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German Pages 440 Year 1996
Marketing als Schnittstellenwissenschaft und Transfertechnologie
Festschrift zum 60. Geburtstag von Hans Hörschgen
Betriebswirtschaftliche Schriften Heft 142
Marketing als Schnittstellenwissenschaft und Transfertechnologie Festschrift zum 60. Geburtstag von Hans Hörschgen
llerausgegeben von Michael Frohöse und Andreas Kaapke
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Marketing als Schnittstellenwissenschaft und Transfertechnologie : Festschrift zum 60. Geburtstag von Hans
Hörschgen I herausgegeben von Michael Frohöse und Andreas Kaapke Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Betriebswirtschaftliche Schriften ; H. 142) ISBN 3-428-08842-5 NE: Froböse, Michael [Hrsg.]; Hörschgen, Hans: Festschrift; GT
Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: W emer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0523-1035 ISBN 3-428-08842-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 (§
Vorwort Das vorliegende Sammelwerk ist Prof. Dr. Hans Hörschgen zu seinem 60. Geburtstag gewidmet. Aktuelle und ehemalige Mitarbeiter des Lehrstuhls für Absatzwirtschaft der Universität Hohenheim, den Hans Hörschgen mittlerweile seit über 20 Jahren innehat, haben sich zusammengefunden, um mit ihren Beiträgen ihre fachliche und persönliche Verbundenheit mit dem Jubilar zu dokumentieren. Das Rahmenthema ,,Marketing als Schnittstellenwissenschaft und Transfertechnologie" korrespondiert mit der enormen fachlichen Breite, die die wissenschaftliche Arbeit von Hans Hörschgen auszeichnet. Von seinen Ratschlägen und Denkanstößen gingen wertvolle Impulse für viele der in diesem Buch behandelten Beitragsthemen aus. Die Integration nicht-wirtschaftlicher Wissenschaftsdisziplinen in die Marketing-Theorie und -Forschung ist damit ebenso angesprochen wie die unterschiedlichsten Anwendungsfelder der Marketing-Technologie. Als Herausgeber danken wir den Verfassern der einzelnen Beiträge sehr herzlich für ihr Engagement beim Zustandekommen der Festschrift. Bei der Bewältigung redaktioneller Aufgaben hat uns Daniela Büchel tatkräftig unterstützt; zu Dank verpflichtet sind wir auch dem Verlag Duncker & Humblot für die reibungslose Abwicklung des Buchprojekts. Vor allem aber danken wir Hans Hörschgen für die anhaltend konstruktive Zusammenarbeit und wünschen ihm- auch im Namen der anderen Autoren und des Verlagsfür die Zukunft alles Gute.
Stuttgart-Hohenheim und Köln, im Juli 1996
Michael Fraböse Andreas Kaapke
Inhaltsverzeichnis
Erster Teil
Einleitung Michael Froböse und Andreas Kaapke Das interdisziplinäre Selbstverständnis der Marketing-Wissenschaft . ..........:.. 13
Zweiter Teil
Die Bedeutung des Marketing in Theorie und Praxis Andreas Kaapke und Jürgen Kirsch Entwicklung, Stellenwert und Perspektiven eines zeitgemäßen Marketing aus Sicht der Wissenschaft ...... ..... ............. ...... ......... ........... ... ....... ... ... ... ...... 27 Hellmut Kachel Der Stellenwert des Marketing in der betrieblichen Praxis ............ ... ... ......... 51
Dritter Teil
Die Nutzung von Erkenntnissen aus Nachbardisziplinen in der Marketing-Wissenschaft RalfSteinbach Die Schnittstelle zwischen Marketing und Management - Ansatzpunkte für eine Verknüpfung von Marketing und Management .............. ................. 67
Inhaltsverzeichnis
8
Thomas Thudium Volkswirtschaftslehre und Marketing - Spieltheoretische Überlegungen zur Strategienformulierung ... .... .... ........... ........ ....... .. ... ..... ... ................ ........ 89
Brigitte Gaiser Konsumentenforschung und Marketing - Die Konsumentenforschung als Schnittstellenwissenschaft im Brennpunkt aktueller Marketing-Probleme .. 119
Andrea Hellwig-Beck Marketing als Schnittstelle zwischen Ökologie und Ökonomie - Die Berücksichtigung von Naturprinzipien im Rahmen eines ökologieorientierten Marketing .......................... .. .................................. ...... ...... .... 147
Ulrich A. Lotz Der Transfer militärtheoretischer Befunde auf das Marketing ...... ........ ...... 169
Vierter Teil
Die Nutzung marketing-wissenschaftlicher Erkenntnisse in Nachbardisziplinen Angelika Hilger Die Rolle des Marketing im Kontext soziologischer Fragestellungen ....... .. 187
Günter Käßer-Pawelka Das Strategische Marketing als Reaktionsmöglichkeit auf die ökologische Herausforderung ... ... ... .... .... .. ..... .. .... .... ... ... .. .............. ..... .... ...... .. .... 217
Andreas Kaapke Der Beitrag des Strategischen Marketing zur Verbesserung der Wirtschaftspolitik von Staaten ...... .. ... ..... ... ..... ...... .... .... .... ... .. ...... ... ...... ... .. 245
Bernd Müllerschön Marketing und Kunst- Ein Aper91 .. ..... .. ..... ... ............. ... .... .... ..... ....... ... ... 277
Inhaltsverzeichnis
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Fünfter Teil
Aktuelle Entwicklungen der interdisziplinär orientierten Marketing-Wissenschaft
Michael Kerper Computerintegriertes Informationsmanagement in der Marktforschung .... 295
Erich Klaus Der Beitrag des Strategischen Marketing fiir das Management von Pharma-Unternehmen ......... ....... ...................... .................................... ..... 311
Jürgen Grenz Marketing und Internet - eine Skizze der heutigen Einsatzmöglichkeiten im Bereich der Informationsbeschaffung ........... ......... .... ............................ 327
Karlheinz Hofmann Outsourcing der Distributionslogistik- kostenwirtschaftliche und marketing-bezogene Aspekte der Auslagerung physischer Distributionsaufgaben an externe Dienstleister ....................... ... ................... ... .. .. ... ... ..... 339
Sechster Teil
Die Einbindung von theoretisch-didaktischen Erkenntnissen und Anforderungen der beruflichen Praxis in die Marketing-Ausbildung
Marion Friese und RalfCierpka Erfolg in Studium und Beruf- Befunde einer empirischen Untersuchung und deren Konsequenzen fiir die Universitätsausbildung .... ... .......... 353
Michael Froböse, RalfSteinbach und A ngelika Hilger Die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen als Teil der betriebswirtschaftlichen Ausbildung ..... ............. ....... .............. .. .. ... ..... .... ... ... .... .... . 375
Brigitte Gaiser, Andreas Kaapke und Jürgen Kirsch Die Eignung unterschiedlicher Ausbildungsstätten fiir die Vermittlung von Marketing-Lehrinhalten - dargestellt am Beispiel der Universität Hohenheim, der Fachhochschule Pforzheim und der Berufsakademie Stuttgart .... 395
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Inhaltsverzeichnis
Michael Frohöse
Das ganzheitliche Konzept der Marketing-Ausbildung an der Universität Hohenheim
oooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo oooooooooooooooooooooooooo
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Zu Leben und Werk von Prof. Dr. Hans Hörschgen .............................. 429 o
Die Autoren
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Erster Teil Einleitung
Das interdisziplinäre Selbstverständnis der Marketing-Wissenschaft Von Michael Frohöse und Andreas Kaapke
A. Einleitende Überlegungen Verfolgt man die Entwicklung des Marketing seit seinen Anfängen im frühen 20. Jahrhundert, fällt auf, daß sowohl die Bandbreite der Erkenntnisobjekte in der Wissenschaft als auch das Anwendungsspektrum des Marketing in der Praxis einem ständigen Wachstum unterlag, das bis heute anhält. Dieser Wandel dokumentiert sich auch in veränderten Begriffsauffassungen. Beschränkte sich das Marketing-Selbstverständnis zunächst auf die Erfüllung der Absatzfunktion in erwerbswirtschaftlichen Organisationen, so herrscht heute eine umfassende bzw. ,,generische" Sichtweise vor, die Marketing als ein generell anwendbares Konzept zur Analyse und Gestaltung zwischenmenschlicher und gesellschaftlicher Austauschprozesse begreift (vgl. Nieschlag/ Dichtl/Hörschgen 1994, S. 25; Meffert 1995, Sp. 1472). Eine Folge dieser weiten Sicht stellte einerseits zweifelsohne der Umstand
dar, daß die Marketing-Wissenschaft nicht mehr ausschließlich mit originär
betriebs- und absatzwirtschaftlichen Erkenntnissen auskam, sondern sich zusehends anderen Wissenschaftsbereichen näherte, um aus diesen für das eigene Arbeiten relevante Inhalte und Methoden aufzugreifen und zu adaptieren. Andererseits verläßt das Marketing im Rahmen seiner weiten Interpretation immer häufiger das ausschließlich ökonomische Einsatzfeld und versteht sich als universell anwendbare Problemlösungsheuristik, gleichsam als eine Art Transfertechnologie, die zur Entscheidungsunterstützung in den verschiedensten funktionalen als auch institutionellen Anwendungsgebieten beitragen soll. Typisch für die erstgenannten Einsatzfelder sind z.B. das Personal- und Finanzmarketing; als Beispiele für die institutionellen Anwendungsgebiete seien Kirchen, Parteien und Museen genannt. Darüber hinaus bedienen sich in zunehmendem Maße auch andere Wissenschaften - im Sinne eines interdisziplinären Know-how-Transfers - der Grundprinzipien und Handlungsmuster des Marketing. Ein besonders augenfälliges Beispiel hierfür stellt das Management dar, das sich im Zuge der Ausweitung des (früher dominierenden) unternehmensinternen Blickwinkels um die Umweltbeziehungen des Unter-
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Michael Frohöse Wld Andreas Kaapke
nehmens der Untersuchungsperspektive der Marketing-Wissenschaft immer weiter angenähert hat (s. hierzu auch den Beitrag von Steinbach). Diesem dualen Verständnis des Marketing- als Schnittstellenwissenschaft einerseits und als Transfertechnologie andererseits - folgt das vorliegende Buch. Bevor jedoch die Grundidee vorgestellt wird, gilt es mit Blick auf einige häufig am Marketing geäußerten Kritikpunkte dieses Selbstverständnis zu belegen. Für das vorliegende Werk besonders relevant sind dabei der Vorwurf, das Marketing sei " ( ... ) im Gegenstandsbereich höchst unvollständig" (Bauer 1995, S. 138) sowie das sog. Dilettantismus-Problem . Der Kritik an der Unvollständigkeit des Gegenstandsbereichs der Marketing-Wissenschaft kann entgegnet werden, daß dies ein Charakteristikum nahezu aller Wissenschaften darstellt. Bezogen auf betriebswirtschaftliche Teilgebiete erleiden bspw. das Management oder das Controlling die gleichen Schicksale. Gerade weil das Marketing nicht mehr ausschließlich auf originär betriebs- und absatzwirtschaftliche Erkenntnisse Rückgriff nehmen kann, also unvollständig ist bzw. - positiv ausgedrückt - eine "offene" Disziplin repräsentiert, bedarf es der Einbeziehung anderer Wissenschaften in den eigenen Gegenstandsbereich. Keineswegs von der Hand zu weisen ist dagegen das DilettantismusProblem, mit dem sich gerade die Marketing-Wissenschaft in besonderem Maße konfrontiert sieht. Die Integration von Theoriebestandteilen, Methoden und spezifischen Sichtweisen aus unterschiedlichen Wissenschaften ist zwar häufig geeignet, den Erkenntnisfortschritt voranzutreiben, mitunter sogar eine Veränderung festgefahrener Paradigmen zu bewirken. Auf der anderen Seite läuft der Marketing-Forscher dadurch Gefahr, aus der Sicht von Vertretern anderer Fachdisziplinen dilettantistische Ergebnisse hervorzubringen (vgl. hierzu z.B. Schanz 1977, S. 45 ff.). Dies gilt um so mehr, als von MarketingWissenschaftlern eine fundierte methodische Kompetenz erwartet wird, die zusätzliche Kenntnisse beispielsweise aus den Bereichen der empirischen Sozialforschung, der Statistik und der Wissenschaftstheorie erfordert. Ein Marketing-Fachmann begibt sich demnach in die schwierige Situation, als Spezialist nur einen kleinen Ausschnitt des Marketing-Wissens zu repräsentieren oder als Generalist Gefahr zu laufen, von vielem etwas "( ...) und von fast nichts viel zu verstehen" (Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 1994, S. 28). Um dem Dilettantismus-Problem entgegenzuwirken, scheint eine gewisse Selbstbeschränkung des Forschenden unabdingbar- insbesondere in Fällen, in denen es um komplexe fachfremde Fragestellungen geht. Als verbindendes Element bei der Integration unterschiedlicher Wissenschaftszweige sollten außerdem stets die Leitideen des Marketing-Ansatzes stehen.
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Das interdisziplinäre Selbstverständnis der Marketing-Wissenschaft
Trotz dieser Einschränkungen gilt es zu bedenken, daß sich MarketingProbleme in der Praxis nicht nach - von Wissenschaftlern gezogenen Fachgrenzen richten. Wer als Marketing-Forscher den Anspruch erhebt, einen Beitrag zur Lösung realer Marketing-Fragestellungen zu leisten, muß sich diesem Problem stellen, wenn er nicht riskieren will, daß sich Vertreter von Nachbarwissenschaften (z.B. Soziologen) dem "Überschneidungsbereich" widmen (vgl. Müller 1995, S. 193). Auf der Grundlage des hier propagierten, weit gefaßten Marketing-Verständnisses stellt sich die Frage, welche Inputs die Marketing-Wissenschaft erhalten hat und in welchen Anwendungsfeldern sie als Problemlösungsheuristik zum Einsatz gelangt. Abbildung 1 gibt hierzu einen Überblick über denkbare Nachbarwissenschaften und deren Zuordnung zur Input- bzw. Outputseite.
OUTPUT
INPUT Marketing als SchnittstellenWissenschaft
Marketing als Transfer-Technik
Politik
Ökologie
~
\
statistik
Rechtswissensch~ -. Psychologie
-----+
Soziologie Volkswirtschaftslehre Management Militärtheorie Operations Research
ßJ ~
/
Vo-rtsct,.•ftsloh"
----+
Soziologie
~Psychologie Ökologie
j
empirische Sozialforschung
Abb. 1: Input-Output-Relation der Marketing-Wissenschaft (Quelle: eigene Darstellung) Die Anleihen, die das Marketing von anderen Disziplinen nimmt, werden auf der Inputseite der Abbildung dokumentiert, die das Wesen des Marketing als Schnittstellenwissenschaft verdeutlicht. Diese Komponente spiegelt sich in der vorliegenden Schrift in den Beiträgen des III. Kapitels wider. Auf der
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Michael Frohöse Wld Andreas Kaapke
anderen Seite zeigen sich jene Wissenschaftsbereiche, die in ihren inhaltlichen Fokus Ansatzpunkte des Marketing integriert haben. Darin äußert sich das Wesen des Marketing als Transfertechnologie, das seinen Niederschlag im IV. Kapitel findet.
B. Marketing als Schnittstellenwissenschaft Der Begriff der Schnittstelle ist einer breiten Öffentlichkeit vor allem in technischer Hinsicht geläufig. So kennt man Schnittstellen bzw. Übergangspunkte zwischen zwei Systemen- bspw. zwischen Drucker und der ComputerZentraleinheit-, um diese miteinander zu verbinden (vgl. Solaro 1991, S. 92). Wenn man von Schnittstellen im betriebswirtschaftliehen Kontext spricht, versteht man darunter in aller Regel den Tatbestand, daß sachlich eng verbundene Arbeitsgebiete durch Funktionsteilung zerlegt werden und es ergänzender Maßnahmen bedarf, um an den Berührungspunkten eine gemeinsame Zielausrichtung im gesamtunternehmerischen Interesse zu bewirken (vgl. Huber 1994, S. 1035). Darüber hinaus spricht man aber auch bei Berührungspunkten zwischen dem Unternehmen und seiner Umwelt oder auf der Wissenschaftsebene von Schnittstellen (vgl. Specht/Silberer!Engelhardt (Hrsg.) 1989, S. 31 ff.). Diese letztgenannte Interpretation des Schnittstellenbegriffs steht im vorliegenden Sammelwerk im Mittelpunkt des Interesses. Eine Wissenschaft kann als System verstanden werden, das sich aus einzelnen Elementen (insb. Theorien, Erkenntnisobjekten und Methoden der Erkenntnisgewinnung) zusammensetzt und Beziehungen zu anderen Systemen unterhält. Andere Disziplinen stellen vor diesem Hintergrund Systeme dar, die in einem wechselseitigen, mehr oder weniger fruchtbaren Austauschverhältnis in bezug auf die einzelnen Elemente zueinander stehen. In der Marketing-Wissenschaft ist diese Einbindung anderer Fachgebiete untrennbar verknüpft mit der Entwicklung des Marketing selbst und der damit einhergehenden Ausweitung des Bezugsgrößenfelds, d.h. der für MarketingEntscheidungen relevanten Rahrnenbedingungen. Abbildung 2 verdeutlicht, wie die mit dieser Entwicklung einhergehende schrittweise Einbindung anderer Fachdisziplinen im Zeitablaufvollzogen wurde. (1) Bereits in den 50er Jahren - zu Beginn der Marketing-Geschichte in Deutschland, als im Zentrum der Marketing- bzw. Absatzplanung noch die Distributionsfunktion stand - griff man auf die Erkenntnisse des Operations Research zurück. Besonders die Tourenplanung oder das Ausmaß der Lagerhaltung wurden unter Zuhilfenahme von Optimierungsmodellen verbessert.
Das interdisziplinäre Selbstverständnis der Marketing-Wissenschaft
Zeitraum
Orientierungsphasen Bezugsgrößen des Marketing (inhaltlicher Fokus)
Einbindung zusätzlicher Disziplinen
50er Jahre
Distributionsorientienmg, Verkaufsorientienmg
UNIERNEHMUNG
Operations Research, Volkswirtschaftslehre, Statistik, Rechtswissenschaft, Empirische Sozialforschung
60er Jahre
Verbraucherorientienmg
Unternehmung, VERBRAUCHER
Psychologie, Soziologie
70er Jahre
Handelsorientienmg
Unternehmung, Verbraucher, HANDEL
80er Jahre
Wettbewerbsorientienmg
Unternehmung, Verbraucher, Handel, WEITBEWERBER
Management, Militärtheorie
90er Jahre
Umweltorientienmg
Unternehmung, Verbraucher, Handel, Wettbewerber, UMWELT
Ethik, Ökologie
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Abb. 2: Geschichtliche Entwicklung des Marketing als Schnittstellenwissenschaft (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Meffert 1994, S. 663)
Die volkswirtschaftliche Preistheorie, um nur ein Beispiel aus der Volkswirtschaftslehre zu benennen, stellt ein wichtiges Fundament der Preis- und Konditionenpolitik im Marketing dar. Allerdings zeigte sich schon bald, daß sich das klassische mikroökonomische Preisentscheidungsmodell mit seinen
restriktiven Grundannahmen (freie Preisbildung, vollkommene Information der Marktpartner, fehlende sachliche und persönliche Präferenzen etc.) und kaum zu erfüllenden Informationsvoraussetzungen (Kenntnis der PreisAbsatz-Funktion) allenfalls sehr bedingt für die Preisbildung in der Praxis eignet (vgl. Nieschlag!Dichtl/Hörschgen 1994, S. 352, 361). Erst durch die Einbeziehung von Erkenntnissen der verhaltenswissenschaftlichen Forschung 2 FS Hörschgen
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Michael Frohöse \Uld Andreas Kaapke
gelang es nach und nach, die Kluft zwischen Modell und Realität in der Preispolitik zu verringern. Was die Nutzung der Rechtswissenschaften im Marketing anbelangt, ist festzustellen, daß alle absatzpolitischen Instrumente seit jeher bezüglich ihrer Ausgestaltung durch rechtliche Rahmenbedingungen geprägt werden. Geschmacksmuster- und Kennzeichnungspflichten, warenbezogene Regelungen in der Produktpolitik, staatliche Regelungen im Kontext der Preispolitik, rechtliche Schranken bei der Selektion von Handelsunternehmen, Standortund Flächenregulierungen in der Distributionspolitik oder auch rechtliche Grenzen bei der Werbegestaltung, der Auswahl von Werbemitteln und -trägem oder der Wertwerbung stellen Beispiele dar, die verdeutlichen, wie die Rechtswissenschaft von Anbeginn Inhalt und Ausgestaltung der MarketingInstrumente beeinflußt hat. Verkaufsanalysen und Beobachtungen im Verkaufsraum nahmen ihren Ursprung ebenfalls in den 50er Jahren, so daß die Methoden der empirischen Sozialforschung bereits schon früh zum Einsatz kamen. Eng hiermit verknüpft ist die mathematische Statistik, der die Aufgabe zuteil wird, die erhobenen Daten zu analysieren und zu interpretieren. Ferner entstanden damals die ersten Formen des Handels- und Verbraucherpanels. (2) Der Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt in den 60er Jahren führte dazu, daß sich die Unternehmen nicht mehr ausschließlich auf das Verkaufen bereits produzierter Waren beschränken konnten, sondern bereits vor der Produktion Überlegungen anstellen mußten, was der Kunde wünscht. Dies setzte eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Wesen und den Präferenzen des Kunden voraus. Seit dieser Zeit finden sich vermehrt Veröffentlichungen zur sog. Konsumentenforschung, die alle einen psychologischen und soziologischen Hintergrund aufweisen. "Wie nimmt der Kunde wahr?", "Welche Motive bestimmen sein Kaufverhalten?", "Welche Lernvorgänge können durch gezielt eingesetzte Stimuli im Kunden ausgelöst werden?", "Wie schafft man es, die Einstellung des Kunden zum eigenen Produkt positiv zu beeinflussen?", "Welche sozialen Einflüsse (Gruppe, Schicht, Kultur) prägen das Konsumentenverhalten nachhaltig?" gelten als klassische Fragestellungen, die seither immer wieder neu beantwortet werden müssen. Bis heute nehmen deshalb die Soziologie und Psychologie des Konsumentenverhaltens eine zentrale Rolle im Rahmen der wissenschaftlichen Marketing-Forschung ein. (3) Die in den 70er Jahren vor dem Hintergrund der wachsenden Marktmacht des Handels einsetzende Handelsorientierung zog zwar keine zusätzliche Einbindung einer weiteren Disziplin in den Kontext des Marketing nach sich, führte aber dazu, daß die oben beschriebenen Disziplinen verstärkt im Sinne einer Handelsforschung zum Einsatz kamen.
Das interdisziplinäre Selbstverständnis der Marketing-Wissenschaft
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( 4) Anhaltende Marktsättigungstendenzen, Internationalisierung und Globalisierung hatten in den 80er Jahren eine Verschärfung des Wettbewerbs zur Konsequenz, so daß das Aufspüren und Sichern von Wettbewerbsvorteilen als zentrale Aufgabe des Marketing angesehen wurde. Bei dieser um die systematische Berücksichtigung der Konkurrenten ergänzten Grundperspektive des Marketing-Ansatzes (vgl. Fritz 1989, S. 52) gewannen neben den operativen, auf den Einsatz der Marketing-Instrumente bezogenen Überlegungen zusehends strategische Gedanken an Gewicht. Da das strategische Denken ursprünglich dem militärischen Bereich entstammt, verwundert es nicht, daß die Beantwortung von Strategiefragen im Marketing in hohem Maße von der Militärtheorie bzw. den Erkenntnissen der Strategischen Kriegsführung beeinflußt wurde. Zudem kam es in dieser Phase der Marketing-Entwicklung zu einer Annäherung an das Management, das auf die gleichen Modelle zur Generierung von Strategien zurückgreift wie das Marketing. In diesem Zusammenhang ist besonders das von Porter (1990) entwickelte, auch in der Marketing-Wissenschaft vielbeachtete Konzept der Wettbewerbsstrategien hinzuweisen (welches im übrigen selbst auf Erkenntnissen der volkswirtschaftlichen Wettbewerbstheorie basiert). (5) Prognostizierte Grenzen des Wachstums und ökologische Katastrophen vor dem Hintergrund "unbegrenzten" Wirtschafrens richteten den Blick Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre auf ökologische Fragestellungen. Dem marktorientierten Marketing als Unternehmensführungskonzept werden seitdem auch Antworten auf die Frage abverlangt, welchen Beitrag die Betriebswirtschaftslehre zu leisten vermag, um beiden Zwängen des 21. Jahrhunderts ökologisches Gleichgewicht bei wirtschaftlichem Aufstieg (vgl. Eppler 1993, S. 63) - zu genügen. Daraus erwächst generell die Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung des Marketing (Human Concept of Marketing), die moralische und ethische Züge aufweist und insofern eine Auseinandersetzung mit der Ethik und der Ökologie erfordert. Marketing-Wissenschaft und Praxis müssen sich seitdem die Frage stellen, inwieweit auf die Bereitstellung und den Verkauf von Gütern verzichtet werden soll, deren Herstellung, Verbrauch, Gebrauch oder Entsorgung den Erwerbern, Bedarfsträgern, angehörigen Menschen oder der Umwelt schaden (vgl. Dichtl1992, S. 154). Bei der Zuordnung einzelner Disziplinen zu den Phasen der Entwicklung des Marketing darf allerdings nicht vergessen werden, daß bereits frühzeitig einbezogene Disziplinen immer wieder neu Anlaß zum Überdenken und zur Modifikation des Marketing-Ansatzes bieten. So führte beispielsweise die in der Volkswirtschaftslehre beheimatete Institutionenökonomie zu einem gleichnamigen Forschungszweig (Frankfurter Schule) im Marketing. Ferner bedingen Wertepluralismus und Wertewandel, die ursächlich dem Kontext der Soziologie zuzurechnen sind, die ständige Auseinandersetzung des Marketing mit den daraus zu entnehmenden neuesten Erkenntnissen.
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Michael Frohöse Wld Andreas Kaapke
Als unstrittig indes hat sich erwiesen, daß die sukzessive Einbindung von Erkenntnissen der aufgezeigten Disziplinen hilft, die Erklärungskraft von Theorien und die Qualität der daran anknüpfenden Handlungsempfehlungen zu verbessern (vgl. Silberer 1989, S. 16), und daß der interdisziplinäre Charakter den "Siegeszug", den das Marketing bis zum heutigen Tage nahm (s. hierzu die Beiträge in Teil II), erst ermöglichte.
C. Marketing als Transfertechnologie Praktisch jede wissenschaftliche Disziplin verfügt über ein gewisses Spektrum an Methoden der Problemanalyse und -Iösung sowie an technologischen Aussagensystemen, die Auskunft über eine in bestimmten Situationen sinnvolle Verhaltensweise der Betroffenen geben. Im vorangegangenen Abschnitt wurde bereits deutlich, daß zahlreiche Methoden und Techniken, die bspw. aus den Bereichen des Militärs, der Naturwissenschaften oder der Sozialwissenschaften entstammen, auch im Kontext von Marketing-Fragestellungen - mit mehr oder minder großem Modifikationsaufwand - nutzbringend eingesetzt werden können. Diese Feststellung legt die Hypothese nahe, daß Methoden keineswegs auf ein bestimmtes Anwendungsfeld beschränkte Problemlösungshilfen darstellen, sondern daß ihnen für vergleichbare Problemstrukturen eine mehr oder weniger generelle Gültigkeit zukommt. Dies gilt auch für das Verständnis des Marketing als Methode, das sich in einem betont systematischen Vorgehen bei der Problemlösung manifestiert. Charakteristisch für diese zentrale Dimension des Marketing-Denkens ist eine planmäßige Vorgehensweise, die sich vielfaltiger analytischer Ansätze und Planungstechniken bedient (vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 1994, S. 13), um Entscheidungen treffen zu können, die unter den jeweils gegebenen Rahmenbedingungen den höchsten Erfüllungsgrad der Marketing-Ziele erwarten lassen. Akzeptiert man die oben angesprochene Hypothese der Übertragbarkeit von Methoden, können auch die Kontext des Marketing eingesetzten Techniken und Methoden als eine Art "Transferwissen" interpretiert und demgemäß auch von Entscheidungsträgern anderer Disziplinen nutzbringend eingesetzt werden - unabhängig davon, ob die anzuwendenden Methoden originär in der Marketing-Wissenschaft entwickelt wurden oder selbst schon fremden Fachgebieten entstammen. Finden sich also im Kontext anderer Disziplinen Problemstrukturen, die mit jenen im ökonomischen Bereich vergleichbar sind, bei denen das Marketing zur Problemlösung beitragen soll und kann, steht zu vermuten, daß der Einsatz der Marketing-Technologie Vorteile mit sich bringt. Abbildung 3
Das interdisziplinäre Selbstverständnis der Marketing-Wissenschaft
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listet beispielhaft einige generelle Problembereiche auf, bei denen MarketingK.now-how bereits zur Anwendung gelangte oder noch gelangen könnte. Wissenschafts hereich
Beispielhafte Problemstellungen
Psychologie
Auswahl des geeigneten Berufsfelds; Vermarktung der eigenen Person bei BewerbWlgsgespräeben; Vermarktung der eigenen Person im zwischenmenschliehen Bereich usw.
Soziologie
ScheidWlgsproblematik; Asyl-, Aussiedler- Wld Ausländerproblematik; Kriminalität in der Gesellschaft; GesWldheitsprobleme; Drogenprobleme einer Gesellschaft usw.
Theologie I Philosophie
VermittlWlg von Glauben, Denkgebäuden, Ideen, Ansiehten usw.
Politik
LösWlg sozialpolitischer Fragen (z.B. Zukunft der Renten oder der KrankenversicherWlg, Integration Behinderter ins Berufsleben); LösWlg wirtschaftspolitischer Fragen (z.B. Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland, Problem der Langzeitarbeitslosigkeit); LösWlg bildWlgspolitischer Fragen (z.B. StellWlg der Universitätsausbildung, Bedeutung des Abiturs) usw.
Ethik I Ökologie
Abbau von free-rider-Verhalten; Vermittlung moralischer Werte; Vermittlung der Notwendigkeit zur Vermeidung von Abfallen, Schadstoffausstoß; Appell zum sparsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen usw.
Abb. 3: Denkbare Anwendungsfelder für das Marketing in ausgewählten Wissenschaftsdisziplinen (Quelle: eigene Darstellung)
Keinesfalls darf aber davon ausgegangen werden, daß das Marketing alle Probleme lösen könnte. In der betrieblichen Praxis lindert das Marketing oft nur die in anderen Bereichen begangenen Fehler. Beispielsweise löst das Marketing keineswegs produktionstechnische Versäumnisse oder Fehlverhalten im Beschaffungsbereich, sondern versucht lediglich durch den spezifischen Ein-
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satz seiner Möglichkeiten, diese Fehler zu verhindern oder aber die daraus resultierenden Konsequenzen abzumildern. Auch von seiten der Wissenschaft blieb das umfassende Marketing-Verständnis, das in den Beispielen in Abbildung 3 zum Ausdruck kommt, nicht unumstritten. Aus generischer Perspektive richtet sich die Marketing-Technologie, wie bereits in der Einleitung angedeutet, auf die Analyse und Gestaltung von Austauschprozessen vielfaltigster Art. Diese können sich nicht nur auf Güter oder Dienstleistungen, sondern z.B. auch auf Ideen, Gefühlen oder die Vermittlung von gewünschten Verhaltensweisen beziehen (vgl. Kotler 1972, S. 48 ff.; Rempetmann 1995, Sp. 744), wobei als Träger der Marketing-Aktivitäten auch nichterwerbswirtschaftliche Organisationen, Individuen oder Personengruppen in Betracht kommen. Einige Fachvertreter sehen hierin eine unzweckmäßige Überdehnung des Marketing-Begriffs und warnen davor, daß durch die Ausweitung des Gegenstandsbereichs Präzision und Informationsgehalt wissenschaftlicher Aussagen abnehmen können und daß u.U. Probleme im angestammten Forschungsfeld vernachlässigt würden (vgl. Arndt 1978, S. 101 f.; Raffee/Specht 1974, S. 385; Barteis 1974, S. 76). Ohne diese Probleme in Abrede stellen zu wollen, stehen der Kritik am "Generic Marketing" zahlreiche zustimmende Stellungsnahmen gegenüber, die darauf verweisen, daß zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Austauschprozessen zahlreiche Gemeinsamkeiten festzustellen sind. Als positiv angesehen wird dabei z.B., daß die weite Interpretation des MarketingObjektbereichs auch organisationsinterne Transaktionen erfaßt, was dazu führt, daß zusammengehörende Sachverhalte auch zusammen behandelt werden können (vgl. Raffee 1977, S. 59; Hitdenbrand 1983, S. 83); hierbei ist z.B. an die Durchsetzung der Marketing-Orientierung in allen Bereichen einer Organisation, d.h. an das sog. interne Marketing zu denken (vgl. z.B. Stauss 1992). Zweitens verbindet sich mit der Überwindung der vielfach als einseitig empfundenen Ausrichtung des Marketing an den Interessen erwerbswirtschaftlicher Unternehmen die Hoffnung, die gesellschaftliche Akzeptanz der Marketing-Wissenschaft zu erhöhen (vgl. Hempelmann 1995, Sp. 747). Drittens deuten die vielen Beispiele eines in der Praxis zumindest ansatzweise realisierten Non-Business- und gesellschaftsorientierten Marketing sowie die Fülle an Veröffentlichungen, die sich z.B. mit außerökonomischen Anwendungen der Marketing-Technologie befassen, darauf hin, daß die Ausweitung des Marketing-Gegenstandsbereichs mittlerweile weitgehend akzeptiert wurde. Aus all diesen Gründen sollte man die geschilderten Probleme nicht zum Anlaß nehmen, mögliche Ausweitungen des Marketing-Objektbereichs von vornherein abzulehnen, sondern als Chance für eine sich stetig weiter entwickelnde Wissenschaft begreifen.
Das interdisziplinäre Selbstverständnis der Marketing-Wissenschaft
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Michael Frohöse Wld Andreas Kaapke
Porler, M.E. (1990): Wettbewerbsstrategie, 6. Aufl, Frankfurt am Main 1990. Raffee, H. (1977): Der Marketingansatz als Grundkonzept der Betriebswirtschaftslehre, in: Wirtschaftsstudium, 6. Jg. (1977), Nr. 2, S. 56-60. Raffee,H.!Specht, G. (1974): Basiswerturteile der Marketing-Wissenschaft, in: Zeitschrift fiir betriebswirtschaftliche ForschWlg, 26. Jg. (1974), Nr. 6, S. 373-396. Schanz, G. (1977): Betriebswirtschaftliche empirische ForschWlg Wld die Idee der Integration, in: Reber, G. (Hrsg.): Personal- Wld SozialorientiefWlg der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 1, Stuttgart 1977, S. 45-65. Silberer, G. (1989): Offenheit Wld Engagement - Die Konzeption einer Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre Wld einer Marketingwissenschaft in den Beiträgen von Hans Raffee, in: Specht, G./Silberer, G.!Engelhardt, W.H. (Hrsg.): MarketingSchnittstellen, Stuttgart 1989, S. 11-29. Solaro, D. (1991): Schnittstellen-Controlling, in: Horvath, P./Gassert, H./Solaro, D. (Hrsg. ): Controllingkonzeptionen fiir die Zukunft - Trends Wld Visionen, Stuttgart 1991, S. 91-llO. Specht, G./Silberer, G./Engelhardt, W.H. (Hrsg.) (1989): Marketing-Schnittstellen, Stuttgart 1989. Stauss, B. (1992): Internes Marketing, in: Diller, H. (Hrsg.): Vahlens großes Marketinglexi.kon, München 1992, S. 477-479.
Zweiter Teil
Die Bedeutung des Marketing in Theorie und Praxis
Entwicklung, Stellenwert und Perspektiven eines zeitgemäßen Marketing aus Sicht der Wissenschaft Von Andreas Kaapke und Jürgen Kirsch
A. Marketing in Geschichte und Gegenwart Marketing als betriebswirtschaftliches Lehr- und Forschungsgebiet entwikkelte sich eingangs des 20. Jahrhunderts. Das Auseinanderfallen von Produktion und Konsumption als Folge der Industriellen Revolution erforderte neue Erklärungen für die Distributionsseite des Unternehmens. 1905 tauchte der Begriff 'Marketing' erstmals in Titeln von Vorlesungen an der University of Pennsylvania auf(vgl. Müller-Heumann 1995, S. 180). In Zeiten, in denen die Nachfrage nach Gütern deren Angebot übertrifft, kommt dem Marketing keine oder eine nur sehr eingeschränkte Bedeutung zu. Diese Situation, wie man sie heute noch zum Teil in den ehemaligen Staatshandelsländern, vor allem aber in den Entwicklungsländern antrifft, erwies sich für Deutschland nach dem 2. Weltkrieg als charakteristisch. Bedingt durch den Wiederaufbau und die durch den Krieg hervorgerufenen Nachfragedefizite in weiten Teilen der Bevölkerung herrschte eine Überbetonung der Produktionsfunktion vor. Das damit verbundene Konzept der Produktionsorientierung basiert auf der Grundannahme, daß der Verbraucher jene Produkte bevorzugt, die zu möglichst geringen Kosten verfügbar sind (vgl. Kotler/Bliemel 1995, S. 20). Demgemäß kam den Unternehmen auf der Absatzseite schwerpunktmäßig eine Distributionsfunktion zu, deren Hauptaufgabe darin bestand, bereits produzierte Güter dem Markt zur Verfügung zu stellen (vgl. Meffert 1994a, S. 3). Bei einer Ex-Post-Betrachtung der Entwicklung des Marketing im deutschsprachigen Raum (vgl. z.B. Diller 1995, S. 3 ff.) erscheint es daher als wenig verwunderlich, daß bis in die 50er Jahre hinein Marketing in erster Linie als Handelsbetriebslehre (vgl. hierzu die Arbeiten von Hellauer 191 0; Hirsch 1925; Oberparleiter 1918) verstanden wurde (vgl. Meffert 1994b, S. 662; Meissner 1995, Sp. 789). Der Absatz stand am 'Ende des Fließbands' (vgl. Meffert 1994b, S. 664) - eine Philosophie, die heute noch in zahlreichen öffentlich-rechtlichen Dienstleistungsorganisationen anzutreffen ist (vgl. Kot-
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Andreas Kaapke wtd Jürgen Kirsch
ler/Bliemel 1995, S. 21). Anfängliche Versuche der Plazierung von Markenartikeln oder auch der Versuch von Marktsegmentierungen werden als Start des Marketing in Deutschland angesehen (vgl. Meffert 1994a, S. 4). Durch produktionstechnische Fortschritte, durch Liberalisierung von Märkten (vgl. Hörschgen u.a. 1993, S. 11) und damit durch das Hinzutreten neuer Wettbewerber auf dem Markt erzielte die Nachfragerseite sukzessive ein Übergewicht (vgl. Nieschlag!Dichtl/Hörschgen 1994, S. 9). Nunmehr entwikkelte sich der Absatz zum Engpaß zahlreicher Unternehmen (vgl. Meffert 1994a, S. 4). Demgemäß wandelten sich die Bemühungen der Unternehmen in Richtung einer stärkeren Verbraucherorientierung (vgl. Meffert 1994c, S. 648). Damit wurde der Funktion des Verkaufs keineswegs eine Absage erteilt, sie wurde lediglich hinsichtlich ihrer Bedeutsamkeit relativiert (vgl. Drucker 1973, S. 64 f.). "Beim Verkaufen stehen die Bedürfnisse des Verkäufers im Vordergrund; beim Marketing die Bedürfnisse des Käufers. Das Verkaufen ist beseelt vom Wunsch des Verkäufers, sein Produkt zu Geld zu machen; Marketing ist beseelt von der Idee, die Wünsche der Kunden zu erfüllen, und zwar durch das Produkt und alle dazugehörigen Handlungen - von seiner Kreation und Bereitstellung bis hin zu seinem Verbrauch" (Levitt 1960, S. 50; aus dem Englischen übersetzt). Damit kristallisierte sich das Marketing zunehmend als ManagementGrundhaltung heraus, die neben einer Kundenbezogenheit vor allem durch systematisches und planmäßiges Vorgehen hinsichtlich der Zielerreichung gekennzeichnet ist (vgl. Hörschgen u.a. 1993, S. 12). "Diese zielgerichtete Vergehensweise schlägt sich vor allem in der Orientierung, Ausgestaltung und Handhabung der sogenannten Management-Funktionen nieder, die die Bereiche Analyse von Problemen sowie Planung und Kontrolle der zu deren Lösung ergriffenen strategischen und operativen Maßnahmen umspannen (Nieschlag!Dichtl/Hörschgen 1994, S. 20)". Mitte bis Ende der 50er Jahre begann die Neuorientierung sowohl von seiten der Marketing-Wissenschaft als auch von seiten der Marketing-Praxis. Als besonders einschneidend gelten der Ausbau und die optimale Kombination absatzpolitischer Instrumente, wie sie McCarthy mit den klassischen 4 Ps (vgl. McCarthy 1960) begründete, die Orientierung an den Bedürfnissen von Kunden, wie sie Levitt 1960 in seinem bekannten Aufsatz 'Marketing Myopia' forderte (vgl. Levitt 1960) und die Ablösung des angebotsorientierten Marketing durch das nachfrageorientierte Marketing vor allem in den Arbeiten Kotlers (vgl. Kotler 1967; Meffert 1994b, S. 664). Als bahnbrechend im wissenschaftlichen Kontext erwies sich in Deutschland der 2. Band von Gutenbergs Standardwerk 'Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre - Der Absatz', der 1955 erschien (vgl. Gutenberg
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1984). Die Absatzwirtschaft, eine der führenden Fachzeitschriften im Marketing-Bereich, wurde erstmals 1958 verlegt, und schließlich war es das Verdienst Robert Nieschlags und seiner Schüler, den Übergang zu einer modernen Marketing-Lehre in Deutschland vollzogen zu haben (vgl. Meffert 1994b, S. 664; Kaapke 1996a, S. 34). 1968 erschien die 'Einführung in die Lehre von der Absatzwirtschaft' von Nieschlag, Dichtl und Hörschgen: ein Jahr später errichtete die Universität Münster den ersten Marketing-Lehrstuhl in Deutschland (vgl. Tietz 1993b, S. 152). Die Gewinnung von Informationen einerseits und die Bearbeitung relevanter Märkte andererseits galten zu dieser Zeit als die Hauptaufgaben des Marketing und prägten dessen Verständnis (vgl. Hörschgen u.a. 1993, S. 13). Diese als traditionelle oder klassische Sichtweise des Marketing bezeichnete Vergehensweise wird heutigen Anforderungen an Unternehmen nur bedingt gerecht. Stagnations- und Sättigungstendenzen, intensivierter Wettbewerb bei zunehmender Globalisierung der Weltwirtschaft, dynamischere und komplexere Umfeldbedingungen führten dazu, daß eine ausschließliche Orientierung am Kunden nicht mehr ausreichte, sondern erweitert werden mußte, um am Markt bestehen zu können (vgl. Hörschgen u.a. 1993, S. 14 f.) . •
Seit den 70er Jahren stieg die Macht des Handels stetig an, der seit dieser Zeit einen nicht unerheblichen Einfluß auf die Entscheidungen vor allem von Konsumgüterherstellern ausübt (vgl. Hörschgen/Steinbach 1995, S. 33 f.). Diese Tendenz lenkte das Interesse der Wissenschaft auf Fragen des Vertikalen Marketing (vgl. Irrgang 1989; Irrgang 1994, Sp. 1249 f.) im Sinne eines handelsorientierten Herstellermarketing (vgl. Kirsch 1987). • Der zunehmende Eintritt von Wettbewerbern auch aus dem internationalen Umfeld bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Rezession verbunden mit hoher Arbeitslosigkeit, Rückgang des Konsums und einer zunehmenden Ressourcenverknappung richtete den Blick des Marketing zu Beginn der 80er Jahre auf kompetitive Aspekte (vgl. Hörschgen/Steinbach 1995, S. 34). Pionierarbeit leisteten hier in erster Linie die Arbeiten Porters (vgl. Porter 1989, 1990), dessen Hauptaugenmerk auf der Konzentration sämtlicher Unternehmensressourcen zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen liegt (vgl. Meffert 1994a, S. 4). • Daneben machte sich Ende der 80er Jahre ein gesellschaftlicher Wandel im Sinne einer gestiegenen Sensibilisierung gegenüber Umweltbelastungen bemerkbar, dessen Konsequenzen gerade auch im Marketing ein erhebliches Umdenken auslösten (vgl. Hörschgen/Steinbach 1995, S. 34). Vor diesem Hintergrund erscheint auch die in jüngster Vergangenheit wieder stärker ins Bewußtsein geratene Frage ethischer Belange im Marketing naheliegend (vgl. Dichtl 1992, S. 151 ff.; Nieschlag!Dichtl/Hörschgen 1994, S. 102 ff.; Hansen 1988, S. 711 ff.; Hansen 1994, S. 660 f.).
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Die aufgezeigten Veränderungen erforderten eine Korrektur der dem klassischen Marketing innewohnenden einseitigen Ausrichtung am Kunden. Als wünschenswert gilt die Berücksichtigung aller Faktoren, die den Unternehmenserfolg beeinflussen. Dieses Strategische Marketing läßt sich als "( ... ) systematisches, ganzheitliches, interaktives, potentialorientiertes und in der Regel langfristig orientiertes Unternehmensführungskonzept charakterisieren" (Hörschgen u.a. 1993, S. 17). Neben der inhaltlichen Vertiefung hat das Marketing als betriebliche Funktion, die ursprünglich nahezu ausschließlich in der Konsumgüterindustrie (und hier speziell bei Markenartiklern) Anwendung fand, eine Ausweitung in institutioneller Hinsicht erfahren (vgl. Hörschgen/Steinbach 1995, S. 31). Nach und nach griff die Idee des Marketing auch auf Handelsbetriebe (vgl. Barth 1993; Berekoven 1990; Falk/Wolf 1992; Hansen 1990; MüllerHagedorn 1993; Oehme 1992; Tietz 1993d), auf die Investitionsgüterindustrie (vgl. Backhaus 1995; Lot:zJKaapke 1994, S. 110 ff.; Kaapke/Lotz 1994, S. 114 ff.) und auf das Dienstleistungsgewerbe (vgl. Meffert/Bruhn 1995; Meyer 1994; Scheuch 1982; Staffelbach 1988, S. 277 ff.) über. Schließlich fand das Marketing auch in nichterwerbswirtschaftlichen Organisationen seinen Niederschlag (vgl. Berndt 1988; Bargehr 1991; Eichhorn/Buchholz 1983, S. 209 ff.; Hasitschka!Hruschka 1982; Hili 1982; Raffee 1980; Raffee/Fritz/Wiedmann 1994; Stauss 1987a; Stauss 1987b; Kaapke 1996b, S. 99 ff.). Heute versteht sich das Marketing als markt- und umfeldorientierte Führungskonzeption, die alle Funktionsbereiche eines Unternehmens im Hinblick auf die Markterfordernisse steuert. Damit konkurriert das Marketing mit dem Management, wobei bei genauer Betrachtung beider Bereiche diese nicht mehr trennscharf voneinander abzugrenzen sind. Vielmehr muß man sich fragen, inwiefern die betrachteten Bereiche noch Unterschiede aufweisen. Es liegen eine Reihe von Begründungen dafür vor, daß Managementaufgaben zunehmend mit Marketing-Know-how et vice versagelöst werden und die Trennung in Management und Marketing künstlich erfolgt. Dies läßt sich anband der nachstehenden Argumente belegen. •
Auf Gutenberg geht das Ausgleichsgesetz der Planung zurück. Selbst wenn es sehr viel zweckmäßiger wäre, lediglich von einem Abstimmungsprinzip betrieblicher Teilpläne zu sprechen, bleibt als Grundannahme die besondere Berücksichtigung des sogenannten Engpaßfaktors. Zurnindestens mittelfristig ist das Streben des Unternehmens darauf gerichtet, den Engpaß im Unternehmen zu beseitigen. Gerade in schrumpfenden und stagnierenden Märkten, bei hohem Wettbewerbsdruck durchaus auch in leicht wachsenden Märkten, stellt der Absatzbereich den Engpaß dar, den es zu beseitigen gilt. Von daher erweist es sich als wenig
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verwunderlich, daß sich das Management vieler Branchen den Aufgaben des Marketing verschreibt (vgl. Schweitzer 1993, S. 38). Als zentrale Zielsetzung der Marketing-Philosophie gilt die Planung, Koordination und Kontrolle aller auf den Absatzmarkt gerichteter Aktivitäten. Allein in dieser Zielsetzung manifestiert sich ein über die einzelnen Funktionsbereiche hinausgehender integrierender Anspruch des Marketing- eine Zielsetzung, die auch das Management erhebt (vgl. Meffert 1994d, S. 20) Wie bereits festgestellt, bedienen sich neben dem Absatz auch andere betriebliche Funktionsbereiche des Marketing-Instrumentariums. Das Personalmarketing (vgl. Domsch 1994, S. 861 ff.; Strutz 1989, 1991) oder das Beschaffungsmarketing (vgl. Arnold 1994, S. 100 f.) sind dafür typische Erscheinungen (vgl. Hörschgen/Steinbach 1995, S. 32), so daß dem Marketing ein funktionsübergreifender Charakter eingeräumt werden kann. Daneben hat die Marketing-Wissenschaft die bis dahin eher mit formallogischen Fragen befaßte Unternehmensführung um inhaltlich-materielle Gesichtspunkte bereichert (vgl. Rühli 1986, S. 10 ff.). "Das Marketingkonzept besagt, daß der Schlüssel zur Erreichung unternehmerischer Ziele darin liegt, die Bedürfnisse und Wünsche des Zielmarktes zu ermitteln und diese dann wirksamer und wirtschaftlicher zufriedenzustellen als die Wettbewerber (Kotler/Bliemel1995, S. 25)". Weiterhin arbeiten Management und Marketing in vielen Bereichen mit den gleichen Methoden, bspw. mit denen der empirischen Sozialforschung, mit ähnlichen Basisstrategien, gewissen Aktionsinstrumenten oder Vorschlägen zur Gestaltung der Organisationsstruktur (vgl. Fässler 1989, S. 31). Schließlich kann trotz der unterschiedlichsten Spezialisierungen der Fachvertreter der Marketing-Disziplin an deutschen Hochschulen eine Tendenz zu einer ganzheitlichen managementorientierten Sicht des Marketing auch in der Forschung festgestellt werden (vgl. Köhler 1994, S. 704; Meffert/Kirchgeorg 1994, S. 571).
Die bisherigen Ausführungen verdeutlichen, daß das Marketing im Bereich von Forschung und Lehre heute zum festen Bestandteil an Hochschulen und anderen Bildungsstätten zählt und daß das Marketing trotz seiner vergleichsweise kurzen Geschichte bereits erstaunliche Erfolge aufzuweisen hat. Trotzdem mehren sich in der jüngeren Vergangenheit die kritischen Stimmen gegenüber dem Marketing. Waren es früher vor allem Hinweise aus den Reihen der Verbraucherpolitik (vgl. Tietz 1993a, S. 348), die den vermeintlich manipulativen Charakter des Marketing beanstandeten, findet man heute vor allem "( ... ) Kritik an der Fähigkeit des traditionellen Marketing, einen Beitrag zur Erzielung und Sicherung langfristiger Wettbewerbsvorteile zu leisten" (Hörschgen/Steinbach 1995, S. 31).
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Andreas Kaapke tmd Jürgen Kirsch
Beispielsweise wird bemängelt, daß die Bedürfnisorientierung als Grundprinzip des Marketing nicht mehr zeitgemäß sei oder daß sich die Unternehmerische Praxis schwer tut, die vom Marketing angestrebte Vernetzung der Unternehmensfunktionen auch tatsächlich zu verwirklichen. Dort aber, wo diese Vernetzung gelingt, muß der Beitrag des Marketing als eher marginal bezeichnet werden. Bruhn und Bunge haben den Versuch unternommen, die in der jüngeren Vergangenheit aufgetretenen Kritikpunkte zu sammeln und zu systematisieren. Diese werden nachfolgend durch eigene Anmerkungen ergänzt und akzentuiert. Folgende Problembereiche lassen sich unterscheiden (vgl. Bruhn/ Bunge 1994, S. 45 ff.): Begrifflich-klassifikatorische Probleme: Dazu zählt das Problem der inflationären Zunahme marketingbezogener Neologismen, die nicht zwingend jenen Erkenntnisfortschritt mit sich bringen, der durch die sprachliche Neuentwicklung suggeriert wird (Beispiele hierfür sind Begriffe wie Lean Marketing oder Turbo Marketing; vgl. Geyer/Bauer 1993; Braun/ Mayer 1989, S. 307 ff.). Darüber hinaus lähmt die Diskussion über die angemessene Breite des inhaltlichen Spektrums des Marketing-Begriffs dessen konkrete Weiterentwicklung. 2. Theoretische Mängel: Tendenziell neigen die jüngeren Marketing-Ansätze zur Spezialisierung, ohne eine tragfähige Einbindung in allgemeine Zusammenhänge zu vollziehen. Diese Zersplitterung der MarketingWissenschaft erweist sich für die Praxis als wenig zweckdienlich und wird vielfach als irrelevant abgetan (vgl. Tietz 1993b, S. 158). Ferner ist zu beobachten, daß sich die Marketing-Wissenschaft wichtigen betriebswirtschaftlichen oder anderen Fragestellungen wie den unternehmensinternen Interaktionen, dem Zeitphänomen oder auch der Förderung sozialer Kompetenz nicht oder vergleichsweise spät zuwendet (vgl. Bruhn/ Bunge 1994, S. 46). 3. Methodische Mängel: Normalerweise stellt das vorhandene MethodenMix lediglich das Mittel zur Lösung einer wissenschaftlichen Aufgabenstellung dar, während gerade in der jüngeren Zeit ökonometrische und statistische Verfahren ausschließlich eingesetzt wurden, um die Methode selbst zu bestätigen und nicht, um ein Problem aus der betrieblichen Praxis zu lösen (vgl. Tietz 1993c, S. 229). Dieses Problem findet sich sehr häufig bspw. im Rahmen der mehrdimensionalen Analyseverfahren oder im Kontext der Mediaselektion. Daneben führen der fehlerhafte Einsatz bspw. multivariater Analyseverfahren oder die Begrenzung der Verfahrensauswahl (häufig vor allem auf Techniken der Befragung reduziert, vgl. Kroeber-Riel1993, S. 29) zu fragwürdigen Ergebnissen. 4. Praktische Relevanz: Unternehmerische Führungskonzepte einerseits und bestehende Paradigmen andererseits sind nur bedingt in der Lage, sich 1.
