Festschrift für Friedrich Weber zum 70. Geburtstag am 19. Mai 1975 [Reprint 2014 ed.] 9783110899078, 9783110046298


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German Pages 471 [476] Year 1975

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Table of contents :
Friedrich Weber zum 70. Geburtstag
Verzeichnis der Schriften FRIEDRICH WEBERS
Schiedsfähigkeit
Wert und Unwert der Prorogationsnovelle — Ein Beitrag zur Methodik der Prozeßreform
„Steckengebliebene“ Insolvenzverfahren
Sozialplan trotz Insolvenz?
Die Interventionsklage als zivile Negatoria
Zum Prozeß vergleich mit Widerrufsvorbehält
Verfahren und Verfahrensrechtssatz
System und Aufbau der Schadenshaftung im Deliktsrecht
Juristische Methodenlehre und Prozeßrechtswissenschaft
Negative Rechtskraftwirkung und konkursmäßige Zweittitulierung
Aspekte zur Wechselwirkung zwischen Konkursrecht und Wirtschaftsleben
Prozessuale Probleme hinsichtlich der „Geltendmachung von Gläubigerrechten“ durch den Konkursverwalter beim Konkurs einer Aktiengesellschaft (§ 93 Abs. 5 AktG)
Die sogenannte „Prozeßaufrechnung“ – eine dogmatische Fehlakzentuierung
Vom Wert und Unwert juristischer Konstruktionen im Konkursrecht
Right of Stoppage in Transitu und deutsches Konkursrecht
Fremdzurechnung bei Verwaltergeschäften
Ist die Rechtsmacht des Konkursverwalters durch den Konkurszweck begrenzt?
Zur Erledigung der Hauptsache
Sind die Rechtsfolgen der Rückabwicklung nach dem Abzahlungsgesetz für den Käufer günstiger als die Rücktrittsregelung des BGB?
Notizen zur Rechtswegabgrenzung
Südafrikanischer final-Vermerk und deutsche Vollstreckungsklage
Konkurs- und konkursähnliche Verfahren im geltenden Europarecht
Die Entscheidung über prozeßhindernde Einreden
Die unverzichtbare Handlungsfreiheit
Zur Teilanfechtung eines über präjudizielles Rechtsverhältnis und abhängige Rechtsfolge ergangenen Urteils
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Festschrift für Friedrich Weber zum 70. Geburtstag am 19. Mai 1975 [Reprint 2014 ed.]
 9783110899078, 9783110046298

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Festschrift für Friedrich Weber zum 70. Geburtstag

FESTSCHRIFT FÜR FRIEDRICH WEBER ZUM 70. GEBURTSTAG am 19. Mai 1975

Herausgegeben von

Erhard Bökelmann, Wolfram Henckel, Günther Jahr

w DE

G 1975 Walter de Gruyter · Berlin · New York

Gedruckt mit Unterstützung des Kultusministeriums Baden-Württemberg I S B N 3 11 0 0 4 6 2 9 6

©

Copyright 1975 by Walter de Gruyter Sc Co., vormals G . J . GÖschen'sdie Verlagshandlung J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer, Karl J . Trübner, Veit & Comp., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in Irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronisdier Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Satz und Druck Saladrudc, Berlin Biadearbeiten: Lüderitz & Bauer, Berlin

Inhalt Friedrich Weber zum 70. Geburtstag

VII

Verzeichnis der Schriften FRIEDRICH WEBERS

IX

JOHANNES BÄRMANN, M a i n z :

Schiedsfähigkeit

1

Köln: Wert und Unwert der Prorogationsnovelle — Ein Beitrag zur Methodik der Prozeßreform

23

Tübingen: „Steckengebliebene" Insolvenzverfahren

41

Köln: Sozialplan trotz Insolvenz?

57

Hamburg: Die Interventionsklage als zivile Negatoria

87

GOTTFRIED BAUMGÄRTEL,

FRITZ BAUR,

AUGUST MARIA BERGES,

KARL AUGUST BETTERMANN,

Bochum: Zum Prozeßvergleich mit Widerrufsvorbehalt

ERHARD BÖKELMANN,

Marburg: Verfahren und Verfahrensrechtssatz

101

RUDOLF BRUNS,

i

113

Göttingen: System und Aufbau der Schadenshaftung im Deliktsrecht

125

Heidelberg: Juristisdie Methodenlehre und Prozeßreditswissensdiaft

135

ERWIN DEUTSCH,

HILMAR FENGE,

Bonn: Negative Rechtskraftwirkung und konkursmäßige Zweittitulierung 155

H A N S FRIEDHELM GAUL,

Bonn: Aspekte zur Wechselwirkung zwischen Konkursredit und schaftsleben

WALTER GERHARDT,

Wirt181

Würzburg/Genf: Prozessuale Probleme hinsiditlich der „Geltendmachung von Gläubigerrechten" durch den Konkursverwalter beim Konkurs einer Aktiengesellschaft (§ 93 Abs. 5 AktG) 197

WALTHER HABSCHEID,

Heidelberg: Die sogenannte „Prozeßaufrechnung" — eine dogmatische Fehlakzentuierung 215

LUDWIG HÄSEMEYER,

Göttingen: Vom Wert und Unwert juristischer Konstruktionen im Konkursrecht 237

WOLFRAM HENCKEL,

Bonn: Right of Stoppage in Transitu und deutsches Konkursrecht

253

Saarbrücken: Fremdzuredbnung bei Verwaltergeschäften

275

ULRICH HUBER,

GÜNTHER JAHR,

VI

Inhalt

Heidelberg: Ist die Reditsmadit des Konkursverwalters durdi den Konkurszweck begrenzt? 307

OTHMAR JAUERNIG,

Saarbrücken: Zur Erledigung der Hauptsache

GERHARD LÜKE,

323

Bonn: Sind die Rechtsfolgen der Rückabwicklung nach dem Abzahlungsgesetz für den Käufer günstiger als die Rücktrittsregelung des BGB? 337

PETER RAISCH,

München: Notizen zur Rechtswegabgrenzung

BRUNO RIMMELSPACHER,

357

Heidelberg: Südafrikanischer final-Vermerk und deutsche Vollstreckungsklage . . 383

R O L F SERICK,

Augsburg: Konkurs- und konkursähnliche Verfahren im geltenden Europarecht 395

PETER SCHLOSSER,

Erlangen-Nürnberg: Die Entscheidung über prozeßhindernde Einreden

413

Heidelberg: Die unverziditbare Handlungsfreiheit

429

KARL H E I N Z SCHWAB,

HERMANN WEITNAUER,

Hamburg: Zur Teilanfechtung eines über präjudizielles Rechtsverhältnis und abhängige Rechtsfolge ergangenen Urteils 441

ALBRECHT ZEUNER,

Friedrich Weber zum 70. Geburtstag Friedrich Weber aus Anlaß seines 70. Geburtstages am 19. Mai 1975 zu ehren und ihm vielfältig geschuldeten Dank abzustatten, verbindet Freunde, Kollegen und Sdiüler zu dieser Festsdirift. Sie gilt dem durch reiche praktische Erfahrung geprägten Wissenschaftler, der sich mit seinem Werke in die Reihe der Meister des Insolvenzrechts gestellt hat, dem selbstlosen Diener seiner Universität und dem leidenschaftliciien akademischen Lehrer. Seiner aufrechten politischen Haltung ist es zu danken, daß Friedrich Webers Werk aus langer Erfahrung im Richteramt gespeist wurde. Nach dem Studium in Erlangen und München und der während des Vorbereitungsdienstes und erster Berufstätigkeit im Bayerischen Justizdienst entstandenen rechtstheoretischen Dissertation wollte er sich bei Otto Eger in Gießen für Römisches Recht und Bürgerliches Recht habilitieren. Jedoch gab er diesen, dem Sohn des Altphilologen, der noch heute die alten Spradien liebt und pflegt, kongenialen Plan alsbald wieder auf, weil er nicht bereit war, die nach 1933 geforderten politischen Konzessionen zu machen. So kehrte er 1934 in den Bayerischen Justizdienst zurüdc, um als Vollstreckungs- und Konkursrichter, später als Landgerichtsrat in einer Zivilkammer, zu wirken. Aus der Erfahrung des VollstrecJiungsriditers entstand in dieser Zeit die von Hans Otto de Boor und Eduard Bötticher angeregte Monographie „Sachaufklärung und Offenbarungseid in der Zwangsvollstreckung" (1939), die nicht nur die wissenschaftliche Wendung zum geltenden Recht brachte, sondern auch das für die weitere Arbeit charakteristische, auf die Bedürfnisse der Praxis bezogene rechtspolitische Anliegen aufleuchten ließ. Ihre verdiente Würdigung fand diese Arbeit, als sie die Gießener Fakultät, in der Friedrich Weber seit 1940 den Lehrstuhl Erich Bleys vertrat, 1941 als Habilitationsschrift anerkannte. Nur kurz dauerte freilich zunächst seine Lehrtätigkeit. 1942 auf ein Extraordinariat für Zivilprozeßrecht und Bürgerliches Recht nach Heidelberg berufen, wurde er 1943 zum Wehrdienst eingezogen. Aus der Kriegsgefangenschaft entlassen gehörte Friedrich Weber seit dem Tage der Wiedereröffnung der kleinen Heidelberger Juristenfakultät an, die er gemeinsam mit Gustav Radbruch, Walter Jellinek und Eduard Wahl zu prägen suchte. Seine wissenschaftlichen und rechtspolitischen Pläne stellte er selbstlos zurück, um sich dem äußeren und geistigen Wiederaufbau der Heidelberger Universität zu widmen, der er trotz ehrenvoller Rufe auf angesehene prozeßrechtliche Lehrstühle (Würzburg, Marburg, Erlangen, München) treu blieb. Drei-

vili

Friedrich Weber zum 70. Geburtstag

mal war er bis 1960 Dekan, ein weiteres Jahr Vertreter der ordentlichen Professoren im Senat. Niemals versagte er seinen erfahrenen auf praktische Verwirklidiung bedachten Rat, auch wenn er selbst nicht in der Verantwortung eines Amtes stand. Seinem Verständnis für die Sorgen der Studenten und seinem Bemühen ist es zu danken, daß der Plan, juristische Arbeitsgemeinschaften für Studienanfänger einzuführen, erstmals in Heidelberg verwirklicht werden konnte. Der 1945 gegründeten neuartigen "Wohngemeinsdiaft des Collegium Academicum diente er 20 Jahre lang als Senatsbeauftragter, Mitglied und Vorsitzender des Kuratoriums. Als geschäftsführender Direktor des Juristischen Seminars hat er seit dem Tode Walter Jellineks (1955) bis zu seiner Emeritierung seinen Kollegen und Schülern die Grundlage ihrer wissenschaftlidien Arbeit erhalten und geschaffen und eine der größten juristischen Bibliotheken der Bundesrepublik vorbildlich betreut. Seine wissenschaftliche Arbeit galt seit 1954 ganz dem Insolvenzrecht. Eingeleitet durch den grundlegenden Aufsatz „Zur Problematik der Prozeßführung des Konkursverwalters", der in der Durchleuchtung der Struktur des Konkurses weit über den Streit um die Amtstheorie hinausgriff, wurde diese Schaffensperiode gekrönt durch den Abschluß des zweiten Bandes des Jaeger'schen Kommentars, einer bewundernswerten Arbeit, die uns auf weite Strecken ein völlig neues Werk geschenkt hat. Wer die „Werkstatt" Friedrich Webers kennt, weiß auch von den zahlreichen Entwürfen, die er immer wieder überarbeitete, bis seine Gedanken die seinem selbstkritischen Urteil und seinem feinen Sprachempfinden genügende Fassung gefunden hatten; er weiß auch, daß Friedrich Weber keine Gehilfen sudite, sondern selbständige Gesprächspartner. Jeden Satz, den er schrieb, hat er selbst gedacht, geprüft und gewogen, alles Zitierte selbst gelesen. Den abhängigen, unselbständigen Mitarbeiter hat man in seinem Umkreis nicht gefunden. Seinen Schülern ließ er freien Lauf und leitete sie unauffällig durch sein Vorbild disziplinierten, auf die Bedürfnisse der Praxis gerichteten Denkens. Als Student von Wilhelm Kisch, Reinhard Frank und Karl Rothenbücher gefesselt, sah er als akademischer Lehrer seine wichtigste Aufgabe in den Vorlesungen und Übungen. Jede Stunde Jahr um Jahr von neuem gründlich vorbereitet, suchte er nicht nur die tiefere Einsicht, sondern auch die bessere Form der Darstellung, um den wechselnden Studentengenerationen den Zugang zum Zivilrecht und Verfahrensrecht zu eröffnen. Sein altphilologisch geschulter Vortrag war täglich ein Meisterwerk der Sprachkunst, sein Gedankenreichtum ist noch heute den von ihm so geliebten Meisterwerken der Musik gleich, an-

Friedridi Weber zum 70. Geburtstag

IX

regend, fesselnd, überraschend und diszipliniert zugleich. Mit dem Dank verbinden Autoren und Herausgeber den Wunsch, daß seine wissensdiaftlichen Pläne und rechtspolitischen Anliegen fruchtbare Erfüllung finden mögen. Erhard Bökelmann

"Wolfram Hendcel

Günther Jahr

Verzeichnis der Schriften von Friedrich Weber Monographien 1. Untersuchungen zum gräko-ägyptisdien Obligationenrecht (Modalitäten der Leistung im Rechte der Papyri), Münchner Beiträge zur Papyrusforschung und antiken Rechtsgeschichte, Heft 15, München C. H . Beck, 1932. 2. Sachaufklärung und Offenbarungseid in der Zwangsvollstreckung, Schriften der Akademie für Deutsches Recht, Gruppe Bürgerliche Reditspflege Nr. 2, Tübingen, J. C. B. Mohr (Paul Siebeds), 1939. Kommentar Bearbeitung der §§ 71—236 с im Zweiten Band der 8. Auflage von Jaeger, Kommentar zur Konkursordnung, Walter de Gruyter u. Co., Berlin (1973): 1. Lieferung (§§ 71—101), 1958, 2. Lieferung (§§ 102—125), 1959, 3. Lieferung (§§ 126—148), 1961, 4. Lieferung (§§ 149—206), 1964, 5. Lieferung (§§ 207—213), 1970, 6. Lieferung (§§ 214—236 c), 1972. Aufsätze 1. Zur Problematik der Prozeßführung des Konkursverwalters, KTS 1955 S. 102—III. 2. Zur persönlichen Verantwortlichkeit des Konkursverwalters, Festschrift für Friedrich Lent, 1957 S. 301—324. 3. Fragen der Gestaltung des Konkursverfahrens in rechtspolitischer und reditsvergleichender Sicht, KTS 1959 S. 80—88. 4. Zur Methodik des Prozeßrechts, Studium generale Bd. 13 (1960) S. 183—193. 5. Der Verwalterwechsel während der Ausschlußfrist des § 41 K O — zugleich ein Beitrag zum Institut der Ablaufshemmung —, KTS 1961 S. 49—61. 6. Zur Zulässigkeit eines Vergleichsverfahrens über das deutsche Vermögen eines ausländischen Schuldners — zugleich ein Beitrag zum Wirkungsbereich der § 237, 238 KO — KTS 1965 S. 95 — 140. 7. Die Funktionsteilung zwischen Konkursverwalter und Gesellschaftsorganen im Konkurs der Kapitalgesellschaft, KTS 1970 S. 73—89.

XIV

Verzeichnis der Sdiriften von Friedrich Weber

и rteilsanmerkungen 1. Zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts v. 29.6.1961 (5 AZR 143/60), Arbeitsreditl. Praxis (AP) 1962 Nr. 1 zu § 146 КО. 2. Zum Urteil des Bundesgerichtshofs v. 29. 5. 1961 (VII ZR 46/60) JZ 1963 S. 222—225. 3. Zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts v. 25. 1.1963 (5 AZR 178/62), Arbeitsrechtl. Praxis (AP) 1963 Nr. 2 zu § 146 КО. 4. Zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts v. 24.1.1964 (5 AZR 258/63), Arbeitsreditl. Praxis (AP) 1964 Nr. 1 zu § 30 КО. 5. Zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts v. 26.5.1964 (3 AZR 402/63), Arbeitsrechtl. Praxis (AP), 1965 Nr. 1 zu § 59 К О . 6. Zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts v. 10.3. 1966 (5 AZR 498/65), Arbeitsrechtl. Praxis (AP) 1966 Nr. 2 zu § 59 КО. 7. Zum Urteil des Bundesgerichtshofs v. 19.12.1966 (VIII ZR 110/64) ZZP Bd. 80 (1967) S. 471—482. 8. Zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts v. 12. 1. 1967 (5 AZR 269/66), Arbeitsrechtl. Praxis (AP) 1967 Nr. 3 zu § 61 КО. 9. Zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts v. 23.5. 1967 (5 AZR 449/66), Arbeitsrechtl. Praxis (AP) 1967 Nr. 3 zu § 59 КО. 10. Zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts v. 5.7. 1967 (4 AZR 338/66), Arbeitsreditl. Praxis (AP) 1968 Nr. 5 zu § 61 КО. 11. Zum Urteil des Bundesarbeitsgeridits v. 29.7. 1967 (3 AZR 55/66), Arbeitsreditl. Praxis (AP) 1968 Nr. 1 zu § 29 КО. 12. Zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts v. 4.7. 1969 (3 AZR 212/68), Arbeitsreditl. Praxis (AP) 1970 Nr. 6 zu § 61 КО. 13. Zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts v. 16.3. 1972 (3 AZR 191/71), Arbeitsreditl. Praxis (AP) 1973 Nr. 9 zu § 61 КО. Rezensionen 1. Max Käser, Restituere als Prozeßgegenstand (1932), in Deutsche LitZtg. 1933 Sp. 1431—1434. 2. Wilhelm Felgentraeger, Antikes Lösungsredit (1933), in Gnomon Bd. 11 (1935)5.53—56. 3. Siro Solazzi, L'Estinzione della obligatione (1931), in Krit. Vierteljahressdirift f. Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Bd. XXVII S. 93—109. 4. Friedrich Lent, Zivilprozeßrecht (1948), Zwangsvollstreckungsund Konkursrecht, Eduard Kern, Gerichtsverfassungsrecht (Studienbüdier), in SJZ 1949 S. 590 f. 5. Leo Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 4. und 5. Aufl. (1949, 1951) in ZZP Bd. 64 (1951) S. 390—397.

Verzeidinis der Schriften von Friedrich Weber

XV

6. Lehrbüdier und Grundrisse des Zivilprozeßredits (Besprechung der Werke von Sòonke, Lent, Rosenberg, Nikisch, Bruns, Bernhardt, de Boor, Hanswerner Müller), in JZ 1953 S. 254—256. 7. Eduard Kern, Rechtsfälle aus dem Zivilprozeß (1953), Herbert Schneider, Verfahrensreditsfälle (1952), Ulrich Hoòe, Bürgerl. Recht und Verfahrensredit (1952) in JZ 1953 S. 583. 8. Leo Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßredits, 6. Aufl. (1954) in ZZP Bd. 68 (1955) S. 111—114. 9. Mentzel-Kuhn, Kommentar zur Konkursordnung, 7. Aufl. (1962) inBB 1962 S. 1207 f. Geburtstagsadressen 1. Eduard Bottiéer zum 70. Geburtstag JZ 1969 S. 801. 2. Ein Gruß wort zum 70. Geburtstag von Ministerialrat a. D. Dr. Alois Böhle-Stamschräder KTS 1974 S. 65. Naòrufe 1. Otto Eger, SavZtschr. Rom. Abteilung Bd. 67 (1950) S. 623—627 sowie in der „Neuen Deutschen Biographie". 2. Karl Geiler in Ruperto-Carola Bd. 5 (1953) S. 21 f. 3. Wolfgang Siebert in Ruperto-Carola Bd. 27 (1960) S. 59 f. 4. Friedrich Lent in memoriam, KTS 1960 S. 119.

Sdiiedsfähigkeit J O H A N N E S BÄRMANN

Die Untersuchung des Begriffes „Sdiiedsfähigkeit" soll unter zwei Aspekten erfolgen: unter dem Gesichtspunkt der objektiven und unter dem der subjektiven Sdiiedsfähigkeit. Dabei ist zunädist ohne weitere Präzisierung zu sagen, daß objektive Sdiiedsfähigkeit bezeidinen soll, was Gegenstand eines Sdiiedsverfahrens sein kann, die subjektive Schiedsfähigkeit dagegen, wer sdiiedsriditerlidie Tätigkeit ausüben kann. Ausgangspunkt dieser Betraditung ist die Interpretation des § 1025 Abs. 1 ZPO, wonadi eine Sdiiedsgeriditsvereinbarung „zur Entsdieidung einer Reditsstreitigkeit insoweit reditlidie Wirkung hat, als die Parteien bereditigt sind, über den Gegenstand des Streites einen Vergleidi zu sdiließen".

