Symbolae Praehistoricae: Festschrift zum 60. Geburtstag von Friedrich Schlette [Reprint 2021 ed.] 9783112528044, 9783112528037


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Symbolae Praehistoricae: Festschrift zum 60. Geburtstag von Friedrich Schlette [Reprint 2021 ed.]
 9783112528044, 9783112528037

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Berichtigung: Beitrag Kirsch, S. 150 (Abb. 4) Die Staatsgrenzsignatur hätte an der Neiße wechselseitig dargestellt werden müssen, da die Neiße grenzlos ist und zur VR Polen und zur DDR gehört.

S Y M B O L A E P R A E H I S T O R I O AE

SYMBOLAE PRAEHISTORICAE Festschrift zum 60. Geburtstag von Friedrich Schiette

Herausgegeben von Joachim Preuß

M A R T I N - L U T H E R - U N I V E R S ITÄT

HALLE-WITTENBERG H A L L E (SAALE)

AKADEMIE-VERLAG • B E R L I N

1975

Wissenschaftliche Beiträge der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 1975/1 (L 11)

Redaktion: B U R C H A R D

THALER

Redaktion: 401 Halle (Saale), August-Bebel-Str. 13, Deutsche Demokratische Republik, Ruf: 832541 u n d 3 8 1 4 7 . Herausgegeben durch die Martin-Luther-Universität Halle—Wittenberg. F ü r unverlangt eingehende Manuskripte kann keine H a f t u n g übernommen werden. Die Autoren veröffentlichen im Dienste der internationalen wissenschaftlichen Verständigung ohne Honorar. Die Verlagsrechte der veröffentlichten Arbeiten liegen bei der Martin-LutherUniversität Halle—Wittenberg. Die Beiträge erscheinen in 18 Reihen in unregelmäßiger Folge. Die Zählung der Beiträge erfolgt jahrgangsweise, die der Reihen als Nebenzählung unabhängig vom Jahrgang.

Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Str. 3—4 © 1975 b y Martin-Luther-Universität Halle—Wittenberg Lizenznummer: 100/120/76 Gesamtherstellung: V E B Druckhaus „Maxim Gorki", 74 Altenburg Bestellnummer: 752 658 7 (2145/6) • LSV 0225 • P 270/75 Printed in GDR EVP 3 6 , -

INHALT DIETRICH MANIA u n d JOACHIM PREUSS

Zu Methoden und Problemen ökologischer Untersuchungen in der Ur- und Frühgeschichte UTE u n d WALTER

STEINER

Geologische Aspekte zur Niederlassung des Menschen im R a u m Weimar zu ur- und frühgeschichtlicher Zeit DIETER

9

61

KAUFMANN

Waldverbreitung und frühneolithische Siedlungsräume im Saalegebiet HANSDIETER

69

BERLEKAMP

W a n d e r b a u e r n t u m oder Siedlungskonstanz? ALEXANDER

85

HÄUSLER

Die Entstehung der Trichterbecherkultur nach Aussage ihrer B e s t a t t u n g s s i t t e n . . . .

91

INGEBURG NILIUS

Bemerkungen zu einigen auffälligen Keramikfunden in der Trichterbechersiedlung von Gristow, Kreis Greifswald 123 EBERHARD

KIRSCH

Die F u n d e der Kugelamphorenkultur im Bezirk Cottbus

133

ROLF BREDDIN

Die bronzezeitliche Besiedlung zwischen Tornow und Zinnitz, K r . Calau, auf Grund 153 der Ausgrabungsergebnisse FRAUKE

GEUPEL

Hallstattzeitliche Grabhügel von Oberwiesenacker, Ldkr. Parsberg (Oberpfalz)

. . . 161

JOHANNES SCHNEIDER

Ein Beitrag zur fränkischen Besiedlung der nordwestlichen Altmark WILLI

183

LAMPE

Der Anteil der Bodendenkmalpflege an der Siedlungsforschung (Beispiele aus dem Bezirk Rostock) 197 HANS JÜRGEN

BRACHMANN

Cösitz — Kesigesburch. Zur Geschichte der H a u p t b u r g des sorbischen Stammes der Colodici 211 WOLFGANG TIMPEL

Ergebnisse archäologischer K r . Worbis

Untersuchungen

auf

der Hasenburg

bei

Haynrode, 227

WILHELMINE STAHL

Mittelalterliche Holzreste vom Burgberg Meißen

247

ADOLF SIEBRECHT

Ein Holzbrunnen des 12. J a h r h u n d e r t s in Halberstadt HARALD W .

261

MECHELK

Zur Problematik des Keramikhandels (am Beispiel der mittelalterlichen rotbemalten Irdenware vom T y p Levin aus sächsischen Fundstellen erörtert [13. —15. Jh.]) . . . 271

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Lieber Herr

Professor!

In Anlehnung an die ursprüngliche Bedeutung des Wortes symbola als Beitrag für ein gemeinsames Mahl möchten wir Ihnen unsere Symbolae Praehistoricae zu Ihrem 60. Geburtstag darbringen. Es lag in unserer Absicht, den Kreis der Mitarbeiter an dieser Festschrift ausschließlich auf Ihre Schüler zu beschränken. Selbst sie konnten in diesem Band bei weitem nicht alle zu Wort kommen, so daß einige der Ihnen zugedachten Aufsätze an anderen Stellen erscheinen müssen. Wir waren bemüht, in unseren Beiträgen siedlungsarchäologische Probleme aufzugreifen. Sie selbst haben zu diesem Themenkomplex in zahlreichen Aufsätzen Wesentliches beigetragen. Wir glauben, Ihnen auf diese Weise am besten unseren Dank abstatten zu können. Unsere Forschungsergebnisse sollen zugleich auch die Leistungsfähigkeit der Hallenser prähistorischen Schule widerspiegeln. Wir wünschen Ihnen, lieber Herr Professor, noch viele Jahre fruchtbaren Schaffens sowohl als Forscher als auch als akademischer Lehrer. Im Namen Ihrer Joachim

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Schüler Premß

Zu Methoden und Problemen ökologischer Untersuchungen in der Ur- und Frühgeschichte

D I E T R I C H M A N I A u n d JOACHIM P R E U S S , H a l l e

Die Entwicklung des Menschen und der menschlichen Gesellschaft mit allen ihren Erscheinungsformen ist ohne ständige Wechselbeziehungen zum jeweiligen Lebensraum nicht denkbar. Die natürlichen Bedingungen der Umwelt sind in ihrer Summe die Existenzgrundlagen eines jeden Organismus, also auch des Menschen. Darin liegt selbst heute die hauptsächliche Bedeutung der natürlichen Umwelt für den Menschen. Allerdings unterscheiden sich die Umweltbeziehungen des Menschen ganz wesentlich von denen der Tierwelt, indem er in viel stärkerem Maße und vor allem bewußt und zielgerichtet auf die Umweltverhältnisse einwirkt. Diese Besonderheit seiner Beziehungen zum Lebensraum hat sich erst im Laufe seiner viele Jahrhunderttausende umfassenden Entwicklung allmählich herausgebildet. Sie beginnen mit der völligen Abhängigkeit von den natürlichen Umweltbedingungen und laufen über ständig qualitativ höher entwickelte Beziehungssysteme bis zur bewußten Einwirkung und Umgestaltung. Diese Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Umwelt sind als vielschichtiger, sehr komplexer Prozeß anzusehen, dem bisher in der Ur- und Frühgeschichtsforschung noch zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Es genügt aber nicht, nur den allgemeinen Umweltcharakter zu kennen, sondern es ist notwendig, auch spezifische Umweltfaktoren oder -Veränderungen zu analysieren. Diese können z. B. ganz bestimmte Reaktionen des Menschen hervorgerufen und sich in besonderen archäologischen Erscheinungen niedergeschlagen haben. Vor uns steht heute die Aufgabe, diese vielgestaltigen Beziehungen in ihrer Art, Auswirkung und Bedeutung zu erforschen. Auf der einen Seite stehen uns die durch die Erdgeschichte überlieferten Fakten zur Rekonstruktion der ehemaligen Umweltverhältnisse und der Umweltentwicklung zur Verfügung, auf der anderen die durch die Archäologie erfaßbaren Quellen von den Äußerungen des Lebens und der Tätigkeit des Menschen sowie von den Erscheinungsformen seiner Gesellschaft. Im folgenden Beitrag wollen wir einen allgemeinen Überblick von Arbeitsmethoden zur Analyse und Darstellung von Umweltverhältnissen und vom derzeitigen Forschungsstand dieser Untersuchungen im mittleren Elbe-Saalegebiet geben. Ihnen sollen sich einige Bemerkungen zur Problematik und Bedeutung derartiger Arbeiten in der Ur- und Flühgeschichtsforschung anschließen. Der behandelte Zeitraum umfaßt das Jungquartär bzw. die Zeit vom Mittelpaläolithikum bis heute.

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Auf Verhältnisse im Altpaläolithikum wird im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen. Die Voraussetzungen und methodischen Wege zur Analyse ehemaliger Umweltverhältnisse in dieser Zeit sind von gleichartigem Charakter wie im Mittel- und Jungpaläolithikum.

1. Voraussetzungen zur Rekonstruktion von Umweltverhältnissen des ur- und frühgeschichtlichen Menschen Die Ökologie ist allgemein die Lehre von den Wechselbeziehungen zwischen Organismen und Umwelt. Will man speziell die Ökologie des ur- und frühgeschichtlichen Menschen untersuchen, sind umfassende Kenntnisse über die Entwicklung des Menschen, seiner Wirtschaft, seiner Gesellschaft und seiner Kultur sowie über die natürlichen Bedingungen und die Entwicklung seiner Umwelt nötig. Die archäologische Forschung hat nunmehr einen Stand erreicht, der nach ökologischen Untersuchungen verlangt. Aber unser Wissen über Zustand und Entwicklung der pleistozänen und holozänen Umwelt des Menschen ist noch dürftig und lückenhaft. Das geht vor allem darauf zurück, daß Untersuchungen zu diesem Problem weniger von einem Wissenszweig allein, sondern von zahlreichen unterschiedlichen Fachdisziplinen durchgeführt werden müssen und deren Organisation zur zielgerichteten Arbeit erfordern. Diese verschiedenen Fachdisziplinen, die Voraussetzungen zur paläo-ökologischen Untersuchung schaffen, indem sie sich mit Faktoren und Bestandteilen der Umwelt befassen, sind die Geologie, Geomorphologie, Pedologie, Hydrographie, Klimatologie, Paläobotanik und Paläozoologie sowie die Archäologie selbst (Abb. 1).

A b b . 1. Die paläoökologische Untersuchung und ihre Beziehungen zu speziellen Fachdisziplinen.

10

Eine grundlegende Voraussetzung ist die gute quartärgeologische und archäologische Durchforschung des zu untersuchenden Gebietes. Auf sie stützen sich die auf der Stratigraphie (Schichtenfolge) beruhende Geochronologie und die archäologische Chronologie. Beide Chronologiesysteme müssen miteinander korreliert sein, da sonst keine Beziehungen zwischen den naturwissenschaftlichen und archäologischen Fakten hergestellt werden können. Bei den paläo-ökologischen Untersuchungen ist es nicht in jedem Fall nötig, daß die zu untersuchenden Schichten oder sonstigen geologischen Erscheinungen unmittelbar mit archäologischen Funden verknüpft sind. Für sie müssen alle vorhandenen, jedoch verläßlich datierten naturwissenschaftlichen Ergebnisse herangezogen werden, um das Bild der ehemaligen Umwelt rekonstruieren zu können. Im mittleren Elbe-Saalegebiet bestehen günstige Voraussetzungen zur paläoökologischen Untersuchung. In den letzten Jahren ist hier eine detaillierte Geochronologie des Jungpleistozäns erarbeitet worden (zuletzt D . M A N Í A U. V. T O E P F E R , 1973), und das Holozän wird in Anlehnung an die klassischen Arbeiten von F . F I K B A S (1949, 1952) durch mehrere wichtige Pollenuntersuchungen vegetationsgeschichtlich gegliedert (K. S T E I N B E R G , 1944; H. M Ü L L E R , 1953; H. W I L L U T Z K I , 1 9 6 2 ; E . L A N G E , 1 9 6 5 ) ( T a b . 1).

Geologische Voraussetzungen sind vielgliedrige Sedimentserien des Pleistozäns und Holozäns, die im mittleren Elbe-Saalegebiet an zahlreichen Stellen, besonders in den Absenkungsgebieten der Niederungen, erhalten geblieben sind. Sie werden mit den verschiedensten Methoden der Geologie untersucht, so nach Schichtaufbau und Schichtenfolge, nach petrographischer Zusammensetzung, nach sedimentologischer Entstehung, nach Verbreitung und Lagerungsverhältnissen. Während der Weichselkaltzeit entstanden mächtige Serien aus Schutt, Lössen und Flußschottern ( G . H A A S E , R . R U S K E , I . L I E B E R O T H U. a. 1 9 7 0 ; D . M A N Í A , 1 9 6 7 ) . In ihnen sind gelegentlich Sedimente aus den wärmeren Abschnitten (Interstadiale, Intervalle) der Weichselkaltzeit eingelagert, wie See- und Sumpfablagerungen (Mudden, Torfe) in den Sedimentserien der Niederungen oder Böden in den Hangserien (Schutt- und Lößprofilen). In den Höhlen bildeten sich Abfolgen aus verschiedenen Schutt- und Lehmhorizonten. Aus der Eemwarmzeit sind besonders limnische und fluviatile Kalksteinserien (Travertine) sowie fossile Böden (Parabraunerden) überliefert. Die Travertine (E. W Ü S T , 1910; G. B E H M - B L A N C K E , 1960) (Taubach, Weimar, Ehringsdorf, Burgtonna), seltener auch die Seeablagerungen (Rabutz, V. T O E P F E R , 1958) enthalten mittelpaläolithische Fundschichten. Auch in den frühweichselzeitlichen Ablagerungen wurden paläolithische Horizonte gefunden, so in Seeablagerungen und dazugehörigen Uferbildungen (Königsaue-Ascherslebener See, D. M A N Í A U. V. T O E P F E R , 1973), in Flußschottern (Mücheln, D. M A N Í A , 1968), in Lößprofilen (Weißenfels, Kahla, Dresden—Plauen, Breitenbach, V. T O E P F E R , 1970) und in Höhlensedimenten (Gera-Lindenthaler Hyänenhöhle, Ranis-Ilsenhöhle, V. T O E P FER, 1970). Aus den hochglazialen Ablagerungen sind bisher keine paläolithischen Funde bekannt geworden. Aber die spätglazialen Serien enthalten wieder Fundhorizonte, meist in Höhlen oder auf Höhlenvorplätzen (Dobritz, Garsitz), gell

Tabelle 1 Gliederung des J u n g q u a r t ä r s im mittleren Elbe-Saalegebiet Jungholozän

Holozän

holozäne Warmzeit

Mittelholozän

Altholozän

Subrezent Subatlantikum Subboreal Atlantikum Boreal Präboreal Jüngere Dryaszeit Alleröd-Interstadial Ältere Dryaszeit

Spätglazial

Bölling-Interstadial Alteste Dryaszeit Müchelner Intervall 2 Kaltphase Müchelner Intervall 1 Kaltphase Intervall

Hochglazial Jungpleistozän

Weichselkaltzeit

Kaltphase Interstadial Kaltphase Interstadial

Frühglazial 2

Kaltphase Interstadial Kaltphase Interstadial Kaltphase

Frühglazial 1

Interstadial (Brörup) Kaltphase Interstadial (Amersfoort) Kaltphase

Eemwarmzeit

12

verschiedene Abschnitte

legentlich auch im Freiland (Löß-Flugs^ndprofil bei Schadeleben, M. ALTEEMANN u. D . MANIA, 1968).

Aus frühholozänen Ablagerungen stammen mesolithische Fundkomplexe (z. B. M ü c h e l n - M ö c k e r l i n g , D . M A N I A U. V . TOEPFER, 1971).

Diese Verknüpfungen sind nicht nur für die Chronologie wichtig, sondern auch Ausgangspunkt für die paläo-ökologische Untersuchung. Holozäne Ablagerungen entstanden vorwiegend in den Niederungen und Flußtälern. Es sind Quell-, Bach-, Sumpf- und Seekalke (sog. Kalktüffe), die mehrfach mit Humuszonen und echten Böden wechseln, oder See- und Sumpfablagerungen, wie Mudden und Torfe (D. MANIA, 1972). Diese Bildungen sind wiederholt auch mit archäologischen Funden verbunden (z. B. bronzezeitliche Siedlungshorizonte in den Kalktuffen des Pennickentales bei Jena und bei Bad Langensalza, Bronzehort aus dem Torf des Ascherslebener Sees bei Frose, germanische Opferfunde im Moor bei Oberdorla u. a.). In den Mittelgebirgslagen entstanden während des Holozäns kleinere Moore mit Torfablagerungen. Vorwiegend in das Jungholozän gehören Hangschuttbildungen und umfangreiche feinkörnige Ablagerungen, die sog. Auelehme, auf den Talsohlen ( K . D. JÄGER, 1961; D. HÄNDEL, 1967).

Weitere Grundlagen schafft die Bodenkunde. Sie untersucht die Böden nach Entstehung, T y p und Verbreitung ( W . LAATSCII, 1934; E . MÜCKENHAUSEN 1962).

Abgesehen von den bereits genannten fossilen Böden des Jungpleistozäns, die gelegentlich durch Sedimentüberdeckung in geschützten Lagen erhalten blieben, bieten die weitflächig verbreiteten holozänen Böden Anhaltspunkte für die Umweltrekonstruktion während bestimmter Siedlungsphasen. Besonders sei auf die Schwarzerden im Kern des mitteldeutschen Trockengebietes und auf die degradierten Schwarzerden in dessen Randzone hingewiesen (H. E. STREMME, 1936; K . SCHWARZ, 1948; 0 . SCHLÜTER U. 0 . AUGUST, 1962).

Ebenfalls von Bedeutung ist die Kenntnis der geomorphologischen Verhältnisse und jener Vorgänge, die das Relief geformt haben, so z. B. die Verwitterungs- und Abtragungsvorgänge, die während der letzten Kaltzeit zur Hanggestaltung, Talvertiefung und der Herausbildung der heutigen Flußtäler (z.B. Terrassenbildung) geführt haben oder im Jungholozän Hangabtragung, Wasserrißbildung und Tiefenerosion in den Oberlaufbereichen des Gewässernetzes verursacht haben. Während der Weichselkaltzeit hat nicht nur das fließende Wasser, sondern auch der Bodenfrost im Wechsel mit Auftauprozessen (Bodenfließen) Talhänge und flach geneigte Hochflächen modelliert. Äolische Vorgänge verursachten Lößstaub- und Flugsandverwehung. Sie führten zur Zuschüttung gewisser Tal- und Dellenbereiche, zur Überkleidung der leeseitigen Hänge mit Löß und zur Veränderung des Reliefs in den breiten Niederungen (Ausblasung und Diinenbildung). Wichtige Hinweise für ehemalige Umweltverhältnisse im Holozän gibt die Kenntnis von der Hydrographie des Untersuchungsgebietes, speziell vom heutigen Gewässernetz. Mit Hilfe von gewissen Ablagerungen (Quellmoortorfen, Quellkalken), morphologischen Erscheinungen oder gar aus der genauen Kenntnis des geologischen Untergrundes mit seinem tektonischen Bau lassen sich ehemalige 13

Quellen oder Quellgebiete festlegen, Bach- und Flußläufe rekonstruieren oder ehemalige stehende Gewässer auffinden. Die Kenntnis über die Spiegelschwankungen des Grundwassers oder größerer stehender Gewässer kann Aufschluß über bestimmte umweltverändernde Vorgänge geben. Die Paläontologie vermag das wichtigste Material zur Deutung ehemaliger Umweltverhältnisse zu liefern. Sie beschäftigt sich mit den Resten der jeweiligen Pflanzen- und Tierwelt, die bei günstigen Erhaltungsbedingungen (Kalkgehalt, hoher organischer Sedimentanteil) in den Sedimenten überliefert sind. Das können Abdrücke und Strukturen von Pflanzen im Travertin und Kalktuff, pflanzliche Makroreste aus Torfen und Mudden, verkohlte Pflanzenreste aus Siedlungsschichten sowie die Pollen sein, die vor allem in organischen Sedimenten konserviert wurden. Erwähnt sei die Methode der Pollenanalyse zur Untersuchung der ehemaligen Vegetationsverhältnisse und der Vegetationsgeschichte ( F . F I R B A S , 1949; H. STRAKA, 1957). Skeletteile von Tieren, wie Knochen von Wirbeltieren, Schalen von Schnecken, Muscheln und Ostrakoden, sind in kalkhaltigen Gesteinen erhalten geblieben. Chitinteile von Insekten können in Mudden und Torfen gefunden werden. Diese organischen Uberreste werden genau bestimmt, in das natürliche System eingeordnet, nach zeitlichem Auftreten und regionaler Verbreitung untersucht, in natürliche Lebensgemeinschaften aufgegliedert und in Beziehung zu benachbarten Verbreitungsgebieten gesetzt. Von diesen Untersuchungen ist es nur noch ein kleiner Schritt zur ökologischen Ausdeutung, zur Analyse der Beziehungen der aufgefundenen Pflanzen- und Tiergesellschaften bzw. ihrer Einzelarten zu den einstigen Umweltverhältnissen. Die Paläoklimatologie sucht unter den geologischen, geomorphologischen, pedologischen und biologischen Erscheinungen nach Anhaltspunkten über die Beschaffenheit des ehemaligen Klimas. Damit ist sie bereits eine Arbeitsrichtung der Paläoökologie selbst ( M . SCHWAKZBACH, 1 9 6 1 ; B. F R E N Z E L , 1 9 6 7 ; K . K A I S E R , 1 9 6 1 ; 1 9 6 7 ) . Aus klimagebundenen Erscheinungen werden durchschnittliche Temperaturen und Niederschlagsmengen, Angaben über Luft- und Bodenfeuchtigkeit, jährlichen Temperaturgang, Verdunstungsvorgänge, Klimazonenverschiebung etc. abgeleitet. Absolute Sommertemperaturen können aus dem 1 6 0 / 1 8 0 Verhältnis in Kalksteinen oder Kalkskeletten von Organismen gewonnen werden. Bei paläo-ökologischen Untersuchungen müssen auch die Landschaftsgliederung, das Relief und die Klima Verhältnisse der Gegenwart berücksichtigt werden. Im mittleren Elbe-Saalegebiet spielt z. B . die Lage der Mittelgebirge eine große Rolle für die Niederschlags- und Temperaturverteilung (mitteldeutsches Trockengebiet!) ( O . S C H L Ü T E R U. 0 . A U G U S T , 1 9 6 2 ) . Da sie in ähnlicher Weise auch im Jungquartär für das spezifische Klima dieses Gebietes wirksam gewesen sein müssen, kann in Anlehnung an das Relief mit einer ähnlichen relativen Temperatur- und Niederschlagsverteilung gerechnet werden. Weiterhin sind aus diesen Verhältnissen Schlüsse auf die Vegetationsgliederung und die Lebensräume bestimmter Tiergruppen möglich. Die archäologische Durchforschung und Kenntnis des zu untersuchenden Gebietes als Notwendigkeit wurde bereits genannt. Im mittleren Elbe-Saalegebiet 14

ist auch diese Voraussetzung erfüllt. Jahrzehntelange Forschung hat einen detaillierten und umfangreichen Kenntnisstand über archäologische Kulturgruppen und ihre Entwicklung in diesem Gebiet erarbeitet. Von besonderem Interesse für die Umweltrekonstruktion und die daraus resultierenden Betrachtungen über die Wechselbeziehungen zwischen Umwelt und Entwicklung der menschlichen Gesellschaft sowie ihrer Erscheinungsformen sind z. B. siedlungsarchäologische Ergebnisse, Verbreitung der verschiedenen Kulturgruppen, Angaben über Wirtschaftsformen, Siedlungsweise, über Sozialstruktur u. ä. Die menschliche Besiedlung und Siedlung hinterließ Spuren im Boden, die direkt oder indirekt Zeugnis von der künstlichen Einwirkung auf die natürlichen Verhältnisse ablegen. Die genaue Kenntnis dieser Einwirkungen und ihrer Folgen ist wichtig für die Rekonstruktion der Umweltverhältnisse seit der neolithischen Besiedlung. Länger bestehende Siedlungen verursachten die Entstehung humusreicher „Kulturschichten", die Ausgangspunkt für zahlreiche naturwissenschaftliche Untersuchungen mit dem Ziel der ökologischen Analyse sein müssen.

2. Allgemeine Charakteristik der Untersuchungen zur Rekonstruktion verhältnisse des ur- und frühgeschichtlichen Menschen

der

Umwelt-

Unter der Umwelt des ur- und frühgeschichtlichen Menschen ist die Summe aller natürlichen Bedingungen in einem jeweils bestimmten Verbreitungs- oder Siedlungsgebiet zu verstehen. Sie bezieht sich auf Landschafts- und Klimaverhältnisse, die räumlich in Zonen und innerhalb dieser noch in kleinere Bereiche (Subzonen) gegliedert waren. Die L a n d s c h a f t s v e r h ä l t n i s s e werden durch den geologischen Untergrund, das Relief, den Boden, die Vegetation und die Fauna, durch verschiedene Vorgänge in der anorganischen und organischen Welt und selbstverständlich durch das Klima bedingt. Die K l i m a v e r h ä l t n i s s e werden primär durch außerirdische Einflüsse und die Erdatmosphäre, weiterhin auch durch die Einwirkung der Landschaftsverhältnisse, so z. B. durch das Relief und die Vegetation bedingt. Daraus geht hervor, in welcher Richtung die als Voraussetzungen angegebenen Erscheinungen und Teilergebnisse der verschiedenen Fachdisziplinen ausgewertet werden müssen, um Angaben über die ehemaligen Uniweltverhältnisse zu erhalten. Zahlreiche Erscheinungen der anorganischen und organischen Welt sind unmittelbar durch spezifische Umweltbedingungen determiniert und streng an sie gebunden, so z. B. an besonders typische Klimaverhältnisse, an eine besondere Vegetationszone, einen vorherrschenden Bodentyp usw. Ihnen kommt der Rang von Milieu- und Klimaindikatoren zu. Sie aufzufinden und aus dem anfallenden Material zu isolieren, ist eine der ersten Aufgaben bei der paläo-ökologischen Untersuchung. Das können besondere Ablagerungstypen, geologische Vorgänge, geomorphologische Erscheinungen, Böden, Tier- und Pflanzenarten oder Tier- und Pflanzengemeinschaften sein. Nach Einzel- wie Komplexanalysen ergeben sie zunächst Hinweise auf die Uniweltverhältnisse und Umweltgliederung des Stand15

ortes, von dem die Probe stammt. Sind die Proben aus einer Siedlungsschicht oder deren näheren Umgebung entnommen, dann betrifft die Standortsgliederung die kleinste ökologische Einheit eines Siedlungsgebietes, also etwa die direkte Umgebung einer Siedlung. Die Summe der Untersuchungsergebnisse zeitgleicher Proben von zahlreichen Beobachtungspunkten des Untersuchungsraumes ermöglicht die ökologische Gliederung eines weitaus größeren Gebietes, also z. B . eines geschlossenen Siedlungsgebietes oder eines größeren Teiles davon. Bei allen paläo-ökologischen Untersuchungen müssen wir uns bewußt sein, daß es sich nicht um die genaue Darstellung von Umweltverhältnissen eines Augenblickszustandes handelt, sondern jeweils um zeitliche wie auch räumliche Durchschnittswerte. Es werden Pauschalbilder entworfen, die jeweils den Stand der Forschung widerspiegeln und dementsprechend nur eine mehr oder weniger große Annäherung an die Realität darstellen. Selbst wenn nur Durchschnittswerte ermittelt werden und nur in außergewöhnlichen Fällen eine paläo-ökologische Gliederung kürzester Zeitintervalle gelingt, können sie doch die typischen Verhältnisse während der verschiedenen Siedlungsperioden wiedergeben. Einschneidende Umweltveränderungen sind in der Regel erfaßbar, da sie meist mit einem deutlichen Wechsel aller jener Erscheinungen verbunden sind, die empfindlich auf Klima- und Milieu Veränderungen reagieren. Sie müssen sich genauso auf die Siedlungsweise und BesiedlungsVorgänge auswirken. Es ist also möglich, Zeiten mit durchschnittlich gleichartigen Umweltverhältnissen von solchen stärkerer Umweltveränderungen zu trennen. Außer der Umweltrekonstruktion in bezug auf verschiedene Zeiteinheiten wird hier das zweite Anliegen paläo-ökologischer Forschung deutlich: die Rekonstruktion der Umweltentwicklung. Die Untersuchung der erdgeschichtlichen Entwicklung des Quartärs kommt dieser paläoökologischen Forschung weit entgegen, denn sie ist im wesentlichen klimagesteuert und nimmt Bezug auf die Besonderheit des Quartärs als geologische Formation, nämlich auf den raschen Wechsel groß- und kleinphasiger Klimazyklen.

