Rede zum zweitundertsten Geburtstag Friedrich Hölderlins [Reprint 2021 ed.] 9783112583746, 9783112583739


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Rede zum zweitundertsten Geburtstag Friedrich Hölderlins [Reprint 2021 ed.]
 9783112583746, 9783112583739

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Sitzungsberichte des Plenums und der problemgebundenen Klassen der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin

Walter Dietze

Rede zum zweihundertsten Geburtstag Friedrich Hölderlins

AKADEMIE-VERLAG BERLIN

2 1970

Sitzungsberichte des Plenums und der problemgebundenen Klassen der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin

Jahrgang 1970 • Nr. 2

Walter Dietze

REDE ZUM ZWEIHUNDERTSTEN GEBURTSTAG FRIEDRICH HÖLDERLINS

AKADEMIE-VERLAG•BERLIN 1970

Vortrag von Herrn Walter Dietze, gehalten im Plenum der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin am 19. März 1970

Herausgegeben im Auftrage des Präsidenten der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin von Vizepräsident Prof. Dr. Werner Hartke

Erschienen im Akademie -Verlag GmbH, 108 Berlin, Leipziger Str. 3—4 Copyright 1970 by Akademie-Verlag GmbH Lizenznummer: 202 • 100/290/70 Umschlaggestaltung: Rolf Kunze Herstellung: IV/2/14 VEB Werkdruck, 445 Gräfenhainichen • 3513 Bestellnummer: 2010/70/V/2 • ES 7 E EDV 751 828 8 2,90

,Der Vollendung Ahndungen. .

Ungeheuerlich sind die Ansprüche, die Hölderlin stellt: an Mitwelt und Nachwelt, an die Poesie, an sich selbst. Dies Anspruchsvolle bewirkt in allen seinen Dichtungen unwandelbar einen tiefen Ernst, der sich immer wieder in Maximen, Axiomen, Postulaten kundtut; für Scherz, Ironie und Bonmot ist kein Platz, undenkbar die Devise, hier würden aus großen Schmerzen kleine Lieder gemacht. Folge dieser Ernsthaftigkeit wiederum war, daß viele Dichtungen Hölderlins die ihr gemäßen, potentiell vorhandenen Adressaten nicht fanden, nicht zu erreichen vermochten. Es scheint, als ob berühmte Sätze, die Ludwig Börne 1825 in einer Denkrede sprach, nicht auf Jean Paul, sondern auf Hölderlin gemünzt seien: „Nicht allen hat er gelebt! Aber eine Zeit wird kommen, da wird er allen geboren, und alle werden ihn beweinen. Er aber steht geduldig an der Pforte des zwanzigsten Jahrhunderts und wartet lächelnd, bis sein schleichend Volk ihm nachkomme." Indessen giltfürihnnichteinmal diese Prophezeiung. SeinNachruhm begann spät und zudem als Mißdeutung. Im neunzehnten Jahrhundert war Hölderlin lange vergessen, im Bewußtsein seines Volkes tot, für die Wissenschaft noch kaum entdeckt; schulebildend in der eigenen und ausstrahlend auf fremde Literatur hat er nicht gewirkt. Die erste brauchbare Ausgabe seiner Schriften, damals eine Pionierleistung, inzwischen längst veraltet, lag erst 1923 vor. Weitere Ausgaben folgten, auch Neuentdeckungen verschollener Werke, wissenschaftliche Studien, Rezeptionsvorgänge. Sogleich aber war unvermeidlich, daß eine ideologiegeschichtliche Verkehrung eintrat, verhängnisvoll, durchschlagend wirksam: spätbürgerliches Denken deutet den progressiven Anspruch regressiv. Losgelöst vom historischen Ort seines Wollens und Vollbringens erscheint der Vergessene jetzt als „vates", als orphisch-dunkel raunender Sänger, als Prophet eines „neuen Gottes" und einer irrationalen Religiosität. Das beginnt, nicht des Stabreims, sondern der Ideologie wegen, bei George und Gundolf, kommt dann, nach Zwischenstufen, zu Heidegger und über die fleideggerei auf den braunen Hund, ist aber, was die religiöse und metaphysische Akzentuierung angeht, auch heute noch nicht abgegolten.