A. Objektive Sdiiedsfähigkeit 1. Grundlage der Sdiiedsgeriditsvereinbarung nadi § 1025 ZPO sind zwei übereinstimmende Willenserklärungen^, die zumindest auf den Aussdiluß der ordentlidien Geriditsbarkeit geriditet sind^. Seiner Reditsnatur nadi ist die Sdiiedsvereinbarung ein Prozeßvertrag mit materiellreditlidier Grundlage® oder wie es vom B G № formuliert wird, ein materiellreditlidier Vertrag über prozeßreditlidie Beziehungen. Unabhängig von den versdiiedenen Auffassungen über die * D a ß nach Handelsbraudi stillschweigend ein Schiedsvertrag angenommen werden kann, auch ohne schriftliche Niederlegung in Satzungen und Marktordnungen, wurde schon 1951 vom O L G SAleswig ( R D L 1951, 258) bejaht. Nach R G (JW 1927, 706) soll dies selbst dort gelten, wo die betroffene Partei keine Kenntnis vom Handelsbrauch hatte. Nach zutreffender Ansicht von Baumhaò-Sòwab, Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. (S. 70) geht diese Auffassung allerdings zu weit; allgemein zu Fragen der Schiedsvereinbarung durch A G B : Baumbaò-Sòwab, S. 70. ^Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht, 11. Aufl. § 1 7 4 1 1 ; Baumbaώ-Sώwab, S. 54; Sáonke-Sároder-Niese, Zivilprozeßrecht, 8. Aufl., § 9 9 1 1 1 (insbes. N r . 3); beachte aber die nach § 1048 Z P O zulässigen außervertraglichen Schiedsklauseln (letztwillige Verfügung oder andere, nicht auf Vereinbarung beruhende Verfügung) für die §§ 1025 Z P O entsprechend gelten. Zur Frage der dogmatischen Einordnung der Schiedsgerichtsbarkeit vgl. Stein-Jonas-Sòlosser, vor § 1025 Z P O Anm. 1 5 ; über den möglichen weiteren Inhalt des Schiedsvertrages und zu unerheblichen Unterschieden in der Terminologie vgl. B a u m b a ώ - S ώ w a b S. 54.

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Johannes Bärmann

Rechtsnatur kommen doch alle unterschiedlichen Meinungen zumindest zu einer entsprechenden Anwendbarkeit von Vertragsregeln des BGB®. Demzufolge sind die den Sdiiedsvertrag tragenden Willenserklärungen gemäß §§133, 157 BGB auszulegen, wenn es um den Geltungsbereich der Schiedsvereinbarungen geht®. Ob die Schiedsklausel beispielsweise auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung erfassen soll, die sich neben etwaigen Vertragsverletzungsansprüchen ergeben^, ist durch Auslegung im Einzelfall zu ermitteln. 2. Der Schiedsvertrag erfordert, daß die Parteien berechtigt sind, über den Gegenstand des Streites einen Vergleich abzuschließen. Vergleich in diesem Sinne ist sowohl der des Prozeßrechts als auch der des materiellen Rechts®. Aus dieser doppelten Grundlage ergibt sidi, daß das ihm zugrundeliegende materielle Rechtsverhältnis seiner Natur nadi der Dispositionsbefugnis der Parteien unterliegen muß, dieselben in bezug auf den Streitgegenstand verfügungsbefugt und weiterhin auch subjektiv zum Vergleich berechtigt sein müssen®. a) Der Vergleich ist nach § 779 BGB ein abhängig von der konkreten Vereinbarung meist^® gegenseitiger schuldrechtlicher Vertrag, durch den Verpflichtungen und Forderungen begründet werden. Seinem Wesen nach ist er regelmäßig eine Verfügung über das zugrundeliegende Rechtsverhältnis, ohne dabei allerdings seine nur obligatorische Wirkung zu verlieren^^.

® Ausführlidi zum Streitstand um die Reditsnatur Baumhaò-Schwah, S. 55; Rosenberz-Sáwab, § 174 II (insbes. S. 962 FN. 1); vgl. auch Zeiss, Zivilprozeßredit, § 94 II 1, der die Bedeutung des Theorienstreites u. a. bei der Frage des anwendbaren Redites bei Verträgen mit Auslandsbeziehungen sieht; Stein-]onus Sώlosser, 19. Aufl., § 1025 ZPO Anm. 1 1 ; ausführlicher Überblids über den gesamten Streitstand bei Stein-Jonas-Sòlosser, § 1025 Anm. I m. w. N w . * BGHZ 40, 320 (322). " Vgl. Baumbaώ-Sώwab, S. 54; Rosenberg-Sòwab, § 174 Π; Wieczorek, § 1025 В I а; Stein-]οηα5-5ώΙο5$ετ, § 1025 II 1 e; vgl. RGZ 88, 182, 183. ' Vgl. Stein-]onas-Schlosser, a.a.O. ' BGH MDR 1965, 198, grdstl., RGZ 159, 254, 256, Habsáeid, KTS 55, 33, 36 (wenn die unerlaubte Handlung sich tatbestandlich mit einer Vertragsverletzung deckt); a. A. Wieczorek, § 1025 Anm. В I b 4, der eine konkrete Abrede fordert. ® Baumbaò-Sòwab, S. 63. о Rosenberg-Sáwab, § 1 7 4 1 1 1 1 ; Séonke-Sòroder-Niese, § 99 I U I a; Ваитbach-Sώwah, S. 63; vgl. auch die abweichende Unterteilung bei Stein-]onas-Sòlosser, § 1025 ZPO Anm. III 1 a. " Soergel-Mormann, § 779 BGB Rdn. 3. " Vgl. Sdiuldredit, 3. Aufl., § 40 III 3.

Sdiiedsfähigkeit

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Lediglich in Einzelvereinbarungen können sidi die Parteien zu Verfügungen über Gegenstände verpflichten und damit, soweit für die Verfügung Willenserklärungen und die für den Vergleich gewählte Form genügen, die Aufnahme der Vereinbarung über dingliche Rechtsänderungen in den Vergleich erreichen^^. Damit kann auch im schiedsgeriditlidien Verfahren die Verpflichtung zur Änderung der dinglichen Rechtslage ausgesprochen werden. Ob man wie Sólosser^^ aus „praktischen Gründen so weit gehen sollte, den Parteien selbst die Übertragung sachenrechtlicher Gestaltungsbefugnisse auf das Schiedsgericht zuzugestehen, sogar in Fällen, in denen die Gestaltung durdi bloße Parteieinigung nicht zu erreichen ist, erscheint äußerst fraglich. Hauptsächlich der Gesichtspunkt, daß das Schiedsgericht die staatliche Urteilstätigkeit nur ersetzen soll, in seiner Entscheidung auch im Rahmen des § 1041 ZPO nachprüfbar und damit aufhebbar bleiben muß, spricht gegen diese Auffassung. Eine durch das Schiedsgericht, durch Schiedsspruch herbeigeführte Eigentumsübertragung an einer beweglichen Sache würde, bei Vorliegen der Voraussetzungen eines der Aufhebungsgründe nach § 1041 ZPO, durch die rechtsgestaltende Aufhebungsklage nicht rückwirkend beseitigt werden können und insoweit das Rechtsinstitut der Aufhebungsklage unterlaufen. Das BayObLG^^ hat demzufolge auch entschieden, daß durch einen Vergleich keineswegs ein nicht bestehendes Erbrecht mit dinglicher Wirkung begründet werden kann. b) Materiellredbtlich nicht geregelt ist, welche Rechtsverhältnisse in der Weise der Dispositionsbefugnis der Parteien unterliegen, daß sie durch Vergleich geregelt werden können. Das BGB enthält keine positiven Vorschriften darüber, was objektiv einem Vergleich unterliegen kann. Eine Abgrenzung ist daher nur negativ möglich, d. h. Vergleiche sind dann nicht zulässig, wenn der Dispositionsbefugnis der Parteien zwingende Rechtssätze entgegenstehen. Dabei ist davon auszugehen, daß alle die Verfügungsbefugnis der Parteien ausschließenden Rechtsnormen gleichzeitig eine Schiedsgerichtsabrede über den gleichen Gegenstand unwirksam machen. Schiedssprüche und damit Schiedsverfahren sind z. B. über Bestehen oder Gültigkeit der Ehe, über den Nachlaß eines noch lebenden Dritten (§312 BGB), über den gesetzlichen Unterhaltsanspruch der Verwandten für die Zukunft (§1614 BGB, anders bei geschiedenen Ehe-

" Soergel-Mormann, § 779 BGB Rdn. 3. " Stein-Jonas-Sálosser, § 1025 Anm. Π 1 a. BayObLG 1966, 236 m. umfangreichen weiteren Nachweisen.

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Johannes Bärmann

leuten, § 72 EheG), bei Ansprüchen aus dem gemeinsdiaftlidien Testament nach dem Tod des Erstverstorbenen^®, über Ansprüche auf Nichtigerklärung von Hauptversammlungsbesdilüssen von Aktiengesellsdiaften^® ausgeschlossen und in jedem Falle unwirksam^^. Weiterhin ist ein Vergleich dann unwirksam, wenn er selbst gegen § 138 BGB verstößt^®. Zu beachten ist grundsätzlich, daß ein Vergleich über alle genannten Fälle dann wieder zulässig wird, wenn zwischen den Parteien Streit über Nichtigkeit oder Gültigkeit des zugrundeliegenden Vertrages selbst besteht^®. Beispielsweise ist ein Vergleich und damit auch ein Schiedsvertrag über Ansprüche aus einer formlosen unbestrittenen Bürgschaft oder Schenkung unzulässig, zulässig dagegen dort, wo die Rechtsnatur des Geschäfts selbst streitig ist^®. Es wird weiterhin angenommen, daß ein Vergleich wirksam ist, wenn er den Streit der Parteien über die Wirksamkeit des Ausgangsrechtsverhältnisses, zum Beispiel ob es sittenwidrig oder wudierisch ist, beilegt^^. Allerdings nimmt der BG№2 an, daß ein solcher Vergleich niditig sei, wenn nunmehr auch die vergleichsweise festgelegten Leistungen Verbots- oder sittenwidrig sind oder in auffälligem Mißverhältnis zueinander stehen^®. c) Im Prozeßrecht fehlt den Parteien die Vergleichsbefugnis dort, wo sie keine Verfügungsbefugnis über den Streitgegenstand haben. So namentlich im Eheverfahren, in Kindschaftssachen und im Entmündigungsverfahren. Diese Ausnahmen vom Dispositionsgrundsatz des ¿ivilprozesses bestehen, um zu verhindern, daß die Parteien durdi bestimmtes prozessuales Verhalten die ihnen entzogene Verfügungsmacht über das materielle Recht wiedererlangen können^^. d) Die Parteien selbst müssen geschäftsfähig oder wirksam vertreten sein und die Befugnis haben, über den Gegenstand des Vergleichs zu verfügen®®.

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RG Grudi. 50, 391. BGH MDR 1954, 614. Siehe dazu Baumbaò-Sòwab, Kapitel 3 II a. Palandt-Thomas, § 779 BGB Anm. 2 с aa. Baumbaώ-Sώwab, S. 64. Vgl. dazu Baumbaò-Sòwab, S. 64; Berges, KTS 60, 97. Vgl. Breetzke NJW 69, 1408; Palandt-Thomas, § 779 Anm. 2 c. BGH BB 66, 1323; NJW 64, 1787. Ausführlich mit weiteren Beispielen Wieczorek, § 1025 G I, II. Rosenberg-Schwab, § 174 II 1 a, ders. § 79 III. Vgl. Baumbaώ-Sώwab, S. 66 f.; Rosenberg-Sáwab, § 174. III b.

Sdiiedsfähigkeit

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Die vertragliche Vollmadit richtet sich ganz nach BGB (§§164 ff.), so daß eine ProzeßVollmacht nach § 81 ZPO zwar zum Abschluß des ProzeßVergleichs, nicht aber des Schiedsvertrages ausreicht®®. 3. § 1025 ZPO setzt weiterhin voraus, daß es sich um die Entsdieidung einer „Rechtsstreitigkeit" handeln muß. Dabei wird angenommen, daß es sich um eine „bürgerliche Rechtsstreitigkeit" im Sinne der Prozeßgesetze (§ 3 GVG, § 3 EGZPO) handeln muß". a) Grundsätzlich ist damit davon auszugehen, daß in Fällen, in denen die ordentlichen Gerichte auch nicht durch Vereinbarung zuständig werden können, eine Schiedsgerichtsvereinbarung nicht möglich ist. Demzufolge sind der Schiedsgerichtsbarkeit nach § 1025 ZPO nicht zugänglich: aa) sämtliche Streitigkeiten, für die Gerichte anderer Gerichtsbarkeiten als der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuständig wären, es sei denn, daß die Anwendung dieser Vorschriften vereinbart wird und die Vereinbarung selbst zulässig ist. Unter diesen Voraussetzungen können Schiedsverträge auch in öffentlichrechtlichen Angelegenheiten geschlossen werden^®, wobei dem Wesen der Gleichordnung der Schiedsvertragsparteien entsprechend eine Beschränkung auf Beziehungen koordinationsrechtlicher Art zu beachten ist®®; bb) Streitigkeiten, für deren Entscheidung die Finanz- oder Sozialgerichte zuständig sind; cc) Streitigkeiten aus dem Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit sind besonderen Vorschriften (§§ 101 ff. ArbGG) unterworfen; dd) Strafsachen; ее) Mietaufhebungssachen (§ 7 Abs. 2 MSchG) und ff) Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit es sich nicht um sog. echte Streitsachen handelt'®.

Naditräglidie Genehmigung ersetzt die fehlende Vollmadit; für den Vormund beadite § 1822 Nr. 12 BGB und im speziellen Fall audi §§ 1714, 1643 Abs. 1 BGB; für Prokuristen § 49 und für Handlungsbevollmächtigte § 54, für Handelsvertreter § 55 HGB, für Konkursverwalter § 133 Nr. 2 КО, Prozeßbevollmäditigte §§ 81, 83 ZPO; audi die Gesdiäftsfähigkeit und die Vertretungsbefugnis bei Gesellschaften ist zu beaditen; zu weiteren Beispielen vgl. audi 5ΐείη-}οηα5-5ώΙο$ίίτ, § 1025 ZPO Anm. III 1 b. " ΒαΗΜΐαώ-8άιιναΙ, S. 55; s.a. Kessler, SdiiedsgeriAtsvertrag und Sdiiedsverfahren, S. 15. « Vgl. BVerfG NJW 1959, 1985. « Vgl. BVerfG NJW 1959,1985; Wieczorek, § 1025 A I c.

ä® BGHZ 6, 248; Wieczorek, § 1025 A I b.

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Johannes Bärmann

Die ursprünglidi grundsätzlich angenommene Unzulässigkeit von Schiedsklauseln in Angelegenheiten der freiwilligen Geriditsbarkeit wurde in einem Pachtrechtsfall nach der Reichspachtschutzordnung aufgegeben. Der Bundesgerichtshof entschied®^, daß in Pachtrechtsstreitigkeiten die Vereinbarung sdiiedsrichterlicher Entscheidung zulässig sei und die Vorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit dem nicht entgegenstünden. Es wurde ferner entschieden, daß die den Gerichten der streitigen Gerichtsbarkeit im Schiedsgerichtsverfahren obliegenden Aufgaben hier den Landwirtschaftsgerichten zustünden, wobei die Vorschriften des 10. Buches der ZPO entsprechend anzuwenden wären. Baumbach-Schwab^^ wie Baur^^, KeideP^, Habscheid^^ zogen daraus die Konsequenz, daß in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wenn es sich um sogenannte echte Streitsachen handelt, Schiedsgerichtsverfahren zulässig seien. Habsòeid^^ hat sich sehr eingehend mit dem Problem beschäftigt, wobei er gleich zu Anfang auf die fast vergessene Abhandlung von de Boor^'' verweist. Es· kann heute als herrsdiende Meinung angesehen werden, daß soweit den Parteien eine Vergleichsmöglichkeit über den Streitgegenstand bzw. über ein Rechtsverhältnis gegeben ist, ihnen also eine partei-· autonome Verfügungsbefugnis zusteht, auch eine Schiedsklausel zulässig ist®®. Im besonderen in Wohnungseigentumsangelegenheiten Schiedsklausel allgemein für zulässig erachtet worden®®.

ist

die

b) Mit dem Begriff „Rechtsstreitigkeit" im schiedsrichterlichen Verfahren wird nicht notwendig verbunden, daß ein streitiger Anspruch zugrundeliegen muß^®. Nach Ansicht von Baumbach-Schwab genügt vielmehr eine im Extremfall „frivole und grundlose" Verfolgung « BGHZ 6,248 ff. Baumhaá-Sdywab, S. 55 f. " Baur, Freiwillige Geriditsbarkeit, Band I § 1 II. Keidel, FGG, 6. Aufl., § 12 Anm. 13. »s Habséeid Z2P 66, 188 ff. und JZ 1954, 698 ff. »· Habséeid ZZP 66, 1953, S. 188 ff. " De Boor, Judizium I, S. 262 ff. Keidel-Windtler haben in der neuesten, 10. Ausgabe ihrer freiwilligen Gerichtsbarkeit 1972, § 1 Rdnr. 5 S. III f., ausdrüdslidi diesen Standpunkt wiederholt; siehe auch die Ausführungen zum Vergleidi in Angelegenheiten der FG in Vorbemerkung 22 zu §§ 8—18; siehe dazu auch Bärmann, FGG und Notarrecht, § 18 III S. 132 ff.; Janssen, FGG, § 2 Anm. 3, S. 35, der allerdings grundsätzlidi noch auf dem alten Standpunkt des RG 133, 132 beharren möchte! Palandt-Degenhart, § 43 WEG Anm. 2; Bärmann, WEG, 2. Aufl., S 43 Rdnr. 51. " BaumbaA-Sdrwab, S. 56.

Schiedsfähigkeit

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eines Anspruchs im Zivilprozeß, wenn nur der Streit zu einer Entscheidung des ordentlidien Gerichts — abstrakt betrachtet — führen könnte^^: Dies gelte selbst dann, wenn der Anspruch außergerichtlich anerkannt und Leistung versprochen sei^^, weil sich im Hauptverfahren immer noch beispielsweise die Unwirksamkeit der Anerkennung herausteilen könnte. Es erscheint konsequent, daß der Streit um die Beantwortung einer rein theoretischen Rechtsfrage oder zur bloßen Feststellung von Tatsachen für die Vereinbarung eines Schiedsgerichtsverfahrens noch nicht genügt. Dieses Ergebnis entspricht der gängigen Abgrenzung zwischen Schiedsgerichts- und Schiedsgeriditsgutachtertätigkeit^®, wonach es darauf ankommt, ob der oder die in Anspruch genommenen Dritten nur ein Element der Entscheidung begutachten oder anstelle des ordentlichen Gerichts endgültig entscheiden sollen**. Wird allerdings eine Schiedsgerichtsvereinbarung mit unzulässigem Inhalt vereinbart, so entscheidet das Schiedsgericht zwar auch über seine sachliche Zuständigkeit und damit über die Rechtswirksamkeit des Schiedsvertrages, seine Entscheidung ist wegen fehlender Kompetenz-Kompetenz aber nur vorläufig. Die endgültige Entsdieidung trifft im Rahmen des § 1041 Abs. 1 Nr. 1 ZPO das ordentliche Gericht«. Fraglich bleibt, ob aus der Tatsache des Fehlens einer dem § 17 GVG entsprechenden Regelung im 10. Buch der ZPO gleichzeitig den Parteien die Möglidikeit genommen ist, dem Schiedsgericiit durch ausdrückliiiie Vereinbarung im Schiedsvertrag die Kompetenz-Kompetenz einzuräumen, oder aber zu vereinbaren, weder eine Aufhebungsklage nach § 1041 ZPO, nocJi eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Schiedsvertrages zu erheben, noch im Verfahren über die Vollstreckungserklärung nach § 1042 ZPO Aufhebungsgründe vorzutragen. Man wird solche Parteivereinbarungen als " Stein-Jonas-Séônke-Pohle, § 1025 II 1 a; Baumbaá-Schwah, S. 56; vgl. audi Wieczorek, § 1025 Anm. G III. « Vgl. Dresden JW 1926, 2113; Förster-Kann, § 1025 Anm. 2. " Baumbaò-Sòwah, S. 51; Rosenber%-S(hwab, § 1 7 3 I U I mit umfangreichen weiteren Nachweisen; BGHZ 48, 29, 30; B G H WM 1971, 39, 40; RGZ 152, 201, 204; 153, 193, 195; Stein-Jonas-Schönke-PoMe, § 1025 II 3; Wieczorek, § 1025 С I I b ; Baumbaώ-Lauterbaώ-Albers-Hartmann, § 1025 Anm. 3; ausführliche Darstellung des gesamten Problemkreises der Abgrenzung zwischen schiedsrichterlicher und schiedsgutachterlicher Tätigkeit bei Stem-Jonas-Sώlosser, vor § 1025 Anm. II 3. " Vgl. Rosenberg-Sώwab, § 173 III 2, als Folge der Einstufung als schiedsgutachterliche Tätigkeit zeigt sich, daß keine prozeßhindernde Einrede entgegengesetzt werden kann, und die beweispflichtige Partei beweisfällig wird, wenn sie rechtserhebliche Tatsachen, deren Feststellung den Schiedsgutachtern übertragen ist, nicht durch Vorlage des Schiedsgutachtens nadiweisen kann. « Baumbaé-Sáwab, S. 128.