3. Methodik zur Rekonstruktion der Umweltverhältnisse des ur- und frühgeschicMlichen Menschen Bei der Rekonstruktion ehemaliger Umweltverhältnisse sind im allgemeinen drei Möglichkeiten gegeben. Sie sind voneinander abhängig und bedeuten in der angeführten Reihenfolge eine zunehmende Verallgemeinerung der Ergebnisse: 1. Rekonstruktion der Umweltverhältnisse am Standort (Entnahmestelle der Probe, Standort des Profils, der Siedlungsschicht usw.). Sie stellt eine kleinräumige Gliederung dar, sowohl nach dem Umfang des betreffenden Gebietes als auch nach den ausscheidbaren ökologischen Einheiten. Sie ergibt sich unmittelbar aus der paläo-ökologischen Untersuchung der vorgefundenen geologischen, pedologischen, geomorphologischen, klimatologischen und paläontologischen Fakten. 16

2. Durch Verallgemeinerung der Einzelergebnisse, die an verschiedenen synchronen Standorten in einem Gebiet gewonnen wurden, wird eine allgemeine Charakteristik der Umweltverhältnisse in einem größeren Gebiet ermöglicht (großräumige Gliederung). In dieser erscheinen nicht mehr die untergeordneten ökologischen Einheiten am Standort. 3. Weitere Verallgemeinerung führt zur Ausscheidung von Landschaftszonen mit jeweils charakteristisch zusammengesetzten Komplexen von Umweltbedingungen und zu ihrer Darstellung im Kartenbild. Die bei solchen paläo-ökologischen Untersuchungen hauptsächlich angewandte Methodik besteht darin, mit. Hilfe aller festgestellten Milieu- und Klimafaktoren auf der Basis des aktualistischen Vergleichs Hinweise über verschiedene Details der ehemaligen Umwelt zu finden. Der aktualistische Vergleich setzt alle fossilen Erscheinungsformen zu gegenwärtigen Verhältnissen in Beziehung. Man geht davon aus, daß bestimmte natürliche Ursachen unter bestimmten Bedingungen ganz bestimmte Erscheinungen hervorrufen und auch gegenwärtig auf der Erde wirksam sind. Es ist also möglich, durch Vergleiche mit dem gegenwärtigen natürlichen Geschehen auf der Erde für die fossilen Erscheinungen Ursachen und Bedingungen zu erkennen, die sie einst erzeugten. Wir sind heute oft Zeuge geologischer, klimatologischer und biologischer Vorgänge, die unsere Umwelt gestalten. So wissen wir, daß ein Hangschutt unter dem intensiven Angriff äußerer Kräfte durch Verwitterung des anstehenden Gesteins in einer offenen vegetationsarmen Landschaft entsteht, daß Froststrukturen, wie Eiskeilnetze, nur unter hocharktischen Klimaverhältnissen in der Tundra entstehen können, daß eine verstärkte Kalkausscheidung im Wasser bevorzugt unter Klimaten mit hohen mittleren Sommertemperaturen stattfindet, daß ein artenreicher Eichenmischwald typisch für warm-feuchtes Klima, eine gräserreiche Strauchtundra aber typisch für kalt-trockenes Klima ist, daß eine Sumpfschildkröte nur unter ausgesprochen günstigen warmen Verhältnissen und ein Lemming nur unter extremen Bedingungen des Tundren- und Hochgebirgsklimas leben kann. Eine Schwarzerde bildet sich unter wiesensteppenartiger Vegetation in kontinentalen Klimaten mit warmen, trockenen Sommern und rauhen, ebenfalls niederschlagsarmen Wintern. Parabraunerden und Fahlerden sind typische Böden unter Laubmischwäldern in den feuchten Bereichen des gemäßigten Klimagürtels. Aus diesen Beispielen geht hervor, auf welche Ursachen wir eben einen fossilen Hangschutt, fossile Eiskeilnetze, Travertine und Kalktuffe, Pollenspektren mit Baumpollen des Eichenmischwaldes, fossile Reste von Pflanzenarten einer Strauchtundra, wie Polarweiden, Zwergbirken und Silberwurz, fossile Reste der Sumpfschildkröte oder des Lemmings, fossile Böden vom Typ des Tschernosems oder der Parabraunerde zurückführen müssen, unter welchen Klimabedingungen und in welchen Landschaftstypen derartige geologische Erscheinungen entstanden sind, derartige Floren, Faunen oder Bodentypen sich herausgebildet haben. Sind sämtliche Materialquellen im Bereich des Standortes ausgeschöpft, so kann aus der Summe der dadurch gewonnenen ökologischen Details eine Charakteri2

Praehistoricae

17

sierung der ehemaligen Umwelt an diesem Standort vorgenommen werden. Unsere Kenntnis der gegenwärtigen ökologischen Gliederung der Umwelt unter bestimmten Bedingungen veranlaßt uns weiterhin zur Gliederung des Standortes und seiner näheren Umgebung in kleinere ökologische Einheiten, in Biotope oder Teilbiotope (Abb. 2). Zum Beispiel lassen sich die aufgefundenen Tier- und Pflanzenthanatozönosen bestimmten Lebensgemeinschaften zuweisen, die wiederum an

Abb. 2.

Paläoökologische Ausdeutung einer Fossilgemeinschaft (Thanatozönose).

bestimmte Biotope gebunden waren. Sedimentcharakter, morphologische und hydrographische Verhältnisse sowie bodenkundliche Beobachtungen geben uns Hinweise dafür, wo sich diese Biotope in der Umgebung des untersuchten Standortes befunden haben müssen. Es ergibt sich ein Mosaik von lokalisierbaren Biotopen, das beispielsweise aus dem Gewässer, dem Talboden, dem Hang, aus benachbarten Felsen und der anschließenden Hochfläche bestanden haben kann (Abb. 3 und 4). Eine größere Anzahl derart ökologisch untersuchter ehemaliger Standorte, deren synchrone Stellung gesichert sein muß, bildet die Grundlage zur ökologischen Gliederung eines größeren Gebietes. Diese kann allerdings nur in Anlehnung an heutige geographische Verhältnisse, soweit sie ähnlich auch schon im Jungpleistozän und Holozän bestanden haben, erfolgen. Dazu gehören das Relief, die Beschaffenheit des geologischen Untergrundes, die relative Temperatur- und Nieder18

1) Thanatozönose 2) Autochthone Komponente 3-7) Parautochthone Komponenten 8) Allochthone Komponente Abb. 3. Beziehungen einer fossilen Molluskenthanatozönose aus einem stehenden Gewässer zum ehemaligen Lebensraum ihrer Komponenten.

Abb. 4. Beziehungen einer fossilen Molluskenthanatozönose aus einem Hangschutt zum ehemaligen Lebensraum ihrer Komponenten. 1) Thanatozönose 2) Autochthone Komponente

7

3-7) Parautochthone Komponenten

schlagsverteilung, in bestimmten Fällen auch die Verbreitung von Böden und die gesamte Hydrographie des Gebietes. Sie ermöglichen eine Abgrenzung annähernd gleichwertiger Landschaftsteile, z. B. der relativ warmen und trockenen Beckenlagen, des feuchteren Hügel- und Berglandes, der Mittelgebirgsregion, und innerhalb dieser von weiteren Einheiten, wie Talauen und Niederungen, Hochflächen, Nord- und Südhängen, oder relativ einheitlichen Landschaften nach geologischen Faktoren, z. B. das Lößgebiet, die Buntsandsteinlandschaft, die trockenen Kalk-, Keuper- und Gipsgebiete usw. Sind an einem Ort oder gar an mehreren Orten 2*

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in einer solchen Gebietseinheit paläo-ökologische Untersuchungen erfolgt, so lassen sich unter der Annahme, daß bei etwa gleichartigen natürlichen Voraussetzungen auch etwa gleichartige ökologische Verhältnisse bestanden haben, die Durchschnittsergebnisse der Untersuchungen auf diese ganze Gebietseinheit übertragen. Bei günstigen Untersuchungsbedingungen kann sich auf diese Weise eine Gliederung in bestimmte ökologisch in sich geschlossene Landschaftszonen ergeben (Abb. 5).

Typische Standorte

Charakteristik der Landschaftszonen

Allgemeiner landschaftstyp

Abb. 5. Ermittlung von ökologischen Einheiten verschiedener Größenordnung auf der Basis von Standortuntersuchungen.

Folgende Beispiele sollen den angeführten Weg verdeutlichen: Wenn Funde von fossilen Haselnüssen und Eichenstubben in den Kammlagen der Mittelgebirge beweisen, daß die obere Verbreitungsgrenze der Eichenmischwaldstufe aus klimatischen Gründen während des Atlantikums um etwa 300—400 m höher lag als heute, so läßt sich das von den einzelnen Fundpunkten ausgehend auch für die benachbarten fundleeren Mittelgebirgslagen annehmen und in Anlehnung an die Reliefgestaltung, z. B. den Höhenlinienverlauf, die Eichenmischwaldstufe rekonstruieren. Nach Ausweis verschiedener, über das mittlere Elbe-Saalegebiet verteilter Fundpunkte entstanden zu Beginn der Weichselkaltzeit Schwarzerden unter Wiesensteppen Vegetation. Die Fundpunkte befinden sich aber lediglich in jenem auch heute durch geringe Niederschläge und relative Trockenheit ausgezeichneten Raum, der als „mitteldeutsches Trockengebiet" bezeichnet wird. So kann unter Bezug auf diese Verhältnisse vor allem in Anlehnung an die heutige relative Niederschlagsverteilung und das vorhandene Relief eine frühweichselzeitliche Tschernosemwiesensteppe rekonstruiert werden. In den Niederungen, bei stärkerem Relief an den feuchten nach Nord und Nordost situierten Berghängen 20

und außerhalb der Schwarzerdezone im Bergland müssen sich nach Aussage zeitgleicher Pollenproben lichte Wälder vom Typus der Aue- und Galeriewälder sowie der Parktaiga befunden haben (vgl. Abb. 15). Für solche Verhältnisse können gegenwärtige Analogien aus den Wiesen- und Waldsteppen des mittleren und nördlichen Asiens und Osteuropas zum Vergleich herangezogen werden. Diese aus den Einzelbeobachtungen durch Verallgemeinerung erarbeitete großräumige Landschaftsgliederung kann schließlich im Kartenbild als optischer Ausdruck der Rekonstruktion ehemaliger Umweltverhältnisse wiedergegeben werden. Abbildung 6 zeigt ein Beispiel, wie aus der Verbreitung standortsgebundener Molluskenfaunen des Atlantikums nach ihrer ökologischen Ausdeutung und dem aufgezeigten methodischen Weg zur Ausgliederung von Landschaftszonen eine paläo-geographische Karte entstehen kann (D. MANIA, 1972; 1973a). Auch aus diesem Beispiel wird deutlich, daß solche Karten stark verallgemeinerte Verhältnisse zeigen, auf Details aus Gründen der für ihre Rekonstruktion erforderlichen hohen Probendichte verzichten müssen und lediglich Durchschnittswerte der vorhandenen Beobachtungen über einst wirklich existierende Umweltverhältnisse als Ausdruck des jeweiligen Forschungsstandes wiedergeben. Der Benutzer solcher Karten sollte sich immer ihres hohen Grades an Verallgemeinerung bewußt sein: die angegebenen charakteristischen Umweltverhältnisse einer bestimmten Zone sind in dieser nicht allein vorhanden gewesen, sondern die Zone umreißt nur jenes Gebiet, in dem sie deutlich überwogen!

4. Der Anteil der wichtigsten Fachdisziplinen an der Rekonstruktion verhältnisse des ur- und frühgeschichtlichen Menschen

der Umwelt-

Die Fachdisziplinen, die die Voraussetzungen zur paläo-ökologischen Analyse liefern, wurden bereits oben angeführt. Ihr Anteil an der ökologischen Auswertung soll im folgenden gezeigt werden. 4.1. G e o l o g i s c h - ö k o l o g i s c h e U n t e r s u c h u n g e n Primäre Bedeutung haben die geologischen Untersuchungen. Sie betreffen in unserem Falle bei der paläo-ökologischen Arbeit im Jungquartär des mittleren Elbe-Saalegebietes Erscheinungen, die im wesentlichen durch exogene Faktoren bedingt sind also durch die direkte Einwirkung der Atmosphärilien (Luft, Licht, Wind, Wasser, Temperatur), der Schwerkraft und des organischen Lebens. Diese Kräfte bewirkten die wichtigsten landschaftsbildenden Vorgänge im Eiszeitalter. Die endogenen, aus der Erde her wirksamen Kräfte treten zumindest im Jungquartär weniger in Erscheinung. J e nach Klimareich (nival, humid, arid) und Klimazone (arktisch, boreal, gemäßigt, subtropisch, tropisch) wirken die exogenen Kräfte verschieden auf die Erdoberfläche ein. So müssen auch die geologischen Erscheinungen verschieden ausfallen. Sie sind in Form und Art an Klima- und Landschaftszonen gebunden 21

Abb. 6. a) Die Verbreitung der holozänen Schwarzerde (1) im mittleren Elbe-Saalegebiet und ihre Beziehungen zu Molluskenfaunen des Atlantikums. — 2 Waldfauna, 3 Waldfauna mit Arten der Steppenheide und Felsensteppe, 4 Fauna der offenen Landschaft, insbesondere mit Steppenarten, 5 desgl. mit Auwaldarten.

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Abb. 6. b) Zonale Gliederung des mittleren Elbe-Saalegebietes im Atlantikum, ermittelt aus Abb. 6 a in Verbindung mit Relief, Klimaverhältnissen und Vegetationsgeschichte. — 1 Laubmischwälder, 2 Bergmischwald, 3 Auwald, 4 Wiesensteppe, 5 Übergangszone von Waldlandschaft zu offener Landschaft (n. D. MANIA, 1973a).

23

u n d in dieser H i n s i c h t a u s z u d e u t e n . W ä h r e n d d e r eiszeitlichen T e m p e r a t u r a b s e n k u n g i m Q u a r t ä r v e r s c h o b e n sich die K l i m a g ü r t e l jeweils ä q u a t o r w ä r t s u n d v o n den H o c h g e b i r g e n in die T i e f l ä n d e r . Ü b e r M i t t e l e u r o p a w a n d e r t e n

dabei

wiederholt in P h a s e n v o n e t w a 1 0 0 0 0 0 J a h r e n alle K l i m a z o n e n v o m m i t t l e r e n g e m ä ß i g t e n G ü r t e l bis z u m h o c h a r k t i s c h e n B e r e i c h u n d u m g e k e h r t hinweg (vgl. J . BÜDEL, 1 9 5 0 ; K . KAISER, 1967). A u s allen diesen K l i m a z o n e n bzw. - p h a s e n sind geologische E r s c h e i n u n g e n z u r ü c k g e b l i e b e n . N a c h ihrer K l i m a a b h ä n g i g k e i t lassen sich deutlich die w a r m - u n d k a l t z e i t l i c h e n E r s c h e i n u n g e n v o n e i n a n d e r u n t e r scheiden ( T a b . 2). Tabelle 2 Geologische Indikatoren der Warm- und Kaltzeiten Warmzeiten warm-feuchtes Klima

Kaltzeiten kalt-trockenes Klima

Verwitterung

vorwiegend chemisch-biologisch (z. B . Lösungsverwitterung)

vorwiegend physikalischmechanisch (z. B . Temperaturverwitterung)

Ergebnis der Verwitterung

Böden und Bodensedimente, Lösungsfracht in den Flüssen

skelettreicher Schutt, Geröllfracht in den Flüssen

Abtragungsvorgänge

gering, vorwiegend Seitenerosion der Flüsse, Verkarstung der Kalksteine

intensiv, Flächen- und Tiefenerosion, Ausblasung, Gletscherexaration, Bodenfließen (Solifluktion)

Sedimentation

vorwiegend feinkörnige Sedimente in den Tälern (Schlick), organogene Sedimente in stehenden Gewässern, Travertinund Kalktuffbildung

vorwiegend grobkörnige Sedimente in den Tälern (Schotter), äolische Sedimente (Löß, Flugsand), Hangschutt, Solifluktionsschutt, Moränen, Schmelzwasserablagerungen

Böden

tiefverwitterte Böden unter dichter Vegetation (Waldböden, z. B . Parabraunerden)

Rohböden, Froststrukturböden, Auftauböden

Lands chaftsCharakter in den mittleren Breiten

Landschaft mit geschlossener dichter Vegetationsdecke, Waldlandschaften

Landschaften mit offener, niederer Vegetationsdecke, oft vegetationsfrei, Steppen- und Tundrenlandschaften, Frostschuttwüsten

Aus den in der T a b e l l e g e n a n n t e n B e i s p i e l e n g e h t b e r e i t s h e r v o r , welchen g r o ß e n W e r t die zu b e o b a c h t e n d e n geologischen E r s c h e i n u n g e n bei g r u n d s ä t z l i c h e n A n a l y s e n zur Ökologie besitzen (Abb. 7). D a z u n o c h einige Beispiele, die b e s o n d e r e Milieu- u n d K l i m a i n d i k a t o r e n b e t r e f f e n : 24

Die Froststrukturen im Boden, in erster Linie die Polygonböden und Eiskeilnetze, bilden sich heute nur in arktischen Tundren mit Dauerfrostboden innerhalb jenes Bereiches, der nach Süd durch die —2°C-Jahresisotherme begrenzt wird (vgl. K. KAISER, 1961). Auch die fossilen Eiskeilnetze und Polygonböden in Mitteleuropa müssen sich unter solchen Verhältnissen gebildet haben. Ihre Kartierung ergibt somit ungefähr das Verbreitungsgebiet arktischer Tundren mit

i Abb. 7. Schematischer Schnitt durch ein Tal des Saalegebietes mit warm- und kaltzeitlichen Ablagerungen. 1 Flußschotter, 2 Löß, 3 Travertin, 4 Böden, 5 Auelehm. Wz l j 2 > 3 — Warmzeiten 1, 2, 3; K z i 2)3 — Kaltzeiten 1, 2, 3.

Dauerfrostboden vor dem Inlandeis und den ungefähren Verlauf der — 2°CJahresisotherme während der Kaltzeiten. Sie befand sich im nördlichen Mittelmeergebiet (K. KAISEE, 1967). Ferner geben diese fossilen Froststrukturen auch Hinweise auf den Umfang der Temperaturabsenkung. Sie betrug, gemessen an den gegenwärtigen Jahresmitteln von 8—9 °C für Mitteleuropa mindestens 10—12°C, offenbar sogar 15 °C. Der eiszeitliche Löß, der sich als breiter Gürtel durch Eurasien erstreckt, ist ein vom Wind ausgeblasenes, transportiertes und an bestimmten Leepositionen wieder abgelagertes Staubsediment. Das Substrat selbst ist auf die kaltzeitliche Verwitterung unter ariden Bedingungen, auf die sog. Verlössung, zurückzuführen. Entstehung, Verwehung und Ablagerung waren nur in den eiszeitlichen freien, offenen Landschaften möglich. Der Löß entstand vorwiegend in einer nördlich und nordwestlich von der Lößzone befindlichen, vegetationsarmen Frostschutt-Tundra, in der verstärkt mechanische Verwitterung möglich war, und wurde in einer durch die Lößzone bezeichneten Grassteppenlandschaft nördlich der Mittelgebirge wieder abgelagert. Er deutet somit auf die Verbreitung eiszeitlicher Steppen und trockener Tundren hin (Lößsteppen und Lößtundren). Für seine Entstehung gibt es kaum aktualistische Parallelen. Der Löß ist damit auf die besonderen Bedingungen während der trocken-kalten Klimaphasen des Eis25

Zeitalters beschränkt. Tierische Fossilfunde und Pollen aus dem Löß lassen aber erkennen, daß es sich bei den eiszeitlichen Lößsteppen in den mittleren Breiten um ähnliche krautreiche Grassteppen gehandelt hat, wie sie heute bei jährlichen Temperaturmitteln von unter —4°C bei kalten trockenen Wintern und noch verhältnismäßig warmen Sommern in Zentralasien existieren (B. FRENZEL, 1967). Aus dem Formenschatz geologischer einschließlich geomorphologischer Erscheinungen lassen sich bereits Angaben über die warm- und kaltzeitliche Landschaftsgliederung finden. Das ist allerdings nur bei natürlichen Voraussetzungen möglich. Im Verlauf des Jungholozäns werden die natürlichen Verhältnisse durch ständig stärker werdende künstliche Eingriffe gestört, wie durch Entwaldung,

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Abb. 8. Schnitt durch jungquartäre Ablagerungen im Geiseltal bei Mücheln-Möckerling in Verbindung mit archäologischen Funden (n. D. MANIA U. V. TOEPFER, 1971). 1 Schaber (Mittelpaläolithikum), 2 Silexartefakte (Mesolithikum), 3 Siedlungsfunde (jüngere Bronzezeit), 4 Siedlungsgruben (römische Kaiserzeit), 5 Siedlungsgruben (slawisch), 6 Hausreste (deutsch, 12. —15. Jh.), 7 Siedlungsschutt (16. —18. Jh.), 8 Flußschotter, 9 Sand, 10 Löß, 11 grauer Auelehm, 12 gelber Auelehm, 13 Mudde, 14 Anmoor, 15 Torf, 16 humose Böden, 17 Siedlungsschutt.

landwirtschaftliche Tätigkeit, Grundwasserabsenkung und Gewässerregulierung. Dabei entstehen Bedingungen, die denen der kaltzeitlichen Steppenlandschaften in Mitteleuropa ähneln: waldfreie offene Kultursteppen mit zeitweise durch die Landwirtschaft bedingten gänzlich vegetationsfreien Flächen. Das bedeutet, daß geologische Vorgänge wirksam werden können, die unter natürlichen warmzeitlichen Bedingungen in Mitteleuropa stark unterdrückt waren und vorwiegend in den Kaltzeiten wirksam wurden: weit verbreitete Flächen- und Hangabtragung, Tiefenerosion in den Ober- und Mittellaufbereichen, Schotterakkumulation, Hangschuttbildung, Schwemmkegelbildung, Auelehmablagerung (vgl. Abb. 8) — vor allem bei katastrophalen Hochwässern —, Austrocknung der Landschaft — bedingt durch stärkere Verdunstung, rascheren ungehinderten Abfluß der Oberflächenwässer und Absenkung des Grundwasserspiegels. Damit nimmt das Holozän eine Sonderstellung den pleistozänen Warmzeiten gegenüber ein. Für uns sind die angeführten geologischen Erscheinungen des Jungholozäns Hinweise für bedeutende Um weit Veränderungen, die der Mensch durch seine Eingriffe selbst verursacht hat und die größtenteils auf seine Ökologie negativ zurückwirken. 26

4.2. P e d o l o g i s c h - ö k o l o g i s c h e U n t e r s u c h u n g e n I n starkem Maße sind die Böden als Ergebnis der chemisch-biologischen Verwitterung vom Klima abhängig (vgl. Tab. 2) u n d somit an bestimmte Landschaftszonen u n d innerhalb dieser an bestimmte Vegetationsbereiche u n d Relieflagen gebunden. Nach ihrer bodenkundlichen Untersuchung werden sie als Milieuindikatoren zu wesentlichen Hilfsmitteln der Paläoökologie. Lessives oder P a r a braunerden sind typische warmzeitliche Verwitterungsböden unter Laubmischwald. Tschernoseme oder Schwarzerden sind Böden unter Wiesensteppen mit relativ warmem, aber trockenem Sommerklima u n d kalt-trockenem Winterklima. Sie sind typische Böden der Übergangsphasen von Warmzeiten zu Kaltzeiten u n d umgekehrt. Unter lichten Trockenwäldern der Waldsteppen konnten ebenfalls schwarze humusreiche Böden entstehen, aber sie enthalten nicht die Grauhuminsäuren wie die echten Schwarzerden, sondern Braunhuminsäuren. Podsole bilden sich auf meist sandigen durchlässigen Substraten unter feucht-kühlen Verhältnissen im humiden Klimareich. Pseudogleye werden durch hochstehendes Grundwasser oder Staunässe geprägt. Sie können unter warm- wie auch kaltzeitlichem Klima entstehen. F ü r die Kaltzeiten sind sie aber immerhin noch Anzeiger f ü r günstigere relativ feuchte Klimaverhältnisse. Schwache Bodenbildungen oder Initialphasen von bestimmten Böden in kaltzeitlichen Sedimentserien, z. B. Hangschutt- und Lößprofilen, deuten immer eine geringe Unterbrechung der kaltzeitlichen Klimaentwicklung durch untergeordnete Wärmeschwankungen an. Bodenhorizonte in limnischen u n d fluviatilen Kalksteinabsätzen sind jeweils auf ein Trockenfallen des Sedimentationsraumes zurückzuführen, bedingt entweder durch erosives Anschneiden der Travertin- oder Kalktufflager durch fließendes Gewässer, durch Quellverlagerung oder tatsächlich durch eine trockene Klimaphase, die

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Abb. 9. Schnitt durch das oberste Kalktufflager im Pennickental bei J e n a . 1 lockerer Kalktuff, 2 geschichteter fester Kalktuff, 3 humose Zonen, 4 lehmiger Hangschutt, 5 desgl. mit Kalktuff, 6 skelettreicher Hangschutt, P u n k t — jungbronzezeitlicher Siedlungshorizont.

27

zum Versiegen der Quellen oder Absinken des Grundwasserspiegels führte. Solche Bodenhorizonte sind z. B. in den holozänen Kalktuffen zu beobachten (Abb. 9). Hier besteht auch das Problem der Ausdeutung: sind sie wirklich auf Trockenphasen zurückzuführen? Da diese Böden wiederholt mit Fundhorizonten verbunden sind, wäre der durch sie eventuell mögliche Nachweis einer besonders trockenen Phase von besonderer Bedeutung f ü r die synchrone Besiedlung. Wenigstens f ü r einen Teil des Subboreals, in den diese Siedlungsphasen gehören, ist eine gewisse Zunahme trockenen, thermisch-kontinentalen Klimaeinflusses nachweisbar. Dabei entstanden nicht nur auf den Kalktufflagern Boden- u n d Hangschutthorizonte, sondern in den Sedimentserien der stehenden Gewässer ist eine Beschleunigung des Verlandungsvorganges durch Flachmoorbildung u n d in den Mooren eine Humifizierung durch Trockenfallen zu beobachten. Da das Subboreal sicher nicht trockener gewesen ist als das Boreal, ist es allerdings unverständlich, warum in dieser Phase durchaus mächtige Kalktuff- und Muddebildungen entstanden, s t a t t mächtiger Boden- u n d Torf horizonte. Eventuell liegen im Subboreal doch bereits stärkere künstliche Eingriffe vor. Aus den pleistozänen Warmzeiten sind keine Schwarzerden im mittleren ElbeSaalegebiet bekannt. Sicher entstanden in den noch kontinental gefärbten F r ü h -

Abb. 10. Verbreitung der holozänen Böden in Thüringen (n. D. RATT, 1965). 1 heutige Wald Verbreitung, 2 Verbreitungsgebiet der unveränderten Schwarzerde, 3 desgl. der Schwarzerde mit Verlehmungszone und Texturdifferenzierung, 4 desgl. des Lessives (auch unter 1).

28

phasen solche Böden. Sie wurden später durch die hochwarmzeitliche Bewaldung gänzlich überprägt und lessiviert. Anders lagen die Verhältnisse im Holozän: seit der spätglazialen Allerödschwankung sind Schwarzerden in Thüringen, im Harzvorland und im unteren Saalegebiet ausgebildet worden. Sie entwickelten sich bis zum Beginn des Atlantikums zu ausgereiften Böden und sind im mitteldeutschen Trockengebiet bis zur Gegenwart als unveränderte Tschernoseme erhalten geblieben. Sie deuten damit an, daß seit dem Ausgang der Weichseleiszeit hier offene, gehölzarme Landschaften existierten, die nie vollständig bewaldet wurden (D. RAU, 1965; M. ALTERMANN U. D. MANIA, 1968) (Abb. 10). Lediglich eine periphere Zone degradierter Schwarzerden ergibt, daß der Wald am Ende des Boreais und im Atlantikum unter dem Einfluß des feuchteren Klimas von den bewaldeten Bergländern und Talböden allmählich in die Schwarzerdezone vordrang und die betroffenen Schwarzerdeböden dabei pedogenetisch veränderte. Dieser Vorgang wurde aber bald durch den künstlichen Eingriff des Menschen beendet. Verbreitungskarten der fruchtbaren Schwarzerde in den wärmsten und trockensten, auch siedlungsgünstigsten Gebieten sind immer wieder als Hilfsmittel zur Klärung siedlungsarchäologischer Vorgänge benutzt worden. Für die Untersuchung landschaftsökologischer Fragen sind sie heute noch sehr wichtig. Allerdings müssen sie dabei unter einer komplexen Fragestellung gesehen werden. 4.3. V e g e t a t i o n s k u n d l i c h - ö k o l o g i s c h e U n t e r s u c h u n g e n Ganz empfindlich reagiert die Vegetation auf die Klimaänderungen. Das wird allein schon in der ständigen großräumigen Verschiebung der Klimazonen und der damit verknüpften Vegetationsgürtel deutlich. Der Charakter einer Landschaft wird entscheidend durch die Vegetation geprägt. Fossile Reste der ehemaligen Vegetation sind aus diesen Gründen von größter Bedeutung für die paläoökologischen Untersuchungen. Aus ihnen lassen sich gewisse Vegetationsgemeinschaften rekonstruieren, die jeweils für ein bestimmtes Klima und eine bestimmte Landschaft typisch waren (B. FKENZEL, 1967; 1968). Aus der zeitlichen Abfolge mehrerer nachgewiesener Vegetationstypen können Klima- und Landschaftsentwicklung nachgezeichnet werden. Bei diesen Untersuchungen ist die Art des Fossilmaterials von Bedeutung. Pflanzliche Makroreste, z. B. Abdrücke aus Travertinen oder erhaltene Pflanzenteile aus Torfen, geben in der Regel Aufschluß über die Zusammensetzung der Vegetation im Sedimentationsraum und dessen weiterer Umgebung. Damit lassen sich Standortbedingungen direkt untersuchen. Aus den Pollendiagrammen kann dagegen auf Grund der Spezifik der Produktion, des Transportes, des Niederschlages und der Erhaltung von Pollen nur die allgemeine Zusammensetzung der Vegetation in einem größeren Gebiet erschlossen werden, in der Regel in jenem Areal, das am Pollenfernflug beteiligt war. Die ehemaligen Vegetationsgemeinschaften werden deshalb aus dem fossilen Pollenniederschlag in Anlehnung an die gegenwärtige Zusammensetzung und Standortbindung der Vegetation rekonstruiert. Aus lokalen wie überregionalen Analysen der einstigen Vegetationsverhältnisse ist uns die klimatisch gesteuerte Vegetationsentwicklung (Vegetationssukzession) 29

Tabelle 3 Die Entwicklung der Vegetation des mittleren Elbe-Saalegebietes im J u n g q u a r t ä r

holozäne Warmzeit

Subrezent

Eichenmischwälder mit Erlen, Hainbuchen, Buchen und Kiefern, montane Fichtenwälder, starke künstliche Veränderungen

Subatlantikum

Eichenmischwälder mit Buchen u n d Hainbuchen

Subboreal

Eichenmischwälder mit Hainbuchen Ausbreitung der Buche

Atlantikum

Eichenmischwälder mit Ulmen und Linden Eichenmischwälder mit Kiefern u n d Hasel

Boreal

Eichen-Kiefern-Wälder mit Hasel

Präboreal

Birken-Kiefern-Wälder Birken-Wälder

Jüngere Dryas

Parktundra

Alleröd

Kiefern-Birken-Wälder Birkenwälder

Altere Dryas

T u n d r a und Steppe

Bölling

vereinzelt Birkengehölze mit Kiefern

Älteste Dryas

Tundra und Steppe

früher Teil des Spätglazials

W a r m p h a s e n : überwiegend Steppen, n u r vereinzelt Gehölze (vorwiegend Birke, Weide, seltener Kiefer) K a l t p h a s e n : Tundren und Steppen, z. T. noch mit Lößbildung

Hochglazial

W a r m p h a s e n : überwiegend krautreiche Grassteppen K a l t p h a s e n : Lößtundren u n d Lößsteppen

Frühglazial 2

W a r m p h a s e n : krautreiche Grassteppen mit einzelnen Gehölzen aus Kiefern, Birken, Zirbelkiefern, Zuckerhutfichten, Weiden K a l t p h a s e n : Lößtundren und Lößsteppen

Frühglazial 1

W a r m p h a s e n : Tschernosemwiesensteppen mit Waldsteppen, lichte Wälder aus Kiefern, Birken, Fichten (z. T. Zuckerhutfichte), vereinzelt Ulme, Linde, Eiche, Hasel K a l t p h a s e n : Tundren und Steppen, z. T. schon mit Lößbildung

Weichselkaltzeit

30

T a b e l l e 3 (Fortsetzung)

