195 50 24MB
German Pages 250 [252] Year 1968
W O R T B I L D U N G , SYNTAX U N D M O R P H O L O G I E
JANUA L I N G U A R U M STUDIA MEMORIAE N I C O L A I VAN WIJK D E D I C A T A
edenda curai
C.H. VAN S C H O O N E V E L D INDIANA
UNIVERSITY
SERIES MAIOR 36
1968
MOUTON THE H A G U E • P A R I S
WORTBILDUNG SYNTAX UND MORPHOLOGIE
Festschrift Z U M 60. G E B U R T S T A G VON HANS M A R C H A N D AM 1. O K T O B E R 1967 H E R A U S G E G E B E N VON H E R B E R T E. B R E K L E U N D LEONHARD LIPKA
1968
MOUTON THE H A G U E • PARIS
© Copyright 1968 in The Netherlands. Mouton & Co. N.V., Publishers, The Hague. No part of this book may be translated or reproduced in any form, by print, photoprint, microfilm, or any other means, without written permission from the publishers.
LIBRARY OF CONGRESS CATALOG CARD NUMBER: 69-13301
Printed in The Netherlands by Mouton & Co., Printers, The Hague.
Laudatio
In der Biographie Hans Marchands spiegelt sich ein gut Teil — es war nicht der beste Teil — der jüngsten deutschen Geschichte in Wissenschaft und Politik wider. Er studierte an den Universitäten Innsbruck, Wien, Paris und Köln. Im Jahre 1933 promovierte er unter seinem Lehrer Leo Spitzer in Romanistik, Englisch und Latein. Mit dem Beginn der schlimmsten Zeit Deutschlands war auch für ihn der entscheidende Wendepunkt gekommen: 1934 verliess er Deutschland — er sollte es erst ein Vierteljahrhundert später wiedersehen. Bis 1953 lehrte Hans Marchand an der Universität Istanbul Romanistik und Anglistik. Während der darauffolgenden vier Jahre war er akademischer Lehrer an verschiedenen Universitäten der Vereinigten Staaten (Yale University, Bard College, N.Y., University of Florida, Gainesville). Im Jahre 1957 schliesslich nahm er einen Ruf auf einen Lehrstuhl für Englische Philologie an der Universität Tübingen an. Einen Ruf an die Universität Frankfurt lehnte er ab, damit blieb Tübingen bis heute die Stätte seines fruchtbaren Wirkens als Forscher und Lehrer. Von dieser biographischen Skizze aus lassen sich manche Parallelen zur wissenschaftlichen Entwicklung Hans Marchands ziehen. Als Schüler von Leo Spitzer steht er in der grossen romanistischen Tradition. Ein Blick auf seine zahlreichen Veröffentlichungen beweist, dass er in jedem Stadium seiner Forschungstätigkeit mit der sprachwissenschaftlichen Seite der Romanistik immer verbunden blieb. Mit den Jahren — teilweise auch bedingt durch seinen Aufenthalt in den USA — verlagerte sich sein Hauptarbeitsgebiet mehr und mehr auf die englische Sprachwissenschaft. Neben vielen Aufsätzen wird dies besonders deutlich an seinem grossen, 1960 in erster Auflage erschienenen Werk The Categories and Types of Present-day English Word-Formation. A Synchronic-Diachronic Approach. Innerhalb seines Hauptforschungsgebietes — der Wortbildung des Englischen — zeigt sich, dass Hans Marchand sowohl in der Lehre wie auch in der Forschung nicht nur in der englischen „Provinz" zu Hause ist. Der Untersuchungsgegenstand ist zwar primär immer das Englische in allen seinen Entwicklungsstufen, jedoch greifen seine Arbeiten bei der Behandlung speziell englischer Probleme immer auf ähnliche oder gleichgeartete Erscheinungen in anderen Sprachen über. Durch die Einbeziehung des Deutschen und
6
LAUDATIO
einiger romanischer Sprachen und nicht zuletzt durch das Eingehen auf die grammatischen Verhältnisse im Türkischen — sein zwanzigjähriger Aufenthalt in der Türkei war dafür die beste Voraussetzung — gelingt es ihm, die Ergebnisse seiner Arbeiten zu generalisieren und theoretisch zu untermauern. In seiner wissenschaftlichen Arbeit verbinden sich in glücklicher Weise Einflüsse der Genfer Schule — besonders Charles Ballys — mit denen der amerikanischen Strukturalistik — vor allem Leonard Bloomfields. Diese Tatsache wird am deutlichsten sichtbar in seinem Hauptwerk The Categories and Types of Present-day English WordFormaiion, das seit seinem Erscheinen zu einem Standardwerk geworden ist. Es ist der Ausgangspunkt für jede Einzeluntersuchung auf dem Gebiet der englischen Wortbildung; einmal durch seine umfassend angelegte Materialsammlung, zum anderen durch die synchronische und diachronische Analyse dieses Materials. Damit liefert es Begriffe und Methoden, die wegweisend für Untersuchungen auf dem Gebiet der Wortbildung sind. Mit den Categories and Types war für Hans Marchand die Erforschung der englischen Wortbildung jedoch keineswegs abgeschlossen. Die in den letzten Jahren erschienenen Aufsätze beweisen, dass er sich nicht mit glatten Patentlösungen zufrieden gibt, sondern immer bestrebt ist, das begriffliche Instrumentarium seines Arbeitsgebietes zu präzisieren und leistungsfähiger zu machen. Sein besonderes Verdienst besteht hierbei in der Synthese der von Charles Bally schon frühzeitig gewonnenen Einsichten in die fundamentale Verwandtschaft der Beziehungen zwischen Syntax und Wortbildung mit den in weiten Bereichen damit übereinstimmenden Erkenntnissen der modernen transformationellen Grammatik. Die thematische Vielfalt der Beiträge dieser Festgabe reflektiert die weitgespannten Interessen Hans Marchands und dokumentiert sein Ansehen in der wissenschaftlichen Welt. In der Sprachwissenschaft lässt er keine Grenzen gelten. Eine Würdigung Hans Marchands bliebe unvollkommen, wäre darin nichts über seine Tätigkeit als akademischer Lehrer gesagt. Das besondere Kennzeichen seiner Art zu lehren besteht darin, dass er kein „Vorleser" auf dem Katheder ist, sondern herabsteigt und mit seinen Studenten diskutiert. Er fordert Fragen heraus und verlangt kritisches Mitdenken — so entwickelt sich die Vorlesung oft zum Streitgespräch. Hans Marchand beschränkt sich nicht darauf, als Professor die fachliche Ausbildung seiner Studenten zu fördern. Er nimmt mit persönlichem Interesse an ihren eigenen Problemen Anteil und darüber hinaus auch an den Sorgen der ganzen Studentenschaft. Seinen Schülern ist er in seiner verständnisvollen und eigenwilligen Art wissenschaftliches und menschliches Vorbild. Tiefgründiger Humor und Selbstironie kennzeichnen ihn sowohl im Hörsaal als auch im privaten Umgang. Alle seine Schüler haben dankbar seine Hilfe und Förderung erfahren. Sie gratulieren ihrem Lehrer zu seinem 60. Geburtstag und wünschen ihm von ganzem Herzen Glück, Gesundheit und noch viele Jahre fruchtbarer Arbeit. H. E B. — L. L.
INHALTSVERZEICHNIS
Laudatio
5
Verzeichnis der wissenschaftlichen Arbeiten von Hans Marchand
9
Özcan Baskan, Interchangeability of Tenses in Colloquial Turkish
13
Charles E. Bazell, Notes on Old English Metre and Morphology
17
Herbert E. Brekle, On the Syntax of Adjectives Determining Agent Nouns in Present-Day English
20
Broder Carstensen, Zur Systematik und Terminologie deutsch-englischer Lehnbeziehungen
32
Eugenio Coseriu, Adam Smith und die Anfänge der Sprachtypologie
46
. . . .
Milos Dokulil, Zur Frage der sog. Nullableitung
55
Henri Frei, Noyau et satellite en morphologie
65
Hans Galinsky, Der anglo-amerikanische Einfluss auf die deutsche Sprachentwicklung der beiden letzten Jahrzehnte
67
Ernst Gamillscheg, Zur Geschichte der lateinischen Lehnwörter im Westgermanischen
82
Hans-Martin Gauger, Determinatum und Determinans im abgeleiteten Wort?
93
Robert A. Hall, Jr., The Roumanian Definite Article and Noun-Phrase
. . .
109
Klaus Hansen, Zur Analyse englischer Komposita
115
Leonhard Lipka, Kugelsicher — à l'épreuve des balles
127
André Martinet, Composition, dérivation et monèmes
144
Gerhard Nickel, The Contrast "He is reading" — "He is interesting" and Related Problems
150
8
INHALTSVERZEICHNIS
Herbert Pilch, Modelle der englischen Wortbildung
160
Gerhard Rohlfs, Suffixreichtum in den romanischen Einwohnernamen . . . .
179
Christian Rohrer, Das französische Vokalsystem
190
Hans Schabram, AE — Beohata, Exodus 253
203
Wolfgang P. Schmid, Zur Bildung der Abstrakta in den Zigeunerdialekten Europas
210
Barbara M. H. Strang, Swift's Agent-Noun Formations in -ER
217
Kurt Wächtler, Zur substantivischen Wortbildung mittels Lehnsuffix im Amerikanischen Englisch
230
Mario Wandruszka, Englische und deutsche Nominalkompositionen
242
. . . .
VERZEICHNIS DER WISSENSCHAFTLICHEN ARBEITEN VON HANS MARCHAND
DISSERTATION
Ernest Hello (Krefeld, 1932) AUFSÄTZE
„Zu den französischen Ordinalia", Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 60 (1936), 93-102 „Das englische Ordinal second", Neuphilologische Mitteilungen 37 (1936), 293-301 „Indefinite pronoun one", Publications de la Faculté des Lettres de l'Université d'Istanbul 2 (1937), 134-152 „Children will play", NphM 39 (1938), 166-185 „Zur Struktur des Türkischen" (auf Türkisch, Insan, 1938), 338-344 „Remarks about English Negative Sentences", English Studies 20 (1938), 198-204 „Syntaktische Homonymie: das umschreibende do", Englische Studien 73 (1938-39), 227-252 „Die Krankheit des Wortes piété ,Brust'", Archivum Romanicum 23 (1939), 95-98 „Composition par la particule non", Publ. de la Fac. des Lettres de l'Univ. d'Istanbul 361 (1947), 117-120 „L'étude des onomatopées: quelques points méthodiques", Dialogues 1 (Istanbul, 1949), 124-134 „Phonology, Morphonology, and Word-Formation", NphM 52 (1951), 87-95 „The Syntactic Change from Inflectional to Word-Order System and Some Effects of this Change on the Relation ,Verb/Object'", Anglia 70 (1951), 70-89 „Esquisse d'une description des principales alternances dérivatives dans le français d'aujourd'hui", Studia Lingüistica 5 (1951), 95-112 „Alliteration, Ablaut und Reim in den türkischen Zwillingsformen", Oriens 5 (1952), 60-69 „Über die Bildung der lautsymbolischen Wörter im Türkischen", Oriens 6 (1953), 50-62 „Sur quelques traits qui distinguent le système dérivatif du français d'aujourd'hui de l'ancien système", Dialogues 3 (1953), 133-139 „Über zwei Prinzipien in der Wortbildung, in ihrer Anwendung auf das Französische
10
VERZEICHNIS DER WISSENSCHAFTLICHEN ARBEITEN VON HANS MARCHAND
und Englische", Archiv für das Studium der neueren Sprachen 190 (1953-54), 217-221 „Notes on English Suffixation", NphM 54 (1953), 246-272 „The Question of Derivative Relevancy and the Prefix s- in Italian", SL 7 (1953), 104-114 „Derivation by Means of Rime", Studies by Members of the English Department 4 (Istanbul, 1953), 1-13 „Notes on English Prefixation", NphM 55 (1954), 294-304 „Notes on Nominal Compounds in Present-Day English", Word 11 (1955), 216-227 „Synchronic Analysis and Word-Formation", Cahiers F. de Saussure 13 (1955), 7-18 „On a Question of Aspect: a Comparison between the Progressive Form in English and that in Italian and Spanish", SL 9 (1955), 45-52 „Compounds with Locative Particles as First Elements in Present-Day English", Word 12 (1956), 391-398 „Compound and Pseudo-Compound Verbs in Present-Day English", American Speech 32 (1957), 83-94 „Motivation by Linguistic Form: English Ablaut and Rime Combinations and their Relevancy to Word-Formation", Studia Neophilologica 29 (1957), 54-67 „The Negative Verbal Prefixes in English", Mélanges de linguistique et de philologie. F. Mossé in Memoriam (Paris, 1959), 267-276 „Phonetic symbolism in English word-formation", Indogermanische Forschungen 64 (1959), 146-168; 256-277 „Das amerikanische Element in der englischen Wortbildung", Sprache und Literatur Englands und Amerikas 3 (1959), 155-160 „On the Phonological System of the Turkish vowels", Acta Linguistica 8 (1960), 21-31 „Zwei Notizen: Ein neues Phonem im Französischen. Eine neue morphologische Alternierung im Französischen", ZFSL 70 (1960), 213-217 „Die Länge englischer Komposita und die entsprechenden Verhältnisse im Deutschen", Anglia 78 (1960), 411-416 „Der Wortbildungstypus antiaircraft {battery) und Verwandtes", Festschrift für Th. Spira (Heidelberg, 1961), 335-342 „On content as a criterion of derivational relationship with backderived words", IF 68 (1963), 170-175 „On a Question of Contrary Analysis with derivationally connected but morphologically uncharacterized words", English Studies 44 (1963), 176-187 „Die Ableitung desubstantivischer Verben mit Nullmorphem im Französischen und die entsprechenden Verhältnisse im Englischen und Deutschen", ZFSL 73 (1963), 164-179 „Die Ableitung desubstantivischer Verben mit Nullmorphem im Englischen, Französischen und Deutschen", Die Neueren Sprachen 10 (1964), 105-118 „A Set of Criteria for the establishing of derivational relationship between words unmarked by derivational morphemes", IF 69 (1964), 10-19
VERZEICHNIS DER WISSENSCHAFTLICHEN ARBEITEN VON HANS MARCHAND
11
"The Analysis of Verbal Nexus Substantives", IF 10 (1965), 57-71 „On the analysis of substantive compounds and sufRxal derivatives not containing a verbal element", IF 70 (1965), 117-145 „On Attributive and Predicative Derived Adjectives and Some Problems Related to the Distinction", Anglia 84 (1966), 131-149 „Expansion, Transposition, and Derivation", La Linguistique 1 (1967), 13-26
REZENSIONEN
Viktor Engblom: On the Origin and Early Development of the Auxiliary do, English Studies 21 (1939), 121-125 E. R. Curtius: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, zusammen mit: W. Porzig: Das Wunder der Sprache, Dialogues 2 (1951), 150-158 Walter Henzen: Deutsche Wortbildung, Dialogues 3 (1953), 133-139 John Orr: Words and Sounds in English and French, Romance Philology 8 (1954), 105-111 Paul Imbs: Le subjonctif en français moderne, RomPh 10 (1956), 38-40 Heinz Wissemann: Untersuchungen zur Onomatopoie, IF 64 (1959), 183-187 Hans Käsmann: Studien zum kirchlichen Wortschatz des Mittelenglischen 1100-1350, IF 68 (1963), 235-239 Thomas Finckenstaedt: You und Thou, IF (,9 (1964), 88-91 Leo Spitzer: Essays on English and American Literature, Jahrbuch für Amerikastudien 9 (1964), 305-309 Karl E. Zimmer: Affixal negation in English and other languages, Language 42 (1966), 134-142 Anton Reichling: Das Problem der Bedeutung in der Sprachwissenschaft, IF 70 (1966), 337-338 A. Ellegârd: English, Latin, and Morphemic Analysis, English Studies 47 (1966), 466-467
THE CATEGORIES A N D TYPES OF PRESENT-DAY E N G L I S H W O R D - F O R M A T I O N : A S Y N C H R O N I C - D I A C H R O N I C APPROACH
(Wiesbaden, 1960)
Besprechungen des Werkes sind erschienen in : Anglia 79 (1961), 64-69, von E. Standop English Studies 42 (1961), 120-124, von R. W. Zandvoort Études Anglaises 14 (1961), 357-359, von A. R. Tellier Jahrbuch für Amerikastudien 6 (1961), 343-345, von H. Pilch Die Neueren Sprachen 11 (1962), 97-121, von H. Galinsky Mitteilungsblatt des Allgemeinen Deutschen Neuphilologenverbandes von W. Schmidt-Hidding
15 (1962), 1-7,
12
VERZEICHNIS DER WISSENSCHAFTLICHEN ARBEITEN VON HANS MARCHAND
Kratylos 8 (1963), 81-85, von P. Hartmann Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik 11 (1963), 304-308, von R. Berndt Lebende Sprachen 8 (1963), 27-28, von R. W. Zandvoort Voprosy Jazykoznanija (1963), 135-142, von E. S. Kubrjakova und J. N. Anackij
Ô Z C A N BAÇKAN
INTERCHANGEABILITY OF TENSES IN COLLOQUIAL T U R K I S H 1
It is a known fact that the traditional grammars of English, based on Greek and Latin models, invariably assign to various tenses, specific functions of time. Yet the actual usage shows that the lines of demarcation are not so rigid as one wishes them to be. For instance, in the following examples, each tense denotes a time function different from that which is normally attached to it. Simple past It is high time you said it
denoting
will say
Simple present It is called, I forget the name, ...
forgot
Present continuous I am going to London tomorrow
will go
Future Thou shalt not steal
should not steal
The aim of the present paper is to furnish similar examples from colloquial Turkish. In the following sentences, each tense actually might denote another tense. The criterion in the selection of sentences has been that of free variation, that is, each tense in a sentence is interchangeable with another tense it happens to denote, without any significant semantic difference being involved in the change. Tenses are written with their agglutinative components spaced apart; and slight changes in spelling are due to morphophonemic alternations.
THE IMPERATIVE AS INDICATED BY DIFFERENT TENSES
Indicative, simple present 2nd person singular
interchangeable with
Yarin sabah bu mektuplari at ar sin Post these letters tomorrow morning 1
This article has also appeared in Litera 9 (Istanbul, 1968).
Imperative at
14
ÔZCAN BAÇKIN
Indicative, present continuous 2nd person singular Toplantiya sen de benimle gel iyor sun Come to the meeting with me
interchangeable with
gel
Indicative, future 2nd person singular Bu if igin haftaya Ankara'ya gid ecek sin Go to Ankara next week for this business
git
Subjunctive, subjunctive 2nd person singular Gece araba kullanirken dikkatli ol a sin Be careful when driving at night
ol
Subjunctive, optative 2nd person singular Aa\ Sen misinl tgeri gir sey din Oh! Is that you? Come in
gir
It is to be noted, however, that the tenses which indicate the imperative, are all in the 2nd person, the scheme being very much like that of the English usage, where you go might mean go!. The same interchangeability holds true for the five simple tenses of the indicative out of which three basic ones, namely, past definite, present continuous and future simple, can each also be denoted by the remaining four. The following is a simplified conjugation chart of these five simple tenses, showing for the sake of simplicity only the singular personal endings.
ACTIVE VOICE, INDICATIVE MOOD
Tense
Root
Verbal ending
Personal ending
Past dubitative 1st person singular 2nd person singular 3rd person singular
— — —
mif mif mif
im sin
Past definite 1st person singular 2nd person singular 3rd person singular
— — —
di di di
m n
15
1NTERCHANGEABILITY OF TENSES IN COLLOQUIAL TURKISH
Present simple 1st person singular 2nd person singular 3rd person singular
— — —
ir ir ir
im sin
Present continuous 1st person singular 2nd person singular 3rd person singular
— — —
iyor iyor iyor
um sun
Future simple 1st person singular 2nd person singular 3rd person singular
— — —
eceg ecek ecek
im sin
PAST DEFINITE AS INDICATED BY THE OTHER FOUR TENSES
Past dubitative
interchangeable with
Ben o $ehirlerin hepsini gor mii$ um, arkadaf Well my friend, I have seen all those cities
Past definite gor dii m
Present simple Sen de ne diye bak ar sin, biraderl And you, why did you have to look?
bak ti n
Present continuous Bu gece sinemaya gidelim di yor Let us go to the cinema tonight, he says
de di
Future simple, negative Aldatacaksin da ben anla mi yacag im, hal You cheated me, and I have noticed it
anla di m
PRESENT CONTINUOUS AS INDICATED BY THE OTHER FOUR TENSES
Past dubitative
interchangeable with
Bu elbise dogrusu fok yak if mi$ This suit actually suits you well
Present continuous yakif iyor
Past definite Qok mu pahahl Peki sen ne ver di«? Too expensive? Well what do you propose?
ver iyor sun
16
ÔZCAN BAÇKIN
Present simple Teklif edilen bu i$e sen ne der sin! What do you say to this job offered?
di yor sun
Future simple Valla, sana 'ugaga binme' di yeceg im Well, I tell you not to fly by airplane
di yor um
FUTURE SIMPLE AS INDICATED BY THE OTHER FOUR TENSES
Past dubitative
interchangeable with
Yarin camna oku mu§ um o herifin Tomorrow I will settle my accounts with him
Future simple oku yacag im
Past definite Desene gelecek sene imtahanlarda yan di m So I shall have a rough time in the exams next year
yan acag im
Present simple Artik geg oldu; kitabi yarin bitir ir im Too late now; I shall finish the book tomorrow
bitir eceg im
Present continuous Gelecek hafta bir if in Ankara'ya gid iyor um Next week, I shall go to Ankara for a business affair
gid eceg im
One should however note that the time direction of the tenses is towards the future, that means, the past and the present are more likely to indicate the future, than the future to indicate the present or the past. In the tenses, indicating the future, there is almost invariably a supplementary word or phrase, such as tomorrow or next week, which helps clarify the future function of the tenses used. On the other hand, no such auxiliary word or phrase as yesterday or last week is possible with the future tense to denote either the present ur the past. All in all, the interchangeability among the tenses in Turkish proves ouce more the futility of superimposing a preconceived scheme of grammar of a certain language upon a different language. Therefore it would be more advisable to re-define the functions of the tenses in Turkish, or in English for that matter, than to insist on the existing scheme, and to dismiss perfectly legitimate uses of the language as exceptional. UNIVERSITY OF ISTANBUL
CHARLES E. B A Z E L L
NOTES ON OLD ENGLISH METRE A N D MORPHOLOGY
1. A PECULIARITY OF ALLITERATION IN THE BATTLE OF MALDON
The second half-line simenn snelle (B.M. 29) is commonly held to show double alliteration. There is no other instance in the poem of such an abnormality: it has long since been recognised that the apparent examples in lines 32 (midgafole forgyldon) and 192 (gupe ne gymdon) illustrate merely the fact that front and back g did not alliterate together in this late poem. This restriction on alliteration is not unique to the Maldon-poet, though more commonly later poetry shows a more free rather than a less free regulation of alliterations, as of course this poem also does in other respects. Now I wish to say that the alliteration in the second half-line sxmenn snelle is also merely apparent. In this poem simple s- and sn- (or any cluster of s plus another consonant) did not alliterate. In other words the old rule whereby st-, sp- and scwere treated as single consonants for the purpose of alliteration, was extended to snand all other such clusters. As a consequence such rare initial clusters as sn- and sihad hardly the opportunity to enter alliterative staves. But the commoner cluster swcould, and there are two examples in the poem: 115 118
his swustersunu swide forheawen swlQe mid his swurde, swenges ne wyrnde
There is no instance of sw- alliterating with another cluster or with simple s-. An apparent exception is the line 282
Slbyrhtes broQor and swl6e maenig ojjer
but this is quite on a par with the other 'rhyming line' 271
ajfre embe stunde he sealde sume wunde
If in rhyming lines even st- could alliterate with simple s-, so by the same convention could sw-. There are eight instances of alliteration on simple s-, if we include the line 29 with the discussion of which we started. The others are at 38, 45, 59, 134, 159, 177, 278. Of these 45 is an instance of displaced alliteration in the second half-line.