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Dabei kann von Religiosität angesichts dieses Lebenswerkes nur in höchst spezifischer Weise die Rede sein, von Metaphysik gar nicht. Hölderlins „Götter", die so oft angerufenen, sind im Frühschaffen nichts anderes als Allegorien aufklärerischer Ästhetik: versinnlichte, personifizierte Totalvorstellungen, wie sie von Sulzer etwa oder von Mendelssohn im Kanon zeitgenössischer Poetik gefordert wurden. Später ändert sich das. J e vielgestaltiger und kompakter sich Welt- und Geschichtsbild des Dichters formen, desto mehr rücken seine Vorstellungen von Göttlichkeit in die Nähe von historischen Tendenzen und Gesetzmäßigkeiten, identifizieren sich mit den Begriffen des Schicksals und der Notwendigkeit und lassen — als Denkmodell — eine gewisse Parallelität zu Goethes Auffassung vom „Dämonischen" erkennen, mit der ja bekanntlich, von idealistischem Ausgangspunkt her, nicht weniger interpretatorisches Schindluder getrieben wurde. Dabei erweist sich solche „Götter"-Bildnerei nicht nur durchweg polytheistisch oder pantheistisch, sondern häufig genug auch aggressiv anthropozentrisch, da, wie es im „Hyperion" gleichsam zusammenfassend für viele lyrische Sentenzen heißt, „der Mensch ein Gott ist, sobald er Mensch ist". So wird die göttliche Natur zur Natur des Menschen, und umgekehrt. Mit Fideismus hat das alles überhaupt nichts zu tun, geschweige denn mit Christentum, und die Figur des Nazareners vermag hier folgerichtig keine andere Funktion auszufüllen als die degradierte eines Halbgotts im Gefüge antiker Mythologie, in einem sehr irdischen Himmel. Auch ist es ganz falsch, Hölderlin als Gefangenen der Metaphysik zu sehen, wenn damit ausgedrückt werden soll, sein Denken richte sich aufs Ubernatürlich-Jenseitige und verfahre isoliert, vereinzelt und starr. Konträr nämlich: er war Dialektiker. Nicht nur innerhalb seiner genau ausgearbeiteten, klar durchdachten poetischen Systematik (wo er drei Charaktertypen ästhetischer Empfänglichkeit, und ihnen zugeordnet, drei „Töne" — drei Ausdrucksarten — dichterischen Vermögens unterscheidet, die im „Wechsel", wie er sich ausdrückt, miteinander korrespondieren, sich im Widerspruch entwickeln) — er war auch Dialektiker, idealistischer Dialektiker, versteht sich, im Erkenntnistheoretischen und Geschichtsphilosophischen. Leider hat sich, durchaus nicht nebenbei gesagt, die marxistische Philosophiegeschichtsschreibung dieses erstaunlichen Sachverhalts bislang nur zögernd bemächtigt, in dem vieles geradezu danach schreit, vom Kopf auf die Füße gestellt zu werden. Als gesichert gelten kann Hölderlins Mitarbeit am „Altesten Systemprogramm des deutschen Idealismus"; offen zutage tritt sein dialektisches Herangehen an entwicklungsgeschichtliche Fragestellungen in dem Essay „Das Werden im Vergehen"; und welthistorische Betrachtungen unterbreitet das Fragment eines fiktiven Zwiegesprächs (dessen Verfasserschaft nicht ganz eindeutig erwiesen ist) mit dem für das deutsche achtzehnte Jahrhundert unglaublichen Titel

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„Communismus der Geister". Dies alles stellt nur eine kleine Auswahl aus den Prosaschriften dar, vermag nur anzudeuten, welch reiches und schwieriges Erbe hier noch angetreten werden muß; was Philologenfleiß und Philosophenschweiß bisher dazu ermittelten, hat den Rang von Vorarbeiten, mitunter nicht einmal diesen. Wir wissen nicht zuverlässig — noch nicht, wie zu hoffen steht —, wieviel vom philosophischen Denken Hölderlins autonome geistige Leistung sein mag, wieviel davon Bildungsgut, ausgeplaudertes und gierig erhaschtes Schulgeheimnis klassischer deutscher Philosophie. Immerhin ist der Dichter drei Generalrepräsentanten dieser Bewegung persönlich begegnet und hat einen vierten, Kant, um 1790 tiefgründig studiert. Fichte, den er im Jenenser Auditorium erlebte und als Kämpfer für die Menschenrechte hochschätzte, hat mächtig auf ihn eingewirkt. Mit Schelling und Hegel verband ihn eine enge, voller Hingabe gelebte Jugendfreundschaft — mit dem jungen Schelling also, der die Marseillaise ins Deutsche übersetzt hatte, und mit dem jungen Hegel, der damals als „derber Jakobiner'' galt. (Doch einmal nebenbei gefragt: warum eigentlich ist dieses Triumvirat in der Tübinger Stiftsstube und diese explosive geistige Aufbruchsituation vor dem Gewitterhimmel der Klassenkämpfe in Frankreich noch nie zum Gegenstand einer literarisch-künstlerischen Darstellung gemacht worden? Hier wird ein Autor gesucht für ein großes, höchst aktuelles Thema!) Und frappierend ist nicht allein die auffällige Kongruenz politischer Maximen Hölderlins und verfassungsrechtlicher Uberlegungen, des frühen Hegel sondern vor allem das Auftauchen des triadischen Denkschritts so in der „Phänomenologie des Geistes" wie — vorher, wohlgemerkt!—im dichterischen Schema von den „Extremen" (so Hölderlins Terminus) und ihrer Einheit, ihrer „Harmonie". In den wenigen Briefen nun, die uns von Hölderlins Feder an Hegel überliefert sind, ist freilich immerzu nur von Alltagssorgen des Broterwerbs, von Hauslehrerstellen und Verdienstmöglichkeiten die Rede, keineswegs vom Weltgeist. Das wirft ein bezeichnendes Schlaglicht auf die äußeren Umstände dieser Dichterexistenz, die, rundheraus gesagt, erbärmlich waren, niederdrükkend und unruhig. Keine gesicherte Stellung, kein Zuhause, keine gesellschaftliche Wirkungsmöglichkeit. Das Gegenteil: ein Hofmeisterschicksal. Bei adligen und bürgerlichen „Brotgebern": Abhängigkeit, Demütigungen, Beschränktheit. In Waltershausen bei der Familie von Kalb, in Frankfurt beim schwerreichen Bankier von Gontard mit dem Erlebnis Susette-Diotimas und „lauter ungeheuren Karikaturen" in dieser Bürgerwelt), im schweizerischen Hauptwyl bei einem Leinenhändler, schließlich gar in Bordeaux bei einem Hamburger Konsul. Vor der Reise dorthin, im Abschiedsbrief an einen Freund: „Ich habe lange nicht geweint. Aber es hat mich bittere Tränen gekostet, da