Eemwarmzeit

Kiefern-Birken-Waldtundra Kiefern-Fichten-Wälder Fichten-Kiefern-Tannen-Wälder mit Hex Hainbuchen-Fichten-Wälder Hainbuchenwälder Linden-Bichen-Ulmen-Wälder Bichen-Ulmen-Kiefern-Wälder mit Hasel Kiefern-Eichen-Wälder mit Hasel Kiefernwälder Kiefern-Birken-Wälder Birkengehölze

des Jungpleistozäns u n d Holozäns im mittleren Elbe-Saalegebiet recht gut bekannt (Tab. 3, zusammenfassend D. MANIA, 1973a). Daraus ist auch ersichtlich, welch umfassenden Beitrag die vegetationsgeschichtlichen Untersuchungen zur Paläoökologie bereits geleistet haben. Aus der Zusammensetzung der jeweiligen Yegetationsgemeinschaften wie aus dem Vorkommen von Einzelarten, die wichtige Klimaindikatoren sind, können Hinweise auf das ehemalige Klima gefunden werden. Solche Klimaindikatoren sind exotische Elemente, d. h. Arten, die heute aus klimatischen Gründen unser Gebiet nicht mehr erreichen. I n der letzten Warmzeit handelte es sich u m Arten, die heute in Süd- u n d Südosteuropa verbreitet sind, z. B. Flieder, Weinrebe, Lebensbaum, Liguster, Buchsbaum, Yielblütige Heckenkirsche, Hirschzungenfarn, Französischer Ahorn u n d südlich verbreitete Eichen (vgl. B. FBENZEL, 1967). Die Stechpalme war auf Grund des viel feuchteren u n d milden Klimas weit im I n l a n d verbreitet. Einige dieser exotischen Elemente fanden auch noch während des holozänen Klimaoptimums im Atlantikum Existenzbedingungen im mittleren ElbeSaalegebiet (Weinrebe, Mistel, Flaumeiche, Hirschzungenfarn, Stechpalme, Binsenschneide) (F. FIBBAS, 1949). Typische E x o t e n f ü r arktische P h a s e n waren Tundrenpflanzen, so Dryas octopetala (Silberwurz), Polarweiden, Zwergbirken, Sonnenröschen (Helianthemum alpinum) u. a. Abgesehen von solchen auffälligen Einzelarten, ist der durchschnittliche Anspruch an Licht, Wärme, Feuchtigkeit und Boden aller in der jeweiligen Pflanzengemeinschaft vertretenen Arten Ausdruck der ehemaligen Umweltbedingungen. Wie bereits erwähnt, k a n n aus dem Vorkommen von Eichenstubben, Haselnüssen und aus dem starken Eichenmischwald-Pollenniederschlag auf den K ä m m e n der Mittelgebirge während des Atlantikums auf eine wesentliche Höherverschiebung der Höhengrenze von wärmeliebenden Gehölzen u n d Waldgesellschaften g e s c h l o s s e n w e r d e n ( F . FIBBAS, 1 9 4 9 ; H . WILLUTZKI, 1 9 6 2 ) . W ä h r e n d d e s k l i m a -

tischen Optimums der Eemwarmzeit m u ß diese Grenze noch höher gelegen haben. Unter dem Einfluß der weichselkaltzeitlichen Temperaturentwicklung wurde sie stark nach unten verschoben u n d lag während der Kaltzeit weit südlich außerhalb Mitteleuropas im Mittelmeergebiet. Zeitweise befand sich selbst die polare Baum31

grenze im nördlichen Mittelmeergebiet (K. KAISER, 1967). Daraus ist ungefähr das Ausmaß der kaltzeitlichen Klimazonenverschiebung ersichtlich. Wichtig f ü r ökologische Untersuchungen ist das Verhältnis der bewaldeten zur offenen Landschaft. Die Anteile der offenen Landschaft sowie die Zusammensetzung der Waldsteppen-, Steppen- und Tundrafloren k a n n f ü r die kaltzeitlichen Phasen von der Pollenanalyse durchaus ermittelt werden (vgl. auch B. F R E N Z E L , 1968). Schwieriger sind solche Ermittlungen f ü r warmzeitliche Vegetationsabschnitte, beispielsweise f ü r das Boreal, Atlantikum u n d Subboreal. F ü r diese Phasen sind sie deshalb besonders wichtig, da im mitteldeutschen Trockengebiet noch mit einem größeren Anteil an offenen gehölzarmen Flächen gerechnet werden muß. Allerdings überwiegen in dieser Landschaft immer die aus der benachbarten Waldlandschaft eingetragenen Baumpollen, die eine Verzerrung der wahren Verhältnisse in den Pollenspektren ergeben. Künstliche Einwirkungen auf die Umwelt werden in den jungholozänen Abschnitten in starken Veränderungen u n d schließlich in der Unterbrechung des natürlichen Sukzessionsablaufes sowie im Auftreten von siedlungsanzeigenden Pflanzen, wie Getreide u n d Unkräutern, deutlich. Solche künstlichen Eingriffe waren besonders Rodungen, einseitige Ausnutzung der Wälder u n d landwirtschaftliche Tätigkeit. Aus der spezifischen Zusammensetzung der Vegetation können wesentliche natürliche Grundlagen f ü r die Wirtschaft der jeweiligen Siedlungsperioden abgeleitet werden (z. B. Ulmen- u n d Lindenwälder als Voraussetzung zur L a u b f ü t t e rung, Eichenwälder als Voraussetzung zur Schweinehaltung, Buchenwälder zur Gewinnung von Hartholzkohlen usw.). 4.4. F a u n i s t i s c h - ö k o l o g i s c h e U n t e r s u c h u n g e n Ähnlich wie bei den Resten der ehemaligen Vegetation läßt sich aus der Zusammensetzung der fossilen Faunen auf den Charakter der Landschaft schließen, in der sie einst lebten. Hier spielt wieder der aktualistische Vergleich eine große Rolle, da zahlreiche Tierarten, die im J u n g q u a r t ä r nachgewiesen wurden, auch heute noch vorkommen u n d in ihren Umweltansprüchen relativ gut bekannt sind. Aus vergleichenden Untersuchungen h a t sich ergeben, daß sie diese Ansprüche in der Regel während des geologisch kurzen Zeitabschnittes des jüngeren Eiszeitalters nicht oder nur unwesentlich verändert haben. Weniger aus dem Verhalten einer einzelnen Art als aus dem durchschnittlichen Umweltanspruch einer ganzen nachgewiesenen Tiergemeinschaft lassen sich verläßliche Angaben über die ehemaligen Umweltverhältnisse gewinnen. Das gilt nicht nur f ü r die zahlreich überlieferten Wirbeltierreste, sondern in höchstem Maße f ü r die quartären Molluskenfaunen, vor allem f ü r die Landschneckenfaunen, da ihre Vertreter auf Grund ihrer Lebensweise und Bewegungsmöglichkeit streng a n spezifische Standortverhältnisse gebunden sind (V.LOZEK, 1964; 1967; D. MANIA, 1973b). Unter den Wirbeltieren lassen sich Warmzeit- und Kaltzeitfaunen ausscheiden (Tab. 4). Diese wiederum können nach typischen Gemeinschaften aufgegliedert 32

Tabelle 4 Die Entwicklung der F a u n a des mittleren Elbe-Saalegebietes im J u n g q u a r t ä r Molluskenfauna

Jungholozän

Holozäne Warmzeit

Artenreiche thermophile Waldfauna. I m K e r n des Trockengebietes noch Gesellschaften der offenen Landschaft

Waldfaunen mit Hirsch, Ur, Reh, Wildschwein, Luchs, Fuchs, Dachs, Bär, Biber, Sumpfschildkröte

Altholozän

Herausbildung der Waldfauna, hoher Anteil von Arten der offenen Landschaft

Herausbildung der Waldf a u n a . Vereinzelt noch Wildpferd

Tundren- und Steppengesellschaften (Columellaund Pupilla-Fauna). I m Alleröd die ersten anspruchslosen Waldarten

Tundren- und Steppengesellschaften mit Wildpferd, Rentier, Eisfuchs, Schneehase, Schneehuhn, Wolf, Lemming im Alleröd zum ersten Male Hirsch u n d Reh

Artenarme Lößtundrenund Lößsteppengesellschaften (vor allem Pupilla-Faunen)

Tundren- und Steppengesellschaften mit Mamm u t , Wollhaarnashorn, Moschusochs, Saiga, Bobak, Höhlenlöwe, Wildpferd, Rentier, Eisfuchs, Schneehase, Schneehuhn, Lemming

Herausbildung der Tundren- u n d Lößsteppenf a u n a (Columella- u n d Pupilla-Fauna). Steppenf a u n a vom T y p der Helicopsis-Fauna. Vereinzelt anspruchsvolle Elemente

Steppengesellschaften m i t M a m m u t , Wollhaarnashorn, Bison, Ur, Elch, Riesenhirsch, Ren, Wildpferd, Höhlenlöwe, Höhlenhyäne, Massenvorkommen des Höhlenbären, Pferdespringer, Bobak, Stachelschwein, Ziesel, während der kalten Phasen besonders Lemming, Eisfuchs, Schneehuhn, Schneehase

Waldsteppen- und Wiesensteppengesellschaften

Waldsteppen- u n d Steppengesellschaften mit

Hochglazial

Weichselkaltzeit

-Frühglazial 2

Frühglazial 1

Praehistoricae

Verarmung der F a u n a durch künstliche Eingriffe. Ausbreitung von Arten der offenen Landschaften, sog. Kulturfolger

Mittelholozän

Spätglazial

3

Wirbeltierfauna

T a b e l l e 4 (Fortsetzung) Molluskenfaun a

Weichselkaltzeit

Eemwarmzeit

Wirbeltierfauna

(Chondrula-tridens-Fauna und Bradybaena-Fauna)

Mammut, Wollhaarnashorn, Bison, Ur, Elch, Riesenhirsch, Maralhirsch, Ren, Wildschwein, Höhlenlöwe, Höhlenhyäne, Höhlenbär, Brauner Bär, Fuchs, Dachs, Wolf, Wühlmaus

Anspruchsvolle Arten verschwinden, höherer Anteil von Arten der offenen Landschaft

Anspruchsvolle Arten verschwinden. — Steppennashorn, Höhlenbär, Riesenhirsch, Wildrind, Wildpferd, Wühlmaus

Artenreiche thermophile Waldgesellschaften mit anspruchsvollen Arten und exotischen Elementen

Waldfauna mit Waldelefant, Waldnashorn, Hirsch, Ur, Bison, Elch, Reh, Wildschwein, Biber, Fuchs, Luchs, Dachs, Brauner Bär, Panther, Sumpfschildkröte

Frühglazial 1

Herausbildung der Waldgesellschaften

werden, die an bestimmte Ökosysteme gebunden waren, so in Gemeinschaften des gemäßigten Laubmischwaldes, des borealen u n d subarktischen Nadelwaldes, der arktischen Tundra, der warm-kontinentalen Waldsteppen und Steppen, der kalt-kontinentalen Lößsteppe u n d innerhalb dieser Regionen nach Standorten der Niederung, des Berglandes und des Gebirges (vgl. V. TOEPFER, 1963). Besonders unter den Kleinsäugern, beispielsweise den Insektenfressern und Mäusen, befinden sich verläßliche Standortanzeiger. Die größeren Wirbeltiere nahmen ferner noch eine entscheidende Stellung in der Jagdökologie des ur- und frühgeschichtlichen Menschen ein. Am vorteilhaftesten lassen sich Molluskenfaunen ökologisch auswerten. Bei kalkhaltiger Umgebung sind sie in jedem eiszeitlichen Sediment enthalten. Die aufgefundenen Arten werden anteilmäßig verschiedenen ökologischen Gruppen zugewiesen, wie den Gruppen Wald, Waldsteppe, Au- u n d Sumpfwald, allgemein offene Landschaft, Steppe, mittelfeuchte Standorte, Sumpf, Wasser (vgl. V. L O Z E K , 1964). Aus den nach Individuen errechneten Anteilen ergeben sich Hinweise auf die detaillierte Gliederung der ehemaligen Standortverhältnisse, aber aus den Artanteilen sind Rückschlüsse auf übergeordnete Bedingungen, z. B. auf das Großklima oder den allgemeinen Landschaftstyp, möglich. So k a n n jede Probe in zwei Richtungen ökologisch ausgewertet werden. 34

Aus der Probenabfolge ergibt sich, ähnlich wie bei vegetationsgeschichtlichen Untersuchungen, die klimatisch gesteuerte Entwicklung der Molluskenfauna, die Molluskensukzession (vgl. D. MANIA, 1973b). Da diese sich während der eiszeitlichen Klimazyklen höherer Ordnung in analoger Weise wiederholte, kann man von einer eiszeitlichen Grundsukzession sprechen. Diese läßt für das Untersuchungsgebiet eine bis in Einzelheiten reichende Umweltanalyse und die Ableitung der Umweltbedingungen zu. Die geringste Veränderung der Umweltbedingungen am Standort veränderte bereits die Zusammensetzung der Molluskenfauna und äußerte sich zunächst in Häufigkeitsverschiebungen der Individuenspektren. Bei stärkeren Veränderungen verschwanden typische Arten und wurden durch andere, den neuen Verhältnissen besser angepaßte Arten ersetzt. Nicht nur die klimatisch oder edaphisch bedingten Umweltveränderungen lassen sich so erkennen, sondern auch die durch künstliche Eingriffe hervorgerufenen Änderungen innerhalb der natürlichen warmzeitlichen Umgebung der jungholozänen Molluskenfauna. Diese äußern sich z. B . in der Verarmung des Artbestandes, der Verdrängung der anspruchsvollen Waldfaunen, in Einwanderungen und der Verbreitung der für die trockene offene Kulturlandschaft typischen Arten. Aus weiträumigen Arealverschiebungen typischer Faunenelemente unter dem Einfluß der Klimaänderung während der Kalt- und Warmzeiten wird die klimatisch bedingte Umweltveränderung deutlich. So tauchen im nördlichen Mitteleuropa während der warmfeuchten Phasen der Warmzeiten Wirbeltiere (z. B.

Abb. U . Verbreitung der Saigaantilope in historischer Zeit (1) und während der Saaleund Weichselkaltzeit (3) in Beziehung zur Verbreitung der Lößsteppen (2). 3*

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Sumpfschildkröte) und Schneckenarten (z. B. Helicigona banatim) auf, die gegenwärtig in Süd- oder Südosteuropa zu Hause sind. Unter kaltzeitlichen Klimabedingungen dehnten sich die Areale von heute in Tundren, Hochgebirgen oder innerasiatischen Steppen lebenden Tierarten weit über Europa bis zur Atlantikküste aus. Beispiele dafür sind Moschusochs, Rentier, Schneehase, Eisfuchs, Schneehuhn und Lemming sowie die Schnecke Columella colwmella als typische Tundrenbewohner, und Saigaantilope, Steppenmurmeltier, Pferdespringer oder die Schnecke Vallonia tenuilabris als typische Steppenbewohner. Ihr eiszeitliches Verbreitungsgebiet ist jeweils charakteristisch für einen bestimmten Landschaftstyp. So fällt z. B. das eiszeitliche Areal der Saigaantilope und des Murmeltieres sowie von typischen Lößschnecken mit dem Gebiet der Lößsteppe zusammen (Abb. 11).

5. Beispiele zur Rekonstruktion von Umweltverhältnissen des ur- und frühgeschichlichen Menschen aus dem mittleren Elbe-Saalegebiet An einigen Beispielen aus dem mittleren Elbe-Saalegebiet wollen wir demonstrieren, wie aus der Summe aller am Fundort erreichbaren Beobachtungen mit Hilfe verschiedener Fachdisziplinen ein möglichst umfassendes Bild der einstigen Umwelt des ur- und frühgeschichtlichen Menschen erarbeitet werden kann. Zwei Beispiele betreffen die Umwelt altsteinzeitlicher Jäger, in dem einen Falle während einer Phase der letzten Warmzeit von Ehringsdorf bei Weimar, im anderen während einer frühweichselzeitlichen Waldsteppenphase von Königsaue bei Aschersleben. Ein drittes Beispiel betrifft die spätglaziale und holozäne Landschaftsentwicklung im mittleren Elbe-Saalegebiet nach dem gegenwärtigen Forschungsstand. 5.1. D i e U m w e l t d e r A l t s t e i n z e i t j ä g e r v o n E h r i n g s d o r f b e i W e i m a r Bei den Funden von Ehringsdorf handelt es sich um Artefakte mousteroiden Charakters, ein Altmousterien mit Blattspitzen- und Klingentendenz, u m die Reste der Jagdbeute und des Menschen selbst, eines Palaeanthropus (G. B E H M B L A N C K E , 1960; dort weitere Literatur). Die Funde stammen aus mehreren Brandschichten des Unteren Travertins im Ilmtal bei Ehringsdorf, der bisher allgemein in die Eemwarmzeit gestellt wird und etwa 115000 Jahre alt ist. Der Travertinkomplex bot günstige Voraussetzungen für eine naturwissenschaftliche Untersuchung: eine reich gegliederte Schichtenfolge im Travertinkomplex, ihre Verzahnung mit anderen pleistozänen Sedimenten (Hangschutt, Solifluktionsschutt, Terrassenschottern), eindeutige morphologische Situation, reichhaltige Pflanzenfunde, artenreiche Wirbeltier- und Molluskenfaunen. Darauf stützen sich die paläo-ökologischen Untersuchungen für die Umweltanalyse am Standort des Rastplatzes und seiner näheren Umgebung. Von diesen Untersuchungen sollen nur die Ergebnisse mitgeteilt werden. 36

5.1.1. Geologische und morphologische Verhältnisse Zwischen Mellingen und Weimar ist der Verlauf des Ilmtales an einen von Südost nach Nordwest streichenden Grabenbruch (Ilmtalgraben) gebunden. Seine Randspalten förderten starke Quellaustritte, deren mit gelöstem K a l k beladenes Wasser Ursache der Travertinbildung war. Besonders von der südwestlichen Randspalte schütteten starke Quellen durch eine flache Hangmulde ihr Wasser in das Ilmtal, dessen warmzeitlicher Talboden durch die den Travertin unterlagernde Schotterterrasse in 5—6 m Höhe über der heutigen Aue angezeigt wird. I n den Rinnsalen, Tümpeln, sumpfigen Rasen und Staubecken hinter Travertinbarren wurde der K a l k unter Mitwirkung kalzitropher Pflanzen (Moose, Algen) aus dem Wasser ausgefällt. Von dem etwa 600 m breiten Ilmtal stiegen die Talhänge ähnlich wie heute allmählich bis zu den 100 m höher liegenden breiten Hochflächen an. 5.1.2. Vegetationsverhältnisse Aus den aufgefundenen Pflanzenresten (W. VENT, 1958) läßt sich am Standort für die Zeit der Bildung des Unteren Travertins die Existenz eines thermophilen Eichenmischwaldes mit Eichen, Ulmen und Linden nachweisen. Ein höherer Anteil an Sträuchern (Hasel, Roter Hartriegel, Kreuzdorn, Liguster, Flieder) geht auf eine Auflockerung der Wälder in Standortnähe zurück. Einige Gehölzarten und Sträucher sind heute in wärmeren Regionen Südeuropas heimisch und deuten auf wärmere Verhältnisse als zur Gegenwart im Ilmtal hin. E s handelt sich um Flaumeiche, Virgileiche, Liguster, Flieder und Purgier-Kreuzdorn. Die Gehölze lassen sich als artenreiche Wälder vorstellen, als Auwälder mit feuchtigkeitsliebenden Arten im Ilmtal und in der Umgebung des Travertinlagers, als haselreiche Eichenwälder an den Talhängen, aufgelockert durch Gebüsche und steppenheideähnliche Biotope, wie sie auch heute noch in den mitteleuropäischen Kalklandschaften vorkommen. Auf den sumpfigen Wiesen herrschten Seggenbestände und Moosrasen vor, an den Tümpeln stockten Schilfrohr und Rohrkolben, die Gewässer selbst waren pflanzenreich und enthielten neben Algen, z. B . Characeen, und Moosen (kalkbildende Arten) als wärmeliebenden Vertreter die Binsenschneide (Cladium mariscus). 5.1.3. Molluskenfauna Am reichsten sind die Molluskenthanatozönosen im Travertin vertreten. Während ihre autochthonen Komponenten auf die verschiedenen Biotope im Talbereich Aufschluß geben (Auwald, Sumpfwald, Sumpf, Röhricht, krautreiche Kleingewässer, fließendes Wasser, Quelle), gehören die parautochthonen Komponenten zu artenreichen anspruchsvollen Lebensgemeinschaften des thermophilen Laubmischwaldes, wie sie heute noch in Mitteleuropa bestehen. Ihnen fehlen allerdings jene exotischen Elemente, die für das Optimum der Eemwarmzeit typisch waren. Auffällig ist außerdem ein Anwachsen von Elementen der offenen Landschaft. Sie können gelegentlich bis 8 0 % Individuenanteil und 3 0 % Artenanteil der Molluskenfauna erreichen. Das bedeutet, daß außerhalb der Sumpf- und Feucht37

biotope neben den Gehölzstandorten offene Biotope von Steppenheiden bis zu Trockenrasen existierten. Die Molluskenfauna zeigt so viel besser als die Reste der Vegetation die Standortverhältnisse in der Umgebung des Unteren Travertins an. 5.1.4. Wirbeltierfauna Unter den Wirbeltieren dominieren die Reste größerer Säuger, zum größten Teil die Jagdbeutereste des Ehringsdorfer Urmenschen. Sie gehören zu einer warm zeitlichen Waldfauna mit Waldelefant, Waldnashorn, Edelhirsch, Reh, Biber, Wildschwein, Luchs, Fuchs, Dachs, Marder und Wildkatze. Einige andere Arten haben allerdings nicht nur in geschlossenen Waldgebieten gelebt, sondern in mehr oder weniger offenen Landschaften, wie Steppennashorn, Riesenhirsch. Wildpferd, Auerochs u n d Wisent. Damit sind wie durch die Molluskenfauna wieder Hinweise auf die stärkere Auflockerung der Waldlandschaft in der Umgebung des Rastplatzes gegeben. 5.1.5. Klima Verhältnisse Die starke Travertinausfällung und die Existenz therinophiler Floren- u n d Faunengesellschaften war nur im sommerwarmen Klima möglich, dessen durchschnittliche Temperaturen mindestens den heutigen im Ilmtal entsprochen haben müssen. Nach den aufgefundenen anspruchsvolleren Pflanzenarten und der Häufigkeit jener Schneckenarten, deren gegenwärtige Verbreitungsschwerpunkte in südlichen R ä u m e n liegen, sind aber wesentlich günstigere klimatische Bedingungen zu erschließen. Die mittleren Julitemperaturen lagen etwa bei 20—21°C gegenüber 18—19°C der Gegenwart, während f ü r die Wintermonate gegenüber heute etwas mildere Bedingungen angenommen werden müssen. Das Jahresmittel lag etwa bei 10—11°C. Verschiedene Befunde weisen aber auf thermisch-kontinentale Verhältnisse mit durchschnittlich niedrigen Niederschlägen hin. 5.1.6. Allgemeine Landschaftscharakteristik Unter den aufgezeigten klimatischen Bedingungen bestand in der Umgebung des Travertinlagers eine aufgelockerte Waldlandschaft. Die Aue war dichter mit Auwäldern durchsetzt. Die mosaikartig in die Waldlandschaft eingestreuten offenen Stellen trugen Steppenheide- und Hügelsteppencharakter, an besonders exponierten Stellen traten Trockenrasen auf. Der durch diese Gliederung verursachte Biotopwechsel war günstig f ü r eine reich zusammengesetzte Wirbeltierfauna — neben den vorteilhaften Landschafts- und Klimabedingungen sowie der günstigen Standortverhältnisse in Quellnähe ebenfalls eine wichtige Voraussetzung f ü r die altsteinzeitlichen Jäger. Nach ähnlichen Befunden aus etwa zeitgleichen Horizonten im Travertin von Burgtonna, K r . Bad Langensalza, können diese ökologischen Verhältnisse mindestens f ü r den R a u m verallgemeinert werden, der heute das mitteldeutsche Trockengebiet einnimmt. Außerhalb davon existierte im feuchten Bergland und Mittelgebirge weitgehend geschlossener Laubmischwald (Eichenmischwald). Eine Bergmischwaldstufe m u ß weit höher als heute auf den Kammlagen der Mittelgebirge ausgebildet gewesen sein (Abb. 12). 38

A^O. A.N. A_ A A. O. A. A. A_ RV

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4-

Abb. 12. Landschaftszonen im mittleren Elbe-Saalegebiet während der Eemwarmzeit. — 1 thermophiler Laubmischwald, 2 Bergmischwald, 3 Auwald, 4 Hügelsteppen und Steppenheiden, Punkt — Travertinfundstelle von Ehringsdorf bei Weimar (n. D. MANIA, 1973 a).

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5.2. D i e U m w e l t d e r a l t s t e i n z e i t l i c h e n J ä g e r v o n K ö n i g s a u e b e i Aschersleben I n etwa 20 m tief unter der Oberfläche liegenden Ufersedimenten des ehemaligen Ascherslebener Sees zwischen Aschersleben und Gatersleben wurden dicht übereinander drei Fundschichten mit mittelpaläolithischen Artefakten entdeckt. Sie gehören zu einem t y p e n a r m e n Mousterien (Schicht B) u n d zu einer Gruppe mit Biface-Geräten des Micoquiens (Schicht A, C). Nach den stratigraphischen Untersuchungen stammen die Uferbildungen mit den Fundschichten aus der zweiten Wärmeschwankung der Weichselkaltzeit, dem sog. Brörup-Interstadial, und sind somit — auch nach C 1 4 -Datierungen von Torf u n d Hölzern — etwa 60000—70000 J a h r e alt. Ausführliche geologische u n d paläontologische Untersuchungen der vielgliedrigen Sedimentserie aus dem Ascherslebener See u n d der Umgebung ermöglichten die wohl bisher umfassendste Rekonstruktion von U m weit Verhältnissen altsteinzeitlicher Jäger im mittleren Elbe-Saalegebiet (D. M A N I A U . V . T O E P F E R , 1973). 5.2.1. Geologisch-morphologische Verhältnisse Absenkungsbewegungen im Untergrund verursachten die E n t s t e h u n g eines schmalen Rinnensees zwischen Eine u n d Selke u n d die Konservierung seiner Ablagerungen. Aus der Verbreitung der Seeablagerungen u n d Uferbildungen zur Zeit der Brörup-Schwankung ließen sich seine Ausdehnung u n d sein Uferverlauf rekonstruieren. Insgesamt war er 6—7 km lang u n d 2 k m breit. Sein Südostteil wurde durch eine aufragende Längsschwelle in zwei Teilrinnen gegliedert. Den Mudden als Ablagerungen des stehenden offenen Gewässers schlössen sich schilfreiche Flachmoortorfe a n als Hinweis auf einen Schilfrohrgürtel, am Ufer folgten stellenweise Bruchwaldtorfe, Seggentorfe und anmoorige Uferstreifen. Sie verweisen auf Bruchwälder und sumpfige Seggenwiesen am Ufer. Diese zonale Gliederung war besonders im Bereich der besiedelten Uferzone am Bruchsberg bei Königsaue zu beobachten. I m Bruchwaldtorf u n d Anmoor der Uferterrasse befanden sich die Fundschichten. Die Talsenke war flach. Die Hänge stiegen allmählich zu den von Flußterrassen gebildeten Hochflächen der Umgebung an. An einigen Stellen des Nordufers erfolgte dieser Anstieg über kliffähnlich aufragende Steilhänge, so auch a m Bruchsberg hinter der Fundstelle. Der Bruchsberg bildete eine breite Halbinsel mit vorgelagerter Uferterrasse. An seiner Ostflanke mündete ein Wasserriß in eine Bucht, die mit einem Schwemmkegel angefüllt war. Dieser durchbrach Bruchwaldtorfu n d Schilftorfgürtel. Halbinsellage u n d östlich anschließende Bucht mit Wasserzufluß, vertorfte Strandterrasse, der durch den Wasserriß ermöglichte freie Zugang zum Wasser, die Schutzwirkung des Röhrichts und Uferwaldes auf der einen Seite u n d des Bruchsberges auf der anderen Seite des Rastplatzes, die Möglichkeit der Geländeübersicht vom Bruchsberg aus — das waren die wichtigsten Aspekte, die die mittelpaläolithischen Jäger wiederholt zur R a s t veranlaßten. Die breiten Hochflächen südlich des Sees wurden durch die Täler von Eine u n d 40

Selke eingerahmt. Sie enthielten zur Zeit der Jäger die breiten vegetationsfreien Schotterflächen der Niederterrasse, auf denen die Eine und Selke in zahlreichen Mäandern, Altwässern und verwilderten Flußarmen dahinflössen. 5.2.2. Vegetationsverhältnisse Aus pflanzlichen Makroresten und Pollenproben aus Torfen und Mudden konnte vor allem die standortbedingte Vegetation ermittelt werden. Nach ihr ist die bereits angedeutete zonale Biotopgliederung des Gewässers und der näheren Umgebung möglich (Abb. 13 und 14). In der Mitte des Seebeckens befanden sich in etwa 3 m Wassertiefe ausgedehnte Charawiesen mit Laichkräutern. Uferwärts schloß sich bei abnehmender Wassertiefe die Zone der Schwimmblattgewächse an; dieser folgte ein dichter Schilfgürtel, der bis zum Ufer reichte und nur gelegentlich, z. B. an Bacheinmündungen, unterbrochen wurde. In Höhe der Wasserlinie schloß sich eine sumpfige Zone mit Torfmoosen an. Hier wuchsen noch aufgelockerte Schilf- und Rohrkolbenbestände sowie einzelne Sträucher, z. B. Weiden, und Bäume, wie Erlen und Birken. Diese

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II

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Abb. 13. Schematischer Schnitt (a—b auf Abb. 14) durch die verschiedenen Biotope am ehemaligen Ascherslebener See zur Zeit der mittelpaläolithischen Jäger von Königsaue (n. D. M a n i a u . V . T o e p f e r , 1 9 7 3 ) . Der Lagerplatz der Jäger befand sich auf der Uferterrasse. — 1 Mudde, 2 Schilf- und Bruchwaldtorf, 3 Anmoor, 4 Sand, 5 kiesiger Sand, 6 Kies, 7 Geschiebemergel, 8 Blocksohle, 9 Charawiesen, 10 Schwimmblattgewächse, 11 Schilfrohr, 12 Gebüsch, 13 Erle, 14 Birke, 15 Pappel, 16 Fichte, 17 Kiefer, 18 Seggen.

Zone ging zumeist in einen schmalen Streifen lichten Uferwaldes über. E r war auf der Strandterrasse vorwiegend aus Birken, Erlen, Weiden, Fichten (OmorikaFichten), einzelnen Kiefern und Pappeln zusammengesetzt und wurde oft von dichtem Weidengestrüpp und baumfreien, versumpften Partien unterbrochen, die Schilf-, Rohrkolben- und Seggengesellschaften trugen. Meist besaß der Uferwald den Charakter eines Bruchwaldes, an trockenen Stellen war er aber durch die Vorherrschaft von Kiefern verändert. Außerdem kamen hier vereinzelt CallunaHeiden, Haselgebüsche und andere Sträucher, z. B. Brombeeren, vor. Landwärts 41

folgte eine periodisch feuchte Anmoorzone mit ausgedehnten Seggenwiesen. Jenseits davon stiegen die trockenen sandigen Seetal-Abhänge zu den Hochflächen an. Wie diese trugen sie offene Biotope, die nur gelegentlich von einzelnen Baumgruppen und Gebüschen aus Kiefern, Birken, Hasel und anderen Sträuchern durchsetzt wurden. Nach Aussage der Pollenanalysen trugen die Hochflächen Wiesensteppenvegetation mit Gramineen, Beifuß, Korbblütlern, Doldenblütlern und Nelkengewächsen. Der noch hohe Anteil an Baumpollen geht wohl auf Fernflug zurück. Danach müssen sich in der weiteren Umgebung an günstigen Standorten, so in den Flußtälern (Abb. 14), aber besonders in den anschließenden Bergländern des Vor- und Unterharzes Parktaigen aus Kiefern, Birken, OmorikaFichten befunden haben, in denen an klimatisch begünstigten Standorten noch vereinzelt Ulme und Linde vorkamen. Erlen- und Weidenbestände begleiteten die Flußauen. Dadurch wird bereits auf die Großgliederung der Landschaft als Waldsteppe mit Parktaigen und offenen Wiesensteppenflächen hingewiesen.