18
CHARLES E. BAZELL
Displaced alliteration is a well-known feature of the poem, though the examples are few. Double alliteration is more frequent, but of course the earlier tradition affords many parallels here. Perhaps there is an example, apart from those generally recognised in the editions, in line 7: He let him Jm of handon leofne fleogan where handon is surely a scribal error for folman, encouraged by the synonym handum both above (1. 4) and below (1. 14) in close proximity. If let in accordance with the normal tradition did not alliterate at all in this line, it would be another instance of displaced alliteration {folman : fleogan). While there are undoubted instances of both DOUBLE and DISPLACED alliteration in the poem, there is no instance at all of EXCESS alliteration, unless precisely 29 is this instance. Can this be attributed to the play of chance? A scholar who entertains this idea should explain why no similar limitation does apply to other consonant-sequences, e.g. there is no limitation on the alliteration of simple h- and hi- etc. He should also explain why in other poems no sequence of three hundred lines (roughly the length of the Maldon-poem) appears to conform to the putative limitations on alliteration in this particular poem. In fact there are a few other late poems which have metrical limitations similar to this, or so it appears. To them the same argument applies: why should no longer poem have a sequence of lines appearing to obey the convention? Unfortunately these are all short poems; the longer poems of the late period are characterised by greater freedom rather than by new restrictions. Also, their evidence is less decisive than that of the Maldon. Hence I confined my remarks to this poem.
2. LOCATIVE SINGULARS IN -UM
Two such forms are held to be attested: heafdum and meolcum (cf. e.g. Campbell > Old English Grammar, 227). Their derivation from an original instrumental is both phonologically sound and semantically unobjectionable, for the normal instrumental in -i, maintained in the earliest texts, goes back to a locative. Yet in other ways the status of these forms is very dubious. First, it is almost meaningless to talk of a 'locative' for Old English. Secondly, the status of these two forms is open to doubt for rather different reasons: (a) heafdum does indeed occur in locative functions and in these alone. But also, it occurs only in the transferred sense 'at the head of', e.g. in set heafdum as opposed to set fotum 'at the foot (or feet) of'. That is, it occurs only when the unambiguous plural fotum is its semantic opposite, never when 'foot' and 'head' in their literal senses, as bodyparts, have any role to play. In the literal senses of course there is no binary opposition: heafdum is found just in those contexts in which there is a
NOTES ON OLD ENGLISH METRE AND MORPHOLOGY
19
binary opposition between 'foot' and 'head', i.e. in the transferred contexts in which they are related as 'bottom' to 'top'. This strongly suggests that the 'locative' heafdum owes something to its opposite in the restricted contexts in which it is an opposite. One might go further and say that it owes everything to it, i.e. that it is a late analogical creation. This would seem no better than the traditional view, an exaggeration in the opposite direction. (b) meolcum is quite another problem. The difficulty here is obvious but for some reason unapparent to many students of Old English. How is it possible that a word like meoloc should maintain an archaic case-form that had been lost in so many more frequent words? One solution might be that in fact it did not, but rather re-interpretation gave the word another status. Could meolcum be regarded as a dative plural? A. J. Bliss, in a letter on the subject, called my attention to this possibility and to the modern beestings. As he remarks, O E has the singular form bysting, but this very fact shows that a word for milk could later be given a plural form. Could it not then retain, exceptionally perhaps, an earlier singular form disguised as a plural? There is of course no question of locative meolcum being, even synchronically, just a dative plural; since there is no corresponding plural form in the other cases. The suggestion is merely that -um here could be identified in some marginal sense with the same termination of the dative plural, i.e. that the relation was not one of pure homophony. This could have secured the survival of the originally singular form. Similarly, while it is implausible to assume that heafdum is a simple survival of an old instrumental-locative singular, it is also implausible to assume that it was formed purely on the analogy of fotum. For why should the formula with 'foot' influence that with 'head' rather than vice-versa? But if the form already existed, it is understandable that it could be maintained through such an analogy. The suggestion is that two old forms survived because they were capable of being re-interpreted. If they are the only ones of their kind to survive, it is because such a re-interpretation was not available in otherwise parallel instances. SCHOOL OF ORIENTAL AND AFRICAN STUDIES UNIVERSITY OF LONDON
HERBERT E. BREKLE
ON THE SYNTAX OF ADJECTIVES DETERMINING AGENT NOUNS IN PRESENT-DAY ENGLISH
1.0. The following remarks are intended to clarify — though only in a preliminary way — the overall syntactic conditions underlying the following types of syntactic groups: (1) structural linguist (2) good student (3) deaf worker. These three types of adjective + substantive (agent noun) constructions are meant to exemplify the now commonly held hypothesis that adjectives in attributive position to a substantive may be derived from two basically different types of sentences: rectional sentences (i.e. sentences containing a full verb) and copula sentences.1 The aim of this paper is to analyse a special sub-group of adjective + substantive constructions, namely those where the determined substantive is an agent noun and where the determining adjective is derived either from a verbal complement (object or adverb) of a rectional sentence or from an adjective in predicative position in a copula sentence. Within the range of the problem so far stated we distinguish two classes of agent nouns: agent nouns directly derived from a verb by means of the -er suffix, and agent nouns that have no direct derivative connection with an underlying verb or noun (there may be a derivative connection with an underlying noun, i.e. logician, 1 Cf. e.g. H. Marchand, "Expansion, Transposition and Derivation" (in La Linguistique 1 [1967], 13-26), q. ETD; —, "On attributive and predicative derived adjectives and some problems related to the distinction" (in Anglia 84 [1966], 131-149), q. APA; W. Motsch, Syntax des deutschen Adjektivs (= Studia Grammatica, III) (Berlin, 1965). Charles Bally was probably the first to point out the basic difference between these two types of sentences. For precise references see Marchand, ETD, fn. 2. Furthermore F. Schmidt points out the related distinction between predication, which he calls "aktualer Satz", and attribution, — called "potentieller Satz"; both are described as universally valid modes of grammatical constructions. See: Logik der Syntax (4th rev. ed., Berlin, 1962), 60ff.; Zeichen und Wirklichkeit: Linguistisch-semantische Untersuchungen (Stuttgart, 1966), 27 ff. Some semantic implications of the distinction between predication and attribution are discussed tentatively by U. Weinreich, "Explorations in Semantic Theory", in Current Trends in Linguistics (ed. Th. A. Sebeok), III: Theoretical Foundations (The Hague, Mouton, 1966), 394-477. See especially 420ff. As a whole my article answers some of the critical remarks put forth by W. Winter, "Transforms without kernels?" Lg., 41.484-489 (1965).
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flutist etc.). All these agent nouns nevertheless fit into the same syntactic and semantic pattern displayed by derived agent nouns. The first class of agent nouns will be called REGULAR AGENT NOUNS, the second class may be termed QUASI-AGENT NOUNS.2 1.1. We may now formulate the problem under discussion by dividing it into three questions: 1.1.1. Which class of adjectives occurs only in attributive position and what are the defining syntactic conditions? 1.1.2. Which class of adjectives occurs attributively as well as predicatively but does not result in a semantic paraphrase in the two positions? 1.1.3. Which class of adjectives may be used both attributively and predicatively resulting at the same time in a semantic paraphrase in the two positions? 1.2. This tri-partite division of adjectives in attributive position to agent nouns is correlated with their different transformational origin in the deep structure of three types of underlying kernel sentences: (1.1.1.): This class of adjectives (e.g. structural linguist) may only be derived from the object and/or adverbial position in a rectional sentence. Adjectives derived from object position appear on the surface structure of a sentence only under the form of desubstantival adjectives — derived by means of the suffixes -al, -ar, and -ic.3 This statement is not reversible: not all elements of this class of desubstantival adjectives exhibit this type of syntactic behavior; some of them may belong to the class of adjectives discussed under 1.1.2.4 The other subclass of this type of adjectives derives from the adverbial position in a rectional sentence. The underlying adverbs are those of time, place and manner (this order seems to reflect the frequency of occurrence of the derived adjectives). 5 Following Marchand (see above fn. 3) we may term elements of this class of adjectives TRANSPOSITIONAL ADJECTIVES.
(1.1.2.): The defining criterion of this class of adjectives (e.g. good student) seems to be — apart from the possibility of using them in attributive as well as in predicative position — that — when used attributively — they originate in the deep structure of a rectional sentence from adverbial position only. The specifying feature of the underlying adverbs is that they belong to the class of adverbs called 'manner adverbs' and 'adverbs of degree'. 6 It should be noted that elements of this 2 8
Following Marchand, APA, 2.6.5.
For fuller information on this point see H. Marchand, The Categories and Types of Present-day English Word-formation: A Synchronic-Diachronic Approach (Wiesbaden, I960), 4.6.1 ff.; 4.1.18, and 4.43.5 ff. In APA Marchand classes these suffixes as leading to "transpositional adjectives", i.e. adjectives that "on account of their origin in a rectional type of predication ... merely transpose the complement part of the verb" (APA, 1.4.). 1 Cf. for a discussion of the semantic side of such an adjective — e.g. criminal — that may belong to class 1.1.1. as well as to class 1.1.2., Marchand, APA, 2.5.5. 6 This general derivational process was recognized by Jespersen, MEG, II, 12.1 Iff. and 12.21, who termed its result "shifted subjunct-adjuncts". 6 Cf. Jespersen, MEG, II, 12.241: "It is notable that adjectives indicating size {great, small etc.) are used as shifted equivalents of adverbs of degree {much, little etc.)." It should be noted that many of our recent discoveries in the field of grammar were already known to Leibniz and his
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class of adjectives lead to semantic non-equivalence of the constructions containing them in attributive or predicative position. Consequently, adjectives occurring in this latter position are considered to be base forms and may be viewed as a special subclass of the type 1.1.3. These two criteria distinguish this type of adjectives from the following type 1.1.3. as well as from the preceding type 1.1.1. (1.1.3.): Eventually we may posit that class of adjectives which derives from the nominal part of the predicate in copula sentences (e.g. deaf worker). The defining criteria of the subclasses of this type of adjectives are — as we shall see later on — more of a semantic than of a syntactic character. Semantically speaking, attributive and predicative use of these adjectives leads to semantic equivalence of the constructions in which they occur. In both cases these adjectives determine directly an agent noun that functions as a whole as the head of the construction [adj + ag noun] or [ag noun + is + adj]. 2.0. In the following sections of this paper we shall try to give some empirical support to the claims made under 1.1.1.-1.1.3. The mode of presentation of the proposed solutions will to a certain extent be a formal one, though no attempt is made to supply a complete ramification of the procedures and results within the framework of transformational grammar. (This may be done when the problem under discussion is dealt with on a larger scale.) Yet, it is assumed that the results found are consistent with any linguistic theory based upon the principles of modern symbolic logic. 2.1. As already indicated under 1.0. we distinguish within the scope of this paper two classes of agent nouns: 2.1.1. regular agent nouns that are directly derived from transitive7 as well as from intransitive verbs by means of the -er suffix. This class of agent nouns may again be split up into animate and inanimate agent nouns (e.g. worker and lighter), though this latter division is not relevant to an investigation of the syntactic behavior of agent nouns in general. The same holds true with compounded agent nouns (e.g. bookseller, bricklayer etc.) which from a purely syntactic point of view are nominalized sentences8: He (-er) sells books, etc. On the morphological surface these agent nouns should, however, be treated as compounds and not as derivatives. contemporaries (cf. e.g. the Grammaire générale et raisonnée of Port-Royal (1660); éd. crit.: Herbert E. Brekle, Stuttgart-Bad Cannstatt, 1967). Thus, the transformational equivalence between certain adjectives which indicate size and certain adverbs of degree was recognized by Leibniz : "... adverbium se habet ad verbum ut adjectivum ad nomen substantivum. Ita valde potito, et sum magnus potator, idem significant." (Louis Couturat, Opuscules et fragments inédits de Leibniz, Paris, 1903, 282). 7 There is a small subclass of transitive verbs — i.e. verbs that admit of a direct object — which cannot be transformed to form a passive sentence and which do not derive regular agent nouns or action nouns. These verbs are commonly called MIDDLE VERBS (e.g. weigh, cost, have, suit, resemble, mean, etc.). A similar restriction seems to hold with certain subclasses of copulative verbs and with the copula be itself (e.g. become, seem, appear, etc.). See R. B. Lees, The Grammar of English Nominalizations (Sec. printing, The Hague, Mouton, 1963), 7f. 8 Cf. for a fuller treatment H. Marchand, "The Analysis of Verbal Nexus Substantives", Indogerma-
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Eventually we may note that — semantically speaking — the class of regular agent nouns can be split up into a sub-class that has the semantic feature 'habitualness (of an action)' and another sub-class which would lack this semantic feature ( = 'nonhabitualness'). These features may be disjunctively connected with the same form: e.g. He is the writer of that letter vs. He was the greatest writer of his age.9 In a somewhat formalized manner the transformational process10 of generating regular agent nouns may be stated as follows:
(1) where Subjl aan/ln n / i n = animate or inanimate subject V, = Transitive verbs ( # middle and copulative verbs) Vi = intransitive verbs (Obj) = direct object is facultative 2.1.2. Quasi-agent nouns are — morphologically speaking — not derived from a verbal base. They may not be derivatives at all (e.g. husband, surgeon, father etc.) or they may be derived from a nominal base, mostly on a neo-latin basis (e.g. linguist, logician, scholar, flutist, etc.). Yet, as we shall see later, they all behave syntactically alike insofar as any member of the two sets of regular and quasi-agent nouns does contain a functional element — whether overtly statable or not — denoting a specific activity performed by a person or by a material object. It seems that quasi-agent nouns are necessarily tied up with the semantic feature of 'habitualness' implicit in the covertly existing verbal kernel of the construction. Consequently there seems to exist no generalizing rule for the generation of quasi-agent nouns ; they would therefore find their place in the lexicon component of a transformational model of language. The following sections will be devoted to the discussion of the syntactic regularities of the three main classes of adjectives determining agent nouns as mentioned before under 1.1.1.-1.1.3. 2.2. The first class of adjectives determining agent nouns discussed in some detail will be of the type structural (linguist), federal (printer), continental (scholar), dialectal (geographer); nuclear (physicist; heretic (preacher); early (riser), our then (commander); local player; etc. The defining criterion for this class of adjectives (mentioned above under 1.1.1.) nische Forschungen, 70 (1965), 57-71; a n d : —, " O n the Analysis of Substantive Compounds and suffixal derivatives not containing a verbal element", IF, 70 (1965), 117-145. • Cf. the insightful remarks on the semantics of agent nouns made by David Daube, "Sponsor and the History of Contract", Law Quarterly Review, 62 (July 1946), 266-272. (I owe this reference to Richard Epstein, Yale University.) 10 In 1921 Edward Sapir clearly recognized the transformational connection between verbs and agent nouns formed by means of the 'agentive' suffix -er: "The word farmer has an agentive suffix -er. — It transforms the verb to farm into an agentive noun precisely as it transforms the verbs to sing, to paint, to teach into the corresponding agentive nouns singer, painter, teacher." (Language, ch. V, 83, Harvest Book).
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is that they originate in the position of verbal complements in rectional sentences and that they may not occur in predicative position in copula sentences (e.g. *the linguist is structural). In order to prove this assumption we may set up a sentence frame which gives us the means of testing empirically the relation between the syntactic construction under discussion here (i.e. [adj tp + agent noun], where adjlp means 'transpositional adjective') and the type of rectional kernel sentence underlying it (i.e. [Subject + verb + verbal complement]). We do not intend to develop all of the constructional subclasses of this type of adjective ( = adj tp ), nor is it the aim of this paper to give detailed transformational rules which expose the intermediate steps leading from the kernel sentence to the syntactic construction [adj tp + agent noun]. What we shall be doing here is rather to state roughly some transformational connection between a certain type of kernel sentence — which is the initial string — and a certain type of syntactic construction which is the terminal string of symbols within the framework adopted here. 2.2.1. The following example is meant to clarify the procedure: presidential adviser. This syntactic group may be represented by a string of symbols as: [adj tp + ag noun]. The underlying kernel sentence which reflects the covertly existing syntactic relationships between the elements of the group [adj tp + ag noun] may be of the form He advises the president; in symbolic notation: [Subjpers + V, + Obj pers ] (the subscript '- pers ' indicates that in this case the transitive verb advise (Vt) requires both a 'personal' subject and a 'personal' object.) In a more concise notation it will become clear that our first example belongs to a special subclass of [adj tp + ag noun]-constructions: [Subjpers + V, + Obj pers ] => [adj tp + ag noun] He advises the => presidential adviser president There is an obvious correlation on the one hand between [Subjpers + V t ] and He advises [ag noun] ; u on the other hand between [Obj pers ] and [adj,p]. This is to say that the adviser president presidential determinatum (head) of the syntactic group ( = agent noun) is derived from the elements constituting the [Subj + V] part of the kernel sentence, whereas the determinans (modifier) ( = adj tp ) derives from the direct object [Obj] of the kernel sentence. This correlation or transformational equivalence between [Subj + V] and [ag noun] on the one hand, and [Verbal complement] and [adj tp ] on the other hand is valid for all constructions of the type [adj tp + ag noun] with a rectional sentence as its transformational origin. The symbol [Verbal complement] may be replaced by (1) direct object, (2) adverbs of time, place, and manner, (3) prepositional object. 11
Cf. the transformational rule (1) for constructing regular agent nouns given above under 2.1.