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ich mich entschloß, mein Vaterland jetzt noch zu verlassen, vielleicht auf immer. Denn was hab ich Lieberes auf der Welt? Aber sie können mich nicht brauchen." Und wo er, in banalem Sinne allerdings, (vielleicht!) „brauchbar" gewesen wäre, dort wollte er nicht hin: in die Scheinidylle einer schwäbischen Dorfpfarre, in der ihn die Mutter so gern gesehen hätte und der er hartnäckig ausweicht, obwohl er gerade zu diesem Zwecke die martyrienähnliche Theologieausbildung hatte durchlaufen müssen, die armen und begabten Protestantenkindern in Süddeutschland damals traditionell offenstand, erst in den Klosterschulen zu Denkendorf und Maulbronn, dann im Tübinger Stift. Eine erschütternde, leidvolle Daseinskurve; ein langsames, keuchendes Zugrundegehen. Zweimal senkt sich der Bogen dieses Lebens dem Ende zu. 1803: nach der Rückkehr aus Frankreich (zu Fuß, wie man sagt) und nach längerer Krankheit. verwirren sich die geistigen Kräfte. 1843: nach vierzig Jahren des Wahnsinns im alten Neckarturm zu Tübingen tritt der physische Tod ein. Zweimal ist es Hölderlin gelungen, die doppelte Endstimmung seiner Existenz ins dichterische Wort zu bannen. Zweimal ist da Trauer, Dunkelheit, Kälte. Eines der letzten Gedichte spricht sie in vier Versen aus: Das Angenehme dieser Welt hab ich genossen, Die Jugendstunden sind, wie lang! wie lang! verflossen, April und Mai und Julius sind ferne, Ich bin nichts mehr, ich lebe nicht mehr gerne! Ein anderes entstand um 1805, schon unter den Anzeichen geistiger Zerrüttung, mit der seltsamen Überschrift „Hälfte des Lebens": Mit gelben Birnen hänget Und voll mit wilden Rosen Das Land in den See, Ihr holden Schwäne, Und trunken von Küssen Tunkt ihr das Haupt Ins heilignüchterne Wasser. Weh mir, wo nehm ich, wenn Es Winter ist, die Blumen, und wo Den Sonnenschein, Und Schatten der Erde? Die Mauern st.ehn Sprachlos und kalt, im Winde Klirren die Fahnen.

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Dieses Sprachlos-Sein jedoch, von Hölderlins Dichtertum her gesehen sicher der tiefste aller Tode, ist doppelter Natur. Es bezeichnet die Situation eines Nicht-Echos, das Fehlen eines Widerhalls auf sein botschaftsmäßig angelegtes Werk, und es meint zugleich das Nicht-mehr-sprechen-Können, das Verstummenmüssen poetischer Energie vor der schrillen Disharmonie von Ideal und Wirklichkeit. Nicht einmal vierzehn Jahre waren diesem Großen deutscher Literatur zu bewußtem, klarsichtigem Schaffen vergönnt, von 1789 bis 1803. In dieser Frist begegnet ihm in der literarischen Öffentlichkeit kein Zuspruch, keine Anerkennung. Die biedermännisch-braven, unentwegt begeisterten Urteile einiger Jugendfreunde haben ihn über diese Misere nicht hinwegtäuschen können. Die Unmittelbarkeit seines Kontakts zu großen deutschen Philosophen der Epoche wird als Eigentümlichkeit seines Lebens erst dann richtig, soll heißen relativiert bedeutsam, wenn man sie mit der erschreckenden Kontaktlosigkeit Hölderlins zu den großen Schriftstellern der Zeit konfrontiert. Mit Herder gab es nur distanzierte Gespräche, mit Heinse eine Zufallsbekanntschaft. Von Goethe und, vor allem, von Schillers Seite her kam Abwehr, Zurückstoßung, Mißverstehen. Da Hölderlin in einem Augenblick an sie herantrat, als beide eben im Begriff waren, ihre Jugendideale den historisch neuen Bedingungen anzupassen, die ab 1794 von ihrer „klassischen" Position aus gegeben schienen, dies aber in anderer Weise taten, als der Jüngling aus Schwaben von ihnen erwartete, war hier kein Bündnis möglich, das von Hölderlin aus mindestens im Hinblick auf Schiller mit allen Fasern seines Herzens ersehnt worden war. Möglich, sogar wahrscheinlich, daß die zornigen, mutigen, trotzigen Verse des Gedichts „Der Jüngling an die klugen Ratgeber" diese Konstellation in größerer Unmittelbarkeit widerspiegeln, als heute noch nachprüfbar und nachvollziehbar ist. Das macht, Hölderlins scheinbar so abstrakt-pathetische Begeisterung ist mit all ihren Wurzeln zutiefst in den Mutterboden realhistorischer Prozesse gesenkt. Das Revolutionäre an ihm rekrutiert sich nicht aus der Spekulation, sondern sein Entwurf einer menschheitsgescbichtlichen Zukunft, so spekulativ er auf den ersten Blick anmuten mag, erwächst aus revolutionären Momenten der Zeitgeschichte. Auch hier eine Einheit, eine widerspruchsvolle Einheit. Da ist Württembergisch-Schwäbisches: Pietismus vom Schlage eines Bengel, eines Oetinger, mit Erwartung einer „güldenen Zeit", eines chiliastischen Reichs ohne Könige und mit Gütergemeinschaft; politisch-liberale Publizistik in der Nachfolge des bewunderten Schubart; revolutionär-demokratische Bestrebungen in Süddeutschland, die auf die Errichtung einer Republik zielen und an der Jahreswende 1798/99 vor dem Losschlagen zu stehen scheinen. Da ist Deutsches: Gesinnungen aus der Frühphase klassischer deutscher Philosophie,