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Johannes Bärmann

grundsätzlichen Verstoß gegen Sinn und Zweck der Schiedsgerichtsbarkeit ablehnen müssen. Anderenfalls könnten Schiedsvereinbarungen nicht mehr überprüft und Sdiiedssprüche von staatlichen Gerichten nidit mehr korrigiert werden. Der Gesetzgeber hat die Schiedsgerichtsbarkeit bewußt nur in bestimmten Grenzen zugelassen und deren Einhaltung durdi die Überprüfungsmöglichkeit staatlicher Gerichte vorgesehen. Eine Verhinderung dieses Gesetzeszweckes wäre ein Verstoß gegen das im Gesetz zum Ausdruck gekommene öffentliche Interesse, wonach Schiedsverfahren ohne rechtliche Grundlage verhindert werden sollen^®. c) Ein Schiedsvertrag ist auch dann zulässig, wenn er sich auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis und die sich künftig daraus ergebenden Rechtsstreitigkeiten bezieht (§ 1026 ZPO)^^. Nur das Rechtsverhältnis als solches muß konkret bestimmt sein, nidit dagegen der konkrete Streitfall. Fraglich ist daher, ob eine Schiedsvereinbarung über ein künftiges Rechtsverhältnis zulässig ist. D a maßgebliches Kriterium für die Vergleichsfähigkeit selbst das Bestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien ist^®, kann kein zulässiger Schiedsvertrag beispielsweise mit Bezug auf „alle künftigen" Rechtsverhältnisse abgeschlossen werden^®. Das Gesetz will in § 1025 Z P O verhindern, daß durch einen Schiedsvertrag unübersehbare Bindungen eingegangen werden®®. Nach der Rechtsprechung ist eine Vereinbarung über Rechtsstreitigkeiten dann bestimmt genug, wenn sie einen begrenzten Kreis von Geschäften betrifft. So wurden beispielsweise als bestimmt genug angesehen: „die sich aus der Erbauseinandersetzung ergebenden Rechtsbeziehungen"®^, alle Klagen aus dem bestimmten Gesellschaftsverhältnis, alle Streitigkeiten der Mitglieder eines Vereins mit diesem oder untereinander aus der Mitgliedschaft®^, Streitigkeiten aus dem gemeinsamen Betrieb von Kommissionsgeschäften®'; als ungenügend erscheinen: alle Streitigkeiten aus der Geschäftsverbindung schlechthin®^, alle Streitigkeiten aus irgendwelchen Kaufverträgen, „aus dem

« Rosenberg-Séwah, § 174 VI 3. " Diese Vorsdirift ist § 40 I ZPO nachgebildet, wo die Zulässigkeit einer Geriditsstandvereinbarung an dieselbe Voraussetzung geknüpft wird. Palandt-Thomas, § 779 BGB Anm. 2 b. « Vgl. Rosenberg, S. 963; Habscheid K T S 65,1. «» Vgl. Rosenberg-Sáwab, § 174 III 2. " R G Z 100, 79. Förster-Kann, § 1026 Anm. 1. »» R G Warn 08, 568. и R G Warn 1908, 568; R G Z 85, 180; 36, 421.

Sdiiedsfähigkeit

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von den Parteien künftig an der Börse zu schließenden Geschäften"®®, aus der Berufstätigkeit der Mitglieder an der Börse®®. 4. Es muß sidh weiterhin um die Vereinbarung der „Entscheidung" über eine Rechtsstreitigkeit handeln. Durch die Vereinbarung im Schiedsvertrag trifft das Schiedsgericht im Endergebnis den sonst durch das ordentliche Gericht zu treffenden Spruch, d. h. die Entscheidung einer Rechtsstreitigkeit. Jede Entscheidung, die durch Urteil eines Staatsgerichts erfolgen kann, steht dem Schiedsgericht nach Maßgabe des Schiedsvertrages zu®^. Darunter fallen die Verurteilung zu einer Leistung, die Feststellung®® oder die Gestaltung eines Rechtsverhältnisses, wie beispielsweise Auflösung einer O H G , die rechtlichen Auseinandersetzungen unter den Gesellschaftern®® oder unter Miterben®" und die Verpflichtung zur Rechtsgestaltung kraft der Schiedsklausel selbst in Fällen, in denen das Gesetz sie für den staatlichen Richter nicht vorsieht, beispielsweise bei Fragen der Neuordnung eines Gesellschafterverhältnisses bei einer OHG®^. Dem Schiedsgericht kann demzufolge die Entscheidung über die Höhe eines Schadens übertragen werden®^, wobei nicht die gesamte Entscheidung, sondern nur der eines Teilurteils fähige Teil übertragen zu werden braucht®®. Zulässig ist auch die Entscheidung nur über den Grund eines Anspruchs. Diesen aufgezeigten Grundsätzen scheinbar entgegen steht die Entscheidung des BGH®^, wonach eine Kostenentscheidung des Schiedsgerichts selbst dann zulässig sein soll, wenn die zugrundeliegende Schiedsvereinbarung unwirksam ist. Wie schon Habscheid^^ zutreffend aufzeigt, folgt diese Entscheidung allein daraus, daß bezüglich der vom Schiedsgericht zu treffenden Kostenentscheidung eine nachträgliche, gesonderte Vereinbarung vorlag. Unzulässig dagegen sind, entsprechend der grundlegenden Unterscheidung zwischen Schiedsgutachtertätigkeit und Schiedsgerichtstätig-

«5 Hamm OLG 15,123. »· Celle OLG 33, 138.

" Rosenherg-Sáwab, § 174 VI 1 a. RGZ 99, 129; 100, 118, 121. 5» RGZ 71, 254; 147, 22. «» BGH ZZP 73, 118. »» RGZ 147, 24.

Baumbaé-Sáwab, S. 56. " Baumbaò-Lauterbaò, § 1025 Anm. 2. " BGH NJW 1973, 191, dazu Habsáeid KTS 1973, 235.

·» mbsdieid KTS 73, 235.

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Johannes Bärmann

keit, Entscheidungen durch das Schiedsgericht über reine Tatfragen®'. Unzulässig ist weiterhin der Erlaß von Zahlungsbefehlen, Arresten und einstweiligen Verfügungen®^. Die Übertragung der Entscheidung auf das Schiedsgericht schließt die Übertragung aller notwendigen Vorentsdieidungen ein®®. Demzufolge enthält beispielsweise die Entscheidung über den rückständigen Unterhalt für einen Monat — ohne Rechtskraftwirkung allerdings — gleichzeitig die Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen des zugrundeliegenden Unterhaltsanspruchs. Ob dagegen die Entscheidung über die Aufrechnung oder hilfsweise Aufrechnung mit einer Forderung, die nicht der Schiedsgerichtsvereinbarung unterliegt, zulässig ist, ist umstritten®' und wird vom BGH^® im umgekehrten Fall mit Hinweisen auf die materiellrechtliche Wirkung der Aufrechnung bejaht^^. Das OLG Hamburg^^ hält die Entscheidung auch über Gegenansprüche, die im Wege der Widerklage aus demselben Rechtsverhältnis geltend gemacht werden, für zulässig, soweit das Schiedsgericht auch für den Widerklageanspruch zuständig ist. Abweichend ist die Auffassung von Habscheid, daß es sich bei Klage und Widerklage um zwei verschiedene Streitgegenstände handele; diese Form des Trennungsdenkens geht wohl zu weit. 5.

Die Schiedsvereinbarung wird darüber hinaus unwirksam, wenn eine Partei ihre wirtschaftliche oder soziale Überlegenheit beim Abschluß eines Schiedsvertrages ausnutzt. Dies liegt nacii der Auffassung von Baumbach-Schwab''^ insbesondere dann vor, wenn sicái der schwächere Vertragsteil in erkennbarer Weise gebeugt hat und dies durch ausdrüdkliche oder konkludente Handlung in Erscheinung getreten ist'^. Hinzuweisen bleibt in dem Zusammenhang auf aktuelle Probleme der Satzungsschiedsgerichtsbarkeit von Verbänden und Ver-

· · Vgl. dazu oben Nadiweise in F N 43.

" Rosenberg-Sòwab, § 174 VI 1 a. Baumbaá-Lauterbaé, § 1025 2 A; Baumbaá-Sáwab, S. 57. " Vgl. Rosenberz-Sáwab, § 174 VI l a ; Stein-]onas-Sòlosser, § 1025 ZPO Anm. V 1. "> BGHZ 23, 17, 23. " Üblidierweise hat die Schiedsvereinbarung nur prozeßrechtlidie Wirkung, sadilichreditlidie nur dann, wenn zugleidi eine Einschränkung der Aufreciinungsbefugnis gegeben ist.

« OLG Hamburg MDR 1965, 54; Habséeld KTS 1970, S. 141. " Baumbaώ-Sώwab, S. 66. " Vgl. dazu audi Preis DB 1972,1726.

Sdiiedsfähigkeit

И

einen^®, in deren Rahmen die Gültigkeit von Sdiiedsverträgen regelmäßig auch an § 1025 Abs. 2 ZPO zu messen ist^®. In gleicher Weise relevant wird eine derartige Überprüfung bei der Vereinbarung von Schiedsverträgen durdi AGB^^. 6. Einzelfallgestaltungen a)

ausgewählter

Vorschriften

Mietrecht

Hier hat der § 1025 а ZPO, eingefügt durch Art. II Ziff. 3 des dritten Mietänderungsgesetzes vom 21. 7. 1967, eine Sonderregelung getroffen. Außer den Rechtsstreitigkeiten über den Bestand eines Verhältnisses sind danach alle anderen Streitigkeiten aus Mietverhältnissen einem Schiedsgericht zu unterstellen: So etwa Fragen der Unterhaltungspflichten, der Erhaltungspflichten, der Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten, selbst des arglistigen Verschweigens von Mängeln, der Abnutzung durch vertragsmäßigen oder vertragswidrigen Gebrauch, Fehler der Mietsadie, Art und Weise des Gebrauchs, z. B. für geschäft-· liehe Zwecke, Gefährdung durch Vernachlässigung, fehlende Mängelanzeige, unzulässige Veränderungen der Mietsache; selbst Fragen der wesentlichen Bestandteile der Mietsache oder der zugesicherten Eigenschaften und des ordnungsmäßigen Zustandes können einem Schiedsgericht unterstellt werden. Klagen auf Erfüllung, auf Entschädigung wegen Nichterfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung eines Miet- oder Untermietvertrages über Wohnraum sind durch eine Schiedsvereinbarung dann erfaßbar, wenn die Parteien das zugrundeliegende Mietverhältnis als bestehend voraussetzen'^®. Dagegen sind Fragen der Kündigung und Räumung, der etwaigen gesetzlidien Verlängerung eines Mietverhältnisses und des Wegfalls der GescJiäftsgrundlage für einen Mietvertrag der Schiedsvereinbarung verschlossen, da nidit nur Vereinbarungen über den Bestand des Mietverhältnisses, sondern aucJi solche über Fragen der Räumung der Mieträume oder FortVgl. zu diesem Problemkreis Harm-Peter Westermann, Zur Legitimität der Verbandsgerichtsbarkeit, JZ 1972, 537ff.; Fritz ΝίώΙί$ώ, Schiedsgeridwsklauseln und Geriditsstandvereinbarungen in Verbandssatzungen und allgemeinen Geschäftsbedingungen, BB 1972, 1285 ff.; Lorenz AcP 157, 268 ff.; Hahsáeid NJW 1962, 5 ff.; Bernd Preis, Schiedsverträge innerhalb von sozialen Gewaltverhältnissen, Betrieb 1972, 1723 ff. " So Preis, Betrieb 1972, 1723 ff.; vgl. auch ähnliche Probleme für Schiedsvereinbarungen zwischen Vereins- und Nichtmitgliedern, bezüglich der Unterwerfung von Lizenzspielern unter die Schiedsgerichtsbarkeit usw. " Zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Schiedsvereinbarung durch AGB vgl. Baumbaώ-Sώwab, S. 70. ™ Stein-]onas-Sélosser, § 1025 а ZPO Anm. П.

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Setzung des Mietverhältnisses den mit § 1025 a Z P O bezweckten Schutz des Mieters vor sozial nicht geringfertigter Beendigung des Mietverhältnisses betreffen. b)

Familienreòt

Es kann hier nicht sdiledithin von einer absoluten Unwirksamkeit von Schiedsgeriditsklauseln in Ehe- und Kindschaftssachen gesprochen werden. Sind auch, wie schon gesagt, die Bestimmungen über Geltung und Aufhebung der Ehe zwingend und der Gestaltung durdi die Parteien entzogen und gilt dies auch für die Wirkungen der Ehe im allgemeinen (§§ 1353—1362 BGB), so können doch Zweifel hinsichtlidi der Stellung der Frau und ihrer Mitarbeitspflicht nach § 1356 BGB, sowie ihrer eigenen Erwerbstätigkeit, hinsichtlich der Gestaltung der Schlüsselgewalt, der Einzelheiten der Verpflichtungen der Ehegatten untereinander nach § 1360 BGB (Familienunterhalt, allerdings nidit betreffend den Bestand der Verpflichtungen), ferner bezüglich der Auslegung des § 1361 BGB über Zuvielleistung, der Bestimmung des „billigen Unterhalts" bei Getrenntleben der Ehegatten nach § 1361 BGB, der Hausratsverteilung nach § 1361 BGB bestehen. Vor allem aber in Fragen des ehelichen Güterrechts wird grundsätzlich die Zulässigkeit einer Schiedsklausel etwa im Rahmen eines Ehevertrages der Ehegatten als zulässig angesehen werden können. Nicht zuletzt muß dies von den schwierigen Fragen der Ausgleichung des Zugewinns nacJi Beendigung der Ehe auch in anderen Fällen als durch Tod eines Ehegatten im Sinne der §§ 1372 £f. BGB gelten. Ein Ehevertrag im Sinne der §§ 1408 ff. BGB könnte gleichfalls schiedsfähig sein, sowohl hinsichtlich der Einzelgestaltung der Rechte der Ehegatten wie auch einer etwaigen Auseinandersetzung. Auch für eine fortgesetzte Gütergemeinscihaft im Sinne §§ 1483 ff. BGB wird eine Schiedsklausel unter den Beteiligten vereinbart werden können. Zwar kann nach § 1614 Abs. 1 für die Zukunft auf den Unterhalt nicht verzichtet werden und ein Schiedsvertrag ist demzufolge nidit möglich'®, das schließt aber nicht aus, daß die Beteiligten für einen bestrittenen Unterhaltsanspruch aus der Vergangenheit eine Schiedsklausel „ad hoc" vereinbaren. Einer Schiedsklausel entzogen sind sicherlich die Fragen der elterlichen Gewalt über eheliche Kinder. Ob die Eltern durch Schiedsklausel die Entscheidung über Meinungsversdhiedenheiten im Sinne des § 1627 Abs. 2 BGB einem Schiedsgericht übertragen können, sozusagen anstelle des Vormundschaftsgerichts, erscheint höchst zweifel-

Palandt-Diederiásen,

§ 1614 Anm. 2.

Sdiiedsfähigkeit

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haft, desgleidien die Regelung der Fragen der religiösen Kindererziehung im Sinne des Gesetzes vom 15. Juli 1921®". Dagegen wird die Regelung des Verkehrs mit den Kindern nadi § 1634 BGB anstelle des Vormundsdiaftsgeridits einem Schiedsgericht überlassen werden können. Audi kann bei der Zuweisung eines Vermögens an ein Kind die Verwaltung desselben zwar dem Vater oder den Eltern überlassen werden, aber die Einsdialtung eines Schiedsgerichts zur Regelung von Streitfragen kann vereinbart werden®^. Ist der Unterhalt für die Zukunft nach § 1614 BGB audi unverzichtbar, so gilt das jedoch nicht für den Unterhalt unter geschiedenen Ehegatten für die Unterhaltspflidit der Ehegatten für die Zeit nach der Scheidung der Ehe (EheG § 72). Hier ist eine Sdiiedsklausel möglich. Das gleidie gilt für Abfindungsverträge mit nichtehelichen Kindern nach § 1615 e BGB. Aber auch der Zugewinnausgleich im Sinne der §§ 1372 ff. BGB kann schiedsfähig sein. Die Auseinandersetzung über Ehewohnung und Hausrat nach der Scheidung ist durch die sechste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz vom 21.10.1944 dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterstellt. Dies schließt jedoch nicht aus, daß die einschlägigen Fragen von den Beteiligten, auch unter Beiziehung Dritter, Eigentumsbereditigter z. В., einem Schiedsverfahren unterstellt werden. c)

Erbreòt § 1048 Z P O bestimmt die entsprechende Anwendung der Vorschriften des 10. Buches der Z P O auf Schiedsgerichte, „die in gesetzlidi statthafter Weise durch letztwillige Verfügungen angeordnet werden". „Statthaft" sind solche Anordnungen immer, soweit sie nidit zwingende Vorschriften verletzen. Grundsätzlich veranlaßt § 1048 Z P O zur Bejahung der Zulässigkeit®^. Letztwillige Verfügungen sind Privatreciltsgesdiäfte. Die Frage ist jedoch, ob einem durch eine letztwillige Verfügung eingesetzten Schiedsgericht die Entscheidung über die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung und über die Adressaten einer Zuwendung überlassen werden kann®®. Wie Baumbaώ-Sώwab^^ mit Recht ausführen, beschränkt § 1937 BGB den Inhalt einer letztwilligen Verfügung nicht auf die Bestimmung des Erben, sondern 8» Vgl. ΡαΙαηάΐ-Βίεάεηώ5βη, Anhang zu § 1631. ΡαΙαη(1ι-Οίεάβηώ$εη, § 1626 Anm. 4 c, § 1638 Abs. 1, § 1639 BGB. «2 Hellwiz, § 266 I; RGZ 100, 77; Baumhaá-Lauterhach, § 1048 Anm. 2. " § 2065 BGB; siehe Palandt-Keidel, Anm. 2 mit Schrifttum; zum Ganzen siehe auch Baumhaá-Schwah, S. 224; Stein-Jonas-Schönke-Pohle, § 1048 1 3 ; van Cleef, Letztwillige Schiedsgerichtsklausel, 1914; aus der Judikatur außer dem Fall einer erstmaligen Entscheidung RGZ 100, 76 noch RGZ 133, 128; 153, 270; 170, 383. ' ' Baumhaώ-Sώwab, a. a. O.

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führt nodi eine Reihe anderer Bestimmungen auf, wie § 1777 BGB über die Benennung eines Vormundes oder § 2197 BGB über die Nennung eines Testamentsvollstreckers. Nicht entscheiden kann das Schiedsgericht über die Wirksamkeit der Einsetzung des Schiedsgerichts selbst, es hat also keine Kompetenz-Kompetenz. Wohl aber soll es entscheiden können über die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung, vor allem aber über die Streitigkeiten, die im Gefolge der Erbfolge entstehen®®. Auch ein Testamentsvollstrecker kann durch die letztwillige Verfügung zum Schiedsrichter eingesetzt werden, jedoch kann das Schiedsgericht selbst nidit einen Testamentsvollstrecker einsetzen. Es kann aber über die Wirksamkeit der Einsetzung des Testamentsvollstreckers als Frage der Auslegung des wahren Willens des Erblassers entsdieiden, über die Reichweite seiner Befugnisse, nicht jedoch über seine Entlassung und audi nicht über die Befugnis der Erben hierzu®®. Die Interpretation des § 1937 BGB läßt ohne Zweifel die Anordnung von Schiedsgeriditen durch letztwillige Verfügungen zu®^. Bei Zuwendungen unter einer aufschiebenden Bedingung (§ 2074 BGB) kann eine Schiedsklausel angeordnet werden, wenn unter den Erben Streit über Auslegung und Gültigkeit einzelner Bestimmungen besteht®®. Palandt-Thomas^^ will auch einen Vergleich über die Gültigkeit und die Auslegung eines Testaments zulassen, wenngleich durch einen Vergleich nicht mit dinglidier Wirkung ein an sich nidit bestehendes Erbrecht begründet werden kann'". Der Erblasser selbst kann ein solches Schiedsgericht zur Feststellung der Gültigkeit seines eigenen Testaments nidit einsetzen®'. Dem Testamentsvollstrecker kann die Auslegung des Testaments über die Gültigkeit der Anordnung des Testamentsvollstreckeramtes selbst nicht überlassen werden, auch nicht als Schiedsrichter®^. RGZ 133, 128. " RGZ 133, 128; zur Stellung des Testamentsvollstreckers als Sdiiedsriditer siehe RGZ 100, 76 fT. " Siehe dazu insbesondere Kohler DNotZ 62, 125. Kohler DNotZ 62, 125; Palandt-Keidel, §2074 A n m . 2 a ; Erman-Henze, Anm. 3 zu 2074. 8» Palandt-Thomas, § 779 BGB Anm. 2 b. »» Nadi BayObLG 66, 236; ebenda Anm. 1 a. '' Palandt-Keidel, § 2065 Anm. 2 am Ende, meint sogar, „daß bei einem nach Ansicht des Erblassers erschöpfenden Testament für den dennoch möglichen Fall entstehender Streitigkeiten über Gültigkeit, Anfechtbarkeit und Auslegung des Testaments die — sonst dem Richter obliegende — Entscheidung einem Schiedsrichter (ZPO S 1048, dazu Kohler DNotZ 62, 125) und sogar dem Testamentsvollstredcer selbst übertragen werden kann (RGZ 100, 78). BGHZ 41, 23; Palandt-Keidel, a . a . O . ; siehe auch noch Palandt-Keidel, § 2084 Anm. 4 f.