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neuen Problemsituationen anzupassen. Diese aber zeichnen sich zunehmend durch eine hohe Komplexität und Dynamik aus (Dynaxity). Dabei ist die Tendenz feststellbar, daß zur Lösung dieser Probleme der Rat der Marketing-Wissenschaft sehr viel seltener als jener von Unternehmensberatern gefragt ist (vgl. Dichtl 1995, S. 54), zumal die Zusammenarbeit zwischen Marketing-Theorie und -praxis erhebliche Defizite aufweist (vgl. Bruhn 1989, S. 18 f.). 5. Jmplementierungsmängel: Auch das anfangs geradezu enthusiastisch gefeierte Strategische Marketing wird angesichts des zunehmenden Versagens vieler Strategien und der immensen Implementierungsprobleme heute sehr viel distanzierter und zurückhaltender beurteilt als noch in den 80er Jahren. Neu an der Kritik arn Marketing ist, daß deren Ursprung nicht mehr wie bisher bei Fachvertretern anderer wissenschaftlicher Disziplinen liegt (z.B. Sozialwissenschaften) oder aus den Reihen anderer betriebswirtschaftlicher Funktionsbereiche kommt, sondern daß sich vermehrt Anzeichen feststellen lassen, daß die Marketing-Disziplin selbst eine Identitäskrise durchläuft (vgl. von Briskorn 1987, S. 6 ff.; Dichtl 1995, S. 54). Dabei reichen die kritischen Stimmen von der Zurückweisung einzelner Teilbereiche des Marketing bis hin zu der grotesk anmutenden Forderung Gerkens, gänzlich Abschied vom Marketing zu nehmen (vgl. Gerken 1990). Ungeachtet der Quelle der Kritik bleibt es die Aufgabe einer "lebendigen" Marketing-Wissenschaft, den kritischen Stimmen zu begegnen, die Idee des Marketing zu korrigieren und Lösungen anzubieten, wie man in Zukunft durch den Einsatz des Marketing Unternehmerische Entscheidungen optimiert.
B. Das neue Marketing-Verständnis I. Vorbemerkungen
Wie in der Skizzierung der geschichtlichen Entwicklung des Marketing verdeutlicht wurde, gab und gibt es nicht das Marketing; vielmehr paßte sich dieses der jeweiligen Situation an. Wollte man diesen Umstand auf eine Formel bringen, könnte diese lauten: Veränderte Märkte und Umfeldbedingungen erfordern ein neues Marketing. Multikulturelle und multioptionale Gesellschaften, globale Umweltrisiken mit neuen Betroffenheitsdimensionen bei Bürgern, rasante technologische Wechsel in zahlreichen Branchen, Globalisierung der Weltwirtschaft bei moderatem Wirtschaftswachstum stellen nur einen Ausschnitt der Herausforderungen an die marktorientierte Unternehmensführungausgangs des 20. Jahrhunderts dar (vgl. Meffert 1994a, S. 8). 3 FS Hörschgen
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Auf den jeweiligen Märkten, in deren Umfeld und im Unternehmen wächst die Komplexität der zu berücksichtigenden Daten bei gleichzeitiger Dynamisierung diskontiniuierlich verlaufender Prozesse. Das traditionelle Marketing muß auf diese Entwicklungen mit passenden Antworten reagieren, um nicht von seinen Kritikern hören zu müssen, daß es den neuen Anforderungen nicht mehr gewachsen scheint. Von daher gilt mehr denn je, daß ein strategisches Marketing-Verständnis sich diesen Herausforderungen annehmen muß. Das Strategische Marketing-Verständnis ist: • ganzheitlich, d.h. neben dem Kunden werden der Handel, die Wettbewerber, weitere Anspruchsgruppen, das eigene Potential und das Umfeld berücksichtigt. • partnerschaftlich, d.h. daß keine künstlichen Hierarchien zwischen Unternehmen und Marktpartnern aufgebaut .werden, sondern durch Abstimmungsprozesse Synergien zur Zufriedenstellung aller Beteiligten erzielt werden sollen (bspw. wird der König Kunde zum Partner Kunde; vgl. Höhler 1994, S. 18). • flexibel, was soviel bedeutet, daß auf veränderte Bedingungen rasch und unbürokratisch die notwendigen Veränderungen in der Strategie, den Maßnahmen und gegebenenfalls in den zugrundegelegten Organsiationsstrukturen vorgenommen werden. • potentialorientiert, d.h. daß neben der Berücksichtigung markt- und umfeldrelevanter Sachverhalte der Blick stets darauf gerichtet wird, Erfolgspotentiale für das Unternehmen auf- und auszubauen und dann zu erhalten. • weniger durch langfristige Planung als durch langfristiges Denken geprägt. Dies äußert sich darin, daß ein Unternehmen sich kontinuierlich mit Markt- und Umfelderfordernissen auseinandersetzen muß, auf diese Weise ein vertieftes Verständnis der jeweiligen Marktsituation erhält und sich besser als bisher auf die Markt- und Umfelderfordernisse einstellen und sich anhand derer weiterentwickeln kann. Das setzt ein Denken in Szenarien voraus, die von den Unternehmen antizipiert werden können. • zugleich analytisch und kreativ und versucht somit, auf der Basis einer fundierten Analyse kreative Weichenstellungen für die Zukunft des Unternehmens zu bewirken. • steuerndes und ergebnisorientiertes Marketing. In Analogie zu einem Schiff, das auf stürmischer See nur dann den Kurs zu halten vermag, wenn es seine Position und seinen Zielhafen anhand eines Kompasses bestimmen kann, benötigt ein Unternehmen ein Marketing, das durch eine klare Leitidee, realisierbare Ziele und ein leistungsfahiges Informationssystem gekennzeichnet ist.
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Vor diesem Hintergrund soll nachfolgend ein Komponenten-Mix des Strategischen Marketing vorgestellt werden. Dies lehnt sich an das 7-S-Management-Konzept an, das Pascale/Athos auf der Grundlage der Erkenntnisse von Peters/Waterman erstellt haben. II. Die Elemente eines neuen Strategischen Marketing Die im 7-S-Management dargestellten sieben Subsysteme, die in ihrer Gesamtheit nach Meinung von McKinsey das Strategische Management ausmachen, lassen sich in sogenannte 'hard facts' und 'soft facts' einteilen. Diese Unterteilung soll zum Ausdruck bringen, daß es Subsysteme gibt, die eher rational-quantitativer Natur sind und daß Subsysteme existieren, die in erster Linie emotional-qualitativer Natur sind (vgl. Bea/Haas 1995, S. 16). Abbildung 1 zeigt das 7-S-Management-Modell im Überblick.
Abb. 1: Das 7-S-Management-Konzept (Matsushita) (Quelle:Pascale/Athos 1981, S. 202).
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Zu den ' harten' Elementen, die auch als strukturell-technokratische Führungsmechanismen bezeichnet werden, zählen die Strategie (strategy), die Struktur (structure) und die Systeme (systems). Den weichen Elementen ordnet man das Personal (stafi), die Fertigkeiten und Fähigkeiten (skills), den Führungsstil (style) und die Unternehmensphilosophie (superordinate goals) zu (vgl. Macharzina 1995, S. 783). Entscheidend scheint dabei zu sein, inwiefern neben der optimalen Ausgestaltung jedes einzelnen Variablenbereichs deren Abstimmung aufeinander im Sinne eines optimalen Fits gelingt. Jenen Unternehmen, die die weichen Faktoren ähnlich intensiv verfolgen wie die harten Elemente, scheinen größere Erfolge beschieden zu sein als Unternehmen, die sich einseitig auf die harten Elemente konzentrieren (vgl. Macharzina 1995, S. 770 ff.). Das 7-S-Management-Konzept ist vielfach in der Literatur kritisiert worden. Im folgenden soll nicht auf die einzelnen Details des Modells eingegangen werden; vielmehr erscheint die Einteilung von Pascale/Athos in sieben zentrale, den Unternehmenserfolg beeinflussende Faktoren als Strukturierungshilfe für die Darstellung des Komponenten-Mix des Strategischen Marketing sehr gut geeignet. Zwei der Faktoren - nämlich staff und skills - werden aufgrund ihrer inhaltlichen Nähe gemeinsam behandelt. Unternehmen
'---
Strategie
i
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Beeinflussung
Struktur
i Anpassung
Systeme
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Stil
i
Mitarbeiter und Knowhow
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1-
Selbstverständnis
i
Beeinflussung Anpassung Beeinflussung Anpassung
Markt und Umfeld
Abb. 2: Interaktion des Unternehmens mit seinem Markt und seinem Umfeld (Quelle: in Anlehmmg an Kirseh/Müllerschön 1996, S. 13).
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Um dem Ansatz des Strategischen Marketing gerecht zu werden, reicht es nicht aus, daß die sieben Elemente in sich und zueinander in einem 'fit' stehen, sondern sie müssen zugleich mit den aktuellen Markt- und Umfeldgegebenheiten kompatibel sein. Das Unternehmen wird durch die Erfordernisse des Mark-tes und des weiteren Umfelds gesteuert, so daß es sinnvoll ist, alle Unternehmerischen Aktivitäten auf diese Anforderungen auszurichten. Dies erzwingt die permanente Interaktion des Unternehmens - vor allem seiner Systeme, Strukturen, Strategien, Mitarbeiter, seines Stil und seines Selbstverständnisses - mit seinem Markt und dem weiteren Umfeld (vgl. Kirseh/Müllerschön 1996, S. 12). Diese Interaktion beinhaltet die Beeinflussung des Marktes und des Umfelds, wo sie möglich ist und die Anpassung des Unternehmens an Markt- und Umfeldgegebenheiten, wo es erforderlich scheint. Abbildung 2 verdeutlicht diesen Zusammenhang. 1. Harte Faktoren
a) Die Marketing-Strategie eines Unternehmens hat Richtliniencharakter für die Ausgestaltung der konkreten Marketing-Aktivitäten und stellt eine für alle verbindliche Grundsatzentscheidung dar. In ihrem Kern repräsentiert die Marketing-Strategie den bzw. die entscheidenden Wettbewerbsvorteil(e) eines Unternehmens. Entscheidend für das Kaufverhalten der Kunden ist weit weniger das Produkt als vielmehr der Nutzen, den der einzelne mit diesem verbindet. Während früher sehr viel stärker der Grundnutzen für die Kaufentscheidung herangezogen wurde, achtet der Kunde heute vor dem Hintergrund der Homogenisierung der angebotenen Leistungen auf den Zusatznutzen, den ein Produkt verspricht und auf das Image des Herstellers, das mit den eigenen Vor- und Einstellungen kompatibel sein muß. Produktzusatznutzen und Image ergeben gemeinsam ein kaufentscheidendes Identifikationsmuster, das im Rahmen der Strategiengenerierung gestaltet werden muß. Dieses Identifikationsmuster kann durch Qualität, Service, Preis etc. bestimmt sein, es kann aber auch im Sinne sogenannter "emotional patterns" dem Kunden die Möglichkeit bieten, seine Gefühle am Image des Unternehmens und/oder seiner Angebote zu modulieren. Ausschlaggebend ist in jedem Fall, daß die Strategie sachliche und/oder emotionale Bedürfnisse anspricht, daß sie sich klar von Wettbewerberstrategien unterscheidet und daß sie einfach zu kommunizieren ist. Die Strategien-Diskussion bewegt sich aber bislang auf einer relativ abstrakten Ebene. Im Grunde werden vorwiegend strategische Stoßrichtungen diskutiert (vgl. Porter - Wettbewerbsstrategien; Ansoff- Produkt-Markt-Strategien; Portfolio- Normstrategien). Für die Praxis ist es aber zunehmend notwendig zu wissen, wie diese Identifikationsmuster substantiell ausgestaltet sein müssen, um eine möglichst hohe Wirkung erzielen zu können. Der Marketing-Wissenschaft kommt von daher die Aufgabe zu, Implikationen und Voraussetzungen zur Erstellung von Identifikationsmustern
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zu erforschen, auf dieser Grundlage handhabbare Identifikationsmuster zu kreieren, Aussagen zur Verknüpfung von Strategie und Maßnahmen zu machen sowie Antworten auf die Frage zu liefern, wie theoretisch sinnvoll erscheinende Strategien in konkreten Marktsituationen sowohl in organisatorischer als auch in kommunikativer Hinsicht im Unternehmen implementiert werden können. b) Struktur: Die veränderten Rahmenbedingungen und deren auch weiterhin zunehmend raschere Wandel bedingen flexible Organisationen. Da die Strategie der Aufgabe nachkommt, den oder die entscheidenden Wettbewerbsvorteil(e) zu bestimmen, gilt der Leitsatz, daß die Struktur der Strategie zu folgen habe und nicht umgekehrt (structure follows strategy). Aufbauorganisatorisch bedingt dies eine Hinwendung zur Zeltorganisation, in denen als Verhaltensregeln Innovationsorientierung (Entdecke das Neue!), hohe Flexibilität (Sei reaktionsschnell!), Veränderung (Schau nach vorn!) sowie Unordnung und Unsicherheit (Verlerne!) gelten. Abschied zu nehmen ist von sog. Palastorganisationen, die eher von einer stabilen, ihnen wohlwollend gegenüberstehenden Umwelt ausgehen und als Verhaltensregeln die Tradition und Bewahrung (Verteidige deine Position!), die Ordung (Nutze Deine Stellung aus!) und die Berechenbarkeil aufweisen (vgl. Redberg 1984, S. 24; Kasper 1986, S. 117). Dies soll bspw. durch den Verzicht auf formale Elemente in der Organisation erreicht werden. Neben einer Enthierarchisierung gelten das organisierte Chaos oder die Adhokratie als besonders geeignet, die Formalismen in Unternehmen aufzubrechen. Sowohl Dynamik als auch Komplexität der auf das Unternehmen einwirkenden Rahmenbedingungen erfordern, daß aus einem Unternehmen eine lernende Organisation wird (vgl. Senge 1990), was Lernfähigkeit voraussetzt; also die Befähigung, Veränderungen rasch aufzunehmen und zu verarbeiten. "Organisationales Lernen tritt dabei einerseits als individuelles Lernen im organisationalen Kontext auf und zum anderen als kollektives Phänomen der Speicherung von Wissen in organisationalen Subsystemen wie der Kultur (Werte, Normen, Artefakte), der Struktur (Programme, Handbücher) oder der Strategie (strategische Ziele und Verhaltensweisen) (Bea!Haas 1995, S. 407)." Argyris und Schön (1978) unterscheiden nach dem Kriterium des Lerninhalts (was wird gelernt?) drei Lernarten. Beim SingleLoop-Learning (Anpassungslernen) sorgt das Unternehmen lediglich dafür, daß Verhaltensweisen gemäß den Veränderungen der Unternehmensumwelt angepaßt werden. Beim Double-Loop-Learning (Veränderungslernen) werden neben den Verhaltensweisen auch die Denkweisen überprüft und- sofern nötig - verändert. Die einzelnen Mitarbeiter müssen in der Lage sein, bestehende Handlungsmuster zu verlernen. Schließlich ergänzen Agyris/Schön die beiden Lernarten um die Dimension des Deutero-Learning (Prozeßlernen), was nichts anderes bedeutet, als das Lernen zu lernen. Hauptpunkt hierbei stellt die
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Überwindung sog. Defense Routines dar, also Verhaltensmustern, die aus Aversion gegenüber Veränderungen aufgebaut werden und zur lgnorierung von Fehlern und zur Vermeidung von Diskussionen über Verhaltensweisen führen (Argyris 1990; Bea/Haas 1995, S. 407 f.) . Als vorteilhaft im Bereich des Marketing erweisen sich auch vergleichsweise flache Organisationsstrukturen, da dadurch kürzere Informationswege entstehen und die Organisationseinheiten kleiner werden, so daß eine Einbeziehung aller Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse denkbar wird. Schließlich bieten sich gerade im Marketing zeitlich begrenzte Organisationseinheiten wie Projektteams oder job rotation an. Der gesamte Bereich der Marketing-Organisation verharrt aus Sicht der Wissenschaft auf dem Erkenntnisstand der frühen 80er Jahre. Hier besteht hinsichtlich neuer Organisationsformen wie der Team- oder Projektorganisation, aber auch Formen des Organisierten Chaos erheblicher Forschungsbedarf. c) Systeme: Je turbulenter die Zeiten geraten, desto wichtiger wird eine verläßliche Informationsbasis, auf die man Zugriff nehmen kann. Die Marketing-Forschung ist demgemäß weiter auszubauen und innerhalb des Funktionsbereichs Marketing zu stärken. Dazu dienen bspw. bereichsspezifische Analysetechniken wie die Potential-, Konkurrenten-, Markt- und Umfeldanalyse genauso wie. die integrativen Stärken-Schwächen- und Chancen-RisikenAnalyse. Neben diesen stärker die ex-post-Dimension betrachenden Analysen bietet sich der Einsatz sog. Früherkennungssysteme an, deren Ziel in der möglichst frühzeitigen Erkennung, Diagnose und Weitergabe relevanten Wissens liegt. Wichtig in diesem Kontext ist der Hinweis, daß Früherkennungssysteme nicht als eigenständiges Informationssystem verstanden werden, sondern als Ergänzung zu den eigentlichen Informationssystemen. Dies liegt in der abweichenden Zielsetzung begründet. Ziel der Früherkennung ist die frühzeitige Informationsverfügbarkeit und, daraus abgeleitet, die Möglichkeit zur schnelleren Reaktion der betrieblichen Entscheidungsträger (vgl. Muchna 1995, Sp. 720). Durch die Verlängerung der verfügbaren Reaktionszeit können mögliche zukünftige Entwicklungen besser antizipiert, Hinweise auf tendenziell noch verborgene Tatbestände frühzeitiger gegeben und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden. Neben den Früherkennungssystemen fordern seit geraumer Zeit führende Marketing-Vertreter die Implementierung eines Marketing-Controlling, das die Gesamtheit von Management-Teilfunktionen urnfaßt, die die Instrumente
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Andreas Kaapke und Jürgen Kirsch
des Managementzyklus der Planung, Kontrolle, lnformationsversorgung, Personalführung und Organisation durch Informationen koordinieren (ter Haseborg 1995, Sp. 1542). Demgemäß versteht man das Marketing-Controlling als Subsystem, das sich auf die Instrumente des Marketing-Managements bezieht und diese koordiniert. 2. Weiche Faktoren
a) Ein marktorientiertes Unternehmen zeichnet sich durch seinen besonderen Stil aus. Dieser spezifische Marketing-Stil ist beispielsweise durch eine offene Kommunikation gekennzeichnet. Dabei darf nicht übersehen werden, daß diese offene Kommunikationskultur sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens stattfindet. Da das Strategische Marketing sich als partnerschaftlich versteht, gestalten sich auch Verhandlungen zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden in einem offenen Gesprächsklima, bei dem jeder sagen kann, was ihn bewegt bzw. bedrückt. Dadurch schafft das Unternehmen eine Vertrauensbasis, die die bestehenden Kunden an das Unternehmen bindet. ,,Es ist immer teurer, Neukunden zu akquirieren, als die momentanen Kunden zu behalten. Daher ist es wichtiger, seine Kunden an sich zu binden, als neue Kunden zu akquirieren" (Kotler/Bliemel 1995, S. 27). Ein Mittel zur Erreichung dieser Kundenbindung stellt ein Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmen und Kunden dar; die offene Kommunikation trägt dazu maßgeblich bei. Als ähnlich wichtig wie die Vertrauensbasis zu den Kunden erweist sich die Vertrauensatmosphäre innerhalb des Unternehmens. Mitarbeiter, denen Vertrauen entgegengebracht wird, gelten in aller Regel als motivierter und identifizieren sich stärker mit dem Unternehmen. Daß dadurch positive Wirkungen auf das Ergebnis zu vermuten sind, liegt auf der Hand. Häufig spricht man seinen Mitarbeitern dadurch das Vertrauen aus, daß man Verantwortung und Kompetenz delegiert. Schon Peters/Waterman verdeutlichten in ihren Grundtugenden erfolgreicher Unternehmen (vgl. Peters/Waterman 1990; Hörschgen u.a. 1993, S. 112 f.), daß Unternehmen mit einer' Auf den Mitarbeiter kommt es an' -Philosophie den Menschen als Quelle aller Qualitäts- und Produktivitätssteigerungen betrachten und ihn weitgehend in alle Unternehmerischen Informations- und Entscheidungsprozesse einbeziehen. Schließlich weisen Peters/Waterman noch darauf hin, daß besonders ambitionierte Mitarbeiter, sofern man ihnen den notwendigen Freiraum gewährt, ursächliche Quelle für die Innovationskraft von Unternehmen darstellen, die es zu fordern gilt. Besonders wichtig erscheint hier die Intensivierung der Eigenkontrolle zu Lasten der Fremdkontrolle. Allerdings setzt dies Mitarbeiter voraus, die sowohl über die psychologische Reife als auch über die Arbeitsreife verfügen, die
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also Verantwortung übernehmen können und wollen. Neben den üblichen Motivationsinstrumenten materieller und immaterieller Natur schafft die Errichtung einer Leistungskultur den 'Nährboden', auf dem sich Mitarbeiter gegenseitig motivieren. Die Brücke zwischen den endogenen und exogenen Führungsgrundsätzen stellt eine kundenorientierte Personalführung dar. Unabhängig davon, ob es der Mitarbeiter mit einem internen oder externen Partner zu tun hat, muß er ihn als Kunden interpretieren, den es an sich zu binden gilt. Trägt der Mitarbeiter dabei die Ergebnisverantwortung, wird ihm die Kompetenz übertragen, Entscheidungen selbst zu fällen, wird er nur von Zeit zu Zeit im Sinne einer stichprobenartigen Kontrolle überprüft und steht er in einem leistungsförderlichen Wettbewerb zu seinen Kollegen, hat das Unternehmen jene Leistungskultur geschaffen, die für die Sicherstellung des Unternehmensbestands in härter umkämpften Märkten erforderlich scheint. Dabei darf nicht übersehen werden, daß ein Marketing-Stil sich situativ anpassen können muß. So kann es durchaus Situationen geben, in denen Fremdkontrolle notwendig ist oder Entscheidungen ausschließlich von der Unternehmensleitung getroffen werden. Je besser sich jedoch zuvor die oben beschriebene Leistungskultur zu etablieren vermochte, um so leichter fWlkte Wld EntwicklWlgsperspektiven, in: Meffert, li (Hrsg.): Marketing im Wandel, Wiesbaden 1980, s. 201-211. Ra.ffee, R/Fritz, W./Wiedmann, li-P. (1994): Marketing für öffentliche Betriebe, Stuttgart!Berlin/Köln 1994. Scheuch, F. (1982): Dienstleist\Dlgsmarketing, München 1982. Schweitzer, M. (1993): Plan\Dlg Wld Kontrolle, in: Bea, F.X/Dichtl, E./Schweitzer, M. (Hrsg.): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Bd. II: Fühnmg, 6. Auß., Stuttgart 1993, S. 19-102. Senge, P.M. (1990): The fifth Discipline. The Art and Practice ofthe Learning Organization, New York 1990. Staffelbach, B. (1988): Strategisches Marketing von Dienstleist\Dlgen, in: Marketing· ZFP, 10. Jg. (1988), Nr. 4, S. 277-284. Stauss, B. (1987a): Gnmdlagen des Marketing öffentlicher Unternehmen, Baden Baden 1987. -
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Der Stellenwert des Marketing in der betrieblichen Praxis Von Hellmut Kachel
A. Einleitung und Problemstellung Die Situation der Wirtschaft ist - vor allem was die Erste Welt (Europa, Nordamerika, Japan) betrifft - zum einen von einem Verlust der Wachstumsdynantik gekennzeichnet, wie sie noch in den 80er Jahren anzutreffen war, und zum anderen von einer zunehmenden ,,Heterogenisierung" dergestalt, daß sich Konjunkturzyklen und -trends nicht mehr in gleicher Weise durch alle Branchen ziehen und mehr oder weniger alle Unternehmen erfassen. Zu beobachten sind vielmehr deutliche Firmenkonjunkturen, die Winner und Looser sowohl auf den vielen gesättigten und daher stagnierenden oder schrumpfenden Märkten als auch auf Wachstumsmärkten entstehen lassen. Globalisierung der Märkte und damit verschärfter Wettbewerb durch Unternehmen, die aufgrund sehr unterschiedlicher politischer, sozialer und gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen mit ganz anderen Kostenfunktionen arbeiten als die bisherigen Binnenmarktteilnehmer, sind dabei nur eine Ursache des akzelerierenden und sich in den Amplituden verschärfenden Wettbewerbsprozesses. Andere Faktoren sind in den rückläufigen Margen aufgrund der zunehmenden Preistransparenz aufMärkten mit Überkapazitäten und/oder aufgrund immer ungenierter genutzer unterschiedlicher Positionen in der Machtverteilung für die einzelnen Unternehmen in der Wertschöpfungskette zu suchen sowie in der abnehmenden Fähigkeit der Konsumenten und professionellen Einkäufer, Qualitätsunterschiede bei Produkten, die durch Robotereinsatz und weltweite Arbeitsteilung erzeugt wurden, zu erkennen. Der Preis als Entscheidungskriterium gewinnt so an Bedeutung, die Möglichkeiten für eine Differenzierungsstrategie auf der Grundlage des Produkts werden reduziert. Die Liste ließe sich fortsetzen, doch es wird auch so bereits deutlich: Die Zeit der Trittbrettfahrer im Konjunktur- und Wachstumsaufzug ist endgültig vorbei. Der Markt - sowohl im Beschaffungs- wie auch im Absatzbereich - ist die Welt, und wer sich am schnellsten und effektivsten an die sich schnell wandelnden Bedingungen anzupassen versteht und dabei genügend Ressour-
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Hellmut Kachel
cen produziert, um seine Märkte aktiv-gestalterisch und strategisch richtig zu bearbeiten, kann auch in stagnierenden Märkten noch gewinnen. Andererseits können sich selbst gut am Markt etablierte Unternehmen sehr schnell in der Position des gefährdeten Verlierers finden, wenn sie nicht frühzeitig die Signale des Markts aufnehmen und eine antizipative Anpassung ihrer Politiken, Strukturen und Prozesse vornehmen. Die Herausforderungen und Fragestellungen in der betrieblichen Praxis befinden sich im Wandel. Dies läßt auch die Bedeutung des Marketing in den Unternehmen nicht unberührt. Der Prozeß als solcher ist nicht neu, allerdings ist die Geschwindigkeit des Wandlungsprozesses erheblich schneller geworden und damit auch die Fragestellung virulenter: Welchen Veränderungen unterliegt das Marketing in der Praxis, wie kann es weiterhin seine Rolle wahrnehmen, und welche Hilfestellung bietet die Theorieentwicklung, um die betriebliche Praxis im Sinne technologischer Aussagensysteme zu unterstützen? Es soll im folgenden versucht werden, einige Hypothesen zu diesen Fragestellungen auf der Grundlage der betrieblichen Praxis und Empirie zu generieren und mit Hilfe von Plausibilitätsüberlegungen zu belegen. Ziel ist es dabei, ein Stück weit von den täglichen betrieblichen Problemen zu abstrahieren und auch einen Rekurs auf die Entwicklung der Marketing-Theorie insoweit zu nehmen, als Rückschlüsse auf die Interaktion zwischen diesen beiden Bereichen möglich sind.
B. Zur Interdependenz zwischen wissenschaftlicher Theoriebildung und betrieblicher Praxis Bereits ein Blick in einige Beiträge zur "Geschichte des Marketing" läßt unmittelbar erkennen, daß das Konzept des Marketing keine klassifikatorische Festlegung eines bestimmten Sachverhalts ist, sondern daß man es hier mit einem wissenschaftlichen Objektbereich zu tun hat, dessen Definition im Verlauf der Zeit der Entwicklung der Problemstellungen im betreffenden Erfahrungsbereich immer wieder angepaßt wurde. Auf eine detaillierte Untersuchung dieses Sachverhalts soll an dieser Stelle verzichtet werden (vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 1994, S. 3 ff.; Meissner 1995, Sp. 791 ff.). Hinzuweisen ist jedoch auf folgende wesentliche Paradigma-Erweiterungen, die jeweils unmittelbar reale wirtschaftliche und gesellschaftliche Problemdefinitionen aufgegriffen haben bzw. aufgreifen und deren wissenschaftliche ,,Aufarbeitung" wiederum im Rahmen technologischer Aussagensysteme auf den Erfahrungsbereich zurückwirkt.
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Eine wesentliche Änderung der Sichtweise des Marketing wurde in den 50er Jahren eingeführt, als sich der Marketing-Ansatz von einer primären Distributions- und Verkaufsorientierung zur Idee der optimalen Gestaltung eines gesamten Marketing-Mixes weiterentwickelte (4 P's). Diese Focusverschiebung zu einem Marketing-Verständnis " .. .als managementorientiertes Programm für marktgerichtete Aktivitäten... " (Meffert 1992, S. 664) resultierte nicht zuletzt aus dem Bedarf der betrieblichen Praxis, zielorientierter und ganzheitlicher auf Märkten zu agieren, die hohe Potentiale aufwiesen und deren schnelle und konsequente Nutzung durch geeignete Marktbearbeitung rasches Wachstum versprach. In den 60er Jahren wandelten sich in den westlichen Industriegesellschaften die Märkte von Verkäufer- zu Käufermärkten. Die bis dahin vertretene Sichtweise des Marketing reichte nicht mehr aus, um langfristigen Erfolg der Aktivitäten des Unternehmens auf dem Markt zu sichern. In der Folge wurde "...das angebotsorientierte durch das nachfrageorientierte Marketing abgelöst" (Meffert 1992, S. 664) und im wesentlichen eine managementorienierte Betrachtungsweise unter voller Einbeziehung der Verantwortung für Sortiment und Produktpolitik eingeführt. Die besonderen wirtschaftlichen Chancen, die sich aus Wachstumsmärkten in dieser Zeit ergaben, und der spezifische Beitrag, den Marketing als eine Führungsfunktion bei der Entwicklung des Unternehmens und bei der Nutzung der Marktpotentiale leisten konnte, ließen die Marketing-Abteilungen vor allem bei den Konsumgüter-Herstellern groß, die Werbe-Agenturen reich und die Marktforschungs- und Planungsstäbe einflußreich werden. Systematisches, wissenschaftlich fundiertes Marketing wurde von der betrieblichen Praxis gefordert, und man war bis Mitte der 80er Jahre bereit, beträchtliche Ressourcen in Anbetracht der Markterfolge für entsprechende Marketing-Investitionen zur Verfügung zu stellen. Es war in dieser Phase, in der die Notwendigkeit des ,,Primat des Absatzes" (Hörschgen 1992, S. 29) gegenüber den anderen betrieblichen Funktionen gefordert und durch organisatorischen Ausbau der Marketing-Abteilungen augenscheinlich, aber sehr häufig nicht konzeptionell und inhaltlich umgesetzt wurde. Allerdings war Marketing in dieser Phase zwar vom Anspruch her Führungslehre, und die Machtgewichte in den Unternehmen hatten sich auch in der Tat in gewissem Umfang hin zu den Trägern der Marketing-Funktion verschoben, ein Marketing-Denken auf der Top-Management-Ebene wurde jedoch erst gefordert, als in den 80er Jahren als Reaktion auf die Problernsituation eines wachsenden Verdrängungswettbewerbs auf vielen Märkten Michael Porter seine strategischen Ansätze zur Analyse von Märkten und zur Gewinnung von Wettbewerbsvorteilen entwickelte (vgl. Porter 1992, S. 82 ff.). In Porter' s Arbeiten spiegelte sich unmittelbar das Problem der Praxis von Unternehmen, die in bestimmten Segmenten auf Wachstumsgrenzen stießen
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und die daher über ausgefeilte Portfolio-Analysen permanent auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern waren, um weiteres Wachstum zu generieren. In dieser Phase begannen die Geschäftsleitungen, gezwungen durch die festzustellenden Wachstumspausen, Marketing als strategisches Wettbewerbskonzept zu verstehen und selbst mehr Verantwortung für das Marketing ihres Unternehmens zu übernehmen. Erste Reduzierungen der Marketing-Stäbe wurden vorgenommen, da die Top-Manager aufgrundder erforderlichen Ertragssicherungsmaßnahmen häufig bereit waren, Informationen und Daten aus dem Markt durch den Reichtum ihrer eigenen, persönlichen Erfahrungen zu ersetzen. Mehr Beschäftigung fanden jedoch externe Berater, die bei der Strukturierung des strategischen Problems Unterstützung leisteten. In vielen Industrieländern war gegen Ende der 80er Jahre eine deutliche konjunkturelle Abschwächung bei gleichzeitiger Verschärfung des globalen Wettbewerbs durch eine - auch politisch gewollte - Internationalisierung der Wirtschaft und durch eine Beschleunigung des internationalen Informationstransfers auf der Grundlage neuer Kommunikationstechnologien festzustellen. Einzig Deutschland blieb durch die Grenzöffnung zu den Neuen Bundesländern eine gewisse Zeit von dieser Rezession verschont, ist seit 1993 aber ebenfalls einer konjunkturellen Situation ausgesetzt, die sich zwar je nach Branche sowohl zeitlich wie auch im Ausmaß uneinheitlich darstellt, die jedoch inzwischen in fast allen Wirtschaftszweigen nicht nur graduelle, sondern strukturelle Änderungs- und Anpassungsprozesse erforderlich macht. Dieser grundlegende Wandel in den Herausforderungen der betrieblichen Praxis beruht auf der einfachen Tatsache, daß Margen- und Ertragsprobleme nur in wenigen Fällen noch durch Wachstum oder Diversifizierung in andere Produktbereiche im Rahmen einer Portfoliostrategie gelöst werden konnten, sondern daß ohne eine schnelle, deutliche und nachhaltige Steigerung der Effektivität und Effizienz der Leistungserstellung und die daraus resultierende Kostensenkung keine befriedigende Rentabilität mehr erreicht werden kann. Diese Verschiebung im Management-Focus wurde relativ schnell von den Vertretern der Produktions- und Prozeßtheorie, der Organisationstheorie und der Management-Theorie aufgegriffen und wissenschaftlich aufgearbeitet. So sehen Harnmer/Champy drei Haupt-Einflußfaktoren für "the crises that will not go away" (vgl. Harnmer/Champy 1993, S. 18 ff.): Customers take charge, Competition intensifies, Change becomes constant. Die Dringlichkeit der Thematik forderte dabei auch die schnelle Rezeption japanischer Erfahrungen und Konzepte (vgl. Imai 1992, S. 21 ff.). Die praktischen Auswirkungen dieses Downsizing-Ansatzes im Gefolge ausbleibender Innovationen und von Markt-Sättigungserscheinungen auch für das Marketing der Unternehmen sind- sowohl funktional als auch organisational - teilweise massiv. Ihr Einfluß
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auf die Fragestellungen der Marketing-Wissenschaft ist jedoch derzeit primär im Bereich der grundlegenden Positionierung des Marketing im Unternehmen als strategisches Führungs- und Orientierungskonzept für das Top-Management auszumachen, bei dem die ,,.Doppelfunktion des Marketing als betrieblicher Absatzfunktion und Unternehmensphilosophie ... den Kern des Marketing als marktorientiertes, integriertes Führungskonzept" (Meffert 1992, S. 665) bildet. Die Thematik der Notwendigkeit eines unter den Aspekten der Schnelligkeit, wettbewerbliehen Flexibilität und Ressourcen- bzw. KostenEffizienz optimierten Marketing-Mixes im schwerpunktmäßig operativen Gestaltungsbereich findet sich als Gegenstand der wissenschaftlichen Arbeiten noch bei weitem nicht mit dem Stellenwert, der ihm in der betrieblichen Praxis zugemessen wird. Hier ist beispielsweise an schnelle, kostengünstige Marktforschungs-Instrumente oder an hocheffizientes, outgesourctes MicroMarketing zu denken. Trotz dieser einschränkenden Bemerkung in bezug auf die neuesten Entwicklungen kann zusammenfassend festgehalten werden, daß die Interdependenzen zwischen den Entwicklungen und den Problemstellungen der betrieblichen Praxis und der Theoriebildung im Marketing stark ausgeprägt und auch die zeitlichen Kontingenzen signifikant sind. Dies läßt sich auch u.a. sehr gut nachvollziehen, wenn man die Themenstellungen der AMA Educators' Conference ,,Marketing Theory and Applications" aus dem Jahr 1984 mit denjenigen aus dem Jahr 1995 vergleicht (vgl. Belk 1984; Steward/Vilcassim 1995): 1984 Customer Orientation Service Strategy International Marketing! Globalisation/Cross-Culture Competitive Structure Total
Zahl der Artikel 1995 %
%
2
2
8 5
6 4
2 1
2 1
18 3
14 2
95
100
128
100
Die deutlichste Schwerpunktverschiebung ergab sich demnach im Bereich Globalisierung und Customer Orientation. Dies entspricht durchaus den Entwicklungen der Problemstellungen, vor die sich die Entscheidungsträger der betrieblichen Praxis gestellt sehen. Interessant ist dabei jedoch, daß das Thema Kostensenkung!Reengineering!Restructuring als Thematik in der MarketingTheorie kaum schwerpunktmäßigen Niederschlag in den Proceedings findet, obwohl es derzeit ganz oben auf der Agenda einer Mehrzahl der Unternehmen steht. Dies unterstreicht die weiter oben getroffenen Feststellungen, daß die
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betrieblichen Problematiken insbesondere im Bereich des operativen Marketing sich aktuell nicht in vergleichbarer Breite im wissenschaftlichen Bereich wiederfinden.
C. Die Unternehmenspraxis nach der Focusverschiebung vom Wachstums- zum Kostenmanagement Im Zuge der Marktsättigungs- und Globalisierungstendenzen seit Ende der 80er Jahre blieb das Marketing in den Unternehmen von den strukturellen Anpassungserfordernissen nicht ausgenommen. Diese richteten sich primär auf ein rigides Kostenmanagement, um bei sinkenden Margen die Wettbewerbsfähigkeit am Markt zu erhalten. Gleichzeitig verlangte die wachsende Transparenz auf vielen Märkten sowie die steigenden Anforderungen der Abnehmer eine zunehmende Kundenorientierung, um Marktanteile zu erhalten oder auszubauen. Es ist heute kaum ein Restrukturierungs-Programm denkbar, das nicht gleichzeitig das Thema ,,Erhöhung der Kundenorientierung" anzusprechen versucht. Für die Marketing-Praxis hat diese Entwicklung verschiedene Konsequenzen: Im Rahmen der Überprüfung aller Ressourcen in den Unternehmen im Hinblick auf ihren mittelbaren und unmittelbaren Beitrag zur GesamtZielerreichung werden die Marketing-Abteilungen - und vor allem die mit ihnen direkt oder indirekt verbundenen Stabsabteilungen (z.B. Marktforschung, Mediaeinkauf, Strategische Planung) - teilweise oder ganz eliminiert, reduziert und/oder outgesourct. Diese Schwächung der internen MarketingFunktion ist dabei häufig nicht so sehr strategisch begründet, sondern folgt eher einem Zwang zur kurzfristigen Ertragssicherung. Im Ergebnis jedoch macht die Motivation für eine solche Maßnahme keinen Unterschied: Dort, wo die Erfüllung der Aufgaben nicht durch erhöhte Effizienz und Effektivität aufgefangen wird, gehen Systematik der Entscheidungstindung und Qualität der operativen Marketing-Maßnahmen tendenziell zurück. Dies favorisiert erfahrungsbegründete Entscheidungs-Inputs, die stärkere Einbeziehung von Dienstleistern, die Gefahr einer sinkenden Professionalität in allen operativen Marketing-Aktionsbereichen sowie ein tendenziell erhöhtes Risiko in allen Marketing-Entscheidungen. Die sowohl physische wie auch Organisationale Reduktion der in den operativen Marketing-Prozeß eingebundenen Stellen sowie der GesamtKomplexität des Prozesses hat selbstverständlich auch die (erwünschte) Konsequenz der Beschleunigung von Marketing-Entscheidungen, sofernjetzt nicht die - wegen des erhöhten Risikos und der geforderten Schnelligkeit - zunehmend mit Marketing-Entscheidungen befaßte Geschäftsleitung zum neuen
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klassischen ,,Bottleneck" im Marketing-Prozeß wird. Hier besteht die Gefahr einer Ressoucenverschiebung: Während man den operativen MarketingAbteilungen die Stäbe "wegrationalisiert", schafft man sich auf der Ebene der Geschäftsleitung neue Stäbe, die exakt das auf dieser Ebene der Entscheidungstindung tun, was vorher in der Fachabteilung im Rahmen der Entscheidungsvorbereitung - in aller Regel systematischer - stattgefunden hat. Entgegen der Auffassung der Schnelligkeits-Apostel, die sich in den letzten zehn Jahren zu Wort gemeldet haben, war es im Geschäftsleben schon immer ein Wettbewerbsvorteil - und damit auch ein relevanter Erfolgsfaktor -, schneller zu sein als die potentiellen oder tatsächlichen Wettbewerber. Das nicht gerade neue Sprichwort "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" hat ja auch einen geschäftlichen Hintergrund! Es läßt sich allerdings feststellen, daß Schnelligkeit aller Geschäftsprozesse in einem wirtschaftlichen Umfeld, in dem Informationsdiffusion und -zugang für alle Marktteilnehmer über neue Medien fast ohne Zeitverzögerung erfolgt, und in dem deshalb technisch, design-mäßig, rechtlich oder auf sonstige Weise begründete zeitliche Vorsprünge bei der Einführung neuer Produkte oder Dienstleistungen nur mehr von sehr kurzer Dauer sind, sicher an Bedeutung zugenommen hat. Die Innovationsgeschwindigkeit - sowohl im Bereich der Produkte als auch im Bereich der Prozesse - wird daher höher (bei tendenziell geringeren internen Marketing-Ressourcen) und nimmt, ebenso wie die Schnelligkeit der flexiblen Anpassung aller betrieblichen Prozesse und Strukturen an die Markt- und Wettbewerbersituation, heute eindeutig den Rang eines kritischen Erfolgsfaktors ein, ohne dessen Beachtung die unternehmefische Zielerreichung kaum mehr möglich ist und dessen "Toleranz- oder Indifferenzbereich" deutlich abgenommen hat. Erhöhte Schnelligkeit bei gleichem Ressourceneinsatz in der Entscheidungsvorbereitung und im operativen Marketing bedeutet ceteris paribus steigendes unternehmerisches Risiko. Ausbildung, berufliche Qualifikation und Motivation des gesamten mit dem Marketing-Prozeß befaßten Personals wird daher zu einer Anforderung, die aufgrund der Zentralität des Marketing fur den Unternehmenserfolg als Ganzes immer wichtiger wird und deren Erfüllung zum engsten Aufgabenkatalog des Top-Managements eines Unternehmens gehört. Gerade wenn man häufig mit großen, traditionell primär im klassischen Bereich arbeitenden Werbeagenturen zu tun hat, wird einem bewußt, wie weit sich die Realität auf den Warenmärkten von den teilweise vor ca. zwanzig Jahren geprägten Vergehensweisen dieser Organisationen entfernt hat. Dies demonstriert schlaglichtartig, weshalb sich im letzten Jahrzehnt eine Spezialisierung in der Wahrnehmung der Kommunikationsaufgaben eines Unternehmens herausgebildet hat, die teilweise auch so in den internen Organisa-
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tionen abgebildet wird: Die eher unter der organisatorischen Stellenbezeichnung der "Verkaufsförderung" zusammengefaßten Aktivitäten werden heute überwiegend von Agenturen wahrgenommen, die sich auf das below-the-line Geschäft spezialisiert haben und für die Schnelligkeit ein wesentliches Element ihrer Dienstleistung ist. Dabei ist zu beobachten, daß durch die Notwendigkeit der permanenten Aktivität auf den Märkten das Aufgabenspektrum dieses Bereichs - zu Lasten der klassischen Bereiche - immer breiter und anspruchsvoller wird. Die Aufgaben der Markenführung und der klassischen Werbung werden intern auf wenige Stellen reduziert (teilweise nur noch vom Top-Management selbst wahrgenommen, s.u.) oder sie werden in multinationalen Konzernen zentral für alle Geschäftseinheiten in den verschiedenen Ländern gemanagt. Zurückgehendes Wachstum in den Unternehmen und enger werdende Preisspielräume auf der einen Seite, strategische Fragestellungen in bezugauf die zukünftigen Erfolgsaussichten für bestimmte Geschäftsfelder und die optimale Abstimmung von Marktchancen für bestimmte Produktangebote und der Ressourcen- und Kern-Kompetenzstruktur des Unternehmens auf der anderen Seite haben gerade in den letzten Jahren dazu geführt, daß die Findung und Definition sowohl der Geschäfts-Strategie als auch der wesentlichen Inhalte der Marketing- und Marken-Strategie von der Geschäftsleitung an sich gezogen wurde. Damit werden auch wesentliche inhaltliche Entscheidungen des Marketing heute sehr häufig nicht mehr von Managern in einer spezialisierten Marketing-Organisation in den Unternehmen, sondern von den TopManagern auf der ersten Führungsebene als Teil ihrer originären Aufgabe, das gesamte Unternehmen in allen Funktionsbereichen kunden- und marktorientiert zu führen, wahrgenommen. Diese Entwicklung hin zur Anerkennung von Marketing als Führungskonzeption (vgl. Nieschlag!Dichtl/Hörschgen 1994, S. 23) und damit zur Stärkung der Marketing-Idee auf der Ebene der Geschäftsleitung wurde in der Tendenz durch die Strukturkrise auf vielen Märkten eher gefördert, in die in der Folge viele Unternehmen hineingeraten sind. Es ist allerdings häufig festzustellen, daß die Auflösung oder deutliche Reduzierung der unabhängig von anderen Abteilungen operierenden MarketingOrganisation im Unternehmen und die Entwicklung eines Selbstverständnisses der Gesamtorganisation als Marketing-Organisation dazu führt, daß in ertragsmäßig sehr angespannten Zeiten dann doch in erheblich geringerem Umfang als bisher marketingrelevante Belange Beachtung im Unternehmen finden, weil die zur Verfügung stehende Aufmerksamkeit des TopManagements sich nicht in ausreichendem Umfang auf die Marketing-, sondern auf die Restrukturierungs-Aufgaben und auf die Aktivitäten zur kurzfristigen Kostensenkung richtet.
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Der Übergang des Schwerpunkts der Herausforderungen für die Unternehmen vom Wachstums- zum Kostenmanagement ab Ende der &Oer Jahre hat somit ein durchaus ambivalentes Bild der Entwicklung des Stellenwerts des Marketing in der betrieblichen Praxis hervorgebracht: Während einerseits die institutionalisierten Marketing-Funktionen im Ralunen der Reduktion der Marketing- und der Marketing-Services-Abteilungen in der Mehrzahl der Unternehmen eher geschwächt wurden und an Einfluß verloren haben, fand gleichzeitig Marketing als Führungskonzeption im Bewußtsein und im Handeln vieler Firmenleitungen eine erheblich gestiegene Akzeptanz und Verbreitung. Dies dokumentiert sich auch in besonderer Weise in den vielen Programmen zur Förderung der Kundenorientierung und läßt sich an einigen konkreten Fällen exemplifizieren: Eine Reihe von Firmen in den USA, darunter Lever Brothersund Elida Gibbs, haben ihre Marketing-Abteilungen aufgelöst und die Posten des Marketing-Direktors und Brand-Managers abgeschafft (vgl. o.V. 1994, S. 71 f.). Auch McKinsey hatte in einer Studie im Jahr 1993 argumentiert, daß große Marketing-Abteilungen oft ein Mühlstein am Hals eines Unternehmens wären (".. .large marketing departments, which far from being an asset, are often a millstone around an organisation' s neck"; Brady/Davis 1993, S. 15). Ob diese Situation insgesamt zu einer Stärkung oder eher zur Schwächung des Marketing in der betrieblichen Praxis beigetragen hat, kann nur vor dem Hintergrund jeweils eines spezifischen Unternehmens beurteilt werden. Die tendenzielle Schwächung des Professionalisierungsgrads der MarketingAbteilungen in den Unternehmen in der Folge der Dominanz des Kostenmanagements in den letzten zehn Jahren hat nach Ansicht des Verfassers im wesentlichen aus zwei Gründen zu einer tendenziellen Verminderung des Stellenwerts des Marketing in der Praxis geführt: - Die Wachstumskrise in den westlichen Industrieländern erzeugt, verbunden mit den beschleunigten Marktprozessen und den in kürzeren Abständen zu bewältigenden Strukturanpassungen, einen Management-Druck, der bei knapper werdenden Ressourcen in den Einzelwirtschaften die Aufmerksamkeit der Geschäftsleitungen immer wieder schwerpunktmäßig auf kurzfristiges Krisenmanagement lenkt. In einer solchen Situation bleibt systematisches und professionelles Marketing hinter seinen Möglichkeiten zurück, wenn es nicht in ausreichender Form im Unternehmen organisatorisch institutionalisiert ist. - Die Marketing-Theorie hat es versäumt, schnell auf die Thematik der Strukturveränderung in der Wirtschaft zu reagieren und Instrumente und Verfahren zu entwickeln, die einfacher, schneller und kostengünstiger zu professionellen Ergebnissen führen als die Instrumente aus der Wachstumszeit. Zu denken wäre hier an einfachere und schnellere Markttest- und
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Copytestverfahren, Panels, Instrumente zur Unterstützung einer hohen Innovationsgeschwindigkeit bei der Neuproduktenwicklung etc. Gerade für kleinere und mittlere Firmen könnte der Ansatz eines solchen "SpeedMarketing" von Nutzen sein. Zu einem nicht ganz unverwandten Resumee kommt "The Economist", wenn er zusammenfassend schreibt: " .. .companies have found it easier to pull apart an outdated marketing department than to decide what to put in its place. Even when the Te-organisations seem to work. .. they hardly constitute a universal model for how firms should approach marketing.... Marketing' s mid-life crisis is far from over" (o.V. 1994, S. 71). Dem Anspruch der MarketingTheorie, daß sie sich als ganzheitliches, marktorientiertes Führungskonzept entwickelt, "das sich auf sensible und realitätsbezogene Weise dem Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft und der jeweiligen Marktdynamik anpassen muß" (Meissner 1995, Sp. 797), werden die technologischen Aussagensysteme (vgl. Raffee 1995, Sp. 1678; Kachel 1983, S. 2 f.) der Marketing-Wissenschaft derzeit offensichtlich nicht vollständig gerecht.