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die, radikal nicht minder, in Fichfes Theorem gipfelten, man handle nicht, weil man erkenne, sondern man erkenne, weil man zum Handeln bestimmt sei. Und da ist, überall mit Händen zu greifen im künstlerischen Werk, zu seiner Grundsubstanz gehörend und deshalb mit keiner wie immer gearteten Einflussologie auch nur entfernt zu erklären, das Zeichen, das Wetterleuchten, das Leitbild, der soziale Auftrag — alles in einem: die Französische Revolution. Die Gesamtheit dieser revolutionären Impulse ist es, die dem Werk Hölderlins seinen dynamischen, einer daherfahrenden Windsbraut ähnlichen Charakter verleiht. Die Schwierigkeit ist, daß diese Impulse höchst, selten nur unmittelbar und expressis verbis benannt sind, fast immer dagegen im betont eigenen künstlerischen Gewand auftreten, noch dazu in spezifischen, sonst kaum anzutreffenden Formen lyrischer Subjektivität und umkleidet mit einem fast privatmythologisch zu nennenden Vokabular. Aber auch dieser Anspruch muß eingelöst werden, will man diesen Dichter verstehen. Nur das Mitlesen dieses dauernd präsenten politischen Kontextes vermag der Gefahr zu steuern, in Hölderlin wenn nicht den Stammler der Religion so doch den exaltierten Schwärmer zu sehen, der er nie war. Der Typ des empfindsamen Jünglings, den diese Sehweise zu erblicken meint, hieß im deutschen achtzehnten Jahrhundert Matthisson oder Hölty, aber nicht Hölderlin. Mit wünschenswerter Deutlichkeit sprechen Briefstellen aus, worauf es diesem im Verhältnis von Dichtung und Revolution ankam. November 1794, an Neufler: „Wenns sein muß, so zerbrechen wir unsere unglücklichen Saitenspiele, und tun, was die Künstler träumten!" Januar 1799, an seinen Bruder: „. . . und wenn das Reich der Finsternis mit Gewalt einbrechen will, so werfen wir die Feder unter den Tisch und gehen in Gottes Namen dahin, wo die Not am größten, und wir am nötigsten sind." Hier, ohne Zweifel, ist der tiefste Grund in Hölderlins Denken und Dichten. Wie alles Wünschen und Hoffen, Wollen und Planen, wie alles Träumen und Entwerfen Wirklichkeit zu erlangen vermöchte, real werden, Gestalt annehmen könne — dies ist sein Hauptproblem, der geheime Dreh- und Angelpunkt all seines philosophischen und künstlerischen Bemühens. Zielpunkt ist nicht der Gedanke, sondern die Tat, nicht die blasse Abstraktion, sondern das konkrete Leben. Das sind, mit Verlaub, Riesendimensionen geistiger Anstrengung und sicher die höchsten der hohen Ansprüche, die Hölderlin stellt: Eroberung des Theorie-Praxis-Verhältnisses mit der Kunst, für die Kunst, als letzter Sinn und Inhalt der Kunst und des Lebens, auch seines Lebens. Im Frühwerk sind es vor allem Figuren altgriechischer Mythologie und Geschichte, die herbeizitiert werden, um Tatbereitschaft, Aktivität, männliche Kraft als Lebensgefühl zu beschwören. So in der Titanen-Metaphorik des sehr deutschen, sehr Hölderlinischen Gedichts „Die Eichbäume"; so in der Erklä-