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Examples: (1) direct object: He advises the president —• presidential adviser (2a) adverb of time: He commanded us then -> Our then commander (2b) adverb of place: They play in the town ->• local players (2c) adverb of manner: He drinks habitually -» habitual drinker (3) prepositional object: He prints for the government -* governmental printer The correlations exhibited in the above examples may be subsumed tentatively under the following formula: (2)
"Obj dir Obj p r e p _Adv t/p/m _
{-al, -ar, -ic}~
+
=> adj t p 0
where in the case of Objpitp the preposition is deleted, and where with Adv the adverbial morpheme {-ly} is deleted. 2.2.2. We may now tentatively combine the rule for generating regular agent nouns (1) with the rule for the generation of transpositional adjectives (2) to yield rule (3): V, + (Obj) (3)
Subj an/in + Vi
(Obj dir ) Obj p r e p Adv* t / m
J
Obj p r e p Adv '/m J_
(Obj) + V t + -er + adj t p V, + -er
If the facultative symbol (Obj) is chosen within the first square brackets and becomes thus integrated into the agent noun (e.g. bricklayer), then the position of (Obj dir ) has to remain empty; if on the other hand (Obj dir ) is chosen, it is automatically transformed into adj t p ; i.e. the two symbols mutually exclude each other. Furthermore a subsidiary rule has — in order to ascertain the grammatical correctness of the terminal string — to rearrange adj t p into prenominal position (i.e. before the agent noun: adj t p + ag noun. We have to be well aware of the fact that rule (3) gives only some overall information about the transformational relationships existing between the assumed kernel sentence (left of the arrow) and the terminal string (right of the arrow). More information about the details of the transformational process that leads — step by step — from the initial string to the terminal string can be gained by constructing tree diagrams with a matrix sentence plus two constituent sentences embedded in it. The embedding of the first constituent sentence into a matrix sentence of the copula type would generate a sentence with an agent noun as predicate. The second constituent sentence would lead to the expansion of the predicate by means of rule (2) given above (with the necessary deletions properly applied). 2.2.3. There is a further equivalence relation inherent in both the initial string
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(i.e. [Subj + V + Verbal complement]) and in the terminal string (i.e. [adj, p + ag noun]) insofar as the verbal complement determines the verb in the initial string and the adj tp determines not the whole agent noun but only its verbal kernel.12 This assumption seems to hold for regular agent nouns as well as for quasi-agent nouns; with this latter type of agent nouns the verbal kernel exists only covertly in some highly abstract deep structure (e.g. linguist *- He studies languages, descriptive linguist *He studies languages descriptively where descriptively itself has a rather complex transformational history. It seems to be intuitively evident that this special type of manner adverb determines both grammatically and semantically the verb phrase of the sentence). The following graph is meant to show the parallelism of the determinational relations13 inherent in the two constructions (i.e. kernel sentence and its transformational result [Adj tp + ag noun]): S
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BRODER CARSTENSEN
u.a. Wegen der Schwierigkeiten der Unterscheidung dieser beiden Möglichkeiten nennen wir auch diese Fälle Mischkomposita oder hybrid Compounds. Es sind nun noch die Beispiele zu besprechen, in denen in der Gruppe 6 die Position F 3 betroffen ist. Solche Fälle müssen selten sein, da es sich um Wendungen handelt, die ein Verb enthalten. Bekannt sind aber die Möglichkeiten eine Speech machen (nach to make a speech) und jemand die Show stehlen (nach to steal the show from somebody, to steal somebody's show), in denen ein Wort der fremden Wendung unübersetzt übernommen ist, die anderen aber wörtlich übersetzt worden sind. Sie wären entsprechend am besten Mischwendung oder hybrid phrase zu nennen. Es gibt nun noch zwei weitere Möglichkeiten, die sich nicht direkt an unser bisheriges Schema anpassen und die wir daher am Schluss besprechen. Den ersten Fall (Kategorie 7) nennen wir im allgemeinen Doppelentlehnung oder double loan, d.h. ein englisches Wort kann zweimal (theoretisch auch drei- und mehrmal) in die deutsche Sprache übernommen werden, wie etwa Twist zeigt, das zuerst als ,Baumwollgarn', dann als ,ein Getränk aus Branntwein, Bier und Eiern' und in unseren Tagen als ,Art von Modetanz' in die deutsche Sprache kam. Weitere Beispiele sind Steckenpferd (zuerst in übersetzter Form ins Deutsche gekommen) und Hobby, fashionable und fesch, Racket, Set, Service, Slip etc.22 Diese Möglichkeit, die nur für F x und F 2 belegt ist, lässt sich darstellen als (a) F H 1 ; H 2 , H 3 ... z.B. Steckenpferd, Hobby, (b) F ->• H 1( Hj, H j ... z.B. Slip, Service. Steckenpferd und Hobby, fashionable und fesch (neben fäsch) sowie andere Fälle zeigen, dass in dieser Kategorie noch genauer differenziert werden müsste, wenn alle Möglichkeiten erfasst werden sollen. Mehrfachentlehnung wäre ausserdem genauer als Doppelentlehnung; sie kommt jedoch selten vor. Die achte Gruppe endlich besteht aus den Fällen, in denen das Wortmaterial aus dem Englischen stammt, die Bildung als Ganzes aber nur scheinbar englisch ist, wie dressman, twen, the happy twenties, fanny und southern zeigen. Diese Fälle nennen wir Scheinentlehnung oder pseudo-loan und stellen sie dar als *F H ; sie kommen bei Fj und F 2 vor. Schliesslich muss noch erwähnt werden, dass ein fremdsprachiger Ausdruck auch in mehr als einer Kategorie in die aufnehmende Sprache eindringen kann. Viele der sogenannten international words („those that are sufficiently common to most west European languages to have a similar spelling and meaning, in spite of widely differing pronunciations") 23 sind auch als Lehnwörter im Deutschen bekannt. International words können auch als Lehnübersetzung oder Lehnübertragung oder Lehnschöpfung gleichzeitig bekannt sein oder werden und dabei jeweils mehr als einen Versuch der Wiedergabe haben. Von den Möglichkeiten, public relations im Deutschen wiederzugeben, hat sich die Lehnübertragung Öffentlichkeitsarbeit heute weitgehend durch22
Weitere Beispiele bei Carstensen 1965, 257 f. ** Terminus nach Haugen 1950, 227 f. Vgl. auch Morton W. Bloomfield and Leonard Newmark, A Linguistic Introduction to the History of English (New York, 1964), 363.
DEUTSCH-ENGLISCHE LEHNBEZIEHUNGEN
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gesetzt, aber auch die Lehnschöpfung Meinungspflege ist bekannt; geringeren Verkehrswert haben Pflege der öffentlichen Beziehungen, Kontaktpflege, Auslandsarbeit. Am häufigsten wird jedoch Public Relations selbst gebraucht. Do-it-yourself wird meistens in der direkten Übernahme im Deutschen angewendet, aber bekannt sind auch die Lehnübersetzung macHs selbst und die Lehnschöpfung handwerkliche Selbsthilfe. Show business ist in dieser Form am häufigsten, aber auch Schaugeschäft und Schaugewerbe werden verwendet. Der vorliegende Versuch einer Systematisierung unserer Terminologie des Lehnvorganges ist fast ausschliesslich auf die Übernahme englischer Wörter und Wendungen ins heutige Deutsch begründet. Weitere Sprachen und die Folgen sprachlicher Wechselwirkungen müssten herangezogen werden, bevor man zu wagen beginnen kann, die aufgeführten Kategorien als vollständig zu bezeichnen. Sicherlich werden Modifikationen des hier Dargebotenen erforderlich sein, vielleicht besonders in der Terminologie, aber das Bemühen um ein System könnte zu weiteren Untersuchungen Anlass geben, und die Kritik an diesem Versuch könnte unsere Kenntnis der Vorgänge beim Lehnprozess erweitern. Schwierigkeiten könnten sich besonders bei der Anwendung der für die Synchronic erarbeiteten Kategorien auf die Diachronie ergeben: sprachliche Vorgänge sind vielschichtig und komplex und lassen sich nicht ohne weiteres in eine einfache Formel zwängen. Grundsätzlich müssen wir Bloomfield und Newmark zustimmen: The causes of word-borrowing are complex and are not fully understood as yet. We may conjecture that prestige, tradition, and historical accident all enter into the process. By studying borrowing carefully and in the context of the recipient language, we may understand the reasons for certain individual borrowings. It is important in the „borrowing" situation not merely to concentrate on the donor language as has so far largely been the procedure, but also to study the relevant circumstances, if they can be re-created, in the recipient language. Empiric studies in word-borrowing which take the whole situation into consideration are badly needed. Although we do have some information to go on, it may be some time before adequate generalizations about word-borrowing can be made.24 UNIVERSITÄT HAMBURG SEMINAR FÜR ENGLISCHE SPRACHE UND KULTUR
"
Ibid., 364.
EUGENIO COSERIU
ADAM SMITH U N D DIE ANFÄNGE DER SPRACHTYPOLOGIE
Lieber Herr Marchand! Sehr gerne hätte ich für Sie einen Aufsatz über ein Problem aus Ihrem Lieblingsgebiet, der Wortbildung, geschrieben. Das wäre wahrscheinlich zur Würdigung des Gelehrten auch angemessener gewesen. Da ich aber in Ihnen nicht nur den Gelehrten, sondern auch den Menschen hochschätze, habe ich mir erlaubt, Ihnen etwas zu überreichen, was für den ganzen Menschen bestimmt ist. Als deutscher Anglist und Romanist vereinen Sie in sich die Vorzüge des deutschen, des angelsächsischen und des romanischen Geistes. Deshalb habe ich mich entschlossen, an ein älteres und bisher als solches unbekannt gebliebenes Zusammentreffen englischer und deutscher Ideen zu erinnern, das sich überdies an erster Stelle auf die romanischen Sprachen bezieht. Ich glaube, dass dies dem lieben Freund Marchand eher gebührt und möchte hoffen, dass es auch dem Gelehrten Marchand nicht ganz unangemessen sein wird. Ihr E.C.
1. Den Namen Adam Smith vermisst man, soweit ich unterrichtet bin, in allen Darstellungen und Bibliographien der Sprachtypologie. Auch die Geschichten der Sprachwissenschaft erwähnen ihn nicht in diesem Zusammenhang. Das Übliche ist, dass die Geschichte der Sprachtypologie mit Friedrich Schlegel, Über die Sprache und Weisheit der Indier (Heidelberg, 1808), und August Wilhelm Schlegel, Observations sur la langue et la littérature provençales (Paris, 1818), beginnt. Das ist umso erstaunlicher, als Adam Smith ein bemerkenswerter Wegbereiter der Sprachtypologie gewesen ist und gerade die Theorie August Wilhelm Schlegels zum grossen Teil von ihm abhängt. M. H. Jellinek, Geschichte der neuhochdeutschen Grammatik, I (Heidelberg, 1913), 31, schreibt, dass Adam Smith keinen Einfluss auf die deutsche grammatische Theorie ausgeübt zu haben scheine.1 Wir werden jedoch sehen, dass Smith, zumindest was die Sprachtypologie betrifft, sogar einen sehr wichtigen Einfluss ausgeübt hat, da die seit August Wilhelm Schlegel traditionelle Unterscheidung zwischen synthetischen und analytischen Sprachen von ihm stammt.2 Otto Funke, Englische Sprachphilosophie im späteren 18. Jahrhundert (Bern, 1934), 24-31, gibt eine vorzügliche Darstellung 1
Es sei jedoch bemerkt, dass das Werk Jellineks nur bis Adelung geht. Merkwürdiger ist jedenfalls, dass Eva Fiesel, Die Sprachphilosophie der deutschen Romantik (Tübingen, 1927), den Namen Smith überhaupt nicht erwähnt. 2 Übrigens hat Adam Smith auch August Wilhelm Schlegels Auffassung von Ursprung und Frühgeschichte der Sprache beeinflusst, und durch August Wilhelm Schlegel auch die Auffassung Fichtes.
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und Analyse der Ideen Smiths und benutzt sogar anstelle der Smith'schen Termini (uncompounded und compounded languages) die durch die Sprachtypologie geläufig gewordenen Ausdrücke SYNTHETISCH und ANALYTISCH, die bei Smith nicht vorkommen. Er bemerkt aber nicht, dass es sich dabei um die ersten Anfänge der Sprachtypologie handelt und stellt keinen Zusammenhang fest zwischen Smith und der späteren deutschen Theorie. Auf diese Anfänge und auf diesen Zusammenhang soll hier hingewiesen werden. 2.1. Die Sprachtypologie Smiths ist in seiner Dissertation on the Origin of Languages enthalten (vollständiger Titel: Considerations Concerning the First Formation of Languages and the Different Genius of Original and Compounded Languages), die als Anhang zu seinem Werk The Theory of Moral Sentiments erschienen und später immer wieder zusammen mit diesem Werk gedruckt worden ist.3 Der erste und besser bekannte Teil dieser kurzen Dissertation enthält die Smith'sche Theorie vom Ursprung der Sprache. Diese Theorie, vor allem was die These betrifft, dass sich die allgemeinen Namen (Appellativa) aus individuellen Namen (Eigennamen) entwickelt hätten, ist schon von Antonio Rosmini, Nuovo saggio sull'origine delle idee (Rom, 1830), I, 3, 4, einer vernichtenden und heute noch geltenden Kritik unterworfen worden. Dieser erste Teil soll uns hier nicht beschäftigen. Wir wollen uns auf den zweiten, typologischen Teil beschränken (in der von uns benutzten Ausgabe: 530538), der auch objektiv für die Geschichte der Sprachwissenschaft viel wichtiger und interessanter ist, da er nicht auf willkürlich angenommenen anthropologischen Hypothesen beruht, sondern, zumindest in seinem rein beschreibenden, wenn auch nicht im erklärenden Aspekt, auf eigenen Beobachtungen. Es stimmt zwar, dass dieser Teil in gewissem Grade vom ersten Teil abhängt und begrifflich bestimmt wird, da der analytische Charakter der modernen Sprachen als ein weiterer Schritt in der von Smith angenommenen Entwicklung des Denkens in Richtung auf die allgemeinen Begriffe und auf die Abstraktion aufzufassen ist. Als Feststellung, Gegenüberstellung und Deutung von sprachlichen Verfahren und als Versuch, das Typologische durch historische Ursachen zu erklären, ist jedoch der typologische Teil der Dissertation vom glottogonischen Teil unabhängig und kann getrennt betrachtet werden. 2.2. Adam Smith unterscheidet zwei Sprachtypen: die Sprachen, die er primitive, simple, original, uncompounded und die, die er compounded languages nennt. Er fasst diese Typen zugleich als strukturell, als allgemein-evolutiv bedingt und als konkret-historisch bedingt auf. In der ersten Hinsicht, d.h. vom rein beschreibenden Gesichtspunkt aus, handelt es sich um das, was später synthetisch' und,analytisch' genannt werden sollte. In der zweiten Hinsicht sind es alte und moderne oder, besser, ältere und neuere Sprachen. Vom dritten Gesichtspunkt aus sind es reine oder reinere ' Ich benutze hier die Londoner Ausgabe von 1861, wo die Dissertation, 507-538 zu lesen ist. Als Erscheinungsjahr der Dissertation wird üblicherweise 1759 angegeben, das Jahr der ersten Auflage der Theory. Dugald Stewart, der die von uns benutzte Ausgabe erstmals herausgegeben hat, meint jedoch, dass die Dissertation erst der zweiten Auflage der Theory angehängt worden sei. Die ersten Auflagen des Werkes waren mir nicht zugänglich.
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(nicht gemischte) und gemischte Sprachen. Der massgebende Gesichtspunkt ist jedenfalls für Smith der dritte, da auch die Bezeichnungen der beiden Typen diesem Gesichtspunkt entsprechen. 4 Was das Sprachstrukturelle betrifft, so wäre der eine Sprachtypus auf der Ebene der materiellen grammatischen Verfahren durch die Flexion (Deklination und Konjugation) charakterisiert, der andere durch den periphrastischen Ausdruck der sprachlichen Funktionen, wofür Smith die Bezeichnung composition (offensichtlich dem Begriff ,Syntax' entsprechend) gebraucht: es wären sozusagen .morphologische' und .syntaktische' Sprachen oder, moderner ausgedrückt, paradigmatische und syntagmatische Sprachen. Als Verfahren, die der composition entsprechen, erwähnt Smith mehrmals und in verschiedenen Zusammenhängen den Gebrauch von Präpositionen für die Kasusfunktionen und den Gebrauch von Hilfsverben. Die beiden Arten von Verfahren können in einer nicht-,primitiven' Sprache zusammen vorkommen, jedoch gemäss einem allgemeinen Prinzip, das von Smith folgendermassen formuliert wird: In general, it may be laid down for a maxim, that the more simple any language is in its composition, the more complex it must be in its declensions and conjugations ; and, on the contrary, the more simple it is in its declensions and conjugations, the more complex it must be in its composition. (532) Also : je mehr paradigmatische Bestimmungen, desto weniger syntagmatische Bestimmungen und umgekehrt, d.h. genau das Prinzip, das später und sogar bis heute bei der Charakterisierung der sogenannten synthetischen und analytischen Sprachen immer wieder angewandt wird. Inhaltlich würde die Flexion konkreteren, die composition dagegen abstrakteren, allgemeineren Ideen und Vorstellungen entsprechen. Diese Seite der Typologie, die den von ihm im ersten Teil der Dissertation vertretenen Meinungen genau entspräche, wird jedoch von Smith kaum beachtet, wogegen er von den materiellen sprachlichen Verfahren immer wieder und anhand von verschiedenen Beispielen spricht. Die zweite, allgemein-evolutive Gegenüberstellung (ältere und neuere Sprachen) wird von Smith nur flüchtig berücksichtigt, da er sie im Grunde auf die dritte zurückführt. Es scheint zwar manchmal, dass er auch einen normalen Entwicklungsprozess zulässt und für die composition nicht unbedingt Sprachmischung voraussetzt. So z.B. 535: 4
O. Funke, op. cit., 24, Anm. 1, schreibt, dass der Ausdruck „compounded] languages" im Titel der Dissertation „analytisch gebildete Sprachen" besagt. In Wirklichkeit bedeutet der Ausdruck bei Smith ausschliesslich gemischte Sprachen. So schreibt er z.B. : „The French and Italian languages are each of them compounded, the one of the Latin, and the language of the ancient Franks, the other of the same Latin, and the language of the ancient Lombards" (533) ; „The English is compounded of the French and the ancient Saxon languages" (534); das Altgriechische dagegen wäre „in a great measure, a simple, uncompounded language" (532-533). Irreführend ist für Funke wahrscheinlich die Tatsache gewesen, dass Smith für seine compounded languages die composition als charakteristisches grammatisches Verfahren nennt. Der Ausdruck composition wird jedoch von Smith auch für die Sprachmischung verwendet: „The Latin is a composition of the Greek and of the ancient Tuscan languages" (533).
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In language ... every case of every noun, and every tense of every verb, was originally expressed by a particular distinct word, which served for this purpose and for no other. But succeeding observation discovered, that one set of words was capable of supplying the place of all that infinite number, and that four or five prepositions, and half a dozen auxiliary verbs, were capable of answering the end of all the declensions and of all the conjugations in the ancient languages. In der ganzen Exemplifizierung wird jedoch die composition ausschliesslich durch Völker- und Sprachmischung erklärt. 5 Die dritte Gegenüberstellung wird von Smith am ausführlichsten behandelt. Die periphrastischen Verfahren wären jeweils von fremden Bevölkerungen bei der Erlernung einer Sprache eingeführt worden. So wären z.B. im Falle des Lateinischen die ins Römische Reich eingewanderten Völker „extremely perplexed by the intricacy of its declensions and conjugations" gewesen: They would endeavour, therefore, to supply their ignorance of these, by whatever shift the language could afford them. Their ignorance of the declensions they would naturally supply by the use of prepositions. (530) Diesen Vorgang stellt sich Smith folgendermassen vor: a Lombard, who was attempting to speak Latin, and wanted to express that such a person was a citizen of Rome, or a benefactor to Rome, if he happened not to be acquainted with the genitive and dative cases of the word Roma, would naturally express himself by prefixing the prepositions ad and de to the nominative, and, instead of Romae, would say ad Roma, and de Roma. AI Roma [sic] and di Roma, accordingly, is the manner in which the present Italians, the descendants of the ancient Lombards and Romans, express this and all other similar relations. And in this manner prepositions seem to have been introduced in the room of the ancient declensions. (530-531) Auf dieselbe Weise und aus denselben Gründen habe man periphrastische Verbalformen eingeführt: A Lombard who wanted to say, I am loved, but could not recollect the word amor, naturally endeavoured to supply his ignorance by saying, ego sum amatus. lo sono amato, is at this day the Italian expression, which corresponds to the English phrase above mentioned. A Lombard who wanted to say, I had loved, but could not recollect the word amaveram, would endeavour to supply the place of it by saying either ego habebam amatum, or ego habui amatum. lo aveva amato, or lo ebbi amato, are the correspondent Italian expressions at this day. And thus, upon the intermixture of different nations with one another, the conjugations, by means of different auxiliary verbs, were made to approach towards the simplicity and uniformity of the declensions. (531) D a nun die Völker- und Sprachmischung eine graduelle ist, so wäre auch der Strukturunterschied zwischen uncompounded und compounded languages in demselben 6
O. Funke, op. cit., 29-30, bemerkt mit Recht, dass Smith hier seinen psychologisch-semasiologischen Gesichtspunkt aufgegeben hat und die beiden Sprachtypen nur noch historisch-kausal zu rechtfertigen versucht. Funke spricht deshalb von einer „Lücke im Gedankengang der Betrachtung". In der Tat müssten eigentlich die synthetischen Sprachen auf Grund der im ersten Teil der Dissertation vertretenen Thesen allmählich auch ohne Sprachmischung analytischer werden.
