ebensowenig eine Aenderung ein, wie in den, in den einzelnen Bundesstaaten bezüglich der Ver­ sorgung der Militäranwärter im Civildienste er­ lassenen weitergehenden Bestimmungen.

AnvattdentnstttnLe. 78. An Stelle der Pensionirung können Ganz­ invalide mit ihrer Zustimmung auch durch Ein­ stellung in ein Jnvalideninstitut (Jnvalidenhäuser, Jnvalidenkompagnien, so lange letztere noch beste­ hen) versorgt werden. Die Aufnahme kann nur innerhalb der für dergleichen Institute festgestellten Etats erfolgen. Die Jnvalidenhäuser sollen vorzugsweise als

30. 8 12 G. v. 4. April 1874.

31. Des G. v. 4. April 1874, abgedruckt als Zusätze zu

29. 8 11 G. v. 4. April 1874; s. auch oben Zusatz Abs. 1 zu 8 58 u. Zusatz II zu 8 76.

88 10, 55, 75, 76, 82 G. v. 27. Juni 1871. 32. 8 20 ebenda.

1875 (8. Febr. Pflegeanstalten für solche Invalide dienen, die besonderer Pflege und Wartung bedürftig sind. Das fernere Verbleiben in einem Invaliden­ institute kann von keinem Invaliden beansprucht werden, wenn seine Verhältnisse ihn dazu nicht mehr geeignet erscheinen lassen. Verwendung im Harnifondienste.

79. Halbinvalide Unteroffiziere können im ak­ tiven Militärdienste belassen werden, wenn sie sich zur Verwendung in solchen militärischen Stellen eignen, deren Dienst das Vorhandensein der Feld- beziehungsweise Seedienstfähigkeit nicht erfordert, und wenn sie dies statt der Gewährung der Pension wünschen. 80. Soldaten, welche sich in der zweiten Klasse des Soldatenstandes befinden, haben nur in dem Falle Anspruch aus Jnvalidenversorgung, wenn sie vor dem Feinde verwundet und in Folge dessen invalide sind. Den übrigen Soldaten der zweiten Klasse kann, wenn bei ihnen eine der Voraussetzungen vor­ handen ist, welche den Anspruch auf die Pension der dritten bis ersten Klasse begründen, eine Unterstützung nach Maßgabe des Bedürfnisses bis zum Betrage der Pension der dritten Klasse gewährt werden. Knmetdung des Verforgungsanfpruchs.

81. Wer nach den vorstehenden Bestimmungen einen Anspruch auf Jnvalidenversorgung zu haben glaubt, muß denselben vor der Entlassung aus dem aktiven Dienste anmelden. Dies gilt auch für Unteroffiziere und Soldaten des Beurlaubtenstandes, wenn sie zum aktiven Militärdienste einberufen sind. Verforgungsanfprüche nach der tznttastung ans dem aktiven Dienste.

82. Unteroffiziere und Soldaten- welche aus dem aktiven Militärdienste entlassen sind, ohne als versorgungsberechtigt anerkannt zu sein, und welche späterhin ganzinvalide und theilweise er­ werbsunfähig werden, können einen Versorgungs­ anspruch geltend machen: A. ohne Rücksicht auf die nach der Entlassung verflossene Zeit, wenn die Invalidität als veran­ laßt nachgewiesen wird: 1) durch eine im Kriege erlittene Verwundung oder äußere Dienstbeschädigung (§ 59 zu a und b), oder 2) durch eine während des aktiven Militär­ dienstes a) im Kriege oder b) im Frieden über­ standene kontagiöse Augenkrankheit; B. innerhalb dreier Jahre nach dem Friedens­ schlüsse beziehentlich nach der Rückkehr in den ersten heimathlichen Hafen, wenn die Invalidität als veranlaßt nachge­ wiesen wird durch eine im Kriege erlittene innere Dienstbeschädigung oder durch eine auf Seereisen erlittene innere oder äußere Dienstbechädigung, und

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C. innerhalb sechs Monaten nach der Entlassung aus dem aktiven Militärdienste, wenn die Invalidität nachweislich durch eine während des aktiven Militärdienstes im Frieden erlittene Dienstbeschädigung verursacht ist. Zusatz. Für die Versorgungsansprüche der nach­ weislich durch den Krieg invalide gewordenen, aus dem aktiven Militärdienst ausgeschiedenen Unterof­ fiziere und Mannschaften gelten innerhalb der dem betreffenden Friedensschlüsse folgenden 3 Jahre die Bestimmungen der §§ 65 bis 80 des Gesetzes vom 27. Juni 1871 mit den Durch gegenwärtiges Gesetz festgestellten Abänderungen (§§ 81-85). Für die Versorgungsansprüche der nachweislich durch den Krieg 1870/71 invalide gewordenen, aus dem aktiven Militärdienst ausgeschiedenen Unteroffiziere und Mannschaften wird dieser Termin auf 4 Jahre verlängert. Sämmtliche Temporär-Invaliden bleiben ver­ sorgungsberechtigt bis zur Rückkehr der Feld­

dienstfähigkeit. 33 83. Jede Dienstbeschädigung, welche in den Fällen des § 82 als Veranlassung der Invali­ dität und Erwerbsunfähigkeit angegeben wird, muß durch dienstliche Erhebungen vor der Ent­ lassung aus dem aktiven Dienste festgestellt sein. Eine Ausnahme hiervon findet nur hinsichtlich der Theilnehmer an einem Kriege statt, welche innerhalb der auf den Friedensschluß folgenden drei Jahre nachweislich durch die im Kriege erlittenen Strapazen und Witterungseinflüsse ganzinvalide und theilweise erwerbsunfähig ge­ worden sind (§§ 59 zu c und 82 zu B). Diese Ausnahme gilt auch bei den Theilnehmern an einer Seereise, welche innerhalb dreier Jahre nach der Rückkehr des Schiffes in den ersten heimath­ lichen Hafen nachweislich durch die klimatischen Einflüsse der Seereise ganzinvalide und theilweise

erwerbsunfähig geworden sind.

84. In den Fällen des § 82 zu A 1 und 2

unter a findet während der auf den Friedens­ schluß folgenden drei Jahre volle Berücksichtigung nach den vorstehenden Pensions- und Pensions­ zulage-Bestimmungen statt. Später kommen zwar die Bestimmungen über Pensionsund Berstümmelungszulagen ohne Einschränkung zur Anwendung, dagegen kann alsdann bei theilweiser Erwerbsunfähigkeit nur die Jnvalidenpension der fünften Klasse, bei größtentheils vorhandener Erwerbsunfähigkeit die der vierten Klasse, bei gänzlicher Erwerbsunfähig­ keit die der dritten Klasse und bei gleichzeitigem Bedürfniß fremder Wartung und Pflege die der

zweiten Klasse gewährt werden. Dieselbe Beschränkung der Pensionsgewährung findet in den Fällen des 8 82 zu A 2 unter b

33. § 13 G. v. 4. April 1874; s. Zusatz II zu § 76 G. v. 27. Juni 1871.

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600 statt.

Die Berstümmelungszulage ist jedoch auch

hier zu gewähren. Auf die Fälle des tz 82 zu B finden die im ersten Alinea des gegenwärtigen Paragraphen

enthaltenen Bestimmungen Anwendung. 85. Auf die als dauernd versorgungsberechtigt anerkannten Invaliden finden bei späterer Stei­ gerung ihrer Invalidität die Bestimmungen des § 84 mit der Maßgabe Anwendung, daß auch in den Fällen des Z 82 zu B und zu C keine Zeit­ beschränkung, sondern nur die entsprechende Be­ schränkung der Pensionsgewährung eintritt. 86. Für Temporärinvalide (§ 63) sind die in den §§ 65 bis 73 enthaltenen Pensions- und Pensionszulage-Bestimmungen so lange ohne Ein­ schränkung maßgebend, bis ihrem Zustande nach definitiv über sie entschieden wird. 87. Der Civilversorgungsschein kann unter Be­ rücksichtigung der Bestimmungen des § 75 und des § 76 Alinea 1 und 2 auch den nach der Entlassung zur Versorgungsberechtigung aner­

kannten Invaliden gewährt werden. 88. Die Prüfung und Anerkennung der nach der Entlassung aus dem aktiven Dienste erhobenen Versorgungsansprüche findet alljährlich nur ein­ mal statt.

B. Untere Militärbeamte.34 89. Den Regiments-, Bataillons- und Zeug­ haus-Büchsenmachern wird bei eintretender Un­ fähigkeit zur Fortsetzung ihres Dienstes nach zehn­ jähriger Dienstzeit eine monatliche Pension von von 3*/a Thalern, nach zwanzigjähriger Dienst­ zeit eine solche von 7 Thalern bewilligt. Neben dieser Pension werden bei Ganzinvali­ dität, die nachweislich durch den Krieg, und bei Verstümmelungen, die durch Dienstbeschädigung verursacht sind, die Zulagen der §§ 71 und 72 gewährt. Auf den Civilversorgungsschein haben Büchsen­ macher keinen Anspruch; derselbe darf ihnen jedoch auf ihr Ansuchen für bestimmte Stellen er­ theilt werden, wenn dadurch versorgungsberech­ tigte Unteroffiziere und Soldaten nicht benachtheiligt sind. 90. Alle übrigen unteren Militärbeamten wer­ den bei eintretender Untauglichkeit zur Fort­ setzung des Dienstes nach den für die Reichs­ beamten zu erlassenden gesetzlichen Bestimmungen 35 behandelt. Jedoch finden auch auf sie die Be­ stimmungen der §§ 71 und 72 Anwendung, wenn sie nachweislich durch den Krieg ganzinvalide geworden oder durch Dienstbeschädigung verstüm­ melt sind. 91. Die zum Zeug- und Festungspersonal ge­ hörigen Personen des Soldatenstandes und die Registratoren bei den Generalkommandos werden 34. Ueber den Begriff s. Bem. 4 zu 8 5 M.-St.-G -B. 35. S. 88 34 ff.

R.-B.-G.

nach vollendeter fünfzehnjähriger Dienstzeit bei eintretender Invalidität, sofern es für sie günsti­ ger ist, nach den Bestimmungen des § 90 pensionirt unter Belassung des Anspruchs auf den Civilversorgungsschein. 92. Nach der Entlassung aus dem Militär­ dienste können die gemäß der §§ 89 bis 91 zu behandelnden Militärpersonen nur in Betreff der Zulagen der §§ 71 und 72 einen Anspruch er­ heben, und sind dabei die Bestrmnlungen des § 82 maßgebend. 93. Die ihr Einkommen aus dem Marine-Etat empfangenden Zimmerleute, Lootsen-Aspiranten, Matrosen und Jungen des Lootsen- und Beton­ nungspersonals der Kaiserlichen Marine erhalten, insoweit ihre Invalidität und Unfähigkeit zur Fortsetzung des Dienstes durch den Krieg einge­ treten ist, je nach dem Grade ihrer Erwerbs­ unfähigkeit die in den §§ 66 bis 71 für Gemeine aufgeführten Pensionssätze. Auch finden auf • sie, ebenso wie auf die ihr Gehalt aus dem Marine-Etat beziehenden Loot­ sen der Kaiserlichen Marine und auf die sonstigen im Dienste der Kaiserlichen Marine beschäftigten Lootsen im' Falle der Verwundung oder Ver­ stümmelung im Kriege oder im Frieden die Be­ stimmungen der §§ 72 und 73 Anwendung.

C. Bewilligungen für Hinterbliebene.36 94. Den Wittwen derjenigen Militarper'onen der Unterklassen der Feldarmee und im § 93 er­ wähnten Personen, welche a) im Kriege geblieben oder an den erlittenen Verwundungen während des Krieges oder später verstorben sind, b) im Laufe des Krieges erkrankt oder beschä­ digt und in Folge dessen vor Ablauf eines Jahres nach dem Friedensschlüsse verstorben sind, c) durch Schiffbruch verunglückt oder in Folge einer militärischen Aktion oder der klimatischen Einflüsse auf Seereisen (§ 59 littr. c) oder inner­ halb Jahresfrist nach der Rückkehr in den ersten heimathlichen Hafen verstorben sind, werden besondere Bewilligungen, so lange sie im Wittwenstande bleiben, und im Falle der Wiederverheirathung noch für ein Jahr, gewährt. Die im § 45 über die Zugehörigkeit zur Feld­ armee getroffenen Bestimmungen finden ihrer ganzen Ausdehnung nach auch hier entsprechende

Anwendung. 95. Die Bewilligung beträgt für

36.

Zu C (88 94-98) vgl. Ausführungsbestimmungen der

Preußischen Regierung v. 18. Okt. 1871 zu dem MilitärPenswnsgesetz v. 27 Juni 1871. das Verfahren bei Bewrlligui gen an die Hinterbliebenen der im Kriege gefallenen u. s. w. Militärpersonen der Unterklassen betreffend, vom Kriegsministerium bekannt gemacht unterm 26. Okt 1871 sArmee-Berordnnngsblatt 1871 S. 292).

1875 (8. Febr. |27. Juni 1871]) a) die Wittwen, der Feldwebel und Unterärzte monatlich 9 Thaler, b) die Wittwen der Sergeanten und Unter­ offiziere montlich 7 Thaler, c) die Wittwen der Gemeinen monatlich 5 Thaler. Bei den Wittwen der unteren Militärbeamten ohne' bestimmten Militärrang, sowie der int § 93 erwähnten Personen ist für die Höhe der Bewil­ ligung das den verstorbenen Männern zuletzt ge­ währte Diensteinkommen dergestalt maßgebend, daß 1) die Wittwen der Beamten mit einem Ein­ kommen von 215 Thalern und darüber jährlich auf die Bewilligung von 9 Thalern monatlich, 2) die Wittwen der Beamten mit einem Ein­ kommen von 140 bis zu 215 Thälern jährlich auf die Bewilligung von 7 Thalern monatlich, 3) die Wittwen der Beamten mit einem Ein­ kommen bis zu 140 Thalern jährlich auf 'die Be­ willigung von. 5 Thalern Monatlich Anspruch haben. Waren jedoch die Beamten vorher Soldaten und bedingte der von ihnen zuletzt bekleidete Militärrang eine höhere Bewilligung, als das ihnen zuletzt gewährte Dien teinkommen, so wird den Wittwen die höhere Bewilligung gewährt. 96. Für jedes Kind der im § 94 bezeichneten Personen wird bi-s zum vollendeten fünfzehnten Lebensjahre eine Erziehungsbeihülfe .von 3 4U Thalern, und wenn das Kind auch mutterlos ist oder wird, von 5 Thalern monatlich gewährt. Eine Beihülfe von je 3 4U Thalern monatlich erhält der Hinterbliebene Vater oder Großvater und die Hinterbliebene Mutter oder Großmutter, sofern der Verstorbene der einzige Ernährer der­ selben war und so lange die Hülssbedürftigkeit derselben dauert. 97. Die §§ 95 und 96 finden auf die Ange­ hörigen der nach einem Feldzuge Vermißten gleichmäßige Anwendung, wenn nach dem Er­ messen der obersten Militär-Verwaltungsbehörde des Kontingents das Ableben mit hoher Wahr­ scheinlichkeit anzuuehmen ist. 98. Die Bestimmungen der §§ 39 und 40 finden auch auf die Hinterbliebenen der im § 94 bezeichneten Personen Anwendung.

Zusatz I. Die Bestimmungen der §§ 39 und 40 des Gesetzes vom 27. Juni 1871 finden auf die Hinterbliebenen aller bei ihrem Tode im Ge­ nusse von Pension befindlich gewesenen Militär­ personen der Unterklassen Anwendung (§ 98 G. v. 27. Juni 1871).37 Zusatz II. Die Vorschrift in § 14 (s. Zu­ satz I) findet auf die Hinterbliebenen der Militär­ personen der Unterklassen auch für die Vergangen­ heit mit gleicher Wirkung Anwendung, als wenn

37. 8 14 G. v. 4. April 1874

601

sie bereits durch das Gesetz vom 27. Juni 1871 getroffen worden toäre.37 38

D. Gemeinsame Bestimmungen. Aa-löariieit, Kürzung, Einziehung und Wiedergewährung der Pensionen rc.

99. Die Zahlung der Pensionen und Pensions­ zulagen, sowie die Bewilligungen für Wittwen, Waisen, Eltern und Großeltern erfolgt monatlich im voraus; eine Berechnung von Tagesbeträgen findet nicht statt. Die Zahlung der Pensionen und Pensions­ zulagen hebt mit dem Ersten desjenigen Monats an, welcher auf bte regelmäßige Anerkennung des Anspruchs durch die kompetente Behörde folgt. Bei der ersten Zahlung werden die im Rück­ stände gebliebenen Beträge seit dem Ersten des auf die Anmeldung des Anspruchs folgenden Monats nachgezahtt. ' Die Zahlung der Bewilligungen für Wittwen, Waisen, Eltern und Großeltern beginnt mit dem Ersten desjenigen Monats, welcher auf den den Anspruch begründenden Todestag folgt. 100. Das Recht auf den Bezug der Pension erlischt: 1, durch den Tod; 2) im Falle temporärer Anerkennung mit Ab­ lauf der Zeit, für welche die Bewilligung erfolgt war; 3) sobald das Gegentheil der Voraussetzungen erwiesen ist, unter denen die Bewilligung der Kompetenz stattgefunden hat. ”101.39 40Das Recht auf den Bezug der Jnvalidenpension einschließlich sämmtlicher Zulagen ruht: a) wenn ein Pensionär das deutsche Jndigenat verliert, bis zu etwaiger Wiedererlangung des­ selben ; b) mit der Wiederanstellung im aktiven Mili­ tärdienste während ihrer Dauer. 102. Das Rechr auf den Bezug der Invaliden­ pension ausschließlich der Pensions- und Ver­ stümmelungszulagen ruht: a) während des Aufenthalts in einem Invaliden­ institute ; b) während des Aufenthalts in einer militä­ rischen Kranken-, Heil- oder Pflegeanstalt; die Pension kann jedoch in dergleichen Fällen denje­ nigen Invaliden, welche die Ernährer von Familien sind, nach Bedürfniß ganz oder zum Theil zur Bestreitung des Unterhalts ihrer Familie gewährt werden; c) bei allen Anstellungen und Beschäftigungen

38. § 21 G. v. 4. April 1874. 39. Zu 88 101 lns 108 G. V. 27. Juni 1871 u. §§ 15, 16 u. 22 G. v. 4. April 1874 sind vom Bundesrath laut Bkm des R.-K. v. 22. Febr. 1875 Ausführungsbestimmungen erlassen worden.

40. S. oben Bem 10 zu § 33.

602

1875 (8. Febr.

im Civildienste41 mit Ablauf des sechsten Monats, welcher auf denjenigen Monat folgt, in dem die Anstellung oder Beschäftigung begonnen hat. 103. Erreicht das Diensteinkommen eines im Civildienste angestellten oder beschäftigten Pensio­ närs nach Abzug des etwa miteinbegriffenen Be­ trages zu Ausgaben für Dienstbedürfnisse nicht den doppelten Betrag der Jnvalidenpension, aus­ schließlich der Pensions- und Verstümmelungszu­ lagen, oder a) bei einem Feldwebel nicht 200 Thaler, b) bei einem Sergeanten oder Unteroffizier nicht 150 Thaler, c) bei einem Gemeinen nicht 100 Thaler, so wird dem Pensionär, je nachdem es günstiger für ihn ist, die Pension bis zur Erfüllung des Doppelbetrages oder bis zur Erfüllung jener Sätze

belassen. Zusatz I. Die im § 103 des Gesetzes vom 27. Juni 1871 bezeichneten Diensteinkommenssätze, bis zu deren Erfüllung den im Civildienst angestellten oder beschäftigten Pensionären die Pension belassen werden kann, werden a) für den Feldwebel auf 350 Thaler, b) für den Sergeanten oder Unteroffizier auf

250 Thaler, c) für den Gemeinen auf 130 Thaler, erhöht. Für Militärpersonen des Unteroffizierstandes, welche sich mindestens 12 Jahre im aktiven Mili­ tärdienst befunden haben, werden die Sätze zu a und b auf 400 Thaler festgesetzt.42 Zusatz II. Die Vorschrift im § 15 Absatz 2 (s. Zusatz I) finden nur auf diejenigen Militär­ personen des Unteroffizierstandes Anwendung, welche nach dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesetzes aus dem aktiven Militärdienste aus­ scheiden. 43 104. Bei wechselnden Anstellungen oder Be­ schäftigungen eines Pensionärs im Civildienste darf im Laufe eines Kalenderjahres die nach § 120 Litt c zulässige Gewährung von Pension und Dienstzulage neben dem Civileinkommen den Gesammtbetrag für sechs Monate nicht übersteigen. 105. Wer über das in dem § 102 Litt, c ange­ gebene Zeitmaß hinaus die Pension oder einen ihm nicht zustehenden Theilbetrag derselben fort­ erhebt, muß sich bis zur völligen Deckung der stattgefundenen Ueberhebung Abzüge von seinem Diensteinkommen oder seinen nächstfolgenden Pen­ sionsraten gefallen lassen. 106. Unter Civildienst im Sinne der vorstehen­ den Paragraphen ist jeder Dienst bezw. jede Be­ schäftigung eines Beamten zu verstehen, für welchen ein Entgelt (die Naturalien nach ihrem Geldwerth gerechnet) aus einer öffentlichen Reichs-, Staats41. Ueber den Begriff s. unten § 106. 42. § 15 G. v. 4. April 1874. 43. § 22 ebenda.