D. Die Aufgabe des Marketing im Übergang zur Post-Restrukturierungsphase Es scheint inzwischen wieder zum Allgemeingut der Verantwortlichen in den Unternehmen zu werden, daß die langfristige Sicherung der Prosperität einer Einzelwirtschaft ab einer bestimmten Betriebsgröße primär über Wachstum erreichbar ist. Genauso wie es ein ,)andmark book" zur Restrukturierungs-Ära gab (vgl. Hammer/Champy 1993), liegt nunmehr ein ebensolches zur Einläutung dieser Post-Restrukturierungsphase vor (vgl.Gertz/Baptista 1995; vgl. auch die Kolumne ,,Management Focus" in "The Economist" vom 10.2.1996, derzufolge in einer Umfrage 94% der Top-Manager Wachstum als Raupt-Unternehmensziel nannten und nur 45% ihre Ziele- primär Gewinnerhöhung- mit der gewählten Downsizing-Strategie erreicht hätten). Da sich Wachstum aber nur über neue Kunden, neue Märkte, innovative Produkte und eine kreative Kommunikation mit den Endabnehmern - unabhängig davon, ob es sich um Investitions- oder Konsumgüter handelt - erzielen läßt, wird unmittelbar einsichtig, daß dem Marketing in den nächsten Jahren wieder eine steigende Aufmerksamkeit in der betrieblichen Praxis gewidmet werden wird. Dabei werden diejenigen Unternehmen einen gewissen Vorteil verbuchen können, die nicht nur zu einem professionalisierten MarketingAnsatz zurückkehren, sondern denen es darüber hinaus gelingt, Schnelligkeit und Effizienz durch die Konzentration auf die Schlüsselfaktoren für den Markterfolg sowie durch die Anwendung geeigneter, an den Erfordernissen
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des heutigen Wettbewerbs ausgerichteter Instrumentarien im Marketing-Mix im Rahmen ihrer Gesamtmarktbearbeitung (Direkt-Marketing, MicroMarketing, Electronic-Marketing etc.) zu erzielen. Die Heterogenität der einzelnen Märkte sowohl nach Branchen, Produkten, Regionen und Nationen als auch nach den immer schwieriger typologisierbaren Käufergruppen sowie die weiter steigende Komplexität des Verbraucherverhaltens (die Verbreitung des Phänomens des hybriden Verbrauchers ist hier nur als eine, wenngleich sehr wichtige Entwicklung zu nennen) hat zur Konsequenz, daß das Targeting der Marketing-Maßnahmen auf die einzelnen Zielund Subzielgruppen zukünftig noch präziser werden muß, um die Effektivität zu erhöhen und Streuverluste zu vermeiden. Dabei ist Heterogenität auch in der zeitlichen Dimension zu verstehen: Was sich unter bestimmten Umfeldbedingungen als erfolgreiche Strategie erweist bzw. erwiesen hat, kann u. U. in der nächsten Entwicklungsphase bereits ungeeignet sein, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Da sich die situativen Einflußfaktoren :fiir Erfolg und Mißerfolg in kontinuierlichem und schneller werdenden Wandel befinden, gehen allgemeine ,,Rezept"-Lösungen zunehmend ins Leere. Freeling geht daher in einer sehr interssanten Betrachtung über die Krise des Marketing in der Praxis von vier Faktoren aus, die :fiir das Marketing in der zweiten Hälfte der 90er Jahre von Bedeutung sein werden (vgl. Freeling 1994, S. 97 f.): -
Marketing wird zum ,,Key Lever" (Haupthebel) :fiir zukünftige Ertragssteigerung.
-
Marketing wird insgesamt eine ,,Broader and Deeper Perspective" realisieren müssen, das bedeutet die Zugrundelegung eines Gesamt-Systemansatzes :fiir die Bestimmung der optimalen Wertschöpfungskette des Unternehmens im Hinblick auf die Marktgegebenheiten ebenso wie ein profunderes Verständnis :fiir den Kunden und seine Verhaltensweisen, die zunehmend situationsspezifisch geprägt sind.
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Die ,,Marketing Roles" im Unternehmen werden neu zu definieren sein; flexible und multifunktionale Team-Ansätze zur Unterstützung eines kontinuierlichen Change Management werden die gegenwärtigen statischen formalen Organisationsformen im Marketing ablösen.
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Dem Gesamtkontext ,,Marketing Research" wird im Rahmen dieser Veränderungen eine wichtige Rolle zukommen, sofern es zum echten "Integrator" wird.
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Hellmut Kachel
Auch nach dieser Auffassung bleiben aufgrund der Komplexität und der Dynamik der Geschäftsprozesse die People Skills - allen voran Begeisterung (,,Passion") und Urteilskraft (,,Judgement") - die wesentlichen Treiber erfolgreichen Marketings in den 90er Jahren. An eine einfache Rückkehr zum stabsund entscheidungsprozeßverliebten Marketing der 70er und frühen 80er Jahre ist in einer Welt des globalen Wettbewerbs nicht zu denken.
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Der Stellenwert des Marketing in der betrieblichen Praxis
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Dritter Teil
Die Nutzung von Erkenntnissen aus Nachbardisziplinen in der Marketing-Wissenschaft
Die Schnittstelle zwischen Marketing und Management Ansatzpunkte für eine Verknüpfung von Marketing und Management Von Ralf Steinbach
A. Einleitung Wie bei kaum einer anderen Disziplin der Betriebswirtschaftslehre handelt es sich beim Marketing um eine "offene" Wissenschaft, die in starken wechselseitigen Beziehungen zu anderen Bereichen, z.B. der Soziologie oder der Psychologie, steht und sich deren Erkenntnisse zunutze macht. Darüber hinaus bietet die Marketing-Technologie auf Grund des heute vorherrschenden "generischen" Marketing-Verständnisses (vgl. Kotler 1972), wonach Marketing ein allgemeingültiges Konzept zur Steuerung zwischenmenschlicher und gesellschaftlicher Prozesse verkörpert (vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 1994, S. 25), aber auch eine Möglichkeit, zur Problemlösung in anderen wissenschaftlichen Bereichen beizutragen. Betrachtet man die Unternehmensfohrung bzw. das Management als einen solchen wissenschaftlichen Bereich, der in einem "Erkenntnisaustausch" mit dem Marketing steht, so stellt sich zunächst die Frage nach der Richtung der Beeinflussung bzw. Nutzung von Erkenntnissen. Gerade diese Überlegung wirft aber die seit langer Zeit und in jüngster Vergangenheit mit zunehmender Intensität geführte Diskussion einer Über- bzw. Unterordnung von Marketing bzw. Management erneut auf (vgl. hierzu z.B. Kirsch!Trux 1983~ Engelhardt 1985~ Raffee/Wiedmann 1989 sowie die Beiträge in Rühli/Wehrli 1986). Ohne sich an dieser letztlich auf das Verteidigen von Positionen hinauslaufenden Diskussion zu beteiligen, sollen in diesem Beitrag einige Überlegungen dahingehend angestellt werden, daß gerade vor dem Hintergrund der Anforderungen, die in der heutigen Wirtschafts- und Wettbewerbssituation an die Unternehmen gestellt werden, die Vernetzung von Marketing und Management und so eine synergetische Nutzung der Potentiale beider Bereiche eine wesentliche
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Ralf Steinbach
Erfolgsvoraussetzung darstellt (vgl. hierzu Hörschgen/Steinbach 1995, S. 37 ff.; Steinbach 1996). Im Hinblick auf diese Gesamtausrichtung des Beitrags werden in einem an diese Einleitung anschließenden zweiten Abschnitt beide Betrachtungsbereiche, das Management und das Marketing, näher analysiert, um so Schnittstellen zwischen beiden Bereichen identifizieren und Ansatzpunkte für eine Vernetzung von Marketing und Management aufzeigen zu können. In einem dritten Abschnitt sollen dann verschiedene Erkenntnisse diskutiert werden, die zwar vorwiegend dem Management entstammen, aber nutzbringend im Marketing Anwendung finden (können). Diese hier betrachteten Aspekte belegen somit die These einer möglichen Verknüpfbarkeit beider Bereiche, die faktisch in der Praxis bereits vollzogen zu sein scheint. Zudem wird dadurch die in der Wissenschaft vertretene Meinung einer prinzipiellen Unvereinbarkeit von Marketing und Management in Frage gestellt. Ein kurzes Fazit in Abschnitt vier beendet diesen Beitrag.
B. Analyse von Schnittstellen zwischen Management und Marketing I. Management als Betrachtungsgegenstand 1. Verständnis von Management
Der aus dem anglo-amerikanischen Sprachgebrauch in die deutsche Betriebswirtschaftslehre übernommene Begriff "Management" wird heute in zwei Bedeutungsvarianten verwendet: -
Management im institutionalen Sinne umschreibt jene Personen bzw. Personengruppen, die Management im funktionalen Sinne betreiben. Hierbei handelt es sich demnach um Unternehmensangehörige, die in der oberen Unternehmenshierarchie angesiedelt sind und Führungsaufgaben erfüllen (vgl. Bleicher 1994, S. 33; Staehle 1991, S. 65).
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Management im funktionalen Sinne bezieht sich auf Prozesse und Aufgaben im Führungsbereich einer Organisation, die notwendig sind, um die gesetzten Ziele zu erreichen (vgl. Koreimann 1982, S. 10; Steinmann 1981, S. 1; Pörner 1989, S. 8). Diese Auffassung von Management wird auch diesem Beitrag zugrunde gelegt.
Die Schnittstelle zwischen Marketing \Uld Management
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Management läßt sich- wie Mellerowicz es formuliert- als "systematisches, nach unternehmenspolitischen Grundsätzen durchgeführtes, zweckbestimmtes und planendes, koordinierendes und kontrollierendes Handeln" beschreiben (Mellerowicz 1963, S. 43). Eine stärker die Unternehmerischen Rahmenbedingungen integrierende Sichtweise des Begriffs ,,Management" findet sich bei Malik, für den es beim Management "um Gestalten und Lenken von soziotechnischen Systemen geht, ( .. wobei .. ) das Grundproblem von Management in der Beherrschung von Komplexität zu sehen ( ..ist)" (Malik 1992, S. 37). Welche Aufgaben dem Management zukommen, zeigt Ulrich (1984) auf, der diese in der Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von Systemen sieht (vgl. auch z.B. Tosi/Carroll 1976, S. 4; Koontz/O'Donnell 1968, S. 3 ff.; Mattes 1992, S. 211). Die Gestaltung bezieht sich dabei auf das (gedankliche) Entwerfen eines Modells der Institution, um diese als Objekt gewissermaßen zu vergegenständlichen und als handlungsfähige Einheit zu konzipieren. Bleicher konkretisiert diesen Gestaltungsaspekt, indem er darunter die Gestaltung eines institutionellen Rahmens sieht, der es ermöglicht, eine handlungsfähige Ganzheit über ihre Zweckerfüllung überlebens- und entwicklungsfähig zu erhalten (vgl. Bleicher 1994, S. 32). Lenkung zielt darauf ab, das Unternehmen in die Lage zu versetzen, aus dem durch die Gestaltung festgelegten Bezugsrahmen zur Erreichung der Ziele adäquate Verhaltensweisen auszuwählen und zu verwirklichen. Hierbei handelt es sich um das Bestimmen von Zielen sowie das Festlegen, Durchführen und Kontrollieren zielgerichteter Aktivitäten. Die Aufgabe der Entwicklung ergibt sich aus der Erkenntnis, daß sich komplexe soziale Systeme nicht von sich aus gestalten und planen, sondern daß diese Fähigkeit nur über die Zeit hinweg entwickelt und auch verändert werden kann. Demnach ist die Entwicklung einerseits das Ergebnis von Gestaltungs- und Lenkungsprozessen im Unternehmen im Zeitablauf, andererseits erfolgt die Entwicklung über sich selbst generierende Prozesse evolutorisch durch Veränderungen von Einstellungen, Wissen und Fähigkeiten im Rahmen kollektiver Lernprozesse. Versucht man diese grobe Skizzierung des Begriffs "Management" zu reflektieren, so wird deutlich, daß hier eine primäre Innenorientierung des Unternehmerischen Handeins vorliegt, die sich an der Gestaltung, Steuerung und auch Weiterentwicklung der unternehmensinternen Prozesse und Potentiale ausrichtet. Dieses Managementverständnis spiegelt sich auch im nachfolgend darzulegenden Entwicklungsverlauf der Management-Wissenschaft wider.
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Ralf Steinbach
2. Evolution der Management-Wissenschaft Ohne an dieser Stelle auf die in der Literatur umfangreich dargelegte historische Entwicklung des Managements und der Management-Wissenschaft im einzelnen einzugehen (vgl. z.B. Hopfenheck 1992, S. 40 ff.; Staehle 1991, S. 3 ff.; Wöbe 1993, S. 57 ff.; Macharzina 1995, S. 34 ff.), läßt sich der Ursprung der Auseinandersetzung mit Fragen des Managements auf die Aniange der Industrialisierung um 1750 in England zurückverfolgen. Ausgehend von einer primären Fokussierung auf produktionswirtschaftliche Fragestellungen wurde nach und nach in allen anderen heute gebräuchlichen betrieblichen Funktionen wie Einkauf, Personalverwaltung, Finanzierung und Absatz ein Bedarf für Management erkannt. Durch die Expansion sowie die zunehmende Trennung von Eigentum und Unternehmensführung entwickelte sich die Funktion des Managers; zudem wurden Management-Techniken hervorgebracht, die die betrieblichen Funktionen der Planung, Organisation und Kontrolle bewältigen helfen sollten (vgl. Staehle 1991, S. 10). Neben einer anfangliehen Orientierung an der militärischen Führung entwickelte sich dazu Anfang des 20. Jahrhunderts eine zunehmende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Management, die vor allem durch die Arbeiten Taylors (1911) zum Scientific Management geprägt wurde. Ausgehend von dieser ersten wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Führung von Unternehmen forderte man im Laufe der Zeit weitere heute als "traditionell" bezeichnete Konzepte wie die bürokratischen Ansätze, die physiologisch-psychologischen Ansätze oder auch die sozialpsychologischen sowie die soziologischen Ansätze zutage. Interessant bei diesen, wie auch bei den als "modern" bezeichneten verhaltenswissenschaftlichen, entscheidungsorientierten, systemtheoretischen oder situativen Ansätzen ist, daß zwar die inhaltliche Fokussierung dessen, "wie" Management gestaltet sein sollte, stark divergiert, die Zielrichtung und somit auch die primäre Aufgabenstellungbei allen Ansätzen aber nahezu unverändert ist. Diese Feststellung läßt den Schluß zu, daß Management über die einzelnen Stufen seiner wissenschaftlichen Evolution hinweg nach wie vor die Gestaltung, Steuerung und Weiterentwicklung unternehmerischer Prozesse, Handlungen und Potentiale zum Inhalt hat, um so die langfristige Unternehmensexistenz zu sichern. Auch machen die verschiedenen Ansätze deutlich, daß sie bei der Frage nach dem "wie" des Managements vielfach jenen Gestaltungsgrößen eine Schlüsselbedeutung beimessen, die zum Zeitpunkt der Entstehung des jeweiligen Ansatzes intensiv in der wissenschaftlichen Diskussion standen. Zu denken ist hierbei beispielsweise an die dominante erfolgskritische Bedeu-
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tung der Human-Ressourcen in verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen. Zudem fällt auf, daß sich diese Ansätze nahezu ausschließlich an solchen Faktoren ausrichten, die dem Innenbereich von Unternehmen zurechenbar sind (z.B. Entscheidungsverhalten, Human-Ressourcen, Unternehmenskultur), ohne dabei auf unternehmensexterne Bezugsgruppen wie z.B. die Kunden eines Unternehmens, dessen Wettbewerber oder die Lieferanten Bezug zu nehmen. Eine bewußte Außenorientierung, d.h. eine Integration der Anforderungen der externen unternehmefischen Rahmenbedingungen läßt das Management hingegen vermissen. Erst die zunehmende strategische Ausrichtung des Managements als ein auch an den externen Bezugsgruppen orientiertes ganzheitliches Konzept der Unternehmensführung trägt - wie die Überlegungen in Abschnitt C.4. noch zeigen werden - zu einer "Öffnung" des Managements bei und führen dazu, daß neben der bestehenden "Inside-In-Sichtweise" zunehmend auch eine "Outside-In-Sichtweise" etabliert wird. Macharzina kennzeichnet diese umfassendere Sichtweise dadurch, daß er dem Management die Aufgabe der "Unternehmens-Umwelt-Koordination" zuspricht und so zum Ausdruck bringt, daß dem Management die Funktion zukommt, durch eine Gestaltung unternehmeTischer Prozesse, Handlungen und Potentiale Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Anforderungen der Umwelt, d.h. der unternehmensexternen Bezugsgrößen (Mikro- und Makro-Umwelt) entsprechen (vgl. Macharzina 1995, S. 6 ff.). Gerade diese Außenorientierung im Management knüpft dabei aber an die Potentiale des Marketing an, das ja dadurch charakterisiert ist, daß es sich an den Anforderungen, Bedürfnissen und Erwartungen von (externen) Bezugsgrößen ausrichtet und diese in den marktgerichteten Handlungen zu berücksichtigen versucht. Insofern hat es den Anschein, als ließe sich Marketing als eine zentrale Methode herausstellen, durch die das Management sein Defizit an Außenorientierung kompensieren könnte und sich so die Möglichkeit schafft, den Anforderungen der externen Rahmenbedingungen bei der Gestaltung unternehmensinterner Prozesse, Handlungen und Potentiale Rechnung zu tragen.
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ll. Marketing als Betrachtungsgegenstand 1. Verständnis von Marketing
Anders als das Management, das im Laufe seiner Entwicklung eine gewisse Konstanz in der inhaltlichen Ausrichtung bewahrt hat, ist das Marketing durch zahlreiche, z.T. gravierende Veränderungen seiner Inhalte, Grundausrichtungen und auch Ziele gekennzeichnet. Dies wirkt sich sowohl auf das verwendete Marketing-Instrumentarium als auch auf die Anwendungsgebiete und das "Selbstverständnis" des Marketing aus. Insofern spiegelt der nachfolgend dargelegte Entwicklungsverlauf auch die Veränderungen des MarketingVerständnisses wider. 2. Evolution der Marketing-Wissenschaft
Wenngleich auch der Entwicklungsverlauf des Marketing einen vieldiskutierten und vor allem häufig erörterten Sachverhalt darstellt (vgl. z.B. Hörschgen!Steinbach 1995, S. 31 ff; Magyar 1985, S. 21 ff.; Meffert 1994, S. 3 ff. ; Diller 1995, S. 3 ff.), so erscheint es im Hinblick auf die Zielsetzung, Ansatzpunkte für eine Verknüpfung von Marketing und Management aufzuzeigen, unerläßlich, die Marketing-Entwicklung unter diesem spezifischen Blickwinkel kurz zu reflektieren. Bei der Entwicklung des Marketing lassen sich, wie aus Abbildung I hervorgeht, drei klar voneinander abgrenzbare Dimensionen unterscheiden. Eine erste Dimension betrifft die Entwicklung des Marketing in institutioneller Hinsicht, bei der sich eine Ausweitung des Marketing-Gedankens von der Konsumgüterindustrie auf andere, mitunter nicht-wirtschaftliche Anwendungsfelder feststellen läßt. Diese Entwicklungsdimension beschreibt somit die Frage nach dem "wo" der Anwendung des Marketing, ohne daß hierbei eine Beziehung zum Management bzw. der Management-Wissenschaft zu vermuten ist. Im Hinblick auf die Bezugsgrößen des Marketing, also jener Relevanzfaktoren, an denen sich die Unternehmerischen Entscheidungstäger bei ihrem Handeln orientieren müssen, läßt sich eine Ausweitung des Marketing von einer ursprünglichen Fokussierung auf den Kunden bzw. dessen Erwartungen auf eine heute notwendige ganzheitliche Orientierung an Unternehmen, Markt und Umfeld nachvollziehen. Diese zweite Entwicklungsdimension des Marketing kennzeichnet vor allem die marketingtypische A ußenorientierung im
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unternehmefischen Handeln, bei der eine bewußte Ausrichung an den Anforderungen und Erwartungen der (externen) Bezugsgrößen vorliegt, die es dann in einem entsprechenden marktgerichteten Unternehmenshandeln umzusetzen gilt. Wenngleich die primäre Außenorientierung in dieser Dimension auf den ersten Blick vermuten läßt, daß hier keine direkte Beziehung zum Management vorliegt, so gilt es zu berücksichtigen, daß - wie später noch näher ausgeführt wird - der Anspruch einer ganzheitlichen Marketing-Ausrichtung auch eine Orientierung am Unternehmen und somit an (innengerichteten) Management-Aspekten bedingt. Bezugsgrößen des Marketing ganzheitliche Orientierung an Untern., Markt und Umfeld
Funktionale Anwendungsfelder des Marketing
+Ethik +Umwelt +Wettbewerb +Handel Kunde
Institutionelle
1-+---+---t----+----+-+ AnwendungsHandel
Dienstleistungen
lnvestitionsgüter
NonBusiness
felder
Abb. 1: Dimensionen der Marketing-Entwicklung (Quelle: Hörschgen/Steinbach 1995, S. 32)
Eine stärkere Annäherung an das Management läßt sich hingegen in der dritten Entwicklungsdimension nachvollziehen, die sich auf die funktionalen Anwendungsfelder des Marketing bezieht und so eine Innenorientierung des Marketing vermuten läßt. Hier findet sich eine Ausweitung des Marketing von einer ursprünglichen Beschränkung auf den Absatzbereich auf zunehmend alle
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anderen betrieblichen Funktionen. Marketing in dieser gesamtorganisationsbezogenen Sichtweise versteht sich dann als ein Konzept der Unternehmensfohrung, das demnach dem Anspruch gerecht werden muß, die vorher beim Management aufgezeigten Funktionen einer Gestaltung, Steuerung und Weiterentwicklung unternehmenscher Prozesse, Handlungen und Potentiale zu erfüllen. Gerade in dieser Entwicklungsdimension scheinen zahlreiche Schnittstellen zum Management vorhanden zu sein, die auch in der Bezeichnung als "marktorientiertes Führungskonzept" zum Ausdruck kommen. Hörschgen u.a. charakterisieren das Marketing in diesem Kontext als eine Management-Grundhaltung, d.h. als Denkhaltung, als marktorientierte Unternehmenspolitik, als Maxime bzw. als Unternehmensphilosophie (vgl. Hörschgen u.a. 1993, S. 11). In ähnlicher Weise interpretieren auch Hill und Rieser die Beziehung zwischen Marketing und Management, wenn sie das Marketing-Konzept als Instrument eines operativen und strategischen Managements auffassen (vgl. Hill/Rieser 1990, S. 31 ). Eine ähnliche Sichtweise findet sich bei Meffert, der davon spricht, daß Marketing heute als ein "duales Führungskonzept aufgefaßt ( .. wird.. ), das erstens als Leitkonzept des Managements im Sinne eines gelebten Unternehmenswertes ('shared values') und zweitens als gleichberechtigte Unternehmensfunktion interpretiert wird" (Meffert 1994, S. 4). Während der zweite Aspekt dieser MarketingInterpretation den eher klassischen Einsatz der Marketing-Instrumente bzw. die Aufgaben einer Marketing-Abteilung im Unternehmen umfaßt, bezieht sich der erste Aspekt in starkem Maße auf eine (implizite) Vernetzung von Marketing und Management. Marketing verkörpert hierbei - wie auch Hörseligen u.a. aufzeigen - gewissermaßen die gedankliche Grundlage bzw. eine Denkhaltung und Maxime der Unternehmensführung, die dazu beitragen soll, daß sich bei der Gestaltung, Steuerung und Weiterentwicklung der unternehmerischen Prozesse, Handlungen und Potentiale der Marketing-Gedanke widerspiegelt. Begriffe wie "internes Marketing", "internes Kundendenken" oder das im Zusammenhang mit der Prozeßorientierung stehende "Denken in internen Kunden-Lieferanten-Beziehungen" bestätigen diese Überlegungen. Insofern wird deutlich, daß das Marketing in zunehmendem Maße nicht mehr nur als ein auf die Bewältigung von Absatzproblemen gerichtetes Methoden- und Instrumentesystem zu verstehen ist, sondern als ein das gesamte und somit sowohl die nach außen gerichteten Handlungen als auch die innengerichteten Prozesse, Handlungen und Potentiale umfassendes Führungskonzept aufgefaßt werden muß, d.h. als eine an den Erwartungen aller Transaktions- und Interaktionspartner ausgerichtete Unternehmerische Grundhaltung bzw. Denkweise.
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m. Evaluation und Synthese Die bisherigen Überlegungen haben gezeigt, daß die Entwicklungsverläufe von Marketing und Management dazu geführt haben, daß zwei von ihrer ursprünglichen Grundhaltung völlig konträre Bereiche sich im Laufe der Zeit zumindest unter inhaltlichen Gesichtspunkten immer stärker einander genähert haben. Die Ursache dieser Annäherungen ist darin zu sehen, daß beide Konzepte Defizite besitzen, die das jeweils andere Konzept zu kompensieren in der Lage ist: Beim Management liegt die Schwachpunkt traditionellerweise darin, daß primär das Innenverhältnis des Unternehmens tangierende Sachverhalte im Mittelpunkt stehen, ohne daß dabei auf Veränderungen der externen Rahmenbedingungen explizit Bezug genommen wurde. Gerade in Zeiten einer zunehmenden Dynamik und Komplexität in der Umwelt sowie einem immer härter werdenden Wettbewerb kommt es zur Sicherung des unternehmerischen Erfolgs aber gerade darauf an, daß das Unternehmen die Fähigkeit entwickelt, aktiv auf diese Umfeldveränderungen zu reagieren und die sich stellenden Anforderungen entsprechend im Unternehmen durch ein verändertes Gestalten, Steuern und Entwickeln von Prozessen, Handlungen sowie Potentialen zu erfüllen versucht. Gerade diese notwendige Ausrichtung an externen Bezugsgrößen stellt aber ein zentrales Potential des Marketing dar, das folglich nutzbringend als Denkhaltung und Handlungsmaxime im Management angewendet werden kann. Umgekehrt weist aber auch das Marketing eine vielfach angemahnte Schwäche auf, die darin zu sehen ist, daß Marketing auf Grund seiner Außenorientierung zwar in der Lage ist, Aussagen darüber zu machen, "was" im Unternehmen gemacht werden soll, d.h. mit welchen Anforderungen das Unternehmen (auch zukünftig) konfrontiert ist, aber nur wenig Aufschluß darüber gibt, "wie" diese Anforderungen vom Unternehmen konkret umgesetzt werden können. Hierzu wäre eine aktive Innenorientierung erforderlich, die es ermöglicht, bewußt die Prozesse und Handlungen im Unternehmen entsprechend den identifizierten Anforderungen zu gestalten. Diese Gestaltungsfunktion ist aber im Marketing noch unterentwickelt. Hieran ändert auch die Tatsache nichts, daß Marketing bisweilen als potentialorientiert bezeichnet wird. Vielmehr kennzeichnet die im Marketing vorherrschende Potentialorientierung lediglich die Analyse der vorhandenen Möglichkeiten des Unternehmens im Hinblick darauf, welchen Beitrag diese filr marktgerichtete Handlungen zu leisten im Stande sind. Die bewußte Einflußnahme auf bzw. die Gestaltung dieser Potentiale spielt im Marketing- zumindest nach seinem heutigen Verständnis - jedoch noch eine untergeordnete Rolle. Das Management dagegen verfügt über das entsprechende Instrumentarium, um anforderungsadäquate
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Rahmenbedingungen im Unternehmen zu schaffen, die das Marketing benötigt, um seine Ziele zu erreichen.
C. Transfer von Management-Know-how in das Marketing Zur Untermauerung der These einer - faktisch bereits z.T. vollzogenen Vernetzung von Marketing und Management gilt es in diesem Abschnitt solche Erkenntnisse aufzuzeigen, die gewissermaßen das Transfergut darstellen. Wenngleich diesem Beitrag die Überlegung zugrunde liegt, daß die Vernetzung von Marketing und Management letztlich auf einen Erkenntnisaustausch beider Bereiche zurückzuführen ist, so zeigt sich dennoch ein deutliches Schwergewicht bei der Anwendung von Management-Wissen im Marketing. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, auf einige zentrale Sachverhalte einzugehen, die aus dem Management-Bereich übernommen wurden und zweckmäßig im Marketing Anwendung finden. Interessant bei dieser Betrachtung von "Transferwissen" ist, daß man sich i.d.R. überhaupt nicht bewußt ist, daß es sich hier nicht um originäre Marketing-Erkenntnisse handelt, sondern um Management-Wissen, das in funktionsbereichsspezifischer Modifikation auch in anderen Bereichen im Unternehmen Anwendung findet. Neben eher allgemeinen Erkenntnissen der Unternehmensführung, die sich auf Grundfragen zur Planung, Organisation, Kontrolle, Führung oder auch der Entscheidungstindung beziehen, nehmen die Management-Denkmuster sowie die Management-Methoden im Kontext dieser Transferüberlegungen eine wichtige Stellung ein. Das wohl entscheidende Management-Wissen, das im Marketing Anwendung findet, stellt aber das strategische Gedankengut dar, das im starkem Maße für die Annäherung von Marketing und Management verantwortlich zeichnet. I. Allgemeines Management-Know-h ow 1. Planung
Das Erstellen einer Marketing-Konzeption bedarf einer systematischen Vorgehensweise, wie sie nur durch einen strukturierten Planungsprozeß zu realisieren ist. Hierzu bietet die Management-Wissenschaft ein umfangreiches Repertoire an Planungsgrundsätzen, Instrumenten und Methoden an, die weitgehend auch im Marketing Anwendung finden können (vgl. z.B. Nieschlag!Dichtl/Hörschgen 1994, S. 870 ff.; Scheuch 1993, S. 190 ff.; Hill!Rie-
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ser 1990, S. 470 ff.; Köhler 1993, S. 5 ff.). Unter dem Aspekt der MarketingPlanung werden folglich dem Management entstammende, allgemeingültige Erkenntnisse über die Unternehmensplanung auf die spezifischen Anforderungen des Marketing übertragen. Trotz dieser inhaltlichen Modifikation bleiben die bestehenden Planungsmethoden und -grundregeln sowie auch die Verfahrensfolge unverändert. Der Planung im Marketing als ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmensplanung kommt dabei die Aufgabe zu, das Unternehmens- und Unternehmensurnfeld-Geschehen systematisch und rational zu durchdringen, um so Richtlinien für das Verhalten im Marketing-Bereich ableiten zu können (vgl. Nieschlag!Dichtl!Hörschgen 1994, S. 871). 2. Organisation
Wie auch bei der Planung finden allgemeingültige Lösungsmuster für Organisationsprobleme im Marketing Anwendung (vgl. z.B. Köhler 1993, S. 127 ff.; Scheuch 1993, S. 199 ff.; Hill!Rieser 1990, S. 515). Zu denken ist hier beispielsweise an die Frage einer organisatorischen Gestaltung der MarketingAbteilung bzw. der Organisation des Vertriebs. Gerade anband der Organisationsfunktion wird deutlich, daß hier schon traditionell Marketing- und Management-Erkenntnisse (unbewußt) verknüpft werden, da Management-Knowhow über Organisationsfragen zur Förderung der Zielerfüllung im Marketing genutzt wird. Gerade die neueren Erkenntnisse über die Notwendigkeit von Team- und Projektorganisationen bieten beispielsweise die Möglichkeit einer stärkeren interdisziplinären Öffnung der Bereichsgrenzen und so einer zunehmenden Interaktionsvielfalt des Marketing mit anderen betrieblichen Funktionen. Vor allem das Überwinden bereichsspezifischer Schnittstellen zwischen dem Marketing und der Abteilung Forschung und Entwicklung durch das Anwenden entsprechender organisatorischer Konzepte, beispielsweise die angesprochenen Teamkonzepte oder das Simultaneous Engineering, erscheint vor dem Hintergrund der zunehmenden strategischen Bedeutung der Produktentwicklung eine wesentliche Erfolgsvoraussetzung zu sein. Insgesamt zeigt sich, daß das Marketing ohne die Nutzung der ManagementErkenntnisse vor allem über die Organisation, aber auch die bereits angesprochene Planung überhaupt nicht zu realisieren wäre. 3. Kontrolle
Die Kontrolle bildet gewissermaßen eine Konsequenz aus der Anwendung von Planungs- und Organisationswissen. Da eine systematische Planung nur
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dann sinnvoll sein kann, wenn die erzielten Ergebnisse kontrolliert werden, ist es erforderlich, daß auch Erkenntnisse zu dieser originären ManagementFunktion im Marketing Anwendung finden (vgl. z.B. Nieschlag!DichtV Hörschgen 1994, S. 942 ff.; Hill!Rieser 1990, S. 476 ff.; Köhler, 1993, S. 392 ff.). Wie auch im Management hat sich im Marketing die Differenzierung in ergebnis- und prozeßbezogene Kontrolle durchgesetzt. Die Erkenntnisse einer prozeßbezogenen Kontrolle spiegeln sich im Marketing-Audit (vgl. z.B. Töpfer 1995) wider, dem vor allem im Kontext einer strategischen Ausrichtung des Marketing besondere Bedeutung zukommt. Doch auch "einfache" Kontroll-Erkenntnisse auf einer "Soll-Ist-Basis" oder der Einsatz von Kennziffern finden im Marketing zahlreiche Anwendungsmögiichkeiten. Wie auch bei der Planung und der Organisation werden im Marketing die generellen Grundsätze, Verfahren und Methoden weitgehend unverändert aus dem Management übernommen. Voraussetzung zur zielgerichteten Anwendung dieses Wissens im Marketing ist allerdings, daß die bestehenden Kontrollmaßstäbe auf die marketingspezifischen Anforderungen hin ausgerichtet und geeignete Kontrollobjekte identifiziert werden, die letztlich Rückschlüsse auf den MarketingProzeß und evtl. notwendige Anpassungsmaßnahmen ermöglichen.
Über diese "traditionelle" Kontrolle hinaus gewinnt das Controlling auch im Marketing eine wachsende Bedeutung (vgl. z.B. Köhler 1993, S. 253 ff.). Controlling bietet dabei im Gegensatz zur Kontrolle nicht nur die Möglichkeit der Analyse von Zielabweichungen und einer Analyse deren Ursachen. Vielmehr handelt es sich hierbei um ein Konzept der ergebnisorientieren Unternehmensfuhrung, das die Funktionen der Planung, Koordination, Informationsgewinnung und -verarbeitung sowie des betrieblichen Rechnungswesens miteinander verbindet. Vorteilhaft beim Marketing-Controlling ist, daß ein Entscheidungs-Unterstützungsinstrumentarium geschaffen wird, das in der Lage ist, die vielschichtigen Informations-, Koordinations-, Planungs- und Kontrollaufgaben, die im Marketing als der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Umfeld anfallen, zielorientiert zu erfüllen (vgl. Meffert 1994, S. 403). 4. Führung
Überall dort, wo Menschen mit der Erfüllung betrieblicher Aufgaben beschäftigt sind, bedarf es der Führung als Möglichkeit der Einflußnahme auf das Leistungsverhalten und die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter. Anders als andere betriebliche Funktionsberejchen zeichnet sich das Marketing aber dadurch aus, daß neben der Interaktionsbeziehung zwischen bzw. mit den
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Organisationsmitgliedern innerhalb des Unternehmens auch eine Interaktion mit der Außenwelt des Unternehmens, d.h. mit Lieferanten, Kunden und Absatzmittlern/-helfern besteht. Insofern erstreckt sich die Managementfunktion der Führung nicht nur auf die klassische Führung von Mitarbeitern und deren zielgerichtete Beeinflussung, sondern auch auf die Gestaltung der Beziehungen mit den externen Bezugsgrößen. Bei der Führung von Personen, d.h. den im Bereich des Marketing beschäftigten Mitarbeitern findet das aus dem Management bekannte Führungsinstrumentarium Anwendung. Neben der direkten Beeinflussung durch das Verhalten der Führungskräfte bietet das Management ein umfangreiches Spektrum von Führungsinstrumenten, wie beispielsweise die Management by-Konzepte oder Anreizsysteme, um so eine Verhaltenssteuerung der Mitarbeiter zu erreichen. Insofern besteht hier kein Unterschied zu der in der Management-Wissenschaft behandelten Führung. Anders sieht es hingegen aus, wenn man auf die Führung der externen Bezugsgrößen abzielt, bei denen eine direkte Verhaltensbeeinflussung nicht möglich erscheint, weil hier- im Gegensatz zu den Mitarbeitern - keine Weisungsgebundenheit besteht. Allein schon der Einsatz von rechtlich selbständigen Handelsvertretern zeigt die Problematik dieser Führung im Sinne der Unternehmens- bzw. Marketingziele auf (vgl. Nieschlag!Dichtl/Hörschgen 1994, S. 500 ff.). Noch problematischer gestaltet sich die Einflußnahme auf beispielsweise Absatzmittler, Lieferanten und vor allem Kunden. Während es bei Absatzmittlern und Lieferanten in der Marketing-Praxis üblich ist, die Beziehungen im wesentlichen durch Verträge zu gestalten, bietet in bezugauf die Kunden lediglich der Einsatz der traditionellen Marketing-Instrumente eine Möglichkeit der Interaktion. Von Führung nach traditionellen Management-Gesichtspunkten kann hier nicht mehr gesprochen werden. Vielmehr wird deutlich, daß es zur Führung der außengerichteten Beziehungen des Unternehmens eines anderen Führungsverständnisses und auch eines anderen, marketing-spezifischen Führungsinstrumentariums bedarf, als es das Management für die Gestaltung der Interaktionsbeziehungen innerhalb des Unternehmens bereitszustellen vermag. Insofern kann in dieser Hinsicht auch nicht von einem Wissenstransfer in das Marketing gesprochen werden; vielmehr handelt es sich hier um eine marketing-spezifische Kernfunktion.
5. Entscheidungsfindung Im Gegensatz zu den eher sachbezogenen Managementfunktionen Planung, Organisation, Kontrolle und Führung handelt es sich bei der Entscheidungsfindung um eine betriebliche Kernfunktion, die letztlich dazu beitragen soll,
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daß die Sachfunktionen überhaupt erfüllt werden können (vgl. Bestmann 1990, S. 87 ff.). Auch im Marketing ist es unerläßlich, daß Entscheidungen getroffen werden. Insofern besteht kein Unterschied zum Management bzw. anderen betrieblichen Teilfunktionen. Hinsichtlich der Art und Weise, wie Entscheidungen im Marketing getroffen werden, finden sich folglich auch keine gravierenden Unterschiede, wodurch die Management-Erkenntnisse in diesem Bereich weitgehend unverändert Anwendung finden (vgl. zur Entscheidungstindung z.B. Brauchlin/Heene 1995). Eine Schwierigkeit im Marketing besteht jedoch darin, daß auf Grund der Schnittstellenposition des Marketing zwischen Unternehmen und Umfeld eine höhere Informationskomplexität vorhanden ist, die es bei der Entscheidungstindung zu verarbeiten gilt.
ll. Management-Metboden Ein breites Feld transferierbaren Management-Wissens in das Marketing ist dem Methodenwissen zuzurechnen (vgl. zum Methodenwissen z.B. Hentze/Müller/Schlicksupp 1989; Gal/Gehring 1981, Schierenheck 1995, S. 147 ff.; Scheuch 1993, S. 74 ff.; Mag 1989, Sp. 389 ff.; Eisenführ 1989, S. 397 ff.; Brauchtin 1995, S. 340 ff.). Hierunter fallen beispielsweise solche Methoden, die zur Unterstützung von Planung, Organisation, Kontrolle, Führung sowie der Entscheidungstindung dienen. Bei Methoden handelt es sich um mehr oder weniger formalisierte Handlungsschemata, die Unternehmerische Entscheidungsträger bei der Problernlösung unterstützen sollen. Auf Grund der Vielzahl an einzelnen Verfahren erscheint es erforderlich, sich an dieser Stelle lediglich auf die Nennung einiger "Oberkategorien" der unterschiedlichen Methoden, die im Marketing Anwendung finden zu beschränken, ohne auf diese inhaltlich näher einzugehen: -
Erhebungstechniken Analysetechniken Kreativitätstechniken Prognosetechniken Bewertungstechniken Entscheidungstechniken Darstellungstechniken Argumentationstechniken Techniken der Zielbildung Techniken der Problernfeststellung Techniken der Alternativensuche etc.
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Da, wie diese Übersicht zeigt, bei weitem nicht alle Methoden der Management-Wissenschaft zuzuordnen sind, liegt nahe, daß es sich bei einem Großteil der Methoden um eine Art "interdisziplinäres Gedankengut" handelt, das nahezu unabhängig des originären wissenschaftlichen Bereichs für vergleichbare Fragestellungen sinnvoll eingesetzt werden kann. So stellen beispielsweise Kreativitätstechniken Methoden dar, die generell dann Anwendung finden, wenn es um die Generierung von Ideen geht - unabhängig davon, ob es sich um Management-, Marketing-, technische oder sonstige Problemstellungen handelt. Dieser interdisziplinäre Charakter von Methodenwissen macht zugleich deutlich, daß auch die im Management diskutierten und vom Marketing übernommenen Methoden nur in seltenen Fällen diesem Bereich auch ursprünglich entstammen. Vielmehr hat es hier den Anschein, als lassen sich zahlreiche Methoden auf die Naturwissenschaften sowie die empirische Sozialforschung zurückführen, die dann vom betriebswirtschaftliehen Bereich auf die hier vorliegenden Fragestellungen transferiert wurden. Insofern kann hier im Grund nicht von einem Transfer von Management-Wissen in das Marketing gesprochen werden.
Ill. Management-Verständnis/Denkmuster Die Überlegungen zur Evolution des Marketing haben gezeigt, daß sich im Laufe der Zeit eine gravierende Veränderung des Marketing-Verständnisses vollzogen hat. Vergleicht man diese mit der Entwicklung des ManagementVerständnisses, so wird eine gewisse inhaltliche Parallelität sichtbar, die wiederum die Vermutung nahelegt, daß zwischen beiden Denkmustern eine Abhängigkeit besteht. Das analytische Denken, das in den meisten traditionellen Management-Überlegungen vorherrschend war, scheint den heute von Komplexität und Dynamik geprägten Anforderungen, mit denen sich Unternehmen konfrontiert sehen, nicht mehr gerecht zu werden. Betrachtet man die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Fragen des Management-Verständnisses, wird ein Wechsel vom linear-kausalanalytischen Denken hin zu einem auf das Ganze gerichteten, systemisch-vernetzten Denken als erforderlich angesehen (vgl. z.B. Probst/Gomez 1989; Ulrich!Probst 1988; Vester 1991; Wüthrich 1991; Scholz 1987). Management-Denken ist heute somit von einer ganzheitlichen und integrierenden Betrachtungsweise gekennzeichnet (vgl. Bleicher 1990, S. 13). Gerade diese Ganzheitlichkeit ist aber auch ein wichtiges Merkmal des heutigen Marketing-Verständnisses, da es- wie sein Entwicklungsverlauf gezeigt hat - zum einen eine ganzheitliche Orientierung an allen Bezugsgrößen zugrunde legt und zum anderen den Anspruch erhebt, ein marktorientiertes Führungskonzept zu verkörpern. Demnach würde das Marketing6 FS Hörschgen
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Verständnis letztlich eine Ableitung aus dem eher generellen ManagementDenkmuster darstellen. In der Tat weist das heute vorherrschende MarketingVerständnis starke Wesenszüge einer im Management diskutierten vemetzten, ganzheitlichen und integrierenden Sicht- und Denkweise auf. Vor allem das nachfolgend darzulegende strategische Gedankengut scheint ein guter Beleg für diese Überlegungen zu sein, da sich diese Denkhaltung sowohl im Management- als auch im Marketing-Verständnis niedergeschlagen hat und in beiden Bereichen die Perzeptionen, das Denken, die Entscheidungen und letztlich auch das Handeln prägt. IV. Strategisches Erfahrungswissen Das infolge zunehmender Wettbewerbsintensität Anfang der 80er Jahre in die betriebswirtschaftliche Diskussion eingebrachte strategische Denken (vgl. Porter 1980) ist ein Paradebeispiel einerseits für die entfachten Positionskämpfe zwischen Marketing und Management, da beide Bereiche das strategische Denken als eigene wissenschaftliche Erkenntnis ansehen. Andererseits zeigt diese gemeinsame Nutzung des strategischen Gedankenguts aber auch die Verzahnung beider Bereiche auf. Ohne an dieser Stelle dem einen oder anderen Bereich diesen im Hinblick auf seine inhaltliche Bedeutung für das unternehmefische Handeln zentralen Denkansatz zurechnen zu wollen, fällt bei der Analyse von Veröffentlichungen zu diesem Themenkomplex auf, daß sowohl aus Management- als auch aus Marketing-Sicht ein völliger Konsens über die als "strategisch" bezeichnete Denkhaltung, die systematische Vorgehensweise und die verwandten Methoden herrscht. Wenngleich auf eine ausführliche Darstellung des strategischen Denkens im Marketing bzw. Management hier verzichtet werden soll (vgl. hierzu z.B. Ansoff, H.I. 1979; Aaker 1989; Hörschgen u.a. 1993; Hax/Majluf 1988; Hinterhuber 1992; Meffert 1994, S. 24 ff.; Timmermann 1988; Backhaus 1995, S. 149 ff.), so bedarf es doch einer kurzen Skizzierung der Wesenszüge des Konzepts, um so wiederum Ansatzpunkte für eine Vernetzung von Marketing und Management aufzeigen zu können. Primär handelt es sich hier um ein systematisches, ganzheitliches, interaktives, potentialorientiertes und längerfristig orientiertes Konzept zur Problemlösung (vgl. Hörschgen u.a. 1993, S. 17). Das Hauptanliegen der strategischen Sichtweise besteht darin, die Veränderungen in den Unternehmerischen Rahmenbedingungen möglichst frühzeitig und vor allem ganzheitlich zu erfassen, um die daraus resultierenden Chancen rechtzeitig erkennen und nutzen, aber auch möglichen Risiken rechtzeitig entgegenwirken zu können. Auf diese Weise schafft sich das Unternehmen die
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Möglichkeit, frühzeitig adäquate Handlungen einzuleiten, um auf Veränderungen und neue Umfeldkonstellationen zu reagieren. Bei der Umsetzung des strategischen Denkens im Unternehmen stellt sich die wichtige Aufgabe, Zielsetzung, Strategien, Strukturen und Prozesse immer wieder neu zu gestalten, um so Disharmonien zwischen dem Unternehmen bzw. seinen Potentialen und den unterschiedlichen Umfeldkonstellationen bzw. den sich aus diesen ableitenden Anforderungen vermeiden oder zumindest reduzieren zu können. Gerade an dieser Aufgabe, die Chandler bereits 1962 mit seiner These des "Structure follows Strategy" problematisiert hat, wird erneut die Wichtigkeit einer Vernetzung von Marketing und Management deutlich. Während Marketing dazu prädestiniert erscheint, die Umfeldanforderungen zu hinterfragen und den Zielrahmen des Unternehmerischen Handeins abzustecken, bietet sich durch den Managementeinsatz erst die Möglichkeit, Einfluß auf Strukturen und Prozesse zu nehmen, um so Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen die zur Zielerreichung als geeignet erscheinenden Strategien und die daraus abgeleiteten Maßnahmen überhaupt realisiert werden können.
D.Fazit Die Überlegungen in diesem Beitrag haben - trotz aller Kürze - deutlich gemacht, welche Rolle dem Management bzw. dem Marketing bei deren Vernetzung zukommen sollte. Gerade die Tatsache, daß bei dieser "Aufgabenteilung" zwischen beiden Bereichen kaum Überschneidungen, sondern primär Synergieeffekte zu erzielen sind, scheint ein wesentlicher Beleg fiir die Zweckmäßigkeit einer Synthese zu sein. Versucht man die Aufgabe des Managements, Rahmenbedingungen im Unternehmen zu schaffen, die den Anforderungen der Umweltbedingungen entsprechen und die dazu geeignet sind, die vom Marketing als erforderlich angesehenen marktgerichteten Handlungen durchzuführen, näher zu hinterfragen, so wird deutlich, daß es hier im wesentlichen um die Schaffung adäquater organisatorischer Voraussetzungen, die Förderung, Motivierung und den Einatz von Human-Ressourcen und auch das Schaffen eines den Anforderungen entsprechenden unternehmenskulturellen Rahmens geht. Die Organisation, die Human-Ressourcen sowie die Unternehmenskultur bilden somit die zentralen vom Management zu gestaltenden Parameter, die es zu konstituieren gilt. Denn gerade die gravierenden Änderungen in den externen Rahmenbedingungen und die damit einhergehenden neuen Anforderungen an die Unternehmen erlauben es nicht mehr, wie früher marktorientierte Handlungen unabhängig von den vorhandenen Unterneh-
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menspotentialen zu vollziehen. Die Dynamik und Komplexität der Umwelt sowie die zunehmende Wettbewerbsintensität haben vielmehr dazu beigetragen, daß Unternehmen nur dann erfolgreich am Markt agieren können, wenn es ihnen gelingt, alle marktgerichteten Handlungen treffend, d.h. den Anforderungen aller Bezugsgrößen entsprechend zu gestalten. Diese Erfolgsvoraussetzung erfüllen die Unternehmen aber erst dann, wenn sämtliche Potentiale des Unternehmens genutzt werden und diese Potentiale überhaupt darauf vorbereitet sind, treffsichere, d.h. anforderungsadäquate Handlungen zu vollziehen. Dies wiederum bedingt aber eine Flexibilität der unternehmefischen Rahmenbedingungen, d.h. das Unternehmen muß die Fähigkeit erlangen, seine Strukturen, Prozesse und Potentiale anpassungsfahi.g und bewußt gestaltbar zu machen, um so auf veränderte interne und vor allem externe Anforderungen reagieren zu können. Gerade diese Aufgabe kann das Marketing aber nicht allein erfüllen. Hierzu ist es erforderlich, daß es sich die Erkenntnisse des Managements hinsichtlich der Gestaltung der innerbetrieblichen Rahmenbedingungen zunutze macht. Ganzheitliche und marktorientierte Management-Konzepte wie z.B. das Total Quality Management oder auch das Lean Management scheinen von ihrer Intention her diese hier aufgezeigte Richtung eingeschlagen zu haben. Wenngleich es sich hier primär um Management-Konzepte handelt, so weisen sie dennoch in starkem Maße Wesenszüge eines marktorientierten Denkens auf, denn ihnen liegt die Annahme zugrunde, daß zum einen das gesamte Unternehmenshandeln auf die Anforderungen des Marktes, vor allem der Kunden hin auszurichten ist und zum anderen, daß durch eine bewußt an den internen Potentialen ausgerichtete Prozeßorientierung flexible Strukturen geschaffen werden, durch die das Unternehmen auf die Anforderungen reagieren kann. Nicht zuletzt der wirtschaftliche Erfolg, den vor allem japanische Unternehmen in den letzten Jahren mit diesen Konzepten erzielen konnten, belegt, daß dieses dualistische management- und marketing-orientierte unternehmerische Denken und Handeln erfolgversprechend zu sein scheint.
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Volkswirtschaftslehre und Marketing Spieltheoretische Überlegungen zur Strategienformulierung Von Thomas Thudium
A. Neuere Mikrotheorie und Strategienformulierung Betrachtet man die Vielzahl der in den letzten Jahren publizierten wissenschaftlichen und praxisorientierten Literaturbeiträge, die sich mit strategischen Problemstellungen auseinandersetzen, könnte leicht bei einem externen Betrachter der Scientific Community entweder die Vermutung aufkommen, daß nun alle Fragen, die im begrifflichen Umfeld von Strategien, Strategischem Management und Strategischem Marketing liegen, geklärt sind, oder aber daß operative Publikationshektik intellektuelle Windstille ersetzt hat. Weder die eine noch die andere Vermutung ist zu bejahen. Fest steht, daß die zunehmende Diskontinuität und Komplexität der Märkte die Strategieplanung vor neue Herausforderungen stellt und nach einer Entwicklung situationsadäquater strategischer Optionen verlangt. Bei einem Blick in die historische Entwicklung des Marketing-Management wird man feststellen, daß durch die Komplexität des Marketing-Systems das Marketing-Management eine breite Ausdifferenzierung erfahren hat, die mit einem "qualitativen Wachstum" der Aufgaben einherging (vgl. Diller 1995, S. 25 ff.). Das strategische Marketing, verstanden als eine ganzheitliche, langfristig und globale Dimension des Marketing als Führungskonzeption, hat dementsprechend ebenfalls ein derartiges Wachstum erfahren. In Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftspraxis ist das Marketing als Orientierungskonzept für die Unternehmensführung zwar keineswegs unumstritten, dennoch stellt Marketing einen empirisch nachweisbaren Erfolgsfaktor der Unternehmensführung dar (vgl. Fritz 1995, S. 17 ff.). Desgleichen ist auch die Abgrenzung des Strategischen Marketing insbesondere zum Strategischen Management in Wirtschaftswissenschaft und Praxis als nicht ganz eindeutig zu bezeichnen, teilweise sind die Ansätze sogar konträr. Als eine schon fast normale Folge der unterschiedlichen Denkrichtungen zur Lösung strategischer Fragestellungen entwickelten sich eine Vielzahl von Lösungsansätzen zu strategischen Planungsentscheidungen. Allein bei dem Versuch einer Typolo-
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gtsterung der in der Literatur vorgestellten Strategien fallt es bisweilen schwer, eine geeignete Systematik zu finden, die den Kriterien der Vollständigkeit und Überschneidungsfreiheit gerecht wird (vgl. etwa Becker 1993, S. 111 ff.; Hörschgen u.a. 1993, S. 73 ff.; Meffert 1994, S. 110 ff.). Eine Ursache für diese Vielfalt an Planungskonzeptionen kann sicherlich darin gesehen werden, daß einige Ansätze ihren Ursprung in der Unternehmensberatungspraxis haben, andere der Feder der Wissenschaft entsprungen sind (vgl. etwa Eschenbach/Kunesch 1995). Gerade in den Wirtschaftswissenschaften hat sich in den letzten Jahren ein vermehrtes Interesse eingestellt, mit Hilfe von Analogieschlüssen oder Transfers aus Erkenntnissen der Volkswirtschaftslehre Lösungsansätze für strategische Fragestellungen zu suchen. 1 In Amerika haben so Anfang der 80er Jahre (in Deutschland mit einer zeitlichen Verzögerung von rund zehn Jahren zu Beginn der 90er Jahre) die Ideen der Neuen Institutionenökonomik in der Marketing-Literatur Beachtung gefunden. In diesem Forschungszweig geht es überwiegend um zwei Fragestellungen. Man versucht zum einen in einer eher explikativen Sicht eine Antwort auf die Frage zu finden, wie die gegebenen institutionellen Infrastrukturen einer Wirtschaft zu erklären sind, weshalb sie so sind und sich so und nicht anders herausgebildet haben. Zum zweiten versucht man in einer eher instrumentellen Sichtweise zu untersuchen, durch welche institutionellen Lösungen ein bestimmtes Koordinationsproblem am effizientesten bewältigt werden kann (vgl. Kaas 1995b, S. 3). Als die wohl wesentlichsten Ansätze und Theorien der Neuen Institutionenlehre sind die Property-Rights-Theorie (vgl. etwa Demesetz 1967; Fischer 1994b), die Prinzipal-Agenten-Theorie (vgl. etwa Stiglitz 1987; Terberger 1994, S. 92 ff.), die Informationsökonomik (vgl. etwa Stigler 1961; Hopf 1983) und besonders der Transaktionskostenansatz (vgl. etwa Coase 1937; Williamson 1975, 1990) zu nennen. Gemäß den bisher gemachten Erfahrungen scheint der institutionenökonomische Ansatz besonders dann fruchtbar zu sein, wenn es sich um projektbezogene Kooperationen und um auf Dauer angelegte Geschäftsbeziehungen handelt, gleichgültig ob sie in förmlichen Verträgen geregelt oder eher informeller Natur sind2 - Ber~iche also, die überwiegend im Investitionsgüter-Marketing (vgl. etwa Aufderheide/Backhaus 1995; Bauer/Bayon-Eder 1995; Jacob 1995; Kleinaltenkamp 1992), dem Dienstleistungs-Marketing (vgl. etwa Schäfer 1995b; Becker/Schade 1995), aber auch dem Beziehungs-Marketing (vgl. In Deutschland hat als einer der ersten D. Schneider von der Marketingwissenschaft eine stärkere Nutzwtg neuerer mikroökonomischer Erkenntnisse gefordert (vgl. Schneider 1983). Zwn state of the art zwischen Marketing und Neue Institutionenökonomik vgl. Kaas l995a.