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Mass ein gradueller. Das Altgriechische z.B. wäre fast rein original; daher auch die Komplexität seiner Flexion. Latein wäre eine Mischung von Griechisch und Etruskisch, und somit wäre seine Flexion weniger kompliziert als die griechische. Das Italienische und das Französische wären sozusagen Mischungen zweiten Grades, nämlich des Lateins mit dem Langobardischen, bzw. dem Fränkischen. Aus diesem Grunde wären sie noch komplexer in der composition, aber noch einfacher in der Flexion als das Lateinische. Das Englische schliesslich wäre eine Mischung dritten Grades, nämlich von Französisch und „the ancient Saxon language". Es wäre deshalb „more complex in its composition than either the French or the Italian", dafür aber „more simple in its declensions and conjugations". Aus diesem Grunde hätte das Englische auch mehr Hilfsverben: neben to be und to have noch do, did, will, would, shall, should, can, could, may, might (532-535). Smith ist so sehr von seiner historisch-kausalen Erklärung überzeugt, dass er sogar für das Neugriechische Sprachmischung (wie es scheint, mit dem Türkischen) annehmen möchte: The same alteration [im Bereich der Deklination] has, I am informed, been produced upon the Greek language, since the taking of Constantinople by the Turks. The words are, in a great measure, the same as before; but the grammar is entirely lost, prepositions having come in the place of the old declensions. (531) 2.3. Zu dieser Charakterisierung fügt Smith noch eine ästhetische Bewertung der Sprachen hinzu. Gegenüber dem im ersten Teil der Dissertation vorausgesetzten logischen Fortschritt nimmt er hier einen ästhetischen Verfall an (536-538). Die Vereinfachung der Flexion mache die Sprachen in ästhetischer Hinsicht „more and more imperfect", weswegen sie dann auch für die Dichtung weniger geeignet würden. Drei Züge der modernen Sprachen betrachtet er von diesem Gesichtspunkt aus als negativ : (a) diese Sprachen seien umständlicher als die alten (sie brauchen mehrere Wörter für das, was in den alten Sprachen durch ein einziges Wort ausgedrückt wurde); (b) sie seien „less agreeable to the ear" (und zwar wegen der geringeren Varietät der Endungen); (c) die Wortfolge sei in diesen Sprachen viel weniger frei. Deshalb seien auch „prolixness, constraint and monotony" für die modernen Sprachen charakteristisch. 3.1. Alle sprachtypologischen Ideen von Smith kehren bei August Wilhelm Schlegel in dessen Observations wieder. Schlegel unterscheidet nämlich mit denselben Kriterien wie Smith zwischen den Sprachen, die er synthetisch und analytisch nennt (S. 16). Als synthetisch tritt jedenfalls bei ihm neben das Latein und das Griechische noch das Sanskrit hinzu, das „encore plus strictement synthétique" sei (S. 17). Auch für Schlegel, und sogar ausdrücklicher als für Smith, würden die synthetischen und analytischen grammatischen Verfahren gewissen Inhaltstypen oder Denkweisen entsprechen (was zugleich einer Bewertung der logischen Qualitäten der alten und der neuen Sprachen gleichkommt):
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Elles [die synthetischen Sprachen] appartiennent à une autre phase de l'intelligence humaine: il s'y manifeste une action plus simultanée, une impulsion plus immédiate de toutes les facultés de l'ame que dans nos langues analytiques. A celles-ci préside le raisonnement, agissant plus à part des autres facultés, et se rendant par conséquent mieux compte de ses propres opérations. Je pense qu'en comparant le génie de l'antiquité avec l'esprit des temps modernes, on observera une opposition semblable à celle qui existe entre les langues. Les grandes synthèses créatrices sont dues à la plus haute antiquité ; l'analyse perfectionnée étoit réservée aux temps modernes. (27-28) Auch bei Schlegel entspricht die strukturelle Unterscheidung einer Gegenüberstellung alt - m o d e r n : L'origine des langues synthétiques se perd dans la nuit des temps; les langues analytiques, au contraire, sont de création moderne : toutes celles que nous connoissons, sont nées de la décomposition des langues synthétiques. (16) Ferner behält er auch die Gegenüberstellung rein - gemischt: Mais cette transition au système analytique a lieu bien plus rapidement, et, pour ainsi dire, par secousses, lorsque, par l'effet de la conquête, il existe un conflit entre deux langues, celle des conquérans et celle des anciens habitans du pays. Voilà ce qui a eu lieu dans les provinces de l'empire occidental, conquises par les peuples germaniques, et en Angleterre lors de l'invasion des Normands. De la lutte prolongée de deux langues, dont l'une étoit celle de la grande masse de la population, l'autre celle de la nation prépondérante, et de l'amalgame final des langues et des peuples, sont issus le provençal, l'italien, l'espagnol, le portugais, le françois et l'anglois. (20) Ja noch m e h r : Schlegel bemerkt, dass auch die Mischung zweier synthetischer Sprachen zu einer analytischen Sprache f ü h r t : Et voici la plus grande singularité que nous présente la formation des langues latines mixtes : du concours de deux langues qui toutes les deux avoient une grammaire synthétique, sont nées des langues dans lesquelles le système analytique a pris le plus grand développement. (21-22) Er f ü h r t sogar weitere Beispiele der Völker- und Sprachmischung an, nämlich aus Asien, wo „la propagation du mahométisme et les conquêtes des M o g o l s " dieselbe W i r k u n g gehabt hätten wie die Völkerwanderung auf das Latein : Les anciennes langues savantes et synthétiques de la Perse et de l'Inde, le pehlwi et le sanscrit, ont été remplacées par des langues mixtes, dont la grammaire est extrêmement simplifiée au moyen des mots auxiliaires. (Anm. 8, 86) D a s Persische insbesondere wäre in dieser Hinsicht mit dem Englischen vergleichbar: Le persan moderne, sous quelques rapports, peut être comparé à l'anglois: la grammaire de ces deux langues est infiniment simple; l'une et l'autre sont composées de deux élémens hétérogènes imparfaitement amalgamés: le persan du pehlwi et de l'arabe, l'anglois de l'anglosaxon et du françois. (87) D e n historischen Vorgang der Sprachmischung stellt sich August Wilhelm Schlegel auf ähnliche Weise wie Smith vor :
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Les conquérans barbares (ils adoptèrent eux-mêmes ce nom qu'ils croyoient honorable, puisqu'il signifioit l'opposé de romain) trouvant dans les pays conquis une population toute latine, ou, selon l'expression du temps, romaine, furent en effet forcés d'apprendre aussi le latin pour se faire entendre, mais ils le parloient en général fort incorrectement; surtout ils ne savoient pas manier ces inflexions savantes, sur lesquelles repose toute la construction latine. Les Romains, c'est-à-dire les habitans des provinces, à force d'entendre mal parler leur langue, en oublièrent à leur tour les règles, et imitèrent le jargon de leurs nouveaux maîtres. Les désinences variables, étant employées arbitrairement, ne servoient plus qu' à embrouiller les phrases; on finit donc par les supprimer et par tronquer les mots ... Mais ces désinences supprimées servoient à marquer d'une manière très-sensible la construction des phrases, et la liaison des idées; il falloit donc y substituer une autre méthode, et c'est ce qui donna naissance à la grammaire analytique. (24-25) M a n vergleiche damit, was Smith über die Schwierigkeiten der eingewanderten Völker mit der „intricacy" der lateinischen Flexion sagt, und insbesondere über die Langobarden in Italien. 3.2. Auch was die ästhetische Bewertung der alten Sprachen betrifft, stimmt Schlegel mit Smith überein: „Je l'avoue, les langues anciennes, sous la plupart des rapports, me paroissent bien supérieures" (25). Von den Vorzügen der alten Sprachen, vor allem für die Dichtung, erwähnt er jedoch im Gegensatz zu Smith nur die freie Wortstellung: Un brillant avantage des langues anciennes, c'est la grande liberté dont elles jouissoient dans l'arrangement des mots. La logique étoit satisfaite, la clarté assurée par des inflexions sonores et accentuées: ainsi, en variant les phrases à l'infini, en entrelaçant les mots avec un goût exquis, le prosateur éloquent, le poète inspiré, pouvoient s'adresser à l'imagination et à la sensibilité avec un charme toujours nouveau. Les langues modernes, au contraire, sont sévèrement assujéties à la marche logique, parce qu'ayant perdu une grande partie des inflexions, elles doivent indiquer les rapports des idées par la place même que les mots occupent dans la phrase. Ainsi une infinité d'inversions, familières aux langues anciennes, sont devenues absolument impossibles. (26) 3.3. Soweit das, worin Schlegel mit Smith übereinstimmt. Er fügt aber auch viel Neues hinzu: (a) Er gibt den beiden Sprachtypen die Namen „synthetisch" und „analytisch", wodurch er zumindest terminologisch die beschreibende Typologie von der evolutiven, bzw. historischen Erklärung befreit. Durch die Erweiterung der Exemplifizierung wird ferner die Unterscheidung von Smith, die im Grunde im Bereich des üblichen Vergleichs zwischen den klassischen und den modernen Sprachen Europas blieb, zu einer allgemein typologischen. Trotzdem gebraucht Schlegel seine neuen sprachtypologischen Termini nicht mit voller Konsequenz : in einer Reihe von Fällen greift er auf den Ausdruck „langues mixtes" zurück (21, 37, 86), denen die „langues primitives et restées pures" gegenübergestellt werden (36). (b) Er baut die Unterscheidung synthetisch — analytisch in ein breiteres sprachtypologisches System, das von Friedrich Schlegel, ein. Die allgemeine Klassifizierung von Smith wird dadurch zu einer Unterteilung eines besonderen Sprachtypus, nämlich des Typus der flektierenden Sprachen: die synthetischen und die analyti-
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sehen Sprachen sind für Schlegel „genres", die zur „Klasse" der „langues à inflexions" gehören. (c) Was den evolutiven Gesichtspunkt betrifft, ist Schlegel kohärenter als Smith. Er meint ausdrücklich, dass die Entwicklung zur analytischen Sprachstruktur auch ohne Sprachmischung in der Regel eintreten müsste : Lorsque les langues synthétiques ont été fixées de bonne heure par des livres qui servoient de modèles, et par une instruction régulière, elles sont restées telles; mais quand elles ont été abandonnées à elles mêmes et soumises aux fluctuations de toutes les choses humaines, elles ont montré une tendance naturelle à devenir analytiques, même sans avoir été modifiées par le mélange d'aucune langue étrangère. (18) Als Beispiel dafür führt er das klassische Griechisch gegenüber dem homerischen Griechisch (in Bezug auf den Gebrauch des Artikels) an und die Entwicklung Gotisch — Deutsch (das Gotische wird von Schlegel als ältere Stufe des Deutschen angesehen) (18-20). (d) Bei Smith erschienen als analytische Verfahren nur der Gebrauch von Präpositionen für Kasusfunktionen und der Gebrauch von Hilfsverben. Zu diesen Verfahren fügt Schlegel noch den Artikel, den Gebrauch von Personalpronomina mit den Verbalformen und die periphrastische Komparation der Adjektive mit Hilfe von Adverbien hinzu (16). 4. Die Theorie von Schlegel, was die Unterscheidung synthetisch — analytisch betrifft, bleibt also im Grunde die von Smith. Wie bei Smith ist diese Theorie zugleich strukturell, allgemein-evolutiv und konkret-historisch. Sie wird aber einerseits erweitert und besser begründet, andererseits auf eine einzige Sprachenklasse reduziert. Es kann nun die Frage entstehen, ob Schlegel die Abhandlung von Smith wirklich gekannt hat und ob er von ihm den Kern seiner sprachtypologischen Theorie übernommen hat. Dies kann, wie ich glaube, angesichts der Übereinstimmung der beiden Theorien im ganzen und in den Einzelheiten nicht bezweifelt werden. Ausserdem wird Smith in den Observations zweimal erwähnt : einmal in Bezug auf die Diskussion über die Überlegenheit der alten oder der neuen Sprachen (25); das andere Mal gerade in Zusammenhang mit der Klassifizierung der Sprachen (Anm. 6, 85): Cette classification fondamentale des langues [die Einteilung in drei Grundtypen oder „Klassen"] a été développée par mon frère dans son ouvrage sur la langue et l'antique philosophie des Indiens, dont la première partie a été traduite en françois à la suite du traité d'Adam Smith sur Vorigine des langues. Man darf annehmen, dass sich Schlegel in seinem Werk — das auch sonst eine für seine Zeit ausserordentliche Synthese darstellt und zugleich neue Wege öffnet — auch in diesem Fall vorgenommen hat, eine Synthese zu schaffen, eben der Sprachtypologie Friedrich Schlegels und der Ideen von Adam Smith. Übrigens schreibt Schlegel nicht, dass er die Unterscheidung synthetisch — analytisch einführt, sondern, wie mir scheint, nur, dass er diese Namen vorschlägt : „Les langues à inflexions se subdivisent en
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deux genres, q u e j ' a p p e l l e r a i les langues synthétiques
et les langues
analytiques"
(16). Jedenfalls scheint es, dass Schlegel den Text von Smith nicht vor Augen gehabt hat, als ei seine Observations niederschrieb. Bezüglich der Meinungen über die alten und die neuen Sprachen schreibt er nämlich, dass Adam Smith den modernen Sprachen den Vorzug gegeben hätte (S. 25). Wir haben jedoch gesehen, dass Smith in Wirklichkeit den alten Sprachen den Vorzug gibt und sogar in derselben Hinsicht und mit derselben Begründung wie August Wilhelm Schlegel. UNIVERSITÄT TÜBINGEN ROMANISCHES SEMINAR
MILOS
DOKULIL
ZUR FRAGE DER SOG. NULLABLEITUNG 1
0.
D e r Bedarf a n N e u b e z e i c h n u n g e n wird in den u n s b e k a n n t e n Sprachen — v o n
den E n t l e h n u n g e n aus f r e m d e n Sprachen a b g e s e h e n — a u f zwei grundsätzlich verschiedenen ( j e d o c h nicht gegenseitig scharf abgegrenzten) W e g e n zufriedengestellt: 2 mittels einfacher F u n k t i o n s ü b e r t r a g u n g einer in der Sprache s c h o n
bestehenden
B e z e i c h n u n g a u f einen n e u e n aussersprachlichen Inhalt, oder aber mittels B i l d u n g einer tatsächlich n e u e n B e z e i c h n u n g ; diese k a n n lediglich in einer n e u e n W o r t k o m b i n a t i o n bestehen, die ein externes S y n t a g m a bildet, oder in einer n e u e n M o r p h e m k o m b i n a t i o n — in e i n e m internen S y n t a g m a , e i n e m wortbildend-strukturierten W o r t . i Zu diesem Begriff vgl. besonders: Hans Marchand, The Catégories and Types of Present-Day English Word-Formation (Wiesbaden, 1960), 3 u. 292-308 (dort auch ältere anglistische Literatur zu dieser Problematik); ders., „On a Question of Contrary Analysis with derivationally connected but morphologically uncharacterized words", English Studies 44 (1963), 176-187; ders., „Die Ableitung desubstantivischer Verben mit Nullmorphem im Französischen und die entsprechenden Verhältnisse im Englischen und Deutschen", Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 73 (1963), 164-179; ders., „Die Ableitung desubstantivischer Verben mit Nullmorphem im Englischen, Französischen und Deutschen", Die Neueren Sprachen 1964, 105-118; ders.: „A Set of Criteria for the establishing of derivational relationship between words unmarked by derivational morphemes", Indogermanische Forschungen 69 (1964), 10-19; ausserdem A. I. Smirnickij, Leksikologija anglijskogo jazyka (Moskva, 1956), 71-10; ders., „Tak nazyvaemaja konversija i ceredovanie zvukov v anglijskom jazyke", Inostrannyje jazyki v skole 1953, 5, 21-31 ; V. V. Passek, „Nekotoryje voprosy konversii", Voprosy jazykoznanija 1957, 1, 144-148; P. A. Soboleva, „Ob osnovnom i proizvodnom slove pri slovoobrazovatelnych otnoäenijach po konversii", Voprosy jazykoznanija 1959, 2,91-95; Ju. A. Zluktenko, „Konversija v sovremennom anglijskom jazyke kak morfologo-sintaksiceskij sposob slovoobrazovanija", Voprosy jazykoznanija 1958, 5, 53-64; für die slawischen Sprachen vgl.: R. Laskowski, H. Wrôbel, „Uzycie paradygmatu w funkcji formantu slowotwôrczego w wspôlczesnej polszczyznie", Jçzyk Polski 44 (1964), 214-220; V. V. Lopatin, „Nulevaja affiksacija v sisteme russkogo slovoobrazovanija", Voprosy jazykoznanija 1966, 1, 76-87; Miloä Dokulil, Tvoreni slov v destiné. Teorie odvozovâni slov (Praha, 1962), 62-65 und passim. Die Studie von F. Preuss: „Konversion oder zéroDérivation", Lebende Sprachen 1962-64 ist mir leider unzugänglich geblieben. 2 Wir gehen hier der Einfachheit wegen vom Gesichtspunkt der wortbildenden Vorgänge aus, es ist jedoch zu betonen, dass sich alle diese Vorgänge in die Beziehungen zwischen den Wörtern im Rahmen des lexikalen Systems projizieren. Es geht uns also nicht nur um die sich tatsächlich realisierenden Wortbildungsvorgänge, sondern auch um deren Widerspiegeln in den Beziehungen zwischen den Wörtern, die zugleich Matrizen für die Bildung neuer Wörter darstellen. (Ausführlich werden die Wechselbeziehungen zwischen dem dynamischen und statischen Aspekt der synchron aufgefassten Wortbildung in meiner hier in Anm. 1 angeführten Arbeit behandelt.)
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In diesem zweiten Fall besteht ein wichtiger Unterschied zwischen dem Fall, in dem der fundierende (zugrunde liegende) Ausdruck des neuen, fundierten (im weiteren Sinne abgeleiteten) Wortes durch ein einziges autosemantisches Wort gebildet ist, und jenem, der aus mehreren solchen Wörtern besteht. (Eine Übergangsstellung nimmt die Kategorie ein, in der der fundierende Ausdruck in der Verbindung eines autosemantischen Wortes mit einem synsemantischen — z.B. mit einem präpositionalen Ausdruck — besteht.) Im ersten Fall ist das fundierte Wort ein Derivatum, im zweiten ein Kompositum. Je nachdem durch welches Mittel die Derivation realisiert wird, unterscheidet man einesteils solche Vorgänge, bei denen die Fundations- (Derivations-) basis sich in ihrem Umfang verändert: (a) sich vorne, in der Mitte oder hinten erweitert (direkte wortbildende Vorgänge), (b) sich in denselben Stellungen verengt (indirekte wortbildende Vorgänge), (c) sich verengt und zugleich wieder erweitert, d.h. Wortanfang oder Wortende ausgetauscht werden (gemischte wortbildende Vorgänge); andernteils solche Vorgänge, bei denen sich die Basis in ihrem Umfang nicht ändert, gleichgültig, ob sich ihre Lautform durch bestimmte, obligatorische oder fakultative, Alternationen modifiziert, oder nicht. In den einzelnen Sprachen spielen diese Vorgänge verschieden wichtige Rollen und haben verschiedenen Stellenwert. Verschieden pflegt auch die Distribution dieser Vorgänge nach einzelnen Redeteilen zu sein, namentlich in Zusammenhang damit, ob das fundierte, bzw. auch das fundierende Wort flektierbar oder unflektierbar ist. In diesem Beitrag wollen wir unsere Aufmerksamkeit den Fällen der Derivation widmen, in denen sich der Basisumfang nicht ändert. 1.0. Die Fälle dieser Art bezeichnet man — j e nach der Auffassung ihres Wesens und ihrer Stelle im Gesamtsystem der wortbildenden Vorgänge der gegebenen Sprache entweder als Konversion (z.B. Kruisinga, Smirnickij), oder als Nullableitung, genauer Nullsuffixation (z.B. Bloomfield, Harris, Jespersen, Marchand). Wir möchten zur Erhellung dieser zwei gegensätzlichen Auffassungen und deren Anwendbarkeit auch auf den Typ der slawischen Sprachen beitragen. 1.1. Um die nur terminologischen Fragen im voraus auszuschliessen, empfehlen wir — mit Marchand — den Terminus der Konversion im Einklang mit dessen üblicher Interpretation als Übertritt einer Wortart in eine andere nur für jene Fälle vorzubehalten, in denen es zu einer funktionellen Umwertung einer (syntaktisch aufgefassten) Wortart in eine andere kommt, die sich keineswegs in der morphologischen Wortform äussert, und wo also kein neues Wort entsteht. 3 Es liegt hier ein analoger Widerspruch zwischen primärer (syntaktischer, jedoch bei den flektierbaren Wörtern überdies durch entsprechende morphologische Form unterstützter) Funktion des Wortes, die das Wort an und für sich, unabhängig vom Kontext innehat, und seiner sekundären, durch den Kontext geforderten und vorausgesetzten Funktion, wie bei • Nichtsdestoweniger werden durch eine derartige „unadäquate" Wortverwendung die Voraussetzungen für das Entstehen eines neuen Wortes geschaffen.
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der realsemantischen, lexikalischen Transposition zwischen direkter und undirekter (übertragener) Bedeutung, vor. 4 Es sind Fälle, die wir am ausgeprägtesten durch englische Typen the poor und stone (wall) illustrieren können. In diesen Fällen liegen also keine neuen Wörter, bzw. — vom Standpunkt der synchronen Beziehungen — kein fundierendes und fundiertes Wort vor, sondern eine primäre und eine sekundäre Funktion desselben Wortes (evtl. desselben Syntagmas). 1.2. Es drängt sich nun die Frage auf, wann wir das Recht haben, von einem wirklich neuen, bzw. von einem anderen Worte zu sprechen. Es besteht kein Zweifel darüber, dass man mit einem neuen, bzw. mit einem anderen Wort immer dann zu tun hat, wenn sich die Funktions- oder Bedeutungsverschiebung auch in der morphologischen Form des Wortes äussert (also z.B. im engl, native Adj. -> (a) native Subst., PL natives; (to) love Verb. -> (a) love Subst.). Es fragt sich jedoch, ob ein solcher direkter formaler Ausdruck auch eine notwendige Bedingung dafür darstellt, von einem selbständigen Wort zu sprechen. Unserer Meinung nach kann die Antwort nur verneinend sein. So wie der Zerfall einer lexikalen Polysemie innerhalb einer Wortart in Homonyme nicht an seine Manifestation auf der Ebene der morphologischen Form gebunden ist, kann nicht einmal der Zerfall einer funktionellen oder funktionell-semantischen Polysemie zwischen Wortarten in selbständige Wörter an deren Ausdruck in der morphologischen Form gebunden sein. Wir müssen jedoch gestehen, dass in den Sprachen, in denen die Wortarten morphologisch markant geformt sind (wir denken hier nicht an die unflektierbaren Wortarten), bei den flektierbaren Wortarten ein derartiger Fall verhältnismässig selten ist und dass man in der Regel auch hier bei einer tieferen Analyse solche grammatischen Eigenschaften aufdecken kann, die einen formalen Ausdruck eines neuen Wortes darstellen. So hat sich z.B. im Lateinischen, wo das Adjektiv nicht immer deutlich vom Substantiv differenziert ist, das Substantiv amicus vom gleichlautenden fundierenden Adverb dadurch differenziert, dass (a) es nicht drei, sondern nur ein einziges grammatisches Geschlecht hat, (b) die Kategorie des grammatischen Geschlechts hier eine nicht mehr kongruente, sondern eine selbständige Kategorie ist, (c) es keinen Komparativ und Superlativ bilden kann, (d) es nicht mehr die Derivationsbasis der adjektivischen Ableitungen, wie des Adverbs oder des nomen qualitatis sein kann (amice kann bloss aufs Adjektive, nicht aber auf das homophone Substantiv hinweisen). Analog ist die Situation bei den substantivierten Adjektiven in den neueren slawischen Sprachen, wo substantivische, formal mit den adjektivischen identische Paradigmen entstanden sind, wie russ. nopmnoü (Subst.) — öonbHoü (Adj.), tsch. hajny (Subst.) — dobry (Adj.), düchodni (Subst.) — lesni (Adj.). Ähnlich äussert sich zwar der Übertritt der qualitativen Adjektive zu Adverbien im Deutschen durch kein positives morphologisches Merkmal, sondern nur negativ durch den Verlust der Fähigkeit, das grammatische Geschlecht und die grammatische Zahl zu unterscheiden. Das Fehlen solcher tieferen formalen Unterschiede innerhalb der unflektierbaren 1
Vgl. Jerzy Kurylowicz, „Zametki o znacenii slova", Voprosy jazykoznanija
1955, 3, 78 ff.