[27. Juni 1871])

oder Gemeindekasse direkt oder indirekt gewährt wird, ferner der Dienst bei ständischen oder solchen Instituten, welche ganz oder zum Theil aus Mit­ teln des Staats oder der Gemeinden unterhalten werden. Dienstverrichtungen, in welchen dem Pensionär die Eigenschaft eines Beamten nicht beigelegt ist, gegen stückweise Bezahlung, gegen Boten-, Tage­ oder Wochenlohn oder bloßen Kopialienverdienst gehören nicht hierher. 107. Den im Civildienste angestellten Militär­ pensionären wird bei ihrem Ausscheiden aus diesem Dienste, wenn sie in demselben entweder gar keine oder eine geringere oder eine dem Betrage der Jnvalidenpension nur gleiche Civilpension erdient haben, an Stelle derselben die gesetzliche Jnvali­ denpension aus Militärfonds wieder angewiesen. Haben dieselben jedoch in den von ihnen beklei­ deten Civilstellen den Anspruch auf eine höhere Pension erworben, so wird der Betrag der Jnvalidenpension hierauf in Anrechnung gebracht und nur der Mehrbetrag aus dem betreffenden Civilpensionsfonds bestritten. Die Pensions- und Berstümmelungszulagen bleiben bei dieser Berechnung außer Betracht und werden unter allen Umständen aus Militärfonds bestritten. Zusatz. Die Vorschriften im § 107 Absatz 1 und 2 des Gesetzes vom 27. Juni 1871 finden nur auf die Fälle Anwendung, in welchen bei Feststellung der Civilpension die früher zurückge­ legte Militärdienstzeit als pensionsfähige Dienst­ zeit mit in Anrechnung gebracht wird. In allen anderen Fällen greifen die Vorschriften

des § 108 a. a. O. Platz. 44 108.45 Den im Kommunal- und Instituten­ dienste re. angestellten Militärpensionären, denen bei jhrer Pensionirung aus diesem Dienste die früher zurückgelegte Militärdienstzeit als pensions­ fähige Dienstzeit nicht angerechnet wird, ist bis zur Erreichung desjenigen Pensionssatzes, den sie für die Gesammtdienstzeit zu beanspruchen haben würden, die früher erdiente Jnvalidenpension zu gewähren.

SchtitK0estimrmmgen. 109. Mit Ausschluß der auf Belässung, Ein­ ziehung und Wiedergewährung der Militärpension im Falle der Anstellung im Civildienste bezüg­ lichen Angelegenheiten ist die Prüfung und Ent­ scheidung aller auf Grund der im zweiten Theile dieses Gesetzes geltend zu machenden Ansprüche Sache der Militärbehörden. 110. Denjenigen Unteroffizieren und Soldaten, welchen nach diesem Gesetze ein Anspruch auf Jnvalidenversorgung nicht zusteht, können im Falle ihrer Entlassung wegen Dienstuntauglichkeit bei dringen-

44. § 16 G. v. 4. April 1874. 45. Zu 83 101-108 s. oben Bem. 39.

1875 (8. Febr. [27. Juni 1871] [12. Mai 1873];)

dem Bedürfnisse vorübergehend, den Verhältnissen entsprechend, Unterstützungen bis zum Betrage der Jnvalidenpension dritter Klasse gewährt werden. 111. Die den Unteroffizieren und Soldaten nach Maßgabe des gegenwärtigen Gesetzes zu bewilli­ genden Pensionen dürfen nicht hinter demjenigen Betrage zurückbleiben, welcher denselben bei etwaiger Pensionirung vor Erlaß dieses Gesetzes bereits zugestanden haben würde. Dasselbe gilt für die Bewilligungen an Wittwen und Waisen. 112. Den im zweiten Theile dieses Gesetzes ent­ haltenen Vorschriften wird rückwirkende Kraft bei­ gelegt für die Theilnehmer an dem letzten Kriege

mit Frankreich. Für die übrigen bereits ausgeschiedenen Militärpersonen und deren Hinterbliebene bleiben die­ jenigen Versorgungsgesetze, welche bisher auf sie anwendbar waren, maßgebend, jedoch finden diese Bestimmungen der §§ 99—108 unbeschadet der etwa bereits erworbenen höheren Ansprüche auch auf sie Anwendung. Zusatz I. Auf die im H 112 Absatz 2 des Ge­ setzes vom 27. Juni 1871 bezeichneten Militär­ personen und deren Hinterbliebenen finden die Bestimmungen der §§ 99 bis 108 ebendaselbst nur insoweit Anwendung, als diejenigen Vorschrif­ ten, welche vor der Wirksamkeit des erwähnten Gesetzes auf sie anwendbar waren, ihnen nicht günstiger sind. 4« Zusatz II. Der Vorschrift im § 17 (f. Zusatz I) wird für die dort bezeichneten Personen rückwir­ kende Kraft beigelegt.46 47 Dritter Theil. Allgemeine Bestimmungen. Verfolgung von Hlechtsanfprüchen.

113. Ueber die Rechtsansprüche auf Pensionen, Beihülfen und Bewilligungen, welche dieses Gesetz (Theil I und II) gewährt, findet mit folgenden Maßgaben der Rechtsweg statt. 114. Bor Anstellung der Klage muß der Jnstanzenzug bei den Militär-Verwaltungsbehörden erschöpft sein. Die Klage muß sodann bei Verlust des Klagerechts innerhalb sechs Monaten, nachdem dem Kläger die endgültige Entscheidung der Mi­ litär-Verwaltungsbehörde bekannt gemacht worden, angebracht werden. 115. Die Entscheidungen der Militärbehörden darüber: a) ob und in welchem Grade eine Dienstunfä­ higkeit ein getreten ist, ob b) im einzelnen Falle das Kriegs- oder Frie­ densverhältniß als vorhanden anzunehmen ist, ob c) eine Beschädigung als eine Dienstbeschädigung anzusehen ist, ob

46. § 17 G. v. 4. April 1874. 47. § 23 ebenda.

603

d) einer der im § 45 Alinea 1 und 2 gedachten Fälle vorhanden ist, und ob e) sich der Invalide gut geführt hat (§ 75), sind für die Beurtheilung der vor dem Gericht geltend gemachten Ansprüche (§ 113) maßgebend. 116. In Ermangelung einer andern landes­ gesetzlichen Bestimmung wird der Militärfiskus durch die oberste Militär-Verwaltungsbehörde des Kontingents, der Marinefiskus durch das Marine­ ministerium vertreten und ist die Klage bei dem­ jenigen Gerichte anzubringen, in dessen Bezirk die betreffende Behörde ihren Sitz hat. Aufhebung früherer Bestimmungen.

117. Alle bisherigen Bestimmungen, welche nicht im Einklänge mit dem gegenwärtigen Gesetze stehen, sind aufgehoben. 4» Gesetz,

betreffend das Aufgebot und die Amortisation verlorener oder­ vernichteter Schuldurkunden des Norddeutschen Bundes linb des Deutschen Reich §.48 Dom 12. Mai 1873.

§ 1. Das int § 6 des Gesetzes, betreffend den außerordentlichen Geldbedarf des Norddeutschen Bundes, vom 9. November 1867 vorgeschriebene Verfahren findet mit den in den nachfolgenden Paragraphen bestimmten Maßgaben auf solche verlorene oder vernichtete Schuldverschreibungen und Schatzanweisungen des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reichs Anwendung, welche entweder niemals mir Zinsscheinen versehen waren oder zu einem bereits abgelegten Theile der Bundes- oder Reichsschuld gehören. 2. Das gerichtliche Aufgebot wird ohne vor­ gängige Bekanntmachung der Reichsschuldenver­ waltung auf Grund eines Zeugnisses der letzteren darüber, daß die durch die verloren gegangene Urkunde verbriefte Schuld in ihren Büchern oder Etats noch offen stehe, erlassen. 48. Das G wird durch die C.-P.-O. nicht berührt (§ 13 Abs. 1 E.-G. z. C.-P.-O.). Soweit es sich um die Voraus­ setzungen des Verfahrens (§ 1) und die Ausstellung neuer Urtunden (§ 6) handelt, würde die C.-P.-O. ohnehin nicht in Frage kommen, da dieselbe in ersterer Richtung nur bezüglich der Wechsel und der in Artt. 301 u. 302 H.-G.-B. anfgeführten Urkunden (§§ 837 ff.) Bestimmungen enthalt, im übrigen aber nur mit dem Verfahren sich beschäftigt, das übrigens auch durch die Landesgesetzgebung von der C.-P.-O. in abweichender Weise unter gewiffen Voraussetzungen geregelt werden kann (§ 11 E.-G. z. C. P.-O.). Das Ver­ fahren der C.-P.-O. tritt nur ein, soweit das G. v. 12. Mai 1873 keine abweichenden Bestimmungen enthält. Letzteres ist namentlich der Fall in § 2 int Verhältnisse zu § 824, in § 3, welcher von § 847 abweicht — vgl. § 849 Abs. 2 — und in § 4, welcher § 829 Abs. 2 ausschließt. — Das G. v. 12. Mai 1873 findet auch auf die Antheilsscheine der Anwendung (8 8 Statut v. 21. Mai 1875).

Reichsbank

604

1875

(8. Febr. [12. Mai 1873] [17. Mai 1873])

3. Der Aufgebotstermin wird mit zwölfmonat­ licher Frist anberaumt. 4. Ist das Aufgebot ohne Erfolg geblieben und wird demnächst von der Reichsschuldenverwattung unter Wiederholung des im § 2 erwähnten Zeug­ nisses bescheinigt, daß die aufgebotene Urkunde auch bis dahin nicht zum Vorschein gekommen sei, so wird das Amortisations-Erkenntniß abgefaßt. 5. Die nach § 6 des Gesetzes vom 9. November 1867 und nach dem gegenwärtigen Gesetze erfor­ derlichen Bekanntmachungen erfolgen durch den „Deutschen Reichs-Anzeiger" und durch je eine der in Frankfurt a. M., Augsburg, Leipzig und Hamburg erscheinenden Zeitungen, deren Bestim­ mung der Reichsschuldenverwaltung überlassen ist. 49 6. An Stelle der amortisirten Schuldverschrei­ bung oder Schatzanweisung wird eine neue nicht ausgefertigt, wenn die Verbriefung des bezüglichen Theils der Bundes- oder Reichsschuld bereits ge­ schlossen ist. In diesem Falle hat die Reichsschulden­ verwattung einer von ihr zu beglaubigenden Abschrift der mit dem Atteste der Rechtskraft ver­ sehenen Ausfertigung des Amortisations-Erkennt­ nisses, welche letztere bei ihren Akten aufzube­ wahren ist, ein Anerkenntniß der durch die amortisirte Urkunde verbrieften Forderung beizufügen. In dieses Anerkenntniß ist möglich der vollstän­ dige Inhalt der amortisirten Urkunde und die Erklärung aufzunehmen, daß die Zahlung des Kapitals und, soweit der Gläubiger Zinsen zu fordern berechtigt ist, auch dieser von Seiten der Reichsschuldenverwaltung an den Inhaber des Anerkenntnisses ohne weitere Legitimation desselben mit voller Wirkung geschehen werde.

Der in den §§ 1 und 5 des vorstehenden Ge­ setzes vom 12. Mai 1873 erwähnte § 6 des Ge­ setzes, betreffend den außerordentlichen Geldbedarf des Norddeutschen Bundes, vom 9. November 1867 lautet: § 6. In Ansehung der verlorenen oder vernich­ teten Schuldverschreibungen oder Zinskupons finden die auf die preußischen Staatsschuldscheine und deren Zinskupons Bezug habenden §§ 1 bis 13 der Verordnung vom 16. Juni 1819 wegen des Aufgebots und der Amortisation verlorener oder vernichteter Staatspapiere mit nachstehenden nä­ heren Bestimmungen Anwendung: a) Die im § 1 jener Verordnung vorgeschrie­ bene Anzeige muß der Bundesschuldenverwaltung gemacht werden. Dieser werden alle diejenigen Geschäfte und Befugnisse beigelegt, welche nach 49. Vgl. 8 825 C.--P.-O., wonach der Gerichtstafel hinzutommt.

noch die Anheftung an

50. Dgl. § 823 Abs. 2 C.-P.-O. und § 23 G.-D.-G., wonach nunmehr an Stelle des weggefallenen Stadtgerichts in Berlin mangels einer besondern Bestimmung das Amts­ gericht in Berlin zuständig sein dürfte.

der angeführten Verordnung dem Schätzministerium zukommen. b) Das im § 5 gedachte Aufgebot erfolgt bei dem Stadtgerichte zu Berlin. 50 c) Die in den §§ 6, 9 und 12 vorgeschriebenen Bekanntmachungen sollen durch den „Preußischen Staatsanzeiger" oder die Zeitung, welche an seine Stelle tritt, und durch je eine der in Leipzig, Hamburg und Frankfurt a. M. erscheinenden Zeitungen, deren Bestimmung der Bundesschulden­ verwaltung überlassen bleibt, erfolgen.

S. Gesetz, betreffend einige Abänderungen des Gesetzes über das Posttaxto es en im Gebiete des Deutschen Reichs vom 28. Oktober 1871.

Dom 17. Mai 1873. Hfacketporto.

§ 1.51 Das Porto für Packete beträgt: I. Bis zum Gewichte von ö Kilogrammen: a) auf Entfernungen bis 10 Meilen einschließlich.................................. 2 /8 Sgr., b) auf alle weiteren Entfernungen 5 „ Für unsrankirte Packete wird ein Portozuschlag von 1 Sgr. erhoben. II. Beim Gewichte über 5 Kilogramme; a) für die ersten 5 Kilogramme die Sätze wie vorstehend unter I; b) für jedes weitere Kilogramm oder den über­ schießenden Theil eines Kilogramms:

bis 10 Meilen . . . über 10 „20 „ ... „ 20 „ 50 „ ... „ 50 „100 „ . . . „ 100 „ 150 „ ... „ 150 Meilen.......................

Sgr.

1 2 3 4 5

„ „ „ „

Der Postverwaltung bleibt überlassen, für sper­ riges Gut einen Zuschlag zu nehmen; derselbe darf jedoch 50 Prozent der obigen Taxe nicht übersteigen.

Osorto

und Serstcherungsgevüyr für. Sendungen mit Werthangave.

2.5i Für Sendungen mit Werthangabe wird erhoben:

a) Porto und zwar 1) Für Briefe ohne Unterschied des Gewichts: auf Entfernungen bis 10 Meilen ein­ schließlich ............................................................. 2 Sgr., auf alle weiteren Entfernungen . . 4 „ Für unsrankirte Sendungen wird ein Porto­ zuschlag von 1 Sgr. erhoben. 2) Für Packete und die dazu gehörige Begleit­ adresse der nach § 1 sich ergebende Betrag; und

51. Obiger § 1 ist an Stelle der Abs. 3-5 § 2 G. v. 28. Ott. 1871 über das Posttaxwesen getreten, in gleichen 8 2 an Stelle der ersten drei Abs. des 8 3 ebenda.

1875

(8. Febr. [20. Dez. 1873] — 10. Febr. — 11. Febr. [27. März 1872])

b) Versicherungsgebühr ohne Unterschied der Entfernungen und zu jeder Höhe der Werthan­ gabe gleichmäßig */a Sgr. für je 100 Thaler oder einen Theil von 100 Thalern, mindestens jedoch 1 Sgr. 3. Das in den §§ 1 und 2 vorgesehene Zuschlag­ porto wird bei portopflichtigen Dienstsendungen 1 des Gesetzes über das Posttaxwesen vom 28. Oktober 1871) nicht erhoben. 4. Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1874 in Kraft.

605

6. Gesetz, betreffend die Abänderung der Nr. 13 des Artikels 4 der Verfassung des Deutschen Reichs. Dom 20. Dezember 1873.

Einziger Paragraph. An die Stelle der Nr. 13 des Artikels 4 der Verfassung des Deutschen Reichs tritt die nachfolgende Bestimmung. (S. dieselbe im Text der Reichsverfassung Band I unter A Nr. 4.)

10. Februar 1875.

Verordnung, betreffend die Inständigkeit der Lezirksprästdenten.' G.-Bl. S. 57.

§ 1. Den Bezirkspräsidenten wird die Befugniß übertragen: 1) die Erhebung der von den Gemeinderäthen in gesetzlicher Form beschlossenen außerordentlichen Steuerzuschläge zu genehmigens 2) die Erhebung außerordentlicher Steuerzu­ schläge zur Bestreitung von Pflichtausgaben anzu­ ordnen, welche in das Gemeindebudget von Amts­ wegen eingestellt werden dürfen, und zu deren

Deckung der Gemeinderath die Mittel verweigert,8 3) die in den Gemeinden eingeführten Sätze der Hundesteuer nach Maßgabe der Artikel 3 bis 4 des Gesetzes, betreffend die Einführung einer Ge­ meindeabgabe für Hunde, vom 2. Mai 1855 (Bul­ letin des Lois Serie XI Nr. 2613) abzuändern, soweit diese Befugnisse nach den bisherigen Ge­ setzen dem Staatsoberhaupte Vorbehalten sind. 2. Der Reichskanzler wird mit der Ausführung dieser Verordnung beauftragt.

1. Erlassen auf Grund des § 18 Berw.-G. v. 30. Dez. 1871. 2. S. Art. 7 ®. v. 24. Julr 1867.

3. S. Art. 40 G. v. 18. Juli 1837

11. Februar 1875.

Gesetz, betreffen- -ie Lontrole -es Veichshanshalts nnd -es Landeshanshalts von Llsaß-Lothringen für -as Jahr 1874. G.-Bl. S. 49.

Einziger Paragraph. Die Kontrole des gesammten Haushalts des deutschen Reichs, sowie des Landeshaushalts von Elsaß-Lothringen wird für das Jahr 18741 von der preußischen Ober-Rech­ nungskammer unter der Benennung „Rechnungs­ hof des deutschen Reichs" nach Maßgabe der int Gesetze vom 4. Juli 1868 (Bundes-Gesetzbl. S. 433), betreffend die Kontrole des Bundes­ haushalts für die Jahre 1867 bis 1869, enthal­ tenen Vorschriften geführt. An die Stelle der im § 3 des Gesetzes vom 4. Juli 1868 aufgeführten Vorschriften treten jedoch die für die Wirksamkeit der Ober-Rech­ nungskammer als preußische Rechnungs-Revi­ sionsbehörde geltenden Bestimmungen, insbeson­ dere diejenigen des Gesetzes vom 27. März 1872, betreffend die Einrichtung und die Befugnisse der preußischen Ober-Rechnungskammer. 1. Gleiche Vorschriften wurden unter Hinweis auf gegen­ wärtiges Gesetz seitdem alljährlich durch Reichsgesetz erlassen.

Das in dem vorstehenden Gesetze angeführte preußische Gesetz lautet:

Gesetz, b etreffen d die Einrichtung und die Befugnisse der O b er-Rechnungs­ kamm er. 2 3 Dom 27. März 1872.

§ 1. Die Ober-Rechnungskammer ist eine dem Könige unmittelbar untergeordnete, den Ministern gegenüber selbständige Behörde, welche die Kon­ trole des gesammten Staatshaushalts durch Prü­ fung und Feststellung der Rechnungen über Einnah­ men und Ausgaben von Staatsgeldern, über Zugang und Abgang von Staatseigenthum und über die Verwaltung der Staatsschulden zu führen hat. 2. Die Ober-Rechnungskammer besteht aus einem Präsidenten und der erforderlichen Zahl von Direktoren und Räthen. 2.

Hierzu erging eine Instruktion v. 5. März 1875.