Volkswirtschaftslehre und Marketing- Spieltheoretische Überlegungen
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etwa Kleinaltenkamp 1993; Kaas/Schade 1995; Schäfer 1995a) zu finden sind. Ein interessantes Anwendungsfeld institutionenökonomischer Erkennntnisse im Bereich des Konsumgüter-Marketing soll hier ebenfalls nicht unerwähnt bleiben - die Gestaltung strategischer Partnerschaften auf vertikaler Ebene zwischen Industrie und Handel sowie auf horizontaler Handelsebene. Gerade wenn es um Fragen nach einer effizienten Vertriebsform oder der Gestaltung neuer effizienter Handelsbetriebstypen geht, kann die Transaktionskostentheorie eine wirkungsvolle Entscheidungshilfe bieten (vgl. etwa Arbeitskreis ,,Das Unternehmen im Markt" 1995; Fischer 1993, 1994b; Picot 1986; Picot/Wolff 1995).
B. Vom Spiel zur Strategie Die Volkswirtschaftslehre kennt - abgesehen von den oben aufgeführten Konzeptionen - noch weitere Lösungsansätze für strategische Problemstellungen - zum Beispiel die Spieltheorie. Sie ist im Prinzip nichts anderes als die Wissenschaft vom Strategischen Denken. Diese mit fünfzig Jahren noch recht junge Wissenschaft hat die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften längst revolutioniert. Insbesondere seit 1994 drei Pioniere der Spieltheorie- die beiden Amerikaner John Nash, John Harsanyi sowie der Deutsche Reinhard Selten -für ihre Arbeit mit dem Nobelpreis für Ökonomie ausgezeichnet wurden, hat sie eine größere Publizität erfahren. Viele spieltheoretische Konzepte sind leider nur in Darstellungen publiziert, welche die Kenntnis fortgeschrittener mathematischer Methoden voraussetzen und damit vielfach die Zugänglichkeil etwas erschweren - nicht zuletzt weil die Begründer der Spieltheorie ein Mathematiker, John von Neumann, und ein Wirtschaftswissenschaftler, Oskar Morgenstern, waren. Deren Publikation "Theory of Games and Economic Behavior" (1944) kann man als die "Geburtsstunde" der Spieltheorie bezeichnen (vgl. Morgenstern/Neumann 1947). Die folgenden Ausführungen sollen zum einen zur Sensibilisierung für aus der Spieltheorie gewonnene Lösungsansätze, die eine Lösung marketing-strategischer Problemstellungen erleichtern können, beitragen, zum anderen soll in diesem kurzen Aufriß das heuristische Potential der Spieltheorie zur Generierung von (Marketing-) Strategien aufgezeigt werden. Grundsätzlich hat die Spieltheorie als eine methodische Wissenschaft die Aufgabe, das formale Instrumentarium zur Analyse rationaler strategischer Interaktionen sowie eine einheitliche Sprache zu liefern, derer sich dann die Wirtschaftswissenschaften bedienen können. Untersuchungsgegenstand sind Entscheidungssituationen, in denen das Ergebnis für einen Entscheider nicht nur von seinen eigenen Entscheidungen abhängt, sondern auch vom Entscheidungsverhalten anderer mitbestimmt wird. Man kann die Spieltheorie insofern
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auch als eine Theorie sozialer Interaktion bezeichnen (vgl. Rieck 1993, S. 15
ff.).
In der Spieltheorie wird grundsätzlich zwischen zwei Teilgebieten unterschieden: (1) Die Kooperative Spieltheorie - Hier werden Situationen untersucht, in denen die Spieler ihre Aktionen zusammen auswählen und umsetzen. Eine Kooperation zwischen den Spielern wird also in jedem Fall vorausgesetzt. Die Spieler können sogar einen Vertrag abschließen, der sie verpflichtet, sich auch wirklich so zu verhalten, wie es abgesprochen wurde (vgl. Rieck 1993, S. 27
ff.).
(2) Die Nicht-Kooperative Spieltheorie - Untersuchungsobjekte sind hier Situationen, in denen die Spieler nicht direkt in Interaktion zueinander stehen, sondern quasi nur über ihre Spielzüge. Hier sind deshalb prinzipiell keine bindenden Vereinbarungen möglich - Verträge können dennoch geschlossen werden, die jedoch nicht bindend für die Spieler sein müssen. Damit werden auch hier Kooperationen ermöglicht, nur sind diese als ein Resultat von Entscheidungen der Spieler zu verstehen (vgl. Illing 1995, S. 509 f.). In diesem Fall interessiert das Ergebnis, welches sich einstellt, wenn alle Spieler individuell auf rationaler Basis ihre Eigeninteressen verfolgend die jeweiligen Spielzüge ausgeführt haben. 3 Kooperative und Nicht-Kooperative Spieltheorie stellen unterschiedliche Interessensschwerpunkte in den Mittelpunkt ihrer Untersuchungen. Während bei der Kooperativen Spieltheorie die Arten der möglichen Verhandlungslösungen interessieren, liegt der Schwerpunkt bei der Nicht-Kooperativen Spieltheorie in dem Versuch, einen Einblickin die ,,Mechanik" der sozialen Interaktionen zu gewinnen. Diese Einblicke sind naturgemäß auch für die MarketingWissenschaft von Interesse, sind doch unvollkommene Information und Unsicherheit wesentliche Kennzeichen von Situationen, in denen sich AnbieteT und Nachfrager heute auf den meisten Märkten befinden. Durch diese bestehenden Informations- und Unsicherheitsstrukturen werden die Interaktionen einzelner Marktteilnehmer entscheidend determiniert. Gibt es Entscheidungssituationen, in denen mehrere EntscheideT Einfluß auf das Resultat haben und in denen jeder von ihnen seine eigenen Interessen (z.B. Nutzen- oder Wertschöpfungsmaximierung) verfolgt, dann spricht man spieltheoretisch gesehen - von einem strategischen Spiel.
Zum state ofthe artdieser beiden Teilbereiche der Spieltheorie vgl. Selten 1992.
Volkswirtschaftslehre Wld Marketing- Spieltheoretische Überlegwgen
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Eine Strategie im spieltheoretischen Sinne bedeutet, daß jeder Spieler einen vollständigen Verhaltensplan hat, der für jede (Entscheidungs-/Spiel-)Situation vorschreibt, welche Alternative zu wählen ist (vgl. Hollerlllling 1991, S. 4 ff.; Rieck 1993, S. 113) bzw. für alle möglichen zukünftigen Entwicklungen geeignete Maßnahmen bereithält. Gemäß den Prinzipien der Spieltheorie geht die Planung sogar soweit, daß bei der Formulierung einer Strategie grundsätzlich auch für solche Entscheidungssituationen eine Alternative getroffen werden muß, die aufgrund vorangegangener Entscheidungen derselben Strategie nicht mehr erreicht werden können - man nennt dies auch kontrafaktische Überlegungen (vgl. Rieck 1993, S. 114). Damit ist das Anforderungsprofil an die Gegenstandsbereiche der für die jeweiligen Entscheidungen benötigten Informationen sehr groß, was aber eine ganzheitliche Perspektive in der Strategienformulierung garantiert. Eine derart radikale Form des Strategiebegriffs ist in der Marketing-Wissenschaft explizit nicht zu finden, wohl aber die Forderung nach einer ganzheitlichen Perspektive, denn Strategisches Marketing soll verstanden werden als ganzheitliche, langfristig orientierte und globale Dimension des Marketing als Führungskonzeption (vgl. etwa Hörschgen u.a. 1993, S. 16 ff.; Meffert 1994, S. 17 ff.). Spieltheoretiker erheben gerne den Anspruch, mit einer geeigneten ModelIierung der Spielform grundsätzlich jede ökonomische Fragestellung formal als Spiel darstellen zu können. Allerdings hängt die Lösung eines Spiels in sehr starkem Maße von der Spielform ab, also etwa von der Abfolge der Spielzüge (mit anderen Worten, den vorliegenden Spielregeln). Bei ökonomischen Fragestellungen ist die Reihenfolge der Spielzüge jedoch nicht eindeutig determiniert. Dieser offensichtliche Nachteil kann durch eine vorangestellte detaillierte Analyse von Spielern und Spielfeld insoweit beherrschbar bleiben, als daß man gerade aufgrund dieser (Situations-)Analyse Aussagen über die konkreten institutionellen Bedingungen machen kann, welche die Spielform und damit auch die Spielregeln determinieren. Hier liegt eine starke Ähnlichkeit zwischen der Vergehensweise zur Formulierung von (Spiel-)Strategien in der Spieltheorie und bei der Generierung von (Marketing-)Strategien vor. In beiden Fällen soll der eigentlichen Strategienformulierung eine ganzheitliche Analyse und Prognose vorangestellt werden. Der Kern eines jeden strategischen Spiels ist die Interdependenz der Entscheidungen aller Spieler. Dabei können grundsätzlich die Interaktionen wie folgt stattfinden:
Sequentiell - d.h. die Spieler müssen ihr Spielzüge abwechselnd machen. Da auf jede Aktion eines Spielers eine Reaktion der anderen erfolgt, muß er vorausblicken und sich fragen, wie sein beabsichtigtes Handeln das zukünftige Handeln der anderen und dann auch wieder sein eigenes Handeln beeinflussen wird. Für diese Art der sequentiellen Interaktion hat die Spieltheorie die einfa-
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ehe Regel aufgestellt: Schauen Sie voraus und schließen Sie von dort zurück! Man versucht - ähnlich wie beim Schachspiel - durch Rückwärtsinduktion die gesamte Argumentationskette und damit die einzelnen Spielzüge bis zum Anfang des Spiels aufzustellen.
Simultan - d.h. die Spieler handeln gleichzeitig und kennen die jeweiligen Aktionen der anderen nicht. Jeder Spieler sollte sich also vor einer Aktion in die Haut der anderen versetzen und versuchen, das Ergebnis vorherzubestimmen. Für simultane Interaktionen hat die Spieltheorie mehrere Regeln anzubieten, die auf zwei einfachen Ideen basieren - den sogenannten dominanten Strategien und dem Gleichgewicht. Ein Spieler hat dann eine dominante Strategie, wenn es eine Abfolge von Handlungen gibt, die besser ist als alle anderen Möglichkeiten, ganz unabhängig davon, was die anderen Spieler tun. Die daraus zu folgernde zweite Regel lautet naturgemäß: Wenn Sie eine dominante Strategie haben, dann verwenden Sie diese! Da spieltheoretisch eine dominante Strategie durchgehend besser ist als jede andere Strategie, sind die von ihr dominierten Strategien durchgehend schlechter als andere Strategien. Demzufolge lautet eine dritte Regel: Streichen Sie alle dominierten Strategien aus ihren Überlegungen. Durch sukzessive Anwendung der Regeln zwei und drei kann die Komplexität eines Spiels reduziert und die Wahl einer "optimalen" Strategie für einen Spieler erleichtert werden. Ist man dennoch nicht zu einem Ergebnis gekommen, dann hat die Spieltheorie eine weitere Regel parat: Wenn die einfachen Wege der Ermittlung von dominanten Strategien oder der Eliminierung dominierter Strategien nicht mehr weiter fUhren, dann müssen Sie im nächsten Schritt nach dem Gleichgewicht des Spiels suchen. Denn im (spieltheoretischen) Gleichgewicht eines Spiels existiert eine Kombination von Strategien, in der die Aktionen eines jeden Spielers die beste Antwort auf die Aktionen des anderen sind, d.h. die Spieler spielen nur noch wechselweise ihre jeweils beste Erwiderungen4 . Diese hier nur kurz in einem Aufriß dargestellte Abfolge von Regeln stellt in sehr vereinfachter Form den Grundstock einer grundsätzlichen spieltheoretischen Vorgehensweise zur Formulierung von Strategien dar (vgl. Dixit/ In der Spieltheorie handelt es sich hierbei um das sogenannte Nash-Gleichgewicht. Nash hat nachgewiesen, daß bei Spielen mit einer beliebigen (endlichen) Anzahl von Spielern Wld einer endlichen Zahl von reinen Strategien ein Gleichgewicht Wlter relativ allgemeinen Bedingwgen existiert (vgl. Hollerlllling 1991, S. 10 ff.; s. 57 ff.).
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Nalebuff 1995, S. 34 ff.). Sie sollen auch verdeutlichen, daß dieser Wissenschaftszweigvon Anfang an etwas verinnerlicht hat, was in der Betriebswirtschaftslehre und insbesondere auch in der Marketing-Wissenschaft zwar schon immer mit Nachdruck gefordert, aber erst durch die Strategiediskussion wieder Einzug gehalten hat - die ganzheitliche Perspektive und Denkweise. Die meisten (Markt-)Teilnehmer betrachten Spiele aus ihrer (eher egozentrischen) Sicht. Für die erfolgreiche Strategienformulierung sollte aber auch das Spiel mit den Augen der anderen betrachtet werden, denn nichts anderes besagt die oben aufgeführte erste Regel. Vorwärts schauen und von dort retrograd schließen heißt, mit den Augen und in den Schuhen seiner Mitspieler denken und agieren zu können. Übertragen auf das Marketing bedeutet das, daß man die Dinge aus der Perspektive des Kunden und Wettbewerber betrachten sollte, denn nur so kann man Bereiche Komparativer KonkurrenzVorteile erkennen und realisieren. Eine erfolgreiche Unternehmensstrategie bedeutet prinzipiell nichts anderes, als daß man aktiv ein Spiel betreibt und nicht das Spiel spielt (fortführt), welches man im Markt vorfindet. Dieser einfache Satz ist auf einen Paradigmenwechsel zurückzuführen, welchen die Spieltheorie in einer anderen wirtschaftswissenschaftlichen Disziplin, der Industrieökonomik (auch Industrial Organization' genannt), bewirkt und die durch die Arbeiten von Porter ihren Niederschlag in der Betriebswirtschaftslehre gefunden hat (vgl. Porter 1988; 1989). Gemeint ist das Bain/Mason 'sehe market-structure-conduct-performance-paradigma, dem die Idee zugrunde liegt, daß man aus einer Klassifikation von Marktstrukturen (Mason) oder von Industriestrukturen (Bain) auf die Verhaltensweisen (Conduct) der Marktteilnehmer schließen und damit die Ergebnisse (Performance) bestimmen könne (vgl. etwa Kaufer 1980, S. 3 ff.). Diese Ausrichtung der Determination konnte allerdings nicht aufrecht erhalten werden: Bestimmt die Struktur das Verhalten und die Performance, so beeinflußt die Performance über das Verhalten der Marktteilnehmer zwangsläufig die künftige Marktstruktur - was nichts anderes heißt, als daß ein Spieler bzw. ein Unternehmen die Performance und die Marktstruktur durch sein Verhalten beeinflussen kann. Porter hat diesen Paradigmenwechsel zum Anlaß genommen, um aus den Erkenntnissen der Spieltheorie und der Industrial Organization einen wettbewerbsorientierten Ansatz zur Lösung von strategischen Problemstellungen in der Betriebswirtschaftslehre zu konzipieren. Im Gegensatz zur Industrial Organization hat Porter den Ermessens- und Handlungsspielraum des Managements berücksichtigt. Die Markt-/Industrie-Struktur wird in seinem Ansatz nicht nur als Determinante der Strategie gesehen, Im deutschsprachigen Raum wird dieses Forsch\Dlgsgebiet auch mit dem Begriff Wettbewerbstheorie umschrieben, der jedoch nicht das gesamte Gebiet der Industrial Organization abdeckt.
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sondern sie kann von den Spielern/Unternehmen durch entsprechende Strategiewahl und der damit verbundenen Positionierung des Unternehmens beeinflußt werden. Die Struktur bzw. die in einer Branche vorherrschenden Wettbewerbsintensitäten legen lediglich den Rahmen einer möglichen strategischen Performance fest; primär erfolgsentscheidend sind die Unternehmerischen Ermessensentscheide bei der Positionierung des Unternehmens in der Branche, also bei der Wahl der Wettbewerbsstrategien. Die Gestaltung von (Markt-)Eintrittsbarrieren bei der Positionierung in der Branche und die Ausgestaltung von Mobilitätsbarrieren bei der Wahl der Wettbewerbsstrategie sind quasi die mikroökonomischen Erklärungsmuster für die unterschiedliche strategische Performance der Unternehmen. Porter hat mit seinen Konzepten zur Analyse der Konkurrenten und zur Analyse der Branchenstruktur sowie dem Konzept der strategischen Gruppen und den darauf aufbauenden generischen Wettbewerbsstrategien zu Beginn der 80er Jahre sehr wesentlich das Strategische Denken in der Betriebswirtschaftslehre beeinflußt (vgl. Porter 1988). Auch Porter's Konzept der Wertschöpfungskette (vgl. Porter 1989), welches als eine Reaktion auf die kritischen Anmerkungen zu den Porter 'sehen Wettbewerbsstrategien seitens Wissenschaft und Praxis zu verstehen ist (vgl. etwa Hörschgen u.a. 1993, S. 153), kann als Meilenstein im Strategischen Denken betrachtet werden - zumal hier erstmals eine ganzheitliche, funktionsübergreifende und damit prozeßorientierte Betrachtungsweise vom Lieferanten bis zum Endkunden gefordert wurde, welche heute eher mit Schlagworten wie Kaizen, Lean Management und Business Process Reengineering in Verbindung gebracht wird.
C. Von der win-lose-Strategie zur win-win-Strategie In einer als klassisch zu bezeichnenden Unternehmerischen Sichtweise ist man geneigt, ein sogenanntes win-lose-Spiel zu spielen, bei der die Marktgewinne eines Unternehmens auf Kosten der anderen Marktteilnehmer gehen (Nullsummenspiel). Die entsprechenden Strategien kann man in Anlehnung an die Spieltheorie als win-lose-Strategien bezeichnen. Sobald allerdings mehrere Spielteilnehmer eine solche strategische Grundausrichtung in Angriff nehmen, kann sich das Ganze zu einem lose-lose-Spiel entwickeln. Gezeigt hat sich dies am Beispiel der amerikanischen Automobilindustrie, die zu Beginn der 90er Jahre einen sehr einfachen Weg eingeschlagen hat, mit ihren "Spielgegnern" um Marktanteile zu kämpfen. Mit Rabatten und teilweise grotesk anmutenden Formen der Preisreduktion ging man auf Kundenfang, was auf Kosten der Rendite sämtlicher Anbieter ging. Der Welt größter Automobilproduzent General Motors (GM) und die Hausehold Bank haben 1992 deshalb einen Versuch gestartet, dieses lose-loseSpiel zu beendenundeine Kreditkarte eingeführt, bei der man 5% der über die
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Karte abgerechneten Lastschriftsumme fiir den Kauf oder das Leasing eines GM-Fahrzeugs - max. $ 500 pro anno/total max. $ 3.500 - ansparen kann (eine Art mi/es and more fiir die Straße). Einen Monat nach der Einfiihrung wurden 1,2 Mio. Kartenkonten, zwei Jahre danach 8,7 Mio. Kartenkonten registriert (vgl. Brandenburger/Nalebuff 1995, S. 58; Lowen 1993, S. 64 :ff.). Zunächst sieht diese Kreditkarteneinfiihrung wie eine win-lose-Strategie zwischen GM und seinen Wettbewerbern aus. Aber durch die Bindung der Ressourcen auf dieses Kreditkartenprogramm wurden bei GM andere Preisreduktionsaktivitäten gestrichen, so daß seitens GM die Preisspirale nicht weiter nach unten gedreht werden konnte. Die Abverkaufspreise von GM und damit auch von Ford können nicht mehr durch Rabatte etc. ins Bodenlose fallen man versucht eine win-win-Situation anzusteuern. Doch was Erfolg verspricht, wird sehr schnell von Mitwettbewerbern imitiert- so auch in diesem Fall. Ford lancierte in Kooperation mit der Citibank eine eigene Kreditkarte. Auch VW fiihrte wenig später auf dem amerikanischen Markt - in Kooperation mit der MBNA Corp. - seine Version einer Kundenkreditkarte ein. Imitation oder besser gesagt - eine solche me-too-Strategie ist prinzipiell als suboptimal anzusehen; kann man sich doch aus der Sicht des Kunden vom Wettbewerber nicht mehr stark genug differenzieren. Wenn Strategien kopiert werden, dann geht ihre Einzigartigkeit verloren (vgl. etwa Perlitz 1995, S. 290 :ff.). Es ist sicherlich richtig, daß durch die Imitation einer Strategie die Chance zur Verfolgung einer win-lose-Strategie geschmälert wird, also etwa der Zugewinn von Marktanteilen durch das Abwerben von Nachfragern in Form von Preiszugeständnissen. Aber man kann zum einen den Verfall des Preis-/Leistungsgefiiges in der Branche verhindern, weil auch die anderen Wettbewerber durch die Imitation der neuen Strategie - im genannten Beispiel Ford und VW - Ressourcen binden, die sie fiir andere Aktivitäten nicht mehr einsetzen können. Zum anderen ist die Chance gegeben, daß jeder der Wettbewerber am Markt eine relativ treue Kundenklientel um sich scharen kann, was zur Folge hat, daß die Abverkaufspreise stabil gehalten oder sogar wieder nach oben korrigiert werden können. Sofern man also den Wettbewerber dazu bewegen kann, seine eigene Strategie zu kopieren, kann die Verfolgung dieser Strategie durchaus auch in ein win-win-Szenario münden. Wenngleich grundsätzlich eine win-lose-Strategie zu präferieren ist, kann es in manchen Situationen, so beispielswiese in Zeiten konjunktureller Abschwächungoder in schrumpfenden Märkten von Vorteil sein, auf ein winwin-Spiel zu optieren. Die Grundvoraussetzung ist allerdings, daß man selbst die Spielzüge seiner Mitwettbewerber gut antizipieren kann. In unserem Beispiel heißt das also, daß GM in der Lage war, die Reaktionen seiner Konkurrenten abzuschätzen. Hat man durch Rückwärtsinduktion Anzeichen bei seinen Wettbewerbern entdeckt, daß die vermeintliche win-/ose-Strategie imitiert wird, ist auch die Wahrscheinlichkeit gering, daß großer Widerstand seitens 7 FS Hörschgen
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der Mitwettbewerber bei der Implementierung der eigenen Strategie zu erwarten ist, geschweige denn harte Vergeltungsmaßnahmen gestartet werden. Eine andere Variante der Initiierung eines win-win-Spiels ist diejenige, daß man auf der einen Seite mit seinen Gegenspielern zu kooperieren versucht und auf der anderen Seite dennoch in hartem Wettbewerb mit ihnen steht; Brandenburger!Nalebuff haben hierfür den Begriff Coopetition geprägt (vgl. Brandenburger/Nalebuff 1995, S. 59). Dies bedeutet, daß man sowohl auf eine winwin-Strategie als auch auf eine win-lose-Strategie optiert. Ein Beispiel aus der europäischen Automobilindustrie mag dies verdeutlichen. Im Marktsegment der sogenannten Mini-Vans ist zwar eine große Markenvielfalt anzutreffen, bei näherer Betrachtung jedoch fällt auf, daß in keinem anderen Segment des Automobilbaus in Europa so stark in Forschung und Entwicklung und bei der Fertigung kooperiert wird. Die beiden Pioniere im Mini-Van-Segment, Chrysler (Voyager) und Renault (Espace), haben aufgrund ihres Erfolgs in den letzten beiden Jahren schlagartig neue Wettbewerber bekommen. Der Ford Galaxy sowie der VW Sharan und Seat Alhambra wurden gemeinsam entwikkelt und werden gemeinsam in Portugal hergestellt. Desgleichen schlossen sich der italienische Fiat-Konzern und der französische PSA-Konzernverbund zusammen und entwickelten gemeinsam einen Mini-Van, der - obwohl auch gemeinsam gebaut - gleich unter vier verschiedenen Marken vertrieben wird (Fiat Ulysse!Lancia Zeta!Peugeot 806/Citroen Evasion). Dieses Jahr werden auch noch Mercedes-Benz und Opel den Reigen der Anbieter von Mini-Vans vergrößern, obwohl sich die Absatzprognosen von ca. 500.000 Einheiten pro Jahr bis zum Jahr 2000 wohl nicht realisieren lassen. 1995 stand in Europa eine theoretische Produktionskapazität von 455.000 Mini-Vans einem tatsächlichen Bedarfvon 180.000 Wagen gegenüber. Die Gefahr, daß das oben aufgeführte Beispiel eines win-win-Spiels sich noch zu einem lose-lose-Spiel entwickeln kann, ist immer dann gegeben, wenn plötzlich ein Spieler ein win-lose-Spiel zu spielen versucht. Anzeichen für ein solches "Umkippen" einiger Spielteilnehmer konnte man auch schon auf dem Markt für Mini-Vans ausmachen. Im Frühjahr 1996, anläßlich der Markteinführung des Nachfolgemodells des Chrysler-Voyagers. haben die Wettbewerber wie folgt reagiert: Renault startete für seinen Espace eine aggressive Leasing-Aktion, VW und Ford lockten den Endverbraucher mit interessanten Inzahlungnahmeaktionen für den Kauf eines Sharan und Galaxy, und Citroen!Peugeot haben die Preise für ihre Modelle um bis zu DM 6.000,gesenkt. Win-lose-Spiele können aber, wie bereits angesprochen, einen Bumerangeffekt auslösen. Das bekannteste Beispiel für einen solchen Effekt ist der Versuch, einen Marktanteilsgewinn mittels Preisnachlässen zu erreichen. Man kann zeitweilig einen höheren Marktanteil erreichen, ihn jedoch nur solange
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halten, bis die Wettbewerber ihrerseits mit neuen Preissenkungen zurückschlagen. Das Ergebnis ist im Prinzip wiederum der Status Quo - aber auf einem etwas niedrigeren Preisniveau. In der Tourismusbranche in Deutschland können wir seit einigen Jahren ein solches lose-lose-Spiel bei den Pauschalreiseveranstaltern verfolgen. Gleichgültig ob es sich um die klassischen Reiseziele am Mittelmeer oder Fernreisen in die Karibik bzw. nach Asien handelt, in der Branche herrscht fast 365 Tage im Jahr "Sommerschlußverkauf'. Negative Begleiterscheinungen wie das Engagement von billigen Charterfluggesellschaften mit unzureichend ausgebildetem Personal und gegebenenfalls sogar mit erheblichen Sicherheitsmängeln oder Pauschaltouristen, die aufgrund eines Konkurses ,Jhres" Reiseveranstalters irgendwo auf einer Trauminsel ,,festsitzen", mehren sich. Die Wertschöpfungsstruktur und auch die Wertschöpfungshöhe einer gebuchten Reise verändern sich aus Sicht eines Reiseveranstalters dramatisch.
D. Die Wertschöpfung als zentraler Aspekt eines Spiels Im Zentrum eines Unternehmerischen Spiels steht die Wertschöpfung: Sie zu kreieren und zu verteidigen, ist das Ziel eines Spielers. Um ein Spiel samt seinen Teilnehmern zu strukturieren, bietet es sich an, die gesamten Akteure in Anlehnung an Brandenburger/Naleb uff in einer Art Wertschöpfungs-Netz zu strukturieren (vgl. Brandenburger/Nalebuff 1995, S. 59 ff.). Man versucht über ein solches Netz zu klären, wer mit wem in Interaktionen und in Transaktionen steht sowie wer überhaupt die Spielteilnehmer sind und welche Rolle sie in einem Spiel innehaben bzw. belegen können. Der Grundaufbau ist in der folgenden Abbildung 1 verdeutlicht und wird anschließend kurz erläutert. Die Interaktionen verlaufen grundsätzlich in zwei ,,Dimensionen". Entlang einer vertikalen Dimension reihen sich die Lieferanten, das betrachtete Unternehmen und die Nachfrager auf; hier finden sowohl Interaktionen als auch Transaktionen statt. Die horizontale Dimension ist dadurch gekennzeichnet, daß diejenigen Spieler abgebildet werden, mit denen das betrachtete Unternehmen zwar Interaktionen, jedoch prinzipiell keine Transaktionen pflegt. Hierunter sind zunächst einmal alle Unternehmen zu subsumieren, die aus der Sicht der Nachfrager Substitutionsprodukte oder Substitutionsleistungen zu den Produkten/Leistungen des zu untersuchenden Unternehmens anbieten. Ferner gehören zu dieser Kategorie auch solche Unternehmen, an welche die Lieferanten des betrachteten Unternehmens ihre Produkte/Leistungen liefern bzw. liefern können (im folgenden Substitutars genannt). Unterschiedliche Anbieter von Mineralwasser sind beispielsweise aus der Sicht eines Nachfragers Anbieter von substituierbaren Produkten, also Substitutors. Mineralwas-
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serhersteller und Hersteller von Fruchtsäften können allerdings aus der Sicht eines Lieferanten (zum Beispiel eines Glasbehälterproduzenten) ebenfalls die Rolle von Substitutars einnehmen - nämlich dann, wenn sowohl der Fruchtsafthersteller als auch die Mineralwasserhersteller ihre Waren in Glasflaschen anbieten.
Nachfrager
Substitutors -
-
Unternehmung -
-
Complementors
Lieferanten
Abb. 1: Das Wertschöpfimgs-Netz (Quelle: in Anlehmmg an Brandenburger/ Nalebuff 1995, S. 60).
Darüber hinaus ist noch eine weitere Kategorie von Unternehmen auf der horizontalen Dimension zu analysieren. Zum einen gehören hierzu solche Unternehmen, von denen die Nachfrager Leistungen kaufen, die zu den Produkten/Leistungen des betrachteten Unternehmens eine Ergänzung darstellen. Zum anderen sind in dieser Kategorie auch diejenigen Unternehmen zu berücksichtigen, welche aus der Sicht der Lieferanten die gleichen Produkte/Leistungen nachfragen, wie sie auch an das betrachtete Unternehmen verkauft werden (im folgenden Campfementors genannt). Als ,,Klassiker" in der Kategorie sich ergänzender Produkte/Leistungen (also der Complementors) sind - aus der Sicht eines Abnehmers - die Hersteller von ComputerHardware und die Hersteller der entsprechenden Software zu nennen.
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Fluggesellschaften wie zum Beispiel Lufthansa und British Airways sind auf vielen Flugstrecken aus der Sicht eines Passagiers sicherlich harte Wettbewerber und somit Substitutors. Aus dem Blickwinkel eines Flugzeugherstellers wie Airbus Industries oder Boeing nehmen sie jedoch auch die Rolle von Camplernentors ein. Denn nur solange beide Fluggesellschaften - sei es als launehing customer oder ,,normaler" Kunde - durch die Anzahl der Bestellungen eines neuen Flugzeugmusters zum Erreichen der sogenannten kritischen Masse beitragen, können die Kostenkalkulationen und der break-even point der Hersteller realisiert werden. Um die Situation des Flugzeugbaus aus der Perspektive des Wertschöpfungs-Netzes noch etwas näher zu beleuchten, wird die Betrachtung auf einige zentrale Systemlieferanten ausgeweitet. Die Hersteller von Flugzeugtriebwerken wie General Electric, Pratt & Whitney und Rolls Royce haben zunächst einmal die Rolle von Complementors. Fluggesellschaften haben bei vielen Flugzeugtypen die Möglichkeit, bezüglich des Antriebs zwischen mehreren Triebwerksherstellern zu wählen. General Electric, Rolls Royce und Pratt & Whitney befinden sich aus dieser Perspektive in der Rolle von Substitutors. Aus Kostengründen (Bauteilegleichheit, Reduktion der Ersatzteilhaltung, Reduktion des Schulungsaufwands für Wartungspersonal etc.) sind die Airlines daran interessiert, nach Möglichkeit nur Triebwerke eines Herstellers für ihre Flugzeugflotte einzukaufen. Deshalb haben die Flugzeugproduzenten ihre Modelle konstruktiv so flexibel auszugestalten, daß adäquate Triebwerke aller für das jeweiligen Flugzeugmuster zur Verfügung stehenden Hersteller zum Einsatz gelangen können. Wie in diesem Beispiel zu sehen war, kann ein Spieler in einem Spiel gleichzeitig mehrere Rollen besetzen. Bei den im Wertschöpfungs-Netz eingeführten Begriffen kommt es also auf die Perspektive des Betrachters an. Es wäre sicherlich viel einfacher gewesen, wenn man anstelle von Substitutor den Begriff Wettbewerber genommen hätte. Aber man würde damit den Prinzipien der Spieltheorie nicht gerecht, da man immer nur an Wettbewerb im Sinne von Kampf um den Kunden denken würde und weniger an Möglichkeiten der Kooperation mit dem Konkurrenten, um ihn so in seinen Bemühungen um den Kunden etwas unter Kontrolle zu haben. In aller Regel hat das Management eines Unternehmens mehr Wissen und Erfahrung in der vertikale Dimension des Wertschöpfungs-Netzes als in der horizontalen Dimension. Entlang der horizontalen Achse scheint die Mehrzahl von Entscheidungsträgern eine sehr eingeschränkte Sichtweise zu pflegen: Substitutars werden grundsätzlich als Feinde betrachtet. Camplernentors werden, sofern sie überhaupt Beachtung finden, ausschließlich als Freunde gesehen.
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E. Möglichkeiten zur Veränderung eines Spiels Zur aktiven Gestaltung eines Spiels stehen einem Spieler grundsätzlich zahlreiche Strategiealternativen offen. Die Strategieentwicklung ähnelt insofern einem kreativen Akt, wie man ihn von einer Produkt- oder Prozeßinnovation kennt. Zur Unterstützung dieses kreativen Akts ist es sicherlich nicht verwerflich, Instrumente und Erkenntnisse aus anderen Wissenschaften heranzuziehen, die diese Kreativität unterstützen. Sie dürfen allerdings die "Welt" der strategischen Alternativen nicht auf einige wenige Grundmuster reduzieren. Deshalb werden im folgenden auch keine aus spieltheoretischen Erkenntnissen abgeleiteten Patentrezepte für erfolgreiches "Strategienbacken" generiert, sondern vielmehr das heuristische Potential der spieltheoretischen Erkenntnisse und Vorgehensweisen zur Formulierung von Strategien dargestellt. In Analogie zur Spieltheorie sollte vor der Formulierung von Strategien eine (unternehmerische) Spielbeschreibung erfolgen, welche mindestens folgende Elemente aufzuweisen hat: 6 Spieler: Das sind die mittlerweile bekannten Kunden, Lieferanten, Substitutors und Complementors und das eigene Unternehmen. Keiner der Spieler ist allerdings auf seine Rolle fixiert. Manchmal ist es auch sinnvoll, in Anlehnung an Harsanyi das relevante Umfeld (also Rahmenbedingungen wie etwa die begrenzte Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen), sofern es als spielentscheidend zu erachten ist, als einen zusätzlichen sogenannten ,fiktiven Spieler" rnitaufzunehmen. 7 Wert: Dieser repräsentiert den Nutzen ("payoff'), den der Spieler erhält, wenn alle Spieler ihre Strategien formuliert haben und das Spiel begonnen hat. Der Wert wird in der Spieltheorie auch als der erwartete Nutzen definiert, den ein Spieler als Ergebnis seiner eigenen verfolgten Strategien und der Strategien seiner Mitspieler erhält. Im Verlauf des Spiels gibt es zahlreiche Möglichkeiten, seinen eigenen Wert zu erhöhen und den Wert seiner Mitspieler zu reduzieren. Spielregeln: Sie geben dem Spiel die Struktur vor. Für unternehmerisches Handeln fehlen allerdings universelle Spielregeln; eine Spielregel kann hier eher durch legislative Maßnahmen, durch Kunden, durch Verträge oder durch Zu den Elementen eines Spiels in der Spieltheorie vgl. Rasmusen 1994, S. 10 ff. Harsanyi führte in der Spieltheorie die Natur als einen zusätzlichen pseudo-player ein, um ein Spiel mit Wlvollständiger Information in ein Spiel mit impetfekter Information zu überführen Wld damit der traditionellen spieltheoretischen Methodik zugänglich zu machen (vgl. hierzu Harsanyi 1967/68).
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Gewohnheitsrecht entstehen. Spieler können allerdings auch versuchen, alte Spielregeln zu revidieren oder neue Spielregeln zu etablieren.
Aktionen: Im Prinzip sollen nur strategische und keine taktischen Entscheidungen im Mittelpunkt dieser Betrachtung stehen. Dennoch können bestimmte Aktionen die Wahrnehmung einzelner Spielteilnehmer derart verändern, daß sie zu anderen strategischen Entscheidungen führen - womit nichts anderes gesagt werden soll, als daß es durchaus taktische Spielzüge (Aktionen) mit strategischer Bedeutung gibt, welche die anderen Mitspieler über die eigene Strategie im unklaren lassen oder gerade helfen sollen, Mißverständnisse über die eigene gewählte Strategie auszuräumen. Spielfeld: Die Grenzen eines Spielfelds sollten klar umrissen sein. Andererseits kann gerade die Chance, daß Spielteilnehmer diese Grenzen erweitern oder auch enger ziehen, zum Unternehmerischen Erfolg führen. Für die aktive Gestaltung eines Spiels ist es nun wichtig, zunächst die oben aufgeführten Elemente zu analysieren und dann, entsprechend dem vorgegebenen Rahmen, durch Veränderung des einen oder anderen Elements eigene spielstrategische Akzente zu setzen.• Welche Entwicklungsrichtungen eine Strategie nehmen kann, soll anband von Variationsmöglichkeiten der oben betrachteten Elemente eines Spiels aufgezeigt werden.
I. Rollentausch der Spielteilnehmer Ein Nachfrager, welcher aufgrundvon Schutzrechten (Patenten etc.) auf die Belieferung durch einen einzigen Lieferanten angewiesen ist, möchte sich natürlich gerne eine zweite oder gar dritte Lieferquelle erschließen. In der Regel will man mit diesen Lieferanten kaum große Geschäftsvolumina abwikkeln, aber für einen Wettbewerb zwischen den Lieferanten können sie wirtschaftlich von Nutzen sein. So sollte sich ein Unternehmen, das neu in einen von einem anderen Unternehmen monopolistisch dominierten Markt einsteigen will, nicht nur fragen, welche Leistungen den Nachfragern in diesem Markt angeboten werden können, sondern auch zu welchen Leistungen man diese Nachfrager verpflichten kann, damit man als Unternehmen in diesen Markt eintritt und so für mehr Wettbewerb sorgt. Diese Idee, daß man sich für einen Markteintritt und die Schaffung von Wettbewerb quasi bezahlen läßt, ist im Geschäft mit Firmenübernahmen (Mergers & Acquisitions) insbesondere in den USA schon lange ein einträgliches Geschäft. Die Entlohnung muß auch 8
Brandenburger wtd Nalebu.!J haben für diese fiinfElemente das Akronym PARTS (player, added value, rules, tactics, scope) geprägt (vgl. Brandenburger/Nalebuff 1995, s. 61).
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nicht immer in Geldeinheiten bestehen, sondern kann unter Umständen in Form von längerfristigen Abnahmeverträgen, Forschungs- und Entwicklungszuschüssen, Übertragung von Nutzungsrechten etc. erfolgen. Eine weitere Möglichkeit, innerhalb eines Spiels die Rollensituationen der Teilnehmer zu verändern, ist der Versuch, neue Spieler in den Markt der Camplernentors einzubringen. Der oben schon erwähnte klassische Fall für Komplementärleistungen ist Hard- und Software. Software-Firmen entwickeln eigentlich nur dann Produkte, wenn eine kritische Masse an Hardware-Produkten auf dem Markt ist, mit der die entsprechende Software "arbeiten" kann. Nachfrager neigen allerdings dazu, erst dann in neue Hardware zu investieren, wenn ein ausreichend großes Angebot an Softwareprodukten am Markt verfügbar ist. Die Anzahl der verkauften Hardware mit dem entsprechend installierten Betriebssystem ist für viele Nachfrager eine Art Sicherheitsindex für ihre eigenen Investitionen. Aus der Sicht eines Software-Herstellers kommt es deshalb darauf an, daß so rasch wie möglich eine große Stückzahl Hardware auf den Markt abgesetzt wird. Ein günstiger Preis für die Hardware kann hier als Markteintrittswaffe für eine schnelle Marktdurchdringung und damit für das schnelle Erreichen der sogenannten kritischen Masse sehr hilfreich sein. Aus Sicht der Software-Anbieter wäre es deshalb wünschenswert, möglichst viele der in Frage kommenden Hardware-Anbieter in einen Preiswettbewerb zu drängen, um dann über stark gefallene Hardware-Einstiegspreise einen Nachfragesog für die eigene Software auszulösen. Vor der gerade geschilderten Situation stand die Firma 300, ein Hersteller von Videospielen, der eine neue 32-bit Hard- und Software-Technologie für Videospiele entwickelt hatte. Mit dem Ziel einer schnellen Marktdurchdringung wurden auf der einen Seite die Lizenzen an Hardware-Hersteller sehr preisgünstig abgegeben, auf der anderen Seite versuchte man zusätzlich weitere Software-Entwickler zu lizensieren, wenn sie nach der 300 32-bit Technologie Spiel-Software entwickeln. Um den Wettbewerb im Hardware-Bereich noch etwas zu intensivieren, wurden Prämien für die Hardware-Hersteller in Form von Beteiligungen an der Firma 300 für jede verkaufte Hardware ausgesetzt. Auf diese Weise hat 300 sehr schnell Hardware-Produzenten (Mitspieler) wie Matsushita, GoldStar, Sanyo und Toshiba für den Markt der 300-Hardware gewinnen können - was wiederum die Software-Entwicklungsfirmen dazu animierte, sich um eine Lizenz zur Entwicklung von 300Spiel-Software zu bemühen.
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II. Veränderungen der Wertschöpfungsmöglichkeiten Ebenso wie man nicht akzeptieren sollte, daß die Spieler für die Dauer des Spiels nur auf jeweils eine Rolle während des Spiels fixiert sind (was gemäß den Prinzipien der Spieltheorie ja nicht der Fall ist), sollte man sich auch überlegen, wie man eine Veränderung der Wertschöpfung der einzelnen Mitspieler bewirken kann. Zunächst liegt es nahe, entsprechend dem Nullsummenspiel die eigene Wertschöpfung zu erhöhen, was in der Regel eine Verminderung der Wertschöpfung der anderen Mitspieler zur Folge hat. Eine andere Alternative wird dagegen häufig außer Acht gelassen, nämlich zu versuchen, die Wertschöpfung der anderen Mitspieler zu vermindern, um so den eigenen Anteil zu erhöhen. Der Unterschied zwischen den - auf den ersten Blick - übereinstimmenden Ergebnissen soll im folgenden näher betrachtet werden. Man kann seine Produkte den Kundenwünschen anpassen, durch Marken, Serviceleistungen und ähnlichen Aktionen Präferenzen bilden, durch Zusammenarbeit mit den Lieferanten die Kosten senken etc. Diese strategischen Ansätze sollten nicht unterschätzt werden, aber es gibt - wie eben angedeutet noch andere Möglichkeiten, seine eigene Wertschöpfung zu erhöhen. Am Beispiel von Fluggesellschaften soll dies verdeutlicht werden. Angesichts der immer schwächeren Auslastung in der ersten Klasse sowie dem harten Kampf um die zweite Säule der Vollzahler, die Business-Class-Passagiere, hat die amerikanische Fluggesellschaft TWA 1993 seine First-Class aufgegeben, durch Entfernung einiger Sitzreihen mehr Platz in der Business-Class geschaffen und so die Comfort-Class kreiert, eine de facto aufgewertete BusinessClass. TWA hatte mit seinem Produkt großen Erfolg, so daß andere Fluggesellschaften - nicht nur in Amerika, sondern auch in Europa - diesem Beispiel folgten. Dadurch hat sich die ursprüngliche win-lose-Strategie in eine win-winStrategie gewandelt. Da andere Gesellschaften ebenfalls ihre First-Class aufgaben und eine aufgewertete Business-Class anboten, war der Preiskampf in einer von Überkapazitäten geplagten Branche wenigstens im Bereich der sogenannten Vollzahler gebannt. Denn selbst in den für ein erfolgreiches YieldManagemenl' einer Fluggesellschaft so wichtigen Bereichen wie der First- und Yield steht wörtlich übersetzt fiir Ertrag oder Rendite. Der Yield wird bei Fluggesellschaften als Meßzahl fiir betriebswirtschaftliche Effizienz benutzt (z.B. Umsatz oder Ertrag pro Passagiermeile in Cents ausgedrückt). Das sogenannte YieldManagement stellt eine Konzeption dar, bei der eine optimale Kombination von Preisen mit den vorhandenen (Leisnmgs-)Kapazitäten erreicht werden soll, wn den Gesamtumsatz und den Ertrag zu maximieren. Gleichzeitig wird in dieser Konzeption versucht, die bei nicht-lagerfähigen Leistlmgserstellungen enstehenden Leerkosten (bei ungenutzten Kapazitäten) sowie die Gefahren nicht genutzter höherer Erlöse zu minimieren. Hierzu teilt man die Gesamtkapazität in Kontingente ein, fiir die unterschiedliche Preise verlangt werden. So soll eine ertragsbezogene
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der Business-Class waren bis zum damaligen Zeitpunkt Preisreduktionen um bis zu 40 Prozent durchaus üblich geworden. Durch eine Veränderung des Produkts hat man bei TWA die Wertschöpfungsmöglichkeiten zu seinen Gunsten erweitern können. Man kann natürlich auch durch eine Minderung der Wertschöpfungsmöglichkeit der anderen Spielteilnehmer seine eigene Wertschöpfung erhöhen. Dies kann am Beispiel der Firma Nintendo - einem Anbieter von Videospielen - recht deutlich gezeigt werden. Betrachtet man - wie in Abbildung 2 dargestellt - die Spielpartner von Nintendos Wertschöpfungs-Netz und Nintendos Spielzüge, so wird schnell klar, auf welche Art und Weise bei den Mitspielern Nintendos die Wertschöpfung reduziert wurde (vgl. Brandenburger/Nalebuff 1995, S. 65 ff.). Betrachten wir einmal die Spieler: Nachfrager: Die Nachfrager nach Nintendo-Produkten zeichnen sich durch eine große Nachfragemacht aus; große Spielzeughandelsketten oder Warenhausketten wie Toys R Us oder Wal-Mart sind die Hauptabnehmer. Nintendo hat jedoch nicht alle Aufträge dieser Nachfrager erfüllt, sondern nur einen Teil des Ordervolumens. Damit war auf seiten der Endkunden ein hoher Nachfragestau zu verzeichnen. Complementors: Hier sind zunächst einmal die Unternehmen zu nennen, welche Videospiele entwickeln. Zu Beginn hatte Nintendo seine Spiele selbst entwickelt. Man baute einen Sicherheitschip in die Hardware, so daß nur Original Nintendo-Spiele oder von Nintendo lizensierte Ware funktionieren konnte. Die Anzahl der Lizenznehmer für die Spielentwicklung wurde extrem klein gehalten. Ferner hatte man die Anzahl der Spiele, die ein Lizenznehmer produzieren durfte, sehr streng limitiert. Suppliers: Nintendo benützte für seine Spiele am Anfang eine etwas veraltete Chip-Technologie (8-bit), so daß die Wertschöpfung bei den Lieferanten der Bauteile nicht sehr groß war - dieser Chiptyp ist einfachste Massenware, bei dem die Rendite für einen Hersteller gegen Null strebte. Ferner hatte man durch die anfängliche Eigenentwicklung der Spiele eine Spielfigur namens "Super-Mario" kreiert, die sich im Laufe der Zeit zu einem eigenständigen Markenartikel entwickelte, .so daß keine Nutzungsrechte an anderen Superhelden der Videospielwelt gekauft werden mußten. Die hauseigene Comic-Figur konnte man dagegen aufgrund ihres zunehmenden Bekanntheitsgrads auch extern vermarkten. Man bot der Industrie Nutzungsrechte an der Figur "Super-Mario" an.
Steuenmg der Nachfrage mit nachfragegerechten Preisen erreicht werden (vgl. hierzu Harris/Peacock 1996, S. 34 ff.; Vollmar 1994).
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Substitutors: Die Wettbewerber auf dem Markt für Videospiele hatten und haben es durchaus schwer, gegen Nintendo zu bestehen. Aufgrund der bisher hohen verkauften Stückzahlen an Nintendo-Geräten vermochte man die Hardwarekosten sehr stark zu senken. Angriffe über Preisnachlässe konnte und kann sich kein Wettbewerber leisten, weil er Nintendo unterlegen wäre. Nintendo hat zur Zeit die größte Anzahl an Hardware-Installationen auf dem Markt. Durch den Einbau des Sicherheitschips ist es auch nicht möglich, daß andere Hersteller ohne Nintendos Einverständnis deren Spiele auf ihre Plattformen übernehmen.