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Wortarten macht darum die Grenze zwischen Konversion und Derivation eines neuen Wortes ohne jede Veränderung des Stammes sehr verschwommen (vgl. z.B. deutsch, seit in der präpositionalen Geltung (seit deiner Ankunft) und in der konjunktionalen Geltung {seit er nicht mehr hier ist); auch hier kann wohl ein markanter Unterschied in der syntaktischen und semantischen Funktion ein ausreichender Grund für das Unterscheiden der Wörter sein (vgl. lat. cum als Präposition und cum als Konjunktion). Man sieht also, dass die Grenze zwischen der eigentlichen Konversion und der Ableitung eines neuen Wortes ohne Stammveränderung nicht scharf ist, und dass man in verschiedenen Sprachen mit verschiedenen Übergangsmöglichkeiten zu rechnen hat (vgl. z.B. engl, thepoor : the natives, deutsch die Jungen (im Gegensatz zu Alten) : die Jungen (im Gegensatz zu Mädchen). 2.0. Wir kommen nun zur ausführlicheren Analyse der Vorgänge bei der Bildung eines neuen Wortes, welche mehr oder weniger deutlich morphologisiert sind und von der Konversion im eigentlichen Sinne also klar unterschieden sind. In den Sprachen mit ausgeprägter und differenzierter Morphologie wird das Bild der wortbildenden Vorgänge, das wir im Absatz 0 entworfen haben, dadurch kompliziert, dass einen gewissen mehr oder weniger ausgeprägten Anteil an der Bildung eines Wortes auch die Art seiner Flexion hat, die Gesamtheit seiner Flexionsendungen, evtl. — soweit es sich in diesen Sprachen aussondert — auch samt dem thematischen Suffix des formbildenden Stammes. So z.B. charakterisiert das reich entwickelte System der Endungen im Lateinischen das Wort nicht nur als zu dieser oder jener Wortart gehörend, sondern auch als zu einer in grösserem oder kleinerem Masse semantisch motivierten Klasse innerhalb dieser Wortart gehörend (vgl. serv-u-s [Adj.], serv-u-s [Subst.], serv-a, serv-e, serv-i-re, serv-a-re). Je differenzierter die Flexionstypen in einer Sprache sind, desto grösser ist der Anteil der Flexionscharakteristik an der inneren Formung der Bedeutung des fundierenden Wortes zu der Bedeutung des fundierten Wortes, und also an dem Derivationsvorgang. In der Sprache vom Typus des Lateinischen, Griechischen oder der slawischen Sprachen ist deshalb die Wortbildung nicht nur die Angelegenheit des Wortstammes (wenn sich auch hier der flexive Typ nicht in einem solchen Ausmass wie in der Flexion geltend macht und die Wortbildung hier einen vorwiegend agglutinativen Charakter aufweist), sondern des Wortes als Ganzheit (vor allem seiner Morphemstruktur und seiner morphologischen Eingliederung). In diesem Sinne hat in den flexiven Sprachen der Begriff des wortbildenden (Derivations-) Formans, das neben eigentlichen Wortbildungsaffixen auch noch das stammbildende Thema — und soweit es sich um die Bildung der flektierbaren Wörter handelt — auch einen bestimmten Bestand der Flexionsendungen (das Paradigma) einschliesst, seine volle Berechtigung. 2.1. Die Rolle dieser Komponenten ist nicht nur bei den verschiedenen Ableitungstypen verschieden, sondern auch je nach dem Charakter der wortbildenden Affixe und der Komponenten der Flexionscharakteristik und vor allem in Abhängigkeit vom Typ der Sprache, besonders der Morphologie, unterschieden.
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2.2. So ist z.B. im Englischen, dessen morphologische Mittel arm und wenig differenziert sind, das wortbildende Affix mit dem wortbildenden Formans praktisch identisch, die Rolle der formbildenden Charakteristik ist sehr beschränkt, diese Charakteristik vollendet hier das Wort als Einheit der entsprechenden Wortart, ändert jedoch — im Prinzip — nicht die allgemeine Semantik des Wortes. Deshalb wird hier auch das Fehlen eines wortbildenden Suffixes bei einem inhaltlich deutlich abgeleiteten Worte natürlich als ein Nullsuffix gewertet. Nicht ohne Belang ist auch der Umstand, dass im Englischen eine starke Homonymie der flexiven Formen mit Nullendung herrscht, besonders weil hier die Nullendung in den Grundformen, dem Nominativ Sing, und dem Infinitiv, festzustellen ist, welche die Rolle der Repräsentanten des Wortes als Iexikaler Einheit spielen.5 2.3. Im Gegensatz dazu ist z.B. in den slawischen Sprachen die Rolle der formbildenden Charakteristik, und zwar des Bestands der Endungen, wie auch des stammbildenden Suffixes, bedeutend; insbesondere bei den formal wenig ausgeprägten und funktionell stark belasteten Affixen, wie es z.B. tsch. -k- ist, verschiebt sich der Schwerpunkt des Formans deutlich auf die formbildende Charakteristik (vgl. z.B. tsch. bil-{e)k-0 ,Eiweiss, eig. etwas weisses', pat-k-a .kleine Ferse', vy-k-a-t ,mit Ihr ansprechen', vin-k-o ,express. Wein', bos-k-y ,barfuss (als Adverb)', syp-k-y ,schütter, eig. schüttbar' u.dgl.). Zum einzigen Träger der Wortbildungsbedeutung wird wohl die formbildende Charakteristik dort, wo der Stamm des fundierenden Wortes in dem fundierten Wort unverändert bleibt (die fakultativen lautlichen Basisalternationen bleiben in diesen Sprachen immer nur eine periphere Angelegenheit und üben keinen wesentlichen Einfluss auf die Bedeutung des neuen Wortes aus). Vgl. z.B. lat. lud-e-re -» lud-us, cur-a-re -* cur-a, scrib-e-re -> scrib-a, coron-a -> coron-a-re; tsch. lov-i-t lov-O, prac-ova-t -* präc-e, chväl-i-t -> chväl-a, hus-a -* hus-i, zlat-o -> zlat-y, zl-y zl-o, zelen-y -» zelen-a-t // zelen-e-t // zelen-i-t u. dgl. 3. Die Fälle dieser Art sind natürlich auch den morphologiearmen Sprachen von der Art der englischen nicht fremd; gerade hier werden sie sogar zu sehr produktiven und vielfach auch monopolen Vorbildern für die Ableitung neuer Wörter. Es besteht jedoch ein schwerwiegender Unterschied in der Stellung derartiger Typen in Wortbildungssystemen dieser Sprachen und dadurch auch in deren Wertung. Wenn hier derartige Fälle angesichts des geringen Gewichts der formbildenden Charakteristik bei der Affixation (Suffixation) eindeutig auf dem Hintergrund der suffixalen Formation als Formationen mit Nullsuffix aufgefasst werden (so fasst sie 5 Wenn auch dieser Umstand für die Wertung des derivierten Gebildes als Gebilde mit Nullsuffix nicht entscheidend ist, lässt es sich nicht in Abrede stellen, dass er für die Nullsuffixation im Englischen kennzeichnend ist und auch den Hauptanteil an der engen Affinität der englischen Nullsuffixation mit der Konversion im eigentlichen Sinne hat (vgl. den oben erwähnten Unterschied zwischen dem substantivierten Adjektiv wie the poor und dem deadjektivischen Substantiv wie the native, der sich formal lediglich im Vorhandensein und Nichtvorhandensein der Endung -s in der Mehrzal bemerkbar macht).
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in den Spuren vom Bloomfield, Jespersen und Harris auch Marchand auf, und diese Auffassung ist heutzutage in der englischen Wortbildungslehre fast allgemein akzeptiert), und entsprechende Vorgänge mit vollem Recht als Nullsuffixation bezeichnet werden, ist die Situation in den slawischen Sprachen komplizierter und bei weitem nicht so eindeutig. Auch hier ist zwar die Möglichkeit, die Wortableitung ohne Zuhilfenahme der Stammveränderung durch einen einfachen Wechsel der formbildenden Charakteristik als Nullsuffixation aufzufassen, nicht ausgeschlossen; die stärkste Stütze dieser Auffassung ist die Tatsache, dass bei allen Typen einer derartigen Ableitung in den slawischen Sprachen die Suffixableitung parallel und meistens auch häufiger ist und die Formationen ohne Suffix also auf deren Hintergrund als Formationen mit Nullsuffix gewertet werden können. Wenn auch eine solche Wertung der abgeleiteten Formationen ohne wortbildendes Suffix in der slawischen wissenschaftlichen Tradition wenig geläufig ist (was natürlich an und für sich nicht gegen ihre Anwendbarkeit in der slawischen Sprachen spricht), findet sie auch hier — besonders in der letzten Zeit (nicht ohne direkten Einfluss der Arbeiten H. Marchands) ihre Anhänger. 6 4.0. Lassen Sie uns nun diese Frage näher beleuchten. Der Begriff der Nullexponenten und Nulleinheiten wird heutzutage in der linguistischen Theorie der slawischen Sprachen, namentlich durch das Verdienst der Prager Schule, allgemein anerkannt, wie übrigens in der strukturell orientierten Linguistik schlechthin. Die Einwendungen, welche dagegen vorgebracht wurden, und zwar vom Standpunkt der Informationstheorie und der Neurophysiologie aus, 7 vermochten diesen Begriff nicht zu schwächen, der sich als einer der fruchtbarsten in den verschiedensten Richtungen und Gebieten der strukturellen Sprachforschung erwiesen hat. Es ist wohl richtig, dass einesteils diesem Begriff bisher eine gleich tiefe Ausarbeitung auf allen Sprachebenen nicht zugekommen ist (am tiefsten wurde bisher seine Anwendung auf phonologischer Ebene und der Ebene der formalen flexiven Morphologie erforscht), andernteils sind die Kriterien nicht immer klar, wo ein Nullexponent, bzw. eine Nulleinheit vorliegt und wo man es mit dem einfachen Fehlen eines Zeichens oder einer Einheit zu tun hat. 4.1. Ich selbst habe noch in meiner der Theorie der Wortableitung im Tschechischen gewidmeten Arbeit die Ansicht vertreten, dass der Begriff des Nullsuffixes vom synchronischen Standpunkt aus nicht genügend ist. Die Gründe für diese Ansicht habe ich in der wesentlich verschiedenen Stellung der derivierten Wörter und der flexiven Wortformen gesehen, wo mit dem Konzept des Nullsuffixes üblicherweise gearbeitet wird. 4.1.1. Während im System der paradigmatischen Wortformen das Fehlen eines besonderen formbildenden Exponenten, einer besonderen Flexionsendung, die analoge Gültigkeit wie jede beliebige positive Flexionsendung desselben Paradigmas und die " Siehe z.B. den in Anm. 1 zitierten Aufsatz von V. V. Lopatin. ' Besonders in dem Buch von G. F. Meier, Das Zero-Problem in der Linguistik (Berlin, 1961).
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gleiche Gültigkeit wie die entsprechenden (d.h. dieselbe Funktion füllenden) positiven Flexionsendungen anderer Paradigmen hat, und deshalb nur einen Sonderfall der paradigmatischen Endung darstellt, die hier durch eine Lautnull realisiert wird, ist die Situation bei den ohne ein spezielles wortbildendes Suffix abgeleiteten Wörtern wesentlich anders: 4.1.2. Erstens werden das fundierende und das fundierte Wort nicht als einfach koexistierende Formen gewertet, wie es bei Formen desselben Wortes der Fall ist. Auch im synchronen Durchschnitt der Sprache ist das fundierende Wort prius und das fundierte posterius, genauer gesagt, es handelt sich da um die Beziehung zweier Elemente, von denen eines als in Bedeutung und Form vom anderen unabhängig, das andere vom ersten als abhängig erscheint. Die Tatsache der Deriviertheit (Fundiertheit) selbst setzt nicht notwendig die formale Zusammengesetztheit (Gliederung) des formbildenden Stammes voraus. Auch der Umstand, dass in formaler Hinsicht diese semantische Abhängigkeit am häufigsten durch die Erweiterung der Basis ausgedrückt wird, weniger oft durch deren Reduktion (Verengung) oder durch andere wortbildende Vorgänge, bei denen sie praktisch unverändert bleibt, erzwingt keineswegs die Zurückführung der formalen Wortbildungsstrukturen auf einen gemeinsamen Nenner, auf ein gemeinsames Schema der Affixation, bzw. Suffixation. Das Konzept des Nullsuffixes lässt sich also vom Standpunkt der gegenseitigen Beziehung zwischen dem fundierten und fundierenden Wort aus nicht überzeugend begründen; es kann sich nur auf die Tatsache stützen, dass sich gewöhnlich ein fundiertes Wort vom fundierenden Wort dadurch unterscheidet, dass es ein wortbildendes Affix mehr hat und dass die bestimmte Bedeutung, welche in gegebenen Falle ohne Zuhilfenahme eines solchen wortbildenden Suffixes ausgedrückt wird, in anderen Fällen gerade durch das wortbildende Suffix (in Verbindung mit dem Paradigmawechsel, evtl. mit der Lautalternation) ausgedrückt werden kann, vgl. z.B. lat. labor-a-re: labor-0 = cur-a-re : cur \a = or-a-re : or-a-tio = narr-a-re : narr-a-tio = serv-i-re : serv-i-tudo u.dgl.; scrib-e-re : scrib-a = scrib-e-re : scrip-tor-0 u.dgl. Die Existenz des Nullsuffixes ist also nicht durch enge Verknüpfung gleichgeordneter und homogener Formen im Paradigma wie die Nullendung, sondern durch viel losere assoziative Beziehungen unter den Gliedern der synonymischen Reihen mit gleicher semantischer Struktur motiviert. Gegenüber der Nullendung, die eine sehr starke Systembegründung (im Rahmen eines Paradigmas und unter Paradigmen) hat, ist also die Motivierung des Nullsuffixes schwach, indem sie sich lediglich auf synonyme Reihen stützt. (Falls wir jedoch zur Grundlage für unsere Wertung der formalen wortbildenden Vorgänge die Suffixableitung nähmen — aus Gründen ihrer relativ höheren Frequenz und im Sinne des Postulats des Isomorphismus von Bedeutung und Form — und die Fälle der Ableitung ohne wortbildendes Suffix als die Ableitung durch Nullsuffix werteten, dann wäre es logisch konsequent, die Fälle der sog. Rückableitung als Ableitung durch .negatives Suffix' zu werten.) 4.2. Andererseits darf man wohl nicht die Tatsache unterschätzen, dass die Tendenz zur parallelen Wertung der Spracheinheiten auf der Ebene der Bedeutung
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und auf der Ebene der Form auch im flexiven Sprachtypus stark ist und dass die affixale Derivation — wenigstens in den Sprachen, die uns einigermassen bekannt sind — ein derart fundamentaler wortbildender Vorgang ist, dass sich die prinzipielle Berechtigung der Interpretation anderer Derivationsvorgänge unter Bezugnahme auf diesen Hintergrund, und folglich auch die Berechtigung der Aussonderung der Nullsuffixe in der formalen Struktur nicht in Abrede stellen lässt. 4.3. Auch wenn wir uns jetzt gezwungen sehen (vor allem unter dem Einfluss von Marchands Ausführungen), das Konzept des Nullsuffixes als Nullexponent sui generis (von der Nullendung in vieler Hinsicht unterschieden) als Interpretationsprinzip zuzulassen, bleibt immer noch die Frage seiner Anwendbarkeit auf den Typus, wie ihn die slawischen Sprachen verkörpern, offen. Neben den schon angeführten Gründen (Verschwommenheit der Grenze zwischen Konversion — für die Marchand und andere die Voraussetzung der wortbildenden Nullexponente mit Recht abgewiesen haben — und Derivation ohne Ableitungsaffix und auch die Verschwommenheit der Grenzen zwischen einzelnen Derivationsvorgängen — namentlich zwischen der suffixalen, asuffixalen und desuffixalen Derivation, die sich in der Komplexität des wortbildenden Formans äussert — was eben die flexiven Züge in der Wortbildung ausmacht), gibt es noch die folgenden Umstände, welche die Anwendung des Konzepts des Nullsuffixes und der Nullsuffixation in den ausgeprägt flexiven Sprachen vom Typ des Tschechischen erschweren: 4.4. (1) Wenn wir konsequent sein wollten, müssten wir aus der Tatsache, dass manchmal die Bedeutungen, welche den präfigierten Wörtern die Präfixe geben, auch durch die betreffenden Wörter ohne Präfixe ausgedrückt werden können, den Schluss ziehen, dass in diesen Fällen ein Nullpräfix vorliegt. Die lateinischen Fälle der Verwendung eines „simplex pro composito" sind wohlbekannt. In den slawischen Sprachen müssten wir im Sinne der Nullpräfigierung die sogenannten aspektuell ambivalenten Zeitwörter, soweit sie perfektive Geltung haben (also vor dem Hintergrund der perfektiven präfigierten Verben, z.B. tsch. jit im Sinne odejit (vgl. deutsch gehen im Sinne von weggehen); darovat, venovat vor dem Hintergrund vonpodarovat u. dgl.; informovat, absolvovat in Beziehung zu den entsprechenden präfigierten Verben von den entsprechenden imperfektiven jit, venovat, darovat, informovat usw. durch ein Nullpräfix (O-jit, O-venovat, O-darovat, O-informovat, usw.) unterscheiden; das Nullpräfix würde hier die perfektivierende Funktion ausüben. Eine derartige Interpretation stünde jedoch wieder mit der intuitiven Wertung solcher Gebilde und namentlich mit der Wertung der einfachen Perfektiva vom Typ dät, hodit, bodnout (die oben angeführten perfektiven Zeitwörter darovat, venovat werden üblicherweise als Synonyme vom einfachen perfektiven dät betrachtet) im Widerspruch. 4.5. (2) Zu inneren Widersprüchen führt die Annahme des Konzepts von Nullsuffix auch bei der Interpretation der desuffigierten Gebilde: a) Da neben den einfach desuffigierten Gebilden häufiger die gemischten Gebilde vorkommen, die auf der Substitution eines Suffixes durch ein anderes aufbauen, sollten wir mit dem gleichen Rechte, mit dem wir die Gebilde ohne Suffix vor dem Hintergrund suffigierter Gebilde
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gewertet haben, auch jene einfach desuffigierten Gebilde vor dem Hintergrund der gemischten', desuffigiert-suffigierten Gebilde werten, also z.B. tsch. dareba zu da ebny vor dem Hintergrund von darebäk, und also wie dareb-O-a. Das stünde jedoch in Widerspruch mit der natürlichen Wertung solcher Formationen im Sinne der Desuffixation (in Verknüpfung mit dem Wechsel der formbildenden Charakteristik). b) Aus analogen Gründen wäre es angezeigt, die seltenen abgeleiteten Gebilde vom Typ pitom-a (von pitom-y ,stupid', vgl. blb-0 von blb-y ,blöd') bei der Annahme des Nullsuffixes (pitom-O-a, blb-O-O) vor dem Hintergrund der viel häufigeren desuffigierten Gebilde dareb-a zu dareb-n-y, necud-a zu necud-n-y u.dgl. als Gebilde mit Nullsuffigierung zu werten. Eine solche Auffassung würde uns dazu führen, ein .positives Nullsuffix' (als Null vor dem Hintergrund eines positiven Suffixes, einer Suffigierung) von einem .negativen Nullsuffix' (als Null vor dem Hintergrund eines negativen Suffixes, einer Desuffigierung) zu unterscheiden, denn als Hintergrund für die Wertung der abgeleiteten Formationen ohne wortbildendes Affix können sowohl die suffigierten, als auch die desuffigierten Formationen dienen. 5. Es ist eine allgemeine über die Sprache weit hinausreichende Gesetzmässigkeit, dass häufig auftretende und stark produktive Gebilde einen natürlichen Hintergrund für die Auffassung und Wertung der weniger häufigen und weniger produktiven oder unproduktiven Gebilde abgeben. Ebenso macht sich auch in den flexiven Sprachen — wenn auch nicht so deutlich wie in den agglutinativen und analytischen Sprachen — die Tendenz zum Isomorphismus auf den Ebenen der Bedeutung und der Form geltend. In diesen beiden Gesetzmässigkeiten findet das Prinzip des Null-Signifiant (wie auch des Null-Signifie) und also auch des Nullaffixes seine Begründung. Falls seine Anwendung in irgendwelchen Wortbildungssystemen zu inneren Widersprüchen führt, ist darin nicht die Verneinung dieses Prinzips, sondern nur der Beweis seiner Relativität zu sehen. In einer Relation wertet man gewisse Gebilde als Gebilde mit Nullaffix, in einer anderen Relation als Gebilde ohne Affix. Auch in dieser Relativität äussern sich die inneren Antinomien des Sprachsystems, das sich nie im vollen Gleichgewicht befindet; die Sprache ist ja nicht — wie scharfsinnig bemerkt worden ist — systemmässig, sondern nur systemstrebend. 6.0. Abschliessend könnte man unsere Überlegungen und Ausführungen über die Anwendbarkeit des Konzepts vom Nullsuffix in flexiven Sprachen etwa folgendermassen zusammenfassen: 6.1. Die Frage des Nullsuffixes in der synchronen Wortbildung ist im Grunde die Frage der Wertung der semantischen und formalen Wortstruktur. Es hängt in erster Linie vom Typ der betreffenden Sprache ab, namentlich davon, wie in ihr die flexive Morphologie entwickelt ist und wie eng die Beziehungen der Flexion und der Affixation sind und welche Rolle sie bei der Wortableitung spielen, mit anderen Worten, wie sich die flexiven und agglutinativen Züge bei der Derivation geltend machen, ob wir berechtigt sind, die semantische Strukturierung eines derivierten Wortes in
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die formale Struktur seines Stammes schlechthin zu projizieren, oder ob wir mit einem komplizierten Zusammenspiel des Wortstammes und der formbildenden Charakteristik rechnen müssen, und wir also den unveränderten Wortstamm als ein Syntagma oder als ein Monem betrachten und interpretieren werden, ob wir das Fehlen eines Affixes bei einem semantisch abgeleiteten Worte als einen semantischen Wert auffassen werden oder nicht. 6.2. In den Sprachen mit schwacher flexiver Morphologie und ausgeprägt agglutinativer Derivation, wie es das Englische ist, hat das Konzept des Nullsuffixes seine eindeutige, man kann sagen absolute Berechtigung, denn seine Anwendung dient hier zum klaren Erfassen der systemartigen Wortbildungsbeziehungen, ohne — soweit uns bekannt ist — zu inneren Widersprüchen zu führen. 6.3. In den Sprachen mit starker flexiver Morphologie und mehr oder weniger ausgeprägten flexiven Zügen in der Derivation, wie es besonders die slawischen Sprachen sind, ist die Anwendbarkeit dieses Konzepts beschränkt und relativ: seine konsequente Anwendung würde hier zu schwierig zu lösenden inneren Widersprüchen führen. Bei der Anwendung des Konzepts vom Nullsuffix auf diese Sprachen muss man sich dieser seiner Relativität und Fakultativität bewusst sein: dieselben abgeleiteten Wortgebilde erscheinen in einer Beziehung als Gebilde mit Nullsuffix, in einer anderen als Gebilde ohne Suffix. 6.4. Wie in jenen, so auch in diesen Sprachen ist das Nullsuffix kein bloss theoretisches Konstrukt, sondern eine Tatsache der Sprache selbst. Die Unterschiede zwischen den Sprachen beziehen sich auf die Art und Weise und auf das Mass seiner Wirksamkeit, gegeben durch seine Stellung in Bezug auf die Koordinaten obligatorisch — fakultativ, absolut — relativ, monopol — alternativ. 8 PRAG
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Ein Zeugnis davon, dass die formbildende Charakteristik mit dem wortbildenden Suffix eine enge Einheit, das komplexe wortbildende Formans, bildet, ist u. a. auch die Tatsache, dass man in praktischen Sprachlehren der slawischen Sprachen in der Regel zwischen dem wortbildenden Suffix und der die formbildende Charakteristik repräsentierenden Endung gar nicht unterscheidet und z.B. von Suffixen -a, -ka, -ärna u.ä. spricht, obwohl in dem ersten Fall nur die Nominativendung der Einzahl des Paradigmas zena, im folgenden indessen die eigentlichen wortbildenden Suffixe -kund -ärtt- in Verbindung mit derselben Endung vorliegen.