Abb. 14. Paläoökologische Karte der Umgebung des ehemaligen Aseherslebener Sees zur Zeit der mittelpaläolithischen Jäger von Königsaue (n. D. MANIA U. V. TOEPFER, 1973). a—b Schnitt durch den Lagerplatz der Jäger (vgl. Abb. 13). — 1 offenes Wasser, 2 Schilfrohrgürtel, 3 sumpfige Wiesen mit Schilfrohr und Seggen, 4 Gehölze an feuchten Standorten (z.B. Uferwald, Galeriewald), 5 Wiesensteppen, überwiegend auf Tschernosem, 6 vegetationsfreie Schotterflächen, 7 Steilhänge, Kliffs, 8 verwilderte Flüsse, 9 periodische Wasserläufe.

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5.2.3. Molluskenfauna Die aufgefundenen Molluskengesellschaften bestätigen im wesentlichen diese Biotopgliederung. Wichtig sind die zuweilen beobachteten Elemente einer Wiesensteppenfauna von den benachbarten Hochflächen sowie einige Waldsteppenarten. 5.2.4. Ostrakodenfauna Eine ökologische Gliederung, die sogar noch zu Teilbiotopen führt, konnte mit der reichen Ostrakodenfauna aus dem Gewässer vorgenommen werden. Sie ist allerdings für die menschliche Umwelt weniger von Bedeutung. 5.2.5. Wirbeltierfauna Wirbeltierreste stammen aus ufernahen Ablagerungen und aus den Fundschichten. Im zweiten Falle stellen sie die Reste der Jagdbeute und deshalb eine künstliche Auswahl dar. Es kommen Vertreter einer Mammutfauna vor mit Mammut, Wollhaarnashorn, Wildpferd, Rentier und Wisent, aber es erscheinen auch noch anspruchsvollere Vertreter: maralähnliche Edelhirsche, Steppennashorn, Wildesel. Ferner treten Höhlenlöwe, Hyäne und Wolf auf. Es handelt sich damit um eine frühkaltzeitliche Mischfauna aus Elementen sommerwarmer Steppen und Waldsteppen sowie einer subarktischen Landschaft. Durch Befunde aus zeitgleichen Fundstellen mit Wirbeltierfaunen aus dem mittleren Elbe-Saalegebiet läßt sich diese Fauna wesentlich ergänzen. 5.2.6. Klimaverhältnisse Für die Zeit der mittelpaläolithischen Jäger am See kann ein Kiefern-Birkenwaldklima mit durchschnittlich borealen, zeitweilig wohl auch kühl-temperierten Verhältnissen angenommen werden. Wiesen- und Waldsteppen und die Faunen deuten auf einen bereits stärkeren kontinentalen Einfluß, also ein vornehmlich sommerwarmes, aber winterkaltes und relativ trockenes Klima hin. Nach der Zusammensetzung der Floren- und Tiergemeinschaften sowie Vergleichen mit synchronen Befunden aus Mitteleuropa müssen mittlere Temperaturen von 12 bis 15 °C für den wärmsten Monat, von unter — 4°C für den kältesten Monat und von etwa 4 bis 6°C für das Jahresmittel angenommen werden. Wahrscheinlich waren die Niederschläge von jährlich 300 bis 450 mm im Steppengebiet auf die Übergangszeiten zum Sommer und zum Winter konzentriert. 5.2.7. Allgemeine Landschaftscharakteristik Der See mit seinem vorzüglich gewählten Rastplatz lag inmitten einer Waldsteppenlandschaft. Weitere zeitgleiche Befunde aus dem Elbe-Saalegebiet, z. B. zahlreiche Fundpunkte fossiler Schwarzerden, ergaben, daß diese sich aus einer zusammenhängenden Schwarzerde-Wiesensteppe und einem darum gelagerten Parktaigagürtel zusammensetzte (Abb. 15). Jene umfaßte etwa den Raum des heutigen mitteldeutschen Trockengebietes, während sich die Parktaiga in den 43

50 Km 777777?V. m^'/A A b b . 15. Paläoökologische K a r t e des m i t t l e r e n Elbe-Saalegebietes zur Zeit der mittelpaläolithischen J ä g e r v o n Königsaue (n. D . M A N I A U . V . T O E P F E R , 1973). — 1 Wiesensteppe auf Tschernosem, 2 lichte P a r k t a i g a , 3 Auwälder a n Gewässern, 4 B e r g w a l d t u n d r a , 5 steinige B e r g t u n d r a . P u n k t e : mittelpaläolithische Fundstellen. Nördlichster F u n d p u n k t : Königsaue

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feuchteren Hügel- und Bergländern befand. Der Ascherslebener See u n d das Nordharzvorland lagen etwa im Übergangsbereich. Die Parktaiga bestand aus lichten Birken-Kiefernwäldern mit Fichten u n d einzelnen wärmeliebenden Gehölzarten. Die Flüsse im Steppengebiet wurden von Galeriewäldern begleitet, in weiten Niederungen stockten Au- u n d Sumpfwälder. I n den oberen Zonen der Mittelgebirge bestanden wohl bereits Bergwaldtundren u n d steinige Bergtundren. Die futterreichen Wiesensteppen u n d Übergangsbereiche zur Parktaiga wurden während der günstigen Jahreszeit von einer reichen Tierwelt hinsichtlich der Individuen- wie Artenvielfalt belebt. Sie waren bevorzugte Biotope f ü r mehr oder weniger umfangreiche Herden von Rentieren, Wildpferden u n d Wisenten sowie vom Wildesel, gelegentlich wurden sie von kleinen Mammutherden u n d den sie begleitenden Wollhaarnashörnern, seltener den Steppennashörnern, durchzogen. I m Übergangsgebiet zur Parktaiga hielten sich die Maralhirsche auf, während Schilfdickichte u n d Sumpfgebiete Wildschweinen u n d Auerochsen Unterschlupf u n d Einstand boten. Zu diesen Großsäugern kommen noch artenreiche Kleinwirbeltierfaunen der Steppe und Parktaiga. Ganz anders waren die F a u n e n in den Bergwaldtundren zusammengesetzt. Dieser starke faunistische Wechsel, bedingt durch den Wechsel der Vegetationszonen, f a n d auf relativ kleinem R a u m zwischen den Kammlagen der Mittelgebirge u n d den Beckenlandschaften s t a t t , u n d zwar in einem Gebiet von etwa 50 k m Durchmesser innerhalb des Jagdreviers der J ä g e r von Königsaue. Daß diese Jäger auch die Faunenbestände im Mittelgebirge bejagt haben, deuten mousteroide F u n d e aus den Höhlen bei Rübeland im Harz an. D o r t wurden die Höhlenbären in ihren Schlupfwinkeln aufgespürt. Die klippenreichen Felshänge der Mittelgebirgstäler, z. B. des Bodetales, waren bevorzugtes Gelände f ü r Gemsen und Steinböcke. F ü r die Brörupzeit k a n n auch eine allgemeine Landschaftsgliederung nach klimatisch bedingten Vegetationszonen in ganz Europa entworfen werden (n. B. FRENZEL, 1967; 1968) (Abb. 16). Eine Kartierung der wichtigsten MicoquienFundstellen zeigt, daß sich die Jägersippen in der offenen Landschaft, aber immer in Nähe der Parktaigen oder größeren Galeriewälder aufgehalten haben — in jenen Gebieten also, wo neben geschützten Lagerplätzen auch der Vorteil des Wildreichtums wahrgenommen werden konnte. Diese K a r t e soll gleichzeitig Beispiel f ü r die äußerste mögliche Verallgemeinerung von ökologischen Befunden zur Darstellung ehemaliger Umweltverhältnisse sein. 5.3. D i e s p ä t g l a z i a l e u n d h o l o z ä n e L a n d s c h a f t s e n t w i c k l u n g im m i t t l e r e n E l b e - S a a l e g e b i e t Die Landschaftsentwicklung im mittleren Elbe-Saalegebiet seit dem E n d e der letzten Eiszeit soll mit Hilfe ökologisch ausgedeuteter Molluskenanalysen demonstriert werden (D. MANTA, 1972; 1973a). Sie ist in Verbindung mit der Vegetationsgeschichte dieses Raumes zu verstehen. Diese soll als b e k a n n t vorausgesetzt werden (vgl. Tab. 3). Es ist auffällig, daß die holozäne Molluskensukzession im mitteldeutschen 45

Trockengebiet anders verlief als in den feuchten, auch heute oft noch unter Wald stehenden Bergländern (vgl. D. M A N I A , 1972, Abb. 3—6). In diesen läßt sich die normale Sukzession von spätglazialen artenarmen Tundren- und Steppengesellschaften bis zu den artenreichen anspruchsvollen Waldgesellschaften des Atlantikums nachweisen. Diese Entwicklung ist auf die nacheiszeitliche Wiederbewaldung bis zum Schluß der Wälder zurückzuführen. In dem durch Schwarzerden ausgezeichneten mitteldeutschen Trockengebiet tritt dagegen im gesamten Holozän an allen beobachteten Fundpunkten keine echte Waldfauna auf. Stattdessen entwickelte sich hier eine an warmzeitliche Verhältnisse angepaßte Fauna der offenen, gehölzarmen Landschaften mit dem Charakter von Wiesensteppenfaunen. In den Thanatozönosen treten höchstens Auwaldarten auf. Das bedeutet, daß im gesamten Schwarzerdegebiet bis zum Atlantikum keine geschlossenen Wälder entstanden, sondern höchstens Auwälder und einzelne Baum- und Gebüschgruppen. An diesem Beispiel wird besonders deutlich, wie die standortbedingten Molluskengesellschaften eindeutigere ökologische Ergebnisse liefern als die Pollenanalyse in diesem Raum, nach der wiederholt auch die dichte Bewaldung des Schwarzerdegebietes gefolgert wurde. Der Nachweis der offenen, gehölzarmen Landschaften noch im Atlantikum ist aber wichtig für die Untersuchung des frühneolithischen Besiedlungsvorganges, der im wesentlichen diese Landschaften betraf. Wie die Verbreitung der frühneolithischen Siedlungen zeigt, befand sich das Siedlungsgebiet vorwiegend in der aufgelockerten Übergangszone von der offenen Schwarzerdelandschaft zur Waldlandschaft. Das zeigt uns, daß die Siedler auf diese Weise die siedlungsgünstigsten Vorteile beider Landschaften ausnutzen wollten — auf der einen Seite die warmen trockenen Bedingungen der offenen Beckenlandschaft mit den fruchtbarsten Böden und einer sicherlich futterreichen Weide sowie mit wenig behinderter Bewegungsmöglichkeit, auf der anderen Seite aber das Angebot an Bau- und Brennholz und die Möglichkeit der Ausnutzung der ulmen- und lindenreichen Wälder zur Laubfütterung. Allein die Viehhaltung genügte, um im Laufe des Atlantikums und Subboreals den Wald am weiteren Vordringen in das Trockengebiet zu hindern. Auf diese Weise blieb dieses Gebiet im wesentlichen waldfrei und die Schwarzerde bis heute unverändert. Nach dem Atlantikum werden die Molluskenabfolgen in zunehmend starkem Maße durch künstliche Eingriffe in die Landschaft gestört. So verarmen die arten-

Legende zu Abb. 16. Paläoökologische Karte Europas zur Zeit der mittelpaläolithischen Jäger von Königsaue ( v o r w i e g e n d B r ö r u p - I n t e r s t a d i a l , n . D . MANIA U. V . T O E P F E R , 1 9 7 3 , e n t w o r f e n n . B . F R E N -

ZEL, 1968). — Punkte: Fundstellen des Micoquiens, 1 Tundra, 2 Zwergstrauchtundra, 3 Fichten-Birken-Waldtundra, 4 Fichten-Birken-Kiefern-Lärchenwald, 5 Kiefern-FichtenBirken-Waldsteppen, 6 Fichten-Kiefern-Birken-Tannenwald, 7 Fichten-Tannenwald mit Kiefern und Thermophilen des Eichenmischwaldes, 8 Eichenwald mit Kiefern, 9 EichenHainbuchenwald mit Buchen und Fichten, 10 Steppen, z. T. mit Waldsteppe und einzelnen Gehölzen, östlich der Trennlinie an der Elbe zunehmend kontinental (Steppen mit KieferFichten-Birkenhainen, z. B. mit thermophilen Holzarten), westlich davon zunehmend atlantisch (Steppen mit atlantischer Tönung, z. B. mit viel Ericales).

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reichen Waldgesellschaften in den Waldgebieten und werden durch Steppenheideund Hügelsteppenfaunen ersetzt. Darin finden die Rodungsvorgänge und die damit verbundene künstliche Öffnung und Austrocknung der Landschaft ihren Ausdruck. Die Diagrammkarten bei D. MANIA, 1972, Abb. 7—12, zeigen anschaulich diese Entwicklung vom Ende des Hochglazials bis zur historischen Zeit. 6. Die Bedeutung der Umweltverhältnisse für den ur- und frühgeschichtlichen Menschen, die Probleme und der zukünftige Weg der paläo-ökologischen Forschung Die Beziehungen des ur- und frühgeschichtlichen Menschen zu seiner Umwelt waren mannigfaltig und beeinflußten mit unterschiedlicher Intensität alle Bereiche des menschlichen Lebens. In dem hier gegebenen engen Rahmen kann weder der Faktor Umwelt in seiner ganzen Bedeutung umschrieben werden, noch können die vielschichtigen, in ihrem vollen Umfang längst noch nicht erfaßten Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt befriedigend dargestellt werden. Die Komplexität der ökologischen Beziehungen soll an besonders auffälligen Erscheinungen sichtbar gemacht werden, um auf die grundsätzliche Bedeutung der Umwelt für die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft aufmerksam zu machen. Die Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Umwelt erfolgt vorwiegend aus ökonomischen Gründen. Über die Arbeit besteht eine direkte Beziehung zur Umwelt. Das primäre Ziel jeder menschlichen Produktion ist die Sicherung der Existenz. I m Vordergrund steht deshalb die Nahrungsbeschaffung durch Bereitstellung von pflanzlichen, tierischen und anorganischen Produkten. Die ursprüngliche Nahrungsgewinnung durch Sammeltätigkeit und J a g d wurde vom Neolithikum ab durch Nahrungsproduktion, d. h. durch Anbau von Kulturpflanzen und durch Viehzucht entscheidend verändert. Die jeweils gegebenen Umweltverhältnisse bedingen dabei entscheidend die Wirtschaftsform, die ihrerseits wieder wesentliche Teile der materiellen Kultur beeinflußt. Die Anpassung an gegebene Klimabedingungen wird u. a. in der Art der Kleidung und im Siedlungswesen spürbar. Das Vorhandensein bzw. das Fehlen von Rohstoffen (z. B . Feuerstein, Salz, Kupfer) kann sich fördernd oder hemmend auf die Entwicklung auswirken. Aber auch auf andere Bereiche, wie Sozialstruktur, Kultäußerungen, wirkten die Umweltbedingungen ein. Der Einfluß der Umwelt auf die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft war in den einzelnen Epochen unterschiedlich, sowohl was die Intensität als auch die Art und Weise der Umweltbeziehungen betrifft. Die Rekonstruktion des jeweiligen Lebensraumes mit seinen Bedingungen ist deshalb eine wichtige Voraussetzung für die historische Interpretation der verschiedenen ur- und frühgeschichtlichen Perioden, da die sozial-ökonomischen Verhältnisse durch die Umwelt verschieden stark beeinflußt wurden. Zu berücksichtigen ist auch, daß der Mensch in potentiell zunehmendem Maße auf die jeweiligen Umweltverhältnisse einwirkte, indem er sie vom Neolithikum ab zunehmend aktiv veränderte. Auch dieser Seite der Umweltbeziehungen muß Rechnung getragen werden. 48

Zunächst war der Mensch, bzw. waren die unmittelbaren Vorfahren des Menschen, der Umwelt bedingungslos ausgeliefert. Bei der Herausbildung der frühen Hominiden, die sich in Savannen- oder Steppenlandschaften und nicht in Waldgebieten vollzog, wird die selektive Wirkung der Umweltbedingungen sichtbar. Die weitere Entwicklung im Altpaläolithikum erfolgte wegen der noch geringen Anpassungsfähigkeit des Menschen hauptsächlich in den günstigen Klimazonen, die nur in geringem Umfang von den Klimaveränderungen des Eiszeitalters beeinflußt wurden. I m Jungpaläolithikum schließlich erreichte die Auseinandersetzung zwischen dem Homo sapiens und seiner Umwelt ein weit höheres Niveau. I n dieser Periode wird der Einfluß der sich ändernden Umweltverhältnisse auf alle Bereiche des menschlichen Lebens besonders deutlich. Die Besiedlung auch klimatisch ungünstiger Gebiete zeugt von der besseren Anpassungsfähigkeit des Menschen an die unterschiedlichen Lebensbedingungen. Verbesserte Jagdgeräte, der Nachweis von Kleidung und die Wohnbauten zeugen davon. Wiederum anders geartet sind die Umweltbedingungen des Menschen im Neolithikum. Der Übergang von der Wirtschaftsweise der Jäger und Sammler zur Wirtschaftsform der neolithischen Ackerbauer und Viehzüchter führte zu einer völlig anderen Bewertung des physio-geographischen Lebensraumes. Der Wechsel von der letzten Kaltzeit zur holozänen Warmzeit führte zu Veränderungen der Landschaftsverhältnisse: Entstehung von fruchtbaren Wiesensteppenlandschaften und Waldsteppen in Südosteuropa und im östlichen Mittelmeergebiet und von Waldlandschaften in den gemäßigten Breiten, Vergrößerung der Verbreitungsgebiete von Wildformen der Kulturpflanzen, Herausbildung bestimmter Böden und die Verbesserung des Wasserhaushalts. Auf dem Hintergrund dieser veränderten Umweltbedingungen ist der weltweite Übergang zu Bodenbau und Viehzucht zu sehen. Die weiter oben ausführlicher beschriebenen mittel- und jungpaläolithischen Fundplätze Ehringsdorf und Königsaue zeigen, daß es mit Hilfe günstiger Befunde und komplex angewendeter naturwissenschaftlicher Untersuchungsmethoden möglich ist, eine oft bis ins einzelne gehende Rekonstruktion der ehemaligen Landschafts- und Klimaverhältnisse zu geben. Die Schwierigkeiten f ü r diese Perioden liegen in der geringen Zahl entsprechend auswertbarer Fundstellen. Die Einordnung archäologischer Komplexe kann häufig nur pauschal vorgenommen werden. I n der Altsteinzeit ist es aber durchaus vertretbar, die erkannten durchschnittlichen Umweltverhältnisse einer längeren Phase mit den relativ langsam sich entwickelnden archäologischen Komplexen zu korrelieren. Für das Holozän (vgl. 5.3.) ist eine größere Anzahl von naturwissenschaftlich auswertbaren Aufschlüssen im Elbe-Saalegebiet bekannt. Obwohl geschlossene Sukzessionen ermittelt wurden, können doch nur Durchschnittswerte f ü r bestimmte relativ große Zeitabschnitte ermittelt werden, die den Anforderungen der Archäologen nicht genügen. Besonders seit dem Neolithikum vollzieht sich ein verhältnismäßig rascher Wechsel in der Abfolge archäologischer Kulturen. Mit Hilfe naturwissenschaftlicher Methoden ist es jedoch nur möglich, für einen größe4

Praehistoricae

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ren Zeitraum durchschnittliche Umweltverhältnisse zu rekonstruieren (Abb. 6). Danach wären beispielsweise sowohl für die Bandkeramik als auch für die Trichterbecherkultur, die beide in das etwa 3 000 Jahre andauernde Atlantikum einzuordnen sind, die gleichen Umweit Verhältnisse anzunehmen. Von unveränderten ökologischen Bedingungen für das gesamte Neolithikum geht B. S I E L M A N N ( 1 9 7 1 ; 1972) bei seinen sehr verdienstvollen Untersuchungen — auf die wir hier nicht eingehen können — in Südwestdeutschland aus. Diese Voraussetzung ist aber nicht erfüllt, denn die Pollenanalyse hat für das Atlantikum vegetationsgeschichtliche Phasen mit verschieden zusammengesetzten Waldgesellschaften nachgewiesen und darüber hinaus für Mitteleuropa, vor allem für das Spätatlantikum, Trockenphasen erkannt. Wir müssen damit rechnen, daß während des Neolithikums wiederholt eine Veränderung der Umweltverhältnisse stattgefunden hat, die nicht ohne Einfluß auf die Wirtschaftsstruktur der davon betroffenen archäologischen Kulturen gewesen sein kann. Noch charakteristischer sind solche Veränderungen für das nachfolgende relativ trockene Subboreal, in dessen Anfangsperiode die Endphase des Neolithikums einzuordnen ist. Es ist aber bisher nicht möglich, bestimmte neolithische Kulturen mit diesen spezifischen vegetationsgeschichtlichen Phasen zu parallelisieren. Aus diesem Grund können Karten, die nur die allgemeinen, natürlichen Umweltverhältnisse wiedergeben, nicht unmittelbar in Beziehung zu einer bestimmten archäologischen Kultur gesetzt werden. Noch weniger ist es möglich, anhand des Verbreitungsbildes archäologischer Kulturen auf ehemalige Umweltverhältnisse schließen zu wollen. Daß bei der Verbreitung archäologischer Kulturen selbstverständlich auch noch andere Aspekte, wie politische und ethnische Bezüge, eine Rolle spielen, muß von Fall zu Fall berücksichtigt werden. Anhand von drei Beispielen soll auf die Schwierigkeiten hingewiesen werden, die sich bei der Auswertung von Verbreitungskarten archäologischer Kulturen unter den hier diskutierten Gesichtspunkten ergeben. Um bestimmte, für unsere Fragestellung wichtige Landschaftstypen sichtbar zu machen, wurde eine generalisierte Bodengrundkarte verwendet, bei der die von lokalen Verhältnissen abhängigen Sekundärerscheinungen wie Naß- und Gesteinsböden unberücksichtigt blieben. Dargestellt wurde die offene, wiesensteppenähnliche Landschaft mit Schwarzerde, die Waldlandschaft vorwiegend mit Waldböden und dazwischen die Übergangszone, die durch die degradierte Schwarzerde charakterisiert wird. Dieses Kartenbild, das möglicherweise einen konservierten Zustand wiedergibt, wie er im Atlantikum erreicht wurde, geht von der heutigen Verbreitung dieser Böden aus. B e i s p i e l 1: Linienbandkeramik (Abb. 17) Der Kern des Trockengebietes ist meist siedlungsarm, dagegen konzentrieren sich die Siedlungen in den Randgebieten des Schwarzerdevorkommens und z. T. im Bereich der degradierten Schwarzerde bzw. gehen auch darüber hinaus. Dadurch könnte der Eindruck entstehen, daß die Bandkeramik in bewaldeten Landschaften gesiedelt hat. (Vgl. K A U F M A N N in diesem Band, S. 78ff..) Wenn wir aber 50

Abb. 17. Verbreitung der Linienbandkeramik (n. D. KAUFMANN) im mittleren ElbeSaalegebiet in bezug zur Bodengrundkarte.

4*

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Abb. 18. Verbreitung der Rössener Kultur und der Baalberger Gruppe (n. J. PREUSS, 1966 u. 1974) im mittleren Elbe-Saalegebiet in bezug zur Bodengrundkarte.

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berücksichtigen, daß die Degradierung' und das weitere Vordringen der Wälder erst im Verlaufe des Atlantikums erfolgt sein kann, m u ß m a n davon ausgehen, daß die Bandkeramiker bei ihrer Siedlungsnahme zu Beginn des Atlantikums noch relativ offene Landschaften in ihren Siedlungsgebieten vorgefunden haben. B e i s p i e l 2: Baalberger Gruppe (Abb. 18) Die Verbreitung der Baalberger Gruppe ist fast ausnahmslos auf das Schwarzerdegebiet beschränkt u n d erscheint dadurch in sich geschlossen. Ein in diesem Sinne noch extremeres Bild zeigt die etwas jüngere Salzmünder Gruppe (J. P R E U S S , 1966, K a r t e 4). Dagegen wurden die linienbandkeramischen Fundstellen auch im Gebiet von Waldböden angetroffen. Auch die von der Linienbandkeramik dicht besiedelten Gebiete der degradierten Steppenböden tragen nur selten Baalberger Fundstellen. Ganz besonders deutlich wird dies im Mündungsgebiet von U n s t r u t u n d Ilm. Während die Linienbandkeramik (Abb. 17) in einem breiten Streifen von Altenburg bis hin zur Mündung von Ilm u n d U n s t r u t mit zahlreichen Fundstellen vertreten ist, k o m m t die Baalberger Gruppe in diesem Gebiet nicht vor. E r s t durch die Schnurkeramik (Abb. 19) wird dieser Landstrich wieder besiedelt. Entweder war diese Landschaft zur Zeit der Baalberger Gruppe überhaupt frei von Siedlungsspuren oder sie wurde von einer anderen K u l t u r eingenommen. Da es sich in diesem Falle u m ein Zentrum u n d nicht u m ein abseits gelegenes Siedlungsgebiet handelt, m ü ß t e mit einer Besiedlungskontinuität zu rechnen sein, wenn nicht andere Faktoren dies verhindert haben. Als ein solcher F a k t o r könnte möglicherweise eine zunehmende Bewaldung angesehen werden, die in der R a n d zone des Trockengebietes schließlich zu einer Umwandlung der echten Schwarzerde in ein degradiertes Stadium führte. Die Baalberger Fundstellen sparen gerade die degradierten Schwarzerdegebiete aus, u n d dazu gehört auch die L a n d s c h a f t von Altenburg, bis hin zur Mündung von Ilm u n d U n s t r u t . Man könnte also annehmen, daß eine allgemeine Bewaldung zu einer vorübergehenden Einengung des Siedlungsgebietes geführt hat, das erst durch die Schnurkeramik wieder ausgebaut wird. I m Verbreitungsgebiet der Baalberger Gruppe können sich aber auch politische Verhältnisse manifestieren. An anderer Stelle (J. PREUSS, 1974) wurde darauf hingewiesen, daß als gleichzeitiger Partner die Rössener K u l t u r hierfür in Frage kommt. Diese vom Westen nach Mitteldeutschland vordringende K u l t u r h a t keineswegs das gesamte Elbe-Saalegebiet erfaßt. Besonders im ehemaligen Anhalt, im Nordharzvorland mit dem Einzugsgebiet der Bode und an der mittleren Saale — in diesen Landschaften haben die Gaterslebener u n d vor allem die Baalberger Gruppe ihre Verbreitungsschwerpunkte — ist die Rössener K u l t u r jeweils nur durch wenige Fundplätze vertreten (Abb. 18). Eventuell konsolidierte sich zum gleichen Zeitpunkt auf Grund des spätlengyelzeitlichen Einflusses die Gaterslebener Gruppe, so daß sie das weitere Vordringen der Rössener K u l t u r verhindert h a t u n d es so zu dem bemerkenswerten Verbreitungsbild der beiden K u l t u r e n gekommen ist, wobei die Rössener Kultur überwiegend westlich der Saale, die Gaterslebener Gruppe vor allem östlich der Saale u n d im Nordharzvorland vor53

kommt ( K . KROITZSCH, 1 9 7 3 , 6 3 K t . 2 ) . Die Ablösung der Gaterslebener Gruppe erfolgte noch zur Zeit der Rössener Kultur. Dabei behaupteten die Baalberger nicht nur die von der Gaterslebener Gruppe vorgezeichneten Gebiete, sondern sie haben ihren Siedlungsraum weiter ausgebaut. Der gegenüber der Bandkeramik weit stärker ausgeprägte Bezug der Baalberger Gruppe zu anbaugünstigen Gebieten könnte den Schluß zulassen, daß der Bodenbau in dieser archäologischen Gruppe eine noch größere Rolle spielte als in der Bandkeramik. Aus anderen Befunden wissen wir aber, daß der Viehzucht in der Baalberger Gruppe doch eine gewisse Bedeutung zukommt ( H . B E H R E N S , 1953). Dem würde das für diesen Zeitabschnitt zu rekonstruierende Landschaftsbild auch nicht widersprechen, wenn wir damit rechnen, daß die Viehhaltung in diesem von der Baalberger Gruppe besiedelten offenen gehölzarmen Gebiet günstiger zu betreiben war als in dichtbewaldeten Landschaften. Zu berücksichtigen ist auch, daß die Wirtschaftsstruktur innerhalb einer neolithischen Kultur unterschiedlich gewesen sein kann (B. SIELMANN, 1971; 1972). Die Ansicht von H. QUITTA (1970, 168, Anm. 5), das Verbreitungsbild der Baalberger Gruppe „auf die mit dem Auftreten des Pfluges verbundenen Veränderungen innerhalb der Wirtschaft der Trichterbecherkultur" in Verbindung zu bringen, scheint weniger wahrscheinlich zu sein. B e i s p i e l 3: Schnurkeramik (Abb. 19) Auch die Fundstellen der Schnurkeramik liegen gleich denen der Baalberger und Salzmünder Gruppe massiert auf dem Gebiet der unveränderten Schwarzerde, während die Landschaften mit degradierter Schwarzerde nur locker besetzt erscheinen. Für die Linienbandkeramik konnte ein umgekehrtes Verhalten festgestellt werden, was besonders deutlich in Thüringen sichtbar wird (Abb. 17). Eine stärkere Ausdehnung der Schnurkeramik gegenüber der Linienbandkeramik auf die vorwiegend durch Waldboden gekennzeichneten Gebiete ist nur im nördlichen Teil des Arbeitsgebietes durch das Eindringen der Einzelgrabkultur zu verzeichnen; dagegen wurden die linienbandkeramischen Ballungsgebiete zwischen Altenburg, Crimmitschau, Glauchau und nördlich der Freiberger Mulde bei Döbeln von der Schnurkeramik überhaupt nicht oder nur zögernd erfaßt. Bemerkenswert ist, daß im Vergleich zum Frühneolithikum keine Erweiterung des Siedlungsraumes im Spätneolithikum festzustellen ist. Ob dies gegenüber den mittelneolithischen Kulturen der Fall war, kann erst entschieden werden, wenn die oben am Beispiel der Baalberger und Rössener Kultur angedeutete Problematik der Besiedlungskontinuität in einzelnen Landschaften geklärt ist. Die angeführten Beispiele machen deutlich, daß wir die Ursachen, die zu diesen unterschiedlichen Verbreitungsbildern der archäologischen Kulturen geführt haben, in keinem Falle eindeutig aufzeigen können. Außer dem Bezug auf die angedeuteten Umweltverhältnisse sind vor allem auch chronologische und politische Aspekte zu berücksichtigen. Wir müssen feststellen, daß die Ergebnisse der bisherigen naturwissenschaftlichen Forschung zur Rekonstruktion von ehemaligen Umweltverhältnissen und 54

Vo r w i e g e n J Waldboaen Vcroinfac^ f nach Stremme '• r iJ6 und nach Rau -1965;

* Fundplatz d e r Schnurkeramik bzw. der Einzelgrabkultur A b b . 19. V e r b r e i t u n g der S c h n u r k e r a m i k u n d der E i n z e l g r a b k u l t u r (n. H. BEHRENS, 1969 u. 1974) im mittleren Elbe-Saalegebiet in bezug zur B o d e n g r u n d k a r t e .