606

1875 (11. Febr. [27. März 1872])

Dieselben werden von dem der Präsident auf den Vorschlag steriums, die Direktoren und Vorschlag des Präsidenten der kammer unter Gegenzeichnung

Könige ernannt, des StaatsminiRäthe auf den Ober-Rechnungs­ des Vorsitzenden

des Staatsministeriums. 3. Vater und Sohn, Schwiegervater und Schwiegersohn, Brüder und Schwäger dürfen nicht zugleich Mitglieder der Ober-Rechnungs­ kammer sein. 4. Nebenämter oder mit Remuneration ver­ bundene Nebenbeschäftigungen dürfen dem Prä­ sidenten und den Mitgliedern der Ober-Rechnungs­ kammer weder übertragen noch von ihnen über­ nommen werden. Ebensowenig können die gedachten Beamten Mitglieder eines der Häuser des Landtages sein. 5. Die Mitglieder der Ober-Rechnungskammer unterliegen den Vorschriften der Gesetze über die Dienstvergehen der Richter u. s. w. vom 7. Mai 1851 (Gesetz-Samml. S. 218) und vom 26. März 1856 (Gesetz-Samml. S. 201) unter folgenden näheren Bestimmungen. Das Odertribnnäl ist das zuständige Diszipli­ nargericht für den Präsidenten, die Direktoren und die übrigen Mitglieder der Ober-Rechnungs­ kammer. Die im § 13 des Gesetzes vom 7. Mai 1851 vorgeschriebene Mahnung an Direktoren und Räthe der Ober-Rechnungskammer zu erlassen, steht dem Präsidenten derselben zu. Die im § 58 ebendaselbst vorgeschriebene Ver­ richtung wird in Ansehung des Präsidenten der Ober-Rechnungskammer von dem ersten Präsidenten des Obertribunals auf Grund eines Beschlusses dieses Gerichtshofes (§ 59 a. a. O.), in An­ sehung der übrigen Mitglieder von dem Präsiden­ ten der Ober-Rechnungskammer wahrgenommen. Die unfreiwillige Versetzung eines Mitgliedes der Ober-Rechnungskammer kann mit Beibehalhaltung seines Ranges in ein richterliches oder in ein anderes Amt der höheren Verwaltung, für welches dasselbe die gesetzliche Qualifikation besitzt, erfolgen. Der in Gemäßheit des § 54 des Gesetzes vom 7. Mai 1851 vorzulegende Befehl wird vom Staatsministerium erlassen. In dem Falle des § 63 a. a. O. wird der Beschluß, wenn er den Präsidenten betrifft, dem Staatsministerium, wenn er andere Mitglieder der Ober-Rechnungskammer betrifft, dem Prä­ sidenten derselben übersendet. Im übrigen stehen dem Präsidenten der Ober-Rechnungskammer in Beziehung auf die Mitglieder gleiche Befugnisse zu, wie dem Justiz­ minister in Beziehung auf richterliche Beamte zustehen. 6. Alle Beamten der Ober-Rechnungskammer, mit Ausschluß der Mitglieder, ernennt der Prä­ sident und übt über dieselben die Disziplin mit den Befugnissen aus, welche den Ministern rück-

sichtlich der ihnen untergeordneten Beamten zu­

stehen. Die entscheidende Disziplinarbehörde für die­ selben ist die Ober-Rechnungskammer, welche im Plenum unter Theilnahme von mindestens sieben Mitgliedern, einschließlich des Vorsitzenden, und im übrigen nach dem für • das Obertribunal gültigen Disziplinarverfahren, in der Sache aber nach den Vorschriften des Gesetzes über die Dienstvergehen der nichtrichterlichen Beamten vom 21. Juli 1852 [Gesetz-Samml. S. 465 ff.) end­ gültig entscheidet. 7. Der Geschäftsgang bei der Ober-Rechnungs­ kammer wird durch ein Regulativ geregelt, welches auf Vorschlag der Ober-Rechnungskammer und des Staatsministeriums durch Königliche

Verordnung erlassen und dem Landtage zur Kenntnißnahme mitgetheilt wird. In dem Regu­ lativ sollen besonders auch die Bestimmungen enthalten sein, welche zur Geschäftsleitung des Präsidenten erforderlich sind. Bis zum Erlaß dieses Regulativs bleiben die bisher ergangenen Instruktionen über den Geschäftsgang insoweit in Kraft, als sie mit den in diesem Gesetz festgestell­ ten Grundsätzen kollegialischer Berathung und den übrigen Vorschriften dieses Gesetzes vereinbar sind, 8. Die Ober-Rechnungskammer faßt ihre Be­ schlüsse nach Stimmenmehrheit der Mitglieder, einschließlich des Vorsitzenden, welcher bei gleicher Theilung der Stimmen den Ausschlag gibt. Die kollegialische Berathung und Beschlußfassung

ist jedenfalls erforderlich, wenn 1) an den König Bericht erstattet, 2) die für die Häuser des Landtages bestimm­ ten Bemerkungen (§ 18) festgestellt, 3) allgemeine Grundsätze aufgestellt

oder

be­

stehende abgeändert, 4) allgemeine Instruktionen erlassen oder abge­ ändert, 5) über Anordnungen der obersten Verwal­ tungsbehörden Gutachten abgegeben werden sollen. 9. Der Revision durch die Ober-Rechnungs­ kammer unterliegen zuvörderst alle diejenigen Rechnungen, durch welche die Ausführung des festgestellten Staatshaushalts-Etats [Artikel 99 der Berfassungsurkunde) und der sämmtlichen Etats und sonstigen Unterlagen, auf welchen derselbe beruht, dargethan wird, insbesondere also: 1) die Rechnungen der Staatsbehörden, Staats­ betriebsanstalten und staatlichen Institute über Einnahmen und Ausgaben von Staatsgeldern; 2) soweit nicht in einzelnen Fällen statutarische oder vertragsmäßige Bestimmungen eine Aus­ nahme begründen, die Rechnungen aller derjenigen nicht staatlichen Institute, welche aus Staats­ mitteln unterhalten werden, oder veränderliche Zuschüsse nach Maßgabe des Bedürfnisses aus der Staatskasse erhalten, oder mit Gewährleistung des Staates verwaltet werden, sobald und so lange diese Garantie verwirklicht werden soll.

1875 (11. Febr. [27. Mär- 1872]) Der

Ober-Rechnungskammer wirb namentlich

unter Aufhebung der entgegenstehenden Anord­ nungen die Revision der von der Seehandlung geführten Balanzen und Bücher übertragen. Hinsichtlich der Rechnungen der preußischen Bank bewendet es vorläufig bei den bestehenden An­ ordnungen. Die Rechnungen der Kasse der OberRechnungskammer werden von dem Präsidenten derselben revidirt und mit den Revisionsbemer­ kungen den beiden Häusern des Landtages zur Prüfung und Decharge vorgelegt. Ausgenommen von der Revision durch die Ober-Rechnungskammer sind allein die Rechnungen über die in dem Etat für das Büreau des Staats­ ministeriums zu allgemeinen politischen Zwecken und in dem Etat des Ministeriums des Innern zu geheimen Ausgaben im Interesse der Polizei, ausgesetzten Fonds. 10. Zur Revision der Ober-Rechnungskammer gelangen ferner: 1) die Rechnungen der Staatsbehörden, Staats­ betriebsanstalten und staatlichen Institute über Naturalien, Borräthe, Materialien und überhaupt das gesammte nicht in Gelde bestehende Eigen­ thum des Staates; 2) die Rechnungen derjenigen Institute, An­ stalten, Stiftungen und Fonds, welche lediglich von Staatsbehörden oder durch von Staatswegen angestellte Beamte, ohne Konkurrenz der Inte­ ressenten bei der Rechnungsabnahme und Quittirung, verwaltet werden, gleichviel, ob sie Zu­ schüsse vom Staate erhalten oder nicht. Inwieweit den zu 1 erwähnten Rechnungen die Inventarien beizufügen sind oder nur deren regelmäßige Führung nachzuweisen ist, bleibt der Bestimmungder Ober-Rechnungskammer nach Ver­ schiedenheit der Kassen und Institute Überlassen. 11. Bon den in den §§ 9 und 10 bezeichneten Rechnungen ist die Ober-Rechnungskammer berech­ tigt, diejenigen, welche von untergeordneter Be­ deutung sind, innerhalb der bisher bestandenen Grenzen von ihrer regelmäßigen Prüfung aus­ zuschließen, und die Revision, sowie die Dechargirung derselben den Verwaltungsbehörden zu überlassen, bis darüber bei eintretendem Bedürf­ niß durch königliche Verordnung anderweitige Verfügung getroffen wird; die Ober-Rechnungs­ kammer soll jedoch von Zeit zu Zeit dergleichen Rechnungen und Nachweisungen einfordern, um sich zu überzeugen, daß die Verwaltung der Fonds, worüber sie geführt werden, vorschriftsmäßig er­ folge. Etwaige Abänderungen in dem Berzeichniß der zur Zeit von der regelmäßigen Prüfung der Ober-Rechnungskammer ausgeschlossenen Rechnun­ gen sind dem Landtage jedesmal in kürzester Frist zur Kenntniß zu bringen. 12. Die Revision der Rechnungen ist außer der Rechnungsjustifikation noch besonders darauf zu richten:

607

a) ob bei der Erwerbung, der Benutzung und der Veräußerung von Staatseigenthum und bei der Erhebung und Verwendung der Staatsein­ künfte, Abgaben und Steuern, nach den bestehen­ den Gesetzen und Vorschriften, unter genauer Beachtung der maßgebenden Berwaltungsgrundsätze verfahren worden ist; b) ob und wo nach den aus den Rechnungen zu beurtheilenden Ergebnissen der Verwaltung zur Beförderung des Staatszweckes Abänderungen nöthig oder rathsam sind. 13. Die Ober-Rechnungskammer ist berechtigt, von den Behörden jede, bei Prüfung der Rech­ nungen und Nachweisungen für erforderlich er­ achtete Auskunft, sowie die Einsendung der bezüg­ lichen Bücher und Schriftstücke, auch von den Pro­ vinzial- und den denselben untergeordneten Behör­ den die Einsendung von Akten zu verlangen. Der Präsident der Ober-Rechnungskammer ist befugt, Bedenken und Erinnerungen gegen die Rechnungen an Ort und Stelle durch Kommissarien erörtern zu lassen, auch zur Informations­ einziehung über die Einzelheiten der Verwaltung Kommissarien abzuordnen. Ebenso steht ihm das Recht zu, außerordentliche Kassen- und Magazinrevisionen zu veranlas­ sen. In diesem Falle, sowie in allen Fällen der Absendung eines Kommissarius hat er jedoch dem betreffenden Verwaltungschef davon vorherige Mittheilung zu machen, damit dieser sich an den Verhandlungen durch einen seinerseits abzuord­ nenden Kommissarius betheiligen kann. 14. Alle Verfügungen der obersten Staats­ behörden, durch welche in Beziehung auf Ein­ nahmen oder Ausgaben des Staates eine allge­ meine Vorschrift gegeben, oder eine schon bestehende abgeändert oder erläutert wird, müssen sogleich bei ihrem Ergehen der Ober-Rechnungskammer mittgetheilt werden. Allgemeine Anordnungen der Behörden über die Kassenverwaltung und Buchführung sind schon vor ihrem Erlaß zur Kenntniß der Ober-Rech­ nungskammer zu bringen, damit dieselbe auf etwaige Bedenken, welche sich aus ihrem Stand­ punkte ergeben, aufmerksam machen kann. Die Vorschriften über die formelle Einrichtung der Jahresrechnungen und Justifikatorien werden von der Ober-Rechnungskammer erlassen. Dieselbe hat sich darüber zwar vorher mit den betheiligten Departementschefs in Verbindung zu setzen, bei obwaltender Meinungsverschiedenheit steht ihr aber die entscheidende Stimme zu. Bon allen auf die Rechnungslegung bezüglichen Beschlüssen eines der beiden Häuser des Land­ tages ist der Ober-Rechnungskammer zur Kennt­ nißnahme Mittheilung zu machen. 15. Die Termine zur Einsendung der Rech­ nungen und die Fristen zur Erledigung der da­ gegen aufgestellten Erinnerungen werden von der Ober-Rechnungskammer festgestellt.

608

1875 (11. Febr. [27. März 1872])

16. Die Provinzial- und die ihnen gleichstehenden untergebenen Behörden sind der OberRechnungstammer in allen Angelegenheiten des Ressorts derselben untergeordnet. Die OberRechnungskammer ist befugt, ihren Verfügungen nöthigensalls durch Strafbefehle, innerhalb der für die obersten Verwaltungsbehörden gesetzlich bestimmten Grenzen, die schuldige Folgeleistung zu sichern, auch etwa vorkommendc Unangemessen­ heiten in Erledigung ihrer Erlasse zu rügen, 17. Die Ober-Rechnungskammer ertheilt den rechnungsführenden Beamten, wenn sie ihren Verbindlichkeiten vollständig genügt und die auf­ gestellten Erinnerungen erledigt haben, eine Decharge mit den in den §§ 146 bis 153 Theil-1 Titel 14 des Allgemeinen Landrechts3 einer Quittung beigelegten Wirkungen. Stellen sich Vertretungen des Rechnungsführers oder anderer Beamten bei der Rechnungsrevision heraus, deren Deckung durch die Notatenb.eantwortMg pjchk nachgewiesen wird, so hat hie Hber-Rechnungskammer die weitere Verfolgung, welche üpn der vorgesetzten Behörde zu betreiben ist, nöthigen Falles durch Eintragung in dgs Soll der Ein­ nahmen auzuordnen. 18. Die nach Vorschrift des Artikels 104 der Berfassungsurkunde mit der allgemeinen Rechnung über den Staatshaushalt jeden Jahres voy der Staatsregierung dem Landtage vorzulegendeu, von der Ober-Rechnungskammer upter selbstän­ diger, unbedingter Verantwortlichkeit aufzustellen­ den Bemerkungen müssen ergeben: 1) ob die in der Rechnung aufgesührten Be3. Die 88 146-153 lauten. 8 146. Doch wird derselbe (der Verwalter durch dergleichen Quittung von der Vertretung unredlicher Handlungen, oder spater entdeckter Rechnungsfehler, wenngleich denselben in der Quittung ausdrücklich entsagt worden, nicht befreit. 8 147 Dagegen kann aber auch der Verwalter, wegen eines später entdeckten, zu seinem Schaden begangenen Rechnungsfehler», von dem Prrnzipale Vergütung fordern 8 148. Auch wegen solcher Angelegenheiten und Geschäfte, die in der Rechnung nicht nut vorgenommen sind, kann der Verwalter, der erhaltenen Quittung ungeachtet, zur Verant­ wortung gezogen werden. 8 149. Noch weniger befreit die Quittung den Verwalter von den Ansprüchen eines Dritten, wenngleich die Forde­ rung desselben aus einem Geschäfte, über welches bereits

Rechnung gelegt worden, entstanden wäre. 8 150. Rechnungen, die einmal abgelegt und quittirt sind, können nach Verlauf von zehn Jahren unter keinerlei Vor­ wande mehr angefochten werden. 8 151. Nur wegen offenbar im Zusammenrechnen oder Abziehen vorgefallener Rechnungsfehler, und wegen eines bei der Verwaltung begangenen Betrugs, kann der Prin­ zipal, auch nach Ablauf der zehnjährigen Frist, den Verwalter selbst, nicht aber seine Erben in Anspruch nehmen. § 152. Die in 8 150 bestimmte Verjährungsfrist nimmt bei solchen Verwaltungen, die durch mehrere Jahre dauern, in Ansehung des Verwalters selbst, von dem Zeitpunkte, wo er, nach seiner Entlaffung und gelegter Schlußrechnung, die letzte oder Generalquittung erhalten hat, ihren Anfang. 8 153. Zu Gunsten der Erben des Verwalters aber läuft diese Präskription, in Ansehung einer reden einzelnen Jahres­ rechnung, von dem Tage der darüber ausgestellten Spezial­ quittung."

träge in Einnahme und Ausgabe mit denjenigen übereinstimmen, welche in den von der OberRechnungskammer revidirten Kassenrechnungett in Einnahme und Ausgabe nachgewiesen sind, 2) ob und inwieweit bei der Vereinnahmung und Erhebung, bei- der Verausgabung.oder Ver­ wendung von Staatsgeldern, .oder bei der Er­ werbung, Benutzung oder Veräußerung von Staatseigenthum Abweichungen von den Bestim­ mungen des . gesetzlich ^gestellten Staatshaus­ halts-Etats oder der von der Landesvertretung genehmigten Titel der Spezialetats (§ 19), oder VW den mit einzelnen Positionen des Etats ver­ bundenen Bemerkungen, oder von den Bestimauf die Staatseinnahmen und Staatsausgaben, oder auf die Erwerbung, Be­ nutzung oder Veräußerung von Staatseigenthum bezügliches Gesetze stattgefunden hgben, insbesqntzere 3) zu welchen Etatsüberschreitungen im Sinne des Artikels 104 der Persassungsnrknnde (§ 19), sowie zu welchen auheretatsmäßigen Ausgaben die Genehmigung des Landtages noch nicht bei­ gebracht ist. 19. Etatsüberschxeitpngen im Sinne des Ar­ tikels 104 der Verfassungsurkunde sind alle Mehr­ ausgaben, t eiche gegen die einzelnen Kapitel und Titel des nach Artikel 99 a. a. O. festgestellten Staatshaushalts-Etats oder gegen die von der Landesvertretnng genehmigten Titel der Spezial­ etats stattgefunden haben, soweit nicht einzelne Titel in den Etats als übertragbar ausdrücklich bezeichnet sind und bei solchen die Mehrausgaben bei einem Titel durch Minderausgaben bei ande­ ren ausgeglichen werden. Unter dem Titel eines Spezraletats ist im Sinne dieses Gesetzes zu ver­ stehen jede Position, welche einer selbständigen Beschlußfassung der Landesvertretung unterlegen hat und als Gegenstand einer solchen im Etat erkennbar gemacht worden ist. * In die zur Vorlegung an den Landtag gelan­ genden Spezialetats sind fortan, zuerst in die Etats für das Jahr 1873, bei den Besoldungs­ fonds die Stellenzahl und die Gehaltssätze, welche für die Disposition über diese Fonds maßgebend sind, aufzunehmen. 4. Die angezogenen Artt. 99 u. 104 der Preußischen Verfassung lauten: „Art. 99. Alle Einnahmen und Ausgaben des Staats Nissen für jedes Jahr im Voraus veranschlagt und auf den Staatshaushalts-Etat gebracht werden. Letzterer wird jährlich durch ein Gesetz festgestellt. Art. 104. Zu Etatsüberschreitungen ist die nachträgliche Genehmigung der Kammern erforderlich. Die Rechnungen über den Staatshaushalts-Etat werden von der Ober-Rechnungskammer geprüft und festqestellt. Die allgemeine Rechnung über den Staatshaushalt jeden Jahres, ausschließlich einer Uebersicht der Staatsschulden, wird mit den Bemerkungen der Ober-Rechnungskammer zur Entlastung der Staatsregierung den Kammern vorgelegt. Ein besonderes Gesetz wird die Einrichtung und die Befugniffe der Ober-Rechnungskammer bestimmen."

1875 (12. Febr. — 13. Febr.) Eine Nachweisung der Etatsüberschreitungen und der außeretatsmäßigen Ausgaben ist jedes­ mal im nächsten Jahre, nachdem sie entstanden find, den Häusern des Landtages zur nachträg­ lichen Genehmigung vorzulegen. Die Erinnerun­ gen der Rechnungslegung werden durch diese Ge­ nehmigung nicht berührt. 20. Nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahres erstattet die Ober-Rechnungskammer dem Könige einen Bericht über die Ergebnisse ihrer Geschäfts­

609

thätigkeit, welchem zugleich ihre gutachtlichen Vorschläge beizufügen-sind, ob und inwieweit nach den aus den Rechnungen sich ergebenden Resul­ taten der Verwaltung zur Beförderung der Staats­ zwecke im Wege der Gesetzgebung oder der Ver­ ordnung zu treffende Bestimmungen nothwendig oder rathsam erscheinen. 21. Alle durch frühere Gesetze und Verordnun­ gen erlassenen Bestimmungen, soweit sie dem gegen­ wärtigen Gesetze zuwiderlaufen, treten außer Kraft.

12. Februar 1875.

Gesetz über den Landsturms R.-G.-Bl. S. 63. § 1. Der Landsturm besteht aus allen Wehr­ pflichtigen vom vollendeten 17. bis zum vollen­ deten 42. Lebensjahre, welche weder dem Heere noch der Marine angehören. Der Landsturm tritt nur zusammen, wenn ein feindlicher Einfall Theile des Reichsgebiets bedroht oder überzieht. (§ 3 Alinea 2 und § 16 des Gesetzes vom 9. November 1867.)

2. Das Aufgebot des Landsturms erfolgt durch Kaiserliche Verordnung, in welcher zugleich der Umfang des Aufgebots bestimmt wird. 3. Das Aufgebot kann sich auch auf die ver­ fügbaren Theile der Ersatzreserve erstrecken, Wehrfähige Deutsche, welche nicht zum Dienst im Heere verpflichtet sind, können als Freiwillige in den Landsturm eingestellt werden. 4. Nachdem das Aufgebot ergangen ist, finden auf die von demselben betroffenen Landsturmpflich­ tigen die für die Landwehr geltenden Vorschriften Anwendung. Insbesondere sind die.Aufgebotenen den Militärstrafgesetzen und der Disziplinar­ ordnung unterworfen. Dasselbe gilt von den in Alge freiwilliger Mel­ dung in die Listen des Landsturms Eingetragenen.

5. Der Landsturm erhält bei Verwendung gegen 1. In Ausführung des § 6 Abs. 2 R.-M.-G. erlassen.

den Feind militärische, auf Schußweite erkennbare Abzeichen und wird in der Regel in besonderen Abtheilungen formirt. In Fällen außerordentlichen Bedarfs kann die Landwehr ans den Mannschaften des aufgebotenen Landsturms ergänzt werden, jedoch nur dann, wenn bereits sämmtliche Jahrgänge der Land­ wehr und die verwendbaren Mannschaften der Ersatzreserve einberufen sind. Die Einstellung erfolgt nach Jahrestlassen, mit der jüngsten beginnend, soweit die militärischen Interessen dies gestatten. 6. Wenn der Landsturm nicht aufgeboten ist, dürfen die Landsturmpflichtigen keinerlei militäri­ schen Kontrole oder Uebung unterworfen werden. 7. Die Auflösung des Landsturms wird vom Kaiser angeordnet. Mit der Auflösung der betref­ fenden Formationen hört das Militärverhältniß der Landsturmpflichtigen auf.

8. Die zur Ausführung dieses Gesetzes erfor­ derlichen Bestimmungen erläßt der Kaiser. 9. Gegenwärtiges Gesetz kommt in Bayern nach näherer Bestimmung des Bündnißvertrages vom 23. November 1870 (Bundes-Gesetzbl. 1871 S. 9) unter m § 5 zur Anwendung. Dasselbe findet auf die vor dem 1. Januar 1851 geborenen Elsaß-Lothringer keine Anwendung (§ 2 des Ge­ setzes vom 23. Januar 1872).

13. Februar 1875. Gesetz über die Naturalleistungen für die bewaffnete Macht im Frieden. * R.-G.-BI. S. 52.

§ 1. Naturalleistungen für die bewaffnete Macht können, soweit das Gesetz über die Kriegsleistungen vom 13. Juni 1873 (Reichs-Gesetzbl. S. 129) und das Gesetz vom 25. Juni 1868 über die Quar­ 1. Zur bewaffneten Macht im Sinn des Gesetzes gehört auch die Marine (Ausführungs-Instruktion v. 2. .Sept 1875 Nr. 11 zu 8 17).

III. Band.

tierleistung für die bewaffnete Macht während des Friedenszustandes (Bundes-Gesetzbl. S. 523) nicht Anwendung finden, innerhalb des Reichsgebietes nur nach Maßgabe der Bestimmungen des gegen­ wärtigen Gesetzes gefordert werden.1 2 2. Durch das Naturalleistungsgesetz,welche« alle Natural­ leistungen für die bewaffnete Macht — mit Ausnahme der

39

1875 (13. Ftzbr.)

610

I. «Leistungen durch ^ermitteknng der Hemeinden.

2.3 Durch Bermittelung der Gemeinden können in Anspruch genommen werden: 1) die Stellung von Vorspann (§ 3), 2) die Verabreichung von Naturalverpflegrwg (8 4), 3) die Verabreichung von Fourage (§ 5). 1.