HENRI FREI
NOYAU ET SATELLITE EN MORPHOLOGIE
La relation syntaxique entre noyau et satellite forme une dépendance unilatérale: le satellite présuppose le noyau, mais ce dernier est indépendant du satellite. Cette définition admet une vérification expérimentale. Dans une relation de dépendance unilatérale, le satellite peut être omis sans que l'énoncé cesse d'être viable, tandis que le noyau est normalement indispensable. Soit la phrase Pierre gagnait très souvent; l'ensemble Pierre gagnait peut constituer un énoncé à lui seul, alors que très souvent, qui ne saurait ici fonctionner isolément qu'à titre de réponse à une question où Pierre gagnait se trouve déjà exprimé ou suggéré, est un satellite. D'autre part, comme il est permis de dire Pierre gagnait souvent, mais non Pierre gagnait très, le satellite très souvent comprend à son tour un noyau (souvent) et un satellite (très). En revanche, aucun des deux mots de l'ensemble Pierre gagnait ne peut, normalement, être escamoté. Il ne s'agit pas ici d'une dépendance unilatérale, mais réciproque, chacun des deux termes présupposant l'autre. Dans la représentation géométrique des syntagmes, 1 on rendra la dépendance réciproque par la figure du 'pignon', et la dépendance unilatérale par la 'déviation' à partir d'une arête plus importante :
Pierre
gagnait
très
souvent
Fig. l
Pierre et gagnait forment un pignon, très une déviation sur souvent, et ce dernier une déviation sur gagnait. 1
Cf. H. Frei, "Modes de réduction des syntagmes", CFS 22 (1966), 41-51.
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HENRI FREI
Cette méthode de détermination des noyaux et des satellites par soustraction ne vaut que dans le domaine de la syntaxe et ne s'applique pas directement à la morphologie. Ainsi, au lieu de Pierre gagnait très souvent, on peut dire Pierre gagne très souvent, mais il serait imprudent de conclure de là que la désinence -ait est le satellite du radical gagn-, qui constituerait le noyau, car ces deux entités ne sont pas des unités syntaxiques (gagn- et gagne sont des homonymes syntagmatiques). Il est certain, cependant, qu'il existe en morphologie aussi des relations de dépendance (réciproque et unilatérale). Mais pour les déceler, on ne pourra avoir recours qu'à des critères indirects, qui se résument dans le phénomène de la condensation, 2 c'est-à-dire dans la transposition à partir de la syntaxe. On se contentera ici de n'examiner qu'un seul cas. Dans gagnait, la terminaison -ait exprime simultanément le temps et le mode ; mais le français possède également des tournures périphrastiques où la notion modale est rendue analytiquement par un verbe fini qui fonctionne comme l'équivalent d'un auxiliaire : Pierre devait (pouvait, voulait, osait, savait, etc.) gagner très souvent. Or, ces 'auxiliaires modaux', en tant que membres de périphrases, sont des unités syntaxiques et peuvent donc fonctionner isolément: Pierre devait, Pierre pouvait, etc. On en conclura que la relation syntaxique auxiliaire + infinitif est une relation noyau + satellite et, par voie d'analogie, que la relation morphologique radical-désinence (gagn-ait) est une relation satellite-noyau. Si cette interprétation est exacte, le graphe de la figure 1 peut être maintenant précisé:
Pierre
gagn-
-ait
très
souvent
Fig. 2
Dans la syntaxe correspondante de l'anglais, où les auxiliaires modaux forment une classe grammaticale proprement dite, la démonstration est encore plus convaincante. Le fait que l'on peut dire He did pour He did move montre indirectement que dans He moved le radical mov- est le satellite. Comme on l'a déjà indiqué plus haut, la justification théorique de ce critère indirect réside dans un postulat, à savoir que la morphologie, définie comme syntagmatique étroite, est un condensé de syntaxe. GENÈVE
' Cette notion figure déjà, amplement traitée, dans ma Grammaire des fautes (Genève, Georg, 1929), 175-214, trente ans avant les théories de N. Chomsky et de ses disciples.
HANS GALINSKY
DER A N G L O - A M E R I K A N I S C H E E I N F L U S S A U F DIE D E U T S C H E S P R A C H E N T W I C K L U N G DER B E I D E N LETZTEN J A H R Z E H N T E VERSUCH E I N E R SYSTEMATISCHEN ÜBERSICHT
„Die Sprachen verändern sich, und wir verändern uns mit ihnen", könnte man, ein bekanntes lateinisches Zitat abwandelnd, sagen.1 Wie sehr dies von unserer deutschen Sprache gilt, weiss jeder, der auch nur eine Generation zurückzuhören versteht. Für diese Veränderung gibt es viele innerdeutsche Ursachen und unter ihnen innersprachliche wie aussersprachliche. Aber jeder von uns braucht nur Babysitter,2 Quiz,3 Team4 oder Twist5 zu hören, um sich sofort an eine, ja die ausserdeutsche Ursache zu erinnern: den beträchtlich angestiegenen Einfluss des Englischen. Er scheint wahrhaftig von der Wiege bis fast zur Bahre zu reichen. „Mit grosser Freude geben wir die Geburt unseres Sohnes DAN bekannt", 6 so lautet eine Geburtsanzeige, die mir aus den 1950er Jahren vorliegt. Der glückliche Vater entrichtete gleichfalls seinen sprachlichen Tribut an die angelsächsische Welt. Er unterzeichnete mit den Vornamen: Georg W. Der zweite Vorname gab sich also wie ein amerikanischer middle name nur noch in Kurzausgabe: als Anfangsbuchstabe. Der Sohn Dan hat inzwischen durch die Marks und Olivers, natürlich auch durch die Georgias und Dianas, 7 die Patrizias und Carolines Verstärkung erhalten, und „Hans J. Köhler Ibl" 8 prangte bereits Anfang der 1960er Jahre auf dem Programm der Feier zur Entlassung von Abiturienten einer deutschen Mittelstadt. Die Jugend, Dan, der Säugling, und Hans J., der Abiturient, haben Verbündete im Dreiklang der Generationen. „Sind Sie zwischen 24 und 34 ... gesund, kinderlieb, kurzum — ein ,match 1
Der vorliegende Beitrag ist die erweiterte Fassung eines Vortrages, der am 16. 6.1966 im Deutschlandfunk in der Sendereihe „Sprache im Wandel" gehalten wurde. Die umfassende Fachliteratur zum Gegenstand verzeichnen Broder Carstensen, Englische Einflüsse auf die deutsche Sprache nach 1945 (Heidelberg, 1965), in geringerem Masse Broder Carstensen und Hans Galinsky, Amerikanismen der deutschen Gegenwartssprache (Heidelberg, 21967). Quellen sind in Kurzfassung angegeben. Wenn sie nicht vermerkt sind, handelt es sich um Interferenzerscheinungen, die Vf. schon in der Umgangssprache ziemlich weit verbreitet vorgefunden hat. 2 Carstensen, 97. ' Ibid., 167. 1 Frankfurter Allgemeine Zeitung (zit.: FAZ), 31. 10. 1957. 5 Carstensen, 195. » FAZ, 23. 9. 1957. ' Mainzer Allgemeine Zeitung (zit.: MAZ), 31. 12. 1964. 8 Rabanus-Maurus-Gymnasium, Mainz, 11. 3. 1961.
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HANS GALINSKY
für einen Challenge', erbittet sich Kavalier der alten Schule Ihren ganzen Mut." 9 Man sieht: Der ,Kavalier' beherrscht die Sprache des gentleman. Eine alte Dame liess 1960 in einer grossen deutschen Tageszeitung folgenden Leserprotest gegen das Kindergeld vom Stapel: „... meinetwegen für das zweite Kind, aber nur für solche, die es wirklich nötig haben. Die Wütenden sollen nur über mich herfallen, ich bin fast 82, but still going strong." 10 Beruhigt stellt man fest: Die britische Reklame für Johnnie Walker-Whisky ist auf guten Boden gefallen! Doch nicht nur Fremdbeobachtung, sondern auch ehrliche Selbstbeobachtung bieten tagtäglich genügend Gelegenheit, am Beispiel der Anglo-Amerikanismen des heutigen Deutsch die Erscheinungen zu studieren, die man gewöhnlich als Entlehnungsvorgänge, seit den 1950er Jahren auch als .Sprachen im Kontakt' 11 und als .sprachliche Interferenz' 12 bezeichnet. Aufzufallen pflegt sie besonders Freunden aus dem Ausland, zumal den Lehrern und Hochschullehrern des Deutschen, und hier wieder vor allem solchen, die Deutschland nur in Abständen wiedersehen. Man beklagt das Ausmass der Erscheinung oder man äussert sich ironisch. Gespräche oder die Briefe ausländischer Leser an deutsche Zeitungen liefern dafür genügend Zeugnisse. Wir Deutsche sind übrigens nicht die einzigen, die sich über Entlehnungen aus der .Weltsprache Englisch' Gedanken machen oder machen sollten. Parlez-vous franglais?1S fragte 1964 der reizvolle Titel eines weit bekannt gewordenen französischen Buches die Menschen unseres Nachbarvolkes. Das Buch malte das Gespenst der Anglo-Amerikanisierung französischen Sprechens und dadurch französischen Denkens und Fühlens an die Wand, wobei schon der Titel mit seiner Neubildung .franglais' aus ,fran?ais' und ,anglais' einen Kennzug moderner angelsächsischer Wortbildung geschickt parodierte: den Hang zur Wortmischung, vor allem auf der Grundlage des Reimes oder der Assonanz der Mischungspartner. Die Forschung, die deutsche wie die ausländische, hat seit 1945, aber auch schon in den vorausgehenden 50 Jahren, also seit der Wilhelminischen Zeit, reichlich Fragen an diese Erscheinung der wachsenden Beeinflussung des Deutschen durch das Englische gestellt. Sie hat Antworten gegeben oder mindestens versucht, sie zu geben. Der Forschungsstand sei im Folgenden knapp umrissen und durch eigene Wahrnehmungen ergänzt oder berichtigt. Hören wir uns für einen Augenblick den Fragenkatalog der Wissenschaftler an! Ist dieser anglo-amerikanische Einfluss ein Einfiuss in beiden Sinnen des Wortes ,anglo-amerikanisch', d.h. ist er (1) inselenglisch und überseeisch zugleich, ein Einfluss des gemeinsamen, gesamtenglischen Kernbestandes der Weltsprache Englisch? (2) ist er ausserdem ein Einfluss ausschliesslich britischer und ausschliesslich amerikanischer Spracheigentümlichkeiten? Welches dieser drei Elemente, das gesamt8
FAZ, 3. 7. 1963. FAZ, 3. 11. 1960. 11 Uriel Weinreich, Languages in Contact, Publications of the Linguistic Circle of New York, N o . 1 (New York, 1953). 12 Ibid. 13 Etiemble, Parlez-vous franglais? (Paris, 1964). 10
DER ANGLO-AMERIKANISCHE EINFLUSS AUF DIE DEUTSCHE SPRACHE
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englische, das britische, das amerikanische, übt die stärkste Wirkung aus? Verläuft diese Wirkung in der Hauptsache von Wortschatz zu Wortschatz, wie Trend14 und clever,15 Teenager16 und Party17 nahelegen könnten, geht sie vor allem von Namen aus, wie Dan in der Geburtsanzeige, Starfighter in der Zeitungsdiskussion und Parlamentsdebatte anzudeuten scheinen? Greift der Einfluss schon auf das Gebiet der sprichwörtlichen Redensarten über, so dass „wir sitzen alle in einem Boot", „er lässt sich nicht die Schau stehlen", „grünes Licht für Rentenerhöhung", „mit der Bombe leben" aus anglo-amerikanischer Sprachphantasie zu uns herübergekommen wären?18 Hat dieses anscheinende Virus nicht etwa nur das Fleisch des Wortschatzes, sondern auch die Muskeln der Wortbildung und Wortbeugung, etwa gar den Knochenbau der Syntax befallen? Geht das Wuchern der Abkürzungen, von EWG und SHB, der REWE, NATO und ESSO, das Spriessen anspielungsreicher Wortmischungen wie ,Kom(m)ödchen' 19 und ,Adenower' 20 (also mit -ower ä la Eisenhower statt -auer) wirklich auf angelsächsische Quellen zurück? Hat es ,zugeteilte Bausparer' im Sinn von .Bausparer, denen ihr Betrag zugeteilt worden ist', bei uns schon immer gegeben? Unser Fragen überschreitet den Bereich der deutschen sprachlichen Zeichengebung und ihrer anglo-amerikanischen Beeinflussung, wenn es sich folgendem berichteten Tatbestand und seiner doppelten Deutung gegenübersieht: „Hie und da sind auch Pfiffe zu hören; es muss nicht überall Ausdruck des Missfallens sein, eher eine burschikose amerikanisierte Manier einiger Jugendlicher, Zustimmung zu bekunden." 21 Also auch die aussersprachliche Zeichengebung könnte, was den Sinn des Zeichens angeht, beeinflusst sein. Legten die bisherigen Fragen den Schwerpunkt auf das Aufgenommene, so betonen weitere Fragen den Aufnehmenden: uns Sprecher, unsere Sprache. Wie arbeitet, anschaulich gesagt, der Verdauungsapparat unserer Muttersprache? Verfügt er über Handhaben der Anpassung des Englischen an das Deutsche, des Deutschen an das Englische, damit keine Störungen eintreten? Oder hat sich der Patient bereits überfuttert, so dass ihm eine Entziehungskur anzuraten wäre? Hier gerät der Forscher vom Diagnosestellen schon an den Rand des Rezepteausschreibens, des Ratens und Heilens. Zugrunde liegt all dem die Sorge: Welche Veränderungen bewirken diese anglo-amerikanischen Gäste im Haushalt der deutschen Sprache? Sind es nur Veränderungen zum Guten, nur zum Schlechten? Das sind letzte Grundfragen. Auf dem Weg zu ihnen wird man noch bei anderen kurz stehen bleiben: Ist dieser Entlehnungsvorgang überhaupt eine Sache der Gemeinsprache oder etwa nur bestimmter Fach- und Sondersprachen? Sind nur einzelne 14 16
" " 18 19 20 81
FAZ, 5. 8. 1954. FAZ, 6. 6. 1959. FAZ, 10. 10. 1959. FAZ, 19. 12. 1959. Carstensen/Galinsky, 23 (Lehnwendungen). FAZ, 3. 5. 1962; 14. 1. 1960. FAZ, 4. 4. 1957. FAZ, 2. 1. 1957.
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Gruppen beteiligt, Berufsgruppen wie Journalisten, Sportsleute, Techniker, Marktforscher, oder Altersgruppen wie die berühmten Teenager? Oder sind wir zwar alle beteiligt, aber verschieden stark, je nach Situation? Schlagen z.B. das Gesamtenglische, die Amerikanismen, die Britizismen bei den meisten von uns häufiger dort durch, wo wir lesen, als dort, wo wir sprechen, eher dann, wenn wir diktieren, als wenn wir uns unterhalten, eher zu Zeiten, wenn wir mit Aussenstehenden reden, als mit Frau und Kind und Freund, häufiger im ungezwungenen Gespräch als in der förmlichen Ansprache, eher in der Sprache, wo sie der Mitteilung dient, als wo sie künstlerischer Ausdruck ist? Hat Zweisprachigkeit etwas mit der Art und Häufigkeit solcher Entlehnungen zu tun? Hat, wer sieben oder gar neun Jahre Englisch auf der Schule gelernt hat, wirklich eine grössere Durchlässigkeit für Anglo-Amerikanismen oder gerade umgekehrt eine schärfere Bewusstheit, ein feineres Stilempfinden? Gebraucht er andere Techniken der ,Verdauung'? Lässt er z.B. der eingeführten oder verpflanzten Apfelsorte ihren englischen Namen in englischer Aussprache, bleibt die Sorte Deliciousn (di'lijas), oder wird sie auch bei ihm zum ,Delizius'-Apfel, wie ihn die junge Verkäuferin sich mundgerecht gemacht hat? Bevorzugt er Nävel-Orangen oder Nevel-Orangen? Gliedert sich also die deutsche Sprachgemeinschaft von heute (1) in Menschen, die zwar anglo-amerikanisches Einfuhrgut beim Lesen und Hören mühelos verstehen, aber es sparsam und dann .korrekt' oder gar nicht gebrauchen, deren .aktiver Sprachschatz' sich in diesem Punkt sehr von ihrem .passiven' unterscheidet? (2) in Personen, die solches Lehngut verstehen und richtig verwenden? (3) in Leute, die das zugrundeliegende Original wenig oder gar nicht verstehen, aber seine nach Deutschland verpflanzte Spielart um so kräftiger benützen? Von solcher verschiedenen Streuung der verstandenen, halb oder missverstandenen, ja gar nicht verstandenen AngloAmerikanismen gibt folgende Pressenotiz aus dem Jahr 1963 einen Vorgeschmack: „Dem Begriff,playboy' im Bewusstsein der Bevölkerung hat das Frankfurter Institut für Werbepsychologie und Markterkundung mit einer Repräsentativ-Erhebung nachgespürt. Die Antworten der 1999 im Bundesgebiet befragten Personen brachten interessante Ergebnisse. 33 Prozent war die Bezeichnung gänzlich unbekannt, dabei überwiegend den älteren Jahrgängen und Einwohnern in ländlichen Gemeinden. Bei der Frage ,An wen denken Sie dabei?' nannten 39 Prozent den Namen Gunter Sachs, etliche aber auch Adenauer, Kennedy oder den Schah von Persien. Die Antwortgruppe .Umschreibungen' reichte vom .Angeber' über den .Charmeur', den .Hochstapler', den .Lebemann', den ,millionenschweren Nichtstuer' und den Schmarotzer' bis zum ,Snob', ,Salonlöwen' und ,Weltenbummler'. Unter den .sonstigen' Antworten fanden sich als ,Playboy'-Definitionen sogar Staubsauger, Möbelpflegemittel, Schuhcreme und Hutmarken." 23 Dass sich Stadt und Land, Jugend und Alter im Kennen von englischem Lehngut zu unterscheiden scheinen, legt dieses Befragungsergebnis nahe. 22 28
FAZ, 19. 9. 1966. FAZ, 20./21. 11. 1963.
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Doch unser Fragen wird noch dringlicher: Unterscheiden sich die deutschen Mundartgebiete, die .Sprachlandschaften', die staatlichen Hoheitsgebiete des deutschen Sprachraums, z.B. die Schweiz, Österreich und die Bundesrepublik Deutschland, unterscheidet sich das geteilte Gesamtdeutschland nach Art und Grad der Empfänglichkeit für anglo-amerikanische Einflüsse? Gedeihen sie im,Ruhrpott' anders als im Schwäbischen Oberland, in Hamburg anders als in Dresden, in Wien anders als in Zürich?,Liftein' 24 hat österreichisches Aroma; ,ErstklasshoteI' 25 in engstem Anschluss an first class hotel scheint auf die Schweiz begrenzt, .einmal mehr', 26 die wörtliche Übersetzung von once more, scheint in ihrer Presse besonders beliebt zu sein. Eine Übersicht über die mögliche Mannigfaltigkeit des Aufnahmevorganges darf auch folgenden Punkt nicht verschweigen: Welche Haltung nehmen die Sprecher und Hörer, die Schreiber und Leser zu ihm ein, eine sachliche, eine wichtigtuerische, eine ironisierende, ja protestierende? Unser Bild eines durchaus fragens- und überlegenswerten Vorganges vervollständigt sich wiederum, wenn es nach dem aufgenommenen Fremdgut und dem aufnehmenden Deutschen, Österreicher oder Schweizer nun auch die Vermittler einbezieht, auf deutscher Seite auf vorgeschobenstem Posten die Auslandsberichterstatter in London, New York, Washington, die Diplomaten, Auslandskaufleute, Reiseberichterstatter, Reiseschriftsteller; zwischen drinnen und draussen stehen das Ansage- und Büropersonal der Flughäfen, die Übersetzer im Dienst deutscher und internationaler Presseagenturen, die Interviewer angelsächsischer Berühmtheiten in Sprech- und Bildfunk; die Übersetzer der Comic strips-Hefte2' und anderer für Kinder bestimmter Bilderserien vom Schlag der Micky-Maus und der Classics International; dazu die England- und Amerika-Fahrer auf Zeit, Austauschstudenten und -professoren, au-pair-Mädchen, Touristen; ferner die Berufsübersetzer für Film, Bühne, Buch und Schlagertext; schliesslich potentiell alle, die Englisch gelernt oder studiert haben. Deutsche Staatsexamens- und Magisterarbeiten, Dissertationen, ja selbst Habilitationsschriften von Anglisten und Amerikanisten bieten manchmal überraschende Einblicke in die meistens unbewusste sprachliche Mittlerrolle ihrer Verfasser. Welche syntaktischen Anglo-Amerikanismen sie als Fehlübersetzung gelegentlich zustande bringt, mag folgende gedruckte Probe aus professoraler Quelle veranschaulichen: „... bereits bei der Planung des Lehrstuhls war beschlossen worden, die jeweils letzte Vorlesung im Semester als öffentliche Veranstaltung der Universität zu erklären". 28 Erklären ,als etwas' bedeutet im Deutschen etwas anderes als erklären ,zu etwas'. Englisches to declare as hat unbewusst Pate gestanden! Auf amerikanischer, britischer und kanadischer Seite wirken die Militärs als Vermittler, die in Deutschland stationierten Nato-Truppen, und ihre Familien, die Vertreter anglo-amerikanischer Firmen, die Leiter und das ausländische Personal " »6 M
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FAZ, FAZ, FAZ, FAZ, FAZ,
26. 11. 1964. 30. 1. 1961. 16. 1. 1954 (Zitat aus der Basler 26. 10. 1956. 4. 12. 1959.