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ihrer Entwicklung im mittleren Elbe-Saalegebiet noch nicht ausreichen, u m die Beziehungen zwischen Mensch u n d Umwelt in der Ur- u n d Frühgeschichte im Detail zu erkennen. Die Schwierigkeiten wurden auch bereits genannt. Die eine ist darin begründet, daß naturwissenschaftliche Ergebnisse aus Schichtfolgen, die nicht unmittelbar mit archäologischen Fundkomplexen verbunden sind, n u r ungenügend mit der archäologischen Chronologie parallelisiert werden können. Eine andere Schwierigkeit geht auf die Ungenauigkeit der Phasengliederung der natürlichen Abläufe zurück; bisher gelangen keine großräumigen Umweltanalysen f ü r einen kurzen Zeitabschnitt. Diese sind aber nötig, wenn in den jüngeren Perioden seit dem Beginn des Neolithikums schnell aufeinanderfolgende, nur auf kurze Zeitabschnitte beschränkte archäologische Erscheinungen in ihrer Beziehung zu den jeweiligen Umweltverhältnissen untersucht werden sollen. F ü r den Naturwissenschaftler genügen Erforschung und Darstellung des prinzipiellen Ablaufes. F ü r den ökologisch arbeitenden Archäologen ist die Kenntnis von Augenblickssituationen in der Umweltentwicklung notwendig. Hier m u ß die künftige ökologische Forschung einsetzen, um mit den bisher angewandten naturwissenschaftlichen Methoden, wie mit Pollenanalyse, Malakologie, sonstigen floristischen und faunistischen Untersuchungen, mit geologischen, pedologischen, geographischen und klimatologischen Methoden, einen neuen Weg f ü r die Belange der Ökologie des ur- u n d frühgeschichtlichen Menschen zu finden. Die Beispiele aus dem Paläolithikum haben gezeigt, daß ein solcher Weg nur von günstigen Befunden in kleinsten R ä u m e n ausgehen kann. Unter einem günstigen Befund ist die Einlagerung ur- u n d frühgeschichtlicher F u n d e bzw. Fundhorizonte in gegliederte Schichtfolgen oder ihre nachweisbare direkte Verknüpfung mit solchen Folgen zu verstehen. Nur derartige Befunde lassen eine mit den Befunden synchrone Standortanalyse zu. E r s t aus einer größeren Zahl von Standortanalysen, die einen bestimmten archäologischen Horizont betreffen, können Verallgemeinerungen für ein größeres Siedlungsgebiet vorgenommen werden. Vor allem bei den jüngeren archäologischen Perioden sollten nicht n u r die mit den Funden verknüpften Schichten und sonstige natürliche Erscheinungen untersucht werden, sondern größter Wert ist auf die naturwissenschaftliche Untersuchung der durch die Siedlung verursachten Veränderungen im Boden, wie Siedlungsgruben u n d Kulturschicht, zu legen. Es gibt bisher im mittleren Elbe-Saalegebiet höchstens sporadische Ansätze zur zielgerichteten Untersuchung von Siedlungsgrubeninhalten u n d Kulturschichten im Mikrobereich. Nur das ohne Hilfsmittel sichtbare Material wurde bisher aus ihnen entnommen. Aber bei künftigen ökologischen Untersuchungen sind z. B. Pollenanalysen an solchem Material vorzunehmen, sind I n h a l t von Siedlungsgruben und Kulturschichten auf Kulturpflanzenreste u n d Schneckenschalen hin durchzuschlämmen, ganz abgesehen von dem dabei anfallenden archäologischen Feinmaterial. So wie heute das gänzliche Absieben u n d Durchschlämmen der Fundschichten paläolithischer Fundstellen unumgängliche Forderung moderner Ausgrabungsmethodik ist, wird auch in Z u k u n f t diese Methodik bei Ausgrabungen von Siedlungen jüngerer Perioden ernste Notwendigkeit sein, wenn wir verhindern wollen, daß uns, wie bisher, wichtige Befunde ver56

lorengehen. Ferner sind umfangreiche bodenkundliche Analysen und der Vergleich ihrer Ergebnisse zwischen den Böden der Umgebung und den pedogenetischen Vorgängen im Siedlungsbereich notwendig. Unbefriedigend sind bisher auch siedlungsgeschichtliche Untersuchungen, die z. B. die Reaktion der jeweiligen Besiedlung auf das Relief, den Boden, die Hydrosphäre, die mikroklimatischen Verhältnisse, ja selbst die wirtschaftlichen Grundlagen betreffen. Wenn einmal mit Hilfe dieser Untersuchungen ökologische Ergebnisse vorliegen, die sich unmittelbar auf den Standort einer Siedlung und ihre nächste Umgebung beziehen, können Vergleiche und statistische Erhebungen zwischen zeitgleichen Befunden vorgenommen werden, um aus den ermittelten s p e z i f i s c h e n Umweltbeziehungen einzelner Siedlungen die a l l g e m e i n e n Umweltbeziehungen einer größeren archäologischen Einheit in ihrem Verbreitungsgebiet zu ermitteln. Allerdings ist noch ein weiter Weg bis zu diesem Forschungsstand zurückzulegen. Er ist möglich, erfordert aber eine umfangreiche Kleinarbeit verschiedener naturwissenschaftlicher Disziplinen und der Siedlungsarchäologie. LITERATURVERZEICHNIS u. D. M A N Í A , 1968: Zur Datierung von Böden im mitteldeutschen Trockengebiet mit Hilfe quartärgeologischer und urgeschichtlicher Befunde. Thaer-Archiv 12, 7, 5 3 9 - 5 5 7 . B E H M - B L A N C K E , G . , 1 9 6 0 : Altsteinzeitliche Rastplätze im Travertingebiet von Taubach, Weimar, Ehringsdorf. Alt-Thür. 4. BEHRENS, H., 1953: Ein Siedlungs- und Begräbnisplatz der Trichterbecherkultur bei Weißenfels an der Saale. Jschr. mitteldt. Vorgesch. 37, 67 — 108. BEHRENS, H., 1969: Die Einzelgrabkultur im nördlichen Mitteldeutschland u n d in der Altmark. Die neolithischen Becherkulturen im Gebiet der D D R und ihre europäischen Beziehungen. Veröff. Landesmus. Vorgesch. Halle 24, 71 — 100, Berlin. BEHRENS, H., 1974: Die Jungsteinzeit im Mittelelbe-Saale-Gebiet. Veröff. Landesmus. Vorgesch. Halle 27. Berlin. B R I N K M A N N , R . , 1 9 5 0 : Emanuel Kayser's Abriß der Geologie. Bd. 1 , Allgemeine Geologie. 7. Aufl. S t u t t g a r t . BÜDEL, J . , 1950: Die Klimaphasen der Würmeiszeit. Naturwiss. 37, 438—449. FIRBAS, F., 1949, 1952: Spät- u n d nacheiszeitliche Vegetationsgeschichte Mitteleuropas nördlich der Alpen. 1: Allgemeine Waldgeschichte. 2 : Waldgeschichte der einzelnen Landschaften. J e n a . FRENZEL, B., 1967: Die Klimaschwankungen des Eiszeitalters. Braunschweig. FRENZEL, B., 1968: Grundzüge der Vegetationsgeschichte Nord-Eurasiens. Erdwiss. Forschung 1. Wiesbaden. ALTERMANN, M.,

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Zeichnungen: D.

MANIA

und

M. ROTHE,

Halle (Saale)

VERFASSER: Dr. habil. D I E T R I C H M A N I A , Landesmuseum f ü r Vorgeschichte, 402 Halle (Saale), Richard-Wagner-Str. 9/10 Doz. Dr. J O A C H I M P R E U S S , Sektion Orient- und Altertumswissenschaften, Wissenschaftsbereich Ur- und Frühgeschichte, der Martin-Luther-Universität H a l l e - W i t t e n b e r g , 402 Halle (Saale), Richard-Wagner-Str. 9/10

59

Geologische Aspekte zur Niederlassung des Menschen im Raum Weimar zu ur- und frühgeschichtlicher Zeit UTE

und

WALTEE STEINER,

Weimar

Vorbemerkungen In Vorbereitung der Tausendjahrfeier der Stadt Weimar 1 ) im J a h r e 1975 sind die wissenschaftlichen Diskussionen um die ältesten Weimar-Siedlungen und um die Ursprünge der Stadt außerordentlich aktiviert worden. Zu zwei Ereignissen, die in der historischen Entwicklung keinen unmittelbaren Zusammenhang besitzen, werden geologische Aspekte skizziert, die von dieser Seite her gleiche Ursachen zur Niederlassung des Menschen im R a u m Weimar erkennen lassen.

1. Eemzeitliche Rastplätze im Travertin von Ehringsdorf und

Weimar

1 9 0 8 wurden durch A. M Ö L L E R im Ehringsdorfer Travertin erstmals bewußt Brandschichten beobachtet und als Rastplätze des eiszeitlichen Menschen gedeutet. Die archäologischen, paläontologischen und geologischen Dokumentationen der Brandschichten-Abfolgen sowie der gesamten Travertinlagerstätte haben zu einem komplexen wissenschaftlichen Bild geführt (G. B E H M - B L A N C K E , 1960;

W . STEINER,

1973;

J . u. H . WIEFEL,

1974;

U . u . W . STEINER,

1974;

W. S T E I N E R , 1 9 7 4 ) , welches heute die genetischen Prozesse der Travertinbildung im R a u m Weimar und die Ursachen der Rastplatz-Entstehung im Travertinfeld von Ehringsdorf zu rekonstruieren erlaubt. Der Beginn der Travertin-Sedimentation ist in Ehringsdorf an zwei geologische Prozesse geknüpft, die zueinander in einem direkten genetischen Zusammenhang stehen: Das Ausfließen von mineralisierten Wässern an Yerwerfungs- bzw. Spaltenquellen im und vor allem am Rande des Ilmtalgrabens und das Hineinfließen dieser stark kalkhaltigen Quellwässer in sich langsam absenkende Subrosionsdepressionen. Dazu müssen einige spezielle geologische Erläuterungen folgen (W. STEINER, 1974). Die Entstehung des heutigen wie eemzeitlichen Ilmtales zwischen Mellingen und Weimar hat eine leicht erklärbare geologische Ursache. I n jungmesozoischkänozoischer Zeit ist an NW— SE orientierten Verwerfungspaaren ein etwa 1 km breiter Erdkrustenstreifen um durchschnittlich 1 0 0 — 1 3 0 m abgesenkt worden. Die Folge war, daß im Oberflächenbereich der quartären Landoberfläche zwischen relativ widerstandsfähigen Gesteinen des Oberen Muschelkalkes an den Talflanken weichere Ton- und Schiuffsteine des Keupers zu liegen kamen. Exogene 0 . W A G E N B R E T H U.

61

Ausräumungsprozesse in erster Linie führten im Keuperbereich zu morphologischen Depressionen, in welche schließlich die Ilm ihr Bett verlegte (A. S T E I N M Ü L L E R , 1967). Der geschilderte geologische Bauplan im Ilmtalgraben führte zu einem besonderen hydrogeologischen Wasserkreislauf im Untergrund. Die im klüftigen Muschelkalk an den Talflanken und den anschließenden Plateaus versickernden Niederschlagswässer strömen im Untergrund dem Vorfluter, also dem Ilmtal zu. Auf dieser unterirdischen Wegstrecke im Muschelkalk wird Kalk und Gips gelöst. An den randlichen Verwerfungsflächen des Grabens treffen diese Wässer auf die größtenteils undurchlässigen Keupersedimente. Sie steigen an den Verwerfungsflächen bzw. an daran gebundene Spalten zumindest teilweise auf und treten als schüttungsstarke Quellen im Weimarer Raum an die Oberfläche (z. B. heutige Kipperquelle in Ehringsdorf, Herzquelle in Oberweimar, Leutra, Lotte u. a.). Der Chemismus der Quellen repräsentiert den unterirdischen Wanderweg der Wässer. Diese rege Wasserzirkulation im Untergrund führt in den tieferen Bereichen des Weimarer Ilmtalgrabens zur Lösung von Steinsalz (?) und Gips im Bereich des Mittleren Muschelkalkes, ein Prozeß übrigens, der heute andauern muß, da auch die heutigen Quellwässer deutlich sulfathaltig sind 2 ). Die Folge dieser Subrosion genannten Lösung von chemischen Sedimenten im Untergrund waren Senkungsprozesse an der Geländeoberfläche, die besonders deutlich und lange anhaltend in den Vorfeldern der großen Quellaustritte stattfanden. J . u. H. W I E F E L ( 1 9 7 4 ) konnten wahrscheinlich machen, daß im Raum Weimar eine Verlagerung von Verkarstung, Quellaustritten und Absenkungen während längerer geologischer Zeitabschnitte (seit dem Eem-Interglazial) von Randbereichen nach dem Kern der sog. Weimarer Mulde stattfand. I n diesen Senkungsfeldern, in welche die Kalkwässer der Quellen einrieselten, kam es zu Travertinabsätzen, die um so mächtiger wurden, je länger die Senkungsprozesse andauerten. Diese Travertinbildungsareale besaßen starke Anziehungskraft auf die Tierwelt. Ursache waren nicht der sich bildende Travertin, sondern die Quellwässer. Dies läßt sich besonders leicht und überzeugend für die Winterperioden erklären. Die mit etwa 10—12 °C konstant temperierten Quellwässer erhielten bei Frostperioden den Charakter lauer Quellen. Die reiche Flora an den Ufersäumen und das klare Wasser selbst trugen im gesamten Jahr zu diesem Vorgang bei. In den flachen Rieselfeldern des Travertinbildungsraumes fanden sich besonders günstige Tränkplätze. Auch der eemzeitliche Mensch wurde durch die skizzierten Vorzüge der Quellwässer angezogen. Das wurde dadurch verstärkt, daß hier infolge der Tränkplätze der eiszeitlichen Großsäuger die besten Jagdbedingungen ihres Lebensraumes vorlagen. Besondere, bereits dargestellte Verhältnisse ( S T E I N E B u. W A G E N 3 B R E T H , 1971, bes. 58, Abb. 9) ) gestatteten die Zubereitung und den Verzehr der Jagdtiere an Ort und Stelle. Auf schmalen, relativ trockenen Travertinriegeln an der Einmündung des Hauptquellzuflusses entstanden die ersten Rastplätze des Ehringsdorfer Menschen, die in mehreren Jahren nacheinander aufgesucht wurden. 62

Das Travertinfeld Ehringsdorf und mit großer Wahrscheinlichkeit auch das Travertinfeld Weimar— Belvederer Allee wurden also auf Grund der geschilderten geologischen Prozesse die Orte einer zumindest kurzzeitigen Niederlassung des Menschen im Raum Weimar. 2. Wimare

— frühgeschichtliche

Siedlung

Die ersten Bezeichnungen für das spätere Weimar führen bei einer sprachwissenschaftlichen Analyse zu einer gleichen Problematik. 984 hieß Weimar Wimeri, 1173 Wimar. Man muß annehmen, daß der Name Wimari bis in die ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung zurückreicht. Nach F I S C H E R (1963, 129)4) und H. W A L T E R (1971) besteht dieser Name aus althochdeutsch wih = heilig, geweiht und aus ahd. mare bzw. meri = vorwiegend stehendes Gewässer, Sumpf, See, Meer. Die traditionelle Deutung (Deutung 1) des Ortsnamens Weimar ist also „Heiliger See" oder „Heiliger Sumpf". G. B E H M - B L A N C K E hat 1964 diese bereits von 0 . F R A N K E (1896, 21), K. T R A U T E R M A N N (1924), A. T I L L E (1939, 147), J . T I E T Z S C H (1949, 38—41) vorgetragenen Gedankengänge präzisiert. Er vermutet ein Seeheiligtum „Wihmari" im Gebiet des heutigen Weimarhallen-Parkes. Diese noch heute seegefüllte Senke ähnelt topographisch den in Thüringen bekannten Opferseen. Diese Deutung gewinnt — auch wenn aus der Seesenke selbst bisher keine frühgeschichtlichen Funde vorliegen — an Gewicht durch eine Reihe ringsum liegender verschieden alter germanischer Siedlungen (G. B E H M - B L A N C K E , 1964 u. 1973; und unsere Abb. 1). Eine andere Deutungsmöglichkeit (Deutung 2) des Ortsnamens Wimare baut auf den gleichen sprachkundlichen Grundlagen auf, führt jedoch zu folgendem Ergebnis: Wimare bedeutet „heiliges Wasser" (westindogermanisch: mari = Wasser, stehendes wie fließendes). Es müßte sich demnach im Raum Weimar um ein besonderes Wasser gehandelt haben, welches infolge einer großen Anziehungskraft zum Zentrum eines Heiligtums werden konnte. Besondere Wässer sind im Stadtgebiet von Weimar aus heutiger wie aus frühgeschichtlicher Sicht die zahlreichen Spaltenquellen (W. H O P P E , 1 9 5 4 ) , deren Wässer — wie bereits skizziert — in der Tat besondere Eigenschaften besitzen: — gleichbleibende Temperatur (etwa 10—12 °C) über das ganze Jahr. Sie sind im Sommer kühl bis kalt, im Winter dampfen sie bei Frostperioden und frieren nicht zu. Auch im Winter findet sich grüne Vegetation am Grund und an den Ufersäumen — auffallend klares Wasser — eine meist starke Schüttung, auch bei kürzeren Trockenperioden — Mineralabsätze (Kalkausscheidungen) in und an den Quelltöpfen und in den benachbarten Abflüssen. H. W E I D H A A S hat 1 9 7 3 im Rahmen eines Festvortrages diese These mit vielen neuen Argumenten vorgetragen. Er sieht vor allem in der Umgebung der Herzquelle von Oberweimar (Papiermühlenquelle) die Keimzelle der ersten Ansiedlung 63

Abb. 1. Vereinfachte geologische K a r t e von Weimar (nach P. M I C H A E L , 1 9 2 6 , und J . W I E F E L , 1 9 7 1 ) mit Eintragungen der Travertinvorkommen, der Auslaugungssenke Weimarhallen-Park, den größeren Quellen sowie vor- und frühgeschichtlichen Funden im Stadtgebiet (letztere nach G. B E H M - B L A N C K E ) .

64

Weimar. Für diese Deutung sprechen auch die historischen Studien, über die H . E B E R H A B D T ebenfalls 1 9 7 3 im Weimarer Stadtmuseum referiert hat. Beide Deutungen sollen hier nicht bewertet werden5). Für den hier diskutierten Problemkreis ist allein wichtig, daß für die frühgeschichtliche Ansiedlung Weimar gleiche geologische Ursachen wirksam waren, die rund 100000 Jahre früher im jetzt zu Weimar gehörenden Ortsteil Ehringsdorf zu den Rastplätzen der eiszeitlichen Menschen führten. Der im Abschnitt 1 beschriebene geologische Bauplan und das daran gebundene hydrogeologische Regime führten zum Austreten zahlreicher schüttungsintensiver Quellen (Herzquelle Oberweimar 500—800 m 3 /h, Kipperquelle Ehringsdorf 110 m3/h). Diese auffälligen geologischen Phänomene waren nach der Deutung 2 der direkte Anlaß zur Siedlungsbildung. Der Name Wimari zeigt das nach der oben skizzierten Deutung direkt an. Nach Deutung 1 muß der gesamte geologische Prozeß, nämlich — der durch den geologischen Bauplan (Grabenstruktur) gesteuerte Wasserkreislauf, — die daran geknüpften Prozesse der Subrosion ( = Auslaugung) von Steinsalz und Gips im Mittleren Muschelkalk, — die darüber an der Erdoberfläche stattfindenden Senkungserscheinungen und die Bildung abflußloser Senken (z. B. Travertinsenke von Ehringsdorf, Weimarhallenpark-Senke),

Zeichenerklärung zu Abb. 1: 1 — Q u a r t ä r im Ilmtal, dessen N e b e n t ä l e r n u n d in Auslaugungssenken 2 — holozäner T r a v e r t i n (Travertinzug M a r k t p l a t z — Kirschbachtal) u n d T r a v e r t i n Oberweimar 3 - Löß 4 — Pleistozäner T r a v e r t i n (Travertine von Weimar—Belvederer Allee u n d Ehringsdorf) 5 — Mittlerer K e u p e r : graue, grüngraue u n d grau violette Schluff steine m i t Gipseinlagerungen 6 — U n t e r e r K e u p e r : graue, grüngraue u n d rötliche Tonsteine, g r a u b r a u n e Sandsteine, einzelne Kalk- u n d Dolomit-Horizonte sowie einzelne geringmächtige Kohleflöze 7 — Ceratiten-Schichten des Oberen Muschelkalkes: Wechsellagerung von d ü n n e n K a l k p l a t t e n mit Tonsteinen 8 — Trochiten-Kalk des Oberen Muschelkalks (feste Kalksteine) 9 — Mittlerer Muschelkalk: Kalksteine, Dolomite u n d Schiuffsteine m i t Gips- u n d lokal Steinsalzeinlagerungen 10 — Verwerfungen u n d P l e x u r e n 11 — Größere Quellen im R a u m W e i m a r (1 — Kipperquelle, 2 — Papiermühlenquelle Oberweimar (Herzquelle), 3 — L e u t r a , 4 — Kirschbachtal-Quellen, 5 — L o t t e n quelle, 6 — Loyada-Quelle 12 — Umgrenzung der Auslaugungssenken 13 — Vor- u n d frühgeschichtliche F u n d e im Stadtgebiet (nach G. B E H M - B L A N C K E , 1954, 1964, u n d neueren, bisher noch nicht veröffentlichten Zusammenstellungen) a — Altsteinzeit etwa 100000 J a h r e , b — Spätlatenezeit 1. J h . v. u. Z., c — Römische Kaiserzeit 1.—4. J h . u. Z., d — Völkerwanderungszeit 5 . - 7 . J h . u. Z., e — F r ü h d e u t s c h e 8 . - 1 1 . J h . u. Z., f - Slaven 9. —11. J h . u. Z. 5

Praehistoricae

65

— das Austreten schüttungsstarker mineralisierter Quellwässer und — das Einfließen bzw. der Durchfluß dieser frischen mineralisierten Quellwässer in bzw. durch diese Senken bei der Herausbildung eines besonderen geographisch-geologischen Milieus wirksam gewesen sein, welches Anlaß zur Entstehung eines frühgeschichtlichen Kultplatzes 6 ) gab. Die benachbarten Siedlungen, die das frische Quellwasser vermutlich bevorzugt nutzten, erhielten ihren Namen nach der geweihten see- oder moorerfüllten Senke.

3.

Schlußbetrachtungen

Die vorstehenden Betrachtungen zu zwei Beispielen, die am Anfang und im Endbereich einer langen Wegstrecke ur- und frühgeschichtlicher Siedlungsgeschichte eines begrenzten territorialen Raumes stehen, können von verschiedenen Seiten her berechtigt kritisiert werden, und zwar schon deshalb, weil beide Beispiele isoliert und ohne direkten historischen Bezug betrachtet wurden. Wenn wir aber trotzdem diese Gedanken zu Problemen der Siedlungsbildung der öffentlichen Diskussion und diesem Festband beisteuern, so tun wir es deshalb, um auf das Wirken geologischer Faktoren bei der Siedlungsbildung wieder einmal aufmerksam zu machen. Das Beispiel Weimar ist in dieser Hinsicht eindrucksvoll. Der paläolithische Rastplatz Ehringsdorf entsteht, weil hier auf Grund besonderer geologischer Prozesse gute strategische und ökonomische Bedingungen sich entwickelt hatten. Bei der Entstehung und Weiterentwicklung der frühgeschichtlichen Siedlung Weimar drängen geologische Phänomene die jetzt oft allein wirkenden verkehrstechnischen und ökonomischen Gesichtspunkte (die ihrerseits auch geologisch-geographisch beeinflußt sind) zurück. Daß sich Weimar abseits der mitteleuropäischen West—Ost-Straße, der via regia ( = Hohe Straße) 7 ) und abseits der Nord—Süd-orientierten Kupferstraße 8 ) entwickelte, hat nach Ansicht der Verfasser primäre Ursachen in den beschriebenen geologischen Prozessen, die zur Herausbildung eines speziellen geologisch-geographischen Milieus führten (siehe auch J . TIETZSCH, 1949). Dieses besondere Milieu mit größeren „vermoorten" 9 ) Geländedepressionen und den bedeutungsvollen Spaltenquellen wog offenbar die nicht wenigen Nachteile dieser topographischen Position auf. Wir hoffen, daß diese auf einen kleinen R a u m bezogenen skizzierten Gedanken dazu anregten, bei Siedlungsgrabungen und allen wissenschaftlichen Auswertungsarbeiten zum Themenkomplex Siedlungen viel stärker als bisher geologische Einflußfaktoren zu erkennen und diesen nachzugehen.

ANMERKUNGEN Die direkte Anregung zu dieser Arbeit gaben Vorträge der Herren Staatsarchiv-Direktor Dr. E B E R H A R D T und Prof. Dr. Dr. W E I D H A A S 1 9 7 3 in Weimar über die Geschichte und geschichtliche Entwicklung der Stadt Weimar. Für Gedankenaustausch und Unterstützungen

66

haben wir zu danken den Herren Professoren B E H M - B L A N C K E und Dipl. phil. T I M P E L u n d Herrn Dr. E B E R H A R D T .

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5

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WEIDHAAS

sowie H e r r n

Die urkundliche Ersterwähnung „ W e i m a r " 975 wird heute mit e r n s t h a f t e n Argumenten (EBERHARDT, 1973) angezweifelt. Die S t a d t Weimar ist u m 1250 gegründet worden. Als Beispiel die chemische Analyse der Herzquelle Oberweimar: Gesamthärte 80,0°dH; K a r b o n a t h ä r t e 16,5°dH; Calcium 4 7 0 - 4 8 0 mg/1 C a " ; Magnesium 5 6 - 6 6 mg/1 Mg'"; Sulfat 1060—1150 mg/1 SCT; Chlorid 25 mg/1 Cl; Eisen gesamt 0,05—0,15 mg/1 Fe""; freie Kohlensäure 25 — 30 mg/1 C0 2 . Angaben der Wasserwirtschaftsdirektion Saale-Weiße Elster, Untersuchungsstelle Saalfeld 1973. J u x u. K E M P F ( 1 9 7 1 ) haben ein rezentes Travertinbildungsfeld aus Afghanistan beschrieben, in dem die Möglichkeiten des Begehens und des Niederlassens im Rieselfeld deutlich wird. Vergleiche auch K . T R A U T E R M A N N ( 1 9 2 5 ) . I n einer anderen Arbeit sollen einige geologische und hydrogeologische F a k t e n zur exakten Beurteilung dieser Fragestellung zusammengetragen werden. Vergleiche auch Seeheiligtum Oberdorla (G. BEHM-BLANCKE, 1960). F ü h r t e nördlich des Ettersberges entlang. Berührte 5 Kilometer südlich von Weimar bei Mellingen das Ilmtal. „Vermoort" soll im erweiterten Sinne verstanden werden; neben echtem Moor sollten hier auch die nach der Untergrundbeschaffenheit z. T. labilen Travertinbildungsareale in den Senkungsräumen hinzugerechnet werden.

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Zeichnung: H . FÄUSTEL, Hochschule f ü r Architektur und Bauwesen, Weimar VERFASSER:

Dipl. phil. UTE STEINER, Institut f ü r Quartärpaläontologie Weimar, 53 Weimar, Steubenstr. Dr. sc. W A L T E R Coudraystr.