Verpflichtete Subjekte, Voraussetzung Umfang der Verpflichtung.

und

a) Vorspann.

3.4 Zur Stellung von Vorspann — Fuhrwerke, Gespanne, Gespannführer — sind alle Besitzer von Zugthieren und Wagen verpflichtet. Zur Vorspannleistung sind in erster Linie die­ jenigen heranzuziehen, welche aus dem Vermiethen ihrer Thiere und Wagen oder dem Betriebe des Fuhrwesens ein Gewerbe machen. Befreit sind: 1) Mitglieder der Deutschen regierenden Fami­ lien, bezüglich der für ihren Hofhalt bestimmten Wagen und Pferde, 2) die Gesandten und das Gesandtschaftspersonal fremder Mächte, 3) Staats- und Privatgestüte, sowie die Mili­ tärverwaltungen hinsichtlich ihrer Zuchtthiere und Remonten, 4) Offiziere, Beamte int Reichs-, Staats- oder Kommunaldienste, sowie Seelsorger, Aerzte und Thierärzte hinsichtlich der zur Ausübung ihres Dienstes oder Berufes nothwendigen Pferde, 5) die Posthalter hinsichtlich derjenigen Pferde, welche von ihnen zur Beförderung der Posten vertragsmäßig gehalten werden müssen. Die Stellung von Vorspann kann nur gefor­ dert werden für die auf Märschen, in Lagern oder in Kanto unirungen befindlichen Theile der bewaffneten Macht, und nur insoweit, als der Bedarf im Wege des Vertrages gegen ortsübliche Preise durch die Militär-Intendantur nicht recht­ zeitig hat sichergestellt werden können. Quartierleistung — während des Frredenszustandes einheit­ lich regelt, stnd dre durch 8 1 Nr. 2 G. v. 22. Juni 1872, betr. dre Einführung deutscher Mrlrtargesetze in E.-L. erngeführten Preußischen Gesetze und Verordnungen (Edikt v. 28. Okt. 1810 wegen Aufhebung des Vorspanns nebst Regulativ v. 29. Mar 1816, Kab-O. v. 5. Jan. 1820 u. 14. Juli 1831 sowie B. v. 10. Mar 1844) als aufgehoben zu betrachten. — Die zu dem Gesetz auf Grund des § 18 ergangene, unterm 11. Juli 1878 abgeanderte und ergänzte Ausführungs-Instruktion v. 2. Sept. 1875 hat auch dre durch B. des R.-K. und Kriegs-Min. v. 13 Aug. 1872 (Straßb. Ztg. Nr. 317; A.-Bl. für U -E. S. 176) auf Grund des Art. 61 R.-B. u. § 1 ®. v. 23. Jan. 1872 ui E.-L. eingeführte Instruktion v. 28. Mar 1843 über dre Abschätzung, Feststellung und Vergütung der ber den Truppen­ übungen vortommenden Flurbeschädrgungen, außer Kraft gesetzt (Erlaß des Preußischen Kriegs-Mrn. v. 14. Sept. 1875, — s. unten Bem. 27). 3. S.. Ausführungs-Instruktion (zu § 2).

4. S. ebenda Zrff. 1 (zu 8 3), und Verfügungen des Preußi­ schen Äriegs-Mm. v. 14. Sept. 1875 u. 21 Julr 1878 (ArmeeVerordnungs-Blatt 1875 S. 222 U. 1878 S. 171) ; Vgl. auch 8 25 G. v. 13. Junr 1873 über die Krieqsleistungen.

In der Regel'soll der Vorspann nicht länger als einet: Tag benutzt werden; nur in den drin­ gendsten Fällen ist eine längere Benutzung zulässig. Jttt übrigen wird der Umfang, in welchem Vorspannleistungen von den Truppen beansprucht werden können, durch die Au'sführungsverotdnungen (§' 18) festgestellt. b) Natnralverpflegunq.

4.5 Zur Verabreichung der Raturalverpflegung ist der Quartiergeber verpflichtet.' Dieselbe kann nur gefordert werden für die auf Märschen befind­ lichen Theile der bewaffneten Macht, und zwar sowohl für die Marsch- und Ruhetage, als auch für die auf dem Marsche eintretenden Aufent­ haltstage (Liegetage). Der mit Verpflegung Ein­ quartierte — sowohl der Offizier, Arzt und Beamte, als auch der Soldat — hat sich iu der Regel mit der Kost des Quartiergebers zu be­ gnügen. Bei vorkommenden Streitigkeiten muß dem Einquartierten dasjenige in gehöriger Zube­ reitung gewährt werden, was er nach dem Regle­ ment bei einer Verpflegung aus dem Magazin zu fordern berechtigt sein würde. () Fourage.

5.6 Znr Verabreichung der Fourage sind alle Besitzer von Fouragebeständen verpflichtet. Die­ selbe kann nur gefordert werden für die Pferde und sonstigen Zugthiere der auf Märschen befind­ lichen Theile der bewaffneten Macht, und zwar sowohl für die Marsch- und Ruhetage, als auch für die Liegetage, für Heeresabtheilungen mit mehr als fünfundzwanzig Pferden jedoch nur dann, wenn der Bedarf im Wege des Vertrages gegen ortsübliche Preise durch die Militär-Inten­ dantur nicht rechtzeitig hat sichcrgestellt werden können. Wenn am Orte des Marschquartiers Magazinverwaltungen oder Lieferungs - Unter­ nehmer der Militärverwaltung vorhanden sind, darf die Verabfolgung der Fourage nicht gefor­ dert werden. Insoweit der Fouragebedarf int Gemeindebezirk nicht vorhanden ist,75 6ist derselbe gegen Gewäh­ rung der tarifmäßigen Vorspannvergütung von der nächsten militärischen Verabreichungsstelle ab­ zuholen (§ 3). Die int § 3 festgestellten Befreiungen finden auch hinsichtlich der Verpflichtung zur Verab­ reichung der Fourage insoweit Anwendung, als der vorhandene Fouragebestand für den Unter­ halt derjenigen Pferde erforderlich ist, auf welche sich die Befreiung bezieht. 5. S. Ziff. 2 (zu 8 4) a. a. £ Naturalverpflegung kann also nur in Verbindung mit Naturalquartier in Anspruch genommen werden. — Die beiden letzten Sätze des § 4 stimmen mit 8 10 Abs. 2 G. v. 13. Juni 1873 über die Krregslerstungen überein. 6. S. Zrff. 3 (zu 8 5) a. a. £.

7. D. h. „ohne Gefährdung der augenblicklichen Ernährung der eigenen Brehstande der Einwohner nicht zu Verfügung steht" (Motive).

1875 (13. Febr.) 8. VnrtrvvtL der Verpflichtung.

6.8 Die Verpflichtung zu den in den §§ 3 bis 5 bezeichneten Leistungen tritt - auf Grund der von den Anständigen Civilbehvrden ausgestellten Marsch­ routen, oder auf Grund besonderer Anordnungen dieser Behörden ein.9 In dringenden Fällen kann die zuständige Mili­ tärbehörde die Leistungen direkt von der Gemein­ debehörde und wo diese nicht rechtzeitig zu er­ reichen ist, von den Leistungspflichtigen in der Gemeinde unmittelbar requiriren. Anordnungen, sowie Requisitionen sind schrift­ lich zu erlassen und müssen die genaue Bezeich­ nung der geforderten Leistung enthalten. Ueber die erfolgte Leistung ist von der betreffenden Mili­ tärbehörde oder dem Kommandosührer der Truppe, für welche die Leistung erfolgt ist, schriftliche Bescheinigung zu ertheilen.10 3 Erfüllung der Verpflichtung.'

7.11 12 Die örtliche Bertheitung der Leistungen erfolgt auf die Gemeinden im Ganzen durch die zuständige Civilbehörde. Es ist hierbei auf die Leistungsfähigkeit der Gemeinden Rücksicht zu nehmen. Die weitere Untervertheilung geschieht nach orts­ statutarischer Festsetzung oder Gemcindebeschluß durch die Gemeindevorstände, welche für die gehö­ rige und rechtzeitige Erfüllung der Leistungen Sorge zu tragen haben. Leistnngspflichtige, welche ihren Obliegenheiten nicht nachkommen, sind durch den Gemeindevor­ stand unter Anwendung.der ihm Anstehenden ad­ ministrativen Zwangsmittel hierzu anzuhalten. 8. S. Ziff. 4 zu § 6; a. a. £. 9 Entspricht dem § 8 b Quartierleistungsgesetz v. 25 Juni 1868 und bezicht sich, soweit neben den Marschrouten noch besondere Anordnungen erfordert werden, namentlich auf den Vorspann (§ 3 Abs. 2 Naturalleistungsgesetz, dessen Gestellung von den Militar-Jntcudanturen bei den zustän­ digen Civilbehorden zu requiriren ist (Motive).

10. Zu 8 6 Abs. 2 II. 3 vgl. § leistungsgeseh v. 13. Juni 1873

Abs. 3 bis 5 Kriegs-

11 S. Ziff. 5 (zu 8 7) a. a. O.

12 Zu § 7 Abs. 1 u. 2 vgl. § 5 Abs. 1 u. 2 Quartierleistungsgesctz v. 25. Juni 1868. L

I

611

Ist' 'die Leistung -nicht rechtzeitig zu erlangen, so kann sie anderweitig auf Kosten des Verpflichteten beschafft werden.13 Die Gemeinden sind berechtigt, die Leistungen ohne Untervertheilung für eigene Rechnung zu übernehmen und die erwachsenden Kosten auf die hierdurch von unmittelbarer Leistung befreiten Pflichtigen nach Verhältniß ihrer Verpflichtung zur Naturalleistung umzulegen.14 15 Die Kosten sind in beiden Fällen (Abs. 3 und 4) von den Verpflichteten auf dem für die Einzie­ hung der Gemeindeabgaben vorgeschriebenen Wege beizutreiben. Unterläßt ein Gemeindevorstand die Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtung zur Fürsorge für die rechtzeitige Beschaffung einer Leistung, so ist bei Gefahr im Verzüge die Militärbehörde berechtigt, die Leistung ohne Zuziehung des Ge­ meindevorstandes anderweit zu beschaffen. Letzterer ist, wenn ihm eine Bersäumniß zur Last fällt, verpflichtet, die in Folge seines Verschuldens durch die anderweite Beschaffung der Leistung für die Militärverwaltung entstandenen Mehrkosten zu erstatten. 8. Die in diesem Gesetze für Gemeinden getrof­ fenen Bestimmungen gelten auch für die einem Gemeindeverbande nicht einverleibten selbständigen Gutsbezirke. 4. Vergütung.

9.15 Für die in den §§ 3 bis 5 bezeichneten Leistungen wird nach folgenden Grundsätzen Ver­ gütung aus Militärfonds gewährt: 1) Die Vergütung für Vorspann erfolgt tage­ weise nach den vom Bundesrathe von Zeit zu Zeit für jeden Bezirk eines Licferungsverbandes end­ gültig festzustellenden Vergütungssätzen.16 Die 13. Zu 8 7 Abs 3 vgl ebenda § 11.

14 Zu 8 7 Abs. 4 vgl. 8 6 Abs. 3 Krie zsleistungsgesetz v. 13. Juni 1873.

8 9) a. a. O.

15. S. Ziff. 6

16 Diese sind laut Bkm. des Preußischen Kriegs-Mm. v 24. Jan. 1880, betr. Erhöhung der Bergutnngssatze für gelei­ steten Vorspann sArmec-Berordnungsblatt S 18\ Dom Bun­ desrath in seiner Sitzung v 23. Dez. 1879 für Elsaß-Lothringen festgesetzt, wie folgt:

IL|IIL|

' IV.|y.

B e r g n t u n g s s atz e für

ein mit einem Pferde bespanntes Fuhrwerk nut Führer.

1) Für die Städte Straßburg, Metz und Mulhausen Klasse I) . 1 2) Für das übrige Land

nachgewiesen haben. 2. Die Prüfung erfolgt in Straßburg vor einer Kommission von drei Mitgliedern, einschließlich des Vorsitzenden, welche der Oberpräfident2 er­

nennt. 1. Vom Reichskanzler auf Grund des g 21 G. v. 30. Dez. 1871, betr. die Einrichtung der Verwaltung, erlassen.

2. Jetzt das Ministerium, g 3 G. v. 4. Juli 1879.

1875 (20. März — 23. März) 3. Die Meldung zur Prüfung darf frühestens zwei Jahre nach erlangter Approbation als Arzt stattfinden. Sie ist unter Beifügung des Approbationsscbeins, bezw. des sonstigen für das Gebiet des deutschen Reiches gültigen Berechtigungsaus­ weises, schriftlich an den Oberpräsidenten 2 zu richten, welcher über die Zulassung entscheidet. 4. Mit der Zulassungsverfügung und der Quit­ tung über die bei der Bezirkshauptkasse zu Straß­ burg eingezahlten Prüfungsgebühren von 75 Mark hat der Prüfling sich bei dem Vorsitzenden der Prüfungskommission zu melden. 5. Die Prüfung zerfällt in drei Abschnitte: 1) Prüfung über öffentliche Gesund­

heitspflege. Der Prüfling hat a) ein ausführliches Gutachten über einen Ge­ genstand der öffentlichen Gesundheitspflege aus­ zuarbeiten und binnen 2 Monaten nach Empfang der Aufgabe an die Prüfungskommission einzu­ reichen ; b) eine ihm bezeichnete Oertlichkeit, z. B. eine Fabrik, ein Krankenhaus, Gefängniß, Schulge­ bäude oder dergleichen, vom gesundheitlichen Standpunkte aus zu untersuchen und in einer von der Kommission zu bestimmenden Frist schriftlich zu begutachten. 2) Prüfung über gerichtliche Medizin. Es ist a) in Gegenwart von wenigstens zwei Exami­ natoren eine Sektion in Form einer gerichtlichen Obduktion auszuführen, und das Obduktions­ protokoll zu diktiren; b) entweder ein ausführliches Gutachten über einen gerichtsärztlichen Fall nach vorzulegenden Akten auszuarbeiten und binnen zwei Monaten nach Empfang derselben der Prüfungskommission einzureichen, oder in Gegenwart wenigstens eines der Exa­ minatoren den Zustand eines Geisteskranken oder eines Verletzten zu untersuchen, und sofort unter Klausur einen Fundbericht mit gutachtlicher Aeußerung über den Fall unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen abzufassen.

637

3) Mündliche Schlußprüfung. Der Prüfling wird mündlich und öffentlich von allen drei Mitgliedern der Kommission über Ge­ genstände der öffentlichen Gesundheitspflege, der medizinischen Statistik, der Medizinalgesetzgebung und der gerichtlichen Medizin geprüft. Vorher hat derselbe mittels Handschlag an Eidesstatt zu versichern, daß er die schriftlichen Prüfungsarbeiten, abgesehen von der Benutzung von Druckschriften, selbständig und ohne fremde Beihülfe angefertigt habe.

6. Ueber jeden Prüfungsabschnitt wird eine Verhandlung ausgenommen, welche die Gegen­ stände der Prüfung, die Urtheile der Examina­ toren und die Schlußzensur über das Gesammtergebniß der Prüfung enthalten muß.

7. Die für die Approbationsprüfung der Aerzte vorgeschriebenen Zensuren „vorzüglich gut", „sehr gut", „gut", „mittelmäßig" und „schlecht" kommen auch für die kreisärztlichen Prüfungen zur An­ wendung.

8. Wer eine der drei ersten Zensuren erhält, hat die Prüfung bestanden und empfängt darüber von der Kommission ein Zeugniß. 9. Die zwei letzten Zensuren begründen die Zurückweisung. Der Zurückgewiesene kann jedoch auf sein Gesuch von der Prüfungskommission binnen angemessener, von ihr zu bestimmender Frist zur Wiederholung derjenigen Prüfungs­ abschnitte, in welcher er nicht bestanden hat, bezw. der ganzen Prüfung zugelassen werden. In diesem Falle sind die Prüfungsgebühren zu Vs für jeden zu wiederholenden Abschnitt, bezw. für die ganze Prüfung, vorher von neuem zu entrichten. Mehr als ein Mal darf eine Wiederholung nicht stattfinden. 10. Innerhalb der nächsten zwei Jahre kön­ nen als Kreisärzte auch solche Aerzte angestellt werden, welche die vorstehend festgesetzten Be­ dingungen nicht erfüllt haben, sofern ihre Be­ fähigung nach dem Ermessen des Oberpräsidenten a genügend dargethan ist.

23. März 1875.

Verordnung ;ur Ausführung des Allerhöchsten Erlasses vom 29. Oktober 18741 betreffend die Einrichtung eines berathenden Landesansfchnsses für LlfaßLothringen. S. Band I unter A Nr. 10.

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1875 (6. April) 6. April 1875.

Verordnung des Oberpräsidenten, betreffen- den Vollzug des Impfgesetzes vom 8. April 1874. Straßb. Ztg. Nr. 83.

§ 1. Die Feststellung der Jmpfbezirke und die Ernennung der Jmpfärzte erfolgt durch die Bezirks­ präsidenten. Die Bestimmung der Orte für die Bornahme der Impfung und für die Vorstellung der Impf­ linge (§ 5 und 6 des Gesetzes) erfolgt durch die Kreis- bezw. Polizeidirektoren. 2. Die unentgeltlichen Impfungen werden an jedem Jmpforte in der Regel jährlich einmal vorgenommen, und zwar in der Zeit von Anfang Mai bis Ende September. Die Bezirkspräsidenten bestimmen, an welchen Orten Impfungen während des ganzen Jahres vorgenommen werden sollen. Die Kreisdirektoren bestimmen, an welchen Impf­ orten ausnahmsweise eine zweimalige Impfung stattfindet. 3. Die Bürgermeister haben alljährlich über alle im vorhergehenden Jahre in der Gemeinde geborenen Kinder Listen nach dem vom Bundes­ rathe festgestellten Formulare Nr. V anzufertigen, die Spalten 1 bis 5 inkl. auszufüllen und die Listen bis 1. April an die Kreis- bezw. Polizei­ direktoren einzuschicken. Die Bürgermeister haben in diese Listen zum Schlüsse die in der Gemeinde nicht geborenen, nach § 1 Ziffer 1 des Impfgesetzes impfpflichtigen Kinder einzutragen, deren Eltern in der Gemeinde wohnen. Den Kreisdirektoren — für die Städte Straß­ burg und Metz den Bezirkspräsidenten — steht es zu, für diejenigen Orte, in welchen das ganze Jahr hindurch geimpft wird, wegen Aufstellung und Einsendung der Jmpflisten besondere Vor­ schriften zu erlassen. 4. Die Vorsteher der öffentlichen Lehranstalten und der Privatschulen (ausgenommen die Sonn­ tags- und Abendschulen) haben jährlich über alle Schüler, welche im Laufe des Jahres das 12. Lebensjahr zurücklegen unter Benützung von Formular V, wovon die Spalten 1 bis 6 inkl. auszufüllen, Listen in alphabetischer Reihenfolge aufzustellen und dieselben bis 15. März dem Bürgermeister mitzutheilen, welcher sie prüft und beglaubigt und als Beilage zur Gemeinde-Jmpfliste bis zum 1. April jeden Jahres den Kreisbezw. Polizeidirektoren einzuschicken hat, welche ihrerseits nach Ausfüllung der Kolonne 6 in den Gemeindelisten sämmtliche Listen. mit den Listen des Vorjahrs bis 15. April den Jmpfärzten mit­ theilen. 5. Zeit und Ort der Impfung werden minde­ stens drei Tage vorher in jeder Gemeinde in orts­

üblicher Weise nach Formular VII durch die Ortspolizeibehörde bekannt gemacht. 6. An den Jmpforten hat der Bürgermeister für Bereitstellung eines passenden Jmpflokals zu sorgen. 7. Ein Gemeinde- oder Polizeibeamter des Jmpfortes hat sich während der Impfung und Nachschau im Jmpflokale zur Aufrechthaltung der Ordnung und Unterstützung des Jmpfarztes, besonders bei der Listenführung aufzuhalten. 8. Der Jmpfarzt hat die Termine zur Impfung erst nach gelungener Borimpfung anzuberaumen und den Bürgermeistern bekannt zu geben. Bei Mangel an Impfstoff sind die Jmpfärzte ermächtigt, um von geimpften Kindern Impfstoff zu erlangen, eine Vergütung bis zu 3 Mark gegen Ersatz aus Landesmitteln auszuzahlen. 9. Der Jmpfarzt hat bei der Impfung den Eltern rc. die Zeit der Nachschau, welche er frühestens am 6. und spätestens am 8. Tage nach der Impfung vorzunehmen hat, unter Hinweisung auf die Strafbestimmungen des § 14 des Impf­ gesetzes bekannt zu geben. 10. Alsbald nach der Impfung und Nachschau hat der Jmpfarzt die Jmpflisten auszufüllen und die Impfscheine auszustellen. Der Impfschein ist, wenn die Impfung von Erfolg begleitet oder zum dritten Male vorge­ nommen worden war, nach Formular I, in den übrigen Fällen nach Formular II auszufertigen. Die Impfscheine für die erste Impfung (§ 1 Ziff. 1 des Impfgesetzes) werden auf Papier von röthlicher Farbe, die Impfscheine für spätere Impfungen (Wiederimpfung, § 1 Ziff. 2 des Impf­ gesetzes) auf Papier von grüner Farbe ausgestellt; auf letzteren ist neben dem Wort „Impfschein" das Wort „Wiederimpfung" in Klammern zu setzen. Der Tod oder Wegzug des Impfpflichtigen ist in Spalte 19 der Jmpfliste zu bemerken. In Spalte 15 ist für die erfolgreichen Impfungen eine innerhalb Gemeindelisten fortlaufende Nummer zu setzen. Werden impfpflichtige Kinder oder Zöglinge geimpft, welche in keiner Jmpfliste vorgetragen sind, so sind dieselben in der Jmpfliste des lau­ fenden Jahres vom Jmpfärzte vorzutragen. 11. Aerztliche Zeugnisse, durch welche die vor­ läufige oder gänzliche Befreiung von der Impfung nachgewiesen werden soll, sind auf weißem Papier nach Formular III oder IV auszufertigen. Der Jmpfarzt hat solche vorgewiesene Zeugnisse zu prüfen, hiernach die Spalten 17, 18 und 19