Scfaiedsfähigkeit

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Schiedsgerichtsklauseln werden abgelehnt bei Ansprüchen aus gemeinsdiaftlidiem Testament nach dem Tod des Erstverstorbenen®®. Es wäre aber durchaus denkbar, daß eine solche Klausel in einem gemeinschaftlichen Testament für die Frage der Klärung von Ansprüchen des Überlebenden zulässig wäre. Da über den Nachlaß eines noch lebenden Dritten nidit durch Vertrag, damit auch nicht durch Vergleich Bestimmung getroffen werden kann (§312 Abs. 1 BGB), ist auch eine einsdilägige Schiedsklausel nicht möglich, ebenso nicht über Pflichtteil und Vermächtnis aus dem Nachlaß eines noch lebenden Dritten. Allerdings ist § 312 Abs. 2 BGB zu beachten betreffend einen Vertrag unter künftigen gesetzlichen Erben über den gesetzlichen Erbteil oder den Pflichtteil eines von ihnen. Hierfür scheint eine Schiedsklausel zulässig zu sein. Bejaht wird die Gültigkeit eines Schiedsvertrages für die Regelung der Auseinandersetzung unter Ausschluß des Rechtsweges. Allerdings soll, was befremdet, § 2048 2, 3 BGB (die Auseinandersetzung nach billigem Ermessen eines Dritten) nicht entsprechend anwendbar sein®^. Unstreitig kann der Erblasser selbst ein Schiedsgericht zur Erbauseinandersetzung anordnen®®. d)

Gesellsòaftsrecht

Eine Vereinbarung eines Schiedsgerichtes mit der Übertragung der zwingend zugewiesenen Befugnisse der Gesellschafterversammlung auf dieses Schiedsgericht wird als nichtig angesehen®®. Desgleichen kann einem Schiedsgericht nicht die Frage der Nichtigerklärung von Hauptversammlungsbeschlüssen wie auch entsprechend der Anfechtbarkeit überlassen werden®^. H a t eine offene Handelsgesellschaft einen Sdiiedsvertrag vereinbart, so ergreift diese Vereinbarung ohne weiteres die Gesellschafter®®. e)

Kartellrecht

Sdion in der Entscheidung des BGH vom 20. 5.1966®® ist ausgesprochen, daß ein Schiedsspruch wegen Verletzung des „ordre »» RG Grudi. 50, Ъ9\·, Baumbadj-Séwab, S. 64. "BGH

NJW 59, 1493; a.M. RGRK Kregel,

Vorbemerkung vor § 1937;

Palandt-Keidel, § 2042 Anm. 1 a. Siehe dazu wiederum Kohler DNotZ 62, 125. ·» Anders BGHZ 43, 261. " BGH MDR 1951, 647.

»9 Rosenberg, § 166 II 3 c; Grimm-Rochlitz, S. 34; OLG Hamburg Hans RGZ 1928, 453; a. M. Steln-Jonas-Schönke-Pohle, § 1025 VI 1; Weipert im RGR-Komm. zum HGB, § 128 Anm. 8 mit weiteren Hinweisen; BaumbaS-Sòwab, S. 81. »» BGH KTS 1966, 168; siehe ferner BGHZ 46, 365 und BGH NJW 1967, 1178

und LM Nr. 3/4/5 zu § 20 GWB m. Anm. Losáer; vor allem Habsóeid KTS 1970, S. 6 u. S. 142 zu dieser Frage.

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public" unwirksam sei, wenn er gegen zwingende Vorschriften des deutsdien Kartellrecfats (§§ 20,21 GWB) verstoße. Der BGH hat auch trotz Kritik an dieser Meinung festgehalten und sogar die Ungültigkeit wegen Verstoßes gegen kartellrechtliche Normen des EWG-Vertrages einbezogen (Art. 87 EWGV und Verordnung Nr. 17 Art. 9). f)

Börsenrecht

In Fragen des Börsenrechts hat das OLG Hamm^®" als ungenügend eine Schiedsklausel angesehen, nach der ein Schiedsgericht entscheiden sollte über alle „aus den von den Parteien künftig an der Börse zu schließenden Geschäften"^®^. § 28 Börsengesetz schränkt die Börsenschiedsgerichtsbarkeit auf schon entstandene Streitfälle und über Termingeschäfte ein. Dafür ist wieder Voraussetzung, daß beide Vertragsparteien börsentermingeschäftsfähig sind. Nach § 1 Abs. 3 BörsenG unterliegen Börsenschiedsgerichte der Staatsaufsicht. Sie sind nicht identisch mit sachverständigen Kommissionen zur Feststellung von Tatsachen (Lieferbarkeit von Wertpapieren oder Waren, Vorhandensein der vereinbarten Qualität oder mangelhafte Erfüllung im Sinne von § 459 BGB u. a.) oder zur Leistungsbestimmung im Sinne von §§ 317—319 BGB^®^. Im Rahmen der bankrechtlichen Dienstleistungsgeschäfte können sich besondere Fragen insbesondere im Emissionsrecht und in dem damit im Zusammenhang stehenden Konsortialrecht ergeben^®®. Danach wäre auch bei Emissionskonsortien das Wettbewerbsrecht des § 102 GWB als Bereichsausnahme für die Kreditwirtschaft zu beachten. Dem Grundsatz nach werden zwar bei Emissionskonsortien Schiedsgerichtsklauseln wirksam sein, ihr Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht (Art. 20 f. GWB bzw. 85 ff. EWGV) ist über §102 GWB hinaus zu beachten und kann unter Umständen eine Schiedsklausel unwirksam machen.

1»» OLG 15, 125. Siehe auch Baumbaò-Schwab, S. 58; ähnlich Celle OLG 33, 138; BaumbaòSchwab, a. a. O., betr. eine Klausel zur Entscheidung über „aus der Berufstätigkeit der Mitglieder an der Börse entstehende Streitigkeiten". Siehe auch Schönle, Bank- und Börsenrecht, 1971, § 43 II 3 Abs. 3 und § 2 II 3 ; Bremer, Heinz, Grundzüge des deutschen und ausländischen Börsenrechts, 1969, 74 f.; zum Börsentermingeschäft siehe den Überblick bei SSönle, § 47. Zum internationalen Emissionsrecht siehe Norbert Horn, Das Recht der internationalen Anleihen, Athenäum 1972. Zum Konsortialgeschäft in -weiterem Zusammenhang Wernhard Mosòel, Das Konsortialgeschäft der Kreditinstitute im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen. Emissionskonsortien als marktherrschende Unternehmen, in: Z H R 136 (1972), 273—306.

Sdiiedsfähigkeit

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g) Arbeitsgerichtliòes Sòiedsverfahren Eine besondere Regelung hat das arbeitsgerichtliche Schiedsverfahren durdi die §§ 101—110 ArbGG. Durch § 101 Abs. 3 ArbGG ist für die dem Verfahren nadi §§ 101 ίί. ArbGG geregelten arbeitsgerichtlidien Schiedsverfahren das 10. Buch der ZPO (§§ 1025 ff.) für anwendbar erklärt. Die Regelung des § 101 ArbGG unterscheidet zwisdien der „Gesamtschiedsklausel" (Abs. 1) und der Einzelschiedsklausel (Abs. 2, Satz 1 u. 2). Bei der Gesamtschiedsklausel nach Abs. 1 geht es um Streitigkeiten aus Tarifverträgen oder um soldie über Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen. Wie BaumbachSchwab ausführen, fallen darunter nicht Streitigkeiten aus unerlaubter Handlung oder GoA, z. B. bei einem Arbeitskampf, da nach § 4 ArbGG die Arbeitsgeriditsbarkeit nur in den Fällen des § 2 I Nr. 1 bis 3 und nach Maßgabe der §§101—110 ArbGG ausgeschlossen werden darf^"^. Bei den für das arbeitsgerichtliche Sdiiedsverfahren zugelassenen Streitigkeiten handelt es sidi in erster Linie um die schuldrechtlichen Verpflichtungen des Tarifvertrages wie Verpflichtungen aus dem Tarifvertrag, Schadensersatz wegen Nichterfüllung, Friedenspflicht, aber audi um solche aus dem sogenannten normativen Teil, nämlich Streitigkeiten über das Bestehen oder die Auslegung einer einzigen Tarifnorm^"®. Schwierig wird die Frage der Abgrenzung im Falle der Konkurrenz von Ansprüchen aus Vertrag und unerlaubter Handlung^®®. Parteien eines einschlägigen Schiedsverfahrens sind aussdiließlidi Tarifvertragsparteien im Sinne des § 2 des Tarifvertragsgesetzes vom 9. 4.1949. Die sogenannte Einzelschiedsklausel des § 101 Abs. 2, Satz 1 u. 2 ArbGG läßt als Parteien wiederum nur Tarifvertragsparteien zu; dabei muß es sidi um bürgerliche Reditsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis handeln, wobei der persönliche Geltungsbereich des Tarifvertrags überwiegend Bühnenkünstler, Filmschaffende, Artisten oder Kapitäne und Besatzungsmitglieder im Sinne der §§ 2 u. 3 des Seemannsgesetzes umfaßt^®^. h) Sozialrecht Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder hat in ihrer Satzung eine Schiedsklausel vorgesehen. Der BGH'®® hat zwar zunächst diese Satzung als unter das öffentliche Recht fallend für unBaumbadj-Sòwab, S. 300 m. w. Hinweisen; Stein-]onas-Sòlosser, V i l i 2 a. 1»= ΌΙεΙζ-ΝίΜίώ, § ICI Hl U Baumbaò-Schwab. a. a. О. Dazu besonders Stein-Jonas-Sòonke-Pohle, § 1025 V i l i 2 a ZPO. Stein-Jonas-Sálosser, S 1025 ZPO Anm. VIII 2 b. BGH KTS 67, 39 ff.

§ 1025

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wirksam erklärt, was in dieser Allgemeinheit wohl von vornherein nicht für riditig gehalten werden kann. Er hat dann dennoch den aufgrund dieser Klausel gefaßten Schiedsspruch niciit für ungültig erklärt. Interessant ist, daß er dabei davon ausging, daß es sidi bei dem Versicherungsverhältnis zwischen Anstalt und Versicherten um einen zivilreditlichen Versidierungsvertrag handele^®®, aus dessen Abschluß sich der Wille der Parteien zum Schiedsvertrag ergäbe. Die mangelnde Form sei nach § 1027 Abs. 1 Satz 2 ZPO geheilt. Im ganzen zeigt sich hier ein etwas krampfhaftes und dodi dogmatisch unbegründetes Bemühen, der allgemeinen Zulässigkeit der Schiedsgeriditsklausel bei Beteiligung von öffentlichreditlidien Anstalten oder Körpersdiaften auszuweichen — und das obgleich die Verwaltungsgeriditsordnung selbst (§§ 168 Abs. 1 Nr. 5 und 187 Abs. 1 VwGO) öffentlidirechtliche Sciiiedsgerichte zuläßt^^®. Es ist Habscheid^^^ Recht zu geben, wenn er hierin eine Strapazierung der Unterstellung des Parteiwillens sieht und vielmehr meint, daß riditigerweise auf den Vertrauensgrundsatz und das daraus entwickelte Verbot des venire contra factum proprium abzustellen ist.

B. Subjektive Schiedsfähigkeit Es handelt sich hier um die Frage, wer als Schiedsrichter verpflichtet werden kann. Nicht behandelt werden soll, was die Neutralität der Schiedsriditerstellung von ihm verlangt. Der Schiedsrichtervertrag selbst wird als Dienstvertrag angesehen^^^, wenn das Schiedsrichteramt gegen Entgelt ausgeübt werden soll, sonst als Auftrag"®. Schiedsrichter kann jeder nicht geschäftsunfähige Dritte sein. BaumbachLauterbach^^*' wollen nur natürliche Personen Schiedsrichter sein lassen^^® unter Hinweis darauf, daß bei Ernennung einer juristischen

Dazu kritisdi Rupp JZ 1967, 605. "" Siehe audi ΒαΗηώαώ-ΙαΜετΙαώ, Grundzüge 4 vor § 1025 ZPO. Habscheid KTS 1970, S. 140. Palandt-Putzo, Einführung vor §611 Anm. 2, allerdings bestritten und auch als Vertrag besonderer Art bezeichnet; siehe auch Palandt-Heinriòs, § 305 Anm. 5 a und § 627 Anm. 1 unter Hinweis auf Thomas-Putzo, ZPO 1970, Bem. 3 vor § 1025. Wird der Schiedsriditer durch das staatliche Gericht ernannt im Sinne des § 1029 Abs. 2 ZPO, so wird damit nicht das Bestehen eines gültigen Sdiiedsvertrages für alle Verfahren bindend festgestellt (BGH v. 27. 2.1969 N J W 1969, 978 u. KTS 1970, 24); Habscheid KTS 1970, S. 5 f., der diese Entsdieidung mit Recht kritisiert, "ä Stein-Jonas-Schlosser, vor § 1025 ZPO III 1. Baumbach-Lauterbach, § 1025 Anm. 5 C. 115 Verweis auf Stein-Jonas, § 1032 Anm. 11.

Schîedsfâhigkeit

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Person in der Regel ihr gesetzlicher Vertreter als berufen anzusehen ist. Im Ergebnis stimmt das überein mit der Ansicht von BaumbaòSchwab^^^, wenngleich dort Zweifel daran bestehen, wer bei juristischen Personen dann heranzuziehen ist"^. Wenn das OLG Bamberg^^® Behörden allgemein die Fähigkeit, als Schiedsrichter bestellt zu werden, aberkennen will, mit der Begründung, daß sie öffentlichrechtliche Befugnisse ausübten, die jeder Privateinwirkung entzogen sind^^®, so sieht Baumbach-Schwab die glückliche Lösung doch auch nur darin, daß in einem solchen Fall der Chef der Behörde oder, wer sonst nadi dem Parteiwillen zu ermitteln ist, privat tätig werden soll^^®. Schiedsrichter kann nie sein, wer in eigener Sache entscheiden müßte^^^, auch wenn er diese Partei gesetzlich allein oder kollektiv zu vertreten In solchem Fall ist zwar die Bestellung zum Schiedsriditer nichtig, nicht aber die Schiedsklausel^^^. Nach dem RG^^^ können damit auch Vorstandsmitglieder einer Gesellschaft oder eines Vereins nicht Schiedsriditer sein bei einer Streitigkeit zz^isdien der Gesellschaft oder dem Verein und einem Mitglied oder Gesellschaftern. Allerdings will das Reichsgeridit^^® davon eine Ausnahme bei „weitverzweigten Vereinen" zulassen^^®. Habscheid hat sich ausführlich mit der jüngeren Rechtsprechung zu dieser Frage der Inkompatibilität des Schiedsrichteramtes beschäftigt^^^. Es geht zunächst um die sogenannte subsidiäre Schiedsrichterernennung, in der das OLG Hamburg^^s jj^j zustimmend, der BGH dagegen^^® ablehnend entschieden hat. Dies soll nadi BGH sowohl für den Fall gelten, daß von Anfang an der von einer Partei bereits ernannte Sdiiedsrichter allein entscheiden soll wie für den Fall, in dem zunädist das Recht der Schiedsrichterernen-

Baumbaá-Sáwah, S. 59. Verweis auf RG JW 1905, 54. "8 OLG Bamberg NJW 1950, 917. Baumhaώ-Sώwab, S. 59. Für Sdiiedsgutaditen siehe ebenda und BGH NJW 1955, 665;

Habséeid

MDR 1954, 392 und KTS 1955, 132; Wieczorek, § 1025 С II a 4; Rosenberg3ώ·υΰαΚ § 175 I I . BayObLG JW 1929, 1667.

Baumbaá-Lauterbaá, § 1025 Anm. 5 D; Rosenberg-Sdmab, § 175 2; Habscheid NJW 62, 6; RG JW 32, 2876. Zu Fällen, in denen Nichtigkeit vorliegen kann, vgl. Baumbaò-Sòwab, S. 61. 121 RGZ 93, 288. 125 RGZ 113, 321. 12' Baumbaò-Lauterbaò, a. a. О., mit berechtigten Bedenken. 12' Hahsώeid KTS 1970, 1 ff. u. 132; 135; KTS 1971, S. 134 ff. 128 OLG Hamburg MDR 1969, 491. 12» BGH BB 1970, 1504 f. mit ausführlichen Hinweisen auf den Streitstand; NJW 1971, 139; KTS 1971, 104.

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nung nach Eintritt bestimmter Umstände auf eine Partei übergeht. Die Begründung des BGH ist überzeugend, denn die alleinige Sdiiedsriditerernennung durch eine Partei verstößt gegen elementare Grundsätze überparteilicher Rechtspflege und damit gegen § 134 BGBi®". Nach der wohl riditigen, von Habscheid vertretenen Meinung kann audi eine ausdrücklidie Erklärung der Parteien, keine Bedenken gegen die Zusammensetzung und Zuständigkeit dieses Schiedsgerichts zu haben, den Verstoß gegen das Gebot der Überparteilichkeit nicht heilen. Auf Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter kann nicht verzichtet werden. Die Frage der Inkompatibilität ist objektiv zu entscheiden und daher unverzichtbar. Der BGH geht mit Recht soweit, in diesem Falle das Zustandekommen eines gültigen Schiedsvertrages, nicht nur der Schiedsrichterbestellung abzulehnen^®', somit kann audi eine Erklärung der Parteien, sich mit der einseitigen, inkompatiblen Lösung einverstanden zu erklären, den Sdiiedsvertrag nicht wirksam madien und vor allem nicht zur Annahme eines neuen wirksamen Schiedsvertrages führen'®^. Unverständlich erscheint die Entscheidung des BG№®®, daß ein Mitglied des Vorstandes der Anwaltskammer Schiedsrichter im Streit zwischen Anwalt und Erben eines anderen Anwalts sein könne. In diesem Falle scheint der Grad der Inkompatibilität doch der gleiche zu sein wie im Falle des Auftretens eines Beamten als Sdiiedsrichter bei einer Streitigkeit zwischen der von ihm gesetzlich vertretenen Stelle des Fiskus und Privaten'®^. Zu Schiedsrichtern können zwar Minderjährige bestellt werden, aber sie sind ablehnbar (§ 1032 Abs. 3 ZPO). Die Ablehnung eines Schiedsrichters kann im übrigen aus denselben Gründen und unter denselben Voraussetzungen erfolgen, die zur Ablehnung eines Richters bereditigen im Sinne des § 41 ZPO (§ 1032 Abs. 1 Darüber hinaus kann eine Ablehnung auch noch bei ungebührlicher Verzögerung seiner Pflichten und für Minderjährige, Taube, Stumme und

"0 Näheres siehe Habsáeid KTS 1971, S. 135. BGHZ 51, 255; zustimmend Kornblum ZZP 82, 480; ablehnend Bülow NJW 70, 585; Baumbach-Lauterbaé, § 1025 Anm. 5 D. Anders Hamburg MDR 69, 1019; dazu Habsáeid KTS 71, 135; Heiseke MDR 71, 355 und K. Schmidt MDR 72, 989. BGH NJW 73, 98; dazu Habscheid KTS 73, 233. BayObLG JW 29, 1667; natürlich können Beamte im übrigen Schiedsriditer sein. Kornblum, S. 70; BGH 2ZP 65, 217; Baumbaώ-Sώwab, S. 113; Heimann Trosien, Ehrengabe für B. Heusinger, S. 278; a. A. Rosenberg-Sdowab, § 175 II 3.