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STEINER,

Hochschule f ü r Architektur und Bauwesen, 53 Weimar,

Waldverbreitung und frühneolithische Siedlungsräume im Saalegebiet DIETER KAUFMANN,

Halle (Saale)

I n verschiedenen Arbeiten h a t sich der Jubilar mit Problemen des neolithischen Siedlungswesens beschäftigt. Aus diesem Grunde soll im R a h m e n dieser Festschrift auf einen wichtigen F a k t o r bei der Siedlungsplatzwahl der frühneolithischen Pflanzenanbauer u n d Viehhalter hingewiesen werden, auf die natürliche Vegetation im Saalegebiet 1 ). I n den letzten J a h r e n wurden insbesondere in Arbeiten von H . Q U I T T A ( 1 9 6 9 ; 1 9 7 0 ) , B . S I E L M A N N (zuletzt 1 9 7 2 ) u n d D . M A N I A ( 1 9 7 2 ; 1 9 7 3 ) siedlungskundliche Probleme diskutiert. I n der Regel vertreten alle Autoren die Ansicht, daß die Siedlungsplatzwahl von folgenden Faktoren abhängig w a r : Bodensubstrat, Klima, Gewässernetz, Relief u n d natürliche Vegetation. Mit Problemen der ehemaligen Umweltverhältnisse in urgeschichtlichen Perioden beschäftigen sich insbesondere die Bodenkunde (z. B. D. RAU, 1965), die Pollenanalyse (z. B. H. MÜLLER, 1953; E. LANGE, 1965) u n d seit einigen J a h r e n auch die Molluskenforschung (z. B. D. MANIA, 1972; 1973). Während die Bodenkundler gewisse Ubereinstimmungen zwischen den Schwarzerden des Saalegebietes und den echten Steppenböden Osteuropas festgestellt haben u n d deshalb die Meinung vertreten, daß die Schwarzerden im Saalegebiet unter den Bedingungen der offenen Landschaften entstanden sind (D. RAU, 1965, 58/59), sprechen pollenanalytische Ergebnisse (E. LANGE, 1965, 18, 36ff.) gegen das Vorhandensein größerer offener Flächen im Atlantikum. Zu einer ähnlichen Ansicht gelangte bereits H. M Ü L L E R (1953, 52ff.) auf Grund seiner Pollenanalysen im Ascherslebener See. E r schloß jedoch nicht die Möglichkeit aus, daß im Trockenbereich des Saalegebietes offene Landschaften bzw. Inseln mit steppenartiger Vegetation vorhanden waren. I n einer noch heute teilweise gültigen Studie äußerte sich K . SCHWARZ (1948) als Archäologe zu diesem Problem. Auf Grund ökologisch ausgedeuteter Molluskenanalysen k o m m t D. M A N I A ZU folgendem Ergebnis: Die Existenz der Schwarzerde im Frühneolithikum gilt als gesichert (D. R A U , 1 9 6 5 , 5 5 ; M. A L T E R M A N N , D. M A N I A , 1 9 6 8 ; H. Q U I T T A , 1 9 7 0 , 1 6 5 ; D. M A N I A , 1 9 7 2 , 1 2 ; ders., 1 9 7 3 , 3 9 ; W. B A U M A N N U. C . F R I T Z S C H E , 1 9 7 3 , 6 4 ) . Unveränderte Schwarzerden im Saalegebiet waren nie bewaldet (D. M A N I A , 1 9 7 3 , 39). Die Molluskenanalyse „konnte f ü r das Atlantikum weit verbreitet die artenreichsten u n d anspruchsvollsten Waldgesellschaften des Holozäns nachweisen, aber im Zentrum des Trockengebietes — in Übereinstimmung mit der Verbreitung der Schwarzerde — neben Au- u n d Sumpfwaldgesellschaften nur Arten der offenen, gehölzarmen bis -freien Landschaft, sogar echte Steppenelemente" (D. M A N I A ,

69

1973, 39/41 u. Abb. 10). „Auf feuchteren, günstigen Standorten der offenen Landschaften waren außerhalb der Täler sicher kleinere Gehölz- und Gebüschgruppen mosaikartig in diese Landschaft eingestreut" (D. MANIA, 1973, 41). Die Bewaldung der Gebiete mit unveränderter Schwarzerde wäre sicherlich weiter vorangeschritten, hätte nicht der Mensch ab Beginn der Jungsteinzeit durch intensive künstliche Eingriffe den weiteren Bewaldungsvorgang durch Rodungen, Beweidung mit Haustieren (sog. „Viehverbiß") und Holzschlag verhindert (vgl. auch D. MANIA, 1973, 41). Degradierte und auch lessivierte Schwarzerden entstanden offenbar unter dem in die Schwarzerdegebiete vordringenden Wald (D. RAU, 1965, 56; D. MANIA, 1973, 39). Erste Verbraunungen, aber außerhalb des Verbreitungsgebietes der Schwarzerde, fanden bereits in vorneolithischer Zeit statt (D. MANIA, 1972, 12). Die degradierten und lessivierten Schwarzerdebereiche stellen sozusagen die Übergangszone von den typischen Waldböden zu den unveränderten Schwarzerden dar und könnten auch schon äußerlich als Beweis für das allmähliche Vordringen des Waldes in die Schwarzerdegebiete angesehen werden (D. MANIA, 1972,12). Die Untersuchung eines bandkeramischen Siedlungsprofiles bei DresdenProhlis ergab für diesen Siedlungsplatz, daß die Fti Herde bandkeramischer Gruben und die dunklen Siedlungsschichten auf Grund ihres anthropogenen Charakters keinen Beweis für das Vorhandensein von Schwarzerde (vgl. dagegen K. SCHWARZ, 1948) im Frühneolithikum darstellen und daß die Lessivierung der Böden erst nach der Bandkeramik unter Wald stattfand (W. BAUMANN, P. CZERNEY, H.-J. FIEDLER, 1964, 40; vgl. auch dies., 1968, 534, intensive Lessivierungsprozesse in Sachsen nach dem Mittelneolithikum, besonders zwischen 2500 v. u. Z. bis 1000 u. Z.). An anderen Stellen wurde nachgewiesen, daß Lessivierungsprozesse bereits im Boreal einsetzten. Nach den neuesten C 14 -Untersuchungen gelangten die ersten linienbandkeramischen Siedler etwa zwischen 5500 und 5000 v. u. Z. im Verlaufe des frühen Atlantikums in das Saalegebiet. Möglicherweise ist das frühe Eintreffen der linienbandkeramischen Siedler und die durch sie erfolgte Veränderung der Landschaft dafür verantwortlich zu machen, daß die Schwarzerdegebiete im Südwesten der DDR nicht endgültig bewaldet wurden. K. SCHWARZ (1948, 17) hat davor gewarnt, „in der Verbreitung urgeschichtlicher Funde einen Indikator des Pflanzenkleides sehen zu dürfen". Aus diesem Grunde kartieren wir die bandkeramischen Fundstellen auf eine von D. MANIA (1973) vorgelegte Karte der Landschaftsverhältnisse im Atlantikum (im Ergebnis von ökologisch ausgedeuteten Molluskenanalysen angefertigt; Erklärung dazu bei D. MANIA, 1973, 41) und auf eine vereinfachte Bodenkarte nach K. SCHWARZ (1948, Karte 1). Bei der Auswertung der Karten gehen wir nach folgenden Kriterien vor: Die unveränderte Schwarzerde hat niemals geschlossenen Wald getragen. Dagegen sind die degradierten Schwarzerden durch längere Bewaldung entstanden. Weiterhin sind wir der Ansicht, daß in der Übergangszone von der Schwarzerde zum typischen Waldboden keine ausgesprochen dichte Waldbestockung, sondern 70

eine lockere Bewaldung, mehr oder weniger von kleineren freien Landschaften unterbrochen, anzunehmen ist. Auf den Karten der Abbildungen 1 und 2 haben wir die Siedlungsgebiete der Linien- und Stichbandkeramik auf der Grundlage der Fundpunktkartierung schraffiert. Dadurch heben sich die siedlungsfreien Gebiete deutlicher ab. Sie 71

decken sich mit den Zentren des Schwarzerdegebietes und mit den überwiegend waldfreien Gebieten des Atlantikums im Saalegebiet (nach D. MANIA, 1973, Abb. 11). Diese offenen, waldarmen Landschaften waren anscheinend für die Besiedlung des Saalegebietes von großer Bedeutung, da sie den Besiedlungsvorgang erleichterten und wie die Flußläufe mit ihren Niederungswaldzonen richtungs72

weisend bei der Besiedlung waren (H. QUITTA, 1969, 5 1 / 5 2 ; dagegen B . SIELMANN > 1972, 35, 61/62).

Es scheint, daß die Bandkeramiker den offenen, waldarnien Landschaften dagegen imSiedlungswesen keine allzu große Bedeutung beimaßen. Der überwiegende Teil der Siedlungen liegt in peripherer Lage zu den von D. MANIA (1973, Abb. 11) als offene, waldarme Landschaft bezeichneten Gebieten (vgl. Abb. 6). Die bandkeramischen Siedlungen reihten sich teilweise perlenschnurartig entlang der größeren Flußläufe auf den Rändern der Hochflächen zu den bewaldeten Niederungsgebieten der Flüsse aneinander (Abb. 1 und 2). Als Wasserentnahmestellen wurden kleinere Nebenarme, Bäche und Quellen im Bereich dieser bandkeramischen Siedlungszonen genutzt (D. KAUEMANN, 1972, 354). Besonders deutlich wird dies auf der Karte der Abbildung 2. Die Stichbandkeramiker besiedelten das gleiche Gebiet wie die linienbandkeramischen Pflanzenanbauer und Viehhalter, beschränkten sich jedoch auf die siedlungsgünstigsten Gebiete. Erst im Verlaufe der späten Stichbandkeramik wurden Landschaften besiedelt, die nicht zu den begünstigten Gebieten des Elbe-Saale-Bereiches gehörten. Das trifft z. B . für die Naßböden der Niederungsgebiete um Magdeburg und nördlich davon im Kreis Wolmirstedt zu (D. KAUFMANN, 1972, 362/63). Nach H. QUITTA (1969, 48, bes. 51) ist das auf klimatische Veränderungen in diesem Zeitabschnitt zurückzuführen. Die Karten auf den Abbildungen 3 und 4 lassen erkennen, daß entlang solcher Flüsse keine dichte Besiedlung erfolgte, in deren Nähe bestimmte Bodentypen fehlten. Nach H. QUITTA (1970, 168/69) wurden neben degradierten Schwarzerden vor allem Parabraunerden bevorzugt. In Thüringen erstreckte sich die Besiedlung vorwiegend auf die Schwarzerden mit Verlehmungszone (BraunerdeTschernosem) und Texturdifferenzierung (Parabraunerde-Tschernosem). Die Schwarzerden mit Texturdifferenzierung wurden unter Waldvegetation degradiert, während die Schwarzerden mit Verlehmungszone nicht durch Bewaldung, sondern durch einen Klimawandel zu erklären sind (D. HAU, 1965, 48 und Abb. 10). Nur selten erfolgten Ausgriffe auf Gebiete mit ungünstigen Bodenverhältnissen und dichter Bewaldung (z. B. ostelbische Gebiete). Ausschlaggebend für die Siedlungsplatzwahl waren also nicht allein Wasser- und Niederungswaldnähe, sondern auch das Vorhandensein bestimmter Bodentypen. Da die Bandkeramiker auch die höher gelegenen reliefierten Landschaften des Saalegebietes mit dichter Bewaldung in den feuchteren Mittelgebirgen aussparten, lassen sich daraus weitere Schlußfolgerungen für die Siedlungsplatzwahl ziehen. Ebenso wurden bandkeramische Siedlungen nicht in den trockneren Landschaften mit der unveränderten Schwarzerde als Bodentyp errichtet (Abb. 3—6). Ursachen waren das Fehlen größerer Waldbiotope und Niederschlagsarmut. Aus dieser Beobachtung geht hervor, daß nicht ein oder zwei Faktoren für die Siedlungsplatzwahl der Bandkeramiker ausschlaggebend waren, sondern alle Faktoren in ihrer Einheit — unabhängig von ihrer prozentual wertbaren Bedeutung für die Wirtschaftsform — die Siedlungsplatzwahl beeinflußten. Dazu gehören demnach bestimmte Boden73

Abb. 3. Verbreitung der linienbandkeramischen Fundstellen auf Bodentypen im Saalegebiet (vereinfachte Karte der Bodentypen nach K. S C H W A R Z , 1948, Karte 1). O = mehr als 5 Fundstellen in einer Gemarkung.

74

tyP 011 ; günstige klimatische Bedingungen, Wald- und Wassernähe sowie wenig reliefierte Landschaften. Zu den siedlungsfreien Landschaften des Elbe-SaaleGebietes gehörten die Mittelgebirge mit ihren ungünstigen klimatischen Bedingungen, den minderwertigen Bodentypen und der dichten Bewaldung, ferner Landschaften entlang von Wasserläufen mit breiten, unwegsamen Niederungs75

17!

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e Abb. 2.

Holzfunde aus dem großen Haus; a u. g Bauphase

Abb. 3.

Holzfunde aus dem großen H a u s ; a—g B a u p h a s e 3. 1:2.

mit einem oberen Durchmesser von 24 cm rekonstruieren. Zwischen der 3. und 4. Holzstraße fand sich, vor der Längsseite des großen Hauses, bei 4—7 m Ost der Boden einer weiteren Daubenschüssel und ein kleiner Dorn aus Wacholder (Abb. 7). Die besondere Bedeutung des großen Hauses (W. COBLENZ, 1966, 58f.) wird unterstützt durch die große Anzahl einer bestimmten Auswahl an Haushaltgeschirr und die besondere Fundkonzentration innerhalb des Hauses. Selbstverständlich muß auch der Zufälligkeit der Erhaltung der Gegenstände durch die 251

Tabelle 1 Lfd. Nr.

Gegenstand

i

Brettchen

2

F a ß b o d e n (Rest)

3

2 verzierte D a u b e n

4

1 unverzierte D a u b e

5

Eimerboden (Rest)

6

Quirl

7

1 Daube

8

Kerbholz

9

Lager v. kleiner Tür

10

Nagel

11

3 unverz. D a u b e n

12

Nagel

13

Keil

14

Rest, bearbeitet

15

Griff einer B ü t t e

16

Spundzapfen

17

Teller, gedrechselt

18

Quirl

19 20

Teil einer Türverriegelung 1 Daube

21

3 unverz. D a u b e n

22

3 verzierte D a u b e n Va Gefäßboden (Rekonstruktion) 1 / 2 Gefäßboden Dorn

23

Fundangaben: Bauphase

Maße cm

L : 15,2 1 — südlicher Bereich großes H a u s 0 : 10 1 — südlicher Bereich 0 : 20,4 großes H a u s 2 — südlicher Bereich H 8 großes Haus 2 — südlicher Bereich H 13,4 großes H a u s 2 — nördlicher Bereich 0 : 42 großes H a u s 2 — nördlicher Bereich L : 43,7 großes H a u s 3 — nördlicher Bereich H 13,7 großes H a u s 3 — nördlicher Bereich L : 9X großes H a u s 12,5 3 — nördlicher Bereich L : 6,8 großes Haus 3 — nördlicher Bereich L : 6,7 großes H a u s 3 — südlicher Bereich H 6,8 großes H a u s bis 10,9 3 — südlicher Bereich L : 11,6 großes H a u s 3 — südlicher Bereich L : 8,4 großes H a u s 3 — südlicher Bereich L : 13,9 großes H a u s 3 — südlicher Bereich L : 17,6 großes H a u s 3 — südlicher Bereich L : 7,4 großes H a u s 3 - SO-Ecke 0 : 34,4 großes H a u s 3 - SO-Ecke L : 25,8 großes H a u s 3 - SO-Ecke L : 14,1 großes H a u s 3 - SW-Ecke H 9,7 Nebenhaus 3 — Holzstraße 3 Mdg: 24 westl. Bereich 3 — Holzstraße 3 Mdg: 24 westl. Bereich Boden0 10,3 3 — zwischen 0 11,3 Holzstr. 3/4 L : 11,3 östlicher Bereich

Holzart

Abb. Nr.

Eiche

ld

Tanne

le

Tanne

1 a—b

Tanne

le

Eiche

2g

Wacholder

2a

Tanne

2f

Wacholder

2b

Eiche

2d

Tanne

2c

Tanne

3a—c

Tanne

3e

Tanne

3f

Tanne Eiche

3d

Eibe

2e

Eiche

4a

Wacholder

4c

Eiche

4d

Tanne

4b

Tanne

6

Tanne

6

Tanne

7

Abb. 4. Holzfunde aus dem großen H a u s ; a, c, d Bauphase 3 ; b D a u b e aus dem Nebenhaus. 1:2.

Abb. 6. Rekonstruktion einer verzierten und einer unverzierten Daubenschüssel von Holzstraße 3. 1:3.

wohl recht günstigen Konservierungsbedingungen in diesem Grabungskomplex Beachtung geschenkt werden. Die große Anzahl der Funde — trotz der sich hier häufenden modernen Störungen, durch die nur ein Teil des Gebäudes erfaßt werden konnte — mag aber als Beleg genügen. Das Fehlen eines in allen anderen Häusern nachgewiesenen Herdes kann gleichfalls auf die Störungen zurückzuführen sein. Trotz der vielen Holzgeräte und des Fehlens des Herdes haben sich Hinweise auf den Sitz eines hier wirkenden Handwerkers nicht ergeben. Da die Burg Meißen deutsches Befestigungswerk von strategisch wichtiger Bedeutung im slawischen Siedlungsgebiet gewesen ist, wird die Besatzung der Burg ihre Gebrauchsgüter, 254

A b b . 7. Holzreste zwischen Holzstraße 3 u n d 4. 1 : 2 .

wie allgemein üblich, von der umwohnenden slawischen Bevölkerung bezogen haben, so daß ein Handwerkszentrum auf der Burg in dieser Zeit nicht anzunehmen ist. Direkte Hinweise auf die Existenz einer deutschen Handwerkersiedlung unterschiedlichster Zweige geben entsprechende Funde erst für die Marktsiedlung Meißen des 12./13. Jh. (W. COBLENZ, 1971, 92ff.). Insgesamt liegt slawisches Kulturgut vor, wie es in anderen frühmittelalterlichen Stadtsiedlungen oder Burgen, wie z. B. in Lübeck, Magdeburg, Wolin, Zantok und Opole anzutreffen ist, und auch im weiteren Sinne das für jene Zeit allgemein übliche. Die Böttcherwaren, besonders die kleinen Daubenschüsseln, sind mit Parallelfunden zeitgleicher Stationen wie Opole (B. GEDIGA, 1969, 127) zu verbinden, die wie die meisten Reste vom Burgberg Meißen mit zwei Reifen gebunden worden sind. Eine chronologische Gliederung der Daubenschüsseln ist nicht möglich, da die gleiche technische Ausführung noch in der jüngeren Marktsiedlung Meißen vorhanden ist. Die Daubengefäße, vor allem die konischen Formen der Becher, sind bis in das ausgehende Mittelalter hergestellt und benutzt worden, wie von Darstellungen auf Miniaturen, Tafelmalereien und Schnitzaltären bekannt ist. Die holzanatomischen Untersuchungen am Fundmaterial sind im allgemeinen wenig dazu geeignet, das Waldbild der unmittelbaren Umgebung einer ur- und frühgeschichtlichen Siedlung oder Befestigung umfassend zu bestimmen, da von vornherein durch die gezielte handwerkliche Nutzung nur eine ganz bestimmte Auswahl an Hölzern vorliegt. Wie aus Tabelle 1 ersichtlich ist, dominierte Eiche und Tanne in der Verwendung. Für die Herstellung von Gerätschaften wurden beide Holzarten im gleichen Maße bevorzugt, wie auch für die Errichtung der Holzstraßen und der Häuser. Wird dieses Ergebnis mit den durchgeführten holzanatomischen Untersuchungen von Materialien aus der jüngeren Marktsiedlung Meißen des 12./13. J h . verglichen, 255

Abb. 8.

256

a) Wacholder, Querschnitt, 300 X ; b) Eibe, Radialschnitt, 300 X . 1:1.

A b b . 9. a) Auflösung der Zellwandschichten, T a n n e , Querschnitt, 6 0 0 X ; b) B i l d u n g einer h o m o g e n e n Masse im Zellinnern, 6 5 0 x . 1 : 1 .

17

Praeliistoricae

257

so zeigt sich, daß selbstverständlich die Böttcher die kleinen Daubengefäße aus dem leicht spaltbaren und harzfreien Holz der Tanne herstellten, aber im übrigen die Rotbuche die absolute Bevorzugung besitzt. Drechsler und Tischler fertigten ihre Waren aus Rotbuche, d. h. Teller und verschiedene Teile von Produktionsinstrumenten. Ganz vereinzelt erscheint hier auch die Kiefer. Auffällig ist die Verwendung des Wacholders für die Quirle und das „Kerbholz", sowie Eibe für den kleinen verzierten Spundzapfen (Abb. 8a—b). Nur noch einmal erscheint Eibe innerhalb der von uns untersuchten Materialien: als Spindel aus dem spätmittelalterlichen Stadtkern von Karl-Marx-Stadt. Die Böttcherwaren sind hier vorwiegend aus Fichte und Lärche hergestellt worden. Möglicherweise spiegelt sich nicht nur die veränderte Auswahl, begründet durch größere Beanspruchung des Holzes und die Vervollkommnung der Techniken, wider, sondern auch das sich im Verlaufe der Jahrhunderte veränderte Waldbild. Auch bei Überprüfung der Materialien der Wasserburg Baruth des 13. —15. Jh., deren gedrechselte Schalen ausnahmslos aus Esche gefertigt worden sind und andere Gegenstände vorzugsweise aus Fichte und Lärche, wird deutlich, daß sich das holzverarbeitende Handwerk bei seiner Produkion nach dem Baumbestand der für sie zur Auswahl stehenden Hölzer richtete. Im Zusammenhang mit den holzanatomischen Untersuchungen konnten die unterschiedlichen Zersetzungserscheinungen der Holzfunde durch Pilze und Fäulnis festgestellt werden. Von einer Quellung der Zellwände bis zur Auflösung der Wandschichten und Bildung einer homogenen Masse in den Zellen, konnten die einzelnen Stadien der Zersetzung beobachtet werden (Abb. 9a—b), die die Festigkeit der Hölzer außerordentlich herabmindern und eine auf die Dauer stabile Konservierung in Frage stellen 2 ). Die Auswertung weiterer holzanatomischer Untersuchungen von Materialien aus verschiedenen Landschaftsgebieten wird, bei Anwendung der hier aufgezeigten Gesichtspunkte, ein umfassenderes Bild der Tätigkeit des Menschen im Mittelalter ergeben. ANMERKUNGEN 1

) Für die Möglichkeit der gesonderten Publikation der Holzfunde vom Burgberg Meißen bin ich Herrn Dir. Dr. sc. W. COBLENZ, Landesmuseum Dresden, zu besonderem Dank verpflichtet. Herrn Dr. rer. nat. R. WAGENFÜHR, Institut für Holztechnologie Dresden, sei an dieser Stelle für Anleitung, Überprüfung und Hinweise bei vielen vom Verfasser durchgeführten holzanatomischen Untersuchungen gedankt, sowie Herrn J . K R A U S E , Landesmuseum Dresden, für die Anfertigung der Zeichnungen. 2 ) Die Holzgeräte wurden nach der holzanatomischen Untersuchung vom Verfasser im Jahre 1968 mit ME/2 (Dimethylolmelamin), das vom VEB Stickstoffwerk Piesteritz bezogen werden kann, konserviert. Das Konservierungsmittel, mit dem auch die anderen genannten Holzgegenstände weiterer Grabungen (Karl-Marx-Stadt, Baruth, MeißenMarkt) konserviert worden sind, eignet sich besonders für kleine Fundstücke. Der Erhaltungszustand der Funde ist bis heute recht zufriedenstellend, so daß die in kulturgeschichtlicher und handwerklicher Hinsicht wichtigen Objekte vor weiterem Verfall geschützt sein dürften.

258

LITERATURVERZEICHNIS

BOMANN, W., 1941: Bäuerliches Hauswesen und Tagewerk im alten Niedersachsen. 4. Aufl. Weimar. COBLENZ, W., 1966: Zur Ur- und Frühgeschichte von Land und Burg Meißen. Meißner Heimat 4. Sonderheft. COBLENZ, W., 1970: Zum Wechsel der Befestigungsfunktion vom I X . bis zum X I . J a h r hundert im ostsaalischen Gebiet. Slovenskä Archeologica X V I I I - 1 , 137 ff. COBLENZ, W., 1971: Frühgeschichtliche Wegeführung unter dem Markt in Meißen. Ausgrabungen und F u n d e 16, 92 ff. GEDIOA, B., 1969: Die Anfänge und die Entwicklung der frühmittelalterlichen Burgstadt in Opole. Slavia Antiqua 16, 127 ff. G U B L I T T , C . , 1919: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler in Sachsen. 40. H e f t , Meißen (Burgberg), Dresden.

Zeichnungen: J . KRAUSE, Landesmuseum f ü r Vorgeschichte Dresden Fotos: Verfasser VERFASSER: WILHELMINE STAHL, Landesmuseum f ü r Vorgeschichte, 806 Dresden, Japanisches Palais

18

Praehistorlcae

259

Ein Holzbrunnen des 12. Jahrhunderts in Halberstadt ADOLF SIEBEECHT, H a l b e r s t a d t

Einleitung

Am 8. April 1945 wurde durch einen anglo-amerikanischen Bombenangriff ein großer Teil der Halberstädter Altstadt zerstört. Im Zuge der Wiederaufbaumaßnahmen werden seit 1951 in großem Umfang Tiefbauarbeiten durchgeführt. Die Möglichkeit, Untersuchungen zur Stadtkernforschung durchzuführen, wurde sporadisch genutzt. 1952/53 führte die Deutsche Akademie der Wissenschaften, Außenstelle Magdeburg, eine Grabung in Halberstadt durch (E. NICKEL, 1954, 244). In den folgenden Jahren versuchte das Städtische Museum Halberstadt im Rahmen seiner bescheidenen Möglichkeiten, die Erdaufschlüsse im Stadtgebiet zu kontrollieren und stellte dabei zahlreiche Bodenfunde sicher. Bei diesen Funden handelt es sich vorwiegend um Keramik des 13. —18. J h . Zahlreiche Brunnen wurden angetroffen und untersucht. Sie waren kreisrund und durchweg aus Sandsteinquadern errichtet. Besonderes Interesse erweckte ein aus Holzbalken errichteter quadratischer Brunnen, über den hier berichtet werden soll.

Fundgeschichte

Im Zuge der Neubebauung des alten Stadtzentrums wurde seit 1971 an einer modernen Straßenanlage (Projekt Stadtstraße) gebaut, die in südnördlicher Richtung den südlichen Altstadtbereich schneidet, dabei den westlichen Bereich des ehemaligen Holzmarktes überquert und ihre Fortsetzung im Hohen Weg findet (Abb. 1). Mit Hilfe der modernen Technik wird der Baugrund bis auf den gewachsenen Boden eingetieft. Dabei muß die Schachtung bis unter das Niveau der alten Kelleranlagen erfolgen. Für die Aufnahme der Kanalisation wurden Gräben mit einer Tiefe von 6 m ausgebaggert. Die Baustelle kontrollierten Mitarbeiter des Städtischen Museums. Bauleitung und der ausführende Betrieb zeigten für unsere Tätigkeit Interesse und Entgegenkommen. Trotzdem war es nur möglich, verhältnismäßig wenig Objekte zu untersuchen. Bei der Anlage eines Grabens für die Kanalisationsanlage wurde im Februar 1972 in 5—6 m Tiefe eine Holzkonstruktion angeschnitten. Der Bagger hatte im unteren Teil der westlichen Wandung des Grabens Holzbalken freigelegt, die dicht aufeinander lagen und deren Funktion nicht gleich gedeutet werden konnte. Auf der gegenüberliegenden östlichen Seite der Grabenwandung waren Reste eines kreisrunden Brunnens zu erkennen, der aus großen Sandsteinblöcken bestand (Abb. 2). Eine sofortige Untersuchung ließ sich nicht ermöglichen, da die 18*

261

Abb. 1.

Halberstadt. Holzmarkt nach einem Plan des 19. J h .

Rohre f ü r die Kanalisationsleitung schnellstens verlegt u n d mit einer Betonabdeckung versehen werden mußten. Mit der Bauleitung wurde in Einverständnis mit der Betriebsleitung 1 ) dahingehend Übereinkunft erzielt, daß der Bagger f ü r unsere Untersuchung die Holzkonstruktion grob freilegen sollte. Das geschah in der Form, daß der Bagger bis zu einer Tiefe von 5 m das Erdreich in Höhe der Holzkonstruktion herausnahm. Das war auch aus Sicherheitsgründen erforderlich. Dabei stellte es sich heraus, daß die Holzkonstruktion ein Viereck bildete und es sich u m einen Brunnen handelt. Bei dieser Arbeitsweise m u ß t e in Kauf genommen werden, daß die bereits stark gestörte obere Einfüllung des Brunnens verlorenging. Wir mußten auch auf die Untersuchung des Steinbrunnens verzichten, da sonst der gesamte Bauablauf gefährdet gewesen wäre. 262

Jetzt bestand die Aufgabe darin, den Brunnen freizulegen und auszuräumen. Dabei kamen Keramikreste des 12. J h . zum Vorschein. Auf Grund dieser Funde und der gut erhaltenen Konstruktion des Brunnens wurde beschlossen, den Brunnen insgesamt zu bergen. Das war in Anbetracht der kalten Jahreszeit und des hohen Grundwasserstandes ein schwieriges Unterfangen, das mit hoher Einsatzbereitschaft von meinen Mitarbeitern, den Kollegen K. S C H R Ä D E R und G. K A L B E R G , gelöst wurde. Der Brunnen Als der Bagger die Holzkonstruktion des Brunnens angeschnitten hatte, konnte im anstehenden Keuperton deutlich ein Teil der Verfärbungsgrenze des Brunnenschachtes erkannt werden (Abb. 3a). Bei der weiteren Untersuchung war diese Beobachtungsmöglichkeit nicht mehr gegeben. Der Brunnen hatte eine Tiefe von 8 m. Die oberen 5 m des Brunnens waren vergangen und dermaßen gestört, daß sie nicht weiter untersucht werden konnten. Die restlichen 3 m des Brunnens waren in Blockbautechnik aus grob behauenen Eichenholzbalken errichtet worden. Die Balken hatten eine Länge bis zu 1,80 m, eine Stärke von durchschnittlich 0,10 X 0,20 m. Die Balken waren ausgeklinkt und standen an den Ecken der Konstruktion 0,20—0,30 m über (Abb. 3b u. 4). Im Innern des Brunnens, an den beiden Ecken der Ostseite, waren im Abstand von etwa 0,70 m übereinander Querstreben angebracht, die starke Abnutzungsspuren erkennen ließen (Abb. 5). Vermutlich wurden sie zum Befahren des Brunnens genutzt. Die Brunnensohle war mit 0,30—0,40 m großen Kalksteinplatten ausgelegt, die sich auch noch außerhalb der Brunnenwandung fortsetzten. Die Holzkonstruktion ruhte auf einer stärkeren Balkenlage. 263

Abb. 3. a) Halberstadt. Ostseite des Brunnens mit Verfärbungsgrenze des Brunnenschach tes. b) Schematische Skizze der Konstruktion.

Der Vorgang beim Brunnenbau wäre so zu erklären, daß man zunächst den Brunnenschacht bis in die vorgesehene Tiefe vortrieb. Dabei mußte wahrscheinlich viel Grundwasser ausgeschöpft werden. Die vorgesehene Brunnensohle wurde mit Kalksteinen ausgelegt. Den vermutlich vorgefertigten unteren Teil der Holzkonstruktion senkte man in den Schacht ab und vervollständigte dann die Konstruktion. Bis auf die unteren 2 Balkenlagen konnten alle Balken des Brunnens geborgen werden. Die Balken wurden im Museum für Ur- und Frühgeschichte Potsdam konserviert 2 ) und sollen in den Ausstellungen des Museums für Deutsche Ge schichte Berlin 3 ) und des Städtischen Museums Halberstadt ihren Platz finden. 264

Abb. 4.

Der Inhalt des

Halberstadt. Der freigelegte äußere nordwestliche Teil des Brunnens.

Brunnens

Der Brunneninhalt bestand aus dunkelgrauem bis schwarzem Schlick, der mit kleineren Sandsteinen bis zu Faustgröße, mit Tierknochen, Lederresten u n d wenigen Keramikbruchstücken durchsetzt war. Größtenteils mußten die F u n d e u n t e r Wasser ertastet werden, da die Pumpen den starken Grundwasserstrom nicht bewältigen konnten. Aus diesem Grunde ließ sich eine stratigrafische Gliederung des Fundmaterials nicht durchführen. Etwa 1 m über der Brunnensohle häuften sich die F u n d e an Keramik. Größere Bruchstücke von braunschwarzer Kugeltopfkeramik und Seilreste kamen zum Vorschein. Weiter wurden Bruchstücke von größeren Kugeltöpfen mit Ausgußtiille und gegenständigen Sattelhenkeln gefunden. Dabei befand sich ein unversehrtes Gefäß, um dessen Hals noch die Reste eines Seiles lagen. Die

Keramikfunde

1. Kugeltopf, R a n d nach außen gebogen, Randlippe abgerundet, Mündung oval, 2 schwach ausgebildete gegenständige Sattelhenkel, Ausgußtülle, braungrau Abb. 6a). H. 22,0; Mdg 13,5 x 15,5; gr. Dm. 24,0 cm. 265

Abb. 5.

Halberstadt. Die innere Ostseite des Brunnens mit den Querstreben.