1875 (6. April) der Jmpfliste auszufüllen und auf das Zeugniß, welches zurückzugeben ist, den Jmpfbezirk, wie Jahrgang und Nummer der Jmpfliste zu setzen12. Aerzte haben über die nach § 8 Absatz 2 des Gesetzes ausgeführten Impfungen Listen nach Formular V zu führen, welche sie spätestens bis 15. November jeden Jahres dem Jmpfarzte ein­ zuschicken haben, in dessen Bezirke der Geimpfte sein Domizil hat. Der Jmpfarzt hat hiernach die Spalten 6 bis 16 der Jmpfliste zu berichtigen und in Spalte 19 den Namen des impfenden Arztes einzutragen. 13. Hält es der Jmpfarzt für nothwendig, die dritte Impfung (§ 3 Abs. 2 des Gesetzes) selbst vorzunehmen, so sind hiezu die Jmpfpflichtigen durch den Kreis- (Polizei-) Direktor unter Hin­ weisung auf die Strafbestimmungen des § 14 Absatz 2 des Jmpfgesetzes vorzuladen. 14. Ueber wiederholte Impfung hat der Jmpf­ arzt in der Jmpfliste des früheren Jahrganges Vormerkung zu machen (§ 7 des Gesetzes). 15. Eltern, Pflegeeltern oder Vormünder, deren Kinder oder Pflegebefohlene 1) nach Ablauf des auf ihr Geburtsjahr fol­ genden Kalenderjahres, 2) nach Ablauf des Jahres, in welchem sie das zwölfte Jahr erreicht haben, nach Ausweis der Jmpflisten nicht geimpft, bezw. nicht wieder geimpft, noch zurückgestellt oder befreit worden sind, sind durch den Jmpfarzt dem Kreis- (Polizei-) Direktor namhaft zu machen. Der letztere erläßt an die Eltern oder Vor­ münder unter Hinweisung auf die Strafbestim­ mungen des § 14 des Jmpfgesetzes die schriftliche Aufforderung, die Kinder zur nächsten im betref­ fenden Jmpforte stattfindenden Impfung, deren Termin anzugeben ist, vorzustellen. Das gleiche Verfahren tritt ein, wenn zum ersten oder zweiten Male ohne Erfolg geimpfte oder zurückgestellte Kinder oder Zöglinge nach Ablauf des nächsten Jahres der Jmpfpflicht (§ 3 des Jmpfgesetzes) nicht genügt haben. 16. Die Vorsteher der öffentlichen Lehranstalten und Privatschulen (mit Ausnahme der Sonntags­ und Abendschulen) haben bei der Aufnahme von Zöglingen durch Einforderung der vorgeschriebenen Bescheinigungen festzustellen, ob die gesetzliche Wiederimpfung erfolgt ist. Hiernach haben alle - Zöglinge über 12 Jahre, sofern sie dieses Lebensalter nach dem 1. Januar 1875 erreichen, nachzuweisen, daß sie bei der Wiederimpfung entweder mit Erfolg oder zum dritten Male geimpft worden sind (Formular I auf grünem Papier), oder von der Impfung bleibend befreit sind (Formular IV). Neu eintre­ tende Schüler, welche den erwähnten Nachweis nicht bringen, sei es, daß sie der Wiederimpfung sich nicht unterzogen oder wegen Krankheit vor­ läufig zurückgestellt wurden (Formular DI) oder

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nach erfolgter erster oder zweiter Impfung sich nochmals impfen lassen müssen (Formular n auf grünem Papier), sowie alle diejenigen Schüler, welche während des laufenden Jahres das zwölfte Lebensjahr zurücklegen, sind von den Schulvor­ stehern dazu anhalten, daß sie sich der Impfung unterziehen und die Nachweise vorlegen. Vier Wochen vor Schluß des Schuljahres1 haben die Schulvorsteher Verzeichnisse der Schüler, welche den Nachweis über die erfolgte Impfung nicht erbracht haben, dem Kreis- (Polizei-) Direktor mitzutheilen und in dem Verzeichnisse Namen und Geburtsdaten des Schülers und Name, Stand und Wohnort des Vaters, Pflege­ vaters oder Vormünders anzugeben. Der Kreis- (Polizei-) Direktor verfährt nach § 15 dieser Verordnung. Die von den Schülern vorgewiesenen ärztlichen Zeugnisse über Befreiung von der Jmpfpflicht sind von den Schulvorstehern den Jmpfärzten einzuschicken. 17. Jährlich bis zum 15. Dezember hat der Jmpfarzt das Ergebniß der Impfung des lau­ fenden Jahres nach Gemeinden gemäß Formular VI aufzunehmen 2 und dem Kreis- (Polizei-) Direktor mit den Jmpflisten der Gemeinden und Schulen einzuschicken. In Spalte 6 des Formulars VI sind nur jene Jmpfpflichtigen vorzutragen, welche nach Ablauf der in §§ 1 und 3 des Jmpfgesetzes bestimmten Frist der Impfung ohne gesetzlichen Grund ent­ zogen geblieben sind. Hiernach hat der Kreis- (Polizei-) Direktor die erforderlichen Mittheilungen an die Staatsan­ waltschaft zu machen, den Betheiligten Frist zur Nachholung der Impfung nach § 4 des Gesetzes zu gewähren und die geprüften Uebersichten über das Ergebniß der Impfung für die Jmpfbezirke des Kreises in Uebersichten nach Formular VI zusammenzustellen, welche bis zum 1. Februar des auf die Impfung folgenden Jahres dem Bezirkspräsidenten einzuschicken sind. Die Bezirkspräsidenten haben bis zum 1. März Hauptübersichten über das Ergebniß der Impfung im Vorjahre mir 8 einzuschicken. 18. Die vor dem 1. April 1875 in der bisher üblichen Form ausgestellten Impfscheine sind zum Nachweise, daß der Jmpfpflicht genügt worden, hinreichend. Der Termin zur Einsendung der Jmpflisten (88 3 und 4) für das Jahr 1875 ist von den Kreis- (Polizei-) Direktoren zu bestimmen.

1. D. i. des SommerhalvjahrS, Erl. des Oberpräsidenten v. S. Dez. 1875 (Archiv für öffentl. Gesundheitspflege Bd. II S. 194).

2. Dgl. Erl. des R.-K. v. 14. Aug. 1876 (A.-Bl. U.-E. S. 159). 3. Jetzt dem Ministerium, 8 3 G. v. 4. Juli 1879.

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1875 (14. April — 17. April — 20. April — 26. April)

14. April 1875.

Deklaration des Artikels 6 -es Handelsvertrags zwischen dem Zollverein nnd Großbritannien vom 30. Mai 1865. * R.-G.-M. S. 199. 1. Die Bestimmungen des Art. 6 wegen gegenseitigen Markenschutzes sollen fortan ans das gesammte Gebiet der Deutschen Reichs Anwendung finden.

17. April 1875. Verordnung, betreffend die Erhöhung der Mitgliederzaht der Handelskammer ;n Straßburg. G.-Bl. S. 67.

Der Handelsvertrag zwischen dem Zollverein und Italien vom 31. Dezember 1865 bestimmt im Artikel 6 : „In Betreff der Bezeichnung oder Etikettirung der Waaren oder deren Verpackung, der Muster und der Fabrik- oder Handelszeichen sollen die Unterthanen eines jeden der vertragenden Staaten

in dem anderen denselben Schutz wie die In­ länder genießen." Diese durch das Reichsgesetzblatt nicht bekannt gemachte Vereinbarung wird mit Bezug auf § 20 des Gesetzes über Markenschutz vom 30. Novem­ ber 1874 hierdurch veröffentlicht.

20. April 1875.

SeKanntmachnng des Reichskanzlers, betreffend de« Schutz deutscher Waarenzeichen, Name« uud Firmen in Italien. R.-G.-Bl. S. 200. Art. 1. Die Mitgliederzahl der Handelskammer zu Straßburg wird auf fünfzehn erhöht. 2. Die Wahlen der in Folge dieser Bestimmung neu zu wählenden Mitglieder finden gleichzeitig mit den nächsten regelmäßigen Erneuerungswahlen statt. Bon den sechs neu hinzutretenden Mitglie­

dern werden bei der ersten Wahl zwei auf sechs Jahre, zwei auf vier Jahre und zwei auf zwei Jahre gewählt. 3. Der Reichskanzler wird mit der Ausführung dieser Verordnung beauftragt.

26. April 1875. Verordnung über den Urlaub der Leamten und deren Stellvertretung.' G.-Bl. S. 69. § 1. Anträge der Beamten auf Bewilligung von Urlaub sind unter Angabe der Veranlassung und des Zwecks der unmittelbar vorgesetzten Be­ hörde oder dem unmittelbar vorgesetzten Beamten einzureichen. 2. Der Reichskanzler1 2 bestimmt die Stellen, welche zur Ertheilung von Urlaub berechtigt sind, sowie die Zeiträume, für welche von denselben Urlaub gewährt werden darf. 3 3. Wird ein Urlaub zur Wiederherstellung der 1. Erlassen auf Grund des § 14 G. v. 31. Marz 1873 zur Ausführung des G. v. 23. Dez. 1873.

2. Der Statthalter, 8 2 G. v. 4. Juli 1879. 3. S. Erl. R.-K. v. 6. Juni 1875. — Ueber Urlaub von Notaren s. Bf. der Borstände des Appellationsgerichts v. 2. Juli 1875 (Samml. G.-Pr. 472). — Ueber Stellvertretung der Rechtsanwälte, § 29 R.-O. — Ueber Urlaub bei Erkran­ kung vgl. Entsch. des R.-K. in der Samml. G.-Pr. Nr. 691.

Gesundheit nachgesucht, so ist dem Anträge eine ärztliche Bescheinigung beizufügen. Die Stelle, welcher die Entscheidung über den Antrag zusteht, ist berechtigt, die Beibringung einer solchen Bescheinigung ausnahmsweise zu

erlassen. 4. Der beurlaubte Beamte hat dafür zu sorgen, daß ihm während der Abwesenheit von seinem Wohnort Verfügungen der vorgesetzten Behörden zugestellt werden können. 5. Für die Vertretung eines beurlaubten Beam­

ten ist zunächst von der Stelle Sorge zu tragen, welche den Urlaub ertheilt. Dieselbe setzt zugleich fest, inwieweit die dem Beurlaubten zur Bestreitung von Dienstaufwands­ kosten bewilligten Bezüge dem Vertreter zu über­ weisen sind.

1875 (24. April — 15. Mai [16. Juli 1869]) 6. Zur Deckung von Stellvertretungskosten fin­ det, sofern diese nicht nach § 14 des Gesetzes vom 31. März 1873 der Landeskasse zur Last fallen, bei einem Urlaub von mehr als 1 V2 bis zu 6 Monaten für den anderthalb Monate über­ steigenden Zeitraum ein Abzug von dem Dienst­ einkommen des Beurlaubten im Betrage der Hälfte desselben statt; bei fernerem Urlaub wird das ganze Diensteinkommen einbehalten. Eine Abweichung hiervon bedarf der Genehmi­ gung des Reichskanzlers. 2 Bei Berechnung der Abzüge für Theile von Monaten werden die letzteren stets zu 30 Tagen

angenommen. 7. Die Urlaubsbewilligung kann jederzeit zu­ rückgenommen werden, wenn das dienstliche In­ teresse es erheischt. 8. In Betreff der Stellvertretung abwesender, beurlaubter, erkrankter oder sonst verhinderter Beamten der Justizverwaltung bleiben die be­ stehenden Vorschriften in Kraft4 vorbehaltlich nachstehender Bestimmung: Der Friedensrichter wird bei Verhinderungen, 4. Dgl. jetzt §§ 10, 62, 66, 69 u. 121 G.-B.-G. u. Bem. 5.

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welche die Dauer von sechs Wochen nicht über­ steigen, durch die Ergänzungsfriedensrichter 5 und bei deren Ermangelung oder Verhinderung durch einen benachbarten Friedensrichter vertreten. Für jedes Friedensgericht wird ein benachbarter Frie­ densrichter als ständiger Stellvertreter durch den Ersten Präsidenten des Appellationsgerichts und den Generalprokurator bezeichnet. 6 Derselbe tritt auf Anordnung des Landgerichts-Präsidenten und Oberprokurators in Thätigkeit. Wenn die Umstände es gebieten, wird von den bezeichneten Vorstands­ beamten des Appellationsgerichts ein besonderer Stellvertreter ernannt. Bei Verhinderungen, welche sechs Wochen über­ steigen, erfolgt die Bezeichnung des Stellvertre­ ters durch den Reichskanzler. 9. Der § 8 des Regulativs für die Geschäfts­ ordnung bei den Disziplinarkammern für die elsaßlothringischen Beamten und Lehrer vom 15. Januar 1875 wird durch diese Verordnung nicht berührt. 5. Vgl. Art. 3 G. 29. Bent. IX, Art. 10 G.-B.-G. 6. S. Verfügung derselben v. 22. Mai 1880. Mehrere Richter desselben Amtsgerichts vertreten sich wechselseitig, § 2 A.-B. z. G.-B.-G.

15. Mai 1875. Bekanntmachung der tlormat-Lichungs Lommifsion, betreffend die Einführung der Eichordnung vom 16. Äuli 1869 und der Lichgebühren-Tare vom 12. Dezember 1869, nebk den zu denselben bisher ergangenen abändernden und zusätzlichen Bestimmungen in Llsaß-Lothringen. G.-Bl. S. 81. I. Längenmaße.

Auf Grund des Artikels 18 der durch das Ge­ setz vom 19. Dezember 1874 in Elsaß-Lothringen

eingeführten Maß- und Gewichtsordnung vom 17. August 1868 wird hierdurch Nachstehendes bestimmt: Die Eichordnung vom 16. Juli 1869 und die Eichgebühren-Taxe vom 12. Dezember 1869, nebst den zu denselben bisher ergangenen abän­ dernden und zusätzlichen Bestimmungen treten zu dem in § 1 des Gesetzes vom 19. Dezember 1874 festgesetzten Zeitpunkt (1. Juli 1875) in der nach­ stehenden Fassung in Kraft.

ELchordmnig nebst allen zu derselben bisher er­ gangenen abändernden und zusätz­ lichen Bestimmungen, erlassen von der Normal-Eichungs-Kommission. Dom 16. Juli 1869.

Erster Abschnitt.

Vorschriften über das Material- die Gestalt, die Sezeichnnng und die sonstige Seschaffenheit der in Elsaß-Lothringen vom 1. Inti 1875 ab zur (ersten) Eichung zuznlassenden Maße und Gewichte, sowie über die von Zeiten der Eichungsstellen bei der Eichung derselben innezuhaltenden Fehlergrenzen. III. Band.

Zulässige Maße und Bezeichnung.

§ 1. Zur Eichung zulässig sind folgenden Längen: 20 10

Maße

von

Meter, Meter oder 1 Dekameter,

5 2 1 0,5 0,2 0,1

Meter, Meter, Meter, Meter oder 5 Dezimeter oder 50 Centimeter, Meter oder 2 Dezimeter oder 20 Centimeter, Meter oder 1 Dezimeter oder 10 Centimeter.

Die Bezeichnung dieser Maße muß mit den vollen Namen, die in der obigen Zusammenstel­ lung angegeben sind, geschehen. Welche der metri­ schen Bezeichnungen in den Fällen, wo in der obigen Reihe mehrere nebeneinander aufgestellt sind, anzuwenden sei, bleibt dem Belieben über­

lassen. Material, Form und Struktur der Längenmaße.

2. Sämmtliche eichfähige Maße müssen von sol­ chem Material, in solcher Form und Struktur ausgeführt sein, daß ihre Länge beim Gebrauch keine Schwankungen erleiden kann, welche die im Verkehr zu duldenden Fehlergrenzen übersteigen.

41

642

1875 (15. Mai [16. Juli 1869])

Danach sind zur Eichung zuzulassen einfache Strich- oder Endflächen-Maßstäbe, welche aus genügend hartem Material mit einem vor Ver­ biegungen hinreichend sichernden Querschnitt massiv gearbeitet sind. Bei Endflächenmaßen von Holz bis zu 0,5 Meter Länge herab sind die maß­ gebenden Endflächen durch metallene Beschläge zu schützen. Ferner sind zulässig solche aus mehreren Stücken bestehende Maße, für deren Zusammen­ fügung in derjenigen gegenseitigen Lage der beweglichen Theile, welche die normale Länge des ganzen Maßes ergibt, eine genügende Stabilität

gesichert ist. Endlich sind zulässig Bandmaße, welche aus Material von hinreichend geringer Dehnbarkeit, z. B. aus Metallblech hergestellt sind. Es ist zulässig, Maße, welche den oben aufge­ stellten Anforderungen entsprechen, auch dann, wenn dieselben Theile anderer Meßwerkzeuge bilden, zu eichen, sobald in dieser Zusammen­ setzung die Eichungsoperationen nach den ander­ weitigen Bestimmungen ausführbar sind. Die Eichung von Maßen, deren Theilungen durch hervorstehende Metallstifte markirt sind, ist zulässig, insofern die Theilungen außerdem durch Striche, welche der Mitte der Stifte ent­ sprechen, bezeichnet sind. Bandmaße mit Ringen, deren Mittelpunkte die Endpunkte des Maßes bilden, sind eichsähig, insofern die Verbindung der Ringe mit den Ma­ ßen hinlänglich solide ist und eine Stempelung zuläßt. (Zirkular 4 vom 18. August 1870 Nr. 4.) Eichung und zulässige Abweichung der Längenmaße.

3. Die Eichungsoperationen, über deren Ausfüh­ rung in der Instruktion vom 10. Dezember 1869 nähere Vorschriften ertheilt sind, haben sich bei den Längenmaßen sowohl auf die Gesammtlänge, als auf die Einteilung zu erstrecken. Zur Stempelung ist nur dann zu schreiten, wenn die Vergleichung mit den Eichungsnormalen erwiesen hat, daß die Gesammtlänge des Maßes entweder im Zuviel oder im Zuwenig eine grö­ ßere Abweichung nicht zeigt, als nachstehend unter A bestimmt ist, und daß gleichzeitig die Eintei­ lung der Vorschrift unter B entspricht. A. Die Abw eichung in der Gesammtlänge darf höchstens betragen:

1) bei metallenen Präzisions-Maßstäben (mit feiner Eintheilung), deren Genauigkeits-Angabe nur in der Nichtberücksichtigung der Temperatur bei der Anwendung ihre Grenze findet, bei einer Länge von 1 Meter: 0,1 Millimeter, bei einer Länge von 0,5 bis 0,1 Meter: 0,05 Millimeter; 2) bei gewöhnlichen Maßstäben aus Metall oder von 0,5 Meter ab aus Elfenbein, hartem Holz rc.

bei einer Länge von 2 Meter: 0,76 Millimeter bei einer Länge von 1 Meter: 0,5 Millimeter, bei einer Länge von 0,5 bis 0,1 Meter: 0,25 Millimeter; 3) bei Werk-Maßstäben aus Holz (die Enden durch Metallbeschläge geschützt) bei einer Länge von 5 Meter: 4,0 Millimeter, bei einer Länge von 2 Meter: 1,5 Millimeter, bei einer Länge von 1 Meter: 0,75 Millimeter; 4) bei Maßstäben für Langwaaren, aus Holz mit Metallbeschlägen, nur m Zentimeter getheilt bei einer Länge von 1 Meter: 1,0 Millimeter, bei einer Länge von 0,5 Meter: 0,75 Millimeter. Bei der Beurtheilung der Frage, ob ein zur Eichung gebrachter hölzerner Maßstab als ein Maßstab für Langwaaren zu betrachten sei, ist die bloße Eintheilung in Zentimeter mit Aus­ schluß kleinerer Unterabtheilungen nur dann das entscheidende Merkmal, wenn der Maßstab sonst keine Einrichtungen, z. B. einen Hand­ griff enthält, welche ihn für den Gebrauch bei Langwaaren unzweideutig kennzeichnen. Ist eine solche Kennzeichnung vorhanden, so dürfen un­ bedenklich auch solche hölzerne Maßstäbe zu den Maßstäben für Langwaaren gerechnet und dem­ gemäß bezüglich des zulässigen Fehlers behan­ delt werden, auf welchen auch noch engere Eintheilungen, z. B. in halbe Zentimeter, vorhan­ den sind. (Zirkular 10 vom 14. Dezember 1871 Nr. 1.) 5) bei zusammenlegbaren Maßen in einer Länge von 1 Meter:, 1,0 Millimeter, in einer Länge von 0,5 Meter: 0,75 Millimeter; 6) bei Bandmaßen aus Metallblech bei einer Länge von 20 Meter: 3,5 Millimeter, bei einer Länge von 10 Meter: 2,25 Millimeter, bei einer Länge von 5 Meter: 1,75 Millimeter, bei einer Länge von 2 Meter: 1,25 Millimeter, bei einer Länge von 1 Meter: 0,75 Millimeter. B.

Fehlergrenzen der Eintheilung Längenmaße.

der

Der Fehler des Abstandes irgend einer Eintheilungsmarke eines Maßes von dem nächsten der beiden Enden des Maßes darf nirgends die Hälfte der zulässigen Abweichung der Gesammt­ länge desselben übersteigen. Ausgenommen hiervon sind nur unter Nr. 1 die Präzisionsstäbe von 0,5 bis 0,1 Meter Länge, sowie die unter Nr. 4 erwähnten Maßstäbe, bei denen die Fehlergrenze für den Abstand einer Eintheilungsmarke von dem nächsten der beiden Enden gleich der Fehlergrenze der Gesammtlänge

angenommen werden darf. Stempelung.