Sdiiedsfähigkeit

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Personen, die infolge Richterspruchs die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nidit besitzen, erfolgen^®®.

c. Der gegebene Überblick über die -wachsende Ausdehnung der Zulässigkeit des Schiedsgerichtsverfahrens im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO aber auch anderer einschlägiger Bestimmungen, insbesondere des arbeitsrechtlichen Schiedsgerichtsverfahrens, der Zulässigkeit in echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Fällen des Verwaltungsrechts, zeigt ein offenbar unaufhaltsames Vordringen der privaten Schiedsgerichtsbarkeit in Bereidie der von der staatlichen Gerichtsbarkeit beanspruchten Rechtsprechung^®^. Die private Sdiiedsgerichtsbarkeit ist zu einer besonderen Schiedsgerichtsbarkeit geworden, deren Anerkennung sich der Staat nicht mehr entziehen kann. Allerdings stehen dabei grundsätzliche Sicherungen im Vordergrund, wie die eben behandelten Fragen den Inkompatibilität der Schiedsrichter, ihre Neutralität, ihre Unabhängigkeit, daneben aber weitere Fragen wie die des rechtlichen Gehörs^®®. Außerdem sind andere unverzichtbare Prinzipien des Prozesses und der Gerichtsverfassung vom Schiedsgericht zu achten; hierauf kann nicht näher eingegangen werden. Unter diesen Voraussetzungen allerdings kann schon aus allgemeinen Erwägungen und über die gesetzliche Regelung in §§ 1042 ff. ZPO in bezug auf Anerkennung und Vollstreckung durch die staatlichen Gerichte hinaus eine Verpflichtung des Staates zur Leihe seiner Zwangsmittel verlangt werden. Wir haben es vergleichsweise mit einer Entwicklung zu tun, wie sie die mittelalterliche, ecclesiastische Rechtsprechung mit der Figur des bracchium saeculare entwickelt hatte. Diese Idee der prinzipiellen Verpflichtung der staatlichen Gerichtsbarkeit, die Schiedssprüche einer privaten Schiedsgerichtsbarkeit unter den Voraussetzungen der Einhaltung grundgesetzlicher und prozeßrechtlicher Grundsätze anzuer-

Es wird auf die Kommentierung zu §§ 1032 und 41 ZPO verwiesen, sowie auf Baumhadj-Sòwah, S. I l l fi.; für das arbeitsgeriditlicfae Schiedsverfahren ebenda, S. 309 ff. 137 Ygj (jgn j g j Versudis der Erriditung einer „European Arbitrage Assoziation Deutsdiland GmbH KG" geschildert bei Kronstein, Private Gerichtsbarkeit in Deutschland?, in ZRP 1970, 10 ff. Siehe dazu Baumbaá-Sáwab, Kapitel 14 B, 41 C, 22 E, 42 С II, 25 С I V , 42 В, 28 D II, 41 С I, 32 С III; sowie die zitierten Artikel von Habsáeid und die Kommentierungen zu § 128 ZPO, z. B. Baumbaò-Lauterhaò, Grundzüge vor § 128, Bem. 3 С 4.

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kennen und zu vollstrecken, kann im besonderen für die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit Folgen haben, sozusagen im Rahmen eines Völker-Handelsrechtes. In erster Linie aber muß dieser Zustand dazu führen, die Gründe der Ablehnbarkeit der Vollstreckung, insbesondere den ordre public, in einer von Monopolansprüchen staatlicher Gerichtsbarkeit absehenden Art und Weise zu interpretieren. Soweit das deutsche Recht in Betradit kommt, ist hier allerdings wenig zu befürchten; doch könnten Entwicklungen des Gemeinsdiaftsrechtes die Frage wichtig werden lassen.

Wert und Unwert der Prorogationsnovelle Ein Beitrag zur Methodik der

Prozeßreform

GOTTFRIED BAUMGÄRTEL

1. Problemstellung Der grundlegende Beitrag von Friedrich Weber zur „Methodik des Prozeßrechts''^ regt dazu an, der Frage nadizugehen, ob für die Reform des Prozeßredits wissenschaftliche Methoden entwickelt werden können. Im Hinblick auf die sich stufenweise entwickelnde sog. „große Justizreform" wäre es für die Gesetzgebungsorgane von großem praktischen Wert, wenn eine wissenschaftliche Methode für dieses gesetzgeberische Vorhaben gefunden würde®. Die folgende Untersuchung hat nicht das Ziel, eine soldie Methode im einzelnen zu entwickeln, da dazu der Gesamtkomplex der Justizreform erfaßt werden müßte, ein Unternehmen, das den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde. Es soll vielmehr an dem Beispiel einer nicht vollständig geglückten Teilreform gezeigt werden, welche Nachteile entstehen, wenn eine Novelle nicht mit wissenschaftlichen Methoden vorbereitet wird. Aus diesem Lehrbeispiel können die Gesetzgebungsorgane für die künftigen Teilreformen des Prozeßredits praktische Konsequenzen ziehen. Es stellt sich auch hier® zunächst die Frage, ob der Gegenstand unserer Untersuchung, die Reform des Prozeßredits, überhaupt einer wissenschaftlichen Methode zugänglich ist oder ob Umfang und Art der Vorbereitung einer Gesetzesreform nicht mehr oder weniger eine Frage der Zwedimäßigkeit ist. Ergibt sich die Notwendigkeit einer Novellierung auch aus den sichtbaren Schwächen eines Gesetzes, so ist eine Gesetzesänderung doch erst möglich, wenn die Mängel und ihre Ursachen im einzelnen feststehen. Bisher wurde diese wicJitige Vorfrage in Kommissionen aufgrund der Erfahrungen einzelner Praktiker und mit Hilfe kleiner Erhebungen geklärt. Ein solches Informationsmaterial ist freilich als Grundlage für eine Gesetzesänderung sehr vage. Für ein so bedeutungsvolles gesetzgeberisches Unternehmen wie die Justizreform bedarf es eines möglichst exakten Informations' Studium Generale 1960, S. 13 ff. ^ Vgl. Bender, Justizreform wohin? SdilHolstAnz. 1974, S. 65if.; zur „Gesetzgebungslehre" im allgemeinen Peter Noll, Gesetzgebungslehre, 1973. » Vgl. Weher, a. a. O.

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Gottfried Baumgärtel

materials, das mit wissensdiaftlidien Methoden erarbeitet ist. Diese Möglichkeit gibt die Reditstatsachenforsdiung, die durch den Einsatz elektronischer Datenverarbeitungsanlagen (EDV)^ dem Gesetzgeber eine wertvolle Entscheidungshilfe bietet®. Damit ist die am Anfang gestellte Frage beantwortet: das für die Gesetzgebung notwendige Informationsmaterial sollte mit wissenschaftlichen Methoden erarbeitet werden. Es besteht sonst zu leicht die Gefahr, daß „bhnd" reformiert wird. In der Regel bieten sich aufgrund des vorliegenden Informationsmaterials mehrere Möglichkeiten an, die aufgedeckten Mängel eines Gesetzes zu beheben. Vor einer endgültigen Entscheidung sollten die zu erwartenden Auswirkungen der einzelnen Änderungen prognostiziert werden. Auch hierfür stehen wissenschaftlidie Methoden wie z. B. ein Testlauf mit simuliertem Material zur Verfügung. Natürlich wird man nicht für jedes Gesetzgebungsvorhaben eine zeit- und kostenaufwendige Rechtstatsadienforsdiung durchführen können. Entscheidend hierfür ist wohl die Bedeutung der geplanten Novellierung. Die Dringlichkeit einer Reform sollte freilidi nicht ein Grund sein, von einer Reditstatsadienuntersudiung abzusehen. Es könnte sich sonst bald die Notwendigkeit einer Korrektur der Reform ergeben. Es kann auch nicht eingewandt werden, daß wir mit der Rechtstatsachenforschung erst am Anfang stehen. Sie ist im Bereich der Justizreform beinahe 100 Jahre alt®. Die von uns entwickelte Methode, die EDV zur Gewinnung von Sozialdaten zur besseren Vorbereitung der Justizgesetze einzusetzen, hat als ein erster Versudi naturgemäß Schwächen'''; diese werden aber in absehbarer Zeit überwunden sein. Mit soldien Argumenten läßt sidi auch nidit das Unterlassen einer Rechtstatsadienuntersuchung bei der Prorogationsnovelle rechtfertigen®. Diese soll als Beispiel dafür dienen, welche negativen Auswirkungen ein methodisdh falsch vorbereitetes Gesetz haben kann.

* Baumgärtel-Mes, Reditstatsadien zur Dauer des Zivilprozesses (erste Instanz) — Modell einer Gesetzesvorbereitung mittels elektronischer Datenverarbeitungsanlagen, Prozeßrechtliche Abhandlungen Heft 31, 2. Aufl. 1972; Baumgärtel-Hohmann, Rechtstatsathen zur Dauer des Zivilprozesses (zweite Instanz), Prozeßrethtlidie Abhandlungen Heft 33, 1972. ® Baumgärtel, Die Möglichkeiten zur Verwendung von elektronischen Datenverarbeitungsanlagen zur besseren Vorbereitung von Gesetzen, dargestellt an einer Rechtstatsadienforschung zur Prozeßreform, DSWR 1974, S. 362 ff. β Vgl. Baumgärtel, ZZP Bd. 86 (1973), S. 164 ff. τ Baumgärtel, a. a. O. (Fußnote 6) S. 175. ' So aber Herbst in seinem Diskussionsbeitrag zu den Referaten von Bender und Baumgärtel zur „Reditstatsadienforsdiung im Zivilprozeß" auf der Riditerakademie in Trier am 10. 9.1974.

Wert und Unwert der Prorogationsnovelle

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II. Vor- und Nachteile der radikalen Prorogationseinsdiränkung Das erklärte Ziel der Novelle ist es, den Schuldner prozessual vor dem wirtsdiaftlich stärkeren Gläubiger zu schützen, der über eine Gerichtsstandsvereinbarung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Formularverträgen am Gericht des Gläubigersitzes häufig gegen den Schuldner ein Versäumnisurteil erreichte, das als ungeredit empfunden wurde®. Dem Ziel der Novelle ist uneingeschränkt zuzustimmen. Dieses soziale Anliegen hat den Gesetzgeber^" und die Literatur^^ schon seit langem beschäftigt. Wegen ihres bereditigten sozialen Kerns ist die Novelle bisher auch überwiegend positiv beurteilt worden^®. Löwe bezeichnet sie sogar als die bedeutendste zivilprozessuale Maßnahme auf dem Gebiet des Verbraucherschutzesi®. Es ist freilich fraglich, ob das grundsätzliche Verbot der Prorogation für Nicht-Vollkaufleute^^ notwendig war, um diesen Schuldnerschutz zu erzielen. Es gibt zu denken, daß die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zu dem ersten vom Freistaat Bayern im Bundesrat eingebrachten Gesetzesentwurf von einer „partiellen Entmündigung" des Staatsbürgers sprach^®. Sie konnte sich aber sdiließlich dem berechtigten sozialen Anliegen, das mit dem Entwurf verbunden war, nicht verschließen, da ihr kein Gegenmodell zur Verfügung stand. Ist der prozessuale Schuldnerschutz durch die Novelle auch erreicht, so lassen die jetzt schon sichtbar werdenden Auswirkungen doch Zweifel » Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks. 7/268 S. 4. >» Vgl. § 29 Abs. 2 des ZPO-Entwurfs 1931. " Vgl. u.a. Rosenberg, ZZP 57 (1933), S. 206ff.; Heilberg, ZZP 57, 448 ff.; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß, 1935, S. 87ff.; Gradhandt, Die Zuständigungsvereinbarung, Diss. Rostodt 1936, S. 71 ff.; Bruniedei, JW 1938, S. 1790 f.; Schmidt, MDR 1949, S. 159; Vervessos, Die Begründung der geriditlidien Zuständigkeit durdi den Parteiwillen, Diss. Mündien, 1961, S. 83 ff.; zur Megede, ZRP 1969, S. 200f.; Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozeßhandlung einer Partei im Zivilprozeß, 1957, S. 220 Fußn. 219. " Vgl. u. a. Diederiòsen, BB 1974, S. 377 ff.; Herbst, Rpfleger 1974, S. 246 ff.; Klunzinger, JR 1974, S. 271 ff.; Löwe, NJW 1974, S. 473 ff.; Vollkommer, Rpfleger 1974, S. 129 ff., RdA 1974, S. 206 ff.; Zöller-Vollkommer, ZPO 11. Aufl. 1974, Beilage; kritisch Eickelau, Creditreform 1974, 31 f.; Brangsώ, AnwBl. 1974, S. 198; Scholz, BB 1974, S. 570; Unruh, NJW 1974, S. 1111. " A. a. O. S. 473. " Vgl. Diederichsen, a. a. O. S. 378. " BT-Drucks. VI/1167 S. 7; kritisch zu dem ersten Gesetzentwurf Bleutge, BB 1970, S. 733 ff., 1317 ff.; Creutzig, ZRP 1971, S. 257 ff.; Meier, ZRP 1970, S. 168; Wadee, ZRP 1970, S. 245; vgl. auch Grunsky, BB 1971, S. 1113 ff. und Trinkner, BB 1972, S. 1114 ff., 1973, S. 354 und 1412 f.; zustimmend u.a. Löwe, BB 1970, 1185 ff., NJW 1970, S. 2236 ff.; ZRP 1970, S. 97 ff., 275; 1972, S. 127 f.

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aufkommen, ob die Gesetzesänderung ein ausgewogenes Verhältnis von Sdiuldnersdiutz und Gläubigernot schafft und dem Verbraucher materiell nützt. Die negativen Auswirkungen der Novelle sind kurz skizziert folgende: 1. Die Prorogation zwischen

Vollkaufleuten

a) Der nach § 331 Abs. 1 S. 2 ZPO erforderliche Nachweis der Vollkaufmannseigenschaft bereitet erhebliche praktische Schwierigkeiten. Ist der Kaufmann im Handelsregister eingetragen, so ist ein Registerauszug vorzulegen. Die Schwerfälligkeit dieses Verfahrens könnte dadurch erleiditert werden, daß die Industrie- und Handelskammern Bescheinigungen über die Registereintragung ausstellten^®. Soweit der Kaufmann aber nidit im Handelsregister eingetragen ist, wird der Nadiweis der Vollkaufmannseigenschaft wegen der Sdiwierigkeit der Abgrenzung zum Minderkaufmann schwer zu erbringen sein. Diese Beweissdiwierigkeiten werden den Gläubiger in vielen Fällen dazu zwingen, von einer vorhandenen Gerichtsstandsvereinbarung keinen Gebrauch zu machen und den risikoloseren "Weg der Klage am Schuldnersitz zu beschreiten. Der dadurch entstehende Wegfall der Konzentration der Prozesse am Gläubigersitz — man kann von einer Dezentralisierung sprechen — hat Auswirkungen, die unten im Zusammenhang darzulegen sind. b) Die gleidien Beweisschwierigkeiten ergeben sidi im Mahnverfahren, wenn man der Auffassung von Vollkommer^'^ folgt, daß der Gläubiger dem Rechtspfleger die Vollkaufmannseigenschaft vor Erlaß des Zahlungsbefehls urkundlich belegen muß. Es ist zu wünschen, daß sich diese Auffassung, die zwangsläufig zu einer Dezentralisierung des Mahnverfahrens führen muß, in der Praxis nidit durchsetzt. Das Mahnverfahren würde sonst in seiner Funktion als ein beschleunigtes Massenverfahren erheblich gestört. Die Dezentralisierung des Mahnverfahrens im kaufmännisdien Bereich würde es im Verhältnis von Groß- und Einzelhandel nicht mehr ermöglichen, die Zahlungswilligkeit und -fähigkeit der einzelnen Firmen unter Eigenkontrolle der Wirtschaft zu halten. Dadurdi würde der Selbstbereinigungsprozeß der Wirtschaft erheblidi gestört.

" Darauf wurde in der Diskussion auf der Riditerakademie (Fußn. 8) hingewiesen. " Rpfleger 1974, 8.249£Г.; dagegen Herbst, Rpfleger 1974, S. 246 ff.; Unruh, a. a. O.; Baumgärtel, BB 1974, S. 1173 ff.

Wert und Unwert der Prorogationsnovelle

2. Das Verbot der Prorogation für

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Nicht-Vollkaufleute

a) Auf den ersten Blick ersdieint es verwunderlich, daß nur der Vollkaufmann, nidit aber der Minderkaufmann für „geriditsstandsmündig" angesehen wird^®. Für den Minderkaufmann mit einem erheblidien Umsatz und mit einer großen Zahl von Arbeitnehmern mag dies befremdlich erscheinen, für die vielen „kleinen" Minderkaufleute ist allerdings das gleiche Sdiutzinteresse anzuerkennen wie für den Niditkaufmann. Da zwischen den beiden Gruppen von Minderkaufleuten keine klare Grenze gezogen werden kann, ist der Novelle insoweit zuzustimmen. b) Da die Novelle das Ziel verfolgt, den wirtsdiaftlidi Schwächeren prozessual vor dem wirtschaftlich Mächtigen zu schützen, hätte sie konsequenterweise die Prorogation zugunsten des wirtschaftlich Schwächeren zulassen müssen. H a t beispielsweise ein Handwerker in Hamburg Forderungen gegen einen Großbauunternehmer in Frankfurt, so wäre es zum Schutze des Handwerkers angebracht, eine Prorogation für Hamburg zuzulassen. Das gleiche gilt für die zahlreichen Gerichtsstandsvereinbarungen in den AVB, in denen zugunsten des Versicherungsnehmers das für seinen Wohnsitz zuständige Gericht vereinbart war^®. Das sicher häufige Interesse des Schuldners, den Prozeß — zur Erhaltung seines Renommees — nicht an seinem Wohnsitzgericht durchzuführen, ist durch § 38 Abs. 3 Ziff. 1 ZPO und durch die Möglichkeit, nach §§ 696 a und 700 a ZPO auf die Verweisung zu verzichten, gewahrt. c) Das grundsätzliche Prorogationsverbot für Nicht-Vollkaufleute sowie die Verweisungsvorschriften der §§ 696 a und 700 a ZPO führen dazu, daß die Konzentration der Prozesse am Firmensitz in Zukunft entfällt. Dies hat mehrere Auswirkungen: ca) Die Konzentration am Firmensitz hatte bisher die Rechtsprechung für bestimmte Spezialgebiete wie das Wettbewerbs- und das Speditionsredit auf einige OLG-Bezirke beschränkt. In Zukunft wird sich die Rechtsprechung auf diesen Gebieten zersplittern und zu mehr Divergenzen und damit auch zu einer höheren Belastung des BGH führen. Bei Wettbewerbsverstößen kann freilich u. U. über § 32 ZPO die — erwünschte — Konzentration erhalten bleiben.

" So Eickelau, a. a. O. S. 32 unter V. " S 8 Abs. 2 AKB; § 10 Abs. 2 AVB Haftpflicht; § 19 AVB Unfall; § 13 AVB Reditssdiutz; § 11 Abs. 2 AVB Seuchen-BU; § 10 Abs. 2 AVB Betriebssdiließung.

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cb) Mit dem Wegfall der Konzentration entfällt audi die Möglichkeit der richterlichen Inhaltskontrolle der Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Gericht des Firmensitzes^®. Die aus der Ortsnähe resultierende bessere Kenntnis der Firmenverhältnisse garantiert eine sadigeredite Beurteilung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Gericht. In Zukunft werden sich zahlreiche Gerichte mit einer umstrittenen Allgemeinen Geschäftsbedingung beschäftigen müssen. Dies wird zu divergierenden Entscheidungen und damit zu Verwirrungen führen, die für den Verbraucher ebenso nachteilig sind wie für den Handel. Bis zur Reform des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wäre die Erhaltung einer konzentrierten Kontrolle von großem Wert gewesen. Die Herauslösung der Prorogation aus dem Reformpaket der Allgemeinen Geschäftsbedingungen erscheint unter diesem Aspekt nicht verständlich. — Der Einwand von Löwe^^, daß die konzentrierte richterliche Kontrolle am Firmensitz dem Schuldner im Säumnisfalle keinen prozessualen Schutz bietet, überzeugt nicht. Kannte der Richter das unlautere Geschäftsgebaren der klägerischen Firma, so konnte er nach altem Recht durch Inhaltskontrolle der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung die Gültigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung verneinen. Die Klägerin mußte dann gem. § 276 ZPO die Verweisung an das Gericht des Schuldnerwohnsitzes beantragen. Es darf in dieser Frage freilich nicht übersehen werden, daß bei einer Kontrollkonzentration an einem kleinen Gericht die Gefahr der Befangenheit des Richters, der in einem kleinen Ort mit dem Firmeninhaber unter Umständen persönlich bekannt ist, nicht von der Hand zu weisen ist. cc) Gravierend ist die Verteuerung der Schuldenbeitreibung, die mit dem Wegfall der Zentralisierung der Verfahren am Firmensitz entsteht^®. Dies soll an dem Beispiel des Streitverfahrens aufgezeigt werden, das nach einem Widerspruch des Schuldners gegen einen Zahlungsbefehl immer — mit Ausnahme des Verzichts des Schuldners — am Schuldnerwohnsitz durchgeführt werden muß. War es nadh bisherigem Recht bei einer Prorogation zugunsten des Gläubigers Sache des Schuldners, zur Durchführung des Prozesses am Firmensitz unter Umständen zwei Anwälte zu bestellen — im amtsgerichtlichen Verfahren einen Prozeßbevollmächtigten am eigenen Wohnsitz, der einen Unterbevollmächtigten am Prozeßgericht auftreten ließ, und im landgerichtlichen Verfahren einen Korrespondenzanwalt und einen Prozeßbevollmächtigten —, so dreht sich jetzt das Verhältnis um. Für Ott, NP57 1973, 300 f. " NJW 1974, 474.