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rung des Sokrates, warum er gerade dem Alcibiädes huldige: „Wer das Tiefste gedacht, liebt das Lebendigste. . ."; so auch, nicht zufällig, im Anruf „An Herkules" : In der Kindheit Schlaf begraben' Lag ich, wie das Erz im Schacht; Dank, mein Herkules! den Knaben Hast zum Manne du gemacht, Reif bin ich zum Königssitze Und mir brechen stark und1 groß Taten, wie Kronions Blitze, Aus-der Jugend Wolke los. Dieser Hymnus der Tat hält sich1 in-Hölderlins gesamtem1 Schaffen ehern konstant, auch in den Werken der Reifezeit und noch in den spätesten Zeugnissen. Eine Ode etwa1, mit dem Titel' „Lebenslauf", hät die Schlußwendung eines kategorischen Imperativs : Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen, Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern, Und verstehe die Freiheit, Aufzubrechen, wohin er will. Und' gereimte Verse aus der Zeit der Umnachtung ziehen noch einmal diese' Bilanz: Das Leben ist aus Taten' und' verwegen, Ein hohes Ziel, gehalteners Bewegen, Der Gang und Schritt, doch Seligkeit aus Tugend Und' großer Ernst, und d'énnoch lautre Jugend. Nun ist Hölderlin aber Künstler, Schriftsteller, Poet'; und er ist es so ganz und gar, so sehr mit Leib und Seele; daß die'H'auptfrage, die aus diesei Grundposition für ihn entsteht, zuvörderst und stets von neuem diese ist: wie die Kunst aufs Leben wirken, wie si'e in ihm'Taten entstehen lassen und befördern könne, heute und hier. Diese Fragestellung zieht sich als Leitlinie durch das epische und dramatische Werk, durch den „Hyperion" und den „Empedokles", regiert und organisiert aber insgeheim auch das lyrische Œuvre in allen seinen Gattungen. Ein Distichon-Sinngedicht fordert zur Selbstbeherzigung auf, höchst einfach, sehr bescheiden, zutiefst dialektisch :

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Lern im Leben die Kunst, im Kunstwerk lerne das Leben, Siehst du das eine recht, siehst du das andere auch. Mit unmutiger und doch zugleich hoffnungsvoller Attitüde wendet sich eine epigrammatische Kurzode „An die Deutschen": Spottet ja nicht des Kinds, wenn es mit Peitsch und Sporn Auf dem Rosse von Holz mutig und groß sich dünkt, Denn, ihr Deutschen, auch ihr seid Tatenarm und gedankenvoll. Oder kömmt, wie der Strahl aus dem Gewölbe kömmt, Aus Gedanken die Tat? Leben die Bücher bald? 0 ihr Lieben, so nimmt mich, Daß ich büße die Lästerung. Gedankenreichtum und Tatenarmut der Deutschen substantiell umzuwenden, schien Hölderlin jedoch einzig im Gefolge der Franken und ihres Freiheitskampfes möglich. Sehr bald, das mag er selbst gespürt haben, war der abstrakte, etwas weitschweifige und redselige Enthusiasmus der frühen Tübinger Hymnik anachronistisch geworden. Jede neue Phase des raschen und komplizierten Revolutionsverlaufs forderte neue Besinnung, neues Engagement, auch neue künstlerische Entscheidung. Hölderlin hat sich diesen Aufgaben des Tages in bewundernswürdiger Konzentration und Aufnahmebereitschaft gestellt und geöffnet. Nicht in der Lage, die soziale wie politische Differenzierung, des dritten Standes geistig zu verarbeiten, teilt er die negative, als Tyrannei empfundene Einschätzung der Jakobinerherrschaft mit den meisten deutschen Intellektuellen der Epoche. Aber er unterscheidet sich von deren Quietismus prinzipiell dadurch, daß er bis ans Jahrhundertende hin von der Befreiungsmission der französischen Revolutionsheere geradezu leidenschaftlich überzeugt ist. Ganz akut erwartet er mit Gleichgesinnten mehrfach militärische Hilfe für die süddeutschen Republikaner im Namen der Menschenrechtsdeklaration: 1793, 1796 (damals entsteht die von den Nazis geschändete Ode „Der Tod fürs Vaterland"!) und dann ein letztes Mal im Umkreis des Rastatter Kongresses, den er mit Sinclair und Gutscher besuchte. Jedesmal werden diese Erwartungen enttäuscht. Die objektiven Gründe für diese Enttäuschungen, den fortschreitenden Wandel bourgeoiser französischer Außenpolitik, die sich nunmehr auf den Erhalt der deutschen Zersplitterung und auf Eroberungskriege orientierte, vermochte er nicht zu durchschauen. So entsteht Tragik, Depression, aber auch Heroismus. Keineswegs läßt solch aktive, von Schwermut getönte Revolutionserwartung zu, auf ihn jenes bittere, beinahe sarkasti-