Nachfrager Toys R Us, Wal-Mart
Substitutors Atari, Commodore (Hardware)
I -I
Nintendo Acclaim, Electroo.ic Arts
(Software)
Lieferanten
Ricoh, Sharp (Mikrochips) Disney, Warocr (Spielfiguren)
Abb. 2: Die Spieler in Nintendos Wertschöpfimgs-Netz (Quelle: in Anlehnwg an Brandenburger/Nalebuff 1995, S. 66)
Mit der von Nintendo eingeschlagenen Strategie sind die Wertschöpfungsmöglichkeiten der einzelnen Spielteilnehmer relativ stark eingeschränkt worden, wohingegen man die eigene Wertschöpfung nach oben zu erweitern versuchte. Man sollte sich jedoch auch in Erinnerung rufen, daß es für keinen Spieler die Garantie gibt, daß er auch wirklich den für ihn maximal möglichen
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Wertschöpfungsanteil realisieren kann. Wie schon angedeutet, besteht auch die Chance, ohne eine Wertschöpfungssteigerung Geld zu verdienen: Man kann sich von seinen Mitspielern dafür entlohnen lassen, daß man entweder in einen Markt eintritt bzw. austritt oder als Spielteilnehmer in einem Markt verbleibt. Ein weitere Möglichkeit besteht darin, als Spieler die Spielregeln zu verändern und damit seine Wertschöpfungsmöglichkeiten zusätzlich zu erweitern.
m. Veränderung der Spielregeln Regeln dienen dazu, das Spiel zu bestimmen, indem die möglichen Aktionen und Reaktionen der Spielteilnehmer limitiert werden. Eine sehr einfache Regel heißt: Ein Preis für alle (Abnehmer). Stellen wir uns einmal vor, daß ein neuer Spieler in einen Markt eintritt, der jedoch nur über eine Produktionskapazität für maximal 10% des Marktvolumens verfügt und seine Leistungen den Nachfragern zu einem Discountpreis offeriert. Durch ihre Reaktionen bestimmen nun die angegriffenen Spielteilnehmer, ob der ,,Marktneuling" Geld verdient oder nicht. Man kann dem neuen Unternehmen entweder die 10% Marktanteil überlassen oder durch entsprechende aggressive Preisstellung reagieren. Prinzipiell ist es sicherlich besser, auf 10% Marktanteil zu verzichten als auf eine angemessene Rendite. In einem solchen Fall kann der Newcomer aufatmen. Aber was geschieht, wenn der neue Marktteilnehmer mehr als 10% Marktanteil anstrebt? Wenn das neue Unternehmen seine Kapazitäten schon von Beginn an auf einen gewissen Prozentsatz einschränkt, kann ein angegriffenes Unternehmen - bei entsprechender Ertragssituation den Neuling durchaus dulden und ihn die sogenannte Judo-Strategie verfolgen lassen: Man bleibt als Neuling in einem Markt klein und versucht, die Größe der älteren Spielteilnehmer zu seinen Gunsten zu nutzen (vgl. Brandenburger/ Nalebuff 1995, S. 67). Southwest Airlines und Kiwi International Airlines sind zwei neue Fluggesellschaften, die sehr erfolgreich das shake-out unter den amerikanischen Fluggesellschaften (als Folge des deregulation-acts) gemeistert haben. Kiwi Airlines hat sich als Zielgruppe die zumeist vollzahlenden Geschäftsreisenden ausgesucht, wohingegen Southwest Airlines als typische no-.fri/1-Airline die Economy-Class-Reisenden und Schnäppchenjäger bedient. Kiwi Airlines erklärte schon zu Beginn der Aufnahme seiner Aktivitäten in der Öffentlichkeit, daß Kiwi maximal 10% Marktanteil in einem Markt anstrebe. Da die von Kiwi angestrebte Zielgruppe auch bei den großen Fluggesellschaften wie American Airlines, Delta, United Airlines und USAir die jeweils höchsten und dringend notwendigen - Deckungsbeiträge pro Sitzplatz liefert, läßt man sich in diesem Markt nur sehr ungern auf einen Preis- und Konditionenkrieg ein. Die Regel "ein Preis für alle" schützte in diesem Fall Kiwi Airlines vor
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einer großen Vergeltungsmaßnahme der alteingesessenen Fluglinien. Denn am unteren Ende der Flugpreisskala, der Economy-Class, lauerte ebenfalls ein Newcomer, Southwest Airlines. Basierend auf niedrigeren Personalkosten, einer Einheitsklasse, minimalen Serviceleistungen, dem Einsatz von nur einem Flugzeugmuster und schließlich der Nutzung modernster Informationslogistik, mit deren Hilfe der ticketlose Flug ermöglicht wurde, konnte Southwest Airlines auf der Discountschiene gegen die etablierten Airlines reüssieren. Wie erinnerlich können die Spielregeln eines Spiels durch Nachfrager, Gesetze, Verträge oder Abmachungen bestimmt werden. In dem eben skizzierten Fall haben Nachfrager eine Spielregelveränderung bewirkt. Mittlerweile wechseln nämlich auf dem amerikanischen Markt die sogenannten Vollzahler, also Geschäftsreisende, verstärkt zu den Discountfluglinien wie Southwest Airlines, so daß einige der traditionellen Fluglinien durch Neugründungen oder Ausgliederungen von Tochterfluggesellschaften versuchten, über niedrigere Personalkosten, weniger Serviceleistungen etc. im Wettbewerb gegen Discounter wie Southwest Airlines oder ValuJet zu bestehen. 10 Spielregeln sind insbesondere fiir Spieler und Spiele in solchen Märkten interessant, in denen die Leistungen bestimmten Standards und/oder Normen genügen müssen. Eine Wertschöpfung kann dort in der Regel eher über Serviceleistungen, Zuverlässigkeit, Image, Technologie etc. erreicht werden. Gerade in der Touristikbranche werden neue Informationstechnologien (Stichwort Informationslogistik) in naher Zukunft die Spielregeln sicherlich drastisch verändern und damit die Spieler zu neuen strategischen Entscheidungen zwingen. Das klassische Reisebüro als Absatzmittler wird dabei ebenso hinfiillig wie die Reisekataloge. Mit einem flächendeckenden Einsatz von ISDN und unter Zuhilfenahme von Online-Diensten können Reiseveranstalter, Hotels, Fluglinien, Autovermieter von den Nachfragern direkt via Heim-PC gebucht werden. Der deutsche Reiseveranstalter Jahn-Reisen (eine Tochter der Fluggesellschaft LTU) wird versuchsweise den Winterkatalog 96/97 als Online-Version anbieten. Bei Jahn-Reisen ist dann alles vernetzt, was mit dem Thema Reisen zu tun hat: vom Einkauf der Leistungen vor Ort per Laptop oder Direkteingabe von Hotels ins Datennetz über die Produktplanung und -kalkulation, die Auslastungssteuerung, bis hin zum Verkaufvia PC im Reisebürooder Heim-PC durch T -Online oder Internet. 10
Allerdings haben Fluglinien wie USAir und Continental Airlines ihre "billigen" Tochtergesellschaften wieder reintegriert, weil die Irritationen beim Verbraucher doch zu hoch gewesen waren. Ein ähnlicher Fall war die Strategie LufthansaExpress, welche seitens der Lufthansa als Antwort auf den relativ preisaggressiven Markteintritt der Deutschen BA in Deutschland gedacht war. Aber auch hier ist diese Strategie nach knapp einem Jahr wieder rückgängig gemacht worden.
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IV. Einflußnahme auf die Annahmen der Spieler Unternehmerisches Handeln ist wie manch anderes Handeln auch von Unsicherheit gekennzeichnet. Die Taktik eines Spielers- in Form von Aktionenkann die Art und Weise, wie die anderen Mitspieler ihre Einschätzungen über die zukünftigen Entwicklungen vorzunehmen pflegen, beeinflussen. Man kann durch entsprechende Aktionen versuchen, Mißverständnisse zu klären - den Nebel seiner strategischen Intentionen also lüften oder aber gerade das Gegenteil bewirken, die Mitspieler quasi ,)m Nebel stochern" lassen, d.h. man möchte mit seinen Aktionen ein gewisses strategisches Verhalten signalisieren und/oder bei den Mitspielern auslösen. In der Spieltheorie rubrizieren derartige Spiele unter dem Begriff Signaling (vgl. Rasmusen 1995, S. 249 fi.). Mit diesem Begriff soll zum Ausdruck gebracht werden, daß ein Spielteilnehmer eine Information besitzt, die ein anderer Spieler nicht hat (sogenannte Informationsasymetrien). Der besser informierte Spieler sendet ein Zeichen an den anderen Spieler, das die Information übermitteln soll. Das Aussenden dieses Zeichens, das Signaling, soll zur Lösung des Spiels bzw. zur Realisierung bestimmter Strategien beitragen. Dieser Typus von Spielen mit unvollständiger Information stellt einen Schwerpunkt der neueren Spieltheorieforschung dar und hat sowohl die Informationsökonomik als auch die Principal-AgentTheorie sehr stark geprägt. Anfang der 70er Jahre wurde die Idee des Signaling im volkswirtschaftlichen Schrifttum unter anderem im Zusammenhang mit Produktvorankündigungen (preannouncing) diskutiert. Porter hat diesen Ansatz als erster der betriebswirtschaftliehen Strategieforschung zugänglich gemacht - zwar noch nicht als geschlossene Theorie, sondern primär auf Signaling gegenüber dem Nachfrager und gegenüber den Konkurrenten (vgl. Porter 1988, S. 110 fi.; 1989, S. 666 fi.). Seitdem finden sich in der Literatur immer wieder Hinweise auf Signaling im Rahmen wettbewerbsstrategischer Überlegungen (vgl. etwa Möhrle 1995, S. 45 f.). Die Computerfirmen IBM und DEC lieferten sich in den 80er Jahren im Bereich der MaiDframe-Rechner sehr heftige preannouncing-Kämpfe, um so ihre First-to-Market-Strategie abzusichern. Ein Signal kann beispielsweise durch das Setzen von sehr hohen oder sehr niedrigen Preisen oder durch Investitionen in hohe Produktionskapazitäten erfolgen. V. Veränderung der Spielfeldgrenzen Als eine weitere und letzte Alternative möglicher Veränderungen gilt das Spielfeld an sich. So könnte man auf einem Markt mit Substitutars versuchen, dem direkten Wettbewerb auszuweichen, indem man sich auf einen anderen Markt respektive auf ein anderes Spielfeld zurückzieht. Mit dieser Alternative haben sich die beiden Anbieter von Videospielen Nintendo und Sega den Markt aufgeteilt. Nintendo ist eine Art Monopolist auf dem Markt für 8-bit-
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Videospiele~ Sega und die anderen relativ kleinen Wettbewerber konnten in diesem Marktsegment nicht mithalten. Deshalb versuchte Sega so schnell wie möglich ein 16-bit-Videospiel auf den Markt zu bringen. Nintendo antwortete erst zwei Jahr später mit einem Pendant. In dieser Zeit konnte sich Sega am Markt etablieren. Die Preise der 16-bit-Spiele lagen höher als jene der 8-bitSpiele, so daß auch für die Nachfrager die Unterschiede zwischen den Videospielen eindeutig wahrnehmbar waren. Hätte Sega den Preis für seine 16bit-Spiele gesenkt, wären sie zu Substituten von Nintendos 8-bit-Spielen geworden. Da dies unterblieb, konnten beide Hersteller während ihrer selbst verordneten "Wettbewerbspause" relativ große Wertschöpfungen realisieren.
F. Resumee Sicherlich sind einige der gerade vorgestellten Gestaltungsalternativen nur mit erheblichen finanziellen Aufwendungen zu bewerkstelligen und können auch nicht von heute auf morgen realisiert werden. Sie haben aber gezeigt, daß unter Zuhilfenahme eines recht einfachen Instruments, dem WertschöpfungsNetz und einigen - wenn auch sehr stark vereinfachten - Erkenntnissen und Regeln der Spieltheorie das Spektrum einer erfolgreichen Strategienformulierung erweitert werden kann. Man sollte sich jedoch in Erinnerung rufen, daß die Spieltheorie ihr primäres Erkenntnisinteresse nicht in der Generierung normativer Handlungsempfehlungen sieht. Vielmehr geht es darum, situationsspezifische Interpretations- und Argumentationsmuster zur Verfügung zu stellen (vgl. McMillan 1992, S. 7 ff.), oder, um es mit Postrel zu sagen, "Game theory by itself is not a theory of business strategy, it is only a set of logical tools that constrain and shape our arguments" (Postrel 1991, S. 155).
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Konsumentenforschung und Marketing Die Konsumentenforschung als Schnittstellenwissenschaft im Brennpunkt aktueller Marketing-Probleme Von Brigitte Gaiser
A. Hintergrund und Problemstellung Die Anforderungen an eine erfolgreiche Unternehmensführung sind in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Verantwortlich dafür sind in erster Linie die zunehmende Geschwindigkeit und die Intensität, mit denen sich die Umweltbedingungen der Unternehmen verändern. Ob im soziokulturellen, ökonomischen, politischen, ökologischen oder technischen Feld, betroffen sind nahezu alle Bereiche unserer Umwelt: Ressourcenverknappung und Umweltbelastungen, der rapide technologische Wandel, Sättigungserscheinungen auf vielen Märkten, der zunehmende Konkurrenzdruck auf nationaler wie internationaler Ebene, drastische Veränderungen der Bevölkerungsstruktur und des gesellschaftlichen Wertesystems sind nur einige Beispiele für die neuen Herausforderungen, vor die die Umwelt das Management heute stellt (vgl. u.a. Bruhn 1989, S. 1). Insbesondere die mit diesen Entwicklungen einhergehenden dramatischen Veränderungen im Konsumentenverhalten erschweren es den Unternehmen in zunehmendem Maße, sich mit ihren Leistungen im Wettbewerb um die Gunst dieser Konsumenten erfolgreich durchzusetzen. Betroffen davon ist vor allem das Marketing der Unternehmen, verstanden als die konsequente "Ausrichtung aller unmittelbar und mittelbar den Markt berührenden Entscheidungen an den Erfordernissen und Bedürfnissen der Verbraucher" (Nieschlag!Dichtl/Hörschgen 1994, S. 13). Denn die konsequente Ausrichtung am Konsumenten, vor allem aber seine zielgerichtete Beeinflussung ist nur dann möglich, wenn Informationen über das aktuelle und zukünftige Verbraucherverhalten sowie die Beweggründe des Verhaltens vorliegen (vgl. Bänsch 1995, S.1). Kann das Verhalten nicht erklärt und bis zu einem bestimmten Maß prognostiziert werden, sind Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen unvermeidbar (vgl. Bergler 1987, S. 9). Für ein erfolgreiches Agieren am Markt sind somit Informationen über den Konsumenten und sein Verhalten von elementarer Bedeutung.
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Brigitte Gaiser
Die Bereitstellung entsprechender Fakten und Kenntnisse ist Aufgabe der Konsumentenforschung. Diese Aufgabe wird aber in einer sich immer schneller verändernden Welt zusehends schwieriger. Das Dilemma unserer Zeit ist, daß Konsumentenforschung noch nie so wichtig, aber auch noch nie so schwierig war wie heute. Vor diesem Hintergrund ist das Ziel dieses Beitrags, erstens die Entwicklung und die Aufgabenfelder der Konsumentenforschung zu skizzieren und ihre Interdependenzen zu Nachbardisziplinen sowie die daraus resultierenden Probleme darzustellen. Zweites Anliegen ist es, zentrale Veränderungen im Bedingungsrahmen der Konsumentenforschung bzw. des Marketing aufzuzeigen, um drittens darauf aufbauend Schlußfolgerungen fur die zukünftige Entwicklung von Marketing und Konsumentenforschung abzuleiten. Die Betrachtung konzentriert sich dabei ausschließlich auf den Bereich der privaten Nachfrage, insbesondere auf die klassischen Konsumgütermärkte.
B. Die Konsumentenforschung als Schnittstellenwissenschaft I. Entwicklung der Konsumentenforschung
Das Konsumentenverhalten fand in der Betriebswirtschaftslehre und in der Absatzwirtschaft lange Zeit kaum Beachtung. Der Mensch bzw. der Konsument als Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre gewann in Deutschland erst mit dem zunächst allmählich, dann aber immer rasanter fortschreitenden Wandel der Verkäufer- in Käufermärkte an Bedeutung. Diese in den 60er Jahren einsetzende Entwicklung zwang sowohl die Unternehmen als auch die Betriebswirtschaftslehre zum Umdenken. Erst jetzt begann sich die amerikanische Marketing-Lehre auch in Deutschland auf breiter Front durchzusetzen. Mit der Etablierung des modernen Marketing-Denkens als der strengen Orientierung am Markt, mit der Absicht, bei den Abnehmern Präferenzen fur das eigene Angebot zu schaffen (vgl. Nieschlag!Dichtl/Hörschgen 1994, S. 1058), rückte der Konsument in den Mittelpunkt des Interesses. Infolgedessen waren noch Anfang der 60er Jahre die Begriffe Konsumentenverhalten und Konsumentenforschung in Deutschland nahezu unbekannt. Mit der Übernahme des Marketing-Gedankens in Wissenschaft und Praxis gewannen jedoch die Begriffe Konsumentenverhalten und Konsumentenforschung schnell an Bedeutung. Im wissenschaftlichen Bereich etablierte sich die empirische Marketing-Forschung, zu deren Mittelpunkt die Erforschung des Konsumentenverhaltens wurde (vgl. Meffert/Steffenhagen!Freter 1979, S. 24; Kroeber-Riel 1992, S. 4). Der Durchbruch gelang Anfang der 70er Jahre insbesondere durch die Forschungsarbeiten und Veröffentlichungen KroeberRiels. Viele Wissenschaftler, die sich mit dem Konsumentenverhalten be-
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schäftigen, sind, wie auch Kroeber-Riel, Wirtschaftswissenschaftler mit dem Schwerpunkt Marketing. In jüngerer Zeit ist jedoch eine gewisse Verselbständigung der Konsumentenforschung als eigenständige Wissenschaft zu beobachten (vgl. Behrens 1988, S. 9).
Die Konsumentenforschung beschäftigt sich mit Menschen in ihrer Eigenschaft als Konsument, d.h. als Letztverbraucher von wirtschaftlichen Gütern und Dienstleistungen (Konsumenten i.e.S.). Insofern kommen die Erkenntnisse der Konsumentenforschung zwar in erster Linie dem kommerziellen Marketing zugute, finden jedoch auch Anwendung im Rahmen der Verbraucherpolitik zum Zwecke eines verbesserten Verbraucherschutzes (vgl. Kroeber-Riel 1992, S. 4). Im Zuge einer Lockerung der engen Beziehung zum kommerziellen Marketing hat sich das Blickfeld der Konsumentenforschung in den letzten Jahren geöffnet. Ihr liegt heute zumeist ein erweiterter Konsumentenbegriff zugrunde, der das Verhalten von "Konsumenten" ideeller Güter (Konsumenten i. w.S. ), z.B. Wähler, Kirchgänger, Museumsbesucher mit in die Betrachtung einbezieht. Trotz dieser Ausdehnung auf den nicht-kommerziellen Bereich liegt das Hauptanwendungsgebiet der Konsumentenforschung jedoch nach wie vor im kommerziellen Marketing. Vor dem Hintergrund, die Marketing-Praxis mit den notwendigen Informationen und Kenntnissen zu versorgen, ist das Ziel der Konsumentenforschung, das Verhalten der Konsumenten zu erfassen, zu erklären und die Gesetzmäßigkeifen dieses Verhaltens zu formulieren, so daß eine Diagnose, Therapie und Prognose des Verhaltens möglich wird (vgl. Kroeber-Riel 1990, S. 7). Die zentralen Fragestellungen der Konsumentenforschung sind in Tabelle 1 zusammengestellt. Das Konsumentenverhalten wird von einer Vielzahl unterschiedlichster Einflußfaktoren bestimmt. Individuelle (soziodemographische und psychische) Einflüsse bestimmen das Verhalten genauso wie soziale, kulturelle und andere umweltbedingte Faktoren. Hinzu kommen Einflüsse, die von den gezielt eingesetzten Marketing-Instrumenten der Unternehmen ausgehen. Im Ergebnis ist das Verhalten immer das Resultat komplexer Interdependenzen zwischen diesen Einflußgrößen. Obwohl viele der genannten Faktoren durch die Unternehmen nicht oder nicht direkt beeinflußt werden können, ist es wichtig, alle Verhaltensdeterminanten zu erkennen und zu verstehen, damit das Marketing seine Strategien und Maßnahmen entsprechend ausrichten und so das Risiko von Fehlentscheidungen reduzieren kann (vgl. Weeser-Krell 1991, S. 94).
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Brigitte Gaiser
Dia2Jlose Wie verhält sich der Konsument? Wie verbreitet, wie ausgeprägt, wie stabil ist das Verhalten?
Therapie Wie kann dieses Verbalten beeinflußt werden?
Prognose Wie wird der Konsument auf Marketing-Stimuli reagieren?
Welches sind die Bestimmungsgriinde/ Gesetzmäßigkeiten seines Verhaltens? Tab. 1: Zentrale Fragestellungen der Konsumentenforschung
Zu den verschiedenen Einflußfaktoren liegen eine Vielzahl von Erkenntnissen vor, so daß keine Notwendigkeit besteht, in diesem Beitrag näher darauf einzugehen. Um die Einordnung der angesprochenen Bereiche zu erleichtern und einen Bezugsrahmen für die später aufzuzeigenden Veränderungen zu schaffen (vgl. Kap. C.), soll Abbildung 1 einen Überblick über die verschiedenen Einflußgrößen und ihr Zusammenwirken geben. II. Informationsquellen der Konsumentenforschung als Schnittstellenwissenschaft Die Ziele der marketing-orientierten Konsumentenforschung können nur auf empirischem Weg und aufgrund der vielfältigen Einflußgrößen des Konsumentenverhaltens nur durch die Übernahme von Erkenntnissen aus anderen empirischen Verhaltenswissenschaften erreicht werden. Die komplexe Aufgabenstellung der Konsumentenforschung im Marketing erfordert zwingend eine interdisziplinäre Ausrichtung. Zentrale Ansatzpunkte liefern neben naturwissenschaftlichen Fächern wie Biologie oder Physiologie in erster Linie die sozialwissenschaftliehen Nachbardisziplinen Psychologie und Soziologie (vgl. Kaschnick 1995, S. 532). Enge Verknüpfungen bestehen insbesondere zur Psychologie als der Wissenschaft, die sich mit dem Erleben und Verhalten des Menschen auseinandersetzt. Sie ist im wesentlichen eine empirische Wissenschaft, die versucht, generalisierende Aussagen über das menschliche Verhalten zu gewinnen. Ihre Forschungsarbeiten sind von Hypothesen oder Theorien geleitet, die mit Hilfe von Methoden, die den Kriterien der Validität und Reliabilität entsprechen müssen, überprüft werden (vgl. Bebie 1978, S. 7). Ihr Anliegen, die Formen des Verhaltens, aber auch seine Bedingungen und Gesetzmäßigkeilen zu erfassen, deckt sich mit den zentralen Fragestellungen des Marketing bzw. der Zielsetzung der Konsumentenforschung (vgl. Nieschlag/Dichtl/Hörschgen
123
KonsumentenforschlDlg lDld Marketing
1979, S. 33 f.). Dies gilt in besonderem Maß für die Markt- und Werbepsychologie als Teilgebiete der Angewandten Psychologie.
Au8enreizel-eintlüsse
Organismus/
Von Unternehmen nicht ----+ kontrollierbare Einflüsse
Nichtbeobachtbare personale Faktoren
Soziokulturelle Faktoren (Kultur, Schicht)
Kognitionen W ahmehmen, Lernen, Denken
Soziale Faktoren (~penellrllüsse)
AktivieflDlg
Natürliche, technische, politische, wirtschaftliche Umweltellrllüsse
Emotionen
Situative Faktoren
EinstelllDlgenf Images
I
Soziodemographisehe Merkmale wie Alter, Geschlecht etc.
Distribution
Offences Käuferverhalten VerwendlDlgsverhalten Kommunikationsverhalten
Persönlichkeit
Marketingellrllüsse:
KommlDlikation
Beobachtbare Reaktionen
Werte
Beobachtbare personale Faktoren
Preis
--+
Motive
Von Unternehmen kontmllierbare Einflüsse
Produkt
Reaktionen
Individuum
--+
Nichtbeobachtbare Reaktionen AktivieflDlg/ VeränderlDlg von: Emotionen Motiven EinstelllDlgenf Images Werten Präferenzen
Abb. 1: Bezugsrahmen zur KäuferverhaltensforschlDlg (in AnlehnlDlg an Meffert/ Steffenhagen/Freter 1979 lDld Trommsdorff 1989)
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Brigitte Gaiser
Lange bevor sich die Konsumentenforschung als eigenständige Disziplin etablierte, befaßte man sich im Ralunen der Markt- und Werbepsychologie mit Fragen des Konsumentenverhaltens (vgl. v. Rosenstiel 1981, S.29). Bei der frühen konsumentenbezogenen Forschung standen Untersuchungen zur Motivation und Wahrnehmung der Verbraucher sowie das Thema Werbewirkung im Vordergrund. Insbesondere die experimentelle Werbepsychologie etablierte sich bereits Anfang diesen Jahrhunderts (vgl. Kroeber-Riel 1990, S. 4). Exemplarisch sei hier auf die Beiträge Scotts (The Theorie of Advertising, 1903), Münsterbergs (Psychologie und Wirtschaftsleben, 1912), Moedes (Psychologie der Reklame, 1920) und Königs (Reklame-Psychologie, 1926) hingewiesen (vgl. Mayer/Däumer/Rühle 1982, S. 17). Während sich die Werbepsychologie auf werbe- bzw. kommunikationspolitische Aspekte konzentriert, indem sie die Bedingungen fur den Einsatz von Kommunikationsstrategien und deren Wirkungen untersucht (vgl. Mayer/Däumer/Rühle 1982, S. 17), beschäftigt sich die Marktpsychologie generell mit dem Erleben und Verhalten der Menschen im Markt, also den Anbietern und Nachfragern (vgl. v. Rosenstiel/Ewald 1979a, S.ll). Wichtigstes Teilgebiet der Marktpsychologie ist die Verbraucherpsychologie, die explizit das Verhalten der Nachfrager bzw. Konsumenten thematisiert (vgl. v. Rosenstiel 1981, S. 31). Hier wird deutlich, wie stark sich die Gegenstandsbereiche von Markt- und Werbepsychologie einerseits und marketing-orientierter Konsumentenforschung andererseits überlappen. Der wesentliche Unterschied liegt darin, daß im ersteren Fall die Forschung von Psychologen getragen wird, im letzteren dagegen vorwiegend von Wirtschaftswissenschaftlern. Neben der Markt- und Werbepsychologie liefern aber auch verschiedene Bereiche der Nichtangewandten Psychologie wie Allgemeine, Differentielle, Persönlichkeits-, Entwicklungs- und Sozialpsychologie mit ihrer Grundlagenforschung wertvolle Beiträge zur Erklärung des menschlichen Verhaltens und damit auch des Konsumentenverhaltens. Insbesondere die Allgemeine Psychologie, die sich mit der Motivation, der Wahrnehmung, dem Lernen, Denken, Gedächtnis und der Persönlichkeit befaßt, trägt in starkem Maße zum Verständnis und zur Theorie des Konsumentenverhaltens bei (vgl. Kaschnick 1995, S. 532). Dies dokumentiert sich u.a. darin, daß sich wichtige Textbücher zum Konsumentenverhalten (z.B. Kroeber-Riel oder v. Rosenstiel) in ihrer Strukturierung wesentlich an der Untergliederung der Allgemeinen Psychologie orientieren (vgl. v. Rosenstiel1981, S.29). Wesentliche Impulse holt sich die Konsumentenforschung auch von der Sozialpsychologie. Die Sozialpsychologie beschäftigt sich im Gegensatz zur Allgemeinen Psychologie nicht mit dem Erleben und Verhalten des isolierten Menschen, sondern mit dem Menschen im sozialen Kontext. Sie untersucht, wie sich individuelles Verhalten durch soziale Interaktionen entwickelt und
Konsumentenforschung und Marketing
125
modifiziert und welche Rückwirkung dies auf das soziale Umfeld hat. Als beispielhafte Themen der Sozialpsychologie können soziale Wahrnehmung, soziale Einstellungen und gruppendynamische Prozesse genannt werden (vgl. Drever/Fröhlich 1972, S.247). Eng verwandt ist die Sozialpsychologie mit der Soziologie, die neben der Psychologie einen wichtigen Beitrag zur Erforschung des Konsumentenverhaltens leistet. Zwar hat die Soziologie, als die Wissenschaft vom Ursprung, der Organisation, den Institutionen und der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft, in weit geringerem Maß explizite Ansätze zur Erklärung menschlichen Verhaltens beigesteuert als die Psychologie; ihr Verdienst liegt aber darin, einen allgemeinen sozialen Bezugsrahmen bereitzustellen, in den sich die psychologischen Erklärungen einbetten lassen (vgl. Nieschlag/Dichtl/ Hörschgen 1979, S. 35). Die Konsumentenforschung wissenschaftlicher Prägung ist also eine Disziplin an der Schnittstelle mehrerer Wissenschaftsdisziplinen. So wertvoll die allgemeinen Erkenntnisse aus den angesprochenen Wissenschaften auch sind, für das Treffen von konsumentenbezogenen Marketing-Entscheidungen allein sind sie nicht ausreichend (vgl. Trommsdorff 1993, S. 21 f.). Neben Erkenntnissen aus den angesprochenen wissenschaftlichen Bereichen trägt auch die kommerzielle Markt- bzw. Konsumentenforschung wesentlich zur Lösung praktischer Fragen des Konsumentenverhaltens bei (vgl. Wiswede 1988, S. 238). Die Arbeit der kommerziellen Marktforschung ist für die MarketingPraxis von entscheidender Bedeutung, denn nur sie ist in der Lage, auf die ganz spezifischen Fragestellungen ihrer Auftraggeber einzugehen. Sie ist zu einer wichtigen Informationsquelle des Marketing geworden, und entsprechend hoch sind mittlerweile die Aufwendungen für Institutsmarktforschung in Deutschland (1.625 Mio. DM 1995, vgl. o.V. 1996). Problematisch aus Sicht des wissenschaftlichen Forschers ist jedoch, daß aufgrund untemehmerischer Interessen ihre Erkenntnisse in aller Regel geheim bleiben müssen, also nur selten für Sekundäranalysen der wissenschaftlichen Konsumentenforschung oder anderen Unternehmen zur Verfügung stehen (vgl. Windieck/ Bungard/Lück 1983, S. 1). Insgesamt bleibt festzuhalten, daß bei der Erforschung des Konsumentenverhaltens aus zahlreichen, wissenschaftlichen und kommerziellen Quellen geschöpft werden kann. Tabelle 2 vermittelt einen zusammenfassenden Überblick über die verschiedenen Bereiche, die einen Beitrag zur Erforschung des Konsumentenverhaltens liefern, und die Zielsetzung ihrer Forschung.
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Zielsetzung
Brigitte Gaiser Theoretische Wissensehaften
Angewandte Wissensehaften
Praxis
"Wahrheit" durch Gnmdlagenforschtmg aus der Theorie
"Wahrheit" tmd "Nützlichkeit"
"Nützlichkeit"
aus den Anwendtmgsfeldern Angewandte Psychologie, insbesondere Markt- tmd Werbepsychologie
von einem Auftraggeber Kommerzielle Markt-!Konsumentenforschung
Herkunft der FragesteDung Bereiche Nichtangewandte Psychologie, insbesondere Allgemeinetmd Sozialpsychologie Soziologie Sonstige Wissenschaften, z.B. Biologie oder Physiologie
Konsumentenforschung im Rahmen der MarketingWissenschaft
Tab. 2: Quellen der Konsumentenforschtmg (in Anlehntmg an v. Rosenstiel 1981, S. 29)
m. Probleme der interdisziplinären Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Konsumentenforschung
Konswnentenverhalten ist ein zentrales Thema der Marketing-Wissenschaft. Eine Konsumentenforschung aber muß aufgrund der vielfältigen Einflüsse, die das Verhalten der Konsumenten bestimmen, zwingend interdisziplinär sein. Besonders wichtig ist dabei eine enge Zusammenarbeit mit der Psychologie. Trotz oder gerade wegen der engen Verknüpfungen zur Psychologie und ihrer verschiedenen Disziplinen verläuft das Zusammenspiel mit der MarketingWissenschaft nicht immer ohne Reibungsverluste. Zu groß scheinen manch einem die ideologischen Gegensätze von betriebswirtschaftlicher und psychologischer Forschung zu sein (vgl. Windieck/Bungard/Lück 1983, S. 1). Von psychologischer Seite wird der marketing-orientierten Konsumentenforschung bzw. der Markt- und Werbepsychologie vorgeworfen, es werde zwar das psychologische Forschungsinstrumentarium übernommen, nicht aber die inhaltliche Dimension, das psychologische Denken. Häufig werde die Psychologie nur als eine Art Hilfswissenschaft angesehen, die bei bestimmten Problemen Informationen mit Hilfe psychologischer Methoden bereitzustellen habe (vgl. Schub von Bossiazky 1991, S. 2). Ein zweiter Vorwurf richtet sich darauf, im Rahmen der marktpsychologischen Forschung habe eine Veren-
KonsumentenforschWlg Wld Marketing
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gung auf die Verwertungsinteressen der Anbieter stattgefunden. Dies fördere die Vermehrung desjenigen Wissens, das zur Optimierung von MarketingStrategien eingesetzt werden könne. Die Marktpsychologie werde so auf eine Marketing-Psychologie reduziert. An dieser Einseitigkeit ändere letztlich auch der von Marketing-Seite vorgebrachte Einwand nichts, das sozialtechnologische Wissen um die Mechanismen der Verhaltenssteuerung könne auch im Rahmen der Verbraucherpolitik zum Schutze des Konsumenten eingesetzt werden (vgl. Wiswede 1988, S. 239). Die eher marketing-orientierte Seite wirft dagegen den traditionellen Verhaltenswissenschaften vor, nur noch wenige Beiträge zur Erforschung des Konsumentenverhaltens beizusteuern. So führt z.B. Kroeber-Riel aus:" .. die traditionellen Fachwissenschaftler, insbesondere die deutschen Psychologen, scheinen aufgrund ihrer konservativen oder ideologischen (gegen das Marketing gerichteten) Haltung und aufgrundihrer geringen Problemorientierungvon wenigen Ausnahmen wie Lutz von Rosenstiel abgesehen - nicht in der Lage zu sein, brauchbare oder sogar innovative Beiträge zur Konsumentenforschung zu leisten" (Kroeber-Riel 1992, S. 5). Trommsdorff zielt in dieselbe Richtung, wenn er darauf hinweist, daß sich in Deutschland bisher nur wenige Psychologen wissenschaftlich mit dem Konsumentenverhalten auseinandersetzen. Die Gründe dafür sieht er ".. im Selbstverständnis der deutschen Psychologie als einer klinisch-therapeutischen Wissenschaft, die sich kommerziellen Anwendungen nicht zu widmen habe" (Trommsdorff 1993, 14). Er geht zwar nicht soweit wie Kroeber-Riel, die deutsche Psychologie als marketingfeindlich zu bezeichnen; er drückt sich etwas zurückhaltender aus, wenn er sie mit dem Attribut "marketing-enthaltsam" belegt (vgl. Trommsdorff 1993, 14). Kritik an der Haltung der Psychologie kommt aber auch aus dem eigenen Lager, und zwar von jenen Wissenschaftlern, die nach Kroeber-Riel eine Ausnahme darstellen. So vertritt z.B. v. Rosenstiel die Auffassung, daß Wirtschaftswissenschaftler weit mehr psychologische Forschung auf dem Gebiet des Konsums betrieben hätten als die Psychologen selbst. Allgemein- und sozialpsychologische Theorien seien in starkem Maße von der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung aufgenommen worden. Der Beitrag der Psychologie zum konkreten Thema Konsumentenverhalten beschränke sich meist darauf, das methodische Instrumentarium bereitzustellen (vgl. v. Rosenstiel 1984, S. 245). Probleme tauchen aber nicht nur zwischen den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen auf, sondern auch zwischen Wissenschaft und Praxis. Zwar gelten die Methoden der kommerziellen Marktforschung heute als wissenschaftlich fundiert, denn sie werden im Rahmen der Grundlagen- und Methodenforschung ständig kritisch überprüft, neuen Erkenntnissen angepaßt und differenzierend weiterentwickelt (vgl. Ott 1989, S. 70). Deshalb wird von wissenschaftlicher Seite der Handhabung des modernen Methodenarsenals ein
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hoher Standard attestiert. Der Vorwurf an die Forschungspraxis der Marktforschungsinstitute richtet sich vielmehr darauf, daß die Mehrzahl der Studien theoretische Defizite habe und nicht theorie- bzw. hypothesengeleitet sei. Moniert wird darüber hinaus, wie bereits angesprochen, daß ihre Erkenntnisse der wissenschaftlichen Forschung nur selten zugänglich seien (vgl. z.B. Wiswede 1988, S. 238 f.). Für das Erkenntnisobjekt Konsumentenverhalten ist es im Sinne eines Erkenntniszuwachses unerheblich, wer ihn mit welcher Hilfe hervorgebracht hat. Entscheidend ist, daß Fortschritte erzielt werden. Eine Diskussion um das Dominieren einer Disziplin oder die Profilierungsprobleme von Psychologen oder Wirtschaftswissenschaftlern sind für die Sache kontraproduktiv. Vorurteile müssen abgebaut werden - zwischen den Wissenschaftsdisziplinen und zwischen Theorie und Praxis. Eine verstärkte interdisziplinäre Zusammenarbeit konunerzieller und wissenschaftlicher Forschung jenseits fachspezifischer Rivalitäten undjenseits ideologischer Vorurteile ist anzustreben, um den Herausforderungen, die der nachfolgend beschriebene veränderte Bedingungsrahmen stellt, wirkungsvoll begegnen zu können.
C. Veränderter Bedingungsrahmen als aktuelles MarketingProblem I. Wichtige Veränderungen im Umfeld 1. Absinken der Bevölkerungszahl und Verschiebung der Alterspyramide Die steigende Lebenserwartung und die sinkenden Geburtenraten führen in Deutschland zu einer Stagnation bzw. mittelfristig zu einem Absinken der Bevölkerungszahl. Damit einher geht eine Verschiebung der Alterspyramide zugunsten der höheren Altersgruppen. So wuchs der Anteil der über 40jährigen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes seit 1960 von 31,5% auf 38,3% in 1993. Da mit einem weiteren Anstieg des Anteils älterer Menschen und damit älterer Konsumenten zu rechnen ist, wird man sie in Zukunft auch im Marketing stärker als bisher berücksichtigen müssen. Das bedeutet aber nicht, daß den jüngeren Menschen weniger Beachtung zu schenken wäre; im Gegenteil, die Gruppe der Kinder und Jugendlichen gewinnt trotz ihres quantitativen Rückgangs an Bedeutung. Kinder und Jugendliche stellen heute eine konsumfreudige und anspruchsvolle Zielgruppe dar und - obwohl sie i.d.R. noch nicht selber verdienen - verfügen sie über eine erhebliche Kaufkraft. Kinder und Jugendliche sind daher für viele Unternehmen unmittelbar als Konsumenten bzw. Käufer interessant. Darüber hinaus beeinflussen sie aber auch die Kaufentscheidungen innerhalb der Familie in starkem Maße und
Konsumentenforsch\Dlg \Dld Marketing
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übernehmen dort wichtige Funktionen als Meinungsbildner. Als dritter wichtiger Punkt kommt hinzu, daß Kinder und Jugendliche die Kunden von morgen darstellen und die Weichen für das spätere Konsumentenverhalten bereits in jungen Jahren gestellt werden. 2. Anzahl der Haushalte, Haushaltsgrößen, Berufstätigkeit der Frau Trotz der Stagnation der Bevölkerung hat sich die Anzahl der Haushalte durch das starke Anwachsen der Einpersonenhaushalte enorm vergrößert. Insgesamt stieg die Zahl der Haushalte laut amtlicher Statistik von 1961 bis 1993 um über 50%. Verantwortlich dafür sind vor allem die Zunahme der SingleHaushalte, die auf das Ansteigen des durchschnittlichen Heiratsalters, die Erhöhung der Scheidungsrate und den vergrößerten Anteil alleinlebender Witwen und Witwer zurückzuführen ist. Verbunden mit dieser Entwicklung ist ein Rückgang der Haushalts-Familiengrößen. Dies ist zum einen in den eben geschilderten Faktoren begründet; ein anderer wichtiger Grund ist darin zu sehen, daß es in den Familien immer weniger oder gar keine Kinder gibt. In Verbindung mit der zunehmenden Berufstätigkeit und Emanzipation der Frau und der damit einhergehenden Neudefinition der traditionellen Rollen und Aufgaben in den Familien haben die geschilderten Entwicklungen enorme Auswirkungen auf die Nachfrage der Haushalte. Der Trend zur Kernfamilie (Vater, Mutter, ein Kind), zu Dinks (Double lncome, No Kids) und Singles verändert zum einen die Nachfrage strukturell, z.B. bei Immobilien (kleinere Wohneinheiten) oder Lebensmitteln (Packungsgrößen, ConvenienceProdukte), zum anderen wirkt er qualitativ auf die Nachfrage. Weniger oder keine Kinder und die Zunahme der Doppelverdiener bedeuten eine Erhöhung des finanziellen Spielraums, der sich in entsprechend anspruchsvollerem Konsum niederschlagen kann. 3. Frei verfogbares Einkommen, Freizeit und Arbeitslosigkeit In Verbindung mit dem vorhergehenden Abschnitt ist der enorme Anstieg des frei verfogbaren Einkommens zu betrachten. So stieg in Westdeutschland der Anteil des frei zur Disposition stehenden Einkommens am Gesamteinkommen der privaten Haushalte von ca. 24% (1960) auf ca. 43% (1993). Entsprechend stark ging der Anteil fixer Ausgaben der Haushalte zurück. So fiel beispielsweise der relative Ausgaben-Anteil für Nahrungs- und Genußmittel auf 22% im Jahr 1993 (zum Vergleich: 1960 waren es noch 44%, 1950 sogar 51%). Diese Entwicklung ist zum einen auf die immens gestiegenen Einkommen zurückzuführen, zum anderen schaffi der häufige Verzicht auf Kinder neue finanzielle Spielräume. 9 FS Hörschgen
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Gleichzeitig ist ein enormer Anstieg der Freizeit zu verzeichnen. Die effektive Wochenarbeitszeit sank in Westdeutschland von 40 Stunden (1960) auf knapp 32 Stunden (1994). Der Jahresurlaub stieg im selben Zeitraum von 15 Tagen (1960) um mehr als das Doppelte auf31 Tage (1994). Die Zunahme der Freizeit und der frei verfügbaren Kaufkraft waren seit Ende der 60er Jahre für die Entstehung und den Boom ganz neuer Wirtschaftszweige verantwortlich. Die enorme Entwicklung der Tourismusbranche und der Freizeitindustrie liegen hierin begründet. Dariiber hinaus stellt die Zunahme des frei verfügbaren Einkommens einen wesentlichen Grund für den zu beobachtenden Wertewandel dar (vgl. hierzu Kapitel C. II. 1.), denn der Gebrauch individueller Freiheiten ist in hohem Maß abhängig von entsprechenden ökonomischen Freiheiten. Der hohe Anteil der frei disponiblen Kaufkraft führt zu einer Flexibilisierung der privaten Nachfrage, birgt jedoch auch die Gefahr einer höheren Instabilität in qualitativer und quantitativer Hinsicht (vgl. Szallies 1994, S. 31). So kann sich mit einem Wandel der Interessen und Werte die Struktur der Nachfrage ändern (z.B. umweltfreundliche Produkte oder Dienstleistungen statt prestigeträchtiger Produkte), oder eine Verringerung des finanziellen Spielraums, z.B. durch Arbeitslosigkeit, einen Rückgang oder Ausfall bestimmter Nachfrageteile bedingen. War die Arbeitslosigkeit in den 60er und noch Anfang der 70er Jahren kein Thema, so ist seit etwa Mitte der 70er Jahre ein kontinuierliches Anwachsen der Arbeitslosenzahlen auf über 4 Millionen Anfang 1996 zu beobachten. Die vor allem strukturellen Ursachen der Arbeitslosigkeit bieten nicht nur den Betroffenen wenig Raum für positive Zukunftserwartungen. Es kommt zu einer tiefen Verunsicherung der Bevölkerung. Der Abbau der Arbeitslosigkeit stellt aktuell eines der zentralen Themen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft dar. Eine Vielzahl von Lösungsansätzen wird diskutiert, in deren Zentrum vor allem die Flexibilisierung der Arbeitszeit steht. Es ist mit Lösungen zu rechnen (z.T. sind sie bereits- wie das Arbeitszeitmodell von VW- realisiert), die zu einer weiteren Zunahme der freien Zeit führen werden, aber nicht im klassischen Sinne, sondern im Sinne einer "neuen" Freizeit mit weniger Geld für den einzelnen. Die Zunahme der Arbeitslosigkeit führt neuerlich wieder zu einer stärkeren Polarisierung der Gesellschaft. In diesem Zusammenhang entstand das Schlagwort der "Neuen Armut". Die Gesellschaft spaltet sich heute im wesentlichen in drei Gruppen: Großverdiener und reiche Erben (ca. 10%), gute und ausreichend Verdienende (75-80%) und Transferabhängige (10-15%), wobei der Anteil der Transferabhängigen eine steigende Tendenz aufweist (vgl. Eggert 1995, S. 48). Die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft bedingt eine Polarisierung der Nachfrage, die sich schon heute in einer Polarisierung der Märkte niederschlägt. Insbesondere in den klassischen Markenartikel-Märkten ist ein starkes Anwachsen des Hochpreis-
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segments (Premium-Marken) und des Niedrigpreissegments (No Names) zu beobachten. während sich das Mittelpreissegment deutlich ausdünnt. 4. Bildungsboom In den vergangeneo Jahrzehnten hat in Deutschland eine Bildungsexplosion stattgefunden. So ist z.B. die Zahl der Schulabgänger mit Hoch- oder Fachhochschulreife von ca. 57.000 (= 9%) in 1960 auf 246.000 (=21%) 1993 gestiegen. Die Zahl der Studenten wuchs im selben Zeitraum von 291.000 auf 1.712.000. Die Gruppe der Höher- und Höchstgebildeten wächst damit stetig. Hinzu kommt ein deutlich gestiegenes Informationsangebot sowie die durch das jahrzehntelange Leben im Wohlstand erworbene Konsumerfahrung (vgl. Anders 1992. S. 62). Das höhere Maß an Bildung. Informiertheit und Erfahrung führt zu einer höheren Kritikfähigkeit und einem höheren Qualitätsbewußtsein der Verbraucher. Sie sind stärker als in der Vergangenheit in der Lage. Qualitäten zu unterscheiden und das Preis-/Leistungsverhältnis von Produkten oder Dienstleistungen zu hinterfragen (vgl. Geisbüsch 1991. S. 41). 5. Informationsflut Das oben angesprochene Informationsangebot stellt sich in der Realität als wahre Informationsflut dar. die ihren Scheitelpunkt noch nicht erreicht hat. Verantwortlich hierfür sind zum einen die klassischen Medien, die Inflation der Printmedien und seit Mitte der 80er Jahre die der elektronischen Medien. Insbesondere auf dem TV-Sektor haben Kabelnetze und Satellitenanlagen, die permanent ansteigende Zahl privater Anbieter und. damit verknüpft. die Ausdehnung der Sendezeiten das Informationsangebot explodieren lassen. Zum anderen sind neue Informationsdienste wie z.B. das Internet hinzugekommen. Die neuen Kommunikations- und Informationstechnologien werden weitere, in ihrem Ausmaß heute noch nicht abzusehende Möglichkeiten und Angebote schaffen. Indessen führt bereits das aktuelle Informationsangebot zu einer Überlastung der Menschen. werden die natürlichen Grenzen der Informationsaufnahme bei weitem überschritten. Die Informationsüberlastung wird in Deutschland insgesamt auf ca. 98% geschätzt. d.h. nur 2% der angebotenen Informationen werden tatsächlich wahrgenommen. In Anbetracht der Tatsache. daß täglich schätzungsweise 2.224 TV-Spots, 4.456 Radiospots gesendet und 1.568 Anzeigenseiten gedruckt werden. ist nachvollziehbar, daß der Anteil nichtbeachteter Informationen im werblichen Bereich noch höher liegt (vgl. Kroeber-Riel 1991. S. 14 f.). Die Medienvielfalt und das Überangebot an Informationen machen es für die werbetreibenden Unternehmen immer schwieriger und immer teurer. ihr Publikum zu erreichen.
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6. Technologischer Wandel
Erheblich zur Veränderung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungsrahmens beigetragen hat auch der rasante technologische Wandel. Die Entwicklungen neuer Technologien, z.B. im Rahmen der Mikroelektronik, der Biotechnologie, der Energietechnik. der Rohstoff- und Materialtechnologie führen in der Wirtschaft zu Wachstumshoffnungen und bieten Ansatzpunkte zur Innovation und Rationalisierung. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Mikroelektronik. Sie war und ist die entscheidende Basistechnologie und der Innovationsmotor für die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. Die Informations- und Kommunikationstechnologien vergrößern nicht nur das Informationsangebot; sie ändern die Art zu kommunizieren und werden zukünftig die Lebens- und Arbeitsweisen der Menschen nachhaltig verändern (vgl. Eggert 1995, S. 49 f.). Neue Technologien führen aber auch zu strukturellen Veränderungen in der Arbeitswelt, die in der Bevölkerung die Angst vor Arbeitsplatzverlusten wachsen lassen. Die aus dieser Angst resultierende Unruhe und Unsicherheit wird durch die Diskussion negativer Folgen der Industrialisierung und des Konsums auf die ökologische Umwelt zusätzlich verstärkt. In diesem von Unsicherheit geprägten Klima gewinnen die Bedürfnisse nach Sicherheit und Geborgenheit wieder an Bedeutung (vgl. Kühn 1994, S. 9).
ll. Wertewandel und Konsumentenverhalten 1. Wertewandel
Die heutige Gesellschaft ist gekennzeichnet durch einen tiefgreifenden Wandel der Werte. Werte sind Vorstellungen über wünschenswerte Zustände, die einer Gruppe oder Kultur gemeinsam sind (vgl. Windhorst 1985, S. 7). Sie üben einen starken Einfluß auf das menschliche Verhalten aus, auch im Bereich des Konsums. Relevant sind dabei sowohl das gesellschaftliche als auch das individuelle Wertesystem. Das gesellschaftliche Wertesystem prägt das menschliche Verhalten von außen durch allgemeine Leit- oder Richtlinien. Diese Richtlinien sind im allgemeinen historisch gewachsen, werden sozial kontrolliert und bilden einen mehr oder weniger von allen akzeptierten Ordnungs- und Orientierungsrahmen für das Individuum. Dieser Orientierungsrahmen setzt sich aus allgemeinen gesellschaftlichen Basiswerten wie Freiheit oder Gerechtigkeit und aus sogenannten Bereichswerten zusammen. Letztere sind als Präzisierung, Akzentuierung, Modifizierung oder Ausdifferenzierung von Basiswerten in und durch gesellschaftliche(n) Subsysteme(n) zu verstehen. Gesellschaftliche
KonsumentenforschWlg Wld Marketing
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Werte gewinnen über soziale Sanktionsmechanismen direkt Verhaltensrelevanz, indirekt beeinflussen sie im Zuge von Enkulturations- und Sozialisationsprozessen das individuelle Wertesystem (vgl. Raffee/Wiedmann 1985, S. 555, 557). Die individuellen Werte bestimmen als persönliche Werthaltungen im Sinne individueller Beurteilungsmaßstäbe das menschliche Verhalten von innen heraus. Auch das individuelle Wertesystem setzt sich sowohl aus allgemeinen Basiswerten als auch aus spezifischeren Bereichswerten zusammen. Individuelle Werte prägen nicht nur das offene, direkt beobachtbare Verhalten, sondern stehen auch in enger Verbindung zu anderen personalen Einflußgrößen. So können Einstellungen und z. T. auch Bedürfnisse als sehr spezifische Bere ichswerte aufgefaßt werden. Die verschiedenen Werte ordnen sich zu einem System mit hierarchischem Charakter. Ihre Eigenschaft, ein Individuum zu charakterisieren, macht die individuelle Wertstruktur zu einem Persönlichkeitsmerkmal (vgl. Raffee/Wiedmann 1985, S. 557). Obwohl Werte zeitlich relativ stabil sind, unterliegen sie einem Wandel; alte Werte entfallen, neue kommen hinzu, Rangordnungen ändern sich. Die Ausbildung und die Veränderung des individuellen Wertesystems ist vor allem entwicklungsgeschichtlich begründet. Werte sind keine angeborenen Merkmale der menschlichen Persönlichkeit, sondern werden - wie bereits erwähnt - im Zuge der Sozialisation erworben. Prägend wirkt hier vor allem die Familie. Allerdings ist mit dem Trend zur Kernfamilie und zur Berufstätigkeit der Frau der Einfluß der Familie zurückgegangen. Andere Bezugsgruppen, vor allem der Freundeskreis, gewinnen an Bedeutung (vgl. Kroeber-Riel1992, S. 452). Ein Wertewandel kann unterschiedliche Ursachen haben. Er kann durch einschneidende Veränderungen der Umwelt und des gesellschaftlichen Umfelds oder durch Bildung/Ausbildung bedingt sein. Enge Bezüge bestehen auch zwischen Wertewandel und Generationenwechsel. Während bestimmte Werte gewissermaßen mit der Generation, fur die sie wichtig waren, aussterben- z.B. die alten Prinzipien von Pflicht und Ordnung -, wachsen andere Werte mit einer bestimmten Generation heran und gewinnen Einfluß auf die Gesamtbevölkerung, z.B. die Genußorientierung. Darüber hinaus ändern sich Werte auch in Abhängigkeit von den Lebensphasen (vgl. Windhorst 1985, S. 48 f.) . Für die starke Beschleunigung des Wertewandels in der heutigen Zeit sind in starkem Maße die schnelleren und häufig diskontinuierlich verlaufenden Veränderungen im Umfeld verantwortlich. Die wesentlichen Veränderungen sollen nun kurz skizziert werden: Im Bereich der individuellen Wertvorstellungen haben postmaterialistische Werte, z.B. soziale Bedürfnisse sowie Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung, gegenüber traditionellen materiellen Werten wie beruflicher Leistung
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und materiellem Wohlstand stark an Bedeutung gewonnen (vgl. Windhorst 1985, S. 52). Allerdings bedeutet dies keine Abkehr von materiellen Werten; vielmehr ist ein Verharren materieller Werte auf hohemNiveau festzustellen. Der Hang zum Hedonismus und die damit verbundene Erlebnis- und Genußorientierung nehmen dabei in weiten Bevölkerungskreisen einen hohen Stellenwert ein. Für das Konsumentenverhalten bedeutet dies, daß Lebensgenuß in möglichst vielen Lebensbereichen gesucht wird, insbesondere auch im Konsum. Diese Konsumenten fühlen sich vor allem dann angesprochen, wenn der Kaufbzw. Konsum ein Erlebnis zu werden verspricht (vgl. Kühn 1994, S. 10). In diesem Zusammenhang ist auch der Neomaterialismus, d.h. der Trend zu Individualismus und Leistungsorientierung, zu sehen. Diese Strömung ist mit dem Hedonismus insofern vereinbar, als Karriere- und Besitzstreben als Voraussetzung für hedonistischen Genuß gesehen werden. Ihren Höhepunkt hatte diese Tendenz in den 80er Jahren. Typische Vertreter sind die klassischen Yuppies mit ihrem Bedürfnis nach Karriere und Bildung, ihrem gepflegten, modischen Erscheinungsbild und ihren Statussymbolen. Gerade im Freizeitbereich sind dabei neue Statussymbole entstanden. Einige Sportarten, z.B. Radfahren oder Surfen, haben sich vom Hobby zur halbprofessionellen Aktivität entwickelt, bei denen neben dem Mountain-Bike bzw. dem Surfbrett das modisch-professionelle Outfit eine große Rolle spielt. Wie bereits angesprochen, gewinnen immaterielle Werte zunehmend an Bedeutung. Diese Strömung stellt in gewissem Maße eine Gegenbewegung zum Hedonismus dar. Sie beinhaltet im wesentlichen die Abkehr von traditionellen Autoritäten und eine Hinwendung zu alternativen, ideellen Werten und Kulturen. Konsumrelevant ist dabei das Bedürfnis, über den Konsum Vernunft oder eine alternative Lebenseinstellung zu demonstrieren (vgl. Kühn 1994, S. 10). In diesen Zusammenhang ist auch das gestiegene Gesundheits- und Umweltbewußtsein einzuordnen. Die geschilderten Wertetendenzen sind dabei keine sich ausschließenden Alternativen; vielmehr können im individuellen Wertesystem durchaus hedonistische und ideelle Werte koexistieren. Ein und derselbe Mensch kann durchaus auf der einen Seite ein uneingeschränkter Genießer, auf der anderen Seite kritischer Verfechter ökologischer Ideen sein. Welcher Wert sich in welcher Situation durchsetzt, hängt von der individuellen Wertehierarchie ab. Anzumerken ist an dieser Stelle, daß häufig eine Diskrepanz zwischen Werten und Einstellungen einerseits und konkretem Verhalten andererseits besteht; dies gilt z.B. häufig für das Umweltbewußtsein. Wenn dessen Umsetzung in Verhalten zu sehr mit persönlichem Verzicht verbunden ist, setzt sich oft der Hedonismus durch. Festzuhalten bleibt, daß die Tendenz zur Heterogenität des individuellen Wertesystems dazu führt, daß im selben Konsumenten völlig unterschiedliche Werte verhaltenswirksam werden können.