4. Die Stempelung erfolgt dicht an den Enden des Maßes. An den mit Metallkappen versehe­ nen Enden hölzerner Maßstäbe ist der Stempel halb auf das Holz, halb auf die Kappe und außerdem auf die Endfläche der Kappe zu setzen.

1875

Wenn es nicht möglich ist, den Stempel gleichzeitig auf die Kappe und das Holz zu setzen, so wird das Holz unmittelbar an der

Kappe gestempelt. Stählerne Bandmaße sind Messingplättchen zu stempeln.

643

(15. Mai [16. Juli 1869])

auf

eingesetzten

(Zirkular 3 vom 30. Juni 1870.)

Bei aus einzelnen Theilen bestehenden Maßen ist außerdem ein Stempel auf die am Gelenk zusammenstoßenden Theile so zu setzen, daß er so­ wohl den einen als den andern Theil trifft, und bei solchen, wo dies nicht möglich ist, auf jeden der einzelnen Theile. Bei Präzinonsmaßstäben wird neben dem Stempel der Eichungsstelle noch ein sechsstrahliger Stern aufgeschlagen.

Zur Beglaubigung der eichamtlichen Prüfung der auf einem Maßstabe vorhandenen Eintheilung wird hiermit zusätzlich bestimmt, daß alle Maße, welche zwischen den maßgebenden End­ marken oder Endflächen irgend eine Eintheilung enthalten, noch mit einem Stempel zu versehen sind, welcher auf der Eintheilungsfläche möglichst nahe der Reihe der Eintheilungsmarken und der Mitte des Maßes anzubringen ist.

(Zirkular 17 vom 25. Juni 1872.)

Unter Hinweisung auf die in den §§ 5, 10 und 14 der Eichordnung bezüglich der Zulas­ sung von Hohlmaßen aufgestellten Vorschriften werden die Eichungsbeamten ausdrücklich daran erinnert, bei der Prüfung von Blechmaßen mit Sorgfalt zu untersuchen, ob dieselben aus ge­ nügend starkem Bleche hergestellt sind, um voraussichtlich den beim Gebrauche vorkommen­ den Einwirkungen den erforderlichen Wider­ stand leisten zu können. Es sind jedenfalls alle solche Maße zu verwerfen, bei denen dies nicht der Fall ist, besonders solche, bei denen der Bund, sofern er aus einem einfachen angelötheten Blechstreifen besteht, nicht namhaft stärker ist als die Blechwand des Maßes selbst. Es sind ferner solche Maße der vorerwähnten Kon­ struktionsart zurückzuweisen, bei denen der obere Rand des Bundes mit dem oberen Rande des Maßes nicht genau in einer Ebene liegt. Die Verstärkung des oberen Randes darf bei Blechmaßen auch in Form eines hohlen Bundes ausgeführt sein, sofern die Stempelung desselben ohne Beeinträchtigung der Vorschrift, daß der obere Rand in einer Ebene liegen soll, aus­ führbar ist.

(Zirkular 16 vom 12. Juni 1872 Nr. 1.) Bezeichnung.

II. Flüssigkeitsmaße. Zulässige Flüssigkeitsmaße.

5. Flüssigkeitsmaße für den öffentlichen Verkehr werden nur in folgenden Größen zur Eichung und Stempelung zugelassen: 20 Liter, 10 „ 5 „ 2 „ 1 ,, */2 oder 0,5 Liter,

V« 0,2



0,1



Vs V16 0,05 „

Vs 2

„ 0,02 „ 0,01 „

Jedes zuzulassende Maß muß so hergestellt sein, daß eine Abmessung von Flüssigkeiten inner­ halb der im Verkehr gestatteten Abweichung vom Sollinhalte durch dasselbe sicher erfolgen kann, daß es den beim Gebrauche unvermeidlich vor­ kommenden Einwirkungen genügenden Widerstand leistet und absichtlich angebrachte Verletzungen leicht erkennen läßt, übrigens auch den nachste­ henden Vorschriften in Bezug auf Bezeichnung, "Form, Material und sonstige Beschaffenheit entspricht.

6. Die Bezeichnung hat deutlich und von dem Maße untrennbar durch Angabe der Einheiten oder Bruchtheile vom Liter, die es enthält, unter Beisetzung des Wortes Liter oder des Buchstaben L zu erfolgen. Als Bruchbezeichnungen sind hier­ bei für die dezimalen Abstufungen Dezimalbrüche, für die Abstufungen nach Halbirungen gewöhn­ liche Brüche zu benutzen. Material.

7. Für den Verkehr zulässige Maße müssen aus Zinn, Weißblech, Messing oder Kupfer her­ gestellt, in den beiden letzteren Fällen aber inner­ lich mit reinem Zinn vollständig und gut ver­ zinnt sein.

Flüssigkeitsmaße aus Zinn dürfen in ihrer Masse nicht weniger als fünf Sechstheile reines Zinn enthalten; auf denselben muß der Name und Wohnort des Verfertigers angegeben sein. (Zirkular 7 vom 6. Mai 1871.) Form.

8. Maße von 2 Liter Inhalt und die nach der Halbirungstheilung abgestuften kleineren müssen in Form eines Zylinders hergestellt werden, bei dem das Verhältniß des Durchmessers zur Höhe für das 2 L.*, 1 L.- und Vs I^-Maß wie 1: 2

für das V. „

Vs „ V16 „ V3 2 „

„ „ ,, „

1:1,9 1:1,8 1:1,7 1:1,6

zu Grunde gelegt wird. Da es aber schwierig ist, bei der Herstellung solcher Maße dieses Verhält-

1875 (15. Mai [16. Juli 1869])

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niß genau inne zu halten, so sind ttt der Größe des Durchmessers Abweichungen bis zu 5 Prozent im Mehr und Weniger nachgelaffen. Größe des Maßes.

2 L. 1 ,, 7- „ 7« „ 7. „ 1 /1 6 ff */3 2 ff

Es ergeben sich hiernach für die Dimensionen dieser Flüssigkeitsmaße folgende Werthe in Milli­ metern :

Berechnete Dimensionen des Durchmessers. der Höhe.

Der zulässige Durchmesser berechnet sich zu höchstens. mindestens.

216,7 172,1 136,5 104,8 80,1 61,4 46,7

108,4 86,0 68,3 55,1 44,6 36,0 29,2

Die nach der Dezimaltheilung abgestusten Maße von 0,2, 0,1, 0,05, 0,02 und 0,01 Liter Inhalt müssen, um mit den ihnen nahe stehenden Maßen nach der Halbirungstbeilung nicht verwechselt werden zu können, in Form eines Zylinders aus­

geführt werden, bei dem der Durchmesser gleich der Höhe ist. Die Dimensionen derselben und die nachgelasse­ nen Abweichungen im Durchmesser, ausgedrückt in Millimeter, gestalten sich daher in folgender Art:

Berechnete Dimension des Durchmessers

Größe des Maßes.

0,2 0,1 0,05 0,02 0,01 Maße von Zylinder- oder drischem Halse durch welchen begrenzt wird,

L. „ „ „ „

und der Höhe.

63,4 50,3 39,9 29,4 23,4

5, 10 und 20 Liter Inhalt sind tonnensörmig mit engerem zylin­ von höchstens 10 Zentimeter Weite, der Inhalt des Maßes genauer anzufertigen.

Die Weite des Halses kann bei Flüssigkeits­ maßen von 10 und 20 Liter Inhalt, welche Zylinder- oder tonnenförmig mit engerem zylin­ drischem Halse herzustellen sind, bis zu 15 Zentimeter betragen. (Zirkular 17 vom 25. Juni 1872.) Für alle Größen sind Maße gestattet, bei de­ nen für die richtige Füllung der Flüssigkeitsspiegel mit dem oberen Rande in einer Ebene, und auch solche, bei denen er tiefer liegt. In beiden Fällen sind Ausgüsse (Schnauzen) zulässig, deren Fassungsraum einen Theil vom Fassungsraume des Maßes bildet. Im zweiten Falle kann der richtige Maßinhalt begrenzt werden: entweder durch zwei einander gegenüberliegende Abflußöffnungen, oder durch eine solche Oeffnung und einen dia­ metral gegenüberliegenden Stift (Zäpfchen), statt dessen auch zwei Stifte, um ein Drittel des Um­ kreises von der Oeffnung abstehend, angebracht werden können, oder durch zwei diametral gegenüberliegende, sowie auch durch drei gleichmäßig auf dem Um­ fang vertheilte Stifte. Die Einhaltung der vorgeschriebenen Zylin­ derform bei Hohlmaßen wird nicht in geome­ trischer Strenge verlangt. Als Grenze für die zulässigen Formabweichungen bei Hohlmaßen

103 82 64 52 42 34 28

114 90 73 58 47 38 31

Der zulässige Durchmesser berechnet sich zu:

höchstens.

60 48 38 28 22

mindestens.

66 53 42 31 25

ist anzunehmen, daß der obere und der untere Durchmesser die größte zulässige Abweichung (§ 8 und § 17 der Eichordnung) nach entgegen­ gesetzten Seiten haben dürfen.

(Zirkular 4 vom 18. August 1870 Nr. 5.) Sonstige Beschaffenheit.

9. Alle Maße, bei denen der Flüssigkeitsspiegel in der Ebene des oberen Randes liegt, müssen

an diesem äußerlich genügend verstärkt sein; dies erfolgt bei Blechmaßen durch aufgelöthete Bunde, wobei für Weißblechmaße auch ein Bund aus Zinkblech gestattet ist, oder durch einen in den umgebogenen Rand eingelegten Draht. Die Böden dürfen nicht als bloße Scheiben eingelöthet, sondern müffen mit einem umgeboge­ nen Rande versehen sein. Letzterer kann entweder die zylindrische Wandfläche nach oben gekehrt äußerlich umschließen, oder sich nach unten gekehrt an die zylindrische Wandfläche innerlich anschlie­ ßen; in beiden Fällen ist er mit der Wandfläche zu verlöthen. Die Böden sind in ebener Fläche herzustellen

und bei größeren Maßen durch äußerlich aufge­ löthete Stege zu verstärken. Ausgüsse oder Schnauzen, deren Fassungsraum einen Theil des richtigen Maßinhalts bildet, müssen bis zur vorderen Spitze in derselben Art wie die übrige Grenzfläche des Fassungsraumes verstärkt sein. Stifte oder Zäpfchen dürfen nicht eingelöthet, sondern müssen eingenietet und äußerlich mit einem Zinntropfen für die Stempelung versehen sein. Die Bezeichnung ist entweder auf dem Maße

1875

(15. Mai [16. Juli 1869])

selbst einzugraviren oder aufzuschlagen, was bei Blechmaßen auch auf einer aufgelötheten Zinn­ stelle geschehen kann, oder auf einem aufgelötheten Schilde anzulringen, welches letztere an einer Stelle durch cinen zu stempelnden Zinntropfen mit dem Maße zu verbinden ist. Bei Maßen, welche aus einzelnen durch Löthung verbundenen Theilen bestehen, sind die Löthstellen mit Zinntropfcn zur Ausschlagung des Stempels zu versehen, sofern die Löthfuge eine unmittelbare Stempelung nicht gestattet. Unzulässige Maße.

10. Unzulässig sind alle Maße, welche den vorste­ henden Vorschriften nicht entsprechen, insbesondere Maße aus Zinkblech; solche mit gewölbter Boden­ fläche; Maße mit Blechring statt der Stifte zur Begrenzung des Flüssigkeitsspiegels; Maße, bei denen der Flüssigkeitsspiegel durch den oberen Rand begrenz: werden soll, sofern die Grenzlinie nicht parallel zum Boden liegt, oder nicht in eine Ebene fällt. Flüssigkeilsmaße, bei welchen der Flüssigkeits­ spiegel in der Ebene des oberen Randes liegen soll, bei welchen aber die zu ihrer Prüfung erforderliche Auflegung einer Glasplatte in Folge besonderer Einrichtung, z. B. in Folge ungeeigneter Anbringung eines Henkels, nicht gehörig ausführbar ist, sind zur Eichung nicht zuzulassen. (Zirkular 8 vom 12. Juni 1871 Nr. 7.) Eichung und Fehlergrenze der Flüssigkeitsmaße.

11. Das Eichen hat unter Beobachtung der in der Instruktion angegebenen Vorschriften zu er­ folgen, und es kann nur dann zur Stempelung geschritten werden, wenn eine größere Abweichung von dem Eichungsnormale oder von dem Sollin­ halte im Mehr oder Weniger nicht stattfindet, als die folgende: bei Maßen von 20 L. bis 1 L. höchstens V400 des Sollinhaltes, bei Maßen von 0,5 L. bis 0,2 L. höchstens V200 des Sollinhaltes, bei Maßen von Vs L- bis 0,01 L. höchstens V100 des Sollinhaltes. Eichung der Fässer.

12. Nur solche Fässer dürfen überhaupt zur Bestimmung des Rauminhaltes zugelassen werden, welche hinsichtlich der Haltbarkeit ihrer Konstruk­ tion und ihrer sonstigen Beschaffenheit untadelhaft sind. Der Inhalt ist durch das in der Instruktion angeführte Verfahren zu bestimmen und bis auf Vaoo des Fassungsraumes mit Abrundung auf Zehntheile des Liter anzugeben. Stempelung der Flüssigkeitsmaße und Fäsier.

13. Die Beglaubigung der bis zum Rande zu füllenden Flüssigkeitsmaße erfolgt durch zwei dia­ metral gegeneinander auf oder dicht unter dem

645

Rande angebrachte Stempel, die der Maße mit Ausflußöffnungen durch Stempelung dicht unter dem untern Rande jeder solchen Oeffnung; die der Stiftenmaße durch Stempelung des äußerlich für jeden Stift vorhandenen Zinntropfens. Bei jedem aus einzelnen durch Löthung ver­ bundenen Theilen bestehenden Maße sind die auf den Löthfugen anzubringenden Zinntropfen zu stempeln; die Böden der Blechmaße an zwei dia­ metral gegenüber liegenden Stellen. Bei Blechmaßen, deren Boden die zylindrische Wandfläche äußerlich umschließt, genügt, statt der in § 13 der Eichordnung vorgeschrie­ benen Stempelung des Bodens an zwei dia­ metral gegenüberliegenden Stellen, die Auf­ bringung eines Stempels auf die Löthfuge des Bodenrandes. Bei Blechmaßen, welche aus einem Stück getrieben sind, kann die Stempelung am Boden ganz wegfallen. Zinnerne Maße sind außer mit den vor­ stehend vorgeschriebenen Stempeln noch mit einem Stempel auf der äußern Bodenfläche zu versehen. (Zirkular 14 vom 31. Januar 1872.)

Bei Fässern ist auf dem einen Boden, oder bei kleinern Fässern statt dessen auf dem Umfange, der Inhalt in Liter (bezüglich Zehntheil-Liter) unter Beisetzung des Buchstabens L, außerdem die Nummer des Eichregisters und die Jahreszahl der Eichung, sowie der Stempel der Eichungs­ stelle einzubrennen. Ist das Aufbrennen des Stempels nicht aus­ führbar (Fässer aus Metall), so hat die Stem­ pelung auf einer aufgelötheten Metallplatte, deren Verbindung mit dem Fasse ebenfalls durch Stem­ pelung zu sichern ist, zu erfolgen. (Zirkular 3 vom 30. Juni 1870.) Beim Stempeln der Fässer kann das Ein­ brennen der Nummer des Eichregisters unter­ bleiben, wenn dasselbe nicht von den Bethei­ ligten selbst zur Sicherung der Kontrole ge­ wünscht wird. (Zirkular 14 vom 31. Januar 1872.) Ob die Inhaltsangabe der Fässer blos in Liter oder auch in Zehntheil-Liter mit Weglassung und Abrundung kleinerer Bruchtheile anzugeben ist, richtet sich nach der Größe der Fässer. Die Angabe von Zehntheilen des Liter ist nur für Fässer, deren Inhalt kleiner ist als 300 Liter, erforderlich. (Zirkular 10 vom 14. Dez. 1871 Nr. 2.) Zusätzliche Bestimmungen, betreffend die Eichung und Stempelung von besonderen Meßapparaten für Flüssigkeiten, erlassen unter dem 19. März 1872, sowie betreffend die eichamtliche Ermittelung und Beglaubigung des Gewichts leerer Faßkörper (Faßtara), erlassen unter dem 30. April 1874, s. im Anhang.

1875 (15. Mai [16. Juli 1869])

646 III.

Hohlmaße

für

trockene

Gegen­

stände. Zulässige Maße.

14. Für den öffentlichen Verkehr bestimmte Maße werden nur in folgenden Größen zur Eichung und Stempelung zugelassen:

angeführten Zahlen und Brüche unter Zufügung von L. oder Liter zu erfolgen. Sofern die Bezeichnung bei hölzernen Maßen erst durch die Eichungsstelle erfolgen soll, wird sie nur durch die Buchstaben H. oder L. und die er­ forderlichen Zahlen ausgeführt. Material.

1 Hektoliter, 1/2 oder 0,5 Hektoliter, V4 Hektoliter, 20 Liter, 10 „

5

16. Die für den Verkehr zulässigen Maße können in allen gestatteten Größen von Schwarz­ blech oder Kupferblech oder von Holz angefertigt sein. Hohlmaße für trockene Gegenstände dürfen unter Voraussetzung genügender Stärke auch aus Weißblech oder aus verzinktem Blech an­ gefertigt werden. (Zirkular 7 vom 6. Mai 1871.)



2

,,

1

,r

1/2 oder 0,5 Liter, '/» 0,2 "

Form.



0,1 V.«

0,05 "

Bezüglich der allgemeinen Eigenschaften zuzulastender Maße dieser Art gelten analog dieselben Bestimmungen, wie sie in § 5 für Flüssigkeits­ maße getroffen sind. Bezeichnung.

15. Die Bezeichnung hat deutlich und von dem Maße untrennbar bei den drei größeren Maßen durch 1 H., 0,5 H. oder */a H. und */* H., wobei auch das volle Wort zulässig ist, für die kleineren Maße durch die im vorhergehenden Paragraphen Größe des Maßes.

1 H. 0,5 74 20 L. 10 5 2 1 0,5 74 7« 716

Höhe.

Berechneter Durchmesser.

383,9 304,7 241,8 224,5 178,3 141,4 104,2 82,7 65,6 52,1 41,4 32,8

575,9 457,1 362,8 336,8 267,3 212,2 156,3 124,1 98,5 78,1 62,0 49,2

Die nach der Dezimaltheilung abgestusten Maße von 0,2 L., 0,1 L. und 0,05 L. sind nur in der für Flüssigkeitsmaße derselben Größe in 8 8 vor­ geschriebenen Form aus dem daselbst angegebenen Grunde auch für trockene Körper zulässig.

Größere Maße aus Holz können in Form von Span- oder Daubenmaßen hergestellt, die kleinsten unter V2 Liter auch aus massivem Holze gedreht werden.

1. Vgl. Erl. v. 15. Febr. 1871.

17.1 Alle Maße dieser Art bis zum */i Liter herab und die nach der Halbirungstheilung abgestuf­ ten kleineren müssen in Form eines Zylinders aus­ geführt sein, bei welchem im Allgemeinen 3 zu 2 als das Verhältniß des Durchmessers zur Höhe zu Grunde gelegt ist. Da es aber bei der Herstellung solcher Maße schwierig ist, dieses Verhältniß in voller Schärfe inne zu halten, so sind Abweichungen bis zu 3 Prozent für Maße von 1 H. bis 1 L., und Abweichungen bis zu 5 Prozent für die kleineren Maße im Mehr oder Weniger gegen die richtige Dimension des Durchmessers nachgelassen. Es ergeben sich hieraus für die verschiedenen Maßgrößen folgende Durchmesser in Millimeter: Der zulässige Durchmesser berechnet sich zu: mindestens. höchstens.

593 471 374 347 275 218 161 128 103 82 65 52

559 443 352 327 259 206 152 120 94 74 59 47

Die Zulassung der aus massivem Holz ge­ drehten Hohlmaße wird bis zu einem Inhalt von höchstens 1 Liter ausgedehnt. (Zirkular 7 vom 6. Mai 1871.) Sonstige Beschaffenheit.

18. Bei allen Maßen muß der Boden mit der zylindrischen Wandfläche dicht und dauerhaft ver­ bunden sein. Maße aus Schwarz- oder Kupferblech müssen oberhalb zur Sicherung ihrer Gestalt mit einem ebenen, entsprechend breiten Rande versehen sein.

1875

Hölzerne Maße müssen gut ausgetrocknet sein. Bei Spanmaßen von 1 H. und */z H. muß — zur Sicherung der Verbindung des Bodens mit der Wandfläche, zur Erhaltung der Form im Allgemeinen und zur Leitung des Streichholzes — ein mit Boden und Wandfläche fest verbun­ dener Beschlag aus Bandeisen und ein oberhalb diametral liegender Steg angebracht sein. Die Spanmaße von 7» H., 20 L. und 10 L., sowie kleinere bedürfen des Steges nicht, die drei ersteren sind aber mit entsprechendem Beschlage zu versehen. Jede solche Art des Beschlages am unteren Rande von Spanmaßen, welche die Stempelung an den vorgeschriebenen Stellen verhindert, ist untersagt. (Zirkular 10 vom 14. Dez. 1871 Nr. 3.)