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sehe Urteil von Marx über Schiller anzuwenden, hier würde ein Sprung aus der platten in die überschwengliche Misere vollzogen. Es ist nach alledem nur folgerichtig, aber in dieser Folgerichtigkeit eben groß und genial, daß Hölderlin von einem bestimmten Stadium seiner Entwicklung an das Thema des von der Wirklichkeit enttäuschten Einzelnen, das ziemlich lange seine Aufmerksamkeit beansprucht hatte, schließlich verabschiedet und sich mehr und mehr dem entscheidenden Beziehungsreichtum zwischen individueller Aktivität und Volkswillen, zwischen Einzelexistenz und Massenschicksal zuwendet. Dies geschieht um die Jahrhundertwende. Der Hyperion-Roman war zugleich abgeschlossen und nicht abgeschlossen; die lakonische Schlußnotiz für den zweiten Band — „So dacht ich. Nächstens mehr." — verrät unaufgelöste Dissonanzen, ungelöste Widersprüche: noch einmal die alte, aufs schärfste zugespitzte Enttäuschungskonstellation (wie der „Eremit aus Griechenland" nach Deutschland gerät und hier Zerstückelung vorfindet statt Harmonie, Verkrüppelung statt Vollendung, Unmenschlichkeit statt Humanität) und dazu der zweite, der zeitgenössisch-historische Antagonismus, der drüben in Frankreich von den bürgerlichen Revolutionären nicht hatte aufgehoben werden können und der zutiefst auch die Tragik des Dichters wie seines Geschöpfs Hyperion bestimmt (wie die Vereinigung von privatem und gesellschaftlichem Interesse unmöglich sich darstellte); ein geplanter dritter Band des Romans ist denn auch nie zustande gekommen. Hier schienen alle Wege zu enden, die mit soviel Ernst und Emphase beschritten worden waren. In der Lyrik erfolgt etwa gleichzeitig eine weitgehende Abwendung von den bisher tradierten Hymnen, Oden und Elegien; an ihre Stelle tritt eine breitausgreifende Konzeption von „vaterländischen Gesängen", die heroische, fast gewaltsame Anstrengung, den jakobinischen Patriotismus-Begriff produktiv zu machen, indem Deutschland, das miserable und knechtschaffene von heute, dennoch als „Herz der Völker", als grandioses und freies von morgen gesehen wird. Hölderlins „Vaterland" ist die aktive Destruktion jedes Chauvinismus, jeder nationalistischen Inhumanität. Ganz unmittelbar, in direktem Spiel und Gegenspiel, wird der Konflikt zwischen Einzelschicksal und Volksschicksal auf dramatischem Felde ausgetragen. Das Trauerspielfragment „Der Tod des Empedokles", mehrfach begonnen, nie abgeschlossen und vollendet, hat im zweiten Akt der ersten Fassung eine Szene, in der agrigentinische Bürger den verbannten Philosophen und Staatsmann wieder in ihre Mitte zurückführen wollen. Dritter Bürger. Zweiter Bürger.

0 lieb uns wieder! Komm und leb In Agrigent; es hats ein Römer

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Empedokles. Die Bürger ( erschrocken). Pausanias.

Gesagt., durch ihren Nurna wären sie So groß geworden. Komme, Göttlicher! Sei unser Numa. Lange dachten wirs, Du solltest König sein. 0 sei es! seis! Ich grüße dich zuerst, und alle wollens. Dies ist die Zeit der Könige nicht mehr. Wer bist du, Mann? So lehnt man Kronen ab, Ihr Bürger.

Erster

Bärger.

Empedokles,.

Unbegreiflich ist das Wort, So du gesprochen, Empedokles. Hegt Im Neste denn die Jungen immerdar Der Adler? Für die Blinden sorgt er wohl, Und unter seinen Flügeln schlummern süß Die Ungefiederten ihr dämmernd Leben. Doch haben sie das Sonnenlicht erblickt, Und sind die Schwingen ihnen reif geworden, So wirft er aus der Wiege sie, damit Sie eignen Flug beginnen. Schämet euch, Daß ihr no.ch einen König wollt; ihr seid Zu alt; zu eurer Väter Zeiten wärs Ein anderes gewesen. Euch ist nicht Zu helfen, wenn ihr selber euch nicht helft.

Dies wurde kurz vor der Jahrhundertwende im zersplitterten, feudalen, absolutistisch regierten Deutschland geschrieben, nach dem Thermidor und wahrscheinlich noch vor dem 18. Brumaire, etwa gleichzeitig mit Novalis-Hardenbergs striktem Regressionsentwurf „Die Christenheit oder Europa" (1799) und vor dem Hintergrund außerordentlich stark wirkender konterrevolutionärer Propaganda in der Nachfolge E d m u n d B.urkes und anderer konterrevolutionärer Denker. Leuchtend und kraftvoll triumphiert Friedrich Hölderlins optimistischer Demokratismus selbst im historisch schwierigen, widerspruchsvollen Augenblick. Gerade jetzt ist es ihm gelungen, die Vorbilder und Leitgestirne seines eigenen Beginns weit zu überflügeln. Das Selbsthelfertum der Stürmer und Dränger, deren emphatische Tyrannenfeindschaft noch seine frühe Hymnik mitgeprägt hatte, ist hier zur dichterisch verklärten Volkssouveränität gesteigert; dem Klopstockischen Widerruf einst begeisterter Revolutionsoden t r i t t durchgehaltene, ja gestählte republikanische Gesinnung ent-