Nationalzeitung).
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ihrer deutschen Niederlassungen. Ausliegende Zeitungen und Bücher aus dem angelsächsischen Ausland, die Soldatensender auf deutschem Boden, die Direktübertragungen in Rundfunk und Fernsehen sind weitere Kanäle im System des angloamerikanischen Einflusses. Die einheimische und die ausländische Seite können eng zusammenrücken und kurz- oder langdauernde sprachliche Vermittlersituationen begründen. Die deutschbritische oder deutsch-amerikanische Ehe in Deutschland, die Kommandosprache der Natotruppen, besonders der Luftwaffe, der nach Deutschland zurückgekehrte Emigrant, nicht selten nunmehr amerikanischer Staatsbürger, der britische oder amerikanische Austauschprofessor oder Gastvortragende im deutschen Hörsaal — eine Fülle sprachlicher Überlagerungsmöglichkeiten hat sich seit 1945 aufgetan. Mit welchen Folgen und aus welchen Gründen machen wir Deutsche von ihnen Gebrauch? Unterscheiden wir uns darin, was wir übernehmen, wie wir und wie intensiv wir es übernehmen, von den anderen Völkern Europas? Welchen Wert oder Unwert haben solche Übernahmen oder Anpassungen? Wie verhalten sich zu ihnen die Entlehnungen der Anglo-Amerikaner aus unserer Sprache? Wenn nach einem Wort Eduard Sprangers .Probleme sehen' den Wissenschaftler ausmacht, dann hat uns unser Fragenkatalog bestimmt der Wissenschaft nicht entfremdet. Versuchen wir, einige Hauptfragen zu beantworten! Tatsächlich hat die Forschung alle drei Elemente des angelsächsischen Einflusses in Deutschland voneinander trennen können. Vom Standpunkt der englischen Sprache des 20. Jahrhunderts sind to park im verkehrstechnischen Sinn, trend, team, test schon im gesamtenglischen Umlauf, bevor sie als parken, der Trend, das Team, testen in Deutschland Fuss fassen. Ob dies eher von England oder von Amerika aus geschah, wird sich in diesen und ähnlichen Fällen kaum noch klären lassen. Parken, Trend, Team, testen29 veranschaulichen mithin den gesamtenglischen Einfluss auf das heutige Deutsch. First Lady dagegen ist ein deutscher Amerikanismus, dem die überseeische Herkunft aufs Gesicht geschrieben ist. Freilich wird er auch in England verstanden, aber seltener gebraucht als in USA. Umgekehrt trägt Establishment30 — man braucht nur an die Englische Staatskirche als Established Church zu denken — seine insulare Abkunft auf der Stirn. In den Vereinigten Staaten wie in Deutschland ist Establishment in der Bedeutung „häufig nicht organisierte, ... nur durch ihren Einfluss mächtige Staats- und Standesordnung" 31 ein Britizismus. So einfach wie in First Lady und Establishment ist es meistens nicht, die Amerikanismen der deutschen Gegenwartssprache von ihren Britizismen zu sondern. Seit 1945 ist der Einstrom von Amerikanismen gegenüber früher erheblich grösser, der von Britizismen geringer geworden. 32 Der Anteil der gesamtenglischen Gäste in Deutschland erhöht sich dadurch. Mehr und mehr Amerikanismen dringen in das britische 29 80 31 32
Carstensen/Galinsky, 17. FAZ, 26. 4. 1966. Carstensen, 121. Ibid., 15-19.
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Englisch ein, oft werden sie gar nicht mehr als solche empfunden; unmittelbar aus Amerika oder mittelbar über Grossbritannien wandern sie nach Deutschland. Ein Beispiel für die Zuwanderung, nicht die ¿'/«Wanderung eines Amerikanismus aus Grossbritannien möge für viele stehen: Der britische Chemiekonzern ICI beginnt eine deutsche Werbeanzeige mit einem waschechten Amerikanismus: „ici-Chemikalien und Know-How sparen Zeit". 33 Im gewandelten Anteil des amerikanischen Englisch, des Gesamtenglisch, des britischen Englisch an der Beeinflussung des Deutschen spiegelt sich der Wandel der politisch-wirtschaftlichen und kulturellen Gewichtsverteilung. Fast alle unsere bisherigen Beispiele stammten aus dem Wortschatz. Er hält die anscheinend am raschesten erkennbaren und tatsächlich die weitaus häufigsten Fälle von Übernahme und Anpassung angelsächsischen Sprachgutes bereit. Ausserdem zeichnen sich im Wortschatz bestimmte Sachbereiche und damit bestimmte Kulturgebiete, in denen sprachliche Überlagerung im Gange ist, besonders klar ab. Die Stufenleiter der betroffenen Sachbereiche und damit das Gefälle des angloamerikanischen Einflusses lassen sich noch nicht endgültig bestimmen. Es fehlt nämlich an Untersuchungen zur Gebrauchshäufigkeit und Gebrauchsstetigkeit, ferner zur landschaftlichen und gesellschaftlichen Streuung übernommener und angepasster Anglo-Amerikanismen. Nach meiner begrenzten Erfahrung würde ich folgendes Gefälle ansetzen: an der Spitze die Wirtschaft, dann die Technik, gefolgt von der Vergnügungsindustrie und der Fünfergruppe Körperpflege, Kleidung, Essen, Wohnen, Freizeit; es schliessen sich an die Wissenschaften, Politik und Wehrwesen, die Künste, der Bereich der öffentlichen und privaten sprachlichen Formeln; an unterster Stelle der wortschatzmässigen Interferenz stehen Sittlichkeit und Religion. Jede dieser Stufen sei durch einige kennzeichnende Proben — von der eingebürgerten Übernahme oder Anpassung bis zur modischen Eintagsfliege — verdeutlicht. Vor mir liegt eine grosse deutsche Tageszeitung vom März 1966. Das Durchblättern weniger Seiten kaufmännischer Stellenangebote fördert folgende, primär fachsprachliche Entlehnungen zutage: Marketing, Produkt-Manager, Non-Food-Abteilung, Cash & Carry, Non-Food-Spezialist, Team, Media-Sachbearbeiter, Management für Italien, Produkt-Manager, der Trend, Konzeptionen innerhalb des Unternehmens verkaufen, Stabsstelle, Service.3* Im Wirtschaftsnachrichtenteil springt mir die Überschrift entgegen: „Der Boom für Tabakpfeifen ist vorbei". 35 Aus dem Stellenwert auf der gedruckten Seite, hier also aus der Verwendung in der Überschrift, lässt sich mit ziemlicher Sicherheit eines erschliessen: Boom muss überdurchschnittlich bekannt sein. Jeder von uns ist imstande, derartige Zeitungsbeispiele um andere aus seinem aktiven und passiven Wortschatz zu bereichern. Super-Markt,36 Diskount-31 und MinipreisLäden leben bereits kräftig in der Umgangssprache, so kräftig, dass mein jüngster 83 84 86 88 3
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FAZ, FAZ, FAZ, FAZ, FAZ,
10. 12. 1965. 5. 3. 1966. 5. 3. 1966. 5. 6. 1957. 21.122. 11. 1962.
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Sohn, ein Elfjähriger, beim Tischgespräch den berühmten Sänger Fischer-Dieskau als Fischer-Diskount missverstand. Von der Wirtschaft zur Technik! Einen Vorgeschmack geben wiederum die Stellenangebote der Zeitungen: elektronische Datenverarbeitung,38 Programmiersprachen,39 40 Rechenzentrum, 2-Kanal-Band-Anlage, COBOL-61, der 1410/7010-0perating System; Hardware- und Software-Kenntnisse; mathematische Methoden (Operations Research),41 Projekt-Ingenieur:42 Im technisch-naturwissenschaftlichen Nachrichtenteil der Tagespresse dringen Laser und Laserstrahlen43 vor. Im allgemeinen Nachrichtenteil sind Elektronengehirn, Pipeline44 und Nachrichtensatellit längst zu Hause; Telstar erwies sich in Sache und Wort mehr als Meteor denn als Fixstern am sprachlichen Himmel. Countdown45 dagegen, das Millionen wiederholt bei Direktübertragungen von Raketenstarts miterlebt haben, hat gute Aussichten, in der Zeitungssprache fest zu werden. Es wird also weithin verstanden, jedoch ziemlich selten selbst gebraucht. Die aktive und passive Sprache der modernen, technisierten deutschen Küche hat Mixer und Dash in sich aufgenommen; die Detergenzien haben das fachsprachliche Aroma noch nicht ganz verloren. Der Knittax ist dies unter der Hand strickapparatbedienender deutscher Hausfrauen längst gelungen. Die festesten Plätze in der Umgangssprache scheinen sich neben dem schon seit Jahrzehnten eingebürgerten Amerikanismus Grammophon, den im Ursprungsland der Phonograph überflügelt hat, die Wortfeldgenossen Playback,46 Stereo und Hi-Fi (Kürzung von High Fidelity) gesichert zu haben. Mit der Schallplatten- und Tonbandfertigung ist schon die Brücke zwischen Technik und Vergnügungsindustrie betreten. Film, Rundfunk und Fernsehen, bestimmte Formen des Sports und des Tourismus, des Theaters, der zum Geschäft gewordenen Erotik, des Nachtlebens teilen sich in diesen Sachbereich. Die Fülle der Übernahmen und Eindeutschungen darf gerade hier nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie an Bekanntheit, Gebrauchshäufigkeit und Rang sehr verschieden und ihrer Gebrauchsdauer nach der Mode ausgesetzt sind. Cutterschere47 und Close-upiB leben in der Fachsprache, Feature,19 Live-Sendung50 und Quiz,51 Musical52 und Flutlicht53 wachsen 38
FAZ, 19. 2. 1966. FAZ, 5. 3. 1966. 40 FAZ, 26. 2. 1966. " FAZ, 19. 2. 1966. " FAZ, 19. 2. 1966. " FAZ, 23. 4. 1963. " FAZ, 10. 10. 1953. " FAZ, 24. 5. 1962. " Carstensen, 161. " FAZ, 2. 8. 1954. " FAZ, 26. 11. 1964. " FAZ, 5. 10. 1953. so MAZ, 10. 5. 1966. " FAZ, 24. 12. 1953. •• FAZ, 16. 1. 1954. M FAZ, 23. 2. 1957. 59
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in die Gemeinsprache hinein, auf den unteren Rängen drängen sich Catcher,54 Gag,i5 Show,56 Schau57 und Schaugeschäft™ sexy59 und Sexbombe,60 Striptease*1 und Callgirl,62 auf den mittleren Festival63 und Band,6* auf den höheren Spirituals65 und Jazz-Gottesdienst. 66 Nur etwas für Kenner, u.z.T. nicht immer nur jugendlichen Alters, sind Fachsprache und Fachjargon des Jazz, der Blues, der Beats. Das KurzlebigModische kennzeichnet besonders die Tanznamen, von Calypso67 und Rock V Roll über Hully-Gully und Locomotion bis zum jeweils letzten Schrei. Vielleicht wird Twist im Gummi-Twist der spielenden Kinder länger leben als im Vokabular deutscher Tanzsäle. Beatles und Rolling Stones, Liverpool Sound und Surf Sound — auf wessen Zunge werden sie ein halbes Jahrzehnt später überhaupt noch leben?68 Vertauschen wir die öffentlichen Lustbarkeiten' mit den privaten und häuslichen Gefilden, so begleiten uns die Anglo-Amerikanismen auch dahin. Ein Blick ins Badezimmer, aufs Schuhregal und in den Kleiderschrank! ,Make-Up naturel', das Erzeugnis einer deutschen Firma verbeugt sich sprachlich nach beiden Seiten der internationalen Kosmetik, der älteren französischen, der jüngeren amerikanischen. Vitamin-Sonnen-Gelee gibt sich auf seiner Tube sofort auch englisch als Vitamin-SunJelly. Sioux märchenhaft bequem, Grasshopper formtreu, Hush-Puppies und Mocassins, New Look, Bikini, Twin-set, Shiftkleid, Blazer, Pillbox für die Damen, Tropical, Dufflecoat und das ältere Interlock für das männliche Geschlecht — man liest die Namen, man spricht sie aus, wenn man die Ware kauft, und sonst braucht man sie kaum. Nur Make-up,69 Bikini,10 wohl wegen seines schwarzen atomzeitalterlichen Humors, der schon Sexbombe am Leben hielt, und Nietenhosen, 71 als Eindeutschung von blue jeans, haben die Jahre überdauert. Die Küche mit Ketchup, Reis-Fit und Grapefruit, die Bar domestiziert zur Hausbar, ihre Drinks und Cocktails, das Kinderzimmer mit Matchbox-Autos und Old Timers, der Hobby-Raum72 im Keller, Verzeihung! im Basement,13 der Garten mit Swimming-pool74 und Hollywood-Schaukel — 64 66 M
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68 69 80 61 6a 63 84 86
•• 67 88 68 70 71 72 78 74
Carstensen, 109. FAZ, 23. 11. 1964. FAZ, 27. 2. 1962. FAZ, 16. 2. 1962. FAZ, 26. 7. 1960. Carstensen, 174. Ibid. FAZ, 21. 6. 1965. FAZ, 11. 9. 1961. FAZ, 26. 1. 1955. Carstensen, 98. FAZ, 7. 3. 1964. FAZ, 9. 1. 1962. Musik-Revue, 6. 5. 1957. Ibid. FAZ, 11. 9. 1954. Carstensen, 100. FAZ, 5. 8. 1961. FAZ, 15. 6. 1954. Carstensen/Galinsky, 48. FAZ, 23. 2. 1963.
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es sind, abgesehen von der Küche, die Wirtschaftswunderworte der Luxus-Klasse, nicht der Bedarfsdeckung, die die häusliche Umwelt wie Firnis überziehen. Es liegt an der Spezialisierung des modernen wissenschaftlichen Lebens, dass die zahlreichen sprachlichen Zeugnisse der Begegnung des deutschen Geistes mit der angelsächsischen Welt meistens in den Grenzen der Fachsprache oder der Fachjargons bleiben. Nicht Physik und Chemie, nicht Soziologie, Politologie und Linguistik, die ihre Terminologien seit 1945 kräftig mit amerikanischen Termini angereichert haben, sondern die Pädagogik und die medizinische Psychologie haben einigen Entlehnungen den Weg in die Gemeinsprache freigegeben: Spätentwickler,75 Sprachlabor76 und Stress,77 das übrigens in seiner neuen Bedeutung körperlich-seelische Extrembelastung den einzigen Kanadismus des heutigen Deutsch darstellt. Das amerikanische und das britische Universitätssystem haben wiederum nur für Fachleute Unit, Department System und Campus78 beigesteuert. Der Magister und der Ing. (grad.) befinden sich schon auf Probefahrt in die hochsprachliche Schicht der Gemeinsprache. Ihre umgangssprachliche Schicht kommt nicht zufällig bei Übernahme und Eindeutschung von Wörtern der Politik und des Wehrwesens gut auf ihre Kosten. Jeep, Atombombe, Kalter Krieg und Heisser Draht, Gipfelkonferenz und Entwicklungsländer gehören hierher. Nato, Friedenskorps, Gehirnwäsche, Hexenjagd und Fragenpaket, Lobbyist und Pressure-Group stehen schon auf dem Übergang zu jenem fachsprachlichen Bereich, in dem die militärischen Ausdrücke rollback und Containment, escalation und non-proliferation gedeihen mit Steuer- und verwaltungspolitischen Fachausdrücken wie Splitting79 und Hearing80 als innerpolitische Nachbarn. Action painting und Mobile, Pop art und Op art, Industrial design, Science fiction und Ghostwriter erinnern daran, dass auch die Sprache der Künste reichlicher als früher angelsächsiche Gäste, besonders amerikanische, aufgenommen hat. „Ghost writer, aber einer, der Deutsch kann", 81 überschrieb ein Witzbold seine literarische Suchanzeige. An Umfang noch bescheidener, aber trotzdem auffällig, weil völlig ohne Vorläufer, sind gewisse deutsche Entlehnungen im Bereich der privaten und öffentlichen Formeln. Ihre Spitzenreiter waren und sind noch immer die ungleichen Brüder praktisch und O.K.e2 „Würden die öffentlichen Mittel weiter gekürzt ..., dann könnten Wohnungen mit Mieten unter 4 D M je qm praktisch nicht mehr gebaut werden", 83 las ich noch Anfang März dieses Jahres dicht unter der Schlagzeile einer Grossstadtzeitung, .praktisch' in der Bedeutung von ,so gut wie' oder ,fast' übersetzt gesamtenglisches practically. Es hat sich seit der Vorkriegszeit in der Gemeinsprache eingebürgert. '5 " " 78 78 80 81 82 83
FAZ, 27. 3. 1962. Carstensen, 241. Ibid., 185. Ibid., 270. FAZ, 6. 4. 1957. Carstensen, 135. FAZ, 6. 3. 1964. Schreibung O.K., FAZ, 30. 12. 1961, wie auch okay, FAZ, 22. 2. 1962. MAZ, 8. 3, 1966
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O.K. ist salopper und daher in der gesprochenen niederen Umgangssprache verblieben ; es lebt vor allem im Mund junger Männer. Die jahrelang anhaltende Modewelle von .Genau!' 84 haben wir seit einigen Monaten hinter uns. Es ist sehr wahrscheinlich eine Übersetzung von Precisely oder Exactly mit der gleichen syntaktischen Funktion der zustimmenden Antwort. Der Kurzsatz No comment als Übernahme oder ,kein Kommentar' 85 als Verdeutschung beginnt sich in der Sprache der Politiker einzunisten. Man muss bis zur Dreiländerecke von Medizin, Sittlichkeit und Religion gehen, wenn man drei zutiefst kennzeichnenden, enthüllenden Wörtern unseres Zeitalters begegnen will: Ich meine die Anglo-Amerikanismen Bevölkerungsexplosion, Geburtenkontrolle und Anti-Baby-Pille. So führen die wortschatzmässigen Spuren des angelsächsischen Einflusses durch alle Lebensbereiche unseres Volkes. Sehr viel versteckter äussert er sich in Wortbildung, Wortbeugung und Syntax. Goethes Italienische Reise und unsere Italienreise,86 Berliner Pfannkuchen, aber Chruschtschows Berlin-Note,87 bis in die späten 1950er Jahre noch Hannoverische Messe, seitdem Hannover-Messe88 — erst bei solcher Gegenüberstellung merkt man die Parallele der kürzeren Bauweise zu a California spokesman, a New York letter, the Seattle worldfair. Die Wortzusammensetzung von Hauptwort und Hauptwort ist an die Stelle der Phrase aus Eigenschaftswort und Hauptwort getreten. Beide Muster sind im Deutschen längst vorhanden. Dass der Typ ,Italienreise' im Zeitungsdeutsch, aber auch schon im Umgangsdeutsch Boden gewinnt, ist wahrscheinlich durch das Englische gefördert worden. Solche Förderung scheint ein zweites Mal am Werk zu sein. Wiederum stellen wir gegenüber: Fernschreiber, Schreibmaschine; Elektronenrechner, Rechenmaschine; Trockenrasierer, Rasierapparat,89 Die Ableitung mittels -er verwandelt ein Gerät in eine Person. Wäscher und Reiniger,90 Entsafter, Plattenspieler, Bohner — gerade die Namen der neuen technischen Geräte folgen diesem Muster. Amplifier, Converter, air conditioner, Computer zeigen an, woher der Wind weht, der das Wachsen der deutschen -er-Ableitungen in den Fachsprachen und durch sie hindurch in der Gemeinsprache beschleunigt. Wortkürzungen vom Typ EWG, Unimog oder Veba, besonders vom Typ H-Milch91 ( = Haltbare Milch), Wortmischungen vom Muster Grusical92 aus Gruseln und Musical scheinen ebenfalls unter der begünstigenden Wirkung des gleichen, daheim noch erheblich produktiveren englischen Wortbildungsmusters bei uns häufiger zu werden. 84 86 88 87 88 88 90
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FAZ, 13 1. 1962. FAZ, 8. 4. 1958. FAZ, 30. 12. 1961. Ibid. FAZ, 30. 1. 1957. Cf. Carstensen/Galinsky, 53. FAZ, 24. 9. 1963. FAZ, 27. 8. 1965. Carstensen/Galinsky, 54.