2. Kugeltopf, R a n d nach außen gebogen, innen leicht gekehlt, Randlippe verdickt und schräg abgeschnitten, K a n t e n gerundet, 2 gegenständige Sattelhenkel mit Mittelgrat, Ausgußtülle, braungrau mit dunkelbraunen bis schwarzen Flecken. Auf dem Hals u n d am Tüllenansatz etwa 1 cm breite Eindrücke. Dieses Gefäß war vollständig erhalten. U m den Hals u n d durch die beiden Henkelöffnungen gezogen lag ein Seilstück (Abb. 6b). H. 23,5; Mdg. 13,5; gr. Dm. 24,8 cm. 3. Kugeltopf, R a n d nach außen gebogen, innen leicht gekehlt, Randlippe verdickt u n d gerade abgeschnitten, K a n t e n schwach gerundet, 2 gegenständige Sattelhenkel, Ausgußtülle, braungrau mit dunkelbraunen bis schwarzen Flecken. I n den Henkelöffnungen befanden sich Seilreste (Abb. 6c). H. 26,0; Mdg. 16,2; gr. Dm. 26,7 cm. 4. Kugeltopf, Hals eingezogen, R a n d schräg nach außen gestellt, Innenseite des Randes leicht gekehlt (Rille unterhalb der Randlippe), Randlippe schräg abgeschnitten, braungrau mit schwarzer Rußschicht (Abb. 6d). H. 15,0; Mdg. 12,0; gr. Dm. 18,2 cm. 5. Kugeltopf, Hals eingezogen, R a n d schräg nach außen gestellt, Innenseite des Randes gekehlt, Randlippe schräg abgeschnitten, K a n t e n leicht gerundet, 266

braungrau-schwarz, vollständig mit schwarzer Rußschicht überzogen (Abb. 6e). H. 16,0; Mdg. 13,5; gr. Dm. 18,5 cm. 6. Kugeltopf, Hals eingezogen, Rand nach außen gebogen und hochgezogen, profilierte Randlippe, die außen schwach, innen stärker ausgekehlt ist, braungrau-schwarz, vollständig mit schwarzer Rußschicht überzogen (Abb. 6f). H. 14,5; Mdg. 12,0; gr. Dm. 16,0 cm. 7. —16. Randbruchstücke von Kugeltöpfen mit nach außen gebogenem Rand, zum Teil leichte Kehlung der Randinnenseite, abgerundete bis schräg abgeschnittene Randlippen, graubraun-schwarz. 17. Randstück eines Kugeltopfes, gut ausgebildeter, steil gestellter Hals mit schwach ausgeprägter Rippenzone, schräg nach außen gestelltem Rand, Innenseite leicht gekehlt, Innenseite Hals mit doppelter Kehlung (Formholz!). 18. Scherbenstück „Pingsdorfer Keramik", gelblich-grau mit rotbrauner Bemalung. 19. Bodenstück eines kleinen Standbodengefäßes, weißlich-grau, außen dunkelgrüne Glasur, Drehscheibenware. 20. Unterteil eines kleinen Standbodengefäßes, weißlich-grau, schmutzig-dunkelgrüne Außenglasur, Drehscheibenware. 21.—22. 2 Wandungsscherben, weißlich-grau bis gelblich-grau, Drehscheibenware. 23. Ca. 100 Wandungsstücke von zerscherbten Kugeltöpfen, braungrau-schwarz. Die Zeitstellung Die Kugeltopfgefäße (Abb. 6a—c) mit Ausgußtülle und Sattelhenkel verdienen unser besonderes Interesse. Offensichtlich wurden sie zum Schöpfen und Aufbewahren des Wassers genutzt. Darauf weisen die Seilreste hin, die bei den Gefäßen 2 und 3 an deren Hals lagen. Auffällig ist, daß an diesen Gefäßen keine Rußspuren zu finden sind. Die Einheitlichkeit der Formgestaltung läßt vermuten, daß diese Gefäße in der gleichen Töpferwerkstatt hergestellt wurden. Bruchstücke ähnlicher Gefäße liegen aus Hohenrode (P. GKIMM, 1939, 10, Taf. XV, Abb.l), Dornburg (H. A. KNORK, 1939, 38, Taf. Ie) und Halberstadt-Schmiedestraße (E. NICKEL, 1954, Taf. XXXVIII, Abb. 4) vor. Sie werden zeitlich in das 12. Jh. eingeordnet. Bei den Kugeltöpfen (Abb. 6d—f) ist zu beachten, daß ihre Außenseite vollständig mit einer Rußschicht überzogen ist. Diese Kugeltöpfe sowie das Material der Randscherben 7—16 lassen sich mit Funden von Magdeburg-Alter Markt (E. NICKEL, 1964, 99f.) vergleichen. Sie sind zeitlich dem 12. Jh. zuzuordnen. Der Randscherben 17 zeichnet sich durch einen ausgebildeten Hals mit schwach ausgeprägter Rippenzone aus. Bei der Herstellung dieses Gefäßes wurde bereits mit dem Formholz gearbeitet. Formen dieser Art lassen sich für die 2. Hälfte des 12. Jh. nachweisen (P. GBIMM, 1933, 13; 1959, 8 3 ; 1963, 559 und E . NICKEL, 1964, 106).

267

Abb. 6. Hillberstadt, a —c, Kugeltöpfe mit Ausgußtülle — etwa 1 : 5 ; d—f, Kugeltöpfe — etwa 1 : 4 .

268

Der Scherben „Pingsdorfer K e r a m i k " sowie die beiden glasierten Gefäßunterteile (Nr. 18—20) können zeitlich nicht näher eingeordnet werden. Es ist nicht mit Sicherheit festzustellen, ob es sich um Importware handelt. Diese F u n d s t ü c k e müssen aber einer Datierung der Brunnenfunde in das 12. J h . nicht unbedingt w i d e r s p r e c h e n ( P . GRIMM, 1 9 5 9 , 9 2 ; E . NICKEL, 1 9 6 4 , 8 0 f . ) .

Berücksichtigen wir die Langlebigkeit der Keramikformen u n d die nur allmähliche Veränderung der Typen (P. GRIMM, 1959, 99) so können wir zu dem Schluß gelangen, daß das vorliegende Keramikmaterial durchweg dem 12. J h . zuzuweisen ist. Der Brunnen wurde im 12. J h . errichtet u n d bis zum E n d e des 12. J h . genutzt. Vielleicht wurde d a n n der Steinbrunnen angelegt, den wir in unmittelbarer Nähe des Holzbrunnens vorfanden (Abb. 2), der aber nicht mehr untersucht werden konnte. Schlußbetrachtung Der beschriebene Holzbrunnen befand sich im südöstlichen Teil des Marktbereiches, der 1275 u n d 1285 als forum lignorum und 1352 als Holtmarkede — Holzmarkt — erwähnt wird (G. SCHMIDT, 1879, 514). Ein Plan des 19. J h . (Abb. 1) läßt erkennen, daß der Brunnen unmittelbar an der Grundstücks- und Bebauungsgrenze des Marktes lag. Wenn wir davon ausgehen, daß der Marktplatz ursprünglich größer war (W. S C H L E S I N G E R , 1972, 251), k a n n unser Brunnen zum damaligen Marktbereich gehört haben. I n den zwischen 1370 und 1400 im Stadtbuch Haiberstadts niedergelegten Statuten, ist die Rede, von ,,de bornen, de hir up der Straten stan . . . " (G. SCHMIDT, 1878, 581, B 64 b ). Es wäre durchaus möglich, daß unser Brunnen als öffentlicher Brunnen im 12. J h . genutzt wurde. U m die 1186 erwähnte Martinikirche wird der 1105 als villa bezeichnete „vorstädtische Siedlungskern" der späteren S t a d t Halberstadt gelegen haben (W. S C H L E S I N G E R , 1972, 248 u. 251). Unser F u n d liefert d a f ü r einen wichtigen archäologischen Nachweis. ANMERKUNGEN 1

) Dem Bauleiter, Herrn GRADE, Halberstadt, und der Betriebsleitung des V E B Straßenund Tiefbaukombinat Magdeburg, Produktionsbereich 92 in Blankenburg, herzlichen Dank für die erwiesene Unterstützung. 2 ) Herrn Direktor Dr. G R A M S C H und Herrn Chefrestaurator Z U M P E , L M . Potsdam, danken wir für die Durchführung dieser umfangreichen Konservierungsmaßnahmen. 3 ) Das Museum für Deutsche Geschichte Berlin finanzierte die Konservierung des Brunnens. Herrn Direktor Prof. Dr. H E R B S T danken wir für dieses Entgegenkommen. LITERATURVERZEICHNIS GRIMM, P., 1933: Zur Entwicklung der mittelalterlichen Keramik in den Harzlandschaften. Zeitschrift des Harzvereins 66, l f f . GRIMM, P., 1939: Hohenrode, eine mittelalterliche Siedlung im Südharz. Veröffentlichungen Halle I i .

269

GRIMM, P., 1959: Zur Entwicklung der frühmittelalterlichen deutschen Keramik in den Bezirken Halle u n d Magdeburg. Praehistorische Zeitschrift 27, 72 ff. GRIMM, P., 1963: Der Ilsestein bei Ilsenburg Harz, eine Burg des X I . J a h r h u n d e r t s . Alt-Thüringen 6, 555 ff. K N O R R , H . A., 1 9 3 9 : Die Dornburg an der Elbe. Sachsen und Anhalt 1 5 , 9 ff. NICKEL, E., 1954: Die Südbefestigung der Domburg Halberstadt. Jahresschrift Halle 38, 244 ff. NICKEL, E., 1964: Der „Alte M a r k t " in Magdeburg. Schriften der Sektion f ü r Vor- und Frühgeschichte 18. Berlin. SCHLESINGER, W., 1972: Vorstufen des Städtewesens im ottonischen Sachsen. Edith-EnnenFestschrift, 234ff. SCHMIDT, G., 1878: Urkundenbuch der S t a d t Halberstadt, 1. Teil, 581. Geschichtsquellen der Provinz Sachsen 7. SCHMIDT, G., 1879: Urkundenbuch der S t a d t Halberstadt, 2. Teil, 514. Geschichtsquellen der Provinz Sachsen 7.

Zeichnungen: G. KALBERG, Städt. Museum Halberstadt Fotos: Abb. 4 u. 5 Städt. Museum Halberstadt; Abb. 6 V E B Foto-Studio Quedlinburg VERFASSER: Dipl. phil. A D O L F

270

SIEBRECHT,

Städtisches Museum, 36 Halberstadt, Domplatz 36

Zur Problematik des Keramikhandels (am Beispiel der mittelalterlichen rotbemalten Irdenware vom Typ Levin aus sächsischen Fundstellen erörtert [13.—15. Jh.]) HARALD W . MECHELK,

I. Das

Dresden

Problem

Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Materials des 12. bis 16. J h . aus dem Stadtkern Dresden (in den Jahren 1961 —1968) tauchte auch die Frage nach dem Keramikhandel auf, es wurde eine Entscheidung gefordert darüber, welche Keramik im Fundgut als Import anzusprechen ist, woher sie kam, wann und — nicht zuletzt — warum sie importiert wurde. Viele Stücke waren importverdächtig, von nur wenigen konnten die Werkstätten erkannt und genannt werden. Letzteres liegt zum großen Teil daran, daß Untersuchungen in dieser Richtung aus dem Arbeitsbereich nur vereinzelt vorliegen. Neben Steinzeug unterschiedlicher Art aus jüngerer Zeit, von dem die Werkstätten genannt werden konnten 1 ), war es ein ursprünglich helltoniger Irdenwarekrug mit flächenfüllender rotbrauner Bemalung (Abb. 4e, 5), an dem sich das genannte Problem neu entzündete 2 ). Dieser Krug stammte aus Böhmen, genauer aus einer Werkstatt in Levin im nordböhmischen Mittelgebirge, östlich der Elbe, und ist hier nördlich der Gebirge als Vertreter einer interessanten Keramikgruppe anzusehen. Im Rahmen umfangreicher Materialsichtungen zur Bearbeitung des Problemkomplexes „Technologie mittelalterlicher Keramik zwischen Weißer Elster und Görlitzer Neiße", die Verfasser seit 1969 vornimmt, tauchte wiederholt helle Irdenware mit rotbrauner Bemalung an verschiedenen Fundstellen auf. Damit ergab sich erneut die Notwendigkeit der Zuwendung zu den Fragen, inwieweit es sich bei den rotbemalten Stücken tatsächlich um Reste vereinzelt „gewanderter" Gefäße handelte oder um „Indikatoren" für einen regulären Keramikhandel oder um einheimische Nachahmungen. Von den rotbemalten Gefäßen aus böhmischen Fundstellen herrschen über Herkunft, Datierung und Verbreitung einigermaßen Klarheiten (Kv. R E I C H E R T O V A , 1956, 171 u. 1962, 705ff.) 3 ). Wie bereits angedeutet gab es Töpferwerkstätten in Levin, okr. Litomerice, die rotbraun bemalte, helle unglasierte Keramik nachweislich in beträchtlichen Mengen hergestellt haben. Zur Datierung dieser Keramikgruppe liegen Funde aus Siedlungen vor, die zeitliche Abgrenzung nach „unten" (M. R I C H T E R U. Zd. S M E T A N K A , 1958, 86ff.) und nach „oben" (V. N E K U D A u. Kv. R E I C H E R T O V A , 1968, 137ff.). Die ältesten Stücke befanden sich in Fundkomplexen aus der 2. Hälfte des 13. Jh., aus dem 14. J h . gab es münzdatierte 271

Fundkomplexe, die jüngsten dagegen waren in solchen des späten 15. J h . nachweisbar. Verbreitet ist die Keramik in Nordböhmen beiderseits des Elblaufes, vom nachgewiesenen Herstellungszentrum Levin aus verteilen sich die Fundp u n k t e relativ gleichmäßig von West über Süd nach Ost im Umkreis von ca. 100 km (Abb. 8) 4 ); nur die Nordgrenze wirkt abgebrochen. Sie ist lediglich als Bearbeitungsgrenze anzusehen, obwohl topographisch betrachtet denkbar wäre, daß eine Gebirgskette, wie sie Erzgebirge—Elbsandsteingebirge—Lausitzer Bergland darstellen, tatsächlich eine Grenze f ü r eine Fundverbreitung bilden könnte. II. Das

Material

Aus dem nördlichen Anschlußgebiet zu den nordböhmischen F u n d e n wurde inzwischen eine aufschlußreiche Anzahl von Fundstellen gleichartiger Keramik registriert 5 ). Stellvertretend f ü r die im Bearbeitungsgebiet nördlich der oben genannten Gebirgszüge insgesamt aufgefundenen Stücke rotbraun bemalter heller Irdenware vom „ T y p Levin" — wie wir sie bezeichnen möchten — sollen folgende F u n d e vorgeführt werden, sie bilden einen mehr als nur informativen Querschnitt durch die nicht unerheblichen F u n d m e n g e n : H a r t a u , K r . Zittau, Fundstelle Ruine Karlsfried 6 ), Oybin, K r . Zittau, Fundstelle „ H a u s g r u n d " am Nordabhang des Berges Oybin 7 ), Turoszöw/Zgorzelec (früher Türchau), VR Polen 8 ), Biedrzychowice Gorne/Zgorzelec (früher Friedersdorf), VR Polen 9 ), Zittau, versch. Fundstellen im Stadtkern 1 0 ), Schwosdorf, K r . Kamenz, Einzelfund in Dorflage, Münzfund 1 1 ), Dresden, Stadtkern (Altmarkt West, Grube 12)12). Die abgebildeten F u n d e : Hartau, K r . Zittau, Fundstelle Ruine Karlsfried, Scherbenauswahl von der Oberfläche im Bereich Burgruine. Alle Scherben fallen auf durch einheitliche Materialbeschaffenheit: hellockerfarbener bis hellgrauer, sandig gemagerter Scherben, rostbraune Engobebemalung, Streifen horizontal umlaufend, girlandenartig darunter oder in schrägen Strichgruppen vertikal verlaufend auf dem Wandungsscherben angeordnet. Alle bemalten Scherben stammen vom Schulterbereich und Ausbauchungsbereich von Töpfen oder Krügen, Brand nur mäßig hart, überwiegend oxydierend (Abb. l a — i , 1—n).

Die Stücke befinden sich im LM. Dresden, Zug. K a t . 1935/316, S.: 816/72 bis 827/72 in der Reihenfolge der Abbildung. Oybin, K r . Zittau, Fundstelle „ H a u s g r u n d " am Berg Oybin Scherbenauswahl.

(Nordabhang),

Kragenartig aufgestellte, profilierte Randlippenformen (Abb. 2 a —c), Schulter- und Wandstücke von Töpfen oder Krügen (Abb. 2d, e, k—o). Hellgraues Material, sandig gemagert, z. T. mit hellockerfarbenen Oberflächen, im Schulter-Ausbauchungsbereich horizontal umlaufende, breite rostbraune oder dunkelbraune Engobefarbstreifen. Zum Teil

272

Abb. 1. H a r t a u , Kr. Zittau, Ruine Karlsfried (a —i, 1 — n), Turoszöw/Zgorzelec (früher Türchau), VR Polen (j u. k); alles 1:3. zusätzlich wellenförmige und girlandenförmige Farbstreifen, einmal herabtropfende F a r b e (Abb. 2k), Brand hart, überwiegend oxydierend.

LM. Dresden, Zug.Kat. 1940/20, S.: 830/72 bis 839/73 in der Reihenfolge der Abbildung. Ein Hals-Schulterstück von einem steinzeugartig harten und oberflächlich gesinterten Gefäß, wahrscheinlich ein Krug (ähnlich Abb. 3a), die dunkelbraune glänzende Oberflächenbemalung gleicht denen der Zittauer Krüge, B r a n d klingend hart, steinzeugartig, überwiegend oxydierend (Abb. 2p).

LM. Dresden, Zug.Kat. 1940/20, S.: 840/72. Als datierende Begleitfunde: Rest einer Reliefplattenkachel, weißgraues, feinsandig gemagertes Material; als Relief ist der äußere Teil einer Rosetteneinrahmung zu erkennen, B r a n d mäßig hart, überwiegend oxydierend (Abb. 2f).

LM. Dresden, S.: 841/72. 273

Abb. 2. Oybin, K r . Zittau, „ H a u s g r u n d " am Nordabhang des Berges Oybin (a —e, i, k—p), Schwosdorf, K r . Kamenz, Münzfund (j); alles 1:3.

Teil eines Grapentiegels aus weißgrauem, feinsandig gemagertem Material, honigbraune Innenglasur, z. T. abgeblättert, außen am Tiegel horizontaler Ansatz f ü r Tülle und d a r u n t e r befindliches Bein, Brand mäßig hart, überwiegend oxydierend (Abb. 2g).

LM. Dresden, S.: 842/72. Mittelstück eines großen Deckels mit breitem Knauf, feinsandig gemagertes Material, mittelhohes Glockenprofil, innen mit dorngratartigem Absatz (das Stück ist vom Stock gedreht worden), oben auf dem Knauf Abdruckspuren vom Trockenbrett, B r a n d mäßig hart, überwiegend oxydierend (Abb. 2 h).

LM. Dresden, S.: 843/72. R e s t eines schüsselartigen Gefäßes mit Henkelansatz u n d teilweise durchlochtem Boden, weißgraues Material, geringe grobe Quarzsandmagerung, über dem unteren Henkelansatz verläuft ein breiter dunkelbrauner Engobefarbstreifen, Brand hart, überwiegend oxydierend (Abb. 2i).

LM. Dresden, S.: 844/72. 274

Turoszöw/Zgorzelec (früher Türchau), VR Polen Zwei hellgraue Wandungsscherben von gering ausbauchenden Gefäßen, auf den Außenflächen horizontale Engobefarbstreifen, ein Stück innen mit dunkelgrüner Glasur, feinsandige Magerung, Brand mäßig hart, überwiegend oxydierend (Abb. l j , k).

LM. Dresden, S.: 828/72 und 829/72. Biedrzychowice Gorne/Zgorzelec (früher Friedersdorf), VR Polen Bruchstück eines stark bauchigen Kruges, ausladende, kräftig profilierte Randlippe, oben mit scharfkantigem Abstrich, in der Halskehle außen umlaufende wulstige K a n t e , breite, abfallende Schulter, tiefliegende weite Wandungsausbauchung, Bodenpartie fehlt vollkommen. Randständiger, breiter, kräftig gekehlter Bandhenkel. Die breite Schulter trägt zwei unregelmäßig umlaufende, dunkelbraune Engobestreifen, die von ebensolchen kurzen, schräg nach unten verlaufenden gekreuzt werden, ebenso Farbtupfen auf oberem Randabstrich und Henkelrücken, hellgraues, sandig gemagertes Material mit außen dunkelgrauer Oberfläche, weswegen die Engobestreifen nicht besonders hervortreten. Brand sehr hart, fast steinzeugartig, überwiegend reduzierend, H. erh. = 19,2 cm, Mdm. = 11,0 cm, gr. Dm. = 20,0 cm (Abb. 3 b).

LM. Dresden, S.: 814/72. Zittau, Stadtkern, verschiedene Fundstellen Krug mit rotbrauner dunkler Engobebemalung 1 3 ), steile, außen profilierte Randlippe, außen schwache, eingerissene Wellenfurche, Hals-Schulterübergang mit wulstartiger Abstufung, tiefliegende runde Wandausbauchung, geglättet, flacher, abgestrichener Boden, unterrandständiger, breiter, gekehlter Henkel. Auf der Bauchwandung flächenfüllend umlaufend viermal vertikales Tannenzweigmotiv, in rostbrauner Engobefarbe aufgetragen, zwischen den Zweigen je drei breite Farbflecken untereinander, hellgraues, sandig gemagertes Material, außen fleckige, schwach hellbraune, gesinterte Oberfläche (Salzglasur), Brand klingend hart (Steinzeug), überwiegend oxydierend, H. = 19,5 cm, Mdm. = 8,6 cm, gr. D m . = 16,3 cm, Bdm. = 11,0 cm (Abb. 3 a ; 7).

Stadtgeschichtliches Museum Zittau, S. 809/72. Henkeltopf, steiler Kragenrand mit Innenkehle (Stürzenfalz), geglättete Schulter mit umlaufendem breiten, rotbraunem Engobestreifen, runde Wandausbauchung mit breiter, flacher Gurtung, flacher, abgeschnittener Boden, dicker, randständiger, gekehlter Bandhenkel, hellgraues, feinsandiges Material, Brand mäßig hart, überwiegend oxydierend, H. = 17,2 cm, Mdm. = 12,4 cm, gr. Dm. = 15,0 cm, Bdm. = 8,4 cm (Abb. 4 b ) .

Stadtgeschichtliches Museum Zittau, S.: 810/72 Flacher Glockendeckel — zum Henkeltopf Abb. 4 b gehörend, verdrückter, flacher Knauf, Glocke innen mit dorngratartiger Kante, spitz auslaufende Randlippe, gleiches hellgraues feinsandiges Material wie der Henkeltopf, H. = 4,5 cm, gr. Dm. = 11,0 cm ( A b b . 4 a ) .

Stadtgeschichtliches Museum Zittau, S.: 811/72. Kleine Vogelpfeife, kuppeiförmiger Hohlkörper, oben aufgesetzter und nach der Seite abgebogener Hohlkörperfortsatz unbekannter Funktion, seitlich an der Kuppel angesetztes Pfeifenmundstück, daneben in der Kuppelwandung ein Loch eingestochen (Trillerloch), Kuppelwandung flächenfüllend mit Tannenzweigen in rotbrauner Engobebemalung verziert, zwischen den Zweigen je zwei breite Farbflecke (ähnlich der Verzierung auf dem Krug Abb. 3a), flacher, abgeschnittener Boden, weißgraues, feinsandiges Material, Brand hart, überwiegend oxydierend, H. = 5,1 cm, Bdm. = 5,4 cm (Abb. 4 c ; 6 a ) .

Stadtgeschichtliches Museum Zittau, S.: 812/72. Kleiner bauchiger Krug, Form-, Verarbeitungs- und Verzierungsdetails in gleicher Weise 19

Praehistoricae

275

Abb. 3. Zittau, Stadtgebiet „Töpferberg" (a), Biedrzychowice Gorne/Zgorzelec (früher Friedersdorf), V R Polen (b); alles 1 : 3 . wie Krug S . : 809/72. H. = (Abb. 4d).

12,2 cm, Mdm. = 6,1 cm, gr. Dm. =

10,2 cm, Bdm. = 7,2 cm

Stadtgeschichtliches Museum Zittau, S.: 813/72. Kleiner zweihenkliger Topf, steiler Kragenrand mit schmalem Stürzenfalz innen, flacher, gedrückter Ausguß, ausbauchende geglättete Wandung, unebener abgehobener Boden mit starkem Quellrand, knapp unterrandständig angesetzte und nachlässig geformte, gekehlte Bandhenkel, gegenständig angeordnet, helle, rostbraune Engobebemalung auf Schulter, Bauch und Henkel, schräg verlaufende Strichgruppen, untere Abschlüsse mit Girlandenbögen, auch Rand innen stellenweise mit Strichgruppen versehen, hellocker-

276

farbenes bis weißgraues, feinsandiges gemagertes Material, B r a n d hart, überwiegend oxydierend, Gefäß steht schief, H. = 8,2 cm, Mdm. = 7,8 cm, gr. Dm. = 8,5 cm, B d m . = 4,9 cm (Abb. 4 f ; 6b).

Stadtgeschichtliches Museum Zittau, S.: 845/72.

Abb. 4. 19*

Zittau, Stadtgebiet (a—d, f), Dresden, Stadtkern (e); alles 1:3.

277

Schwosdorf, Kr. Kamenz, Einzelfund in Dorflage, Miinzfund Kleiner bauchiger Krug (stark zerscherbt und rekonstruiert) — einfacher, trichterförmig ausladender und spitz auslaufender Lippenrand, tiefliegende Wandausbauchung, Wandung außen geglättet, schwach abgesetzter, flacher Boden, Beschaffenheit der Bodenfläche nicht bekannt, Ansätze für randständigen Bandhenkel vorhanden, als Bemalungsreste sind im unteren Schulterteil schwach rotbraune, schräg verlaufende Engobefarbstreifen erkennbar, auch unter dem Henkelansatz und Parbtupfen am Rand innen, hellgelbgraues, kaum gemagertes Material, Brand nur mäßig hart, überwiegend oxydierend, H. rek. 10,i cm, Mdm. etwa 4,4 cm, Bdm. etwa 3,7 cm (Abb. 2j). Kreismuseum Kamenz, S.: 363/34 (W. HAUPT, 1956, 416). Dresden, Stadtkern Bauchiger Krug 14 ), steile, schwach profilierte Randlippe, außen unten durch Dorngrat gegen flache Halskehle abgesetzt, rund ausbauchende Wandung mit geglätteter Oberfläche, flacher, abgeschnittener Boden, unterrandständiger, breiter, gekehlter Bandhenkel, ganzflächige Bemalung mit rotbrauner Engobefarbe, an Rand und Henkel vertikale Strichgruppen, bogig angeordnet, über gesamte Wandung zweimal untereinander vertikale bogige Punktreihen, hellockergraues, feinsandig gemagertes Material, oberflächlich stellenweise rußfleckig, Brand mäßig hart, überwiegend oxydierend, H. = 22,0 cm, Mdm. = 9,8 cm, gr. Dm. = 17,5 cm, Bdm. = 11,4 cm (Abb. 4e; 5). LM. Dresden, S.: 382/64. Weiterhin liegt gleichgeartetes Material von folgenden Fundstellen vor, das hier nicht näher vorgestellt werden kann: Baruth, Kr. Bautzen, ehemalige Wasserburg (R. SPEHR, 1965, 95—98) 15 ) Kirschau, Kr. Bautzen, Burg „Körse" 16 ), Bautzen, Stadtkern (L. OBERHOFER, 1958, 21f.) 17 ), Ottendorf, Kr. Sebnitz, „Felsenburg" Arnstein 18 ), Bad Schandau-Ostrau, Kr. Pirna, Vorderes Raubschloß (Frienstein) und Hinteres Raubschloß 19 ), Waltersdorf, Kr. Pirna, „Felsenburg" Lilienstein 20 ), Lohmen, Kr. Sebnitz, „Felsenburg" Neurathen an der Bastei 21 ), Karl-Marx-Stadt, Stadtkern (H. W. MECHELK, 1963, 135ff.) 22 ), Karl-Marx-Stadt — Rabenstein, Burg Rabenstein (W. BAUMANN, 1959, 155-158)23), Olbernhau, Kr. Marienberg, „Raubschloß Liebenstein" im Forstrevier Kriegwald 24 ), Zöblitz, Kr. Marienberg, Bergsporn östlich über Schwarzer Pockau, „Nidperg" 25 ), Ehrenfriedersdorf, Kr. Zschopau, „Felsenburg" Greifenstein (J. S E Y F FARTH, 1973, 1 9 - 2 1 ) 2 6 ) , Thierbach, Kr. Rochlitz, Ruine der Burg Zinnberg 27 ). III. Die

Untersuchung

Technisch ist das gesamte Material folgendermaßen einzuschätzen 28 ). Alle Gefäße wurden aus einem hellen, kaolinhaltigen Ton mit natürlicher, feiner Magerung hergestellt, einzelne kleine Gefäße (bzw. deren Reste) machen den Eindruck, als 278

279

Abb. 6. a) Zittau, Stadtgebiet, kuppeiförmige Vogelpfeife mit roter Bemalung, Nachahmung vom „ T y p L e v i n " ; ca. 1 : 1 . b) Zittau, Stadtgebiet, kleiner zweihenkliger Topf mit roter Bemalung, „ T y p L e v i n " ; ca. 1 : 1 .

280

Abb. 7. Zittau, Stadtgebiet „Töpferberg"', Steinzeugkrug mit brauner Bemalung, Nachahmung vom „ T y p L e v i n " ; etwa 1 : 2

seien sie aus geschlämmtem Ton ohne Magerungszusatz hergestellt worden; andere besonders starke Scherben größerer Gefäße zeigen vereinzelt zusätzliche Magerung mit grobem Quarzsand. Alle Gefäße wurden auf einer frei und schnell rotierenden Drehscheibe mit Fußantrieb hergestellt, große Gefäße mit z. T. erstaunlich dünnen Wandungen. Freihandarbeiten sind nur an Ausgüssen, Henkelgarnierungen Tüllenansätzen und bei der Oberflächenbemalung zu beobachten. Die horizontalen und schwach wellenförmigen Farbstreifen in Schulterhöhe der Töpfe und Krüge wurden am frei rotierenden Gefäß vor der Henkelgarnierung angebracht, analog verfuhr man beim Anbringen der Tupfenreihen. Als Engobe wurde ein durch Eisen-III-oxidzusatz gefärbter Ton vom gleichen Charakter der Gefäßmasse mit einem Pinsel aufgetragen29). Gebrannt wurden die Gefäße in Öfen, in denen Temperaturen von mindestens 900 °C erreicht werden konnten und in denen Einrichtungen für eine oxydierende Brandführung vorhanden gewesen sind. Es müssen Brennöfen vom sog. „Kassler Typ" gewesen sein, d. h. liegende Öfen, 281

in denen Feuerraum und Brennraum sich nebeneinander befanden, oft nur durch einen „Ständer" 3 0 ) oder eine geringe S t u f e voneinander getrennt 3 1 ). Dem Kaolingehalt des Tones ist es zuzuschreiben u n d der oxydierenden Brandführung, daß die Keramik durchschnittlich hellen Farbton erlangte, sie ist hellbraungrau, hellgrau bis fast weiß. Diese Oberflächenfärbung war aber erwünscht und erforderlich, u m die in erster Linie als Verzierungselement gedachte rotbraune Bemalung gut hervortreten zu lassen.