Unruh, a. a. O.; Eiáelau, a. a. О.; Baumgärtel, ZZP 87, S. 137 Fußn. 75.

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den als Regel gedaditen Fall, daß der Schuldner mit der Einlegung des Widerspruchs auch beabsichtigt, den Prozeß streitig zu führen, er also den Widersprudi nicht nur einlegt, um die Zwangsvollstreckung hinauszuzögern, ist diese Umkehr der Last, einen Anwalt für das Verfahren am Distanzgericht zu finden, sozial gesehen richtig^®. Es ist jedoch unklar und vor der Novellierung auch nicht geklärt worden, wie groß die Zahl der „echten" Widersprüche ist, die den prozessualen Schutz, den die Novelle dem Schuldner gewährt, „verdienen". Die im Bundestag vorgetragenen Zahlen^^, wonach am Distanzgericht nach eingelegtem Widerspruch nur 20 ®/o streitig verhandelt und der Rest von 80 "/o durch Versäumnisurteil entschieden worden sind, geben keinen Aufsdiluß über die hier gestellte Frage. Ob die oben dargelegte, mit großen Kosten für den Gläubiger verbundene Umkehr der Last, sich am Distanzgericht anwaltlich vertreten zu lassen, gerechtfertigt ist, ließe sich nur entscheiden, wenn man wüßte, wie hoch die Erfolgsquote der Widersprüche am Wohnsitzgericht des Sdiuldners ist. Nur wenn die Erfolgsquote anstiege, wäre die Verlegung des Verfahrens an den Sdiuldnerwohnsitz gerechtfertigt. Bliebe sie dagegen gleich niedrig, weil, wie man vermuten kann, ein großer Teil der Widersprüche nur eingelegt wird, um die Zwangsvollstreckung hinauszuzögern, so würde die als soziale Maßnahme gedachte Verlegung des Streitverfahrens an den Schuldnerwohnsitz von dem gleidhen Sdiuldner teuer bezahlt werden. Die Zahl der Fälle, in denen der Gläubiger zur Durchführung des Prozesses nach eingelegtem Widerspruch zwei Anwälte einsetzen muß, wird ungleich viel größer sein als die Zahl der „echten" Widersprüdie. Nicht nur die Sdbuldenbeitreibung wird zum Nachteil aller Schuldner teurer^^", sondern auch das Prozeßkostenrisiko wird für den Gläubiger erheblich größer. Wen diese Verteuerung der Schuldenbeitreibung schließlich trifft, den Schuldner oder den Gläubiger, ist allgemeinwirtschaftlich gesehen, nicht entscheidend. Bekommt der Gläubiger seine Mehrkosten nicht erstattet, so wird sich diese Verteuerung des Recáitsschutzes in der Preiskalkulation niederschlagen. Betroffen ist letzten Endes der Verbraucher, der gerade geschützt werden sollte^®. cd) Die Aufhebung der Konzentration des Streitverfahrens am Firmensitz trifft besonders hart solcbe Firmen, die regelmäßig eine Vgl. die Ausführungen des Abgeordneten Dr. Ξώδβετζετ, BT-Prot. der 70. Sitzung V. 12. 12.1973, S. 4315 (B). " A . a . O . (Fußn.23) S. 4315 f. Im amtsgeriditlidien Verfahren betragen die Mehrkosten bei Bestellung eines Unterbevollmäditigten im Falle des Versäumnisurteils bis '/ijGebühren und im Falle der Durdiführung des Streitverfahrens eine "/lo Gebühr. « Vgl. audi Dittmann, Handelsblatt v. 9. 4.1974.

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große Zahl von kleinen Außenständen eintreiben müssen. Für sie ist die durch das Gesetz gesdiafiene Dezentralisierung unter Umständen existenzgefährdend. Für ein Streitverfahren mit niedrigem Streitwert werden sie am entfernten Gericht nur sdiwer einen Anwalt finden, der das Mandat zu den gesetzlichen Gebühren übernimmt^®, da diese nicht einmal die Bürokosten decken. Soweit auch Inkassobüros die Schuldeneintreibung nicht übernehmen können, wird der Gläubiger in einem solchen Fall gezwungen, selbst zum Gerichtsort zu reisen oder auf die Eintreibung zu verzichten. Schuldner, die diese Situation erkennen, werden naturgemäß leicht zum Widerspruch angereizt werden. Es wird solchen Firmen daher nichts anderes übrig bleiben, als auf Kreditverkäufe zu verzichten. Diese Benachteiligung der Kleingläubiger kommt m. E. einer „Rechtswegsperre"^^ nahe. Jedenfalls sind die Interessen dieser wichtigen Gläubigergruppe in der Novelle nicht berücksichtigt. Das gleiche Problem entsteht für die Beitreibung von kleinen Beiträgen aus Dauerschuldverhältnissen wie Versicherungsverträgen. Abgesehen davon, daß § 48 VVG einen besonderen gesetzlichen Gerichtsstand am Vertretersitz sdiafft, wird den Großgläubigern eine Dezentralisierung der Schuldenbeitreibung organisatorisdi leichter fallen als den Kleingläubigern. Die Verwaltungsmehrkosten der Umorganisation sind, falls eine Dezentralisierung nicht bereits vorhanden ist, freilich beachtlich^®. Auch diese Mehrkosten können infolge einer notwendig werdenden Beitragserhöhung auf den Verbraucher zurückschlagen. ce) Die nachteilige Dezentralisierung des Mahnverfahrens würde bei Versicherungsverträgen nodi gesteigert, wenn man im Hinblick auf Art. 3 des Änderungsgesetzes mit Diederichsen^^ und dem AG Köln^" der Auffassung wäre, daß sich die „Altverträge" nicht auf den gem. § 38 Abs. 3 Ziff. 2 b ZPO zulässigen Inhalt zurückführen ließen. Dies würde die Versicherer zwingen, für die bestehenden Verträge zusätzliche Gerichtsstandsvereinbarungen zu treffen. Dies wird praktisch kaum realisierbar sein. Im Interesse der Erhaltung der Konzen-

2» EickeluH, a. a. O. S. 32 unter IV. " Dazu Baumgärtel, VersR 1973, S. 687 f. m. Nadiw. N . 63 u. 69; ZRP 1974, S. 230; Bokelmann, ZRP 1973, S. 164 ff. Löwe bezeidinet dagegen die Geridbtsstandsvereinbarung als Reditssdiutzsperre für den „kleinen Mann", RuG 1972, S. 258 ff. Für 800 bis 1000 Mahnverfahren im Monat wird bei einer Dezentralisierung eine zusätzlidie Bürokraft erforderlidi. 2» BB 1974, S. 383; a. A. Herbst, a. a. O. S. 248 zu Fußn. 16; Löwe, N J W 1974, S. 478; Vollkommer, Rpfleger 1974, S. 135 unter VI 2. 3» Rpfleger 1974, S. 270.

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tration des Mahnverfahrens am Gläubigersitz und mit Rücksicht darauf, daß demnächst durch die Vereinfadbungsnovelle ohnehin für das Mahnverfahren die ausschließliche Zuständigkeit des Gläubigersitzes eingeführt werden wird (§ 689 Abs. 2 E), sollte Art. 3 großzügig interpretiert werden®^. d) N u r am Rande sei vermerkt, daß der Schutzzwedt der Novelle dann nicht voll realisierbar ist, wenn eine Beweisaufnahme im Hinblick auf § 375 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO am Firmensitz durchgeführt werden muß. Dies wird gerade in den Fällen der Sciiuldenbeitreibung und bei Leistungsverweigerung des Schuldners, der sich auf Sadimängel beruft, häufig vorkommen. In diesen Fällen wird der Schuldner ohnehin genötigt, für die Beweisaufnahme einen Anwalt am Gericiit des Firmensitzes zu bestellen. e) Das grundsätzliche Verbot der Prorogation steht in einem eklatanten Widerspruch zu Art. 17 Abs. 1 des Übereinkommens der Staaten der EWG vom 27. 9. 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlidier Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen®^. Nadi dieser Bestimmung ist eine Gerichtsstandsvereinbarung trotz des § 38 Abs. 1 ZPO dann gültig, wenn eine Vertragspartei ihren Wohnsitz außerhalb der Bundesrepublik hat. Eine Ausnahme gilt nach Art. 17 Abs. 2 nur für Abzahlungsgeschäfte, Versicherungsverträge und die in Art. 16 genannten Fälle der ausschließlichen Zuständigkeit. Der Vereinbarung eines beliebigen innerdeutschen Gerichtsstandes steht auch nicht § 38 Abs. 2 S. 3 ZPO entgegen, wie Katholnigg meint®®. Der in dem Abkommen festgelegte Freibereich kann nicht durch innerdeutsches Recht eingeschränkt werden. Die Folgen, die der Widerspruch des generellen Verbots der Prorogation zu Art. 17 des Übereinkommens haben wird, sind bisher nicht geklärt. Der Bundesrat ist in seiner zweiten Vorlage trotz des warnenden Hinweises der Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zu der ersten Vorlage auf diese für den EWG-Bereich wichtige Frage überhaupt nicht eingegangen. Mit Hilfe des Art. 17 Abs. 1 könnte das innerdeutsche Verbot der Prorogation unterlaufen werden®*.

31 Baumgärtel, BB 1974, S. 1175. BGBl. II 1972 S. 773. BB 1974, S. 396 Fußn. 11 und S. 397 zu Fußn. 18 a; wie hier Diederiòsen, a . a . O . S. 380; Löwe, N J W 1974 S . 4 7 5 ; Thomas-Putzo, Z P O 7. Aufl. 1974, § 3 8 Anm. 2 b bb). Vgl. dazu die Ausführungen von Diederiòsen, a. a. О.

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III. Kritik an der Vorbereitung der Novelle Betrachtet man die große Zahl der jetzt sdion sichtbar werdenden Nachteile der Novelle, so stellt sich die Frage, ob sie durch eine exaktere Vorbereitung des Gesetzes vermieden und das gleiche soziale Ziel — der prozessuale Schutz des Schuldners — nicht auf andere "Weise erreicht werden konnten. Dafür müßte zunächst geklärt werden, welche dieser Nachteile überhaupt prognostizierbar waren. Die folgende Untersuchung beschränkt sidi auf die Auswirkungen der Dezentralisierung. Hier sind auch die Nachteile besonders gravierend. Dies beruht auf zwei Ursachen: 1. Auf der Erschwerung des Mahn Verfahrens durdi die Praxis, die in großem Umfang der Auffassung von Vollkommer folgt; 2. auf der grundsätzlichen Verlegung des Streitverfahrens an den Wohnsitz des Schuldners gem. § 38 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und §§ 696 a, 700 a ZPO. Zu 1.: Nicht überzeugend ist die von Herbsfi^ vertretene Auffassung, daß die Erschwerung des Mahnverfahrens nicht prognostizierbar gewesen wäre. Der Umfang der Amtsprüfung im Mahnverfahren hätte durch einen Testlauf®® mit simuliertem Material leicht im voraus geklärt werden können. Dabei hätte sich sofort gezeigt, welche Anforderungen die Rechtspfleger an den Inhalt des Gesuchs auf Erlaß eines Zahlungsbefehls bei einer Prorogationsbeschränkung, wie sie jetzt § 38 ZPO vorsieht, gestellt hätten. Das Ergebnis eines soldien Testlaufes hätte die Grundlage für eine gesetzgeberische Klarstellung®^, welche Anforderungen an die Amtsprüfung im Mahnverfahren zu stellen sind, abgegeben. Zu der Unsicherheit und den Schwierigkeiten in der Praxis des Mahnverfahrens, die die Auffassung von Vollkommer herbeigeführt hat, wäre es nicht gekommen. Zu 2.: Geht man von dem eingangs dargelegten sozialen Ziel der Novelle aus, so stellt sich die Frage, in welchem zahlenmäßigen Verhältnis die nach altem Recht am Distanzgeridit gegen den Schuldner ergangenen unrichtigen Versäumnisurteile zu den aufgezeigten Nachteilen einer grundsätzlichen Verlegung des Rechtsstreits an den Schuldnerwohnsitz stehen. Die Zahl der unrichtigen Versäumnisurteile am Distanzgericht könnte an der Erfolgsquote der Widersprüche des Schuldners an seinem Wohnsitzgericht sichtbar gemacht werden. Eine Erfolgsquote von 25 ®/o, wie sie bei den Beratungen der Novelle zuIn der Diskussion auf der Richterakademie (Fußn. 8). ' ' So Bender in der Diskussion auf der Richterakademie. " Vgl Baumgärtel, BB 1974, S. 1175 Fußn. 41.

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grundegelegt wurde®®, ließe es gerechtfertigt erscheinen, die Nachteile der radikalen Beschränkung der Prorogation in Kauf zu nehmen. Wäre die Erfolgsquote dagegen erheblidi niedriger, so erscheint es — auch unter sozialen Gesichtspunkten — nidht vertretbar, zum Schutze einer relativ kleinen Zahl von Schuldnern derartige Naditeile für die gesamte Gläubigersdiaft und schließlich audi den Verbraucher herbeizuführen, wie sie dargelegt wurden. In diesem Fall hätte ein anderer prozessualer Weg zum Schutze der Schuldner gefunden werden müssen. Vor der Novellierung hätte die Frage, mit welcher Erfolgsquote man bei der Verlegung des Streitverfahrens an den Sdiuldnerwohnsitz rechnen kann, rechtstatsächlich geklärt werden müssen®®. Dies wäre aufgrund der langjährigen Erfahrungen mit den Verfahren nach § 6 a AbzG möglich gewesen. Der Deutsche Industrie- und Handelstag hat eine solche Untersuchung durchgeführt und dem Rechtsausschuß im Oktober 1973 vorgelegt. Darin wurden die Zahl der Abzahlungsgeschäfte von 6 Großunternehmen aus der Zeit von 1968 — vor Inkrafttreten des § 6 a AbzG — bis 1972, die Zahlungsbefehle, die Widersprüche und die Erfolgsquote der Widersprüche am Schuldnerwohnsitz miteinander verglidien. Es ergab sich dabei folgende Tabelle^«:

Abzahlungsgeschäfte im Versandhandel Zahl d. Zahl d. Abzahlungs- Zahlungsbefehle geschäfte 1968 1969 1970 1971 1972

24 24 28 31 31

974 837 770 989 168 552 381 565 720 499

insges. 141 016 442

66 557 73 399 83 108 85 494 78 561

(0,26 (0,29 (0,29 (0,27 (0,24

Vo) "/o) »/o) »/o) »/o)

387 119 (0,27 o/o)

Zahl der Widersprüche 1 506 1 878 2 239 2 984 2 935

(2,26 «/o) (2,55 »/o) (2,69 Vo) (3,49 »/o) (3,73 o/o)

11 542 (2,98 o/o)

Erfolgsquote d. Widersprüche 40 57 73 94 87

(2,65 »/o) (3,03 «/o) (3,26 «/o) (3,15 «/o) (2,96 »/o)

351 (3,04 o/o)

Vgl. Fußn. 24. " Auf die Notwendigkeit einer Reditstatsadienuntersudiung haben sdion Bleutgen 1970 (BB 1970, S. 733 fF.), Creutzig 1971 (ZRP 1971, S. 258) und Ott 1973 (NJW 1973, S. 299 f.) hingewiesen. Die Veröffentlichung erfolgt mit Genehmigung des Deutsdien Industrie- und Handelstages.

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Der Deutsche Industrie- und Handelstag erläuterte das Ergebnis etwa folgendermaßen^®: a) Die Tabelle zeigt, daß über einen Zeitraum von 5 Jahren bei steigender Tendenz der Gesamtzahl aller getätigten Abzahlungsgeschäfte der entsprechende Anteil der Zahlungsbefehle und Widersprüche fast gleich geblieben ist. Vor allem zeigen die Zahlen bezüglich der Erfolgsquote der Widersprüche keine steigende Tendenz, so daß insoweit bewiesen wird, daß die Einführung des § 6 a AbzG im Jahre 1969 den erstrebten Zweck, nämlich die Steigerung der Erfolgsquote der Widersprüche gegen Zahlungsbefehle, nicht erreicht hat. Bei der Ausrechnung der Prozentzahlen der Widersprüche und ihrer Erfolgsquote sind die entsprechenden Zahlen nicht in das Verhältnis zu der Gesamtzahl der Abzahlungsgeschäfte gesetzt, sondern es sind jeweils die Zahl der Widersprüche ins Verhältnis zu der Zahl der Zahlungsbefehle gesetzt und die Prozentzahlen der Erfolgsquote der Widersprüche aus dem Verhältnis zur Zahl der Widersprüche errechnet. b) Interessant sind in diesem Zusammenhang die von den Unternehmen mitgeteilten Gründe, warum Zahlungsbefehle erlassen werden mußten und mit welcher Begründung Widersprüche dagegen eingelegt wurden: 80 "/o Zahlungsschwierigkeiten 10 ®/o Ungewisse Rechtslage aufgrund von Ehescheidungen und Erbfällen 6 ®/o Bezahlung zwischen Ausstellung und Zustellung des Zahlungsbefehls 4 ®/o Mängelrügen c) Bemerkenswert sind schließlich noch folgende, von einem Unternehmen zugesandte Zahlen, die in der zugrunde liegenden Stellungnahme nicht verwertet wurden: Bei dem für dieses Unternehmen zuständigen Amtsgericht wurden seit Neueinführung des § 6 a AbzG insgesamt 664 Verfahren an 335 Gerichte im gesamten Bundesgebiet verwiesen. Das Unternehmen hat sich dabei durch 343 Rechtsanwälte bei auswärtigen Gerichten vertreten lassen. Von den 664 verwiesenen Prozessen wurden bisher 221 Fälle erledigt. In einem großen Teil der restlichen Fälle schweben außergerichtliche Vergleichsverfahren, so daß die Verfahren teilweise ruhen.

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Die 221 erledigten Fälle braditen folgendes Ergebnis: 32 Endurteile 36 Anerkenntnis-Urteile 87 Versäumnis-Urteile 20 Vergleiche 21 Einsprudis-Rücknahmen 9 Klageabweisungen 15 Klagerücknahmen 1 Kostenentscheidung 221 Fälle

Anwaltskosten: DM DM DM DM DM DM DM DM

3 209,01 3 279,69 7 966,84 3 692,22 1 153,34 1103,50 1 251,79 158,57

DM 21 814,96

Vorstehende Aufstellung beweist, daß die Schuldner in 87 Fällen zu dem Termin an ihrem Wohnsitzgeridit nicht ersdiienen sind (Versäumnis-Urteile), daß in 57 Fällen die Widersprüche bzw. Einsprüdbe unbegründet waren (AnerkenntnisUrteile und Einsprudisrücknahmen), daß in 20 Fällen es den Sdiuldnern lediglidi darauf ankam, geringere Ratenzahlungen zu erreichen, die ihnen ohne Verhandlung auch gewährt werden würden, und daß lediglich 41 Fälle (Endurteile und Klageabweisungen) eine geriditlidie Entscheidung erforderlich machten. Die Klageabweisungen (9 Fälle) sind in der Mehrzahl der Fälle auf gefälschte Unterschriften zurückzuführen. Die 15 Klagerücknahmen erfolgten, weil die Schuldner inzwischen die Forderungen beglichen hatten oder das Unternehmen vor dem Termin eine Unterschriftsfälschung erkannt hatte. Aus dem Ergebnis dieser Untersuchung zog der Deutsche Industrieund Handelstag die folgenden Schlüsse^": a) Die Einführung des § 6 a AbzG im Jahre 1969 hat weder zu einem Anwachsen der Zahl der Widersprüche gegen Zahlungsbefehle noch zu einem Anwachsen der Erfolgsquote der eingelegten Widersprüche geführt. Es muß daher mit Nachdruck der Behauptung widersprochen werden, der Gerichtsstand am Wohnsitzgericht des Schuldners wirke sich positiv zu seinen Gunsten aus. b) Die meisten Widersprüche gegen Zahlungsbefehle können auf folgende Tatsachen zurückgeführt werden: ZahlungsunWilligkeit und Zahlungsschwierigkeit (80 ®/o), ungewisse Rechtslage aufgrund von Ehescheidungen und Erbfällen (10 ®/o), Bezahlung zwischen Ausstellung und Zustellung des Zahlungsbefehls

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oder Rücksendung der "Ware, weil nicht bestellt (6 ®/o) und sdiließlidi Mängelrügen (4 ®/o). Diese Prozentsätze haben sich seit 5 Jahren kaum verändert, so daß nicht gesagt werden kann, die Möglidikeit, am Wohnort zu prozessieren, führe dazu, daß die materiellen Einwendungen der Schuldner besser zum Zuge kämen. c) Die Verweisung des Rechtsstreits an das Wohnsitzgericht des Sdiuldners hat zur Folge, daß der davon betroffene Gläubiger einen Korrespondenzanwalt einschaltet. Großversandhäuser müßten sogar ein Netz von Korrespondenzanwälten erriditen. Da die ProzeßVerluste der Schuldner seit Einführung des § 6 a AbzG nicht zurückgegangen, sondern gestiegen sind, mußten sie als Unterliegende in den meisten Fällen auch noch die Kosten der Korrespondenzanwälte tragen. Damit hat sich ihr Prozeßund Kostenrisiko nicht vermindert, sondern erhöht. Hinzu kommt, daß die Wohnsitzgerichte die Rechtslage in erster Instanz teilweise unzutreffend beurteilten, weil sie mit der Materie nicht so vertraut waren wie das die Gerichte am Sitz der Versandhandelsunternehmen sind, die sich ständig mit derselben Materie befassen. Die dann angerufenen Berufungsgerichte haben meist zugunsten der Gläubiger entschieden, so daß in diesen Fällen die betroffenen Letztverbraucher auch nodi mit den Kosten der zweiten Instanz belastet wurden. Diese Rechtstatsachenuntersuchung hatte keinen Effekt, sie bewirkte eher das GegenteiH^. Es wurde dem Deutschen Industrie- und Handelstag vorgeworfen, daß er die Untersuchung an einem Material durchgeführt hat, bei dem offensichtlich kein Mißbrauch wirtschaftlicher Macht vorlag, der ja mit der Prorogationsbeschränkung bekämpft werden sollte, sondern daß es die in die Untersuchung einbezogenen 6 Großunternehmen mit säumigen Schuldnern zu tun hatten^^. Dieser Einwand ist richtig. Die Untersuchung ist methodisch falsch angelegt^®. Eine signifikante Erfolgsquote der Widersprüche am "

Vgl. Brangsch, AnwBl. 1974, S. 198. Löwe, N J W 1974, S. 474. Nicht überzeugend ist die Auffassung von Diederichsen, a. a. O. S. 383 Fußn. 54, daß eine solche Rechtstatsadienuntersuchung keine Signifikanz für die Zahlungswilligkeit der Schuldner erbringen würde, weil für die Zahlungsschwierigkeiten die Verkaufsmethoden ursächlich seien. Es geht hier nur um den prozessualen Schutz des Schuldners im Falle einer Zahlungsschwierigkeit. Die Ursachen der Zahlungsschwierigkeiten haben für die tatsächliche Feststellung der Zahlüngswilligkeit keine Bedeutung. ' ' Zur Methode der Rechtstatsadienforschung vgl. Baumgärtel, Z Z P 86 (1973), S. 164 ff.; Bender-Wax in „Tatsachenforschung in der Justiz", 1972, S. 17 ff.; dazu Baumgärtel, FamRZ 1973, S. 332 f.