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Seltener als solcher fördernder ist der verursachende Einfluss anglo-amerikanischer Wortbildungsweisen. Der Waschautomat Lavamat, der Fotoapparat Instamatic, die Afrika-Ausstellung Afrikarama, das Schweizer Eheanbahnungsinstitut Selectron — sie alle ahmen amerikanische Modelle nach, die -mat und -matic im Sinne von Automat und automatisch, -rama in der Bedeutung von Panorama, -tron im Sinne von fehlerlos arbeitendem elektronischem Gerät verwenden. Eine deutsche Firma der automatischen Datenverarbeitung nennt ihr System ,Bingo'; der Name besteht aus den Anfangsbuchstaben von ,l?aukasten-/nformationssystem «ach genormten Operationskarten'. 93 Die ,Gemeinschafts-Organisation .Ruhrkohle GmbH' kürzt sich als ,Georg' 94 ab. Schon vorhandenen Namen, die etwas ganz anderes bedeuten, im ersten Fall ein amerikanisches Glücksspiel, im zweiten einen Vornamen, wird also eine neue Bedeutung unterlegt. Diese Technik der amerikanischen Werbe- und Betriebsorganisationssprache trat uns nach 1945 das erste Mal in CARE95 und den CAREPaketen entgegen. Auch die Neubildung vom Typ „Beinahe-Unfall", 96 „BeinaheSchwiegereltern" hat ihre amerikanische Vorlage. Das sog. NATO-Alphabet97 ist an die Stelle des deutschen Militär- und Schiffsmeldungsalphabets getreten. Beide Teile Deutschlands haben es übernommen. Auf dem Nachbargebiet der Wortbildung, in der Wortbeugung, scheint der angloamerikanische Einfluss genauso zu wirken wie zu Haus, d.h. teils zerstörend, teils wiederaufbauend. Wer an die englische Fügung the car of the lady gewöhnt ist, wird unbewusst das ähnliche Muster: das Auto von der Dame vorziehen, mindestens in der gesprochenen Umgangssprache. Die gedruckte Pressesprache hat uns dank dem Spiegel mit wiederbelebten s-Genitiven vom Muster ,Berlins Brandt' .Münchens Vogel' beglückt. 98 Die Pressesprache Amerikas lieferte das Vorbild. Fachsprache und Fachjargon sind die Domänen solcher Wortbildungs- und Wortbeugungsbeeinflussungen ; die Gemeinsprache hält sich zurück. Für die Anglo-Amerikanismen der Syntax gilt fast genau das gleiche. Wenn eine Schlagzeile lautet: ,4000 Tote befürchtet', könnte 4000 deadfeared als Modell gedient haben. Bisher hat man nämlich in Deutschland nur etwas, nicht jemanden befürchtet. Wenn ein Merkblatt „Steuerfragen für zugeteilte Bausparer" erläutert, ist aus dem Dativ-Objekt — Bausparer, denen etwas zugeteilt worden ist — ein Subjekt geworden, das selber zugeteilt worden ist. Solche persönlichen Passivumwandlungen sind im Englischen gang und gäbe: I was told, I was assigned. In der deutschen Umgangssprache scheinen sich bisher nur drei syntaktische Anglo-Amerikanismen, schon Vorhandenes fördernd, oder Neues verursachend, bemerkbar zu machen. Alle drei betreffen Präpositionen: der Herr von nebenan ist für drei Wochen verreist, wie sagt 93 M 85
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FAZ, 9. 3. 1964. FAZ, 5. 10. 1954. Carstensen/Galinsky, 55. Cf. FAZ, 27. 10. 1960. MAZ, 9. 7. 1965. FAZ, 23. 12. 1961.
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man so etwas in Deutsch?, in 1965." Auf zwei Wochen, auf Deutsch, 1965 oder im Jahre 1965 waren bisher so gut wie alleinherrschend. In der geschriebenen Sprache gewinnt anscheinend eine neue Wortstellungsweise langsam Boden: „Eine von Vertretern verschiedener Parteien lange diskutierte Frage betraf die Mittelpunktsschule" kann schon umrangiert werden zu: „Eine Frage, von Vertretern verschiedener Parteien lang diskutiert, betraf die Mittelpunktsschule". Das ähnelt gesamtenglischer Schreibsyntax, allerdings auch französischer. Einflüsse beider können hier in gleicher Richtung wirken. Wortschatz, Wortbildung und -beugung, Syntax: in dieser Stufenfolge verlief das Gefälle des anglo-amerikanischen Einflusses. Höhlt es unsere Sprache aus? Man kann diese Frage nicht beantworten, ehe das Warum und Wozu solchen Sich-BeeinflussenLassens geklärt ist. Unsere Sprache ist wie jede Sprache einerseits zweckbestimmte Mitteilung. Sie braucht diese Übernahmen aus dem Englischen überall dort, wo neue Gegenstände, neues Denken und Fühlen begrifflich mitgeteilt werden sollen, aber noch keine deutschen Wörter für sie bestehen, wohl aber englische, z.B. to park, radar. Übernahmen sind nicht notwendig, aber wünschenswert, wenn sie ein Wortfeld feiner gliedern helfen. Das Wortfeld ,Arbeit' wäre ärmer, wenn die Abtönungen Job und Team-Arbeit fehlten. Übernahmen sind weder notwendig noch wünschenswert, wenn der neue Sachverhalt leicht einordnungsfähig, eine eigene deutsche Sehweise sachlich gerechtfertigt und das verdeutschende Wort eindeutig und nicht zu lang ist. Diese Bedingungen erfüllen Nietenhosen für Blue Jeans, Tomatenmark für Ketchup, Geschirrspüler für dishwasher. Dagegen fehlt Öffentlichkeitsarbeit' 100 die Eindeutigkeit. Die Übernahme wird Luxus, wenn sie aus Angeberei oder Nachlässigkeit deutsche Bezeichnungen für längstvorhandene Gegenstände nicht benutzt, ja gar verdrängt oder deutsche Bezeichnungsmöglichkeiten nicht ausschöpft. Festival statt Festspiele, Band statt Kapelle, Popcorn101 statt Puffmais, Hearing statt Anhören von amtswegen, realisieren102 statt klar erkennen, Airbus103 statt Luftbus gehören hierher. Aber auch die Verdeutschung wird Unfug, wenn sie Verwechselungen mit herkömmlichen Bedeutungen hervorruft.,Kosige Atmosphäre' 104 für cosy atmosphere und ,Seeleningenieur' für soul engineer liefern warnende Beispiele. Gewisss steckt weniger geistige Arbeit hinter der Übernahme des Fremden als hinter seiner Verdeutschung. Jedoch hat diese erste Reaktionsweise immerhin den Vorteil, dass Einfuhr als Einfuhr erkennbar bleibt. Die Übersetzung, auch die sogenannte schöpferische, die eigentlich nicht mehr ein fremdes Wort übersetzt, sondern einen fremden Sachverhalt neu ausdrückt und damit umdeutet, lässt leicht eines vergessen: der Anstoss auch zur Übersetzung bleibt anglo-amerikanisch. Man kann diese Art des Einflusses 99 100 101 104 108 104
Cf. Carstensen/Galinsky, 28-29. FAZ, 4. 1. 1956. FAZ, 29./30. 1956. FAZ, 10. 3. 1963. FAZ, 3. 4. 1963. FAZ, 28. 12. 1965.
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weder mit wörtlicher noch mit umdeutender Ubersetzung aus der Welt schaffen. Unsere Sprache ist aber auch zweckfreier, persönlicher Ausdruck; sie ist Spiel und Stil. Deshalb finden sich Anglo-Amerikanismen, Britizismen, Amerikanismen selbst in der Dichtung, z.B. bei Thomas Mann und Benn, bei Frisch und Ruehmkorf, bei Ingeborg Bachmann. 105 Stilistisch begründete Entlehnungen erzeugen amerikanisches oder britisches Lokalkolorit; sie dienen gerade auch in gepflegter Prosa durch Wahl von Manager, Job und Party der Genauigkeit des Ausdrucks; sie helfen mit Basement statt Keller, mit Call-girl statt Prostituierter Peinliches verschleiern und aufwerten. Sie schaffen mit Jet106 statt Düsenflugzeug, mit Boom statt Hochkonjunktur, mit Fernschreiber statt Fernschreibmaschine, mit Interpack statt Internationaler Verpackungsmaterialien-Messe erwünschte Kürze. Sie gewinnen mit Sexbombe und Sozialpaket,107 mit Gedanken verkaufen108 und Handelsschiffe entmotten, mit der Personifizierung von Geräten durch Ableitungen auf -er auflockernde Bildlichkeit; „O.K." statt „Ja," „Genaul" statt „Stimmt!" schaffen Abwechslung. Die Nachahmung amerikanischer Spracheigentümlichkeiten, wie sie etwa Brecht und Benn betreiben, drückt Haltungen und Tonlagen aus, vom gutmütigen Scherz bis zur Verhöhnung Amerikas und eines vermeintlich amerikanisierten Deutschlands. Die Beobachtung der Stilwerte hat die abschliessende Wertung der Gesamterscheinung „Anglo-amerikanischer Einfluss auf die deutsche Sprachentwicklung der letzten Jahrzehnte" erleichtert. Gewiss, der Einfluss ist umfangreich, jedoch mehr breit als tief. Die stets bewegliche Oberfläche des Sprachmeers, der Wortschatz, ist unvergleichlich stärker aufgewühlt als die ruhende Tiefe, die Wortbildungsmuster, die Syntax. Fachsprache und Fachjargon sind kräftiger beteiligt als die Gemein- oder gar die Dichtersprache, die Sprache der Jugend stärker als die ihrer Eltern, der passive Sprachschatz nachdrücklicher als der aktive. Das lautliche, rhythmische und intonatorische Gefüge des Deutschen ist unverändert geblieben. Die Lautgruppe [d3], stimmhaftes und stimmloses th erscheinen in der Regel nur bei zweisprachigen Sprechern; sie übernehmen auch die stimmhaften Verschlusslaute am Wortende, z.B. in Job und Gag. Freilich sind etymologische Mischungen in Wortzusammensetzungen gestiegen: Lufthansa-Jets, und Hausbar sind Folgen halber Anpassung. Eine unerwartete Nebenwirkung gerade von Übernahmen aus der Neuen Welt sind das Neuauftauchen antiker, lateinischer Gäste in neuweltlicher Bedeutung: der Sponsor109 von Werbesendungen, der Campus deutscher Universitäten! Im Verhältnis zum Innenwachstum des deutschen Wortschatzes aus einheimischen, germanischen oder germanisierten Beständen, im Verhältnis auch zur ständigen Nutzung lateinischgriechischen Sprachguts ist der Einstrom des Anglo-Amerikanischen massvoll. Er ist teils notwendig, teils wünschenswert, teils entbehrlich. Er entzieht sich diesen drei 105 108 107 109 109
Cf. Hans Galinsky, „Stylistic Aspects of Linguistic Borrowing", in: Carstensen/Galinsky. Carstensen, 141. FAZ, 22. 10. 1962. FAZ, 31. 10. 1962. FAZ, 17. 12. 1958.
DER ANGLO-AMERIKANISCHE EINFLUSS AUF DIE DEUTSCHE SPRACHE
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Massstäben dort, wo er stilistisch begründet ist, also künstlerischen Massstäben gehorcht. Dieser Einfluss ist Teil eines umfassenden Zusammenhanges und nur die eine Seite eines doppelseitigen Vorgangs. Er ist Teil der Gesamtausstrahlung der englischen Sprache auf das europäische Festland. Soweit der Einfluss vom amerikanischen Englisch ausgeht, ist die deutsche Entlehnung Teil der Einwirkung des überseeischen Englisch auf das europäische Britannien und das europäische Festland zugleich. Soweit der Einfluss gesamtenglisch ist, markiert er nur die vorläufig, nicht endgültig letzte Phase im jahrhundertealten Vorgang der sprachlichen Wechselwirkung zwischen angelsächsischer Welt und Deutschland. Er ist reichliche Gegengabe für jene Gabe, die die deutsche Sprache vor allem seit der Romantik der angelsächsischen Welt gegeben hat. Weltschmerz und Wanderlust, Zeitgeist und Weltanschauung, Alpenstock und Edelweiss, Seminar und Festschrift, Quartz und Gestalt, 1 Ohm und 1 Mach, Schnitzel und Schnauzer, Ersatz und Blitz, hopefully in der Bedeutung von .hoffentlich', typical for neben typical of, „Gesundheit" als freundliche Reaktion auf einen niesenden Mitmenschen! — Ja, am Ende ist der Einfluss des Deutschen auf das Englische ein ähnlich vielschichtiges Thema 110 wie unser Zwillingsthema von heute. Erst beide zusammen ergeben die volle Bedeutung des Sprachlichen in der jahrhunderte-alten, sich täglich erneuernden, ohne Sprache unmöglichen Begegnung Deutschlands mit der angelsächsischen Welt. JOHANNES GUTENBERG UNIVERSITÄT, MAINZ
110 Die umfassendste Untersuchung zu ihm hat bisher Karl-Heinz Schönfelder, Deutsches Lehngut im Amerikanischen Englisch: Ein Beitrag zum Problem der Völker- und Sprachmischung (Halle [Saale], 1957), vorgelegt. Nachtrag: W. F. Leopold, English Influence on Postwar German (= University of Nebraska Studies, New Series 36) (Lincoln, Nebr., 1967).
ERNST GAMILLSCHEG
Z U R GESCHICHTE DER L A T E I N I S C H E N LEHNWÖRTER IM W E S T G E R M A N I S C H E N
1. Eine unmittelbare Verbindung zwischen Germanen und Römern erfolgte nicht vor dem 1. Jhdt. unserer Zeitrechnung, als Kaiser Tiberius die am linken Rhein siedelnden germanischen Stämme in den römischen Militärbezirken von Mainz und Köln zusammenfasste. Es kam dabei zum Kontakt von zwei Kulturen, von denen die römische politisch und wirtschaftlich die überlegene war. So kam es dazu, dass neben zahlreichen Ausdrücken, die für die germanische Bevölkerung Zeugnisse einer unbekannten nachahmenswerten Kultur waren, auch einzelne offizielle Ausdrücke im Zusammenhang mit der neuen politischen und administrativen Zugehörigkeit in den germanischen Wortschatz übernommen wurden. Ein weiteres Gebiet wechselseitiger Berührung zwischen den Römern und der einheimischen Bevölkerung der neu besetzten Gebiete war das Gebiet der Vascones, die in der Römerzeit zunächst in der Ebroniederung zwischen dem Ega-Fluss und dem Gallego wohnten. Ihre Kultur war iberisch. Hier war schon im 4. Jhdt ein Bischofsitz, d.h. ein Ort starker römischer Ausstrahlung. In dem vaskonischen Calagurris wurde 348 der lateinische Kirchenschriftsteller Prudentius geboren. Es ist daher höchst wahrscheinlich, dass hier die lateinische Kultur und Sprache lange vor der Auswanderung der Vascones in den Norden und ihrer Verschmelzung mit einer fremder Bevölkerung, wahrscheinlich ligurischer Herkunft, weit verbreitet waren. Ihr Wortschatz war wohl in ähnlicher Weise mit lateinischen Elementen durchsetzt wie das Westgermanische, und das Keltische im Süden Britanniens. Doch dauerte hier diese erste intime Berührung zwischen Iberern und Römern etwa 150 Jahr länger als in den Rheinlanden und im Süden Englands. Der Einftuss der Kirche machte sich hier begreiflicherweise auch stärker im Wortschatz bemerkbar als in der Romania Germana. Ähnliche Gebiete starken römischen Einflusses auf die einheimische Bevölkerung dürften die Provinzen Dalmatia und Illyricum gewesen sein; desgleichen Nordafrika, und es ist daher kein Zufall, dass überall dort, wo die römische Kultur mit den einheimischen Kulturen in Berührung kam, die Bezeichnungen der gleichen Gesichtsund Kulturkreise aus dem Lateinischen in die Sprache der unterworfenen Völker eindrangen.
LATEINISCHE LEHNWÖRTER IM WESTGERMANISCHEN
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Der römisch-romanische Einfluss auf die einheimischen Idiome wurde auch nach dem Zusammenbruch des römischen Weltreichs zeitweilig unterbrochen. Nicht nur zum Verständnis der Sprachentwicklung, sondern auch vom Standpunkt der Kulturentwicklung aus ist es notwendig, nach Möglichkeit die alten Wortschichten von den jüngeren Entlehnungen zu scheiden, also z.B. festzustellen, was von den im Germanischen noch erhaltenen Bestandteilen des römischen Wortschatzes noch in der Zeit des Imperiums entlehnt wurde, und was unter anderen Voraussetzungen die westromanischen Sprachen zum europäischen Wortschatz beigetragen haben. Chronologische Anhaltspunkte lassen sich ebenso aus der Frühgeschichte der germanischen wie der romanischen Sprachen erschliessen. 2. Eine solche Möglichkeit der chronologischen Bestimmung bietet die westgermanische Konsonantendehnung vor unmittelbar nachfolgendem -j-. Diese Konsonantengemination ist nicht vor dem 3. Jhdt eingetreten, war aber vor der Auswanderung der Angelsachsen nach England schon vollzogen. Lat. Lehnwörter, die diese Konsonantendehnung mitgemacht haben, müssen daher spätestens im 3./4. Jhdt germanisiert worden sein.1 Bei der Übernahme des lateinischen Wortgutes wurde, nach germanischer Intonation, ohne Rücksicht aud die lat. Accentstelle, die erste Silbe des Vollwortes (also nicht auch das bedeutungslose Präfix) betont, Kluge Urg. §82/83; Bach S. 91; Pogatscher S. 17. Diese germanische Intonation bleibt auch in der nachfolgenden Periode der lat. Entlehnungen, wirksam, auch bei den aus der Sprache der oberen Bevölkerungsschichten entnommenen Lehnwörter und Namen, Agustinus, bdsilisca belegt Pogatscher aus Südengland. Ein Wort wie lat. boletus „essbarer Pilz" wurde also (nach der Accusativform mit dem vulgärlat. Schwund des auslautendem -m) als böletu übernommen, daraus ahd. bulliz, ndd. bülte. 3. Auf Grund der germanischen Konsonantengemination und unter Berücksichtigung der typisch germanischen Anfangsbetonung erweisen sich also als Lehnwörter der ältesten Schichte: Vlat. aciale ,Stahl', über äkkjal, ahd. ecchil, REW 103. ceresia .Kirsche', über keressja westgerm. kirissa, adh. kirsa, agls. cirse, ciris-beam .Kirschbaum'. apium .Eppich', über appju, ahd. epfi. caprio ,Zicklein', .Dachsparren', R E W 1650, über kapprjo, oberdt. käpfer, .Balkenkopf', s. Frings 25; 103. castinea (castanea), REW 1742, ahd. kestinna. lorea ,Tresterwein', über lorrja umgelautet in ahd. lurra. 1
Kluge, Urg. Abschnitt 14 „Die vlat. Lehnwörter des Angelsächsischen sind von den Angelsachsen aus der kontinentalen Heimat mit nach England gebracht worden" Pogatscher, 2. Auch in Südengland bleibt das Lateinische noch zwei Jahrhunderte nach dem Abzug der römischen Besatzung als Verkehrssprache bestehen, versandete erst um 600 vollständig.
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milia (passuum) .Meile', ahd. mîlla, agis. mil. palatium .Palast', über palattju, palattu at. "Pfalz", ahd. pfalantzo, agis, paient. puteus ,Ziehbrunnen', ahd. pfuzzi,Pfütze', ndd., agis. pytt. scrinium ,Schrein', über skrînni ahd. skrîni-, die Form mit geminiertem -nn- erklärt die Erhaltung des -i. vicia ,Wicke', über wikkja ahd. wiccha. vindemia .Weinlese', in ahd. wintimma. Eine Sonderstellung nimmt das Lehnsuffix -ârium ein, das im Westgermanischen in Lehnwörtern einen Nebenaccent auf der Tonsilbe trug, der auch die Erhaltung des langen Tonvokals des lateinischen Suffixes bedingt, s. Behaghel, 279. Die Femininform -äria zeigt die zu erwartende Normalform -arra (aus -ärja), so bezeugt in der altalemannischen Form lächanarra .Ärztin', zu ahd. lâhhi .medicus', sodass als Grundform wohl lâhhin-arra anzusetzen ist, Szadrowsky, ZOF 14, 31; dazu im Jahr 897 belegtes tahsanarra .Dachsbau', aus vlat. taxonaria wie frz. taissonnière. 4. Beibehaltung der germanischen Tonsetzung ist also auch bei Entlehnungen aus dem Lateinischen charakteristisch für die älteste Lehnwörterschichte. Die normale Accentverteilung ist, dass nach dem starkbetonten Vokal der ersten Silbe ein schwächer betonter Vokal der 2. Silbe folgt und eine schallschwache Silbe in der Endsilbe steht, deren Vokal die Tendenz hat, zu verstummen ; also die Tonfolge ' ' Im Galloromanischen folgt, abgesehen von den östlichen Mundarten, dem Tonvokal die schallschwächste Silbe, dagegen hat die Endsilbe in Proparoxytonis einen Nebenaccent, der in der alten Zeit eine abgeschwächte Erhaltung des Endvokals zur Folge hat. Die germanische Accentverteilung lebt dagegen im Osten von der Wallonie bis zur französischen Schweiz mundartlich weiter; vgl. lat. dérbità .Flechte', frz. dartre, mit der romanischen Tonverteilung; dagegen wall, dièfe, Moselle derp, derf, dauph. alt dérbie, über dérbèd; (palmes) palmite .Rebschoss', lothr. pom, Gaumet (Belgien) pôm, pâm .Aehre', REW 6172, über pâum%3, Eva Seifert, Zur Entwicklung der Proparoxytona auf -ite, -ita, -itu im Gallorom (Diss. Berlin, 1919); ferner lat. tépidu(m) awall. tief (litterarisch tiède), Porrentruy (Kanton Bern) tev, ALF 1302; lat. cambita .Radfelge', wall, tchame, Meuse chamme, Orbey tsäbr, usf., FEW II, 125; lat. impotat ,er pfropft', afrz. empe, gegen lit. ente; usf. 5. Nach Kluge, Urg. Kapitel 31 beginnt die Abschwächung der Auslautvokale im 3. Jhdt.; -à, -ö, -