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Die zweifellos markanteste Veränderung im gesellschaftlichen Wertesystem ist die zurückgehende Bedeutung bzw. der Verlust allgemein anerkannter Werte. Es ist eine verstärkte Differenzierung der gesellschaftlichen Werte zu beobachten (vgl. Kühn 1994. S. 9). Nicht nur zwischen den Generationen, sondern auch innerhalb der Generationen lösen sich einheitliche Wertestrukturen auf, differenzierte Wertetypen entstehen. Es bildet sich in zunehmendem Maße eine pluralistische Gesellschaft heraus, in der Menschen unterschiedlichster politischer Ansichten, Weltanschauungen und Lebensstile - nicht immer ohne Reibungsverluste - neben- und miteinander leben (vgl. Geisbüsch 1991, S.43). Die Gesellschaft zersplittert in immer kleinere Gruppen und Grüppchen, für die sich der Begriff Szenen etabliert hat. Szenen sind Gruppen, die sich in erster Linie nach Alter, Interessen und Werteinsteilungen bzw. Lebensstilen unterscheiden (vgl. Drosten 1994, S. 35). Das deutlichste Beispiel für die Zersplitterung der Gesellschaft ist die Jugend der 90er Jahre, die sogenannte Generation X. Die 60er Jahre hatten die 68er Generation mit ihrer Rebellion gegen die Werte und Normen der Nachkriegszeit, die 70er hatten die sogenannte Jeansgeneration mit ihrer eher wirtschafts- und gesellschaftskritischen Grundhaltung, die teilweise verbunden war mit Konsumverachtung und Aussteigertum. In den 80ern sprach man von den "Neomaterialisten", den Yuppies, die Befriedigung suchten im Hedonismus, in dem, was für sie Lebensqualität, Spaß und Selbstverwirklichung bedeutet. Heute stellt sich die junge Generation äußerst heterogen, bunt und vielfältig wie selten dar. Sie zerfällt in unterschiedlichste Szenen. Innerhalb dieser Szenen zeigen die Jugendlichen jedoch ein stark ausgeprägtes Gruppenverhalten und orientieren sich an den Wertmaßstäben der Gruppe. Sie wird zur obersten Prüfinstanz in Sachen Geschmack (Musik. Kleidung) und Verhalten (Freizeitaktivitäten, Interessen). 2. Der "neue" Konsument Wie ist er nun, der "typische" Konsument von heute? Er verfügt über immer höhere finanzielle Freiräume, hat viel Freizeit, ist häufiger über 40 Jahre, lebt immer häufiger als Single oder Dink, ist gut gebildet, informiert, konsumerfahren und kritikfähig. Seine grundlegenden Bedürfnisse sind befriedigt. Höhere Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung, hedonistische und postmaterielle Werte prägen sein Verhalten. Er ist erlebnis-, genuß- und freizeitorientiert, qualitäts-, gesundheits- und umweltbewußt Wir wissen viel über ihn, den neuen Konsumenten, und doch ist er immer weniger zu greifen und zu begreifen. Sein Verhalten erscheint immer undurchsichtiger. Ließen sich Zielgruppen früher durch die Gemeinsamkeiten soziodemographischer Merkmale relativ aussagekräftig beschreiben, so ist eine Klassifizie-
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rung oder Kategorisierung der Konsumenten von heute kaum mehr möglich (vgl. Kroehl 1994, S. 25). Die allgemeine Pluralisierung der Werte löst die früher weitgehend gegebene Homogenität der Zielgruppen auf. Die Konsumenten in ihrer Funktion als Zielgruppe fragmentieren, d.h. sie zersplittern in immer kleinere und oftmals instabile Segmente und werden immer individueller. Die Werteheterogenität des Individuums führt dazu, daß ein und derselbe Konsument abhängig von der jeweiligen Situation oder Rolle gleichzeitig mehrere verschiedene, unter Umständen völlig gegensätzliche Verhaltensmuster an den Tag legt (vgl. Kühn 1994, S. 11). Der multioptionale Konsument beherrscht die Szene. Er prägt zunehmend seinen eigenen Lebensstil durch individualisierten Konsum. Die Schlagworte vom "hybriden" oder "schizophrenen" Konsumenten und sein "Chamäleonverhalten" charakterisieren die Situation anschaulich. Das Verhalten der Konsumenten ist nicht mehr von einem "entweder-oder", sondern von einem "sowohl als auch" gekennzeichnet (vgl. Anders 1992, S. 63). Convenience-Mahlzeiten oder ,,Fastfood" stehen neben Essensgenuß im Feinschmeckerlokal, Jeans und Turnschuhe neben Designermode. Das Verhalten der Konsumenten wird immer schwerererfaß-und prognostizierbar. Ist nun aber, wie einige Skeptiker meinen, in der Zukunft mit einer völligen Individualisierung des Konsumenten zu rechnen, die überhaupt keine Segmentbildung mehr zuläßt? Die Antwort erscheint eindeutig: Auch wenn die Pluralisierung der Werte weiter fortschreitet, der Mensch als umwelt- bzw. sozialdeterminiertes Wesen wird immer auf die Mitgliedschaft in der menschlichen Gemeinschaft angewiesen sein. Da das Verhalten des Menschen immer eine Funktion von individuellen Merkmalen der Person und Umwelteinflüssen ist, wird er sich niemals völlig individuell verhalten können. Seine Sozialisation sowie die Werte und Normen seines sozialen Umfelds werden immer für eine gewisse Konformität des Verhaltens sorgen. Hier ist Schüür zuzustimmen, wenn er feststellt, daß der Konsum auch heute noch starke gemeinschaftliche Züge erkennen läßt. Die heutige Situation ist von den Gegensätzen Gemeinschaft und Individualität geprägt (vgl. Schüür 1995, S. 204). Zwar gehört der Massenkonsum aus den genannten Gründen der Vergangenheit an, die Vision einer völligen Individualisierung des Konsums ist jedoch unbegründet. Trotz des Trends zur Individualisierung sucht der Mensch nach wie vor die Geborgenheit der Gruppe. ill. Entwicklungen im Markt
In den 60er und 70er Jahren sorgten die wachsende Bevölkerung und die steigende Kaufkraft für eine enormes wirtschaftliches Wachstum und das Entstehen von Massenmärkten. Aufgrund der geschilderten Veränderungen der Rahmenbedingungen sind heute die meisten klassischen Märkte gesättigt, ihr
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Marktpotential ausgeschöpft. Wachstum ist in diesen Branchen nur über einen scharfen Verdrängungswettbewerb möglich, der durch die starke Internationalisierung noch verschärft wird. Die Produkte auf diesen Märkten sind weitgehend ausgereift. Aufgrund des einheitlich hohen Stands der Fertigungstechnik gleichen sich die Produkte und Dienstleistungen der Anbieter hinsichtlich ihrer objektiv-funktionalen Eigenschaften immer mehr an. Echte Innovationen sind nur noch selten, der dadurch erzielbare Wettbewerbsvorsprung nur noch von kurzer Dauer. In dieser Situation flüchten viele Anbieter zu QuasiInnovationen, die, sofern sie erfolgversprechend scheinen, von der Konkurrenz noch schneller nachgeahmt werden können. Die geringen Qualitätsunterschiede führen zu einer Austauschbarkeil der Angebote. Für die Konsumenten wird die objektiv-funktionale Qualität immer mehr zum Hygienefaktor, zur Selbstverständlichkeit (vgl. z.B. Kroeber-Riel 1991, S. 20). Wo eine Abhebung von der Konkurrenz über faktische Produktvorteile nicht mehr möglich ist, reagieren die Anbieter mit emotionaler Produktdifferenzierung, die den psychologischen Nutzen für den Verbraucher in den Mittelpunkt stellt und über Werbung kommuniziert wird. Stark betroffen von dieser Entwicklung sind die Märkte des Grundbedarfs (Nahrungs- und Genußmittel, Bekleidung, Haushaltsartikel, Wohnen). Der scharfe Wettbewerbsdruck führt vor allem im Bereich der sogenannten LowInvolvement-Produkte (z.B. Grundnahrungsmittel) zu einem verstärkten Preisdruck, da die Produkte nur wenig Ansatzpunkte für Produktdifferenzierungen bieten. Aber auch die Hersteller technischer Gebrauchsgüter wie die Hausgeräteindustrie, Unterhaltungselektronik oder die Automobilindustrie sind davon betroffen; auch ihre Produkte werden zunehmend zu Commodities (vgl. Kühn 1994, S. 10). Trotz dieser Probleme bieten auch stagnierende Märkte noch Wachstumsquellen, wenn es gelingt, neue Trends und die damit verbundenen Bedürfnisse zu nutzen. Zum Beispiel ist der Markt für Zigaretten gesättigt und aufgrund des gestiegenen Gesundheitsbedürfnisses seit einigen Jahren rückläufig. Wachsend ist aber aufgrund desselben Bedürfnisses das Segment der "Light-" und "Ultralight"-Zigaretten. Dabei handelt es sich jedoch nur um Segment- im Gegensatz zum früheren Globalwachstum (vgl. Blickhäuser/Gries 1989, S. 6). Angesprochen ist hier die Marktsegmentierung, die im Zuge der sich ausdifferenzierenden Kundenbedürfnisse stark zugenommen hat. Dies führt zu einer starken Ausdehnung des Produkt- bzw. Markenangebots, zu einer Angebotsflut, die vom Verbraucher kaum noch zu überschauen ist (vgl. z.B. Kroeber-Riel 1991, S. 22 f.). Darüber hinaus verstärkt sich, wie bereits oben angesprochen, die Polarisierung der Märkte. Insbesondere im Bereich der Low-Involvement-Produkte schaut der Verbraucher verstärkt auf das Preis-/Leistungsverhältnis. Mit dem
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geschaffenen finanziellen Spielraum engagiert er sich verstärkt bei Produkten, die der Verwirklichung des von ihm angestrebten Lebensstils dienen. Der Konsumgütermarkt polarisiert hierdurch einerseits in Produkte, die der Lebens- und Existenzsicherung dienen, und andererseits in Produkte, die den Luxus- und Sozialstatus ausdrücken (vgl. Blickhäuser/Gries 1989, S. 6). Ob ein Produkt als Alltags- oder Luxusgut gilt, ist aber stark von den Wertvorstellungen des einzelnen bzw. den Wertvorstellungen seines engeren sozialen Umfelds (Bezugsgruppen) abhängig (vgl. Blickhäuser/Gries 1989, S. 6). Dies und die trotz allen Wohlstands auseinanderdriftende Kaufkraft verschiedener Konsumentengruppen dürfte dafür verantwortlich sein, daß auch innerhalb einzelner Märkte Polarisierungen stattfinden. Im gleichen Markt lassen sich erfolgreich sowohl Billigprodukte als auch hochpreisige Markenprodukte verkaufen (vgl. Kühn 1994, S. 11). Der Massenmarkt der 60er und 70er Jahre gehört der Vergangenheit an, er hat sich in kleine schwer überschaubare Segmente gespalten. Die Folgen des veränderten Bedingungsrahmens wie der verschärfte Wettbewerbsdruck, der Zwang zur Marktsegmentierung und zur psychologischen Differenzierung der Angebote lassen die Marketing-Kosten in die Höhe schnellen. Geringeren Volumenerwartungen stehen gestiegene Kosten gegenüber. Insbesondere höhere Aufwendungen für Kommunikation schlagen hier zu Buche, denn die Medienflut und die Informationsüberlastung der Konsumenten führen zu hohen Streuverlusten und einer verschärften Informationskonkurrenz. Kein Zweifel, die Herausforderungen an das Marketing der Unternehmen sind stark gestiegen. Klagen über das "verlorene Paradies" helfen aber nicht, die Probleme zu überwinden; Konsequenzen müssen gezogen werden im Marketing allgemein und der Konsumenten- bzw. Marktforschung im speziellen.
D. Konsequenzen für Marketing und Konsumentenforschung In dieser schwierigen Situation scheint das Marketing jedoch in eine Krise gekommen zu sein, hat ".. das Paradigma des klassischen Marketing seinen Glanz verloren" (Sutrich 1994, S. 118). Manch einer propagiert das "Neomarketing" (Magyar 1985, S. 66 f.) oder "New Marketing" (Prahl 1995, S. 74) oder nimmt bereits ganz "Abschied vom Marketing" (Gerken 1990). Und in der Tat löst sich das traditionelle System von Massenproduktion, Massenmedien und Massenmarketing auf und ein adäquater Umgang mit der veränderten Situation ist nur selten erkennbar. Das Marketing war und ist auch heute noch häufig zu stark darauf ausgerichtet, daß man den Markt "im Griff'' hat, die Veränderungen berechenbar sind und Altbewährtes fortgeschrieben werden kann. Konformismus und Ideenlosigkeit im Marktauftritt waren und sind die häufige Folge. Unbestreitbares Verdienst der vor allem von den
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"Trendgurus" ausgelösten Debatte über das Marketing ist es, wesentlich zur Bewußtmachung dieser Probleme beigetragen, das Marketing in seiner heute praktizierten Form in Frage gestellt und damit die vor allem in der Praxis längst überfullige Diskussion über die Weiterentwicklung des Marketing in Gang gesetzt zu haben (vgl. Denzel 1995, S. 20). Allerdings erscheint weder die radikale Abkehr vom Marketing, wie sie von Gerken gefordert wird, noch die Einfiihrung von Kunstbegriffen vonnöten. Notwendig ist vielmehr eine Anpassung und Ergänzung des Bestehenden und vor allem eine Besinnung auf die Grundgedanken der klassischen Marketing-Philosophie (vgl. Prahl 1995, S. 74). Denn in der Praxis wird Marketing noch viel zu häufig als Funktion und nicht als funktionsübergreifende Unternehmensphilosophie gesehen (vgl. o.V. 1994a, S.525). In diesem Sinne ist nicht weniger, sondern noch wesentlich mehr, und zwar strategisches Marketing notwendig. Solange es Märkte gibt, die sich ändern, und solange diese Märkte Käufermärkte sind, solange wird auch eine konsequente, strategische Ausrichtung an diesen Märkten, also Marketing im konzeptionellen Sinne notwendig sein. Was sich ändern muß, sind nicht das Konzept, nicht die Idee und die Begrifilichkeiten, ändern müssen sich die Bereitschaft zur konsequenten Umsetzung des MarketingGedankens sowie die Instrumente und Methoden (vgl. auch Kroel 1994, S. 25). An die Praxis ist deshalb die Forderung zu stellen, über die Bewältigung des Alltagsgeschäfts hinaus alle Unternehmerischen Aktivitäten konsequent in marktorientierte, strategische Überlegungen einzubinden. Diese strategischen Überlegungen müssen darauf gerichtet sein, Erfolgspotentiale aufzubauen, voll auszuschöpfen und vor allem langfristig zu sichern. Wichtig ist dabei eine zukunftsorientierte, ganzheitliche Betrachtungsweise. Um mit veränderten Bedingungen fertig zu werden, ist es deshalb erforderlich, erworbene Fähigkeiten und Erfahrungen laufend weiterzuentwickeln und gegebenenfalls auch in Frage zu stellen. Nicht das Verharren auffrüher Erfolgreichem, sondern ein ständiger Lernprozeß, nicht der Blick in die Vergangenheit, sondern der Blick in die Zukunft sind gefordert (vgl. Timmermann 1985, S. 198). Zukunftsorientierung, Anpassung, Flexibilität und Lernbereitschaft sind dabei die wesentlichen Merkmale. Dies erfordert jedoch auch mehr Mut im operativen Bereich des "klassischen" Konsumgütermarketing: Zum einen mehr Mut zu neuen Wegen bei den traditioneller Instrumenten, aber auch zur Verbreiterung der Aktionsbasis durch Instrumente, die näher am Verbraucher sind, wie DirektMarketing, Event-Marketing oder Szenen-Sponsoring; zum anderen mehr Mut dazu, diese Wege auch dann einzuschlagen, wenn Entscheidungssituationen noch nicht quantitativ bis zum letzten durch Marktforschungsergebnisse abgesichert sind. Die Wege müssen kürzer und vor allem schneller gemacht werden (vgl. o.V. 1994b, S. 53). Die Zeit wird zu einem wesentlichen Erfolgsfaktor.
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Um in einer von Veränderung und Unsicherheit geprägten Situation schnelle, aber dennoch hinreichend fundierte Entscheidungen treffen zu können, wird es fur Unternehmen immer wichtiger, Entwicklungen bzw. Trends frühzeitig zu erkennen. Hier ist auch die Konsumentenforschung aufgefordert, neue Wege einzuschlagen. Handlungsbedarf besteht dabei weniger von seiten der wissenschaftlichen Konsumentenforschung als vielmehr bei der kommerziellen Marktforschung. Die bisherigen Ansätze der kommerziellen Marktforschung sind häufig nicht ausreichend, die aktuellen Entwicklungen hinreichend zu erfassen. Die traditionellen Methoden der Marktforschung kommen immer häufiger an ihre Grenzen. Problematisch geworden sind dabei insbesondere die rein quantitativen Markterhebungen und soziodemographische Zielgruppenmodelle. Weil die gängigen Methoden der Marktforschung nicht mehr funktionieren, gewinnt die Trendberatung immer mehr an Bedeutung (vgl. Konitzer, zitiert nach Diekhof 1995a, S.68). Die Trendforscher haben die entstandene Informationslücke frühzeitig erkannt und verstanden, sie fur sich zu nutzen. In Amerika ist Trendforschung zum Milliardengeschäft geworden. Die Mission der Trendforscher ist es, der orientierungslosen Industrie heute zu sagen, was der Kunde von heute morgen will. Sie analysieren die sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strömungen und deren Auswirkungen auf das Kaufverhalten. Der Trendprofi ist dabei kein bloßer Informationslieferant, wie es viele klassische Marktforscher leider noch sind, sondern avanciert zum Berater des Topmanagements. Trendforscher werden auch hierzulande immer häufiger zu Ratgebern der Marketing-Manager. Die Trendforschung wird selber zum Trend. "Was im Namen des Trends alles gemacht wird, ist kaum noch zu übersehen, manches ist schräg, vieles unsinnig." "Die Gilde der Szenepiloten verfolgt die neuen Trendsetter, erforscht noch die abartigsten Regungen der Szene und bietet eine eigenwillige Mixtur aus Schnickschnack, Mode, Philosophie, Psychologie und Zukunftsforschung als Erklärung der Welt und der Konsumenten" (Diekhof 1995b, S.59). Das Instrumentarium der Trendberater ist qualitativ ausgerichtet und methodisch in aller Regel nicht fundiert, weshalb es dann mit eigenen "Theorien" und einer eigenen Sprache unterlegt wurde (vgl. Hauser 1994, S. 53). Insgesamt sind das Instrumentarium und die Schlußfolgerungen bzw. Strategieempfehlungen vieler Trendforscher eher kritisch zu betrachten. Hier ist die klassische Marktforschung aufgefordert, alternative Lösungen zu suchen und anzubieten. Folgende Ansatzpunkte bieten sich an: a) Ausdehnung des Angebotsspektrums in Richtung Beratung b) Inhaltliche und methodische Schwerpunktverlagerung
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a) In der Vergangenheit traten die Marktforscher zu häufig als reine Datenlieferanten auf. Anzustreben aber ist eine theoretisch fundierte ganzheitliche Beratung auf der Basis von Grundlagenforschung. Die Marktforschung wird zukünftig in stärkerem Maß Informationen aus den verschiedensten Bereichen zu einem Netzwerk verknüpfen müssen. "Weniger fragen, mehr beraten", Analyse, Interpretation und Präsentation der Ergebnisse und vor allem die Beratung müssen stärker in den Vordergrund treten (vgl. Tacke 1989, S. 212). Verschiedene Ansätze werden dabei in der Praxis zwar diskutiert (vgl. dazu z.B. Hanser 1993, S. 36 f.), ein Durchbruch auf breiter Front steht aber noch aus. b) Obwohl die klassischen, quantitativen Methoden der Marktforschung, wie z.B. die Befragung oder die Panelforschung, durch den Einsatz neuer Technologien z.T. erheblich verbessert werden konnten, ist mit ihnen allein dem Konsumenten heute kaum noch beizukommen. Die hinter dem offenen Verhalten stehenden Phänomene, Werte, Motive, Emotionen müssen besser verstanden und genutzt werden. In der kommerziellen Marktforschung ist aber immer noch eine Dominanz der Einstellungsforschung vorherrschend (vgl. Kroeber-Riel 1992, S. 162). Dies erscheint aber vor dem Hintergrund der zunehmend dynamischen Umwelt immer problematischer. Einstellungskonstrukte weisen einen starken Objekt- bzw. Produktbezug auf, da sie die spezifische Beurteilung eines Produkts zu einem bestimmten Zeitpunkt unter bestimmten äußeren Bedingungen wiedergeben. Die Situationsabhängigkeit und die relativ geringe zeitliche Stabilität von Einstellungen schränken die prognostische Relevanz von Einstellungen in der heutigen Zeit zunehmend ein (vgl. Windhorst 1985, S. 2 f.). Hier erscheint eine Schwerpunktverlagerung, wie dies im Rahmen der wissenschaftlichen Konsumentenforschung großteils schon geschehen ist, auf individuelle Verhaltensdeterminanten mit höherem Erklärungs- und Prognosewert, z.B. Motive oder Werte, zielfuhrender. In dieser Situation macht sich Verunsicherung breit, die, so Melchers vom Freiburger Institut für Morphologische Marktforschung, nur zu einer Inflation der empirischen Methoden in der klassischen Marktforschung geführt hat (vgl. Diekhof 1995b, S.58). Eine verstärkte Hinwendung zu qualitativen Methoden wird erforderlich. Die Chancen, die eine qualitative Forschung bietet, werden aber immer noch verkannt, wahrscheinlich aufgrunddes Negativimages, mit dem sie immer noch behaftet ist. Die qualitative Forschung arbeitet in der Regel mit relativ kleinen Stichproben. Meist handelt es sich um psychologische Untersuchungen in Form von Tiefeninterviews (Einzelexplorationen) oder Gruppeninterviews (vgl. Erichson!fwardawa 1994, S. 310). Z.B. arbeitet das Freiburger Institut für Morphologische Marktforschung mit tiefenpsychologischen Methoden. Mit relativ wenigen Interviews versuchen die Morphelogen herauszufinden, wie die Märkte funktionieren und vor allem welche verborgenen Bilder die Zusammenhänge bestimmen. Bei Verwendung qualitativer
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Methoden muß der Auftraggeber den Mut haben, Schlußfolgerungen aus relativ kleinen Stichproben zu ziehen. Eine quantitative Absicherung gibt es nicht (vgl. Diekhof 1995b, S.59 f.). Darüber hinaus erscheint eine Schwerpunktverlagerung von einmaligen Untersuchungen (ad hoc-Forschung) zur Trackingforschung sinnvoll. Um Trends in den Bedürfnissen und Wertvorstellungen frühzeitig erkennen zu können, sind regelmäßige Erhebungen. ähnlich der klassischen Panelerhebungen oder der Wellenbefragungen zur Kontrolle der Werbewirkung erforderlich (vgl. Erichson!fwardawa 1994, S. 307). Z.B. ist an die Einrichtung von Werte- oder Bedürfnispanels zu denken. Ob einmalige oder regelmäßige Erhebungen, wichtig erscheint der Hinweis, daß allgemeine Studien zu aktuellen Werte- oder Bedürfnisstrukturen, Lebensund Konsumstilen immer nur allgemeine Tendenzen aufzeigen, die je nach Produktbereich, Kauf- und Verwendungssituation bei den Konsumenten präzisiert werden müssen (vgl. Blickhäuser/Gries 1989, S. 7). Denn Verhalten und seine diversen Determinanten sind immer bis zu einem gewissen Grad situationsspezifisch. Bei der Lösung der aktuellen Probleme ist die kommerzielle Konsumentenforschung auf die Unterstützung aus dem wissenschaftlichen Bereich angewiesen. Die wissenschaftliche Konsumentenforschung ist aufgefordert, jenseits fachspezifischer Rivalitäten, die grundlegende und anwendungsbezogene Forschung und die Fortentwicklung der Theoriebildung voranzutreiben. Darüber hinaus erscheint eine verstärkte Zusammenarbeit mit der praktischen Konsumentenforschung und ein stärkerer Wissenstransfer notwendig, um die aufgeworfenen Probleme zu lösen. Festzuhalten bleibt, daß die Konsumentenforschung als Ganzes betrachtet werden muß, und dieses Ganze ist auf ein Zusammenwirken von Wissenschaftlern und Praktikern der verschiedenen Fachrichtungen angewiesen. Um mit den aus dem veränderten Bedingungsrahmen resultierenden, in diesem Ausmaß ungekannten Herausforderungen für Marketing und Konsumentenforschung fertig zu werden, ist eine Konzentration aller Kräfte unumgänglich.
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Marketing als Schnittstelle zwischen Ökologie und Ökonomie Die Berücksichtigung von Naturprinzipien im Rahmen eines ökologieorientierten Marketing Von Andrea Hellwig-Beck
A. Entwicklungstendenzen des Marketing I. Vom kundenorientierten zum ganzheitlichen Marketing-Verständnis Vieliältigste Änderungen im Unternehmerischen Umfeld kennzeichnen die Entwicklung des Marketing. Orientierten sich Unternehmen in den 50er und 60er Jahren schwerpunktmäßig am Kunden und dessen Bedürfnissen, gewann Anfang der 70er Jahre der Handel zunehmend Einfluß auf die MarketingEntscheidungen der Hersteller. Zu Beginn der 80er Jahre kam es aufgrundvon Tendenzen wie Marktsättigung und Verdrängungswettbewerb zu einer stärkeren Orientierung an der Konkurrenz. Steigende Komplexität und Dynamik des Unternehmerischen Umfeldes seit Beginn der 90er Jahre führten zu einer weiteren Ausdehnung marketingrelevanter Bezugsgrößen (vgl. bspw. Hörschgen u.a. 1993, S. 11 ff. ; Hörschgen/Steinbach 1995, S. 33 ff. ; Meffert 1992, S. 662 ff.; Meffert 1994, S. 5 ff.; Nieschlag!Dichtl/Hörschgen 1994; Tietz 1993, S. 152 ff.). Während zu Beginn dieser Entwicklung einzelne Bezugsgrößen im Sinne von Engpaßfaktoren dominierten, kristallisierte sich zunehmend eine neue Denkweise des Marketing heraus, für die neben der längerfristigen Perspektive vor allem die simultane Berücksichtigung aller erfolgsbeeinflussender Parameter, d.h. eine ganzheitliche Betrachtung des Unternehmens und seiner Beziehungen zur Umwelt kennzeichnend ist. Das Ziel dieser holistischen Sichtweise besteht darin, die komplexen Beziehungs- und Wirkungszusammenhänge zwischen dem Unternehmen und dessen Markt bzw. Umfeld zu registrieren, zu analysieren und dann systematisch in Entscheidungen umzusetzen (vgl. Hörschgen u.a. 1993, S. 16 f.; Nieschlag!Dichtl/Hörschgen 1994, S. 876 ff.).
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Die Komponenten der globalen Umwelt - ökonomische, ökologische, technologische, politisch-rechtliche und sozio-kulturelle Faktoren - können dabei, wie Abbildung 1 zeigt, die Entscheidungen eines Unternehmens direkt beeinflussen oder über Interaktionspartner an das Unternehmen herangetragen werden.
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globllle UmNelt
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)
)
Abb. 1: Modell der Marketingumwelt (Quelle: Raffee/Wiedmann 1987, S. 187) Vor allem Austauschpartner der sogenannten regulativen Umwelt wie Behörden, Interessenverbände, Medien und Bürgerinitiativen haben in den letzten Jahren neben den traditionellen Marktpartnern zunehmend an Bedeutung gewonnen und sollten nicht zuletzt aufgrund ihres Einflusses auf die sonstigen Marktteilnehmer explizit in den unternehmefischen Entscheidungsprozeß eingeschlossen werden (vgl. Raffee/Wiedmann 1987, S. 186 ff.; Meffert/ Kirchgeorg 1993(a), S. 62 f.; Schaltegger/Sturm 1992, S. 196 ff.; Wagner 1995, Sp. 1492 ff.). Dies wird in Zukunft um so notwendiger, je mehr vor dem Hintergrund der Diskussion um ein 'Broadening the Concept of Marketing' auch diese in der Regel nicht-kommerziellen Institutionen sich selbst bzw. ihre Ideen und Zielsetzungen professionell vermarkten (vgl. Kotler!Levy 1969; Raffee 1995, Sp. 1670 f.; Raffee/Wiedmann 1995 und Wiedmann!Raffee 1995).
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Entsprechend dieser inhaltlichen Erweiterung wandelte sich das Selbstverständnis des Marketing von einer betrieblichen Engpaßfunktion zu einem marktorientierten Unternehmensführungskonzept, bei dem über das Management von Austauschbeziehungen i.S. von Markttransaktionen hinaus verstärkt ein Management von Beziehungen mit allen relevanten Anspruchsgruppen tritt (vgl. Meffert 1995, Sp. 1473 f.). II. Marketing im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie Diese Entwicklung stellt das Marketing vor neue Herausforderungen, da zunehmend gesellschaftliche Zielsetzungen an das Management herangetragen werden, die zumindest auf den ersten Blick den traditionellen ökonomischen Zielen zuwiderlaufen (vgl. Raffee/Wiedmann 1987, S. 187; Meffert/ Kirchgeorg 1993(a), S. 12). Vor diesem Hintergrund ist auch die anhaltende Diskussion um eine Unternehmens- bzw. Marketingethik zu sehen, die immer dann an Bedeutung gewinnt, wenn die Unzufriedenheit mit den Ergebnissen wirtschaftlichen Handeins wächst und infolgedessen Unternehmen mit der Forderung nach mehr Verantwortungsübernahme konfrontiert werden (vgl. Hansen 1995, Sp. 615 ; Wagner 1995, Sp. 1491). In dem Maß, in dem die Umweltbelastung und damit Unternehmen als mutmaßliche Verursacher in den Mittelpunkt der aktuellen öffentlichen Diskussion rücken, wächst so bspw. die Forderung nach einer verstärkten unternehmerischen Eigeninitiative bei der Lösung ökologischer Probleme, die über das vom Gesetzgeber vorgeschriebene Maß hinausgeht. Dies zwingt Unternehmen in Zukunft verstärkt, neben ökonomischen in hohem Maße auch ökologische Aspekte in ihre Unternehmensführung zu integrieren, um langfristig ihre gesellschaftliche Legitimität und damit die Grundlage ihres Wirtschafrens aufrechtzuerhalten. Hinzu kommt, daß - ausgelöst durch die gestiegenen Umweltschutzanforderungen diverser Anspruchsgruppen - sich auch im Umfeld des Wettbewerbs z.T. gravierende Änderungen ergeben haben. Durch die Zunahme des ökologieorientierten Konsumentenverhaltens verfügen bspw. umweltbewußte Unternehmen über einen wettbewerbsstrategischen Vorteil. Im Gegensatz dazu können im Fall einer verschärften Gesetzgebung Unternehmen, die bisher zu Lasten der Umwelt auf Umweltschutz verzichtet haben, die damit verbundenen Kostenvorteile unter Umständen nicht länger aufrechterhalten (vgl. Meffert/Kirchgeorg 1993(a), S. 12 ff.; Meffert 1991, S. 11 ff.; Schmid 1989, S. 128 ff.). Besteht aus den genannten Gründen bezüglich der Notwendigkeit ökologischen Handels, d.h. der Frage des 'ob?' weitestgehend Konsens, so gestaltet
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sich die Frage nach dem 'Wie?' ungleich schwieriger, da Unternehmen, vor allem aber dem Marketing als vermeintlichem Verursacher bzw. Katalysator ökologischer Schäden, häufig die Fähigkeit abgesprochen wird, ökologisch sinnvoll zu handeln. Sucht man in der betriebswirtschaftliehen Literatur nach Lösungsansätzen, so stellt man fest, daß im Laufe der historischen Entwicklung die Natur in wirtschaftswissenschaftlichen Theorien immer weniger berücksichtigt wurde. Während ältere Wirtschaftswissenschaftler die natürlichen Grundlagen des Wirtschafrens noch in ihre Betrachtung einbezogen, verlor die Natur mit Beginn der Neoklassik jegliche Bedeutung. Besonders deutlich kommt dies zum Ausdruck, wenn man bedenkt, daß im Kontext der drei klassischen Produktionsfaktoren der Boden zunehmend dem Faktor Kapital zugeordnet und durch den neuen Faktor Information ersetzt wird. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht das vom Menschen geschaffene künstliche System Unternehmen, das es zu optimieren gilt. Der Einfluß von Produktion und Konsum auf die natürliche Umwelt und die daraus resultierenden ökologischen Konsequenzen werden hingegen kaum diskutiert (vgl. Seidel/Menn 1991, S. 151 ff.; Steinackerffeitscheid 1986, S. 88). Die Umwelt stellt ein öffentliches Gut dar, das kollektiv, d.h. individuell nicht abgrenzbar genutzt wird und aufgrund des Nichtausschlußprinzips nahezu kostenlos zur Verfügung steht. Da negative externe Effekte in Form steigender Umweltbelastung aus diesem Grund im Rahmen der Kalkulation bisher kaum berücksichtigt werden, besteht kein Anreiz, sorgsam mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen (vgl. Wicke 1993, S. 41 ff.; Schreiner 1993, S. 22 f.). Auch wenn mittlerweile in der neueren betriebswirtschaftliehen Literatur ein nahezu ungeteiltes Einverständnis darüber besteht, daß ökologischer Handlungsbedarf besteht, so wird der Weg zum Ziel kontrovers diskutiert. Generell bestehen drei Alternativen, ökologische Belange in betriebswirtschaftliche Überlegungen einzubeziehen (vgl. Stitzel/Wank 1990, S. 105; Meffert/Kirchgeorg 1993(a), S. 54 f.; Meffert/Kirchgeorg 1995, S. 131):
(1) Aufgrund eines offensichtlichen Marktversagens bei ökologischen Fragestellungen wird zur Lösung ökologischer Probleme ein Paradigmenwechsel der Betriebswirtschaftslehre angestrebt. Ziel ist es, eine eigenständige ökologische Betriebswirtschaftslehre zu konzipieren, die unter dem Primat der Ökologie ein Höchstmaß an Ökologieorientierung zu verwirklichen sucht - wenn nötig auch zu Lasten der ökonomischen Rationalität. (2) Alternativ besteht die Möglichkeit, unter Beibehaltung bestehender Theoriekonzepte partiell betriebswirtschaftliche Instrumente zu modifizieren. Ökologische Aspekte werden dabei primär auf der Ebene einzelner Funktionsbereiche verwirklicht.
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(3) Die dritte Möglichkeit erweitert diese noch eingeschränkte Sichtweise dahingehend, daß ökologische Determinanten im gesamten Unternehmen, d.h. funktionsübergreifend bei allen Entscheidungen explizit berücksichtigt werden. Damit finden ökologische Aspekte zunehmend Eingang in die Strategische Planung. Während die Möglichkeiten einer ökologischen Betriebswirtschaft ethischnormativen Zuschnitts im Sinne der Alternative 1 - unter anderem aus pragmatischen Gründen - mittlerweile kaum noch diskutiert werden, steigen die Anstrengungen, Umweltschutzaspekte in die herrschende Betriebswirtschaftslehre zu integrieren (vgl. Ridder 1990, S. 145 f.). Im Rahmen einer solchen ökologieorientierten Betriebswirtschaftslehre sind dabei jene Ansätze zu bevorzugen, die im Gegensatz zur traditionellen betriebswirtschaftliehen Partialbetrachtung funktionsübergreifenden Charakter aufweisen. Die einseitige Orientierung an einzelnen Funktionen wie bspw. der Produktion oder der Beschaffung führt zu lnsellösungen, die den globalen ökologischen Problemen nicht gerecht werden (vgl. Meffert/Kirchgeorg 1993(a), S.17 f.; Macharzina 1995, S. 837 ff.). Der Nachteil einer solchen zwar bereichsübergreifenden, jedoch nach innen gerichteten Umweltschutzpolitik besteht darin, daß ökologischen, aufgrund der geringen Außenwirkung jedoch weder gesellschaftlichen noch wettbewerbsstrategischen Aspekten Rechnung getragen wird. Nachdem nicht Altruismus, sondern ökonomische Effizienz primäres Ziel Unternehmerischen Handeins ist, sollte sich Umweltmanagement aus diesem Grund über den funktionsübergreifenden Charakter hinaus am Markt orientieren, um so systematisch mögliche Erfolgspotentiale auszuschöpfen. Es besteht in diesem Fall ein verstärkter Anreiz, ökologisch zu handeln, da Umweltschutz nicht nur Kosten verursacht, sondern vom Markt bspw. durch die Realisierung strategischer Wettbewerbsvorteile honoriert wird. So haben empirische Untersuchungen gezeigt, daß Konflikte zwischen ökonomischen und ökologischen Zielen sich v.a. dann überwinden lassen, wenn marktbezogene Chancen und Risiken besondere Berücksichtigung finden (vgl. Meffert!Kirchgeorg 1989, S. 183 ff. und 1993(a), S. 20 ff.). Vor diesem Hintergrund kommt dem ökologieorientierten Marketing " .. . im Rahmen einer umweltbewußten Unternehmensführung die Aufgabe zu, bei der Planung, Koordination, Durchsetzung und Kontrolle aller marktgerichteten Transaktionen eine Vermeidung und Verringerung von Umweltbelastungen zu bewirken, um über eine dauerhafte Befriedigung der Bedürfnisse aktueller und potentieller Kunden unter Ausnutzung von Wettbewerbsvorteilen und bei Sicherung der gesellschaftlichen Legitimität die angestrebten Unternehmensziele zu erreichen" (Kirchgeorg 1995, Sp. 1943).
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Voraussetzung dafiir ist, daß sich das Unternehmen als offenes System, als Teil eines umfassenden Gesamtsystems betrachtet, das mit anderen Systemen in Verbindung steht. Die Aufgabe eines ökologieorientierten Marketing besteht darin, die Interessen sowohl ökonomischer als auch ökologischer Systeme miteinander zu vereinbaren. Da ökologische Systeme über Jahrtausende - bis zu ihrer Störung durch den Menschen - äußerst effizient funktioniert haben, soll im folgenden der Frage nachgegangen werden, inwieweit das Marketing Prinzipien der Ökologie zur Bewältigung seiner Schnittstellenfunktion heranziehen kann.
B. Ökologische Prinzipien Die Ökologie als Teilgebiet der Biologie beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen Organismen und ihrer Umwelt und damit- im Gegensatz zu anderen biologischen Teildisziplinen - mit überindividuellen Beziehungsgefügen (vgl. Vogel/Angermann 1992, S. 225). Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen bilden dabei eine Lebensgemeinschaft (Biozönose}, die sich aufgrund ähnlicher Ansprüche an Boden und Klima in einem Lebensraum (Biotop) zu einem sogenannten Ökosystem zusammenfinden (vgl . Krusche u.a. 1982, S. 15). Jedes Ökosystem ist neben anderen wiederum Teil eines übergeordneten Systems, der Biosphäre. In der Summe ergibt sich ein vielfach vernetztes Gesamtsystem, das sowohl bei mikroskopischer als auch kosmischer Betrachtungsweise denselben Grundprinzipien unterliegt. I. Das Kreislaufprinzip
Ein zentrales Prinzip ökologischer Systeme ist das Vorhandensein von Kreisläufen. In ökologischen Systemen findet, wie Abbildung 2 verdeutlicht, permanent ein Auf-, Um- und Abbau von Stoffen statt. Jeder Organismus des Ökosystems entnimmt der Umwelt Stoffe und gibt sie in einer für ihn nicht mehr nutzbaren, für andere Lebewesen aber durchaus verwertbaren Form an die Umwelt zurück (vgl. Stephan 1992, S. 276 f.). Pflanzen bauen unter Zuführung von Sonnenenergie aus anorganischem Material körpereigene organische Substanzen auf und setzen dabei Sauerstoff frei. Das Ergebnis dieser Produktion bildet die Existenzgrundlage von Lebewesen, die sich als Planzenfresser oder Räuber direkt oder indirekt von diesen organischen Stoffen ernähren und im Gegenzug verbrauchtes Kohlendioxyd abgeben. Mikroorganismen, sogenannte Destruenten, zersetzen Pflanzen- und Tierleichen sowie Exkremente zu anorganischen Substanzen und schließen damit den Stoffkreislauf Auf diese Weise entstehen keine Abfallstoffe; die
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Menge der vorhandenen Stoffe bleibt insgesamt konstant (vgl. Brenken 1988, S. 21 ff.; Bick 1985, S. 38 f.; Haber 1991, S. 45 f.).
Abb. 2: Ökosystem mit Stoftkreislauf(Quelle: vgl. Brenken 1988, S. 22)
Im Gegensatz zu dem in sich geschlossenen Stoffkreislauf muß der mit dem Umbau der Materie verbundene Energiefluß durch Zuführung von Sonnenenergie ausgeglichen werden. Die Ursache hierfür ist, daß entsprechend dem 1. und 2. Hauptsatz der Thermodynamik die Energie eines Systems und seiner Umgebung insgesamt konstant bleibt, freie Energie jedoch in gebundene Energie umgewandelt wird und damit dem Stoffkreislauf nicht mehr direkt zur Verfügung steht (vgl. Georgescu-Roegen 1991; Brenken 1988, S. 23 f.).
ll. Das Prinzip der Rückkopplung Neben der Frage, welche Elemente in einem vernetzten System verbunden sind, interessieren im folgenden die zugrundeliegenden Wechselwirkungen. Das Prinzip der Rückkopplung als weiteres wesentliches Grundprinzip ökologischer Systeme führt dazu, daß in einem vernetzten System Ursache und Wirkung ineinander übergehen, da die einzelnen Teile eines Systems in der Regel direkt oder indirekt auf sich selbst zurückwirken. Positive Rückkop-
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pelungen arbeiten systemverstärkend, d.h. Ursache und Wirkung verstärken sich gegenseitig, negative Rückkopplungen wirken dagegen systemhemmend (vgl. Vester 1993, S. 53 ff.). Abbildung 3 veranschaulicht diesen Sachverhalt am Beispiel eines Wirkungsnetzeszwischen Raubtier, Beute und Pflanzennahrung. Die Menge der gefangenen Hasen reguliert dabei Gewicht und Geschwindigkeit sowie Anzahl der Wölfe und beeinflußt gleichzeitig über die noch verbleibende Zahl der Hasen die Menge der verfügbaren Pflanzennahrung. Fortpflanzung und Wachstum, die zum Systemerhalt notwendig sind, aufgeund des gleichgerichteten Wirkungszusammenhangs jedoch zwingend zur mengenmäßigen Explosion einer Population führen, werden auf diese Weise durch negative Rückkopplungen kontrolliert. Die Vemetzung positiver und negativer Rückkopplungen wirkt selbstregulierend auf das System und trägt damit entscheidend zu dessen Stabilisierung bei. Die Regelungs- und Steuerungsfunktion wird dabei nicht zentral von einer übergeordneten Instanz vorgegeben, sondern beruht auf den Beziehungen der Systemelemente untereinander und hat damit dezentralen Charakter (vgl. Brenken 1988, S. 25 ff.).
·····-·····---------•
entgegengerichtete \Mrkung gleichgerichtete \Mrkung
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i :
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Abb. 3: Ausschnitt aus dem WirkWlgsnetz zwischen Raubtier, Beute Wld Pflanzennahnmg (Quelle: Vester 1993, S. 62)
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Innerhalb eines Ökosystems wird somit ein gewisser Gleichgewichtszustand erreicht, der jedoch nicht wie in der Thermodynamik mit einem Endzustand absoluter Stabilität vergleichbar ist. Auf Änderungen der Umwelt reagieren einzelne Organismen oder ganze Ökosysteme durchaus mit Anpassung, und es stellt sich ein neuer, gegenüber früher u.U. deutlich veränderter Gleichgewichtszustand ein. Da ökologische Systeme aus diesem Grund kein eigentliches Gleichgewicht erreichen - der Begriff 'ökologisches Gleichgewicht' beschreibt inuner nur den Zustand eines bestimmtes Ökosystems zu einer bestimmten Zeit-, spricht man statt dessen von einem Fließgleichgewicht (vgl. Kreeb 1979, S. 91 ff.; Bick 1985, S. 42). Im Rahmen ökologischer Kreisläufe werden nicht nur Energie und Materie, sondern auch Informationen weitergegeben und auf diese Weise ein umfassendes Informationsnetz aufgebaut, welches alle Informationen umfaßt, die notwendig sind, um innerhalb eines Lebensraums in der Auseinandersetzung mit anderen Systemkomponenten oder der Umwelt leben zu können. Dies können bspw. Informationen über das Erscheinungsbild geeigneter Nahrung, die Reaktion auf jahreszeitliche Veränderungen oder das Aggressionsverhalten sein (vgl. Brenken 1988, S. 25). Ill. Das Prinzip des Qualitativen Wachstums Positive Rückkopplungsprozesse sind notwendig, um Systeme am Leben zu erhalten, müssen jedoch, da sie unweigerlich zu exponentiellem Verfall oder Wachstum führen würden, durch übergeordnete Regulation, d.h. negative Rückkopplung korrigiert werden (vgl. Vester 1993, S. 55). Wachstumsprozesse laufen aus diesem Grund nur in dem Ausmaß ab, wie dies für das System und dessen Stabilität förderlich ist. Das darauf aufbauende Prinzip des qualitativen Wachstums stellt eine weitere wichtige Grundvoraussetzung natürlicher Systeme dar. Je vielfältiger positive und negative Rückkopplungsprozesse miteinander vernetzt sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß Störungen von außen abgefangen und ausgeglichen werden können, d.h. erneut ein geschlossener Stoffkreislauf und eine ausgeglichene Energiebilanz eintreten (vgl. Brenken 1988, S. 26). Die Stabilität und Überlebensfähigkeit eines Systems hängen dabei nicht von einer unstrukturierten Vernetzung durch "blindes" mengenmäßiges Wachstum ab, sondern werden durch strukturierte Vernetzung, d.h. durch die Bildung von Teilsystemen mit einer jeweils übergeordneten Struktur erreicht (vgl. Vester 1993, S. 68). "Soll ein System langfristig funktionieren und größte Freiheit der Entfaltung für seine Individuen bieten, so gelingt dies also nur durch rechtzeitiges Umschwenken vom quantitativen Mengenwachstum auf ein qualitatives Wachstum in Struktur und Ge-
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stalt. Nur ein solches Wachstum ist frei von Zwängen, jederzeit an Umweltveränderungen anpassungsfahig und von entsprechend geringer Störanfälligkeit .. ." (Vester 1993, S. 66 f.). Dieser Notwendigkeit trägt die Evolution in ihrer Vergehensweise Rechnung. Einzelne Arten oder ganze Ökosysteme haben sich im Laufe der Evolution aufgrund von Wechselwirkungen zwischen den Organismen und ihrer Umwelt permanent weiterentwickelt, indem Organismen in mehreren Stufen die sie umgebende Umwelt immer wieder verändert und dadurch günstige Bedingungen für andere Organismen geschaffen haben. Diese sukzessive Anpassung, man spricht von ökologischer Sukzession, kann in Abhängigkeit vom jeweiligen Ökosystem in mehreren Stufen und über unterschiedlich lange Zeiträume hinweg ablaufen. Der dabei angestrebte vorläufig stabilisierte Endzustand wird als Klimax bezeichnet. Die Entwicklung hin zu dieser Gleichgewichtsphase ist durch ein Ansteigen der Biomasse sowie eine zunehmende Artendiversität, d.h. biologische Vielfalt gekennzeichnet. Die Nahrungsketten werden insgesamt vemetzter, die Gesamtstabilität nimmt zu (vgl. Odum/ Reichholf 1980, S. 57, 139 ff.; Odum 1983, S. 405 ff.). IV. Das Prinzip der Symbiose Je höher die Artendiversität eines Ökosystems, desto mehr gewinnt die Symbiose als weiteres ökologisches Prinzip an Bedeutung. Unter Symbiose versteht man " ... das enge Zusammenleben verschiedenartiger Organismen zum gegenseitigen Nutzen" (Vester 1993, S. 122). Während bei der Symbiose die wechselseitigen Beziehungen für die Symbionten existentiell notwendig sind - d.h. der eine ohne den anderen nicht oder nur bedingt lebensfähig ist nützen sich bei der Kooperation zwei Arten gegenseitig, ohne jedoch zwingend aufeinander angewiesen zu sein (vgl. Odum 1991, S. 190 f.) . Als Grundprinzip lebender Systeme ist dieses Zusammenwirken verschiedener Organismen notwendige Vorausssetzung für die Entwicklung höherer Lebensformen. Mit zunehmender Artenvielfalt steigt dabei die Wahrscheinlichkeit, einen geeigneten Symbionten zu finden, und damit die Möglichkeit, über ein gegenseitiges Geben und Nehmen Kreisläufe aufzubauen bzw. weiter zu stabilisieren (vgl. Vester 1993, S. 122 ff.).
C. Marketing und ökologische Prinzipien In dem Maß, in dem der Mensch durch seine soziale Evolution zum Hauptkonsumenten im Ökosystem avancierte und zunehmend Stoff- und Energieflüsse für seine Zivilisation benötigte, entwickelte er sich zum 'Manipulator'
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der Biosphäre, der die natürlichen Kreisläufe bis in die Gegenwart hinein stört (vgl. Stumm/Davis 1991, S. 76). Je weiter sich der Mensch dabei von der natürlichen Umwelt emanzipiert hat, desto weniger war bzw. ist er in der Lage, vernetzte Sachverhalte auch als solche zu erkennen und zu beurteilen, was nicht selten zu erheblichen Fehleinschätzungen und -beurteilungen führt. Im folgenden soll ansatzweise versucht werden, die Vergehensweise ökologischer Systeme als Musterbeispiel hoher Komplexität auf ökonomische Systeme zu übertragen. I. Wertstoffkreislauf und qualitatives Wachstum Unternehmen orientieren sich bei der Ermittlung ihrer ökonomischen Effizienz bisher primär an den einzelnen Wertschöpfungsstufen innerhalb des Unternehmens. Sämtliche Entscheidungen von der Beschaffung bis zum Absatz werden dabei vor dem Hintergrund eines optimalen Input-/Outputverhältnisses getroffen. Diese Sichtweise geht von einer unbegrenzten Verfügbarkeit der Ressourcen und der uneingeschränkten Aufnahmefähigkeit der Umwelt für Abfallstoffe aus. Daß dies nicht der Realität entspricht, zeigt nicht nur die ständige Verknappung natürlicher Ressourcen, sondern auch die zunehmende Umweltverschmutzung in den Bereichen Wasser, Luft und Boden (vgl. hierzu Wicke 1986). In dem Maß, in dem Unternehmen für diese Situation verantwortlich zeichnen, sind ökonomische Entscheidungen in Zukunft um das Kriterium der ökologischen Effizienz zu erweitern, d.h. um die Frage, in welchem Ausmaß die Herstellung von Produkten ökologische Ressourcen beansprucht. Dabei sind entgegen der bisherigen Betrachtungsweise sowohl die Phase der Rahstoffgewinnung als auch die Gebrauchs- und Entsorgungsphase in die Überlegungen einzubeziehen (vgl. Meffert!Kirchgeorg 1993(b), S. 35 und 1993(a), S. 210 f. ; Hopfenheck 1994, S. 178 ff.; Strebel/Hildebrandt 1989, S. 101 ff.). Betrachtet man die Natur als ein Musterbeispiel ökologischer Effizienz, so stellt man fest, daß alle Stoffbewegungen in Form von Kreisläufen stattfinden. Es treten keine Abfälle und damit Entsorgungsprobleme auf, da das, was an der einen Stelle als Abfall anfällt, an einem anderen Ort entsprechend Verwendung findet. Überträgt man dieses Kreislaufprinzip natürlicher Systeme auf Unternehmen, so bedeutet dies, daß aus der durchlauforientierten Wertschöpfungskette ein geschlossener Wertschöpfungskreislauf wird, in dem die jeweils anfallenden Abfallstoffe in den Produktionsprozeß zurückgeführt werden, unabhängig davon, ob sie bereits im Unternehmen oder aber während der Ge- bzw. Verbrauchsphase anfallen.