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Schuldnerwohnsitz, die für den Gesetzgeber eine wertvolle Entscheidungshilfe gewesen wäre, konnte auf diese Weise nicht erzielt werden. Es hätte zunächst eine Leitstudie mit einer Hypothese aufgestellt werden müssen, die dann zu falsifizieren war. Die Hypothese hätte nach dem sozialen Ziel der Novelle etwa lauten müssen: Eine Verlegung des Rechtsstreits an den Schuldnerwohnsitz hat keinen Schuldnerschutzeffekt, da auch am Schuldnerwohnsitz keine höhere Erfolgsquote zu erwarten ist als bei einem Distanzprozeß am Gericht des Gläubigersitzes. Mit einer zweiten Hypothese hätte die Frage der Mehrkosten der Schuldenbeitreibung durch Verlegung des Rechtsstreits an den Schuldnerwohnsitz geklärt werden müssen. Die Leitstudie hätte an einem kleinen Material, bei dem Firmen verschiedener Branchen und Größen einbezogen werden mußten, durchgeführt und der Öffentlichkeit zur Diskussion gestellt werden müssen. Erst danach war mit den Methoden der empirischen Forschung eine Großuntersuchung über die zu erwartende Erfolgsquote und die Mehrkosten der Schuldenbeitreibung durchzuführen. Nur auf diese Weise hätte sich eine für den Gesetzgeber brauchbare Information ergeben. Die von dem Deutschen Industrie- und Handelstag vorgelegte Untersuchung hätte die Gesetzgebungsorgane eigentlich dazu anregen müssen, eine solche methodisch einwandfreie Rechtstatsachenuntersuchung durchführen zu lassen. Statt dessen begnügte sich der Rechtsausschuß mit der geschätzten Erfolgsquote von 25 "/o^^, die in einem eklatanten Widerspruch zu der von dem Deutschen Industrie- und Handelstag gefundenen Erfolgsquote von 3 ®/o steht. Die Zahl von 25 ®/o mag auf der Erfahrung einzelner Richter beruhen, sie stellt aber nur eine Schätzung und kein sicheres Informationsmaterial dar. Schon 1970 hat sich Haase'^^ gegen derartige Sdiätzungen, wie sie auch Ostermeyer^^ seinen rechtspolitischen Erwägungen zugrundelegt, gewandt und durch eine — allerdings nicht repräsentative — Untersuchung nachgewiesen, daß die Erfolgsquote erheblich niedriger liegt. Verläßt sich der Gesetzgeber auf die bloßen Schätzungen einzelner, so ist die Reform ein Schritt ins Dunkle. Dies übersieht Löwe", wenn er meint, eine Rechtstatsachenforschung sei deshalb nicht erforderlich gewesen, „weil entgegen dem Willen des Gesetzgebers der Regelgerichtsstand des Wohnsitzes in einem nicht mehr hinzunehmenden Maß durch Gerichtsstandsvereinbarungen aufgehoben wurde". Der Fehler dieser Argumentation liegt in den Worten „nicht mehr hinzu" Vgl. Fußn. 24. « JR 1970, S . 2 1 6 f . Rasehorn-Ostermeyer-Huhn-Hasse, " N J W 1974, S. 474.

Im Namen des Volkes? (1968), S.127ÍF.

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nebmenden Maß". Die Reditstatsadienforschung hätte ja gerade die Frage klären sollen, in welchem Umfange Gerichtsstandsvereinbarungen im Zeitalter der Massenabwicklung von Rechtsgeschäften geboten und inwieweit sie sozial untragbar sind. Nicht überzeugend ist auch das Argument, daß eine Reform der Gerichsstandsvereinbarung schon so lange fällig gewesen sei, daß endlich etwas gesdiehen mußte. Da alle Versudie, einen Enumerativkatalog einzelner Prorogationsverbote aufzustellen, gescheitert seien, hätte man sich für die radikale Lösung des grundsätzlichen Prorogationsverbotes für Nicht-Vollkaufleute entscheiden müssen^®. Bei dieser Argumentation wird nicht beamtet, daß man, nachdem mehrere Kommissionen viele Jahre an der Prorogationsregelung gearbeitet haben, auch noch ein weiteres Jahr bis zur Erstellung einer Rechtstatsachenuntersuciiung hätte warten können. Das Gesetz hätte eine bessere Basis bekommen. Es wäre wohl audi sinnvoll gewesen, die Prorogation in einem Paket mit dem Redbt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu novellieren. Dabei hätte man einen Katalog derjenigen Arten von Rechtsgeschäften^®, bei denen ein Schutzbedürfnis für den Schuldner typischerweise anzunehmen ist, aufstellen und für diese die Prorogation ausschließen können. Die Auffassung von Löwe^^, daß eine kasuistische Regelung nicht praktikabel sei, kann im Hinblick auf die zahlreichen kasuistischen Regelungen unserer Rechtsordnung nicht überzeugen. Hätte sich bei einer solchen methodisch einwandfreien Rechtstatsachenuntersuchung vor der Novellierung gezeigt, daß sich die Erfolgsquote der Widersprüche am Schuldnerwohnsitz seit dem Inkrafttreten des § 6 a AbzG nicht verbessert hat, so wäre im Hinblick auf die erheblidie Verteuerung der Schuldenbeitreibung und die sonstigen Nachteile der radikalen Beschränkung der Prorogation zu prüfen gewesen, ob das rechtspolitische Ziel, den Schuldner vor dem wirtschaftlich Stärkeren prozessual — vor allem im Versäumnisverfahren — zu schützen, nicht mit „milderen" Mitteln erreicht werden konnte. Vielleicht hätte eine Korrektur des § 331 ZPO ausgereicht®^. So Herbst in der Diskussion auf der Riditerakademie in Trier (Fußn. 8). " Der Einwand von Diederichsen, a. a. O. S. 378, eine einheitliche Beschränkung der Prorogation sei notwendig gewesen, weil die Abgrenzung von Verträgen mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Individualverträgen zu schwierig sei, überzeugt nicht. Für die Regelung eines gerechten prozessualen Schuldnerschutzes kommt es auf diese Unterscheidung nicht an, sondern nur darauf, welche Arten von Rechtsgeschäften typischerweise zu einer prozessualen Benachteiligung des Schuldners führen. 5» N J W 1974, S. 474. " Vgl. auch Bleutge, BB 1970, S. 734.

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Es hätte bestimmt werden müssen, daß der Richter auf die schriftliche Rüge des Beklagten seine Zuständigkeit von Amtswegen prüft®^. Dies schützt den Schuldner freilich dann nicht, wenn der Gläubiger eine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung vorlegt. Für diese Fälle wäre daran zu denken gewesen, das schriftlidie Verfahren in größerem Umfang einzuführen®®. Da das Bagatellverfahren gem. § 128 Abs. 3 ZPO der Vereinfachungsnovelle®^ auf die Streitwertgrenze von 500,— DM angehoben werden soll, hätte sich für eine große Zahl von Fällen, in denen der widersprechende Schuldner zur mündlichen Verhandlung nicht erschien, sondern sich nur schriftlich äußerte, das hier behandelte Problem ohnehin gelöst. Erwägenswert war auch der Vorschlag des Deutschen Industrie- und Handelstages, ein Versäumnisurteil nur dann zuzulassen, wenn ein schriftliches Vorbringen des Beklagten als widerlegt angesehen werden kann®®.

IV. Ausblick Die Erkenntnis, daß eine methodisch nicht exakt vorbereitete Novelle unter Umständen mehr Schaden als Segen stiften kann, sollte bei den für die Gesetzgebung Verantwortlichen das Bewußtsein für den Wert wissenschaftlich methodischer Vorarbeiten schärfen. Auf jeden Fall sollte der Effekt dieser Novelle nach etwa zwei Jahren durch eine repräsentative Rechtstatsachenuntersuchung überprüft werden. Bestätigen sich dann die hier vorgetragenen negativen Auswirkungen, so müßte man den Mut zur Reform der Reform haben.

Vgl. dazu Μαηταώ, JW 1936, S. 147. Kritisdi Séultz, MDR 1972, 663. " BR-Drucks. 551/74. »» Eingabe S. 4 unter Ziff. 3.

„Steckengebliebene" Insolvenzverfahren FRITZ BAUR

L Es ist nicht selten, daß ein Konkurs- oder Vergleichsverfahren nidit sein vorgesehenes Ende erreicht, so etwa wenn das Konkursverfahren mangels Masse eingestellt wird. Das „Stedienbleiben" kann zu einem Abbruch des Verfahrens ohne jeden erstrebten Erfolg führen, möglich ist aber audi, daß das steckengebliebene Verfahren in ein anderes Insolvenzverfahren übergeführt wird, so z. B. wenn nach fehlgeschlagenem Vergleich der Anschlußkonkurs eröffnet wird. Die Problematik, die sich hier ergibt, liegt auf der Hand: Wie sind die Rechts Vorgänge zu beurteilen, die in dem steckengebliebenen Verfahren erfolgt sind? Das Gesetz hat die Problematik zum Teil gesehen, so etwa in den §§ 103—107 VerglO, aber doch eben nur zum Teil. Dies wird deutlich, wenn man sich z. B. fragt, was aus einem nach § 23 Abs. 2 K O erlosdienen Werkvertrag wird, wenn der Konkurseröffnungsbeschluß auf Beschwerde hin aufgehoben wird. Denn offensichtlich ist nicht damit gedient, daß § 116 S. 2 auf § 191 K O verweist, also die Masseansprüche bestehen läßt; denn zu fragen ist, ob der Werkvertrag erloschen bleibt oder wiederauflebt, möglicherweise sogar mit rückwirkender Kraft. Man kann sich die Antwort auch nicht dadurch erleichtern, daß generell unterschieden wird, ob der das Steckenbleiben auslösende Vorgang zurückwirkt (wie z. B. bei der Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses) oder nicht (wie z. B. bei Einstellung des Verfahrens mangels Masse). Denn die Rechts Vorgänge, die sich in beiden Fallgruppen abgespielt haben, können genau die gleichen sein, so etwa wenn der Konkursverwalter in der Zwischenzeit die Erfüllung eines Vertrags nach § 17 K O abgelehnt hat: Soll bei der ersten Fallgruppe die Ablehnung ein nullum sein, bei der anderen aber gültig bleiben? Im Bereich des materiellen Rechts finden sich vergleichbare Erscheinungen, so wenn sich herausstellt, daß eine ins Leben getretene Personenhandelsgesellschaft an einem nicht heilbaren Gründungsmangel leidet^ oder ein Entmündigungsbeschluß auf Anfechtungsklage hin aufgehoben wird (vgl. § 115 BGB; ferner §§ 32, 55 FGG). Aber die Situation ist im Insolvenzrecht doch erheblich komplizierter, und zwar einmal wegen der mannigfachen Ursachen des „Steckenblei^ S. dazu statt aller Reinhardt,

Gesellsdiaftsrecht, 1973, S. 108 ff.

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bens", zum anderen und vor allem wegen der Vielfalt der tangierten Interessen: So wirkt sidi ein die Konkurseröffnung aufhebender Beschluß nicht nur auf den Gemeinschuldner, die Konkurs- und Massegläubiger aus, sondern audi auf alle die, zu deren Gunsten der Konkursverwalter (wirksam?), der Gemeinschuldner (unwirksam?) verfügt hatte oder deren Rechtslage unmittelbar durch das Gesetz oder durch Handeln der Konkursorgane verändert wurde. Es lohnt sich daher vielleidit, diesem „Steckenbleiben" etwas näher nachzugehen. Man wird zunächst versuchen müssen, Fallgruppen zu bilden. Es sind zu unterscheiden: 1. Fälle, wo das Insolvenzverfahren ohne Erreichen seines Ziels endet; z. B. a) Konkursantrag zugelassen — Konkurs nicht eröfFnet. b) Konkursverfahren eröffnet — Eröifnungsbeschluß auf Rechtsmittel hin aufgehoben. c) Konkursverfahren eröfFnet — mangels Masse eingestellt. Nennen wir diese Fälle künftig: Zweckverfehlende Insolvenzverfahren. 2. Fälle, wo ein Insolvenzverfahren „vor Erreidiung" seines Zwecks in ein anderes Verfahren übergeleitet wird; z. B. a) Konkurs — Zwangsvergleich^ b) Konkurs — Zwangsvergleich — wieder Konkurs (sog. Nachkonkurs). c) Vergleich — Ansdilußkonkurs. d) Vergleidi — Ansclilußkonkurs — Zwangsvergleich. Nennen wir diese Fälle künftig: Übergeleitete Insolvenzverfahren. Bei Erörterung jeder dieser Fallgruppen stellen sich einige typische Probleme, die sidi vielleicht wie folgt gliedern lassen: a) Wirkungen der Handlungen (im steckengebliebenen Verfahren) aa) des Gerichts bb) der Amtsperson (des Konkursverwalters, Vergleidisverwalters); cc) des Schuldners. b) Wirkungen des Md^ihandelns des Schuldners — weil ihm das Handeln im steckengebliebenen Verfahren verboten war — für Verzug, Unmöglichkeit, positive Vertragsverletzung. c) Wirkungen sonstiger Rechtsfolgen des Konkurses. ^ Wobei zunächst vernachlässigt werden kann, daß das Zwangsvergleichsverfahren bis zur Bestätigung des Zwangsvergleidis Teil des Konkursverfahrens ist (arg. S 190 KO).

„Steckengebliebene" Insolvenzverfahren

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II. Zwedkverfehlende Insolvenzverfahren Hier sollen als hauptsädilidie Fälle die Einstellung mangels Masse (1) und die Aufhebung des Eröiinungsbeschlusses auf ein Rechtsmittel hin (2) erörtert werden. 1. Ist das Konkursverfahren eingestellt, so machen die § 206 mit § 164 und § 205 Abs. 2 mit § 191 K O deutlich, daß die Einstellung keine rückwirkende Kraft hat. Handlungen des Gerichts und des Konkursverwalters bleiben daher gültig. Verfügungen des Gemeinschuldners, die entgegen §§ 7 ff. KO vorgenommen worden waren, werden entsprechend § 185 Abs. 2 S. 2 BGB geheilt; Verfügungen des Konkursverwalters in der Zwischenzeit gehen aber Verfügungen des Gemeinschuldners vor Das gleiche gilt für Vollstreckungsakte gegen den Gemeinsdiuldner, die dem § 14 K O zuwider erfolgt waren®. Einwirkungen auf Rechtsverhältnisse, die sich kraft Gesetzes ergeben hatten (z. B. Erlöschen des Werkvertrags nach § 23 KO), bleiben bestehen. Damit sind aber nicht alle Fragen beantwortet: a) Wie wirkt sich eine rechtsgestaltende Handlung des Konkursverwalters aus, wenn die Folgen dieser Rechtsgestaltung noch nach Einstellung des Verfahrens zu spüren sind, so etwa, wenn der Verwalter die Vertragserfüllung nach § 17 K O abgelehnt hatte? Die h. M.® sieht die Ablehnung als endgültig und über die Konkursbeendigung hinaus wirkend an, während andere^ die Ablehnungswirkung auf die Konkursmasse beschränken mit der Folge, daß sich nach Einstellung zwar der Vertragsgegner — wegen seines Bedürfnisses nach Klarheit der Rechtslage — auf die Ablehnung durch den Konkursverwalter berufen kann, nicht aber der ehemalige Gemeinschuldner. Die h. M. ist keineswegs selbstverständlich; denn das Ablehnungsrecht ist dem Verwalter eingeräumt, um die Masse vor Schaden zu bewahren, der sich aus der Erfüllung eines nach Konkurseröffnung möglicherweise sinn- und zwecklosen Vertrags ergäbe®. Wird das ' Jaeger-Weber, Konkursordnung, 8. Aufl. §§ 205, 206 Rn. 7 (m. w. N.). * OLG Colmar LZ 1913, 323. — § 185 Abs. 2 S. 2 ist zwar nidit unmittelbar anwendbar, weil er mehrere sidi widersprechende Verfügungen des Niώtbereώtigten im Auge hat, wohl aber seinem Grundgedanken nach. « A. A. Jaeger-Lent § 14 Rn. 21. • Jaeger-Lent § 17 Anm. 48 ( m . w . N . ) ; RGZ 79, 209; Kalter KTS 1973, S. 16, S . 2 0 f r . ; Klaus Müller, N J W 1968, 225, 228; Rintelen, Z H R 61, 147, 157; Offtermatt, Das Wahlrecht des Konkursverwalters nadi § 17 KO, Tüb. Diss. 1966, 143 ff. ' S. Feldhaus, JZ 1956, S. 313, 315 (m. vollständigen Nachweisen Anm. 24). « S. dazu Häsemeyer, KTS 1973, 2, 4.

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Verfahren eingestellt, so entfällt dieses Schutzbedürfnis. Dazu kommt, daß nach überwiegender Auffassung® ein Gläubiger auf die Konkursteilnahme verzichten und gegen den Gemeinschuldner vorgehen kann. Damit vermeidet er audi eine drohende Erfüllungsablehnung durdi den Verwalter. Wenn dennoch der Fortwirkung der Ablehnung nach Einstellung das Wort zu reden ist, so aus folgenden Gründen: wollte man nur den Gemeinschuldner an der durch den Verwalter erfolgten Ablehnung festhalten, so würde nach der Einstellung ein Wahlrecht des Vertragsgegners entstehen: Er könnte sich weiter auf die Rechtsfolgen der Ablehnung berufen, könnte aber audi den Erfüllungsanspruch geltend machen. Für ein solches Wahlrecht fehlt aber jede gesetzlidie Grundlage; es ist der Stellung der Vertragspartner im gegenseitigen Vertrag fremd. Dazu kommt, daß das Ablehnungsredit seine Entsprechung in den Kündigungsrechten des Verwalters nach § 19 (Mietverhältnis), § 22 (Dienstverhältnis), § 16 Abs. 2 K O (Gemeinschaft) findet. Wenn man hier dem Vertragsgegner nadi Einstellung des Verfahrens den Anspruch auf Vertragserfüllung^® zugestehen würde, so könnte dies — abgesehen von kaum zumutbaren Belastungen des ehemaligen Gemeinsdiuldners (der schon ein anderes Miet- oder Arbeitsverhältnis eingegangen ist) — zu nur schwer lösbaren Konflikten mit außenstehenden Dritten (dem neuen Arbeitgeber des Gemeinschuldners, den bisherigen Teilhabern der aufgelösten Gemeinschaft) führen. b) Wie sind Verträge zu beurteilen, die der Verwalter vor Einstellung des Verfahrens abgeschlossen hat, die aber über diese Zeit hinaus wirken? Dieses Problem stellt sich zwar bei allen Fällen der Konkursbeendigung, ist aber bei zweckverfehlenden Insolvenzverfahren besonders wichtig, weil eben eine korrekte Konkursabwidclung ausbleibt. In der Rspr. und Lit. wird im allgemeinen gesagt, daß Verwaltungs- und Verfügungshandlungen für und gegen den Gemeinschuldner wirken, und zwar auch über den Konkurs hinaus^', andererseits ist zu lesen, daß der Gemeinschuldner für während des Konkurses eingegangene Masseverbindlichkeiten nach Konkursbeendigung nur mit den ihm überlassenen Bestandteilen der früheren Konkurs-

» Vgl. die Nachweise bei Bohle-Stamsòrader, KO, 10. Aufl. 1971, § 12 Anm. 2; Pagenstecher-Grimm, Der Konkurs, 4. Aufl. 1968, § 7 IV A S. 73 f.; Schulz, M D R 69, 20; RGZ 86, 394, 397; a. A. Bernhardt, N J W 1961, 808. Bzw. Wiederherstellung der Gemeinsdiaft. Vgl. z. B. Schönke-Baur, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsredit, 9. Aufl. 1974 § 56 III; Bernhardt N J W 1962, 2194; RGZ 161, 196, 197/8.