Bei Spanmaßen, welche am untern Rande mit einem Beschlage versehen sind', können die in Zirkular 10 Nr. 3 zugelassenen Aussparungen, innerhalb welcher die Stempelung zugleich auf Boden und Wandfläche erfolgen müßte, dann weggelassen werden, wenn der Beschlag des unteren Randes selbst durch Kupfer- oder Mes­ singschrauben, welche zugleich durch eine der vom Boden zum oberen Rande aufsteigenden Bandeisenschienen gehen, mit dem Boden ver­ bunden ist und die Köpfe dieser Schrauben nach Beseitigung ihres Einschnittes eine Stempelung zulassen. Bei einer solchen Einrichtung ist auch die Stempelung zweier Schraubenköpfe, welche am Umfang einander gegenüberstehen, für hin­ reichend zu erachten. Auch darf bei einer solchen Einrichtung ein Beschlag von nur zwei Band­ eisenschienen, welche sich unter dem Boden in zwei rechtwinkelig gegen einander liegenden Durchmessern kreuzen, als hinreichend erachtet werden. (Zirkular 16 vom 12. Juni 1872 Nr. 2.) für eine Maßgröße von

H. 1 20 L. 0,5 L. Vs L.

bis

H. i L. 0,2 L. 0,05 L.

*A

647

(15. Mai [16. Juli 1869])

Bei den Dauben- oder Stabmaßen sind die Dauben einzeln mit den umgelegten Eisenringen

zu verbinden. Dauben- oder Stabmaße, bei denen die Dau­ ben statt mit Eisenringen mit mehreren höl­ zernen Reifen umlegt und verbunden sind, können bis zu 5 Liter Inhalt zugelassen werden. (Zirkular 17 vom 25. Juni 1872.) Ueber die zweckmäßigste Herstellung dieser Sicherungsmaßregeln und über die Befestigung der Handhaben enthält die Instruktion ausführ­ lichere Anweisungen. Durch einen dünnen Anstrich der inneren Wandungen eines Hohlmaßes mit Anwendung von Oel oder abgekochtem Theer wird die Zu­ lassung desselben zur Eichung nicht ausge­

schlossen. Bei den hölzernen Hohlmaßen ist eine Zu­ sammensetzung der Böden aus übereinander­ liegenden Theilen nicht untersagt; nur muß die Bereinigung derselben durch Zusammenleimen oder in einer anderen, eine dauernde Verbin­ dung sicherstellenden Art erfolgen. Es empfiehlt sich hierbei, die einzelnen Lagen des Bodens mitgekreu ztem Faserverlauf übereinanderzulegen. (Zirkular 10 vom 14. Dez. 1871 Nr. 3.) Unzulässige Maße.

19. Bon der Eichung und Stempelung auszu­ schließen sind alle den vorstehenden Vorschriften nicht entsprechenden Maße. Detailbestimmungen

hierüber erhält die Instruktion. Eichung und Fehlergrenze.

20. Beim Eichen sind die in der Instruktion angegebenen Vorschriften zu befolgen, und es darf ein Maß nur dann gestempelt werden, wenn bei der Vergleichung mit dem Eichungsnormale entweder im Mehr oder Minder eine größere Abweichung von demselben oder dem Sollinhalte

nicht stattfindet als:

bei Maßen auS Metall.

bei Maßen aus Holz.

Vs oo des Sollinhaltes, 1 /4 0 0 tt VfOO tt V100 tt

V 250 des Sollinhaltes, V 200 tt tt V100 tt tt V50 tt tt

Stempelung.

21. Alle Maße aus Blech find so zu stempeln, wie dies für die Flüssigkeitsmaße gleicher Her­ stellungsart in § 13 vorgeschrieben ist. Sind Handhaben vorhanden, so ist bei jeder ein Niet zu stempeln, um zu vermeiden, daß durch An­ bringung solcher Handhaben nach dem Eichen die Form des Maßes verändert werden kann. Alle hölzernen Hohlmaße sind an drei gleich­ mäßig von einander abstehenden Stellen auf dem oberen Rande zu stempeln. Hierzu ist, wenn der volle Stempel der Eichungsstelle wegen seiner zu großen Dimension nicht verwendbar ist, der das allgemeine Eichzeichen enthaltende Stempel zu benutzen.

Auf der inneren Bodenfläche und der äußeren Wandfläche ist jedes hölzerne Maß mit dem vollen Stempel zu versehen. Zur Sicherung der Verbindung zwischen Boden und Wand sind bei hölzernen Spanmaßen drei auf dem Umfang gleich vertheilte Stempel so aufzusetzen, daß jeder auf beide zu stehen kommt. Bei Daubenmaßen sind diese Stempel so auf die innere Seite der vorstehenden Daubenenden zu setzen, daß sie dicht an der unteren Bodenfläche

stehen. Die Stempelung hölzerner Hohlmaße soll durch Einbrennen geschehen; nur auf dem oberen Rande derselben und an den Verbin­ dungsstellen von Boden und Holzwand in

648

1875 (15. Mai [16. Juli 1869])

solchen Fällen, in denen ein Beschlag des un­ teren Randes vorhanden ist, welcher nur die zu stempelnden Stellen frei läßt und dieselben zugleich umschließt, ist auch die Anwendung von Schlagstempeln (§ 78 Nr. 4 der Eichord­ nung) gestattet. (Zirkular 10 vom 14. Dez. 1871 Nr. 3.)

Wenn bei größeren Hohlmaßen aus Schwarz­ blech die Stempelung nicht unmittelbar auf den verstärkenden Blechringen ausführbar ist, so kann sie auf dem Kopfe eines Kupfer- oder Messingnietes, oder aus einem schwalbenschwanz­ förmig eingesetzten Kupferplättchen erfolgen. (Zirkular 16 vom 1. Juni 1872 Nr. 3.) Ist der untere Rand von Spanmaßen mit einem Beschlage umgeben, welcher zur Siche­ rung der unveränderlichen Verbindung von Boden und Wand mit Kupfer- oder Messing­ schrauben befestigt ist, deren Köpfe nach Ent­ fernung des Einschnittes eine Stempelung ge­ statten, so kann auf die in dem letzten Alinea des § 21 vorgeschriebene Art der Stempelung der Spanmaße verzichtet werden, und es reicht in diesem Falle die Stempelung zweier, einan­ der auf dem Umfange des Maßes entgegen­ stehender Schraubenköpfe aus. (Zirkular 17 vom 25. Juni 1872.)

Zusätzliche Bestimmungen, betreffend die Eichung und Stempelung von Maßen und Meßwerkzeugen für Brennmaterialien, sowie für Kalk und andere Mineralprodukte, erlassen unter dem 15. Februar 1871, s. im Anhänge. IV. Gewichte.

Zulässige Gewichte. 22. Gewichte für den öffentlichen Verkehr werden nur in folgenden Größen zur Eichung und Stempelung zugelassen: 50 Kilogramm, 50 Pfund, 20 Kilogramm, 10 „ 5 2 „ 1 „ 500 Gramm, */$ Pfund, 200 Gramm, 100 „ 50 „ 20 „

10 Gramm oder 1 Dekagrcmm, 5 „ 2 „ 1 . 5 Dezigramm,

5 Centigramm,

5 Milligramm,

Jedes zuzulassende Gewichtsstück muß mit einer regelmäßig verlausenden Oberfläche, an welcher eine absichtlich angebrachte Verletzung leicht er­ kennbar ist, versehen sein, den nachfolgenden Vor­ schriften in Bezug auf Bezeichnung, Form, Mate­ rial und sonstige Beschaffenheit entsprechen und übrigens so hergestellt sein, daß der Stempel der Eichungsbehörde leicht angebracht und nebst der Bezeichnung in der normalen Stellung des Ge­ wichtsstückes leicht erkannt werden kann. Bezeichnung.

23. Jedes Gewichtsstück muß deutlich und un­ trennbar die Bezeichnung seiner Schwere ent­ halten.

Bei den die regelmäßigen Abstufungen des Dezimalgewichtssystems darstellenden Stücken sind hierzu als Einheiten zulässig: das Kilogramm von 50 K. bis 0,001 K., das Gramm von 500 G. bis 0,001 G.,

das Dezigramm \ für die 1, 2 und 5fachen das Centigramm ! der so benannten Gedas Milligramm ) Wichtsstücke,

das Dekagramm für 200 G. bis 5 G.

Gewichtsstücke

von

Die Namen der fünf ersten Einheiten können abgekürzt durch die Anfangsbuchstaben K., G., v., C., M. bezeichnet werden; bei dem Dekagramm ist dies unzulässig. Zur Bezeichnung der Bruch­ theile sind nur Dezimalbrüche anzuwenden.

Die aus der dezimalen Abstufung der Kilo­ grammreihe heraustretenden Stücke von 50 Pfund und 4/2 Pfund sind nur mit der Bezeichnung 50 Pf. oder H und 4/2 Pf. oder U zu versehen. Die folgende Tabelle enthält eine Zusammen­ stellung der zulässigen Bezeichnungen nach Maß­ gabe der vorstehenden Bestimmungen:

1875 (15. Mai [16. Juli 1869]) Bezeichnung der Gewichtsstücke. Schvere

Bezeichnungen,

ds Gewichtsstücks.

von denen eine auf dem betreffenden Gewichtsstücke nothwendig und hinreichend ist.

50 Kilogramn. 50 Pfund. . 20 Kilogramn. 10 5 2 1 ff 500 Gramm. .. V2 Pfund. 200 Gramm. .. 100 „ ... 50 „ ... 20 „ ... 10 „ ... 5 „ ... „ ... 2 „ ... 1 5 Dezigramm. 2 1 5 Centigramm 2 1 5 Milligramm 2 1

50 K 50 *a oder Pf. 20 10 5 2 1 0,5

K K K K K K. oder 500 G

v2 8 oder Pf. 0,2 0,1 0,05 0,02 0,01 0,005 0,002 0,001

K. oder 200 G. K. 100 G. n K. 50 G 20 G. K. K. 10 G. K. 5 G. K. 2 G. 1 G. K. 0,5 G. oder 5 D. 0,2 G. „ 2D „ 1 D. 0,1 G. 0,05 G. „ 5 C. 0,02 G. „ 2 C. „ 1 C. 0,01 G. 0,005 G. „ 5 M. 0,002 G. „ 2 M. 0,00 t G. „ 1 M.

Die vollständige Angabe der verschiedenen Einheitsnamen

ist nicht ausgeschlossen.

Obgleich die dezimale Abstufung des Gewichts die Herstellung eines besonderen Proportio­ nalgewichtes für Dezimal- und Centesimal-

Gewichtsstücke von 10 K. - Stück bis zum 1/28-Stück inkl. herab erhalten eine Zylinder­ form, deren Höhe beit Durchmesser übersteigen

waagen als minder erforderlich erscheinen läßt, so sollen doch Gewichtsstücke, welche hinter der, ihre eigene Schwere bestimmenden, Hauptbezeichnung in Klammern das 10- oder 100fache derselben angegeben enthalten, und die sich dadurch als für Dezimal- oder Centesimalkaagen bestimmt kenn­ zeichnen, deshalb nicht von der Eichung und Stempelung ausgeschlossen werden.

muß, mit Knopf.

Material.

24. Platin, Silber, Messing, Bronze, Argentan und Metallmischungen, die in Bezug auf Härte und Oxydirbarkeit den angeführten Metallen ähn­ lich sind, können für Gewichtsstücke aller Größen, Gußeisen bis einschließlich zum 50 Grammstück herab, Aluminium für Centigramm- und Milligramrrstücke Verwendung finden. Form.

25. Für den Verkehr bestimmte Gewichtsstücke von 50 K. können entweder in Zylinderform mit Knops oder Handhabe oder, dafern sie aus Guß­ eisen bestehen, auch in Bombenform mit Hand­ habe ausgeführt werden. Für das bO K'-Stück ist nur die letztere, für das 20 L.-Stück nur die erstere Form zulässig.

Die Einhaltung der vorgeschriebenen Zylin­ derform wird nicht in geometrischer Strenge verlangt. Es genügt, bei den Gewichtsstücken darauf zu halten, daß augenfällige Abweichungen von der zylindrischen Gestalt, welche den Gesammteindruck der Dimensionen verändern, ver­ mieden werden. (Zirkular 4 vom 18. August 1870 Nr. 5.) Die Gewichtsstücke von 200 G. bis 1 G. erhalten die Form von Scheiben, welche nur bei den guß­ eisernen Gewichten von 200 G., 100 G. und 50 G. ohne Knopf herzustellen sind. Bei der Scheiben­ form darf die Höhe des Zylinders die Hälfte des

Durchmessers nicht übersteigen.

Dezigrammstücke erhalten die Form rechtwinke­ liger Blechplättchen mit aufgebogenem Rande, Centigrammstücke eine gleiche Form mit aufge­ bogener Ecke.

Außerdem sind Einsatzgewichte zulässig, bei denen die einzelnen Gewichtsstücke mit Aus­ nahme des kleinsten, massiv ausgesührten, die Form ineinander zu setzender Schalen haben,

1875

650

(15. SRai [16. Juli 1869])

deren äußerste mit einem Scharnierdeckel versehen ist und das Gehäuse bildet. Die doppelt vorhan­ denen Gewichtsstücke von gleicher Schwere müssen eine solche Form haben, daß sie mit dem nächst größeren und nächst kleineren Gewichtsstücke nicht verwechselt werden können. Das Kilogrammgewicht dieser Art besteht aus 12 Stücken von 500, 200, 100, 100, 50, 20, 10, 10, 5, 2, 2 und 1 Gramm, das Fünfhundertgramm-Gewicht aus 11 Stücken von i/z K, 100, 50, 50, 20, 10, 10, 5, 2, 2 und 1 Gramm, und das Zweihundertgramm-Gewicht aus 9 Stücken von 100, 50, 20, 10, 10, 5, 2, 2 und 1 Gramm. Jedes dieser Stücke ist vorschrifts­ mäßig zu bezeichnen.

und direkt, d. h. ohne fremdes Zwischenmittel, als Blei und dergleichen eingegossen sein. Gußeiserne Gewichte in Bomben- oder Zylinder­ form müssen oberhalb mit einem runden Justirloch versehen sein, das nach einer Höhlung führt. Dieses Justirloch muß über der Höhlung etwas enger sein als an der Oberfläche des Gewichtes und sich zwischen beiden Stellen etwas erweitern, damit der Eichpfropf sich unten aufsetzen und beim Aufstauchen in der Erweiterung ausbreiten kann, dadurch aber festgehalten wird. Ueber die Größe der tiefer liegenden Höhlung läßt sich zwar eine bestimmte Vorschrift nicht geben, es ist aber mit Rücksicht aus die nachträg­ liche Ausfüllung derselben mit Justirmaterial das rohe Gewichtsstück — bei wesentlich gleicher Größe mit einem massiven vollwichtigen Stücke — im Gusse leichter zu halten:

Sonstige Beschaffenheit.

26. Die bei größeren gußeisernen Gewichten etwa vorhandenen Handhaben müssen aus Schmiedeeisen beim

r,

50 50 20 10 5 2 1 0,5 72

Stück

um höchstens

Pf. K. rr

r, ff

ff

r,

n

H

ff

ff

ff

Pf.

Bei gußeisernen Gewichten in Scheibenform ist auf der oberen Fläche ein rundes genügend tiefes Loch zum Einsetzen des Eichpfropfs so anzubringen, daß derselbe darin sicheren Halt finden kann. !

In Folge des Vorkommens von Justirhöhlungen mit Schrotfüllungen bei gußeisernen Scheibengewichten wird hervorgehoben, daß gußeiserne Scheibengewichte von dieser Be­ schaffenheit nach § 26 der Eichordnung nicht zuzulassen sind und danach unbedingt von der Eichung zurückgewiesen werden müssen. (Zirkular 8 vom 12. Juni 1871 Nr. 8.) Der dem Gewichtsstücke für beide Arten guß­ eiserner Gewichte etwa beigegebene Pfropf soll aus Blei mit ungefähr 10 Prozent Zinnzusatz, aus Kupfer oder aus Messing (vgl. § 28) bestehen, eine dem Justirloche entsprechende Gestalt haben und so vorbereitet sein, daß nach dem Eintreiben desselben die Stempelfläche möglichst in die Fläche des Gewichtes fällt. Die Bezeichnung ist bei gußeisernen Gewichten aufzugießen. Gewichte aus anderen Metallen sind in der Regel massiv aus einem Stücke herzustellen; die Bezeichnung ist auf denselben entweder aufzugießen oder einzuschlagen oder einzugraviren.

Gewichtsstücke aus anderen Materialien als Gußeisen dürfen, wenn sie größere Hohlräume enthalten, welche ganz oder znm Theil mit einem Stoffe von anderer Schwere oder geringerem Werthe als das umschließende

300 250 200 175 150 100 80 60 45

G.,

mindestens

100 G,

Unzulässige Gewichte. 27. Bon der Eichung und Stempelung zurückzu­ weisen sind Gewichtsstücke, welche in ihrer Aus­ führung den oben gegebenen Vorschriften nicht entsprechen, daher insbesondere solche aus weichen und unbeständigen Metallen, z. B. Blei, Zinn, Zink rc. und ähnlich beschaffenen Metallmischungen; ebenso nicht gehörig abgeputzte und von Form­ sand nicht gereinigte; an der Oberfläche größere Poren oder Blasen­ räume zeigende, auch wenn diese durch Kitt, Zink, Blei rc. ausgefüllt sind; unterhalb mit einem vorspringenden Rande gegossene, oder zur Herstellung eines solchen aus­ gedrehte; mit beweglichen Handhaben, angeschraubten Knöpfen versehene; Einsatzgewichte, bei denen nicht jedes einzelne Stück die erforderliche Bezeichnung trägt.

1875

(15. Mai [16. Juli 1869])

Eichung und Fehlergrenze.

28. Die Eickungsstellen haben jedes Gewichts­ stück unter Bwbachtung des in der Instruktion angegebenen Verfahrens zu prüfen und erst dann durch den Stenpel zu beglaubigen, wenn dasselbe höchstens um die nachfolgend angegebene Größe entweder im Zuviel oder im Zuwenig von dem Eichungsnormcl abweicht: Größe des Gewichtsstückes.

50 50 20 10 5 2

K. Pf. K. „ ,, „

1 500 7. 200 100 50 20 10 5 2 1 5 2 1

Gestattete Abweichung a) bei Präzisions- b) bei gewöhnlichen Handelsgewichten. gewichten. 5 G. 25 I).

20



20



125

C.

625

M.

300 200

„ „

G. PfG. „

125



„ „ „ „ „ „ D. „

25 15

62,5 „ 50 „ 30 „

4



4 „ 25 D. 125 C. 60 „ 40 „ 25 „ 12,5 „ 10 „

651

der Eichungsstelle, bei deil kleinsten Gewichts­ stücken der Stempel verwendet, welcher das allen Eichungsstellen gemeinschaftliche Zeichen enthält. Präzisionsgewichte erhalten außerdem an ihrer oberen Fläche einen Stempel in Form eines sechsstrahligen Sternes. Es ist zulässig, bei den Gewichtsstücken, wo dies überhaupt geschehen kann, nach der ersten Eichung und bei den späteren Revisionen neben dem Beglaubigungsstempel auch die Jahreszahl aufzuschlagen. 30. Medizinalgewichte gelten als Präzisions­ gewichte im Sinne der Eichordnung. Alle die Präzisionsgewichte betreffenden Bestimmungen in der Eichordnung finden auch auf die Me­ dizinalgewichte Anwendung. (Zirkular 7 vom 6. Mai 1871 und Zirkular 11 vom 16. Dezember 1871.) 3

Zusätzliche Bestimmungen, betreffend die Eichung und Stempelung von Goldmünzgewichten, erlassen unter dem 31. Januar 1872, s. im Anhang.

6





ö





3



10



2



6



3

.,

Zulässige Gasmesser.

2



1 1 1

,, „ „

43. Zur Eichung und Stempelung sind solche Gasmesser zuzulassen: welche die Gasmenge nach Kubikmeter bestim­

Bei Präzisionsgewichten von 5 C. bis 1 M., die einzeln möglichst genau herzustellen sind, ist für je 4 Stück zusammen, welche die nächst höher stehende Einheit bilden, eine Abweichung bis zu Vtoo der Sollschwere dieser Einheit gestattet. Bei gewöhnlichem Handelsgewichte darf für ein 5 0 -, zwei 2 G.- und ein 1 G.-Stück zusammen, die einzeln möglichst genau herzustellen sind, eine größere Abweichung als 5 C. nicht stattfinden. 2 Der Eichpsropf besteht bei den Präzisionsgewichten aus Messing, bei den gewöhn­ lichen Handelsgewichten aus Kupfer,oder aus Blei mit etwa 10 Prozent Zinnzusatz. Stempelung.

29. Mit Eichpfropf versehene Gewichtsstücke erhalten den Stempel der Eichungsstelle auf der Oberfläche dieses Pfropfs, massive Gewichte aus Messing, Bronze u. dergl. in Zylinder- oder Scheibenform auf der in der normalen Stellung des Gewichtes nach oben gekehrten Fläche, sowie auf der Bodenfläche, dergleichen Stücke in Form von Blechplättchen nur auf der oberen Fläche. Die einzelnen Theile der Einsatzgewichte werden auf der inneren und äußeren Bodenfläche ge­ stempelt. Soweit dies die Größe der zu stempelnden Fläche erlaubt, wird hierzu der volle Stempel 2. Vgl. die Zusatzbestimmung der Bkm. v. 25. März 1878.

Zweiter Abschnitt.

Vorschriften über Waagen nnd sonstige Meßwerkzeuge. *

III. Gasmesser.

men, bei denen die Messung des Gases durch eine rotirende, zum Theil in Wasser oder eine andere Flüssigkeit eintauchende Blechtrommel (nasse Gasmesset), oder durch ein System von trockenen Kammern mit beweglichen Wänden (trockene Gasmesser) erfolgt, und welche mit den zur Erreichung einer sicheren Abmessung erforderlichen Einrichtungen versehen

sind. Beschaffenheit der Gasmesser. A. Nasse Gasmesser.