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gegen — von Friedrich Schiller zu schweigen, der in ebendiesen Zeitläuften zu wissen glaubte, die Wohlfahrt könne nicht gedeihn, wenn sich die Völker selbst befrein. . . Aber nicht nur in der Ablehnung der Königswürde, in der Negation, im Gestus des Sich-Verweigerns und im knappen Hinweis auf des Volkes geschichtsbildende Macht findet, die Empedokles-Gestalt ihre kämpferische Bewährung, mehr noch im Zukunftsentwurf, den sie anschließend verkündet, Altes und Neues konfrontierend, eine menschliche Gesellschaftsordnung antizipierend. In ihrer vibrierenden Ergriffenheit gehören diese Verse mit zum Schönsten unter den vielen schönen Geschenken Hölderlins an uns: Ihr Lieben! aber fürchtet nichts! Es scheun Die Erdenkinder meist das Neu und Fremde, Daheim in sich zu bleiben strebet nur Der Pflanze Leben und das frohe Tier. Beschränkt im Eigentume sorgen sie, Wie sie bestehn, und weiter reicht ihr Sinn Im Leben nicht. Doch müssen sie zuletzt, Die Angstigen, heraus. . . . . . Menschen ist die große Lust Gegeben, daß sie selber sich verjüngen. . . Ihr dürstet längst nach Ungewöhnlichem, Und wie aus krankem Körper sehnt der Geist Von Agrigent sich aus dem alten Gleise. So wagts! was ihr geerbt, was ihr erworben, Was euch der Väter Mund erzählt, gelehrt, Gesetz und Brauch, der alten Götter Namen, Vergeßt es kühn, und hebt, wie Neugeborne, Die Augen auf zur göttlichen Natur, Wenn dann der Geist sich an des Himmels Licht Entzündet, süßer Lebensothem euch Den Busen, wie zum erstenmale tränkt, Und goldner Früchte voll die Wälder rauschen Und Quellen aus dem Fels, wenn euch das Leben Der Welt ergreift, ihr Friedensgeist, wenn euchs Wie heiiger Wiegensang die Seele stillet, Dann aus der Wonne schöner Dämmerung Der Erde Grün von neuem euch erglänzt Und Berg und Meer und Wolken und Gestirn, Die edeln Kräfte, Heldenbrüdern gleich,

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Vor euer Auge kommen, daß die Brust Wie Waffenträgern euch nach Taten klopft, Und eigner, schöner Welt, dann reicht die Hände Euch wieder, gebt das Wort und teilt das Gut, 0 dann ihr Lieben, teilet Tat und Ruhm Wie treue Dioskuren; jeder sei, Wie alle, — wie auf schlanken Säulen, ruh Auf richtgen Ordnungen das neue Leben Und euern Bund befestge das Gesetz. Nach 1799, einem schicksalsschweren J a h r in Hölderlins Entwicklung, ging es über seine Kraft, noch weiterhin auf eine unmittelbare Realisierung dieser „richtgen Ordnungen" im geschichtlichen Gegenwartsraum zu vertrauen. Für den historischen Augenblick, so schien es, war das Ideal an der Wirklichkeit zerbrochen. Diese Situation des Scheiterns verursacht abermals eine Tendenz zur Abstrahierung in der poetischen Konzeption. Erwartungen nehmen dichterische Gestalt an, die die Realität überfliegen, über sie hinausgehen, die im Weltganzen, in der Einheit von Natur und Gesellschaft jene Harmonie und Vollendung suchen, der im politischen Gegenwartskampf keine Verwirklichung abgerungen werden konnte. Verschwommener (Becher sagt sogar: „im Verzicht auf jede Realistik") regiert jetzt wieder dunkler Pantheismus, immer noch progressives und dennoch blutleeres Hen kai pan, das früher, etwa in der dialektisch-realen Schöpfung der großen Stromgedichte, nur ansatzweise durchbrach, dann aber, am vorläufigen Endpunkt sowohl des „Hyperion" wie des „Empedokles", stets erneut auftauchte, weil es andere Lösungen nicht gab, und das nun, verkoppelt mit überspannten Hoffnungen anläßlich des Friedens von Luneville (1801), zu einer Art Ersatzreglement für eine scheinbar erweiterte, tatsächlich jedoch verkümmerte und eingeengte Perspektive wird. Fest, ungebrochen aber auch jetzt noch die Überzeugung von den Aufgaben eines „Dichters in dürftiger Zeit"; in einer Lesart zur Elegie „Brot und Wein" heißt es: Vor der Zeit! ist Beruf der heiligen Sänger, und also Dienen und wandeln sie großem Geschicke voran. . . Was hier unberechtigt verabsolutiert wurde, ist dennoch, mit notwendigen Einschränkungen versehen, so aktuell wie wahr: daß humanistische Kunst auch und gerade ihrer antizipatorischen Fähigkeiten wegen realistisch zu sein vermag, realistisch im tiefsten, eigentlichen Sinne des Worts.