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Abbildung 4 gibt einen Überblick über die Ausgestaltung eines solchen umfassenden Recyclingkreislaufs, der sich aus einer Reihe von Teilkreisläufen zusammensetzt. Dabei unterscheidet man zum einen Recyclingarten, die keiner stofflichen Umwandlung bedürfen und im bisherigen (wieder-) bzw. in einem neuen Anwendungsbereich (weiter-) verwendet werden, und zum anderen Formen, die eine Umwandlung benötigen, um dann im bisherigen (wieder-) bzw. in einem neuen Produktionsprozeß (weiter-) verwertet zu werden (vgl. Kleinaltenkamp 1985, S. 55; Meffert!Kirchgeorg 1993(a), S. 265 f.; Hopfenheck 1994, S. 238). Im Rahmen des Produktionsabfallrecyclings werden Produktionsrückstände erfaßt und direkt oder nach ensprechender Aufbereitung in die Produktion zurückgeführt. Besteht innerhalb des Unternehmens kein Bedarf, so bieten Abfallbörsen die Möglichkeit, Kontakte zu potentiellen Abnehmern herzustellen. Das sich anschließende Produktrecycling arbeitet Produkte nach Gebrauch entsprechend auf, um sie, wie im Beispiel des Austauschmotors, einer gleichartigen Verwendung zuzuleiten. Stoffe, die sich einem weiteren Gebrauch entziehen, werden entweder (wie im Fall der Mehrwegsysteme) einer Wieder- bzw. Weiterverwendung oder (wie im Fall des Altstoffrecyclings) einer Wieder- bzw. Weiterverwertung zugeführt (vgl. Hopfenheck 1994, S. 237 ff.; Meffert!Kirchgeorg 1993(a), S. 264 ff.).
Retrodis1ributionssysteme WiedeNerwendu~ WeiteNerwendu~
(Mehrwegsysteme)
I
direkt oder indirekt Ober Handel r----+---1Bearbeiten
AltatoffrecJICiing WiedeiVerwertung WeiteNerwertung
Deponie Verbremu~
Kompostierung (anderer Zweck)
Abb. 4: Integriertes Recyclingkonzept (Quelle: vgl. Hopfenheck 1994, S. 241)
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Gerade für die Produktpolitik ergeben sich eine Reihe von Handlungsempfehlungen, um den Aufbau bzw. die Funktionstüchtigkeit eines solchen Kreislaufsystems zu unterstützen. So ist bei der Gestaltung von Produkten darauf zu achten, daß bereits in der Produktion umweltfreundliche und wenig energieintensive, vor allem aber auch reichlich vorhandene Rohstoffe zum Einsatz kommen. Über eine Verbesserung der Material- und Fertigungsqualität läßt sich die Lebensdauer der Produkte verlängern, wobei es zu bedenken gilt, daß eventuelle Verschleißteile problemlos ausgewechselt, im günstigen Fall sogar nach entsprechender Aufarbeitung erneut eingesetzt werden können. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Phase des Ge- und Verbrauchs durch entsprechende Wartung, aber auch Beratung bspw. bezüglich einer sachgerechten Nutzung auszudehnen. Dies setzt allerdings ein entsprechend gut ausgebautes Servicenetz voraus. Da der Wirkungsgrad des Altstoffrecyclings entscheidend von der Art und der Zusammensetzung der Abfallstoffe abhängt, ist bei der Produktkonzeption darüber hinaus zu berücksichtigen, daß sich die einzelnen Werkstoffe nach der Nutzung wieder aus dem Produktverbund lösen und sich über eine entsprechende Verwertung erneut der Produktion zuführen lassen (vgl. Hopfenheck 1994, S. 242 ff.; Meffert/ Kirchgeorg 1993(a), S. 215 ff.). Diese und ähnliche Maßnahmen führen zu einer Erhöhung der ökologischen Effizienz und einem zunehmenden Anteil immaterieller Komponenten, d.h. Dienstleistungen im Wertschöpfungskreislauf (vgl. Meffert/Kirchgeorg 1993(b), S. 39 und 1995, S. 153). Dies entspricht der im Zusammenhang mit der Umweltproblematik häufig geäußerten Forderung nach einem qualitativen Wachstum, d.h. einem " .. .Wachstum der Wertschöpfung des Unternehmens unter Konstanthaltung oder Senkung der vom Unternehmen ausgehenden gesamten Einwirkung auf die natürliche Umwelt" (Müller-Wenk 1980, S.70).
ß. Wirkungsnetzwerke Neben dem langfristigen Denken ist es nach dem Vorbild der Natur notwendig, im Sinne einer holistischen Sichtweise die Vielzahl von Einflußvariablen einer ökologieorientierten Unternehmensführung zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck müssen, wie in Abbildung 5 dargestellt, die relevanten Größen bestimmt und mögliche Wirkungsverläufe analysiert werden. Dies ist insofern von Bedeutung, als erst dann, wenn Zusammenhänge bekannt sind, auch zielgerichtet in das Wirkungsnetzwerk eingegriffen werden kann. So wird bspw. deutlich, daß der Erfolg ökologiebezogener Produkt- und Verfahrensinnovationen entscheidend von der damit verbundenen Erhöhung des Kundennutzens und der Handelsakzeptanz bzw. der daraus resultierenden
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Steigerung des Absatzes und damit auch vom Marketing eines Unternehmens abhängt. Führen bspw. entsprechende Innovationen nicht zu einem individuellen, sondern zu einem kollektiven und damit für den Konsumenten nicht bzw. nur teilweise erkenn- oder nachvollziehbaren Nutzenzuwachs, so besteht die Aufgabe des Marketing darin, den Kunden von der Vorteihaftigkeit des Angebots zu überzeugen. Was für den Fall gleicher oder geringerer Preise schon eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe darstellt, gestaltet sich im Fall höherer Preise als zunehmend problematisch bzw. unmöglich (vgl. Kirchgeorg 1995, Sp. 1945 f. ; Me:ffert 1993, S. 51 :ff.).
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positillltl' Zusammenhang
Abb. 5: Bezieh'Wlgszusammenhang von Einflußvariablen ökologieorientierter Untemehmensfiihnmg (Quelle: Macharzina 1995, S. 851)
Mit Hilfe des Marketing kann in diesem Fall versucht werden, das ökologische Bewußtsein des Verbrauchers bzw. den subjektiv empfundenen Kundennutzen und damit die Kaufbereitschaft potentieller Kunden zu erhöhen (vgl. Hopfenheck 1994, S. 302 :ff.). Zu diesem Zweck steht dem Marketing das gesamte absatzpolitische Instrumentarium zur Verfügung (vgl. hierzu bspw. Me:ffert/Kirchgeorg 1993(a);
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Hopfenheck 1994). Zu denken wäre bspw. an die Möglichkeit, über verstärkte Information und Aufklärung mittels kommunikationspolitischer Maßnahmen oder über eine Mischkalkulation im Rahmen der Preispolitik mögliche Kaufbarrieren zu überwinden. Mangelnder Qualität ökologischer Produkte könnte über Weiterentwicklungen im Bereich der Produktpolitik begegnet werden. Diese Maßnahmen würden über eine entsprechende Nachfragesteigerung im Sinne einer Pult-Strategie dann auch die Handelsakzeptanz positiv beeinflussen und damit vermutlich zu einer weiteren Absatzsteigerung führen.
m. Kooperationen Die Realisierung eines Wertschöpfungskreislaufs liegt nur bedingt im Ermessensspielraum einzelner Unternehmen. Erst durch das Zusammenwirken unterschiedlichster Kooperationspartner, die in Anlehnung an das Prinzip der Symbiose zum gegenseitigen Nutzen zusammenarbeiten, läßt sich ein solcher Kreislauf auf- bzw. ausbauen. Produktionsrückstände können, sofern dies im Unternehmen nicht möglich ist, in anderen Unternehmen direkt oder nach einer gewissen Aufbereitung eingesetzt werden. Den Kontakt zwischen geeigneten Kooperationspartnern stellen dabei häufig sogenannte Abfallbörsen her, die bspw. vom Verband der Chemischen Industrie oder dem Deutschen Industrie- und Handelstag angeboten werden (vgl. Kleinaltenkamp 1985, S. 188 ff.; Hopfenheck 1994, S. 256). Je mehr potentielle Partner in diesen Abfallbörsen gelistet sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, für jeden Abfallstoff einen geeigneten Abnehmer zu finden, und desto geringer fallt das Risiko aus, von einem speziellen Kooperationspartner zu stark abhängig zu werden. Neben der Zusammenarbeit produzierender Unternehmen, die durchaus auch branchenübergreifend angelegt sein kann, besteht im Rahmen des Produktrecycling die Möglichkeit der Kooperation zwischen Herstellern und externen Dienstleistern. Gerade in einer Zeit, in der Unternehmen sich zunehmend auf ihre Kernkompetenzen zurückziehen, können Serviceleistungen wie Wartung, Reparatur oder Beratung über externe Dienstleister abgewickelt werden, die aufgrundihrer Spezialisierung über eine entsprechend umfangreiche Problemlösungskompetenz verfügen. Ein Teil dieser Dienstleistungen kann dabei u.U. auch vom Handel übernommen werden. Auch die Abfallreduzierung über Altstoffrecycling oder Mehrwegsysteme bedarf einer unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit. So existieren horizontale Kooperationen auf Hersteller- oder Handelsebene, bspw. bei der Einführung neuer Mehrwegsysteme, aber auch vertikale Kooperationen, bei II FS Hörschgen
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denen Hersteller, Entsorgungsunternehmen und der Handel wie im Fall der Dualen System Deutschland GmbH zusammenarbeiten (vgl. Meffert/ Kirchgeorg 1993(a), S. 267 ff.~ WagnerNogel1992, S. 225 ff.). Weitere Synergiepotentiale ergeben sich aus der Zusammenarbeit mit staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen wie bspw. Umweltschutzbehörden oder -Organisationen sowie Verbänden (vgl. Meffert/Kirchgeorg 1993(a), S. 19), die häufig eine hohe ökologische Fachkompetenz in die gemeinsame Arbeit einbringen. Diese Art der Kooperation erscheint auch deshalb besonders wichtig, weil es sich beim Thema Umweltschutz nicht um ein ausschließlich unternehmensspezifisches Problem, sondern auch um ein gesellschaftspolitisches Thema handelt, bei dem die Aufgabe der Unternehmen darin besteht, unternehmecisehe und gesellschaftspolitische Interessen zu vereinbaren. Das gemeinsame Erarbeiten von Problemlösungen fördert dabei im Gegensatz zu unternehmefischen Alleingängen die allgemeine Akzeptanz unternehmeciseher Umweltschutzmaßnahmen. Neben unternehmensübergreifenden Kooperationen sei an dieser Stelle auch die Notwendigkeit der Zusammenarbeit der einzelnen Funktionsbereiche im Unternehmen angesprochen (vgl. Macharzina 1995, S. 837 ff.; Meffert/Kirchgeorg 1993(a), S. 17 f.). Über ein entsprechendes Schnittstellenmanagement (vgl. Specht 1995) gilt es, sämtliche Unternehmerischen Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette in Hinblick auf ökologische Zielsetzungen zu koordinieren bzw. zu optimieren.
C. Schlußbemerkung Ökologische Probleme haben das Bewußtsein dafür geweckt, daß ökonomische Systeme keine in sich geschlossenen Einheiten, sondern Elemente eines grundsätzlich umfangreicheren Gesamtsystems darstellen, dessen Teilsysteme über eine Vielzahl von Austauschbeziehungen miteinander in Verbindung stehen. Ökonomische Entscheidungen setzen damit eine diesen vernetzten Strukturen entsprechende Problemlösungsfcihigkeit voraus, die mit der uns anerzogenen einseitigen, linear-analytischen Denkweise nur schwer zu realisieren ist. Die Auseinandersetzung mit natürlichen Systemen zeigt, daß Probleme unternehmerischer Entscheidungen häufig darin begründet liegen, daß wir vergessen, " ... daß unser Gehirn zwei sich gegenseitig befruchtende Programme zur Verfügung hat. So gehen wir auf der einen Seite mit unserer anerzogenen Logik, unseren Schlüssen von Ursache und Wirkung sehr geradlinig und eindimensional vor. Damit konstruieren wir Maschinen und lösen wir Detailprobleme. Andererseits arbeiten aber andere Bereiche unseres Ge-
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bims, etwa der Bereich der Intuition, der Gefühle, der Erfassung einer Situation, der Erkenntnis des Wesentlichen und auch der Erfassung der meisten visuellen Wahrnehmungen durchaus vernetzt, sozusagen in Bildern" (Vester 1993, S. 9). Statt in Wirkungsnetzen zu denken, werden in der Regel nur wenige, häufig nur die aus dem direkten Umfeld des Unternehmens stammenden Variablen berücksichtigt. Erschwerend kommt hinzu, daß bspw. Ressortegoismus bzw. suboptimale Informations- und Kommunikationsstrukturen innerhalb eines Unternehmens, aber auch aggressives Wettbewerbsverhalten nach außen kooperative Zusammenarbeit und damit die Nutzung von Synergiepotentialen verhindern. Es erscheint deshalb durchaus sinnvoll, offene Systeme, wie bspw. Ökosysteme, zu analysieren, um aus deren Funktionsweise Handlungsalternativen für ökonomische Systeme abzuleiten, die nicht nur zur Lösung ökologischer, sondern aufgrund ihres allgemeingültigen Charakters über die hier vorliegende Themenstellung hinaus für eine Vielzahl weiterer Fragestellungen herangezogen werden können.
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Der Transfer militärtheoretischer Befunde auf das Marketing Von Ulrich A. Lotz
A. Vorbemerkung Der grundsätzlich interdisziplinäre Charakter der Marketing-Wissenschaft, die bewußt "auf die Erkenntnisse anderer Wissenschaftszweige zurückgreift, um einen Beitrag zur Lösung spezifischer Probleme des(...) Marketing zu leisten" (Meffert 1992, S. 698), bedingt die umfassende und aktive Suche nach Verflechtungspotentialen im Sinne eines systematischen wissenschaftlichen Benchmarking-Prozesses (vgl. Lotz 1995, S. 99). Diese zunehmende Diffusion von Erkenntnissen aus anderen Disziplinen ging mit einer permanenten Erweiterung des Gegenstandsbereichs des Marketing einher. Bestand der Gegenstandsbereich des Marketing noch in den sechziger und siebziger Jahren im wesentlichen darin, Instrumentarien zur Gewinnung von Kundeninformationen und zur anschließenden Kundenbeeinflussung zu entwickeln, so bedarf es vor dem Hintergrund der erhöhten Umfeldkomplexität eines deutlich erweiterten Blickwinkels des Marketing. An die Stelle einer Verengung des Analysefeldes auf die Kunden tritt eine ganzheitliche Ausrichtung (vgl. Hörschgen u.a. 1993, S. 16), die simultan alle relevanten Bezugsgrößen von Marketing-Entscheidungen berücksichtigt. Neben den (aktuellen und potentiellen) Kunden sind dies v.a. die Wettbewerber und Handelspartner, zunehmend aber auch sozio-kulturelle, ökologische, ethische und politisch-rechtliche Faktoren sowie die Gegebenheiten im Unternehmen selbst. Bei einer solchen "strategischen" Situationsanalyse haben sich Methoden wie Portfolio-Analysen oder Chancen-Risiken-Analysen als hilfreich erwiesen, die den Aufgaben der Informationsgewinnung wie -verdichtung gleichermaßen gerecht werden und zudem die Ableitung von Handlungsempfehlungen erlauben (vgl. Pümpin 1980, S. 20). Vor dem Hintergrund des zunehmend komplexeren Bezugsgrößenfeldes stellt die Kanalisierung der zu treffenden Maßnahmen ein immer wichtiger werdendes Aufgabenfeld für das Marketing dar. Hierzu finden sich in der Marketing-Literatur eine Fülle von Beiträgen, die sich mehr oder weniger dif-
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Ulrich A. Lotz
ferenziert mit der Frage der Entwicklung von Marketing-Strategien, die diese Kanalisierungsfunktion wahrnehmen, auseinandersetzen. Da das strategische Denken ursprünglich dem Bereich der Militärwissenschaft entstammt, ·liegt es nahe zu überprüfen, ob bzw. inwieweit militärtheoretische Erkenntnisse zur Generierung von Marketing-Strategien genutzt werden können. Besonderes Augenmerk liegt dabei in dem vorliegenden Beitrag auf der Frage, wie - basierend auf dem originären Bereich des strategischen Denkens - sowohl formal als auch inhaltlich auf wissenschaftlich vertretbare Weise ein Transfer von Erkenntnissen einer grundsätzlich nicht verwandten Disziplin wie der Militärwissenschaft auf das Marketing erfolgen kann.
B. "Strategische Grundsätze" als Transferpotential der Militärwissenschaft Für die Militärwissenschaft als Teilbereich der Politischen Wissenschaften (vgl. Staehle 1990, S. 561; Gälweiler 1990, S. 58 ff.) sind Strategien bis heute konstitutive Elemente zur Regelung von Austauschprozessen zwischen Staaten bzw. zwischen den sie repräsentierenden Streitkräften (vgl. Grewe 1981, S. 374). Übergeordnete Handlungsmuster (Strategien) im Sinne der Militärtheorie können als grundsätzlich antagonistisch charakterisiert werden, d.h. sie gehen explizit von einer faktischen oder latenten Bedrohung durch einen "Feind" aus (vgl. Gälweiler 1981, S. 39). Insbesondere in Zeiten offener Konfrontation (z.B. während des Golfkriegs 1991) oder versteckter Auseinandersetzungen (z.B. während des sog. Kalten Kriegs in den 1960er Jahren) kann der Wahl einer bestimmten Strategie entscheidende Bedeutung als Faktor für den Erfolg einer Nation bzw. einer Armee zukommen. Im politisch-m1litärischen Bereich trat zwar in den letzten Jahren - wesentlich bedingt durch den Erosionsprozeß in Osteuropa - eine Entspannung zwischen den vormaligen Hauptkonkurrenten USA und (ehemalige) UdSSR bzw. den Militärbündnissen NATO und (inzwischen aufgelöster) Warschauer Pakt ein; durch die Entstehung neuer, dezentraler Krisenherde wie am Persischen Golf oder im ehemaligen Jugoslawien besteht jedoch weiterhin das Erfordernis, situationsgerechte (Militär-)Strategien zu entwickeln. Die mit der Strategiengenerierung betrauten Personen können dabei auf ein breites militärstrategisches "Erfahrungswissen" zurückgreifen. Dieses beinhaltet auch sog. "Strategische Grl!ndsätze" (vgl. Hörschgen u.a. 1993, S. 115; Pümpin 1980, S. 15), d.h. Verhaltensregeln, deren Befolgung sich in der Mehrzahl kriegerischer Auseinandersetzungen als zweckmäßig bzw. erfolgversprechend erwiesen hat, Militärtheoretiker wie Sun Tze (vgl. Maschke 1972), Musashi (vgl. Riemann 1983) oder von Clausewitz (vgl. von Clausewitz 1991)
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entwickelten nach der Analyse zahlreicher historischer Schlachten sowie auf Grund eigener Erfahrungen umfassende Regelsysteme, denen in der heutigen Zeit wieder vermehrt Beachtung geschenkt wird. Es muß allerdings zunächst verwundern, daß die aktuellen Verfechter dieser Regelsysteme weniger dem militärischen als vielmehr dem betriebswirtschaftlichen Bereich entstammen. So konstatieren neben US-amerikanischen auch deutschsprachige Autoren grundsätzliche Ähnlichkeiten zwischen militärischen und Unternehmerischen Entscheidungsfeldern (vgl. Cohen 1986a; Durö 1988; DurölSandström 1986; Gälweiler 1990; James 1986; Kotler/Singh 1981; Michaelsen 1987; Pümpin 1980; Ramsey 1987; Riesirrout 1986). Vor dem Hintergrund der - eingangs bereits erwähnten - steigenden Zahl stagnierender und schrumpfender Märkte und der damit gewachsenen Bedeutung der Wettbewerber für den Erfolg eines Unternehmens gleiche das Marktgeschehen immer stärker einem "Nullsummenspiel" (vgl. Gälweiler 1981, S. 39), d.h. der Erfolg des einen Unternehmens bedeute automatisch den Mißerfolg eines anderen Unternehmens. Im betriebswirtschaftliehen Schrifttum hat sich bereits der Begriff der ''Marketing-Kriegsfiihrung" (Marketing warfare) etabliert (vgl. z.B. Cohen 1986a, S. 3; Kotler/Singh, S. 30; Riesirrout 1986, S. 1), der die unterstellten Analogien auch verbal explizit wiedergibt. Hier wird bereits deutlich, daß bei der Rezension des militärstrategischen Gedankenguts im Marketing zwei Phänomene voneinander zu unterscheiden sind, die gemeinsam die Frage nach der Begründung bzw. Rechtfertigung der getroffenen (wissenschaftlichen) Aussagen aufwerfen: Zum einen kann ein zunehmend militärisch geprägter Sprachgebrauch im Marketing festgestellt werden (vgl. Krohn 1987, S. 141). Dieser zunächst eher formale Transfer militärwissenschaftlicher Begriffe wurde durch die mittlerweile international anerkannten Arbeiten von Porter (vgl. Porter 1990; ders. 1989) zur Wettbewerbsstrategie wesentlich gefordert, ohne daß jedoch bisher eine kritische Reflexion über die Zweckadäquanz bzw. Sinnhaftigk:eit des Einsatzes solcher Termini im Marketing erfolgte. . Zum anderen stellt sich das Problem, inwieweit militärstrategisches Erfahrungswissen einen inhaltlichen Beitrag zur Entwicklung erfolgversprechender Marketing-Strategien leisten kann. Diese Fragestellung gewinnt insbesondere im Rahmen der in den letzten Jahren wissenschaftlich stark gepflegten Erfolgsfaktorenforschung im Marketing (vgl. z.B. Fritz 1990, S. 91 ff.) an Bedeutung. Die andiskutierten militärstrategischen Grundsätze können in diesem Sinne als "Erfolgsfaktoren" eines Unternehmens betrachtet werden. Für den betrieblichen Entscheidungsträger stellt sich allerdings das Problem der Einschätzung des Nutzens solcher Grundsätze in einer konkreten Entscheidungssituation.
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C. Der Analogieschluß als Methodik des Aussagentransfers Der Suche nach Kriterien zur Einschätzung des Nutzens militärstrategischen Gedankenguts für den betrieblichen Entscheider ist die Frage nach der Berechtigung der Übertragung vorgelagert. Hierbei läßt sich schnell feststellen, daß es an analytischen, d.h. mathematisch-präzisen Verfahren mangelt, die eine eindeutige Antwort zuließen. Vielmehr muß auf sog. Heuristiken zurückgegriffen werden, d.h. auf Verfahren, mit deren Hilfe sich zwar in aller Regel gute Lösungen erzielen lassen, die jedoch bewußt in Kauf nehmen, daß sie möglicherweise zu keiner Optimallösung führen. Der Analogieschluß als Methodik des Aussagentransfers stellt hier das gängige Verfahren dar, das einerseits theoretische Fundierung besitzt, andererseits genügend Offenheit zuläßt, um auch wenig präzise, verbale Felder zu untersuchen. Unter einer Analogie wird dabei "( .. .) eine - nicht notwendig quantitative- Methode des Vergleichszweier oder mehrerer, oft recht komplexer Gegebenheiten, zwischen denen nicht nur äußerlich-formale, sondern auch sachlich-inhaltliche Beziehungen bestehen,( ... ) ohne daß die eine Gegebenheit ein vereinfachtes Konstruktionsmodell der anderen darstellt" (vgl. Bruckmann 1977, S. 72), verstanden. Die Analogieschlußmethode impliziert eine dreistufige Vorgehensweise (vgl. Bruckmann 1977, S. 74): Zunächst erfolgt eine detaillierte Gegenüberstellung der Analyseobjekte. Dies kann durch Erstellung eines Kriterienkatalogs erfolgen, der einen strukturierten Vergleich ermöglichen soll. Hierin spiegelt sich eine Basisanforderung des Analogieschlusses wider. So genügt es für eine erforderliche strukturelle Analogie (vgl. Martino 1983, S. 66) nicht, sich mit rein zufälligen Ähnlichkeiten zwischen zwei Analyseobjekten zu begnügen, sondern es ist vielmehr notwendig, systematisch weitere Gleichartigkeiten zwischen zwei Ereignissen aufzufinden, wenn einige grundlegende Ähnlichkeiten gegeben sind. Da die zur Disposition stehenden "Strategischen Grundsätze" im o.g. Sinne als Erfolgsfaktoren verstanden werden sollen, bleibt auf die grundsätzliche Intention der gezogenen Analogieschlüsse hinzuweisen. Durch den Einsatz der Analogieschlußmethode wird implizit oder explizit eine Prognose gewagt: Wenn sich ein bestimmter Grundsatz im originären (Militär-)Bereich als erfolgswirksam erwiesen hat, so wird er deshalb im abgeleiteten Bereich eingesetzt, weil dort von einer ähnlich starken, positiven Wirkung ausgegangen wird. Voraussetzung bleibt jedoch, daß dem Transfer eine differenzierte Auseinandersetzung über die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede der Analyseobjekte vorangeht.
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Im zweiten Schritt erfolgt eine Einschätzung der Relevanz der entdeckten Gemeinsamkeiten und Unterschiede für die gegebene Fragestellung. Diese Einschätzung besitzt - wie die Analogieschlußmethode insgesamt - einen stark subjektiven Charakter (vgl. Hansmann 1983, S. 18). Zwar kann dem dadurch entgegengewirkt werden, daß man eine Bewertung durch unabhängige Experten vornehmen läßt, allerdings mangelt es oftmals an Personen, die in beiden Analysefeldern gleichermaßen kompetent erscheinen. Um so bedeutsamer ist es, daß bereits im ersten Schritt möglichst viele Vergleichskriterien in die Analyse einbezogen werden. Zudem kann der Einsatz von Gewichtungsfaktoren für die einzelnen Vergleichskriterien - vor dem Hintergrund des jeweiligen unternehmensspezifischen bzw. marktliehen Kontextes für eine Fundierung des Ergebnisses sorgen. Kommt der Betrachter schließlich zu dem Ergebnis, daß eine "hinreichende" Ähnlichkeit der Analyseobjekte vorliegt, so kann im dritten und letzten Schritt der eigentliche Analogieschluß erfolgen. Dabei sollte jedoch einheitlich im Sprachgebrauch festgelegt werden, wann von einer "hinreichenden" Analogie gesprochen werden darf. So könnte eine solche Definition z.B. so aussehen, daß von einer strukturellen Analogie erst dann gesprochen wird, wenn sich die Analyseobjekte hinsichtlich 90 % aller gewichteten Vergleichskriterien ähneln. Dieses mathematische Element ändert zwar nichts am grundsätzlich heuristischen Charakter des Analogieschlusses, trägt aber doch spürbar zu einer gewissen Objektivierung der Befunde bei. Beim eigentlichen Analogieschluß dürfen jedoch die Erwartungen an die Methodik nicht zu sehr hochgeschraubt werden. Das Ziel des systematischen Vergleichs bildet zunächst der Versuch, das Risiko einer ungerechtfertigten, weil zufälligen Analogie zu reduzieren. Von einem Analogieschluß kann keine Präzision im Sinne kausaler Zusammenhänge erwartet werden, er sensibilisiert jedoch den Betrachter für den differenzierten Umgang mit vordergründig vermeintlich nahezu deckungsgleichen Untersuchungsfeldern. Zusammenfassend sei auf die vier der Analogieschlußmethode typischerweise anhaftenden Problemfelder (vgl. Bruckmann 1977, S. 73) hingewiesen: (1) Es liegt vielfach in der menschlichen Natur, eine Untersuchung nur solange fortzuführen, wie sie die bereits vorab geprägten Einschätzungen bestätigt. So wird nicht nach Unterschieden weitergesucht, wenn ein bestimmter Grundbestand an Übereinstimmungen erreicht scheint. Der systematische und urnfassende Vergleich unterscheidet jedoch gerade die wissenschaftlich geforderte strukturelle Analogie von der populistischen zufälligen Ähnlichkeit. (2) Schwierigkeiten bereitet ferner die Frage nach dem Ausmaß der Zwangsläufigkeit einer Entwicklung. Trotz hoher Übereinstimmung beim
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Vergleich zahlreicher Aspekte zweier Situationen oder Entwicklungen läßt sich daraus nicht zwingend schließen, daß der weitere Ablauf ebenfalls analog erfolgen muß. Analogieschlußverfahren können sich daher nur auf die Verbesserung der Informationsbasis über verschiedene denkbare Verläufe und deren Wahrscheinlichkeit durch die aus dem Vergleich gewonnenen Erkenntnisse beschränken. (3) Streng betrachtet, besitzt jede Situation eine historische Singularität. Kritiker des Analogieschlußverfahrens können daher immer auf bestehende Unterschiede zwischen den beiden Untersuchungsobjekten oder Situationen hinweisen. Hier ist jedoch wiederum auf den heuristischen Charakter der Methode hinzuweisen. Da oftmals keine bessere Möglichkeit zur Verfügung steht, Ereignisse abzuschätzen, bleibt nur die Wahl, gänzlich auf eine Prognose zu verzichten oder aber mit einer Methode, deren Unzulänglichkeiten der Entscheider sich bewußt macht, zu arbeiten und so zumindest einige wichtige Tendenzen aufzuzeigen. (4) Ein letztes Problemfeld resultiert aus dem historischen Bewußtsein. Im Sinne einer "self-destroying-prophecy" wird der Betrachter schon vor dem Analogieschluß alle Alternativen ausschließen, die sich im originären Bereich als wenig erfolgswirksam erwiesen haben. Da er um die negativen Konsequenzen einer historischen Vorläufersituation weiß, beraubt er sich so jedoch möglicherweise einiger Alternativen, falls sich die Untersuchungsobjekte doch nicht hinreichend ähneln.
D. Militärtheoretisch fundierte Strategien für Herausforderer und Marktführer I. Überblick Der Transfer militärtheoretischer Erkenntnisse auf das Marketing erfolgt in sehr unterschiedlicher Intensität. Zunächst läßt sich feststellen, daß zahlreiche Übertragungen rein terminologischer Art sind. So werden militärische Begriffe in den betriebswirtschaftliehen Sprachgebrauch ohne all zu große Reflexion übernommen, etwa um den eigenen Absichten besonderen Nachdruck zu verleihen. So werden "Preiskriege" geführt, am Markt finden "Invasionen" statt und es werden "Marketing-Waffen" eingesetzt (vgl. Kotler/Singh 1981, S. 31). Solche undifferenzierten sprachlichen Gebräuche spiegeln in besonderer Weise die "Verniedlichung" kriegerischer Erscheinungen wider. So nimmt man - bewußt oder unbewußt - in Kauf, daß sich die gewählte Sprache schließlich im Denken und im Verhalten niederschlägt (vgl. Bloom 1981).
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Entsprechende Zusammenhänge wurden seit jeher im Bereich kriegerischer Propaganda erfolgreich genutzt. Einer Erziehung von Mitarbeitern zu "Marketing-Kampfgruppen" im Unternehmen kann zumindest reserviert gegenübergestanden werden (vgl. Krohn 1987, S. 141, der die gebräuchlich gewordenen militärischen Metaphern bereits als "semantic pollution of the market place" bezeichnet). Daneben existieren jedoch senos gemeinte Ansätze, die sich um eine differenziertere Auseinandersetzung mit der Thematik bemühen. Zunächst erscheint es bedeutsam festzustellen, daß die zu Rate gezogenen militärstrategischen Grundsätze jeweils nur begrenzte Reichweite besitzen, d.h. die Gültigkeit muß vor dem entsprechenden unternehmensspezifischen Hintergrund untersucht werden. Hier zeigt sich besonders deutlich, daß insbesondere stagnierende und schrumpfende Märkte den Einsatz militärischer Regeln begünstigen. Da Zuwächse beim eigenen Unternehmen unter einer derartigen marktliehen Konstellation nur noch bei gleichzeitigen Umsatzverlusten eines Wettbewerbers zu realisieren sind, bildet der Konkurrent das primäre Zielobjekt des eigenen Unternehmerischen Handeins (vgl. Oxenfeldt/Moore 1978, S. 48). Dabei kann sogar der Kunde - entsprechend homogene Bedürfnisbefriedigung vorausgesetzt - in den Hintergrund treten bzw. ggfs. ins Hintertreffen geraten. Kotler/Singh bzw. Kotler/Bliemel unterscheiden deshalb bei ihrer Betrachtung zwischen militärstrategisch abgeleiteten Empfehlungen für Herausforderer und Marktführer.
ll. Angriffsstrategien für Herausforderer Herausforderern empfehlen Kotler/Bliemel eine aggressiv ausgerichtete Vorgehensweise, gilt es doch, dem Marktführer Terrain abzugewinnen. Geleitet vom übergelagerten militärischen Grundsatz der "Konzentration der Kräfte" stehen demnach einem Unternehmen fünf mögliche Angriffsstrategien zur Verfügung (vgl. Kotler/Singh 1981, S. 34; Kotler/Bliemel 1992, S. 370 f.). Eine Illustration der Alternativen bietet Abbildung 1 auf Seite 176. (1) Beim Frontalangriff (frontal attack) richtet ein Unternehmen seine gesammelten Kräfte auf die Stärken des Konkurrenten, wie z.B. dessen Produktqualität oder seinen vorteilhaften Preis. Dies bedeutet ein hohes Risiko und die Bereitstellung erheblicher Ressourcen. Diese Vergehensweise führt jedoch nur dann zum Erfolg, wenn der Angegriffene nicht ad hoc zu kontern versteht, indem er z.B. seine Produktqualität erhöht und/oder den Preis weiter senkt.
(2) Oftmals erfolgversprechender erscheint ein Flankenangriff (flanking attack), insbesondere wenn der Angreifer über weniger umfangreiche Mittel
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verfügt. Dies bedeutet, daß der Angreifer im geographischen oder im zielgruppenspezifischen Sinne Marktlücken entdeckt, die vom Wettbewerber bisher nicht oder nur unzureichend bedient werden. Voraussetzung dafiir ist jedoch eine differenzierte Situationsanalyse, um solche latenten Bedürfnisfelder aufzuspüren. (3) Der Umzingelungsangriff (encirclement attack) bedingt ein Angreifen des Konkurrenten an mehreren Punkten gleichzeitig. So könnte z.B. versucht werden, gleichzeitig in einem geographischen Gebiet des Wettbewerbers den Marktpreis zu unterbieten und in einem anderen Gebiet einer bestimmten Zielgruppe des Konkurrenten ein innovatives Produkt zu offerieren. Auch diese Vorgehensweise bedingt eine Ressourcenüberlegenheit des Angreifers und unterstellt implizit, daß sich der Angegriffene bei einem "Mehrfrontenkrieg" mit Teilerfolgen begnügt.
(4) Flank pos1tioning delcnse
i5) Counteroffensive
DEFENDER
(6) Strateg1c
withdrawal
detense
(2)~
Mob1le defense
j)
Abb. 1: Angriffsstrategien fiir Herausforderer (Quelle: Kotler/Singh 1981, S. 34)
(4) Ein Guerrilla-Angriff (guerrilla attack) eignet sich insbesondere für kleine, kapitalschwache Unternehmen. Von der Vorgehensweise dem Umzingelungsangriff ähnlich, steht jedoch hier die Demoralisierung des Angegriffenen im Vordergrund, um sich so über die Zeit hinweg zunächst selbst zu
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etablieren und später aus einer gestärkten Position heraus weitere Schritte unternehmen zu können. (5) Beim Vorbeiangriff(bypass attack) handelt es sich um die indirekteste Form der Aggression. Hierbei werden keine momentanen Märkte des Wettbewerbers bearbeitet, sondern es wird z.B. versucht, mit Hilfe eines künftigen Technologievorsprungs die existierenden Märkte zu unterwandern. Daneben kann eine Diversifizierung in von Konkurrenten bisher nicht belegte Gebiete und Zielgruppen die Ausgangsbasis des Angreifers für die Zukunft stärken.
m. Verteidigungsstrategien für Marktführer Marktfilhrer stehen täglich vor der Aufgabe, ihre erreichte Stellung gegenüber Herausforderern zu behaupten. Diese potentialorientierte Denkweise hat das Ziel, die Wahrscheinlichkeit eines Angriffes durch Konkurrenten zu verringern oder Attacken auf weniger bedeutsame Bereiche zu lenken. Das übergelagerte militärische Prinzip der "Überraschung" läßt sich durch geschickte, permanente Innovation sicherstellen. Danach stehen Marktführern sechs Verteidigungsstrategien zur Verfügung (vgl. Kotler/Singh 1981, S. 38; Kotler/Bliemel 1992, S. 362-364). Abbildung 2 auf Seite 178 gibt einen Überblick über diese strategischen Optionen. (1) Eine Stellungssicherung (position defense) kann durch das Aufbauen von Eintrittsbarrieren im Hauptmarkt erfolgen. Diese Strategie birgt die Gefahr, daß zuwenig Ressourcen für die Entwicklung neuer Produkte eingesetzt werden und Wettbewerber so durch Innovationen vorbeiziehen können, wenn sich die Bedürfnisse der Verbraucher verändern. (2) Bei der Flankensicherung (flank positioning defense) versucht der Marktführer, Eintrittsbarrieren an Stellen aufzubauen, an denen er bisher noch nicht sehr stark agiert. Dies kann z.B. durch politische Einflußnahme erfolgen, um entsprechende gesetzliche Maßnahmen herbeizuführen. Zwingende Voraussetzung bildet eine präzise Analyse des Bedrohungspotentials der Wettbewerber. (3) Bei der Verteidigung durch Präventivschlag (preemptive defense) muß ein Unternehmen bereit sein, einem möglichen Angriff des Konkurrenten einen Präventivschlag vorauszuschicken. Ein solcher Präventivschlag kann auch rein psychologischer Natur sein, indem z.B. Gerüchte über ein völlig neuartiges Produkt gestreut werden, um Wettbewerber im Vorfeld zu demoralisieren und von einem Einstieg in den eigenen Geschäftsbereich abzuhalten. 12 FS Hörschgen
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(4) Eine Verteidigung durch Großoffensive (counteroffensive defense) bedeutet sicherlich die stärkste Gegenreaktion auf einen Angriff des Wettbewerbers. So kann der Marktführer versuchen, das zentrale Geschäftsfeld des Herausforderers anzugreifen und diesen so zu einer Verteidigung zu zwingen. Letztendlich stellt eine solche Vorgehensweise nichts anderes als einen Frontalangriff dar, wobei lediglich der Auslöser vom Konkurrenten kommt. (5) Bei der mobilen Verteidigung (mobile defense) dehnt der Marktführer seine Aktivitäten auf neue Geschäftsfelder aus, die seine Marktstellung in der Zukunft stärken sollen. Maßnahmen der Marktverbreiterung und -diversifikation finden jedoch ihre Grenzen, wenn dabei gegen andere fundamentale strategische Prinzipien wie die Verfolgung einer klaren Zielvorgabe oder die Konzentration der Kräfte verstoßen wird.
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Abb. 2: Verteidigungsstrategien für Marktfiihrer (Quelle: Kotler/Singh 1981, S. 38)
(6) Die Verteidigung durch Kontraktion und Umgruppierung der Kräfte (strategic withdrawal) meint einen Rückzug aus bisher schwachen Bereichen, um die freiwerdenden Ressourcen im Kerngeschäft zu bündeln und auf diese Weise dort eine noch stärkere Stellung zu erreichen. Nicht Resignation, sondern Konzentration bildet also hierbei die Leitlinie.
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IV. Evaluation
Der oben dargestellte Ansatz weckt mit seiner klaren Sprache sicherlich das Interesse des Betrachters. Dennoch stellt sich die Frage, inwieweit tatsächlich innovative Ideen in ihm stecken. So wird die Einteilung in Strategien für Herausforderer und Marktführer zwar dem Erfordernis nach situativer Betrachtungsweise gerecht, die jeweils zur Verfügung gestellten Handlungsalternativen unterscheiden sich im wesentlichen jedoch nur in der Terminologie von gängigen strategischen Empfehlungen. Die propagierte militärische Denkweise dient somit lediglich als formales Raster, um bekannte Inhalte wie das Agieren über Produktinnovationen, Qualitäts- und Preisaspekte oder strategische Standardstrategien wie Markterweiterung oder -diversifikation neu zuzuordnen. Militärtheoretisch fundierte "Strategische Grundsätze" wie "Überraschung", "Klare Zielvorgabe" oder "Konzentration der Kräfte" werden zwar in die Darstellung eingebunden, jedoch findet keine systematische Hinterfragong der Transferberechtigung statt. Dennoch trägt die bisweilen relativ simple militärische Denklogik möglicherweise dazu bei, marktliehe Konstellationen auf einfache Art und Weise gedanklich zu durchdringen.
E. Eine Checkliste "Strategischer Grundsätze" I. Überblick und Darstellung Eine realistische Einschätzung des Nutzens "Strategischer Grundsätze" für das Marketing benötigt eine systematischere Analyse als im oben dargestellten Ansatz. Unbestritten lassen sich in der Militärtheorie eine überschaubare Anzahl von Prinzipien finden, die sich in der Mehrzahl empirischer Situationen als erfolgsversprechend erwiesen. In der folgenden Tabelle 1 soll - basierend auf einer Untersuchung von Cohen - der Versuch unternommen werden, zentrale, militärtheoretisch fundierte "Strategische Grundsätze" aufzulisten und sie dem betrieblichen Entscheider im Rahmen einer Checkliste als Kontrollkriterien für sein Planen und Entscheiden im Marketing vorzulegen (vgl. Cohen 1986b, S. 16).
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"Strategischer Grundsatz" und betriebliche Interpretation
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Konzentration der Kräfte
Sind die Ressourcen auf den entscheidenden Punkt bzw. auf das Kerngeschäft konzentriert?
Klare Zielsetzung
(1) Wurden fiir das Projekt klare, operationalisierte Ziele formuliert? (2) Sind diese Ziele fiir jede beteiligte AbteilWlg spezifiziert? (3) Werden die Ziele von jeder beteiligten Person verstanden?
Ökonomischer Kräfteeinsatz
Werden die Ressourcen auf zweitrangigen Wld anderen nicht-entscheidenden Gebieten auf dem erforderliehen Minimum gehalten, um dort die gesteckten Ziele noch zu erreichen?
Initiative
Dominiert das Unternehmen das Umfeld Wld den Wettbewerb durch Agieren statt durch Reagieren?
Manövrienahigkeit
Stehen ausreichend Mittel zur Verfiigung, um den gesteckten Zielen Wld der grWldlegenden Strategie gerecht zu werden?
Eindeutige Zuweisung von Verantwortung
Gibt es eine bestimmte Person, der eindeutig die Verantwortung fiir die ErfiillWlg der gestellten Aufgabe zugewiesen ist?
Koordination
(1) Stimmen sich die einzelnen AbteilWlgen ab, um das insgesamt maximale Ergebnis zu erzielen? (2) Profilieren sich nicht einzelne AbteilWlgen auf Kosten von anderen? (3) Wird das Timing der Maßnahmen zwischen den einzelnen AbteilWlgen abgesprochen Wld werden die Maßnahmen in der korrekten Abfolge durchgeführt?
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Sicherheit
(1) W\Uden Vorkehrungen zur Geheimhaltung der Pläne 1md Strategien des Unternehmens getroffen? (2) Sind die Konsequenzen überdacht, die em D\Uchsickern der Pläne an die Konkurrenz hätte?
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Überraschung
Ist der Faktor der Überrasch1mg in die Strategie integriert, so daß eine Reaktion des Wettbewerbs n\U zeitverzögert möglich wird?
Einfachheit
W\Ude die Strategie so simpel formuliert, daß sie jeder Mitarbeiter versteht 1md so aktiv an ihrer Implementierung mitwirken kann?
Flexibilität
(1) Existieren Alternativpläne fiir veränderte Umfeld- 1md Wettbewerbsbeding1mgen? (2) Sind genügend Resso\Ucen fiir Alternativszenarien vorhanden?
Ausweitungsspielräume
(1) Existieren Pläne fiir zusätzliche Maßnahmen nach erfolgreicher Strategieimplementierung? (2) Stehen genügend Resso\Ucen fiir weitere Maß~ nahmen zur ve-'
Tabelle 1: Checkliste "Strategische Gnmdsätze" (in Anlehn1mg an Cohen 1986b, S. 16)
II. Evaluation Die dargestellte Checkliste erhebt sicherlich keinen Anspruch auf vollständige Abbildung aller militärstrategisch und in der Folge marketingstrategisch bedeutsamen Grundsätze. Es darfjedoch nicht aus dem Auge verloren werden, welchem Anspruch ein derartiger Kriterienkatalog genügen kann. "Strategische Grundsätze" sind- schon dem Begriff nach- Basisregeln, deren Verfolgung zwar noch keinen konkreten Erfolg garantiert, deren Nicht-Befolgung jedoch in der Regel negative Konsequenzen nach sich zieht. Für den betrieblichen Entscheider im Marketing bzw. in der Unternehmensführung bedeutet dies, daß die in der Checkliste genannten Grundsätze Min-
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destanforderungen darstellen, deren Befolgung lohnenswert erscheint, ohne die Erfolgswirksamkeit genau quantifizieren zu können.
F. Schlußbetrachtung Die beiden dargestellten Ansätze legen den Schluß nahe, daß ein Unternehmen zwar von militärstrategischem Erfahrungswissen profitieren kann, die Anwendung und Umsetzung jedoch mit einem gehörigen Maß an Spekulation verbunden scheint. Vor dem Aneignen des militärischen Gedankenguts steht deshalb ein systematischer Vergleich der Bezugsobjekte. Militärstrategische Grundsätze wurden aus Erfahrungen von Armeen in realen Kriegen gewonnen, Menschenleben wurden zur Disposition gestellt. Marketing-Strategien werden von Unternehmen im Rahmen der Marktwirtschaft eingesetzt, Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Allein diese dreifache Gegenüberstellung zeigt, unter welchen grundsätzlichen Prämissen ein Wissenstransfer erfolgt. Abschließend wird Unternehmen deshalb folgende Vorgehensweise für die eventuelle Übernahme militärtheoretischer Befunde in ihr Marketing-Planen und -Handeln nahegelegt: In einem ersten Schritt sollte ein Unternehmen die relevanten Bezugsobjekte des Militär- und des Marketing-Bereichs vergleichen. Bei der Gegenüberstellung des Unternehmens mit einer Armee müssen konstituierende Merkmale gefunden werden, die beide Objekte gleichermaßen beschreiben können. Die Marktsituation (z.B. stagnierender oder wachsender Markt) muß mit der militärischen Ausgangssituation konfrontiert werden. Auch ethischmoralische Aspekte sollten nicht ganz aus der Betrachtung ausgeblendet werden. So kann sich ein Unternehmen durchaus die Frage stellen, mit welcher Skrupellosigkeit es bereit ist, sich am Markt durchzusetzen. Anschließend erfolgt in einem zweiten Schritt eine Evaluation über inhaltliche Analogien, wobei vorab eine Mindestanforderung festgelegt werden muß, bis zu welchem Punkt man noch von einer "hinreichenden" Ähnlichkeit der Bezugsobjekte sprechen möchte. Im dritten Schritt erfolgt die Integration der militärstrategischen Befunde in das eigene unternehmerische Planen und Handeln. Sehr deutlich soll hier noch einmal darauf hingewiesen werden, daß vom gepflegten Sprachstil eines Unternehmens nicht nur die genannten Folgen für das interne Denken und Verhalten resultieren, sondern daß mit entsprechenden "markigen Worten" auch eine nicht unbeachtliche Negativpublizität verbunden sein kann.
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Dennoch liegt der Nutzen von militärstrategischem Erfahrungswissen in der Sensibilisierung für die grundlegenden Erfordernisse des Unternehmerischen Handelns. Entwickelt der Marketing-Entscheider darüber hinaus das richtige Gespür für den adäquaten Transfer der Befunde, dann lassen sich die Erkenntnisse nutzbringend im eigenen Unternehmen einsetzen.
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Vierter Teil
Die Nutzung marketing-wissenschaftlicher Erkenntnisse in Nachbardisziplinen
Die Rolle des Marketing im Kontext soziologischer Fragestellungen Von Angelika Hitger
A. Vorbemerkung Marketing als Teil der Wirtschaftswissenschaften und Soziologie als Teil der Sozialwissenschaften gehören zum übergeordneten Konstrukt der Gesellschaftswissenschaften. Da beide Disziplinen sich also mit gesellschaftlichen Phänomenen beschäftigen, sind - trotz unterschiedlichem Blickwinkel - nicht nur Überschneidungen hinsichtlich der Erkenntnisobjekte, sondern auch wechselseitige ,,Bereicherungsprozesse" hinsichtlich angewandter Methoden und inhaltlicher Ergebnisse anzunehmen. Bezugnehmend auf den diesem Sammelwerk zugrundeliegenden InputOutput-Gedanken (siehe hierzu den Beitrag von Froböse/Kaapke) ist jedoch festzustellen, daß bisher Überlegungen zum Bereich des Input, sprich zum Rückgriff des Marketing auf Methoden und Erkenntnisse der Soziologie, überwiegen. 1 Hier ist bspw. an die Anwendung der Methoden der empirischen Sozialforschung bei der Marktforschung oder an die Berücksichtigung soziokultureller Faktoren bei der Marktsegmentierung zu denken (vgl. Wiswede 1983, S. 154 f.; ders. 1991, S. 427). Diese Tatbestände führten schließlich zu neuen, interdisziplinären Forschungsgebieten wie der Markt- bzw. MarketingSoziologie (vgl. Wiswede 1995, Sp. 1815; Specht/Wiswede (Hrsg.) 1976) oder dem Wertemarketing (vgl. Silberer 1995, Sp. 2703 ff.; Tietz 1993, S. 231). Hingegen wurde der Output-Gedanke, d.h. die Berücksichtigung von Methoden oder Erkenntnissen des Marketing im Kontext soziologischer Problemstellungen, bisher nur vereinzelt, bspw. bei der Analyse gesellschaftlicher Aspekte der Wirtschaftswerbung oder des Konsums (vgl. hierzu Möller 1970, Dies gilt hingegen nicht für wechselseitige Austauschprozesse zwischen soziologischen Wld volkswirtschaftlichen Überlegmgen; eine klassische Schnittstelle stellt hier die Wirtschaftssoziologie (mit Vertretern wie Max Weber, Josef Schumpeter oder neuerdings Anhängern der Rational Choice-Schule) dar. Interdisziplinäre ÜberschneidlDlgen bestehen auch zwischen der Soziologie Wld anderen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre, etwa in Form der Betriebssoziologie.
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S. 125 ff.; Wiswede 1991, S. 431 ff.), aufgegriffen. Wiswede nimmt außerdem einzelne Forschungsgebiete des Marketing zum Anlaß, um daraus neue Erkenntnisbereiche für soziologische bzw. sozialwissenschaftliche Fragen abzuleiten (vgl. Wiswede 1976, S. 193 ff.; ders. 1983, S. 151 ff., insb. S. 157). Darüber hinausgehende Transferüberlegungen werden jedoch nicht selten von Vertretern dieser Wissenschaftsdisziplin pauschal abgelehnt (vgl. Kotler/Zaltman 1971, S. 3; Wiswede 1976, S. 195 f.). Output-Überlegungen hinsichtlich des Einflusses von Marketing auf gesellschaftliche Tatbestände wurden bisher primär vom Marketing selbst aufgegriffen (vgl. Fischer-Winkelmann/Rock (Hrsg.) 1976; Hansen 1995, Sp. 618) und schlagen sich in einzelnen Teildisziplinen, bspw. im Social Marketing oder im noch jungen Forschungsbereich des Makro-Marketing, nieder. Letzterer beschäftigt sich auf aggregierter Ebene mit der ,/)eskription und Analyse von Wechselwirkungen zwischen Marketing und Gesellschaft" (Raabe 1995, Sp. 1427). Marketing-Kritiker deuten diese Entwicklungstendenzen zwar als bloßen Opportunismus, sie bringen letztlich aber die gesellschaftliche Verantwortung, derer sich viele Marketing-Wissenschaftler bewußt sind, zum Ausdruck. Daran anknüpfend ist es das Ziel des vorliegenden Beitrags, aus einer soziologischen Perspektive heraus ausgewählte gesellschaftliche lmplikationen des Marketing am Beispiel wirtschaftlicher, sozialer und persönlicher Fragestellungen anzureißen und aufzuzeigen.2 Wenn dabei auch der Output-Gedanke im Mittelpunkt steht, so ist es - aufgrund der aufgezeigten Interdependenz der Erkenntnisobjekte - dennoch unerläßlich, auf eine Input-Sichtweise zurückzugreifen: Um gesellschaftliche Konsequenzen entsprechend der Zielsetzung überhaupt aufzeigen zu können, muß die Analyse des Marketing auch aus soziologischem Blickwinkel erfolgen. Auf den folgenden Überlegungen aufbauend, könnte künftig ein weiterer Transfer (ggf. auch einzelner Aspekte) vom Marketing hin zu soziologischen Fragestellungen erfolgen.