44. Die um eine horizontale Achse rotirende Trommel darf nicht ohne Verletzung des anznbringenden Stempels zugänglich sein, und sie muß sich in einem gasdichten Gehäuse befinden, welches zugleich als Gas- und Flüssigkeitsbehälter dient; Jedes zum Zuführen oder Abführen von Flüssigkeit bestimmte Rohr muß mit einem gasdichten hydraulischen Abschlüsse versehen sein; (Zirkular 23 vom 28. Juni 1873.) der oberhalb des Flüssigkeitsspiegels liegende, gasfassende Theil der Trommel muß dadurch zu einem möglichst unveränderlichen Kubikinhalte ge­ bracht werden, daß der, diesen Fassungsraum be3. Vgl. Bkm. v. 17. Juni 1875. 4. Die §§ 31-39 (Waagen) und 40-42 (Alkoholometer und dazu gehörige Thermometer) sind aufgehoben und ersetzt durch den elften Nachtrag v. 6. Sept. 1880.

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grenzende Flüssigkeitsspiegel sowohl überhaupt, als in seiner Lage gegen die Trommelachse kon­ stant erhalten werden kann. Jeder Gasmesser muß derart eingerichtet sein, daß demselben bei seiner Aufstellung zum Zweck des Betriebes und für die Dauer des letzteren hinreichend genau diejenige Stellung gesichert werden kann, welche er bei der Eichung auf einer horizontalen Ebene einge­ nommen hat. (Zirkular 23 vom 28. Juni 1873.) B. Trockene Gasmesser.

Die messenden Kammern und Ventile müssen von einem gasdichten Gehäuse umschlossen sein und vollkommen gasdichte, leicht bewegliche Scheide­ wände haben, welche so angeordnet sind, daß sich Wassersäcke, durch die der Fassungsraum verändert wird, nicht bilden können.

Ad A und B. Bei nassen und trockenen Gasmessern muß die Summe der messenden Räume (resp, der Trommel oder der Kammern) bei einem Gasdruck von 40 Millimeter Wassersäulenhöhe zu dem Kubik­ meter in einem Verhältniß stehen, welches durch den Zählapparat genau wiedergegeben wird. Beschaffenheit des Zählwerks.

45. Es muß das Zählwerk (die Gasuhr) so ange­ bracht sein, daß es * nicht ohne Verletzung des Stempels (§ 48) zugänglich ist, und es dürfen die einzelnen Scheiben nur Zahlen enthalten, welche die abzumessende Gasmenge nach Kubik­ meter bestimmen (wobei jedoch nicht ausgeschlossen ist, kleinere Raumtheile als das Kubikmeter nach Bruchtheilen desselben, oder nach Liter zu registriren, die dann mit diesen Bruchtheilen oder mit dem Buchstaben L. auf den Zifferblättern zu be­ zeichnen sind).

Besitzt ein Gasmesser zwei Flüssigkeitsstandund Abführungsrohre, so darf die Stempelung desselben nur dann stattfinden, wenn die auf­ einanderfolgenden Prüfungen bei jedem der durch die beiden Flüssigkeitsstandrohre begrenz­ ten Flüssigkeitsstände ergeben, daß in keinem Falle das durch die Trommel wirklich durchge­ gangene Volumen von dem durch das Zähl­ werk registrirten um mehr als 2 Prozent im Sinne des Zuviel oder Zuwenig abweicht. (Zirkular 23 vom 28. Juni 1873.) Stempelung.

48. Die Beglaubigung erfolgt durch mehrfaches Ausschlagen oder Ausdrücken des Stempels so, daß die Trennung der Theile, aus denen das umschließende Gehäuse besteht, eine Oeffnung des Zählwerks oder eine Abtrennung des Schildes, dafern auf einem solchen die im § 46 erwähnten Bezeichnungen aufgetragen sind, nicht ohne Ver­ letzung der Stempel erfolgen kann. Auf diejenige Stempelung, welche die Ver­ hinderung einer Oeffnung und einer Abnahme des Zählwerks zum Zweck hat, darf nur bei den sogenannten Stationsgasmessern, d. h. bei Gasmessern von 150 Liter und größerem In­ halte des messenden Raumes, welche überdies keine Vorkammer haben, verzichtet werden. Alle Einrichtungen, welche den normalen Flüssigkeitsstand bei nassen Gasmessern begren­ zen, müssen, sofern sie nicht so beschaffen sind, daß willkürliche Veränderungen dieser Begren­ zung nach der Eichung und Stempelung aus­ geschlossen sind, durch Löthung und Stempelung oder durch gestempelte Plombirung gegen der­

artige Veränderungen gesichert werden. (Zirkular 23 vom 28. Juni 1873.) Dritter Abschnitt. 5

Normale.

Bezeichnung.

Arten der Normale.

46. Auf jedem Gasmesser muß untrennbar von demselben angegeben sei: der Name und Wohnort des Verfertigers, die laufende Fabriknummer, der Inhalt des messenden Raumes in Liter in der Form J = ... L., das größte Gasvolumen, welches derselbe pro Stunde durchzulassen bestimmt ist, in Kubikmeter in der Form V = . . . Kub. Met. Auf dem Zählwerke muß angegeben sein, daß es nach Kubikmeter registrirt.

49. Die Normale sind: I. Eichungsnormale und zwar: a) Gebrauchsnormale, nach denen die Richtigkeit der Verkehrsgegenstände bei den

Prüfung und Fehlergrenze.

47. Die Prüfung der Gasmesser erfolgt nach Maßgabe der in der Instruktion enthaltenen Vor­ schriften, und die Stempelung kann nur stattfin­ den, wenn das beobachtete Volumen von dem durch das Zählwerk registrirten um nicht mehr als 2 Prozent im Sinne des Zuviel oder Zuwenig abweicht.

Eichungsarbeiten beurtheilt wird; b) Kontrolnormale, welche zur Berichti­ gung der Gebrauchsnormale an der Eichungsstelle dienen. II. Hauptnormale, nach denen die Auf­ sichtsbehörden der Eichungsstellen die Kontrolnor­ male richtig erhalten; III. Kopien des Urmaßes und Ur­ gewichtes, welche bei der Herstellung und

Richtighaltung der Hauptnormale dienen. Maße und Gewichte, welche bezüglich ihrer Genauigkeit mit den Gebrauchsnormalen, Kontrolnormalen oder Hauptnormalen übereinstim-

5. Vgl. den Nachtrag in der Bkm. v. 25. März 1878.

1875 (15. Mai mem sollen, können von der Normal-EichungsKommission und von den Aufsichtsbehörden, von letzteren, soweit sie nach §§ 55 und 60 der Eichordnung zur Herstellung derselben befugt sind, geliefert oder von den genannten Behör­ den auf die für die angeführten Normale zu­ gelassenen Fehlergrenzen untersucht werden. Die Bezeichnung und Beglaubigung erfolgt wie bei den für Eichungsbehörden bestimmten Normalen. Die vorstehenden Bestimmungen gelten auch bezüglich der Waagen und der die Normale ersetzenden und ergänzenden Apparate. (Zirkular 3 vom 30. Juni 1870.)

Besondere Bestimmungen, betreffend die Prü­ fung von Kornschalen in der Genauigkeit der Gebrauchsnormale für Flüssigkeitsmaße, sind im Zirkular 19 vom 23. Oktober 1872 getrof­

fen worden. (Nähere technische Erläuterungen über die Prüfung der Normale und Ergänzungen der in den folgenden Paragraphen enthaltenen Be­ stimmungen über die Genauigkeit derselben sind im Zirkular 12 vom 28. Januar 1872 gege­

ben.)

I. a) Gebrauchsnormale. Allgemeine Bestimmungen.

50. Bei jeder Eichungsstelle müssen für jeden Zweig des Eichungsgeschäftes, welche dieselbe ausübt, die nachfolgend angegebenen Gebrauchs­

normale vorhanden sein. Sie dürfen in Bezug auf Material, Gestalt, Bezeichnung und sonstige Beschaffenheit von den im Verkehr zulässigen Stücken ihrer Art nicht im ungünstigen Sinne abweichen und sind durch zwei Sterne (für Präzisionsmaße und Präzi­ sionsgewichte durch drei Sterne) zu kennzeichnen. Sie können von der sie gebrauchenden Eichungs­ stelle selbst hergestellt werden, soweit dieselbe hierzu die Einrichtung besitzt, oder werden ihr von der Aufsichtsbehörde geliefert. Nur von der Aufsichtsbehörde dürfen geliefert werden die Ge­ brauchsnormale für trockene Hohlmaße von V2 H., weil für diese nach § 58 keine Kontrolnormale vorhanden sind und deshalb die Gleichförmigkeit und Mustergültigkeit der Ausführung der Ge­ brauchsnormale in höherem Grade erfordert ist. — Dafür, daß die Gebrauchsnormale mit den Kontrolnormalen in der vorgeschriebenen Ueber­ einstimmung fortdauernd erhalten werden, ist die Eichungsstelle verantwortlich. Gebrauchsnormale für Längenmaße.

51. Ein Metermaßstab als Strichmaß aufMessing, durchgehends in Zentimeter, und auf der Länge von einem Dezimeter in Millimeter getheilt. Ein Holzmaßstab von quadratischem Quer­ schnitt, 16 bis 20 Millimeter stark, von 1 Meter Länge, in Millimeter "getheilt.

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Ein solcher von 2 Meter Länge, 20 bis 25 Millimeter stark, in Zentimeter getheilt. Ein Metermaßstab von Stahl mit Anschlag, in Zentimeter getheilt. Ein Bandmaß aus Stahl von 20 Meter Länge, in Dezimeter getheilt. Die Abweichung dieser Gebrauchsnormale von den Kontrolnormalen oder von den mit Anwen­ dung der Kontrolnormale gemessenen Größen darf höchstens zwei Fünstheile des im § 3 ange­ gebenen Fehlers betragen, durch dessen Ueberschreitung die mit ihnen zu vergleichenden Ge­ brauchsmaße stempelunsähig werden. Gebrauchsnormale für Flüssigkeitsmaße.

52. Ein Satz Flüssigkeitsmaße von 2 L. bis 4/32 L. und 0,2 L. bis 0,01 L. nach den in § 5 angegebenen Abstufungen aus hartgelöthetem und gehämmertem Kupferblech mit ver­ stärktem und abgeschliffenem Rande, nebst zuge­ hörigen plangeschliffenen Glasplatten,

oder ein Satz gläserner Flaschen (Eichkolben) mit engem zylindrischem Halse in den vorher er­ wähnten Abstufungen, von denen jede etwa in der Mitte des Halses eine Marke für den Wasser­ spiegel, bei richtiger Füllung und über und unter derselben die Angabe des nach § 11 zulässigen größten Fehlers, außerdem aber die erforderliche Angabe des Fassungsraumes enthält. Die Abweichung dieser Gebrausnormale von den zugehörigen Kontrolnormalen oder, dafern sie durch Gewichtsbestimmung des ihren Fassungs­ raum füllenden Wassers richtig gestellt worden sind, von dem Sollinhalte, darf höchstens zwei Fünftheile des in § 11 zugelassenen größten Fehlers betragen. Gebrauchsnormale für Hohlmaße zu trockenen Körpern.

53. Ein Satz Hohlmaße von 4/2 H. bis 4/16 L. nach den in § 14 angegebenen Abstufungen, von 4/r H. bis 2 L. inkl. von genügend starkem ver­ zinntem Eisenblech, die kleineren aus Kupferblech, hart gelöthet und gehämmert, mit verstärktem und abgeschliffenem Rande, nebst zugehörigen plange­ schliffenen Glasplatten. Ein Satz Fehlergläschen, durch welche die für die einzelnen Maße nach § 20 noch nachgelassenen Fehlergrößen angegeben werden. Bezüglich der Richtigkeit dieser Gebrauchsnor­ male gilt dieselbe Vorschrift wie in § 52, mit Uebertragung auf die in § 20 für die metallenen Hohlmaße angegebenen Fehlergrenzen. Gebrauchsnormale für Gewichte.

54. a) Für Präzisionsgewicht. Ein Satz Gewichte von 50 K. bis 1 M. nach der in § 22 angegebenen Stückelung in einer solchen Genauigkeit, daß jedes Stück von 50 K. bis 1 D. nur um höchstens zwei Fünftheile des nach § 28 bei der Eichung von Präzisionsge­ wichten noch zulässigen Fehlers von dem zuge­ hörigen Kontrolnormal abweicht.

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Zwei Sätze Fehlergewichte aus Argentan in Form viereckiger Plättchen, die größeren mit Knopf, die kleineren mit aufgebogenem Rande, in besonderem Etui mit Pincette, von welchen jedes der in § 28 in Kolumne 2 angegebenen Gewichtsstücke von 25 D. bis 1 M. herab, soweit dies seiner Größe nach ausführbar, mit der Be­ zeichnung des Stückes, dessen zulässigen Fehler es angibt, und außerdem mit einem sechsstrahligen Stern versehen, und höchstens mit dem nach § 28 für seine Schwere als Präzisionsgewicht zulässigen Fehler behaftet ist. Es sind hier zwei gleiche Sätze vorgeschrieben, um durch Verwendung zweier gleicher Stücke aus beiden Sätzen die Abweichung leicht bestimmen zu können, welche ein Gewichtsstück im Verkehr noch zeigen darf. b) Für Medizinalgewicht. Es genügen in dem Falle, wenn eine Eichungs­ stelle nicht für Präzisionsgewichte in voller Aus­ dehnung eingerichtet sein, sondern nur Medizi­ nalgewichte eichen soll, die unter a angegebenen Gewichtsstücke vom 200 G.-Stück abwärts. c) Für gewöhnliches Handelsgewicht. Ein Satz Gewichte von 50 K. bis 1 M., deren Abweichung von den zugehörigen Kontrolnormalen höchstens zwei Fünftheile der beim Eichen von Handelsgewichten in § 28 nachgelassenen Fehlergrenze betragen darf. Zwei Sätze Fehlergewichte aus Messing von 5 G. bis 2 C. in der Art ausgeführt, wie dies unter a für Fehlergewichte angegegeben wurde, nur daß die einzelnen Stücke noch mit einem Fehler behaftet sein können, welcher durch die Fehlergrenzen der Stücke des Handelsgewichtes angegegeben wird, mit denen die Fehlergewichte gleiche Schwere haben.

I. b) Kontrolnormale. Allgemeine Bestimmungen.

55. Jede Eichungsstelle muß mit den zur Richtighaltung ihrer Gebrauchsnormale erforder­ lichen Kontrolnormalen versehen sein. Die einzelnen Stücke gleichen im Allgemeinen -in Bezug auf Form und Bezeichnung den für den Verkehr bestimmten Gegenständen derselben Art, entsprechen in Bezug auf Material und Herstellungsart den nachstehend gegebenen Vor­ schriften, werden nicht gestempelt, aber von der Behörde, welche sie hergestellt und geprüft hat, mit Beglaubigungsscheinen versehen, in denen attestirt ist, daß sie innerhalb der nachstehend angegebenen Fehlergrenzen richtig sind. Die Kontrolnormale werden theils einzeln, theils in geeigneten Gruppen zusammengeordnet, in verschließbare Etuis eingesetzt, auf denen sich rin Schild mit der Bezeichnung „Kontrolnormale" und der Angabe des Inhaltes, sowie der Stem­ pel der Behörde befindet, welche die Beglaubigungsscheine ausgestellt hat.

[16. Juli 1869]) Zur Herstellung und Beglaubigung befugt sind außer der Normal-Eichungs-Kommission die Auf­ sichtsbehörden, welche im Besitze der Hauptnor­ male sich befinden, und mit der sonst hierzu erfor­ derlichen Einrichtung ausgerüstet sind. Die Richtighaltung der Kontrolnormale liegt den Aufsichtsbehörden ob, und zwar einer jeden Aufsichtsbehörde für die Eichungsstellen ihres Bezirkes. Kontrolnormale für Längenmaße.

56. Ein Metermaßstab als Strichmaß auf Messing, durchgehends in Centimeter, und, auf der Länge von einem Dezimeter in Millimeter getheilt. Ein Stahlstab von 2 Meter Länge als End­ flächenmaß in gleicher Weise getheilt. Die Abweichung von der Solllänge darf nicht mehr als 0,02 Millimeter bei dem ersten und 0,1 Millimeter bei dem zweiten betragen. Kontrolnormale für Flüssigkeitsmaße.

57. Ein Satz von 2 L. bis 4/32 L. und 0,2 L. bis 0,01 L. entweder aus Kupferblech, hart gelöthet und gehämmert, oder aus gezogenen Messingröhren mit eingelöthetem Boden und ver­ stärktem, abgeschliffenem Rande hergestellt, nebst zugehörigen Glasplatten. Die Abweichung des einzelnen Stückes vom Sollinhalte darf höchstens Vio der im § 11 beim Eichen nachgelassenen Abweichung betragen. Kontrolnormale für Hohlmaße zu trockenen Körpern.

58. Ein Satz Hohlmaße von */4 H. bis 5 L. aus Kupferblech, hart gelöthet und gehämmert, mit eingelöthetem Boden und verstärktem abge­ schliffenem Rande, nebst den dazu gehörigen Glasplatten; für die Kontrole der kleineren Ge­ brauchsnormale dienen die in § 57 ausgeführten Kontrolnormale. Die Abweichung des einzelnen Stückes vom Sollinhalte darf höchstens */io der nach § 20 beim Eichen der metallenen Hohlmaße nachge­ lassenen Abweichung betragen. Kontrolnormale für Gewichte.

59. 6 Stücke, nämlich von 20, 20,10, 5, 2,1 K., welche für Eichungsstellen, die zur Eichung von Präzistonsgewichten im vollen Umfange einge­ richtet sind, aus Messing, für die übrigen aus Gußeisen mit Messingpfropf herzustellen sind; 10 Stücke, nämlich von 500, 200, 100, 50, 20, 10, 5, 2, 1, 1 G. aus vergoldetem Messing; 10 Stücke, nämlich von 500, 200, 100, 50, 20, 10, 5, 2, 1, 1 M. aus Platin hergestellt. Die Gewichtsstücke dürfen einzeln um nicht mehr als Vio der beim Eichen von Präzisions­ gewichten gleicher Schwere gestatteten Abweichung von der Sollschwere unterschieden sein.

II. Hauptnormale. Allgemeine Bestimmungen.

60. Jede Aufsichtsbehörde niuß zur Richtighältung der Kontrolnormale bei den Eichungsstellen

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1875 (15. Mai [16. Juli 1869]) ihres Bezirks die nachfolgend angegebenen Haupt­ normale besitzen. In Bezug auf Form, Bezeichnung, Beglaubi­ gung und Aufbewahrung in besonderen Etuis mit der Aufschrift „Hauptnormale" gelten hier dieselben Bestimmungen, wie für die Kontrolnormale (vgl. § 55), nur daß in den Beglaubigungs­ scheinen die bei jedem Stücke vorhandene Ab­ weichung von der Sollgröße ihrem Betrage nach anzugeben ist. Auch sind die Hauptnormale mit einer Bezeichnung zu versehen, durch welche die Zugehörigkeit zum Beglaubigungsscheine gesichert ist-

Die Abweichung von der Sollgröße darf bei keinem Stücke größer sein, als sie nach den vor­ her angegebenen Bestimmungen für das ent­ sprechende Stück der Kontrolnormale zugelassen

ist. Zur Herstellung und Beglaubigung befugt sind außer der Normal-Eichungs-Kommission nur solche Eichungsbehörden, welche beglaubigte Kopien des Urmaßes und Urgewichtes besitzen und mit der sonst hierzu erforderlichen Einrichtung ausgerüstet sind. Dieselben haben von jedem Beglaubigungs­ scheine eine Kopie an die Normal-Eichungs-Kommission einzusenden.

Die Vergleichung der Hauptnormale auf ihre fortdauernde Richtigkeit wird in längeren Zeit­ räumen von der Normal-Eichungs-Kommission vor­ genommen. Hauptnormal für das Längenmaß.

61. Ein Metermaßstab als Strichmaß auf Messing, durchgehends in Zentimeter, und auf der Länge von einem Dezimeter in Millimeter getheilt.

ZIL

des Urmaßes gewichtes.

Kopien

und

Ur­

Allgemeine Bestimmungen.

64. Kopien des Urmaßes und Urgewichtes werden von der Normal-Eichungs-Kommission für diejenigen Aufsichtsbehörden der Eichungsstellen angefertigt, welche sie zu erhalten wünschen. Sie werden mit einem Beglaubigungsschein versehen, aus welchem das bei der Vergleichung befolgte Verfahren, sowie die Abweichung zu er­ sehen ist, welche gegen das verglichene Original noch stattfindet, und in verschließbare Etuis ein­ gelegt, deren Schild den Stempel, die Bezeichnung des Inhalts, die fortlaufende Nummer und das Jahr der Anfertigung enthält. Kopien des Urmaßes.

65. Kopien des in Artikel 2 der Maß- und Gewichts-Ordnung bezeichneten Urmaßes werden zu dem vorliegenden Zwecke in Form eines Strichmaßes auf einem Messingstabe von qua­ dratischem Querschnitte in 25 Millimeter Stärke hergestcllt, in welchen, zur Auftragung der beiden die Länge des Meters begrenzenden Striche, die in einer durch die Achse des Stabes gelegten Ebene gezogen sein müssen, Silberstifte eingelassen sind. Der Stab wird mit einer Nummer bezeich­ net, mit einer Eintheilung jedoch nicht versehen. In dem auf die betreffende Nummer lautenden Beglaubigungsschein wird außer dem bei der Vergleichung befolgten Verfahren die Temperatur angegeben, bei welcher die aus der Vergleichung sich ergebende noch vorhandene Abweichung zwischen Original und Kopie stattfand, sowie der Ausdehnnngs-Koeffizient der Kopie. Kopien des Urgewichtes.

Hauptnormale für Hohlmaße.

62. Maße von 2,1,