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Ganzheit, Einheit, Harmonie, Vollendung — dies alles bleibt, in einem allumfassenden, zugleich ideengeschichtlichen und realhistorischen Sinn, Perspektive und endliche Überwindung alles dessen, was Hölderlin durchlitten, durchlebt und durchdacht hatte. Zwar muß an den utopischen Horizont eines Später, eines Jetztnoehnicht projiziert werden, was die Summe eigener Lebenserfahrungen als momentan unerreichbar ausgewiesen hatte, aber der prinzipiellen Realisierbarkeit solcher Ideen blieb sich des Dichters moralische Tapferkeit immerdar unanfechtbar sicher, auch in den schlimmsten Niederbrüchen und Enttäuschungen. „Meine Liebe", so hat er einmal bekannt (im Brief an seinen Bruder aus der ersten Septemberhälfte 1793), „ist das Menschengeschlecht, freilich nicht das verdorbene, knechtische, träge, wie wir es nur zu oft finden. . . Ich liebe das Geschlecht der kommenden Jahrhunderte. Denn dies ist meine seligste Hoffnung, der Glaube, der mich stark erhält und tätig, unsere Enkel werden besser sein als wir, die Freiheit muß einmal kommen. . ." Und jubelnde Hymnik wendet sich dieser Freiheit zu: Froh und göttlichgroß ist deine Kunde, Königin! dich preise Kraft und T a t ! Schon beginnt die neue Schöpfungsstunde, Schon entkeimt die segenschwangre Saat: Majestätisch, wie die Wandelsterne, Neuerwacht am offnen Ozean, Strahlst du uns in königlicher Ferne, Freies kommendes Jahrhundert! an. Es ist in der Tat ein großer Aufschwung dieses Dichters weit über Raum und Zeit, hoch über die Demütigungen seines persönlichen Lebens hinaus — in die Zukunft, in unsere Gegenwart. Hölderlins humanistische Botschaft, ihres fernen Triumphes gewiß, strahlend in Schönheit und Wortgewalt, erweckt in uns Gefühle der brüderlichen Nähe, der Dankbarkeit und Verehrung. Der in Jammer und Not, im Elend seiner Tage und in der ihm unbewußten, historisch erklärbaren Begrenzung seiner Sicht mutig genug war zu sehen: Der Vollendung Ahndungen erheben Über Glück und Zeit die stolze Brust. . . — wie sollte er nicht mit uns sein, zu uns gehören, Mitstreiter werden in unserem Kampf? Wo poetische „Ahndungen" seines erhabenen Denkstils, seiner schöpferischen Gewalt umzuschlagen vermögen in wissenschaftlich begründete Gewißheit, ist für ihn alles bereitet: seiner Ruhelosigkeit —Heimat; seinen Idea-

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Waltek Dietze

len — Wirklichkeit; seinen Werken — Leben. Der innerste, edle Kern1 seines Strebens, die besten und lautersten Elemente seines Wollens bleiben, in dialektischer Aufhebung.:. Ermutigungen, Ansprüche und Verpflichtungen für uns selbst. In. der Epoche des Sieges des Sozialismus ist auch das freie, das kommende Jahrhundert Friedrich Hölderlins angebrochen, in Wirklichkeit angebrochen. Es ist die Gesetzmäßigkeit der Geschichte, die uns in der Gegenwart aufgibt, gerade für die Zukunft Hölderlins eingedenk zu sein.

Politische Schriften Von GEORG WILHELM F R I E D R I C H H E G E L Herausgegeben und eingeleitet von Dr. GERD I R R L I T Z (Philosophische Studientexte)

1970. LI I I , 374 Seiten - 8° - Leinen 22, - M; Bestell-Nr. 751 6979

(4060)

Hegel verstand seine politischen Abhandlungen als Aspekt seiner politischen Theorie; sie sind für das historische Verständnis seiner Philosophie unentbehrlich. Die politischen Äußerungen und Passagen in Hegels reichem Briefwechsel, die hier zum ersten Mal ausgezogen und als gesonderte Sammlung vorgelegt werden, geben Einblick in die Erwartungen und in die geistigen Krisen eines klassischen bürgerlichen Denkers in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

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Frühschriften Eine Auswahl in zwei Bänden

Von F R I E D R I C H W I L H E L M J O S E F SCI-IELLING Herausgegeben und eingeleitet von Dr. HELMUT S E I D E L und Dr. LOTHAR

KLEIN

(Philosophische Studientexte) Erster Band 1970. Etwa LXXII,

511 Seilen - 8° - Lernen 22, - M; Bestell-Nr.

751 647 7

(4054/1)

Zweiter Band 1971. Etwa 704 Seiten - 8° - Leinen etwa 22, - M; Bestell-Nr.

751 648 5

(4054/11)

Schelling ist unter den klassischen deutschen Philosophen die widerspruchvollste Gestalt. Unter dem Einfluß der Ideen der französischen Revolution förderte er Fichtes Wissenschaftslehre, diese „Analyse des Begriffes Freiheit". In seinen naturphilosophischen Schriften unternahm erden ersten umfassenden Versuch, die Grenzen des mechanistischen Weltbildes zu sprengen und die Natur als einen einheitlichen, dynamischen und dialektischen Prozeß zu fassen.

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