Abb. 8. Verbreitung der Keramik vom „ T y p Levin" im Süden der D D R und im Norden der CSSR (letztere nach N E K U D A - R E I C H E R T O V A , 1968) und zwei grenznahe Ergänzungen aus der VR Polen. a = F u n d e aus der D D R und der VR Polen, b Funde aus der CSSR, c = Werkstätten in Levin. Die F u n d e aus der D D R : 1 Thierbach (Zinnberg) 12 Ottendorf (Arnstein) 2 Karl-Marx-Stadt (Rabenstein) 13 Bad Schandau-Ostrau (Hint. Raubschi. 14 Bautzen 3 Karl-Marx-Stadt 15 Kirschau (Körse) 4 Ehrenfriedersdorf (Greifenstein) 16 B a r u t h (Wasserburg) 5 Olbernhau (Liebenstein) 17 Zittau 6 Zöblitz (Nidperg) 18 Oybin 7 Dresden 19 H a r t a u (Karlsfried) 8 Schwosdorf 20 Biedrzychowice Gorne (VR Polen) 9 Lohmen (Neurathen) 21 Turoszöw (VR Polen) 10 Waltersdorf (Lilienstein) 11 Bad Schandau-Ostrau (Frienstein)

282

In Form-, Verarbaitungs- und Verzierungstechnik gleicht die von den 21 angegebenen Fundpunkten vorhandene Keramik (Abb. 8) — bis auf wenige Ausnahmen, die noch besonders erklärt werden — vollkommen der nordböhmischen vom „Typ Levin" 32 ). Die Datierung unserer Funde ist einmal durch Zerstörungshorizonte verschiedener Burgen gegeben, zum anderen durch Münzdatierungen. Um bei letzterem zu beginnen: der kleine Krug von Schwosdorf, Kr. Kamenz (Abb. 2j), hatte 100 Prager Groschen Johann I. (1310—1346) zum Inhalt (W. HAUPT, 1956, 416). Das Gefäß darf ohne besondere Bedenken in die erste Hälfte des 14. Jh. datiert werden. Verfasser ist geneigt, anzunehmen, daß es mindestens an den Anfang des 14. J h . gehört 33 ), es hat starke Ähnlichkeit mit dem Gefäß aus Louny, das in das 13. J h . datiert werden soll (M. RICHTER u. Zd. SMETANKA, 1958, T. IX). Das reich verzierte Gefäß aus dem Stadtkern Dresden wurde in einem Fundverband angetroffen mit einein kleinen Steinzeugkrug, der durch Analogie münzdatiert ist mit der Zeitangabe „nach 1378" (H. W. MECHELK, 1 9 7 0 , 154).

Historisch belegte Burgzerstörungshorizonte der genannten Anlagen haben u. a. aufzuweisen: Kirschau, Kr. Bautzen, Burg „Körse", die Anlage wurde vom lausitzischen Sechsstädtebund 1352 geschleift 34 ); Karl-Marx-Stadt — Rabenstein, Burg Rabenstein wurde 1386 geplündert 35 ); Ehrenfriedersdorf, Kr. Zschopau, Burg Greifenstein ist zwischen 1372 und 1437 geschleift worden 36 ); Hartau, Kr. Zittau, Burg Karlsfried wurde 1357 als Zolleinnahmestelle erst gebaut, fiel 1424 einem Hussitenüberfall zum Opfer und ist nach kurzem Wiederaufbau, nach mehreren Fehden, durch den lausitzischen Sechsstädtebund 1441 — 1442 geschleift worden 37 ); Ottendorf, Kr. Sebnitz, Felsenburg Arnstein wurde vor 1456 zerstört 38 ); Lohmen, Kr. Sebnitz, Felsenburg Neurathen wurde zwischen 1467 und 1469 zerstört 39 ). Die Zerstörungshorizonte bieten mehrfach Zeitangaben, soweit die Geländebefunde mit den historischen Angaben identifizierbar sind, die „ante quem" anzusetzen sind. Die rotbemalte helle Irdenware vom „Typ Levin" im Süden der DDR erscheint also im Zeitraum Anfang 14. Jh. bis 2. Hälfte 15. Jh. Dieses Intervall stimmt mit dem der in Böhmen auftretenden Keramik gut überein. Wird letztlich auch die Verbreitung der behandelten 21 Fundpunkte in bezug zu den nordböhmischen gebracht, dann fällt auf, daß hier eine zweifelsfreie Ergänzung der Fundverbreitung der Keramik vom „Typ Levin" nach Norden vorliegt. Im Detail betrachtet, ist diese Keramik an typischen Stellen über die Gebirgskette nach Norden gelangt. In der Lausitz war es der „Pass von Lückendorf", an dessen nördlicher Trasse die Burg Karlsfried unmittelbar stand und zu der die Burg Oybin durch eine zweite unmittelbar parallel verlaufende Trasse engen Kontakt hatte. Im mittelsächsischen Bereich wurden die „Pässe" im Elbsandsteingebirge begangen, offensichtlich überwiegend der „Pass Großer ZschandKirnitzschtal", an dessen Flanken die „Felsenburgen" Arnstein, Vorderes und Hinteres Raubschloß lagen, und wahrscheinlich auch die Elbe selbst, an deren Ufern sich die bedeutenden, als Wachpunkte fungierenden, „Burgen" Lilienstein und Neurathen befanden (W. COBLENZ, 1971, 6f.) 40 ). Besonders aufschlußreich ist 283

die Kartierung der Funde im Erzgebirge und seinem unmittelbaren Vorland (Abb. 8). Hier wird mittelbar das Vorhandensein des historisch belegten „böhmischen Steiges" auch archäologisch indiziert (J. MÜLLER, 1961, 26 u n d Abb. 2). Die ehemaligen „ R a u b n e s t e r " oder „Burgen" — wie die Anlagen verschiedentlich genannt worden sind — Liebenstein, Nidperg und Rabenstein, vielleicht auch Zinnberg, befanden sich unmittelbar an den Flanken dieses Steiges. Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß die „Pässe" im Lausitzer Bergland und Elbsandsteingebirge bereits in vorgeschichtlichen Zeiten begangen wurden 41 ), der „böhmische Steig" aber erst im Mittelalter neu geschaffen worden ist (P. ROITZSCH, 1960, 10ff.), und zwar im Zuge der systematischen Kolonisierung des Gebirgsvorlandes im Zusammenhang mit dem Beginn des Bergbaues.

IV. Das Ergebnis Technische Analyseergebnisse, Datierungen und Kartierung haben gezeigt, daß die rotbraun bemalte Irdenware im äußersten Süden der D D R im wesentlichen Keramik vom „ T y p Levin" ist und f ü r unser Gebiet I m p o r t darstellt. D a m i t erhebt sich natürlich sofort die Frage, ob die Keramik selbst das begehrte Handelsprodukt war oder ein ebenso begehrter Inhalt, f ü r den die rotbemalten Töpfe und Krüge „ n u r " als Verpackung dienten, wobei die typische und wahrscheinlich auch schon damals unverwechselbare Bemalung zugleich f ü r die Echtheit des Inhaltes verbürgte? 4 2 ) Die Bruchstücke von allen bisherigen Fundplätzen gehörten zu Töpfen, Schüsseln oder Krügen, also Gefäßen, die f ü r den Umgang und Transport von Flüssigkeiten gedacht und geeignet waren. Ausnahmen bilden lediglich die kleine Vogelpfeife aus Zittau (Abb. 4c) 43 ), die Scherbe einer Schüssel mit durchlochtem Boden von Oybin (Abb. 2i) und der Teil eines Aquamanile von der Burg Greifenstein 44 ). Zunächst ist in Erwägung zu ziehen, daß die Keramik vom „ T y p Levin" selbst als begehrtes Handelsprodukt in Frage kommt, denn die technischen Analysen haben gezeigt, daß es sich um seinerzeit — vor allem 13. und 14. J h . — hervorragende Keramik gehandelt haben muß. Sie h a t t e wesentlich höheren Gebrauchswert im Vergleich zu der sonst in gleichen Landschaften üblichen Keramik 4 5 ). Zu diesen effektiv höheren Gebrauchseigenschaften kommt, daß durch die Fähigkeiten der Hersteller, einen hellen Ton zu brennen, Möglichkeiten einer wirksamen Verzierung durch farbige Bemalung gegeben waren. Dadurch erhielt die Keramik zusätzlichen „Schauwert", f ü r die Käufer Möglichkeiten, zu repräsentieren. Werden die Fundstellen auf ihren funktionellen Charakter hin betrachtet, so fällt auf, daß die Leviner Keramik bis auf die Ausnahme Schwosdorf innerhalb von Burgen oder burgähnlichen Wohnplätzen 4 6 ) im Grenzbereich oder an „ P ä s s e n " im Sinne von Handelswegen gefunden wurden und in mittelalterlichen Stadtkernen an Zentren intensiven Handels. Dieser T a t b e s t a n d hilft einmal das Ergebnis 284

stützen, daß es sich bei Keramik um Handelsgut, in unserem Falle um Importgut handelt. Zum anderen ist daran zu denken, daß es Handelsgut für privilegierte Empfänger aus der vielschichtigen Bevölkerung sein könnte, für Bewohner in Burgen und Städten, weil entsprechende Funde in ländlichen Ansiedlungen — bisher jedenfalls — fehlen. Und der Münzfund von Schwosdorf ist nicht zuletzt als niedergelegtes Beutegut von einem Raubüberfall auf einen Handelszug aus dem Süden zu deuten (100 Prager Groschen in einem nordböhmischen Gefäß!). Weiterhin fällt auf, daß sich auf solchen Fundplätzen, die als „Zollstellen" überliefert sind, wie die Burg Karlsfried und der territorial ähnlich gelagerte Arnstein, die rotbemalte Keramik in beträchtlichen Mengen häuft, dagegen in den nördlicheren Fundgebieten die Menge schnell stark ausdünnt. Für vorgeschichtliche Zeiten würde eine gleiche Summe von Fakten zum gleichen Problem vollkommen genügen, bei solcher Keramik von Importware zu sprechen. Die Mittelalterforschung hat jedoch weitere Quellengattungen zur Verfügung, die Antwort geben können auf das „Warum" des erfaßten speziellen Keramikhandels. Diese Quellen liegen aber außerhalb des Deutungsbereiches eines Archäologen; er muß die weitere Bearbeitung dieser Probleme den verschiedenen Disziplinen der Geschichtswissenschaft übergeben. Der Archäologe kann in diesem Falle gezielte Fragestellungen formulieren und damit eine gezielte historische Weiterforschung veranlassen; der Aquamanilefund vom Greifenstein z. B. läßt daran denken, daß die rot bemalte Keramik für speziellen kultischen oder sakralen Gebrauch Verwendung fand 47 ), die Krüge z. B. für rituelle Handwaschungen. Das massierte Auftreten dieser Keramik in Usti, Teplice, Most u. a. in Nordböhmen läßt daran denken, daß in dieser Keramik spezielles Wasser aus den schon damals bekannten Heilquellen von Teplice und Krupka oder der Sprudelquelle von Bilina transportiert und verhandelt wurde48). Solche Fragen allein aus dem archäologischen Befund heraus schlüssig beantworten zu wollen, würde dazu führen, die Beweisfähigkeit entschieden zu überschätzen. Hier müßte eine zielgerichtete archivalisch orientierte Mittelalterforschung einsetzen. Im Bereich der Möglichkeiten der Ausdeutung des archäologischen Quellenmaterials liegt dagegen die Beantwortung einer anderen Frage: inwieweit hat das Erscheinen der Keramik vom „Typ Levin" die einheimischen Töpfer nördlich der Gebirgszüge veranlaßt, die eigenen Produkte im Gebrauchswert oder im Schauwert zu verbessern, dem Import — aus welchen Gründen auch immer — anzugleichen? Die Krüge aus dem Stadtkern Zittau (Abb. 3a und 4d) 49 ) fallen in Materialbeschaffenheit, Bemalungsart und in Formdetails aus dem Rahmen der Normen der Krüge vom „Typ Levin". Das Material ist durchweg dunkler, härter gebrannt, wenn man konsequent sein soll, keine Irdenware mehr, sondern Steinzeug, denn der Scherben ist bei den genannten Gefäßen weitestgehend gesintert und die Oberflächen haben eine fleckige und unregelmäßige Salzglasur, wie sie allein bereits durch Anflug von Feuerungsasche bei Temperaturen über 1100°C im Brennofen zustande kommen kann. Die Bemalung ist nicht mehr rotbraun, wie auf der hellen Irdenware, sondern sehr dunkel, fast schwarzbraun und ver285

schwindet teilweise unter der Salzglasur. Auch die Bemalungsmotive, Tannenzweige im Wechsel mit breiten Farbflecken, sind sonst an keinem Stück echter Leviner Ware anzutreffen. Die Halsprofilierung u n d der gesamte Gefäßduktus wirkt bei den Steinzeugkrügen aus Zittau plumper als bei den echten Irdenwarekrügen aus Levin. Hier liegen m. E . Nachahmungen — keine Fälschungen — Zittauer Töpfermeister vor. D a f ü r spricht, daß vor den Toren der Stadt Zittau tertiäre Tone in den Randgebieten des Braunkohlenvorkommens anstanden, die es gestatteten, Steinzeug zu brennen, bei Levin ist das nicht der Fall. Ebenfalls das sehr umfangreiche Fundmaterial aus Bautzen, aus einem „Brunn e n " in einem Hof auf der Töpfergasse geborgen 50 ), ist keine echte Leviner Keramik, sondern Abfall einschließlich Fehlbrandstücke und sog. Matritzenteile aus einer lokalen Töpferei. Die rote Bemalung auf Töpfen und Krügen beschränkt sich hier auch nur auf einfache Schulterzier in Form von horizontal umlaufenden Farbbändern oder einfachen flachen Wellenlinien — mit einem Pinsel aufgetragen. I n dieser Art ist die oft auch bei der Leviner Keramik nur einfache Verzierung sehr täuschend nachgearbeitet. Aber die Materialbeschaffenheit der Bautzener Gefäße und Reste ist anders. E s handelt sich um einen feiner gemagerten Ton hoher Plastizität, der stets hellbraun oder hellziegelfarben brannte, also auch im Farbcharakter anders als bei der echten Leviner Ware. An diesen zwei Beispielen sollte gezeigt werden, daß Importware an Keramik positive Beeinflussungen auf die Entwicklung der „autochthonen" Produktionen auszuüben vermag; darüber hinaus k a n n auch hier demonstriert werden, daß neben formalen Vergleichen technologische Untersuchungsmethoden geeignet sind, echte Importkeramik von Nachahmungen zu unterscheiden 5 1 ).

V E R W E N D E T E ABKÜRZUNGEN APD. A. u. F. H. erh. Mdm. gr. Dm. Bdm. S.: LM. Dresden Zug.Kat. OA.

Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Bodendenkmalpflege Ausgrabungen und Funde Höhe, erhaltene ... Mündungsdurchmesser größter Durchmesser Bodendurchmesser Gesamtkatalog des LM. Dresden (Sachsenkatalog) Landesmuseum Dresden Zugangs-Katalog Orts-Akten

ANMERKUNGEN

2

Verfasser ist Fragen nach mittelalterlichem Keramikhandel bereits an anderen Stellen nachgegangen (H. W. MECHELK, 1967; 1968, 4 7 5 - 5 0 6 ; 1970, 151ff.). ) Eine Studienreise in den böhmischen Teil der CSSR ließ die Erkenntnis reifen, daß in der sächsisch-böhmischen Kontaktzone des Hochmittelalters die rot bemalte böhmische Irdenware als „archäologischer Indikator" für Kontakte gut geeignet scheint.

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schwindet teilweise unter der Salzglasur. Auch die Bemalungsmotive, Tannenzweige im Wechsel mit breiten Farbflecken, sind sonst an keinem Stück echter Leviner Ware anzutreffen. Die Halsprofilierung u n d der gesamte Gefäßduktus wirkt bei den Steinzeugkrügen aus Zittau plumper als bei den echten Irdenwarekrügen aus Levin. Hier liegen m. E . Nachahmungen — keine Fälschungen — Zittauer Töpfermeister vor. D a f ü r spricht, daß vor den Toren der Stadt Zittau tertiäre Tone in den Randgebieten des Braunkohlenvorkommens anstanden, die es gestatteten, Steinzeug zu brennen, bei Levin ist das nicht der Fall. Ebenfalls das sehr umfangreiche Fundmaterial aus Bautzen, aus einem „Brunn e n " in einem Hof auf der Töpfergasse geborgen 50 ), ist keine echte Leviner Keramik, sondern Abfall einschließlich Fehlbrandstücke und sog. Matritzenteile aus einer lokalen Töpferei. Die rote Bemalung auf Töpfen und Krügen beschränkt sich hier auch nur auf einfache Schulterzier in Form von horizontal umlaufenden Farbbändern oder einfachen flachen Wellenlinien — mit einem Pinsel aufgetragen. I n dieser Art ist die oft auch bei der Leviner Keramik nur einfache Verzierung sehr täuschend nachgearbeitet. Aber die Materialbeschaffenheit der Bautzener Gefäße und Reste ist anders. E s handelt sich um einen feiner gemagerten Ton hoher Plastizität, der stets hellbraun oder hellziegelfarben brannte, also auch im Farbcharakter anders als bei der echten Leviner Ware. An diesen zwei Beispielen sollte gezeigt werden, daß Importware an Keramik positive Beeinflussungen auf die Entwicklung der „autochthonen" Produktionen auszuüben vermag; darüber hinaus k a n n auch hier demonstriert werden, daß neben formalen Vergleichen technologische Untersuchungsmethoden geeignet sind, echte Importkeramik von Nachahmungen zu unterscheiden 5 1 ).

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Verfasser ist Fragen nach mittelalterlichem Keramikhandel bereits an anderen Stellen nachgegangen (H. W. MECHELK, 1967; 1968, 4 7 5 - 5 0 6 ; 1970, 151ff.). ) Eine Studienreise in den böhmischen Teil der CSSR ließ die Erkenntnis reifen, daß in der sächsisch-böhmischen Kontaktzone des Hochmittelalters die rot bemalte böhmische Irdenware als „archäologischer Indikator" für Kontakte gut geeignet scheint.

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schwindet teilweise unter der Salzglasur. Auch die Bemalungsmotive, Tannenzweige im Wechsel mit breiten Farbflecken, sind sonst an keinem Stück echter Leviner Ware anzutreffen. Die Halsprofilierung u n d der gesamte Gefäßduktus wirkt bei den Steinzeugkrügen aus Zittau plumper als bei den echten Irdenwarekrügen aus Levin. Hier liegen m. E . Nachahmungen — keine Fälschungen — Zittauer Töpfermeister vor. D a f ü r spricht, daß vor den Toren der Stadt Zittau tertiäre Tone in den Randgebieten des Braunkohlenvorkommens anstanden, die es gestatteten, Steinzeug zu brennen, bei Levin ist das nicht der Fall. Ebenfalls das sehr umfangreiche Fundmaterial aus Bautzen, aus einem „Brunn e n " in einem Hof auf der Töpfergasse geborgen 50 ), ist keine echte Leviner Keramik, sondern Abfall einschließlich Fehlbrandstücke und sog. Matritzenteile aus einer lokalen Töpferei. Die rote Bemalung auf Töpfen und Krügen beschränkt sich hier auch nur auf einfache Schulterzier in Form von horizontal umlaufenden Farbbändern oder einfachen flachen Wellenlinien — mit einem Pinsel aufgetragen. I n dieser Art ist die oft auch bei der Leviner Keramik nur einfache Verzierung sehr täuschend nachgearbeitet. Aber die Materialbeschaffenheit der Bautzener Gefäße und Reste ist anders. E s handelt sich um einen feiner gemagerten Ton hoher Plastizität, der stets hellbraun oder hellziegelfarben brannte, also auch im Farbcharakter anders als bei der echten Leviner Ware. An diesen zwei Beispielen sollte gezeigt werden, daß Importware an Keramik positive Beeinflussungen auf die Entwicklung der „autochthonen" Produktionen auszuüben vermag; darüber hinaus k a n n auch hier demonstriert werden, daß neben formalen Vergleichen technologische Untersuchungsmethoden geeignet sind, echte Importkeramik von Nachahmungen zu unterscheiden 5 1 ).

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Verfasser ist Fragen nach mittelalterlichem Keramikhandel bereits an anderen Stellen nachgegangen (H. W. MECHELK, 1967; 1968, 4 7 5 - 5 0 6 ; 1970, 151ff.). ) Eine Studienreise in den böhmischen Teil der CSSR ließ die Erkenntnis reifen, daß in der sächsisch-böhmischen Kontaktzone des Hochmittelalters die rot bemalte böhmische Irdenware als „archäologischer Indikator" für Kontakte gut geeignet scheint.

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) I n Mähren wurde diese Art Keramik aijch hergestellt, die W e r k s t ä t t e n von Lostice kommen f ü r unsere Betrachtungen jedoch nicht in Frage ( V . N E K U D A U. K V . R E I C H E R TOVA, 1 9 6 8 , 1 4 8 ) .

4

) Die F u n d p u n k t e auf der K a r t e (Abb. 8) wurden von V . N E K U D A u. K V . R E I C H E R T O V A (1968, 148) übernommen, soweit der Kartenausschnitt reichte. 5 ) Als Ergänzung des Fundbildes sind auch zwei Fundstellen aus der VR Polen — dicht an der Neißegrenze liegend — kartiert worden (Punkte 20 und 21). 6 ) Magazin LM. Dresden, Zug.Kat. 316/35. 7 ) Magazin LM. Dresden, Zug.Kat. 1940/20. 8 ) Vgl. Anm. 5, Magazin LM. Dresden, Zug.Kat. 35/38 und 99/38. 9 ) Vgl. Anm. 5, Magazin LM. Dresden, Zug.Kat. 101/38. 10 ) Stadtgeschichtliches Museum Zittau, S.: 809/72 bis 813/72 und S.: 845/72. n ) Kreismuseum Kamenz, S.: 363/34. 12 j Magazin Stadtkernforschung LM. Dresden, S.: 382/64. 13 ) Dieser Krug wurde auf dem „Töpferberg" gefunden. " ) Vgl. auch H . W. MECHELK, 1970, 85, 152ff. 15 ) Grabung 1964, Magazin LM. Dresden. 16 ) Magazin „ B u r g m u s e u m " Kirschau, Kr. Bautzen. 17 ) Einzelne Altfunde und der Brunnenfund Töpferstraße befinden sich im Stadtgeschichtlichen Museum Bautzen. 18 ) Magazin LM. Dresden, Zug.Kat. 1965/19, 1967/43, 1968/125, 1972/114. 19 ) Magazin LM. Dresden, ohne Zug.Kat. 20 ) Magazin LM. Dresden, Zug.Kat. 1972/111. 21 ) Grabung 1933/34, Magazin Museum Pirna und LM. Dresden, Zug.Kat. 1963/82. 22 ) Grabungen 1955/56, Magazin Schloßbergmuseum Karl-Marx-Stadt. 23 ) Grabungen 1957/60, Magazin Burg Rabenstein. 24 ) Magazin LM. Dresden, Zug.Kat. 1963/108, 1970/31. 25 ) Magazin LM. Dresden, Zug.Kat. 1970/251. 26 ) Grabungen 1970/72, Magazin Greifensteinmuseum und LM. Dresden, Zug.Kat. 1970/38. 27 ) Magazin LM. Dresden, Zug.Kat. 1539/37 und 15/38. 2S ) Auf die Ausnahmen von Bautzen, Töpferstraße, Zittau und die Scherbe vom Oybin wird gesondert eingegangen, vgl. S. 285. 29 ) Brennversuche haben gezeigt, daß als Farbkörper Manganoxid (Mn0 2 ), Lehm oder rotbrennender Ton ausscheiden und n u r F e 2 0 3 diesen typischen rostroten oder r o t b r a u n e n F a r b t o n ergeben. Belegstücke LM. Dresden. 30 ) Ein „ S t ä n d e r " töpfertechnisch ist eine halbhohe Mauer im Brennofen mit auf Lücke gesetzten Ziegelsteinen, durch deren Lücken das Feuer durchstreichen kann. Der Ständer bewirkt ein gleichmäßiges Verteilen des Feuers auf die gesamte Ofenbreite und schützt zugleich vor zu starker direkter Flammeneinwirkung. 31 ) Vgl. Rekonstruktion bei V. N E K U D A U. K V . R E I C H E R T O V A ( 1 9 6 8 , 4 6 ) ; diese Ofenrekonstruktion gleicht etwa der des „Kassler Ofentyps", lediglich ein kleines, aber f ü r das Erreichen hoher Gipfeltemperaturen wichtiges Detail ist anders: der Schornsteinansatz h a t sich bei den „Kassler Öfen" nicht im Gewölbegipfel über dem F e u e r r a u m befunden, sondern a m entgegengesetzten Ende, am unteren Teil des Brennraumgewölbes. 32 ) Davon konnte sich Verfasser während der Studienreise 1968 in den Museen in Slany, Most, Teplice, Usti und Litomerice überzeugen. I n Teplice befindet sich zudem sehr instruktives Material aus K r u p k a , auf der K a r t e bei V. N E K U D A u. K v . R E I C H E R T O V A (1968, 148) noch nicht vermerkt. K r u p k a liegt ca. 6 k m nordöstlich von Teplice. 33 ) Als Münzaufbewahrungsmöglichkeiten wurden einer alten Gepflogenheit folgend selten „neue" Gefäße benutzt. 34

) Z u l e t z t b e i W . SCHLESINGER ( 1 9 6 5 ,

35

) Z u l e t z t bei J . MÜLLER (1961).

36

) OA.

LM. Dresden, auch bei J .

163).

SEYFFARTH

(1971).

287

37

) Zuletzt Werte unserer Heimat, Band 16 (1971, 13 und 224). ) OA. LM. Dresden, auch Werte der deutschen Heimat, Band 2 (1965, 135ff.). 39 ) OA. LM. Dresden. 3S

4

°) W e i t e r h i n W . COBLENZ ( 1 9 6 3 , 1 9 6 6 ,

1967).

41

) ) 43 ) 44 )

Zuletzt mehrere Beiträge dazu in A F D 1 6 - 1 7 (1967). Vgl. Anm. 1. Eine Vogelpfeife funktioniert freilich auch nur mit Flüssigkeit. Ausstellung Schloßbergmuseum Karl-Marx-Stadt unter dem Thema „Zur Archäologischen Frühgeschichte unserer H e i m a t " vom 6. 10. 1973 bis 27. 1. 1974. J . S E Y F F A R T H (1971, 151). 45 ) Das gilt sowohl f ü r Nordböhmen in der CSSR als auch f ü r die nördlich angrenzenden besiedelten Gebiete der D D R . 46 ) Es ist hier nicht die geeignete Stelle — und es würde entschieden zu weit vom Thema abführen — der detaillierten Definition „ B u r g " und dem Befund nachzugehen, f ü r welchen der Fundplätze diese Bezeichnung im vollen Umfang zuträfe. 47 ) Auf die ursprüngliche spezielle Verwendung der Aquamanile im Sakralritus weist

42

J . KASTEN (1974)

hin.

48

) Der Billiner Brunnenhandel z. B. wurde in der frühen Neuzeit bis in das 19. J h . mit den weithin bekannten zylindrischen Steinzeugflaschen betrieben und fortgesetzt. 49 ) Dazu k o m m t noch ein weiterer Krug, ähnlich dem S.: 813/72, Einzelfund aus dem Stadtbereich Zittau (Stadtgeschichtliches Museum Zittau). 50 ) Vgl. Anm. 17. 51 ) Prinzipielle Erörterungen zu diesem Problem gab Verfasser (1974).

LITERATURVERZEICHNIS BAUMANN, W., 1959: Die Grabung auf Burg Rabenstein in Karl-Marx-Stadt. A. u. F. 4, 155-158. COBLENZ, W., 1960: Die Sächsische Schweiz in der Ur- und Frühgeschichte. Werte der deutschen H e i m a t 3, Berlin, 152 — 157. COBLENZ, W., 1963: R u d a m y i Gory Luzyckie (Die Übergänge vom Erzgebirge bis zum Lausitzer Bergland in ur- und frühgeschichtlicher Zeit). Acta Archaeologica Carpathica V, 1 7 7 - 1 8 2 . COBLENZ, W., 1964: Zur Stellung der Oberlausitz im Paßland Sachsen. J a h r b u c h des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz 11, 115 — 125. COBLENZ, W., 1966: Das Fortschreiten der Besiedlung und des Baues befestigter Plätze (Siedlungen und Burgen) nördlich des Gebirgsriegels zwischen Neisse und Elbe (bis 1350). Acta Archaeologica Carpathica V I I I , 331 — 347. COBLENZ, W., 1967: Zur frühesten Besiedlung des Liliensteins in der Sächsischen Schweiz. A. u. F . 12, 8 3 - 8 6 . COBLENZ, W., 1971: Befestigte slawische Siedlungen und erste deutsche Burgen. Zur Burgenentwicklung im 9. —11. J h . an der sächsischen oberen Elbe. Burgen- und Siedlungsarchäologie des Mittelalters, Wien, 6 ff. COBLENZ, W., 1972: Vier Befestigungen der Lausitzer Kultur am Sächsisch-böhmischen Grenzgebirge. Casopis Moravskeho Musea LVII, 51 — 61. HAUPT, W., 1956: Oberlausitzer Münzfunde des 14. und 15. J a h r h u n d e r t s . A F D 5, 395 bis 426. KASTEN, J . , 1974: Tönerne figürliche Gießgefäße des Mittelalters in Mitteleuropa. A F D 20/21 (im Druck). KNEBEL, J., 1964: Srjedzowekowski wödny hröd w Barce w swetle nowych sledzenjow (Die mittelalterliche Wasserburg in B a r u t h im Lichte neuer Forschungen). Predzenak 64, 1 0 - 1 1 (Kulturbeilage).

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) Zuletzt Werte unserer Heimat, Band 16 (1971, 13 und 224). ) OA. LM. Dresden, auch Werte der deutschen Heimat, Band 2 (1965, 135ff.). 39 ) OA. LM. Dresden. 3S

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°) W e i t e r h i n W . COBLENZ ( 1 9 6 3 , 1 9 6 6 ,

1967).

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) ) 43 ) 44 )

Zuletzt mehrere Beiträge dazu in A F D 1 6 - 1 7 (1967). Vgl. Anm. 1. Eine Vogelpfeife funktioniert freilich auch nur mit Flüssigkeit. Ausstellung Schloßbergmuseum Karl-Marx-Stadt unter dem Thema „Zur Archäologischen Frühgeschichte unserer H e i m a t " vom 6. 10. 1973 bis 27. 1. 1974. J . S E Y F F A R T H (1971, 151). 45 ) Das gilt sowohl f ü r Nordböhmen in der CSSR als auch f ü r die nördlich angrenzenden besiedelten Gebiete der D D R . 46 ) Es ist hier nicht die geeignete Stelle — und es würde entschieden zu weit vom Thema abführen — der detaillierten Definition „ B u r g " und dem Befund nachzugehen, f ü r welchen der Fundplätze diese Bezeichnung im vollen Umfang zuträfe. 47 ) Auf die ursprüngliche spezielle Verwendung der Aquamanile im Sakralritus weist

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J . KASTEN (1974)

hin.

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) Der Billiner Brunnenhandel z. B. wurde in der frühen Neuzeit bis in das 19. J h . mit den weithin bekannten zylindrischen Steinzeugflaschen betrieben und fortgesetzt. 49 ) Dazu k o m m t noch ein weiterer Krug, ähnlich dem S.: 813/72, Einzelfund aus dem Stadtbereich Zittau (Stadtgeschichtliches Museum Zittau). 50 ) Vgl. Anm. 17. 51 ) Prinzipielle Erörterungen zu diesem Problem gab Verfasser (1974).

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Zeichnungen: J . KRAUSE, Landesmuseum f ü r Vorgeschichte Dresden, und Verfasser Fotos: M. MÖLLER, Landesmuseum f ü r Vorgeschichte Dresden VERFASSER: Dipl. phil. H A R A L D W. M E C H E L K , Landesmuseum f ü r Vorgeschichte, 806 Dresden, Japanisches Palais

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