B. Grundlegende Überlegungen I. Zum Marketing Die Marketing-Wissenschaft als einer der zentralen Bereiche der Betriebswirtschaftslehre hat seit ihren Anfangen eine rasante Entwicklung genommen, welche auf mehreren Ebenen stattfand. Zum ersten ist der sukzessive Wandel von der reinen Verkaufskonzeption hin zur Strategischen MarketingKonzeption zu konstatieren (vgl. Hörschgen u.a. 1993, S. 11 ff.). Nach herrGesellschaft wird - wie noch zu zeigen ist - im folgenden als übergeordnetes Konstrukt von wirtschaftlichen, politisch-sozialen und persönlichen Fragen verstanden.
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sehender Meinung stellt (Business-)Marketing heute eine Grundhaltung dar, "( ... ) die durch konsequente Ausrichtung aller unmittelbar und mittelbar den Markt berührenden Entscheidungen an dessen Erfordernissen (Marketing als Maxime) gekennzeichnet ist. Dies soll durch Schaffung von Präferenzen mittels gezielter Maßnahmen (Marketing als Mittel) sowie durch eine systematische, moderne Analysetechniken nutzende Entscheidungsfindung (Marketing als Methode) erreicht werden" (Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 1994, S. 1058, siehe au~h S. 13). Abstrakter formuliert handelt es sich somit sowohl um eine grundlegende, nach innen wie nach außen gerichtete Unternehmerische Denkhaltung3, als auch um eine Managementtechnik, die in Anlehnung an den Entscheidungsorientierten Ansatz der Betriebswirtschaftslehre die aufeinander aufbauenden Schritte Situationsanalyse, Ziel- und Strategienplanung, Maßnahmenplanung, Organisation und Kontrolle urnfaßt (vgl. Hörschgen u.a. 1993, S. 17 ff.; Nieschlag/Dichtl/Hörschgen 1994, S. 870 ff.). Aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive ist Marketing ein zentraler Steuerungsmechanismus marktwirtschaftlicher Systeme (in Anlehnung an Bauer 1995, S. 140 f.), dessen Funktionsfähigkeit von der Erfüllungzweier Voraussetzungen abhängt. Zunächst muß das Gratifikationsprinzip erfüllt sein, d.h. über Marketing können die Beziehungen zur Zielgruppe nur dann im Sinne des Anbieters gestaltet werden, wenn diese hierdurch vermeintlich oder tatsächlich Gratifikationen (Erhalt von Belohnung, Vermeidung von Bestrafung) erlangen - eine Forderung, die in der Markt- und Umfeldorientierung des Marketing Berücksichtigung findet. Außerdem gilt es, das Kapazitätsprinzip zu beachten, welches auf die Abhängigkeit unternehmerischen Handeins von den verfügbaren Ressourcen hinweist und in der Potentialorientierung des Marketing seinen Niederschlag findet (vgl. Raffee 1995, Sp. 1676 ff.). Zum zweiten wurde die ursprüngliche Zielsetzung des kommerziellen Marketing wiederholt kritisch hinterfragt und dessen Grundidee wie auch dessen Methoden auf andere, nicht-kommerzielle Bereiche übertragen (vgl. Bruhn/ Tilmes 1994, S. 17). Da diese Entwicklungslinie mit weitreichenden gesellschaftlichen lmplikationen verbunden ist, wird an dieser Stelle auf eine detailliertere Analyse verzichtet; sie erfolgt in Kap. C. Im Ergebnis führte dies zur Charakterisierung des Marketing als allgemeine, an Eigen- und Fremdinteressen orientierte Sozialtechnik (vgl. Dichtl 1981, S. 249; Nieschlag/DichtV Hörschgen 1994, S. 25), mit deren Hilfe neben den marktliehen auch gänzlich andere Transaktionen gestaltet werden können (vgl. Kotler/ Bliemel 1995, S. 11 ff.; Meffert 1995, Sp. 1473 f.; Raffee 1995, Sp 1674 f.). Kotler/Bliemel und Meffert fordern darüber hinaus eine Weiterentwicklung des bisher aktionsbezogenen Transaktions- hin zum interaktionsbezogenen Beziehungsmarketing. 3
Dies kommt auch in der Charakterisienmg des Marketing als Untemehmensfiihnmgskonzeption zum Ausdruck, vgl. Hörschgen u.a. 1993, S. 17.
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Derartige Überlegungen werden bisher überwiegend im Bereich des kommerziellen Investitionsgütermarketing angestellt (vgl. Bruhn/Bunge 1994, S. 42 ff. ; Gummesson 1987, S. 10 ff.) und greifen im Kern auf das "Exchange Concept" von Bagozzi zurück, welcher bereits Mitte der 70er Jahre Marketing völlig losgelöst von ökonomischen Fragestellungen- als Prozeß der Schaffung und Gestaltung von Austauschbeziehungen verstand (vgl. Bagozzi 1974, S. 77; Meffert/Bruhn 1976, S. 10 f.). ß. Zur Soziologie Im Gegensatz zum Marketing, das trotz mannigfaltiger Entwicklungstendenzen durch die integrierende Klammer einer allgemeinen Denkhaltung, Sozialtechnik und Steuerungsfunktion gekennzeichnet ist, stellt die Soziologie als Lehre von der Gesellschaft ein weitaus heterogeneres Feld dar. Es existiert eine Vielzahl an Schulen (etwa Systemtheoretische Ansätze, Theorie des Symbolischen Interaktionismus, Historische Schule; vgl. z.B. Eberle/Maindok 1994), die jeweils einen spezifischen, stellenweise ,,ideologischen" Blickwinkel einnehmen. Eine ähnlich kontinuierliche Entwicklung oder gar konsistente Integration einzelner Teilbereiche in eine von einer herrschenden Meinung anerkannte Gesamtsicht wie im Marketing ist hier nicht gegeben. Die folgenden Überlegungen greifen daher lediglich auf Einzelaspekte ausgewählter Denkrichtungen zurück. Die einzelnen Schulen der Soziologie setzen sich u.a. mit Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts, der gesellschaftlichen Institutionen sowie der Wechselwirkungen zwischen Individuum und Gesellschaft auseinander (vgl. Reimann 1994, S. 624), wobei die Auffassungen darüber, wie Gesellschaft zu definieren ist, durchaus auseinanderfallen: Gesellschaft wird zum ersten als Personenmehrheit mit bestimmten Merkmalen (z.B. gemeinsamen Wertvorstellungen), zum zweiten als struktureller Rahmen des Zusammenlebens von Menschen (z.B. in Form von Organisationen oder Institutionen) und zum dritten als soziales System mit einzelnen, zueinander in Wechselbeziehung stehenden Teilelementen verstanden. Trotz unterschiedlichster Standpunkte beschäftigt sich die Soziologie inhaltlich immer mit sozialem Verhalten bzw. Handeln und/oder mit sozialen Strukturen bzw. Gebilden (vgl. Wiswede 1991, S. 19 f.). Somit spielen gesellschaftliche Wertvorstellungen (und daraus abgeleitete Normen) als wesentliche Bestimmungsgründe des sozialen Verhaltens eine zentrale Rolle in der Soziologie. Werte, verstanden als handlungsbezogene Konzeptionen des Wünschenswerten, werden den Gesellschaftsmitgliedern im Rahmen von Sozialisationsprozessen vermittelt und von diesen internalisiert. Sie bestimmen dann das Handeln von Individuen und Institutionen in der
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Gesellschaft und tragen so zur Stabilität der Gesellschaft bei (vgl. Friedrichs 1994a, S. 739; Wiswede 1991, S. 42). Kennzeichnend fiir viele westliche Industrienationen ist ein Wertewandel mit unterschiedlichen Entwicklungstendenzen (vgl. zu den folgenden Überlegungen Macharzina/Wolf!Döbler 1992, S. 7 ff.): Zunächst ist in demokratischen Systemen generell ein Wertepluralismus festzustellen (vgl. Wiedmann 1989, S. 233), d.h. innerhalb einer Gesellschaft bestehen an sich widersprüchliche Wertvorstellungen parallel nebeneinander (vgl. Friedrichs 1994b, S. 741). Diese These vertritt insbesondere Klages, der die gleichzeitige Gültigkeit von traditionellen Pflicht- und Akzeptanzwerten einerseits und neuen Selbstentfaltungswerten andererseits postuliert, allerdings bei zunehmender Bedeutung der Selbstentfaltungswerte (vgl. Klages 1984; Macharzina!Wolf!Döbler 1992, S. 12 f.). Andere Autoren, insbesondere Noelle-Neumann betonen die abnehmende Verbindlichkeit von Wertvorstellungen - häufig auch als Werteverfall bezeichnet. Sie gehen von der sinkenden Bedeutung der Pflicht- und Akzeptanzwerte aus, ohne daß andere Wertorientierungen diese ersetzen (vgl. Macharzina/Wolf!Döbler 1992, S. 10 :ff.; Noelle-Neumann 1978). Schließlich postuliert Inglehart die zunehmende Verdrängung (Wertesubstitution) materieller Werte wie Wirtschaftswachstum durch postmaterielle Werte wie Lebensqualität, Natur- und Umweltschutz (vgl. Inglehart 1989; Macharzina/Wolf!Döbler 1992, S. 9 f.; Reinold 1992, S. 422). Aufinhaltlicher Ebene gelten die folgenden Werte als "typisch deutsch": Ehe und Familie stellen wünschenswerte Lebensformen dar, wobei gleichzeitig eine individualistisch geprägte, dosierte Bindungsbereitschaft vorherrscht. Wie im privaten, so dominieren auch im beruflichen Bereich zunehmend Selbstentfaltungswerte gegenüber den traditionellen Pflicht- und Akzeptanzwerten. Neben demokratischen Wertmaßstäben wie Partnerschaftlichkeit und Partizipation haben die Werte Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz sowie Arbeitsplatzschaffung und -erhaltung in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen (vgl. Pross 1982, S. 69 ff. ; Wiedmann 1989, S. 231). Fragestellungen zu sozialen Strukturen bzw. Gebilden werden bspw. von den Vertretern systemtheoretischer Überlegungen aufgegriffen. Diese verstehen Gesellschaft als ein komplexes, aus mehreren, relativ autonomen Subsystemen bestehendes Gesamtsystem, dessen integrierende Klammer die von den Gesellschaftsmitgliedern getragenen Werte bilden. Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist die Annahme der zunehmend funktionalen Differenzierung moderner Gesellschaften: Danach übernimmt jedes Teilsystem bestimmte gesellschaftliche Funktionen, die überwiegend von diesem System erfiillt werden, jedoch immer in Abhängigkeit von anderen Teilsystemen und von der gesamten Gesellschaft zu sehen sind. Zu den wichtigsten Teilsystemen der industriellen Gesellschaft gehören das ökonomische, das politische und das Erziehungssystem, die im Idealfall alle drei gleichberechtigt sind (vgl. Hartfiel 1973, S. 9 ff.; Hurrelmann 1975, S. 43 f.; Luhmann 1984, S. 137 ff.). Im Zentrum des Erkenntnisinteresses steht dann der Beitrag einzelner Elemente eines
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solchen Subsystems zum Funktionieren desselben. Auf einer nächsten Aggregationsebene wird der Frage nachgegangen, inwieweit das Subsystem selbst zur Funktionsfahigkeit der Gesamtgesellschaft beiträgt (vgl. Parsons 1986; Parsons/Smelser 1984; Ronge 1992, S. 605 ff.; Wiswede 1983, S. 158 f.).4
m. Zur weiteren Vorgehensweise Die folgende Analyse untersucht unter Berücksichtigung der zuvor vorgestellten Aspekte des Marketing und der Soziologie, welche Rolle Marketing in der Gesellschaft - und zwar im Zusammenhang mit wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Fragen - spielt. Ausgangspunkt hierfür ist folgendes, systemtheoretischen Überlegungen entlehntes Verständnis von Gesellschaft:
-.werte
Wirtschaftssystem
politischsoziales System
Privatsphäre/ Sozialisationssystem
Abb. 1: Die Gesellschaft \Dld wichtige Teilsysteme ( in Anlehn\Dlg an Hurrelmann 1975, s. 44)
4
AufEinzelheiten zu den beiden systemtheoretischen HauptrichtwJ.gen, der strukturell-fimktionalen (Parsons) \Dld der fimktional-strukturellen (Luhmann) Theorie sowie auf Unterschiede zwischen diesen kann hier nicht eingegangen werden. Weiterhin lehnen sich die folgenden Aussagen insbesondere an die Theorie offener Systeme an.
Die Rolle des Marketing im Kontext soziologischer Fragestellungen
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Die von den Gesellschaftsmitgliedern geteilten Wertvorstellungen bestimmen einerseits die Handlungen von Vertretern der Subsysteme und werden andererseits von diesen mitgeprägt (in Anlehnung an Wienold 1994, S. 236; Luhmann 1994, S. 236; s. auch Beilmann 1995, S. 63). Die nachfolgenden Überlegungen betrachten sukzessive das Subsystem Wirtschaft, das aus erwerbswirtschaftlichen Organisationen besteht, das politisch-soziale System, zu dem in der Bundesrepublik als demokratischem und sozialem Rechtsstaat auch soziale Organisationen zählen, und das Sozialisationssystem, welchem u.a. die Familie bzw. die Privatsphäre insgesamt zuzurechnen ist. Bezogen auf jedes Subsystem wird sodann folgenden Fragen nachgegangen: 1) Welchen Beitrag leistet Marketing als Steuerungsmechanismus innerhalb des Subsystems zu dessen Funktionsfähigkeit? und 2) Welchen Beitrag erbringt Marketing bei der Gestaltung von Austauschbeziehungen zu anderen Subsystemen? Aus beiden Aspekten resultiert dann die Bedeutung des Marketing fiir die gesamtgesellschaftliche Stabilität. Diese Ausfiihrungen greifen somit zentrale Überlegungen des MakroMarketing hinsichtlich der wechselseitigen Implikationen von Marketing und Gesellschaft auf. Hierbei wird jedoch im Gegensatz zur üblichen Sichtweise des Makro-Marketing nicht nur eine gesamtgesellschaftliche, sondern auch eine organisationale bzw. individuelle Perspektive eingenommen; außerdem werden das Non-Profit- sowie das Marketing im privaten Bereich gerade nicht ausgeklammert (vgl. Raabe 1995, Sp. 1429 f.).
C. Funktionen des Marketing in der Gesellschaft I. Marketing im Kontext wirtschaftlicher Fragen und daraus ableitbare gesellschaftliche lmplikationen 1. Entwicklungstendenzen des Marketing im erwerbswirtschaftlichen Bereich
Im Zusammenhang mit den oben angesprochenen Dimensionen des Wertewandels veränderten sich auch die gesellschaftlichen Erwartungen an unternehmerisches Handeln (vgl. Meffert/Bruhn 1976, S. 6; Wiedmann 1989, S. 232). Dieses mußte zunehmend der Forderung " Übernahme von gesellschaftlicher Verantwortung" gerecht werden (vgl. Buß 1983, S. 24 ff.), die zwei Aspekte umfaßt: verantwortungsbewußtes wirtschaftliches Handeln und Engagement in außerökonomischen Bereichen. Die Marketing-Wissenschaft hat diese Entwicklungstendenzen aufgegriffen und mit dem Stichwort ,.,Deepening the Concept of Marketing" (vgl. Enis 1973, S. 57 ff.) umrissen - ein Prozeß, der in mehreren Stufen verlief: Zunächst bildete sich das Human Concept ofMarketing heraus, das erstmals eine 13 FS Hörschgen
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humanere Unternehmenspolitik und die Übernahme sozialer Verantwortung durch Unternehmen forderte (vgl. Dawson 1969, S. 29 :ff.; Bruhnffilmes 1994, S. 17). Neuere Entwicklungen in diesem Bereich sind u.a. Überlegungen zum ThemaMarketing und Ethik (vgl. Hansen 1988, S. 711 f.; dies. 1995, Sp. 618 f.) sowie zum Gesellschaftsorientierten Marketing (vgl. Fässler 1989; Wiedmann 1989, S. 227 :ff.; s. auch Me:ffert 1995, Sp. 1476). Die Marketing-Ethik befaßt sich mit der Verantwortung des Marketing für seine wirtschaftlichen und außerwirtschaftlichen Folgen, etwa im Zusammenhang mit ökologischen Problemen oder Verbraucherfragen (vgl. Hansen 1995, Sp. 615; Nieschlag/ Dichtl/Hörschgen 1994, S. 63 :ff.). Anliegen des Gesellschaftsorientierten Marketing ist es, aufgrund aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen über eine Reorientierung der bisherigen Strategischen Marketing-Konzeption nachzudenken (vgl. Wiedmann 1989, S. 228). Gemeinsam ist diesen Konzepten die zunehmende Einbindung von Einflußfaktoren der Gesellschaft bzw. anderer gesellschaftlicher Subsysteme, wie sie nicht nur in der Markt-, sondern auch in der Umfeldorientierung des Strategischen Marketing (vgl. Hörschgen u.a. 1993, S. 16) zum Ausdruck kommt- ein heute nicht in Frage zu stellendes Tatbestandsmerkmal des Marketing.
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Wirtschaftssystem Marketing als Steuerungsprrrucip von Markt-
politischsoziales System
Sichenmg des materiellen Substrats
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Privatsphäre/ Sozialisationssystem
transakti.onen gesellschaftliche Erwartungen
Abb. 2: Funktionen des im wirtschaftlichen Kontext angesiedelten Marketing (in Anlehnung an Hurrelmann 1975, S. 44)
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Die Entwicklung des Marketing im Business-Kontext ist somit durch die zunehmend verbreitete Sichtweise geprägt, Marketing nicht nur als Funktionselement des Subsystems Wirtschaft, sondern auch als subsystemübergreifenden Gestaltungsmechanismus innerhalb des Gesamtsystems Gesellschaft zu verstehen. Dies kommt in Abbildung 2 zum Ausdruck; sie bildet gleichzeitig die Grundlage für die folgenden Überlegungen. 2. Systeminterne Funktionen
Marketing stellt als Denkhaltung und Managementtechnik ein Steuerungsprinzip marktwirtschaftlicher Systeme dar, dessen systeminterne Aufgabe in der Gestaltung von Marktprozessen liegt, über die erwerbswirtschaftliche Anbieter ihre Produkte oder Dienstleistungen abzusetzen und Nachfrager ihre Bedürfnisse zu befriedigen wünschen (vgl. Raffee 1995, Sp. 1675). Die einzelnen Marktteilnehmer setzen Marketing jedoch in höchst unterschiedlichem Ausmaß bzw. mit höchst unterschiedlicher Professionalität ein. Viele Konsum- und Investitionsgüterhersteller wie auch Dienstleistungsanbieter und Absatzmittler machen hiervon umfassenden Gebrauch, für Absatzhelfer trifft dies in geringerem Ausmaß zu. Das "Schlußlicht" bilden die privaten Nachfrager, die im Zuge des Beziehungsmanagement zwar zunehmend in Marketing-Prozesse auf der Anbieterseite einbezogen werden (vgl. Gummesson 1987, S. 13f.), bei ihren eigenen Kaufentscheidungen aber allenfalls unbewußt und in begrenztem Umfang die einzelnen Phasen des entscheidungsorientierten Marketing-Management-Prozesses durchlaufen. Da sie zu einer elaborierteren Anwendung nicht in der Lage oder nicht bereit sind, ergänzen spezifische Einrichtungen wie Warentestinstitute oder Verbraucherschutzverbände diese Aufgabe (vgl. Nieschlag!Dichtl/Hörschgen 1994, S. 63 und 67 ff.). Die systeminterne Bewertung des Marketing bemißt sich daran, ob Marketing die Marktteilnehmer zu verantwortungsbewußtem, sprich marktorientiertem wirtschaftlichen Handeln veranlaßt und so zum Funktionieren der Marktwirtschaft beiträgt.' Diese Frage wird von Bauer bei einer Analyse der Marketing-Kritik bejaht (vgl. Bauer 1995, S. 140 ff.). Dem ist dann zuzustimmen, wenn Marketing dazu führt, daß die Marktteilnehmer ihre Zielvorstellungen im Rahmen der marktliehen Transaktionen erreichen können. Im einzelnen bedeutet dies, daß die Existenzen von Unternehmen und Marktpartnern gesichert sind und Profite erwirtschaftet werden, daß Wettbewerb erhalten bleibt, Marktmacht nicht ausgenutzt wird und daß die Nachfrager ihre
Da diese Frage bereits Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Diskussionen war, soll sie hier nur kurz behandelt werden, vgl. ansonsten Bauer 1995, S.l37 ff. und die dortigen Literaturhinweise.
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materiellen wie immateriellen Bedürfnisse befriedigen können, ohne von anderen Marktteilnehmern übervorteilt zu werden.
3. Systemübergreifende Funkhonen Gegenstand der folgenden Betrachtung sind außerökonomische Sekundärwirkungen für die beiden anderen Subsysteme, die sich als Konsequenzen des Einsatzes von Marketing im wirtschaftlichen Kontext ergeben. Aus dem gesamten Marketing-Management-Prozeß wird hierfür die Maßnahmenplanung und -realisierung, insbesondere die Produkt- und die Kommunikationspolitik, herausgegriffen, da die hier durchgeführten Aktivitäten nicht nur Marktprozesse gestalten, sondern auch systemübergreifende Implikationen hervorrufen (in Anlehnung an Bauer 1995, S. 150; Möller 1970, S. 133). Folgewirkungen des Marketing für den privaten Bereich ergeben sich insbesondere über die Produktpolitik i.e.S. 6 und über die Werbung. Produktneuentwicklungen im Informations- und Kommunikations- oder im Kosmetikund Pflegebereich prägen bspw. über die reine Bedürfnisbefriedigung hinaus sowohl Lebensrealität als auch Lebensqualität mit - erinnert sei hier nur an Schlagworte wie "virtual reality" und ,,Iifestyle". Neben den Produkten selbst gehen diese Einflußfaktoren insbesondere von der Werbung aus, die nicht nur den reinen Problemlösungsbeitrag des Produktes aufzeigt, sondern darüber hinaus Alltagssituationen aufgreift und den Zuschauern - häufig in abgewandelter oder pointierter Form- vorführt. Werbung vermittelt den Zeitgeist oder ein (konsumbestimmtes) Lebensgefühl und beeinflußt die Gestaltung der Freizeit (in Anlehnung an Möller 1970, S. 125 ff.): Das möglichst schnelle Erraten des beworbenen Produktes oder das Sehen von Werbespots aus Unterhaltungsgründen (wie bei der Cannes-Rolle) zeigen dies. 7 Die Kehrseite dieser Entwicklung besteht demgegenüber in einer u.U. zunehmenden Entfernung von der Realität bzw. im Aufbau von Scheinwelten (vgl. Meyer/Koller 1971, S. 389, 395; Möller 1970, S. 128). Weiterhin nimmt Werbung auf bestehende gesellschaftliche Wertvorstellungen wie Sicherheit, Gesundheit oder Familienharmonie Bezug, modifiziert oder unterstützt diese (in Anlehnung an Kotler/Bliemel 1995, S. 8) und vermittelt sie an die Gesellschaft zurück, ohne daß diese Werte in direktem Zusammenhang mit dem Werbeobjekt stehen müssen. Der Werbung kommt somit eine wertverstärkende Funktion zu (vgl. Möller 1970, S. 127, 131), die Ergänzt durch Produktelemente mit kommunikativen Aufgaben wie Verpackung oder Markierung Zu denken wäre hier auch an andere Marketing-Maßnahmen wie ErlebniskaufKonzepte, Event-Marketing etc.
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zum Wertewandel beiträgt: Werbespots für den "General" oder ,,Meister Proper" setzen bspw. auf Pflicht- und Akzeptanzwerte, die für die "Joghurette" oder ,,Du darfst" auf Selbstentfaltungswerte. Somit stellt Werbung eine Sozialisationsinstanz moderner Gesellschaften dar (vgl. Hermanns 1972, S. 30 :ff.), die über die Privatsphäre zunehmend in die Primärsozialisation eingreift aktuelle Beispiele wie spezifische Werbespots im Kinderkanal oder in kinderorientierten Programmzeitschriften belegen dies einmal mehr. Folgen hiervon sind bspw. differenziertestes Markenwissen und spezifische Markenpräferenzen von Kindern (vgl. Ehapa (Hrsg.) 1992, S. 9). Der Einfluß des Marketing auf den politisch-sozialen Bereich wird am Beispiel des Sozio-Sponsoring deutlich. Dieses basiert auf einem wechselseitigen Leistungsverhältnis zwischen Sponsor und Gesponsertem. Ein erwerbswirtschaftliches Unternehmen, welches als Sponsor tätig wird, verfolgt in erster Linie das Ziel, ein für die Markttransaktionen förderliches Image aufzubauen, und überläßt im Gegenzug dem Gesponsorten Finanz-, Sachmittel oder Dienstleistungen (vgl. Bruhn 1991, S. 287 :ff.). Über die wirtschaftliche Primärwirkung hinaus wird nicht nur Einfluß auf die Freizeitgestaltung genommen (vgl. Bruhn 1995, Sp. 2352), sondern werden soziale Einrichtungen zur Lösung sozialer Probleme befähigt, indem sie direkt oder über Stiftungen finanzielle Unterstützung finden, Unternehmensleistungen in Form von Spenden erhalten (z.B. Fahrzeuge, Hard- und Software) oder indem Unternehmen zur Realisierung von Veranstaltungen und Aktionen beitragen (z.B. Wohltätigkeitskonzerte, Trimm-Dich-Kampagne; vgl. Bruhn 1991, S. 305 :ff.). Die Bewertung des Beitrages, den Marketing als Instrument zur Gestaltung der Außenbeziehungen des Subsystems Wirtschaft im Zusammenhang mit außerökonomischen Fragestellungen leistet, bemißt sich an seinem Beitrag zur Funktionsfahigkeit anderer Subsysteme und so zur Stabilität der Gesellschaft insgesamt. Dieser Beitrag ist in quantitativer Hinsicht (wie aufgezeigt) zweifelsohne bereits beachtlich und läßt sich u.a. am prognostizierten Wachstumspotential des Sozio-Sponsoring (vgl. Bruhn 1995, Sp. 2347), insbesondere aber an den rasant in die Höhe geschnellten Werbeausgaben und -minuten (vgl. ZDF-Zeitschriftenreihe 1994, S. 12 :ff.) bemessen. Eine qualitative und somit normative Bewertung fällt hingegen schwerer: Die primäre Aufgabe der Wirtschaft gegenüber dem Sozialisationssystem besteht in der "Sicherung des materiellen Substrats" (Hurrelmann 1975, S. 44; vgl. auch Abbildung 2), welche bei Vorliegen eines Beitrags des Marketing zur Funktionserfüllung innerhalb des Subsystems Wirtschaft vorausgesetzt werden darf. Darüber hinaus nimmt Marketing jedoch Einfluß auf Sozialisationsprozesse und Lebensgestaltung. Dies ist insofern legitim, als beide Subsysteme durch übergeordnete gesellschaftliche Werte miteinander verbunden sind und insofern positiv, als Wertvorstellungen und Lebenskonzeptionen auf
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diese Weise vermittelt bzw. verankert werden- was letztlich einem Werteverfall entgegenwirkt. Da Werte jedoch selektiv bzw. relativ unverbindlich vorgeführt werden, sind auch negative Konsequenzen denkbar, die die außerökonomischen Subsysteme auffangen müssen. So verstärken einzelne Werbespots gesellschaftliche Idealvorstellungen wie Gesundheit oder Jugend(lichheit), tragen dadurch aber zur Ausgrenzung gesellschaftlicher Randgruppen wie Kranker oder Alter bei - Probleme, die in den Funktionsbereich des politischsozialen Systems fallen.• Als weiteres Beispiel wäre hier die Rolle der Frau, wie sie von der Werbung definiert wird, zu nennen. Frauen werden bspw. als liebende, umsorgende Hausfrau und Mutter, als selbstbestimmte Karrieretypen oder als vollkommenes Schönheits- und Sexsymbol dargestellt, was weder der Rollendefinition in der Realität noch der hier gegebenen Rollenpluralität gerecht wird. Die Aufgabe des Wirtschaftssystems gegenüber dem politisch-sozialen System besteht in der Bereitstellung finanzieller Werte; sie wird nicht nur über Steuern und Abgaben, sondern im Zusammenhang mit Marketing bspw. auch über Sponsoring-Aktivitäten erfüllt. Angesichts des Pflegenotstands und der Kürzung staatlicher Mittel sind Institutionen des sozialen Bereichs zunehmend auf derartige Unterstützungsleistungen angewiesen, werden von diesen aber auch immer abhängiger. Können sie keinen aus Unternehmenssicht befriedigenden Beitrag zur Kommunikationspolitik leisten, ist eine Einschränkung oder gar Beendigung der Förderung die Folge (vgl. o.V. 1996, S. 19). II. Marketing im Kontext politisch-sozialer Fragen und daraus ableitbare gesellschaftliche lmplikationen 1. Entwicklungstendenzen des Marketing im Non-Profit-Bereich
Die erfolgreiche Implementierung von Marketing im erwerbswirtschaftlichen Bereich führte Ende der 60er Jahre zu ersten Bestrebungen, Marketing auf Non-Business-Organisationen zu übertragen. Diese heute gemeinhin als Broadening the Concept of Marketing (vgl. Kotler/Levy 1969, S. 10 ff.) bezeichneten Überlegungen waren in der Wissenschaft zunächst heftig umstritten (vgl. Fox/Kotler 1980, S. 30; Meffert/Bruhn 1976, S. 20); ebenso lehnten die Vertreter von Non-Business-Institutionen eine Übernahme wirtschaftlichen Gedankenguts strikt ab (in Anlehnung an Wiedmann!Raffee 1995, Sp. 2304). Da sich Non-Profit-Organisationen jedoch mit ähnlichen Problemen konfrontiert sehen wie erwerbswirtschaftliche Unternehmen (vgl. Kotler/Levy 1969, Hierzu gibt es jedoch auch Gegenbeispiele wie die Benetton-W erbwtg, die bei aller Umstrittenheit - gerade auf soziale Probleme aufmerksam machen möchte.
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S. 11 ff.; Raffee/Wiedmann 1995, Sp. 1931 f .) und nicht zuletzt aufgrundder wiederholt gelungenen Anwendung von Marketing im nicht-kommerziellen Bereich sind derlei Bedenken in der Wissenschaft heute überwunden (vgl. stellvertretend Bruhn!I'ilmes 1994, S. 19 ff.; Raffee/Fritz/Wiedmann 1994) und klingen bei den ,,Praktikern" zunehmend ab (in Anlehnung an Wiedmann/Raffee 1995, S. 2307). Non-Business- oder Non-Profit-Marketing gliedert sich in zwei wesentliche Teilbereiche (vgl. Bruhn!I'ilmes 1994, S. 38): in das Marketing der Öffentlichen Hand, dessen Träger öffentliche Unternehmen, öffentliche Vereinigungen und öffentliche Verwaltungen sind (vgl. Raffee/Fritz/Wiedmann 1994, S. 19 ff.), sowie in das Social Marketing, welches bspw. politische, kulturelle oder religiöse Institutionen bzw. gemeinnützige Stiftungen und Aktionen betreiben (vgl. Bruhn!I'ilmes 1994, S. 19, 38). 9 gesellsdtaftlidte Etwartungen
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Politisch-soziales System Marketing als Steuenm.gsm.echanism.us zur Bearbeitung sozialer Aufgaben
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Abb. 3: Flmktionen des im politisch-sozialen Kontext angesiedelten Marketing (in Anlehnlmg an Hurrelmann 1975, S. 44) Andere Autoren verstehen Social Marketing generell als Marketing fiir soziale Ziele lUld Ideen, liDabhängig davon, ob dies kommerzielle Unternehmen (z.B. im Rahmen von Sponsoring-Aktivitäten), nicht-kommerzielle Organisationen oder sonstige Institutionen realisieren (vgl. Raffee/Fritz!Wiedmann 1994, S. 37).
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Im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen zum politisch-sozialen System stehen sozialen Fragen, mit denen staatliche Institutionen, insbesondere aber soziale Organisationen befaßt sind. Anders als im erwerbswirtschaftlichen Bereich werden Einrichtungen des politisch-sozialen Subsystems traditionell als Träger gesellschaftlicher Verantwortung angesehen, da die Lösung sozialer Probleme eher im Zusammenhang mit systemübergreifenden Aufgaben bzw. mit gesamtgesellschaftlicher Stabilität gesehen wird. Abbildung 3 zeigt unter Vorgriff auf die folgenden Überlegungen Funktionen des Marketing innerhalb und außerhalb des politisch-sozialen Systems auf. 2. Systeminterne Funktionen
Marketing als Denkhaltung und Sozialtechnik ist im Rahmen sozialer Fragestellungen dann einsetzbar, wenn es eine Steuerungsfunktion beim Austausch bzw. bei der Vermarktung von sozialen Gütern, Dienstleistungen und Ideen übernehmen kann (Anbieterseite) und so direkt oder indirekt zur Lösung sozialer Aufgaben beiträgt (Nachfragerseite) (in Anlehnung an Bruhntrilmes 1994, S. 19, 23). In diesem Fall sehen sich soziale Organisationen mit ähnlichen Beschaffungs-, Erstellungs-, Finanzierungs-, Personal- und Absatz- bzw. Vermarktungsaufgaben konfrontiert wie erwerbswirtschaftliche Unternehmen (vgl. Kotler/Levy 1969, S. 11 ff.). Akute soziale Fragen stellen entweder verhaltensbedingte Probleme wie Kriminalität, Sucht, Umweltverschmutzung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit oder versorgungsbedingte Probleme wie Arbeitslosigkeit, Pflegenotstand, fehlende Unterkünfte für Obdachlose, Aussiedler und Asylanten dar. Diese Trennung ist jedoch idealtypisch, wie sich am Thema Asyl, das hier beispielhaft für das politisch-soziale System herangezogen werden soll, zeigt: Die Asylproblematik ergibt sich zum einen aus Ängsten, Mißtrauen oder Unwissenheit einzelner Bevölkerungsteile gegenüber Asylanten, zum anderen aus der Notwendigkeit, für letztere finanzielle und sachliche Mittel bzw. Dienste bereitzustellen, was sich wiederum auf Emotionen und Verhalten der einheimischen Bevölkerung auswirkt (vgl. Wiedmann!Raffee 1995, Sp. 2300). Demnach weist die Asylproblematik zweierlei Facetten auf: zum einen eine materielle Versorgungskomponente (Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen für die Asylsuchenden), zum anderen eine immaterielle bzw. informelle Verhaltenskomponente (Bereitstellung von Informationen über die Problematik sowie Veränderung von Handlungsweisen). Es stellt sich also die Frage, ob Marketing im Sinne eines Produkt- bzw. Dienstleistungs- und Ideenmarketing einen Beitrag zur systeminternen Funktionserfüllung leistet. Soziale Organisationen können die Asylfrage mit Hilfe von Marketing dann bearbeiten, wenn diese über marktähnliche Transaktionsprozesse gelöst werden kann bzw. muß (die nachstehenden Überlegungen erfolgen in Anlehnung
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an Hörschgen u.a. 1993, S. 23 ff.). Sozio-Organisationen müssen hier dem Kapazitätsprinzip Rechnung tragen, da der eigene Problemlösungsbeitrag von den eigenen Potentialen abhängt. Neben der organisationsspezifischen Kultur und Philosophie (z.B. ,,Nachsichtige Nächstenliebe" oder ,,Knallharte Interessenvertretung" als grundlegende Handlungsmaxime) hängen diese u.a. davon ab, ob es sich um eine Selbsthilfeorganisation (z.B. Initiative von Asylsuchenden), um eine Mitgliedervertretung (z.B. eingetragener Verein in- und ausländischer Mitbürger) oder um eine Fremdorganisation (z.B. Rotes Kreuz) handelt (in Anlehnung an Wiedmann!Raffee 1995, Sp. 2301 ff.). Über die Organisationsform sind ebenfalls Quantität und Qualität der personellen Ressourcen (z.B. ehrenamtliche vs. professionelle Tätigkeit, Know-how über die Problematik in den Herkunftsländem) sowie die verfügbaren Finanz- und Sachmittel (z.B. Bedarfsgüter, Büroausstattung) bestimmt. Aufgrund einer Vielzahl von Einflußfaktoren und -gruppen sowie der hierdurch hervorgerufenen Problemkomplexität ist eine Lösung der Asylfrage nur bei Beachtung des Gratifikationsprinzips möglich. Danach müssen alle anderen Teilnehmer am Transaktionsprozeß bzw. deren Interessen Berücksichtigung finden. Hierzu zählen in erster Linie die Asylsuchenden selbst, deren materielle Bedürfnisse zu befriedigen und die in die Gesellschaft zu integrieren sind. Transaktionspartner sind außerdem andere bedürftige Bevölkerungsgruppen wie Aussiedler oder Obdachlose, die durch die Asylanten eine verminderte Befriedigung eigener Bedürfnisse befürchten, sowie Bevölkerungsteile, die den Asylanten möglicherweise generell kritisch gegenüberstehen, z.B. nationalistisch Gesinnte. Die Ziele sämtlicher Transaktionspartner bzw. die rationalen und emotionalen Ursachen ihres Handeins zu ergründen, ist für die Lösung des Asylproblems elementar (vgl. Wiedmann!Raffee 1995, Sp. 2304 f.). Weiterhin hängt die Bewältigung des Asylproblems auch von anderen Institutionen wie den politischen Parteien (z.B. genereller Standpunkt gegenüber der Aufnahme von Asylsuchenden), dem Gesetzgeber (z.B. Asylkompromiß), den Gerichten (z.B. Grundsatzurteil über die Zulässigkeit von Abschiebungen), staatlichen Behörden (z.B. Zuteilung von Asylunterkünften) und Geld- oder Sachmittel-Spendern bzw. Sponsoren10 sowie nicht zuletzt von den Aktivitäten konkurrierender sozialer Institutionen ab. Schließlich spielen gesamtgesellschaftliche Wertvorstellungen (z.B. die vom Sozialisationssystem vermittelte Einstellung gegenüber Fremden) und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung (z.B. Bedürfnisbefriedigung durch das Subsystem Wirtschaft) eine Rolle. Ähnlich wie im kommerziellen Marketing ergibt sich somit auch hier die Notwendigkeit einer Potential-, Markt- und Umfeldorientierung sozialer Organisationen, d.h. die Forderung nach einer Situationsanalyse. 10
Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit des Beschaffimgsmarketing; dieser Aspekt wird im folgenden jedoch nicht weiter verfolgt, vgl. Wiedmann!Raffee 1995, Sp. 2305 f
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Besteht die Aufgabe einer sozialen Organisation darin, zur Lösung der Asylproblematik beizutragen, so ergibt sich hieraus eine Vielzahl an Einzelaufgaben (die nachstehenden Ausführungen erfolgen in Anlehnung an Bruhn!Tilmes 1994, S. 52 ff.). Neben der materiellen Versorgung der Asylsuchenden bestehen insbesondere verhaltensorientierte Aufgaben: Die SozioInstitution muß die Asylanten über das Aufnahmeland und einzelne einheimische Bevölkerungsgruppen über die Situation im Heimatland der Asylsuchenden informieren, die Asylanten mit den Umgangsformen im Aufnahmeland vertraut machen und einzelne Bevölkerungsgruppen zum Unterlassen von Gewalt bewegen, den Asylanten Wertvorstellungen des Aufnahmelandes näherbringen und bei ausgewählten Bevölkerungsgruppen Rassismus bzw. Fremdenfeindlichkeit abbauen. In Analogie zum kommerziellen Marketing erscheint also auch hier eine Zielplanung sinnvoll, wobei Sachziele dominieren wie die Herbeiführung von kognitiven Änderungen (z.B. Informieren kritisch eingestellter Bevölkerungsgruppen, um die Asyl-Diskussion zu versachlichen), von handlungs- bzw. verhaltensbezogenen Änderungen (z.B. einzelne Bevölkerungsteile zum Engagement für Asylsuchende mobilisieren) oder von wertbezogenen Änderungen (z.B. Einstellungsänderungen in der politischen Asyldiskussion hervorrufen). Da die erfolgreiche Integration der Asylsuchenden nicht nur von diesen selbst, sondern auch von einer Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung der Asyl-Gegner abhängt, müssen bei der Aufgabenerfüllung alle Transaktionspartner gleichermaßen Beachtung findenn. Im Vorfeld von Einzelaktivitäten zur Problembearbeitung fallen auch generelle Entscheidungen an: inwiefern können sich dieselben Maßnahmen an unterschiedliche Transaktionspartner, z.B. an National-Gesinnte und an Aussiedler, richten und inwiefern ist eine Kooperation mit anderen Marktteilnehmern, z.B. mit Behörden, mit dem Gesetzgeber oder mit konkurrierenden sozialen Organisationen sinnvoll. Derlei Fragestellungen betreffen die Festlegung der Kundenbearbeitung bzw. der Marktpartner- und Konkurrenzorientierung und fallen damit in den Bereich der Strategienplanung kommerzieller Marketing-Konzeptionen (vgl. Bruhn/ Tilmes 1994, S. 105; Wiedmann!Raffee 1995, Sp. 2305). Um die im Zusammenhang mit der Aufgabenstellung gesetzten Ziele realisieren zu können, sind die unterschiedlichsten Aktivitäten notwendig. Zunächst müssen Bedarfsgüter für die Asylsuchenden bereitgestellt (z.B. Unterkunft, Nahrung, Kleidung oder auch Geld) und spezifische Dienstleistungen (z.B. physische Behandlung, psychische Betreuung, Sprachkurse) angeboten werden. Außerdem sind die an die Asylsuchenden wie auch an die einheimin
Eine Single-Segment-Strategie wie im Business-Marketing, die alleine die Asylsuchenden als Zielgruppe umfaßt, ist demnach nicht möglich, vgl. Bruhn!filmes 1994, s. 63 f.
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sehen Bevölkerungsgruppen zu vermittelnden Ideen zur Herbeiführung von Verhaltens- und Wertänderungen zu materialisieren. Aufgrund knapper finanzieller Ressourcen dominieren hier nicht Werbe-, sondern vielmehr PRMaßnahmen wie Begegnungsveranstaltungen (z.B. zwischen Asylsuchenden und Aussiedlern), Diskussionsforen (z.B. zwischen Vertretern sozialer Institutionen und Politikern) sowie Presse- und Informationskampagnen (z.B. zur Aufklärung der allgemeinen Öffentlichkeit). Gegenüber den Asylsuchenden, aber auch gegenüber einzelnen Bevölkerungsgruppen kann auf dem Wege des persönlichen Kontakts häufig die wirkungsvollere Überzeugungsarbeit geleistet werden. Als problematisch erweist sich vielfach die Gestaltung des durch die Transaktionspartner zu erbringenden Beitrags, der von den Asylsuchenden insbesondere in direkter immaterieller Form (z.B. Zufriedenheit, Dankbarkeit, Freude), von betroffenen Bevölkerungsteilen in (in)direkter immaterieller Form (z.B. Akzeptanz gegenüber Asylanten) erbracht wird. Schließlich stellt sich auch für soziale Organisationen die Frage, welche Mitglieder für welche Teilaufgaben verantwortlich sind und ob die durchgeführten Aktivitäten einen Problemlösungsbeitrag erbracht haben. Diese Überlegungen zeigen, daß auch soziale Organisationen, die sich mit der Asylthematik auseinandersetzen, Marketing-Maßnahmen in Form von Leistungs-, Kommunikations-, Distributions- und Gegenleistungspolitik planen und realisieren (vgl. hierzu Bruhnfl'ilmes 1994, S. 107 ff., 133 ff., 194 ff., 207 ff.), organisatorisch implementieren und prozeß- bzw. ergebnisorientiert kontrollieren (vgl. Bruhn/ Tilmes 1994, S. 217 ff., 224 ff.). Als Ergebnis läßt sich somit festhalten, daß der Marketing-ManagementProzeß auch für soziale Organisationen ein geeignetes Instrumentarium darstellt, um Entscheidungen im Zusammenhang mit Transaktionen zu plll;llen, zu realisieren, auf ihren Erfolg hin zu überprüfen und auf diese Weise zumindest die negativen Folgewirkungen zu beheben. Hinsichtlich der Anwendung von Marketing durch die einzelnen Transaktionsteilnehmer läßt sich festhalten, daß dies auf Anbieterseite in weitaus geringerem Ausmaß und mit deutlich geringerer Fundierung der Fall ist als im Business-Marketing. Darüber hinaus sind einzelne staatliche oder soziale Organisationen häufig die einzigen Interessenvertreter der Asylsuchenden, während Asyl-Gegner teilweise straffer organisiert sind und sich lautstark Gehör verschaffen. Die Frage nach dem Beitrag, den Marketing zur Lösung sozialer Probleme und damit zur Funktionsfähigkeit des politisch-sozialen Subsystems leisten kann, bemißt sich wiederum daran, inwiefern Marketing den Transaktionsteilnehmern eine (bessere) Zielerreichung ermöglicht. Marketing ist - bezogen auf die Asylproblematik - bspw. dann funktional, wenn die gesamte AsylProblematik hierdurch von einer emotionalen auf eine sachliche Ebene verlagert wird, wenn sich die Asylsuchenden infolge der durchgeführten Maßnahmen im Aufnahmeland nicht ausgestoßen, sondern integriert fühlen oder wenn
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zunächst negativ eingestellte Bevölkerungsgruppen bzw. -institutionen die Asylanten akzeptieren, d.h. wenn die sozialen Organisationen und deren Marktpartner ihre Ziele gegenüber den Transaktionspartnern erreicht haben. Während zur Übertragung der Planungs- und Realisierungsphasen des Marketing-Management-Prozesses auf soziale Organisationen bisher intensive Überlegungen von seiten der Wissenschaft angestellt wurden, liegen über Methoden und Ergebnisse von Wirkungskontrollen bisher nur wenig Erkenntnisse vor - ein künftig zu behebendes Defizit (einzelne Hinweise hierzu geben Raffee/Wiedmann 1995, Sp. 1936). 3. Systemübergreifende Funktionen
Die Anwendung von Marketing im Kontext politisch-sozialer Fragen hat über die systeminternen Wirkungen hinaus Konsequenzen für das Wirtschaftsund das Sozialisationssystem, zu deren Analyse wiederum ausgewählte Aspekte der Maßnahmenplanung betrachtet werden. Folgewirkungen des Marketing politisch-sozialer Organisationen für das Subsystem Wirtschaft ergeben sich auch hier aus der Leistungs- und Kommunikationspolitik Indem soziale Organisationen erwerbswirtschaftliche Unternehmen als Sponsoren gewinnen, leisten sie - wie oben bereits angesprochen einen Beitrag zu deren Positionierung am Markt. Wird ein Unternehmen bspw. im Zusammenhang mit der Asylfrage unterstützend tätig, kann dies der Visualisierung bzw. Umsetzung der Unternehmenskultur, nicht in Ländern mit eklatanten Menschenrechtsverletzungen zu investieren, dienen. 12 Darüber hinaus tragen soziale Organisationen z.B. mittels einer Aufklärungskampagne darüber, daß die Aufnahme von Asylsuchenden letztlich nicht zu Lasten deutscher Arbeitsplätze geht, zum Erhalt des sozialen Friedens und somit nicht unwesentlich zur Funktionsfähigkeit des Subsystems Wirtschaft bei. Politische Parteien nehmen schließlich Einfluß auf die Asylgesetzgebung und somit auf unternehmerisches Handeln, etwa wenn eine begrenzte Arbeitserlaubnis für Asylsuchende für den Fall erteilt wird, daß sich für die Tätigkeit auf dem freien Arbeitsmarkt kein Arbeitnehmer findet. lmplikationen für das Sozialisationssystem birgt das Marketing innerhalb des politisch-sozialen Systems insofern, als Ieistungs- und kommunikationspolitische Maßnahmen die Privatsphäre mitgestalten. Viele soziale Organisationen sind auf ehrenamtliche Helfer angewiesen, so daß soziales Engagement eine Form der Freizeitbeschäftigung darstellt, die die ganze Familie urnfaßt, wenn etwa einzelne Familienmitglieder für eine Benefizu
Angesichts der unterschiedlichen Standpunkte einzelner Bevölkerungsgruppen zum Thema Asyl können aber auch negative Kommunikationseffekte auftreten.
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Veranstaltung zugunsten Asylsuchender Aufgaben wie Akquisition, Buchführung etc. übernehmen. Durch Aufklärungskampagnen und Begegnungsmöglichkeiten können die Maßnahmen sozialer Organisationen zur Integration von Asylsuchenden in bestehende Familien, Freundeskreise etc. beitragen und so letztlich vielfach bestehendes Mißtrauen, Ängste etc. abbauen. Sie leisten damit ebenfalls Sozialisationsaufgaben, indem Wertvorstellungen wie Partnerschaftlichkeit, soziales Engagement oder Fremdenfreundlichkeit gebildet oder gestärkt werden. Die Bewertung des Beitrags von Marketing zur Funktionsfahigkeit anderer Subsysteme bernißt sich schließlich daran, inwiefern durch Social Marketing für die anderen Subsysteme sinnvolle Rahmenbedingungen gesetzt werden (vgl. Hurrelmann 1975, S. 44). Im Hinblick auf das Wirtschaftssystem betrifft dies insbesondere Gesetze und Verordnungen, die von politischen Institutionen verabschiedet, von anderen Organisationen des politisch-sozialen Subsystems mitgestaltet werden und die die Marktprozesse funktional regeln müssen. Eine begrenzte Arbeitserlaubnis für Asylsuchende kann funktional, eine unbegrenzte zu Niedrigstlöhnen dysfunktional sein, da sie langfristig bspw. zum Qualifikationsverlust der heimischen Erwerbsfahigen führen kann. Im Hinblick auf Privatsphäre und Sozialisationssystem liefert das politsch-soziale System über Marketing zum einen Foren für öffentliches Engagement und nimmt somit Einfluß auf die persönliche Lebensgestaltung, zum anderen greift es in Wertewandlungsprozesse ein. Da die Vermittlung des Wertes ,,gesellschaftliches Engagement" eher im Gegensatz zu ich-bezogenen Selbstentfaltungswerten steht, wirkt dies einem Werteverfall entgegen und stützt außerdem demokratische Werte wie Partizipation und Gleichheit. Insgesamt sind diese Wertbildungs- bzw. Werterhaltungsprozesse dann funktional, wenn- wie in vorstehendem Beispiel - gesamtgesellschaftlich positiv beurteilte Werte gestärkt werden und dysfunktional, wenn negative soziale Ziele auf diese Weise propagiert (z.B. Ausländerfeindlichkeit) oder positive soziale Ziele als gefahrdet dargestellt (z.B. Asylsuchende beeinträchtigen die innere Sicherheit) werden (in Anlehnung an Wiedmann/Raffee 1995, Sp. 2306).
lli. Marketing im Kontext persönlicher Fragen und daraus ableitbare gesellschaftliche Implikationen 1. Entwicklungstendenzen bezüglich des Generic Concept ofMarketing
Aufbauend auf der Übertragung auf außerwirtschaftliche Gesellschaftsbereiche wurde das Marketing insbesondere von Kotter als allgemein anwendbarer Steuerungsmechanismus zur Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen bezeichnet. Diese Entwicklung stellt den vorläufigen Endpunkt des Broadening-Prozesses dar (in Anlehnung an Bruhn!filmes 1994, S. 17) und wird
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als Generic Concept of Marketing bezeichnet (vgl. Kotler 1972, S. 46 ff.).
Zwar gelten diese Überlegungen in der Marketing-Wissenschaft heute als
allgemein anerkannt, doch fand eine dezidierte Auseinandersetzung mit diesem Gedanken bisher kaum statt. Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive ist sicherlich der Auffassung zuzustimmen, daß die Anwendung der MarketingKonzeption im privaten Bereich - von Einzelfallen abgesehen - nicht zu den essentiellen Fragen der Marketing-Wissenschaft gehöre (vgl. Raffee 1995, Sp. 1671). Aus gesellschaftlicher Sicht sei im folgenden jedoch die Überlegung erlaubt, inwiefern Marketing im Kontext der Privatsphäre einsetzbar bzw. funktional ist. Abbildung 4 dient wiederum als Grundlage fur die zu untersuchenden systeminternen und systemübergreifenden Funktionen.
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