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masse haftçi^. Das ist offensichtlidi nicht frei von Widerspruch, wie folgendes Beispiel zeigen mag: Der Verwalter im Konkurs eines Bauunternehmers hat eine zur Masse gehörige Kiesgrube auf zwei Jahre fest an Ρ verpachtet, auf zwei Jahre deshalb, weil er mit einer soldien Dauer des Verfahrens rechnete und sich erwiesen hatte, daß die Kiesgrube nidit zu veräußern ist. Nach einem halben Jahr muß das Verfahren wider Erwarten mangels Masse eingestellt werden. Der — frühere — Gemeinschuldner will jetzt die Kiesgrube wieder selbst ausbeuten oder günstiger an X verpachten^®. Ist er an den Pachtvertrag mit Ρ gebunden? Ihm ist wenig gedient mit der Antwort, er hafte nur mit den ihm wieder überlassenen Bestandteilen der Konkursmasse; denn es handelt sich ja nicht um Geldansprüche, die gegen ihn geltend gemacht werden, sondern um den sich aus dem Paditvertrag ergebenden Erfüllungsanspruch. Ihm bleibt er ausgesetzt, da der Verwalter in Ausübung seines auf einen Gegenstand der Konkursmasse bezogenen Verwaltungsrechts gehandelt hat. Auf den Vertrauensgesichtspunkt zugunsten des Pächters kommt es hier also nicht an. c) Wie sind Prozesse zu beurteilen, die der Konkursverwalter vor Einstellung des Verfahrens geführt hatte? Auch hier handelt es sich um eine Frage, die sich in jedem Fall der Konkursbeendigung ergibt, die aber — wie Weber^^ mit Recht betont — ihre eigentliche Bedeutung bei Einstellung des Verfahrens erhält. Allgemein^® werden die §§ 239, 246 ZPO entsprechend angewendet mit der Konsequenz eines Parteiwechsels. Prozeßhandlungen, die der Verwalter während seiner Amtszeit vorgenommen hatte, wirken für und gegen den — bisherigen — Gemeinschuldner; so kann etwa der Gemeinschuldner ein vom Verwalter abgegebenes Geständnis nur unter den Voraussetzungen des § 290 ZPO widerrufen. Die Situation des früheren Gemeinsdiuldners kann sich bei Fortsetzung des Prozesses gegenüber der des Verwalters versdilechtern, wenn ihm nämlidi Einwendungen entVgl. die Nachweise bei Ηαηίίώ, Rechtszuständigkeit der Konkursmasse, 1973, S. 148 ff.; Sieveking, Die Haftung des Gemeinsdiuldners für Masseansprüche, 1937; Schmidt, Manfred, Der Gemeinschuldner als Sdiuldner der Masseverbindlichkeiten, Gött. Diss., 1972; Schönke-Baur § 63 I 1. Das Beispiel ist so gewählt, daß der Konkursverwalter weder erkennbar außerhalb des Konkurszweckes gehandelt nodi schuldhaft seine Verwalterpflichten verletzt hat. " Jaeger-Weber, § 163 Anm. 6 b. Jaeger-Weber, a . a . O . ; Weher KTS 1955, 102, 11; s. ferner BGHZ 46, 249 mit Anm. Weber TZV 1967, 471; RGZ 155, 350: entsprechende Anwendung der §§ 239, 246 ZPO bei Beendigung der Testamentsvollstreckung, mit Anm. Jonas JW 1937, 3249, der eine Ausdehnung dieser Grundsätze auf die Fälle der Konkursbeendigung befürwortet.

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gegengehalten werden können, die der Verwalter hätte zurückweisen können; so etwa wenn man mit dem BG№® annehmen wollte, daß der Verwalter den Einwand nach § 817 S. 2 BGB nicht zu fürchten braucht. Der Prozeß kann also jetzt einen anderen Ausgang nehmen als wenn ihn der Verwalter zu Ende geführt hätte'^. d) Letztlich bleibt zu prüfen, wie sich das „Nichthandelnkönnen" des Gemeinschuldners (G) während der Konkurszeit auf die Haftung des Gemeinschuldners aus Verzug, Unmöglichkeit, positiver Vertragsverletzung nach Einstellung des Verfahrens auswirkt. Zum Verständnis wieder ein Beispiel: G hatte vor Konkurseröffnung eine Maschine an К verkauft. Während des — bis zur Einstellung 3 Monate dauernden — Konkursverfahrens hatte der Verwalter die Erfüllung des Vertrags abgelehnt und К daraufhin einen Schadensersatzanspruch nach § 26 S. 2 К О geltend gemacht (aa) oder der Verwalter hatte in Unkenntnis des Kaufvertrags die Maschine an X veräußert (bb) oder es war — wie häufig — in der kurzen Zeit gar nichts geschehen, К macht aber jetzt nadi Einstellung des Verfahrens seinen Verzugsschaden geltend (cc). aa) Am einfachsten ist der Fall bei Erfüllungsablehnung durch den Verwalter zu behandeln: Die Ablehnung der Erfüllung durch den Verwalter wirkt fort; der Sdiadensersatzanspruch^® nach § 26 S. 2 ist eine Konkursforderung, die nadi § 206 Abs. 2 mit § 164 К О in voller Höhe gegen den — bisherigen — Gemeinschuldner geltend gemacht werden kann'®. bb) Im Falle der Veräußerung der Maschine durch den Verwalter an X ist schon die reditliche Situation im Konkurs zweifelhaft. Steht dem Verwalter überhaupt noch das Wahlredit nach § 17 К О zu? Die Frage ist mit Jaeger-Lent^" zu verneinen, da § 17 К О gerade voraussetzt, daß Erfüllung noch möglich ist. Das funktionelle Synallagma^' bleibt also bestehen; die §§ 323 ff. BGB sind anwendbar. Damit ergibt " BGHZ 19, 338; B G H N J W 1962, 483. " Ein Ergebnis, das nidit gerade für die Richtigkeit der Auffassung des B G H spricht. " Wobei hier die Streitfrage, ob § 26 S. 2 einen solchen Anspruch begründet oder voraussetzt (s. Jaeger-Lent § 17 Anm. 41), nicht entschieden zu werden braucht. " Ein bemerkenswertes Ergebnis, wenn man bedenkt, daß nach h. M. (s. oben Anm. 12) eine durch den Konkursverwalter begründete Afajieverbindlichkeit nach Einstellung nur zur Haftung des früheren Gemeinschuldners mit den ihm überlassenen Massegegenständen führt! (Vgl. Jaeger-Lent § 57 Anm. 5.) Es ist also hier vorteilhaft, wenn die Schadensersatzforderung zu einer bloßen Konkursforderung „herabgedrückt" (Jaeger-Lent § 26 Anm. 18) wird. S 17 Anm. 41. " Dazu Häsemeyer KTS 1973, 2.

„Stedsengebliebene" Insolvenzverfahren

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sich die Frage, ob für einen Sdiadensersatzansprudi des К ein Verschulden des Gemeinschuldners bzw. eine Haftung des Gemeinschuldners für ein Verschulden des Konkursverwalters in Betradit kommt oder ob unverschuldete Unmöglichkeit vorliegt. Von einem Verschulden des Gemeinschuldners wird man kaum spredien können: Die Verwaltung seines Vermögens ist ihm entzogen; er ist sozusagen „ausgesperrt". Er ist zwar auskunftspflichtig (§ 100 КО), braucht aber nicht von sich aus tätig zu werden^^. Ein Versdiulden des Verwalters liegt zwar vor, wenn er die Möglichkeit hatte, siò vor dem Verkauf der Masòine an X bei dem Gemeinschuldner zu erkundigen, ob die Maschine nicht sdion anderweit verkauft ist. Nun wird allgemein gesagt, daß der Gemeinschuldner für den Verwalter nach § 278 BGB hafte^®. Dies würde bedeuten, daß der Gemeinschuldner nach Einstellung des Verfahrens für die vom Verwalter verschuldete Unmöglidikeit der Erfüllung einzustehen hätte. M. a. W. das Ergebnis wäre das gleiche, wie wenn der Verwalter die Erfüllung abgelehnt und damit einen Sdiadensersatzanspruch nach § 26 S. 2 К О begründet hätte, eine Lösung, die dann durchaus vertretbar ist, wenn man in der Erfüllungsablehnung eine positive Vertragsverletzung sieht^^. Schuldhafte Erfüllungsvereitelung (durch die Veräußerung der Maschine an X) und Erfüllungsablehnung sind dann gleichgestellt. Komplikationen ergeben sich freilich dann, wenn man mit der Erfüllungsvereitelung des Verwalters eine Masseverbindlichkeit nach § 59 Nr. 1 К О begründet sieht^®. Denn einmal stünde К dann ebenso wie wenn der Verwalter die Erfüllung gewählt, diese aber schuldhaft unmöglich gemacht hätte. Andererseits würde der Gemeinsdiuldner nach Einstellung des Verfahrens für diese Masseverbindlichkeit nur mit der ihm verbleibenden Masse haften, da der Schadensersatzanspruch erst während des Konkurses begründet worden war^®. Diese Divergenz, die auf den noch wenig geklärten Begriff der „Handlungen" i. S. des § 59 Nr. 1 К О zurückzuführen ist, läßt sich hier nur dadurdi lösen, daß man schuldhafte Verletzungen bestehender Verträge, deren Erfüllung der Verwalter nicht gewählt hatte, aus dem Bereich des § 59 Nr. 1 К О herausnimmt. Man wird kaum annehmen können, daß der Gemeinsdiuldner auf Grund des zwischen ihm und К gesdilossenen Vertrags — über § 100 К О hinaus — verpflichtet ist, auch während des Konkursverfahrens die Erfüllung des Vertragszwecks durch entsprechende Hinweise zu fördern. 23 S. u. a. Hanisò, a. a. О. S. 131 (m. w. N ) ; Jaeger-Lent § 6 Rn. 5. S. zu der Streitfrage Lent in FS für Heinrich Lehmann, 1956, 837. 25 Jaeger-Lent § 59 Anm. 1: B G H Ш § 82 Nr. 1 K O für den Fall eines nicht berücksichtigten Aussonderungsrechts. " Vgl. Bohle-Stamsárader § 57 Anm. 2 m. w. N .

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Als Ergebnis ist sonach festzuhalten, daß der Gemeinschuldner nach Einstellung des Verfahrens für die schuldhafte Erfüllungsvereitelung des Verwalters einzustehen hat. cc) Bei der dritten Fallgestaltung: es war „nichts geschehen", К macht nach Einstellung des Verfahrens seinen Verzugsschaden geltend, bereitet Schwierigkeiten nur die Zeit zwischen Konkurseröffnung und Verfahrenseinstellung; denn war der Gemeinsdiuldner schon vorher im Verzug, so haftet er für die Zeit vor Eröffnung wie nach Einstellung. Die „Zwischenzeit" ist wesentlich, wenn der Schuldner schon vorher im Verzug war oder der Verzug jetzt ohne Mahnung, z. B. zu einem bestimmten Zeitpunkt eintritt. Da das Schuldverhältnis durch die Konkurseröffnung nicht „umgewandelt" war^^, kann К sidier nach Einstellung Erfüllung, also Übereignung der Maschine vom Gemeinschuldner verlangen. Kann er aber gegen ihn seinen Verzugsschaden geltend machen? Dies, obwohl der Gemeinschuldner wegen des Entzugs der Verwaltungsbefugnis nicht handeln konnte und der Konkursverwalter nicht zu handeln brauchte. Denn er konnte die Aufforderung des К nach § 17 Abs. 2 К О abwarten. Nur wenn er Erfüllung wählte, durfte er auch den Verzugsschaden als Masseverbindlichkeit behandeln^s. Lehnte er die Erfüllung ab, so mußte er die Anmeldung der Schadensersatzforderung des К nach § 26 S. 2 К О — die audi den Verzugsschaden umscbließt^® — abwarten. Kann also in dem „Nichtstun" ein schuldhafter Verzug liegen? Das Gesetz sagt in § 63 Nr. 1, daß Zinsen — also auch Verzugszinsen von Konkursforderungen — nicht im Konkurs geltend gemacht werden können. Dies schließt aber nach überwiegender Meinung nicht aus, daß der Anspruch auf Verzugszinsen für die Laufzeit des Konkurses gegen den Gemeinschuldner erhoben werden kann®". Das gleiche hatte das Reichsgericht in RGZ 94, 203, 207 für während des Konkurses fällig werdende Vertragsstrafen angenommen mit der Begründung, daß die Pflicht zur Vertragserfüllung erst durch die Ablehnung des Verwalters nach § 17 К О erloschen sei. Hält man diese Auffassung für richtig, so wird man zu dem Ergebnis kommen, daß der Gemeinschuldner nach Einstellung des Verfahrens auch für den zwiscJienzeitlichen Verzugsschaden aufzukommen hat. " Allg. Meinung; vgl. z . B . Mentzel-Kuhn § 1 7 A n m . 2 1 ; Kalter KTS 73, 16, 20 f. Jaeger-Lent § 17 Anm. 35. A. A. Jaeger-Lent § 17 Rn. 43 a. E., die untersdieiden zwischen dem Sdiadensersatzanspruch, der durdi die Erfüllungsablehnung entsteht, und dem Anspruch auf Verzugsschaden vor Konkurseröffnung; vgl. audi Soergel-Schmidt § 286 Rn. 1. ä» Vgl. OLG Düsseldorf KTS 1969, 108 (m. w . N . ) ; LG Frankfurt KTS 1968, 191.

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2.

Es ist nun zu prüfen, ob die unter 1. erörterten Fragen anders zu beantworten sind, wenn der Konkurseröffnungsbeschluß auf ein Rechtsmittel hin aufgehoben wurde. Allgemein wird gesagt, daß die Aufhebung rückwirkende Kraft hat®^, daß aber eine solche „nicht in jeder Beziehung angenommen werden (kann); denn die Tatsache, . . . daß ein Verfahren eingeleitet und ein Verwalter bestellt war und daß dieser über das als Masse behandelte Vermögen verfügen durfte, wird durch die nachträgliche Aufhebung des Eröffnungsbesdilusses nicht aus der "Welt geschafft. Das ohne berechtigten EröfFnungsbeschluß eingeleitete Verfahren... ist in dieser Beziehung so zu behandeln, als ob ein auf richtigen Antrag eingeleitetes Konkursverfahren bestanden hätte, das nunmehr aufzuheben ist"^^. "Wäre diese Auffassung: die Aufhebung des Konkurseröffnungs^ieic^/Miies wirkt wie eine Aufhebung des Verfahrens, generell als richtig anzusehen, dann wären alle uns interessierenden Fragen ebenso zu beantworten wie unter 1. Aber das geht niclit an: Zwar ist richtig, daß auch in diesem Fall bereits ein Konkursverfahren mit Beschlüssen des Gerichts, einer Tätigkeit des Verwalters und Rechtshandlungen gegenüber Dritten stattgefunden haben. Es ist aber zu beachten, daß eben die Voraussetzungen für die Eröffnung des Verfahrens von Anfang an nidit vorgelegen hatten. Daher wäre z. B. nicht gerechtfertigt, den Schuldner in jeder Hinsidit so zu behandeln als sei er vom Eröffnungsbeschluß an „Gemeinschuldner" gewesen. Eine differenzierende Betrachtung ist also angezeigt®®. § 116 S. 2 mit § 191 KO sagt, daß „der Verwalter aus der Konkursmasse die Masseansprüche zu berichtigen" hat. Daraus läßt sich entnehmen, daß das Vermögen des Schuldners zur Konkursmasse geworden war, der Verwaltung des Konkursverwalters unterworfen war und daß Verwaltungshandlungen des Verwalters, die zu Masseansprüchen geführt hatten, wirksam sind. Andererseits ist zu beachten, daß die Verwaltungs- und Verfügungsbeschränkungen, denen der Sdiuldner unterworfen war, rückwirkend entfallen. Sowohl der Schuldner als Träger seines Vermögens wie der Verwalter waren also befugt, über die „Masse" zu verfügen und für sie wirksame Rechtsgeschäfte abzuschließen. Die Gefahr widersprechender Rechtshandlungen ist augenscheinlich. Für die Lösung des Konflikts bietet sich eine

Jaeger-Weber § 109 Anm. 4 m. w. N . ; R A G 19, 327, 333. So R G Z 161, 196 (Unterstreichung durdi midi). So audi Mittelbach K T 1927, 2 3 ; Hellwig in FS f. die Jur. Fakultät in Gießen, 1907, 23, 61 ff.; Jaeger, Lehrbudi des Deutsdien Konkursredits, 8. Aufl. 1932, S. 1 7 4 / 5 ; Pieper K T S 1963, 193, 204, 2 1 0 ; Kuhn K T S 1957, 6.

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entsprechende Anwendung der §§ 115 BGB, 32, 61 FGG an^*. Dies bedeutet, daß beide Rechtshandlungen gültig sind und ihre Wirkung auf Vermögen und Haftung des Schuldners bei Divergenz nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen sind; sonach: Die zeitlich frühere Verfügung hat den Vorrang, sofern nicht bei der zeitlich späteren redlicher Erwerb Platz greift. Divergierende Verpflichtungsgesdiäfte belasten den Schuldner®®. Die genannten Vorschriften machen deutlich, daß das Handeln des Verwalters keinen Vorrang genießt^® und auch das Vertrauen des Geschäftsgegners auf die Amtsstellung des Verwalters einen solchen Vorrang nicht zu begründen vermag. Die oben 1. — bei Einstellung des Verfahrens — gestellten speziellen Fragen sind wie folgt zu beantworten: a) Rechtsgestaltende Handlungen des Verwalters (z.B. Ablehnung der Vertragserfüllung nach § 17 KO, Kündigung eines Mietverhältnisses nach § 19 KO) bleiben auch für die Zeit nach Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses wirksam®^, und zwar nicht wegen des Vertrauensschutzes des Vertragsgegners, sondern weil dem Verwalter die Rechtsmacht zustand. Gegenläufige Erklärungen des Schuldners (z. B. er wolle den Vertrag erfüllen) ändern daran nichts, weil sie die gestaltende Erklärung des Verwalters nicht aus der Welt schaffen können. H a t der Schuldner in der Zwischenzeit rechtsgestaltende Erklärungen abgegeben, so sind auch sie wirksam, sofern der Geschäftsgegner sie nicht zurückgewiesen hat (Reditsgedanke der §§ I I I S. 2, 174 S. 1, 180 S. 2 BGB®®). Sind sie sonadi wirksam, so ändern daran auch gegenteilige Erklärungen des Verwalters nichts. b) Verpflichtende Verträge, die der Verwalter in bezug auf die Masse abgeschlossen hat, gelten für und gegen den Gemeinschuldner, wenn sie über die Zeit nach Aufhebung des Konkurseröffnungsbeschlusses hinaus wirken. Auch diese Folgerung ist aus der Verwaltungsmacht So die wohl h. M. (s. Anm. 33); B G H Z 30, 173, 176; RGZ 36, 93, 94/5; R A G 19, 327; a. A. freilich Mittelbach, a. a. O. ^^ Soergel-Hefermehl § 1 1 5 Rn. 2; Erman-Westermann § 1 1 5 Rn. 1; Jansen, Komm. z. FGG I, 1969, § 32 Rn. 9. s« A. A. Jaeger-Weber § 109 Rn. 4; Bohle-Stamsòrader § 109 Anm. 3; MentzelKuhn § 109 Anm. 8: Bei kollidierenden Verfügungen gehe diejenige des Konkursverwalters vor. Aber: wenn man sdion die zitierten gesetzlichen Bestimmungen anwendet, dann ist m. E. für einen Vorzug des Verwalterhandelns kein Raum. " Ebenso wohl die h. M., z . B . Jaeger, Lehrbudi a . a . O . ; R A G 19, 327 = JW 1938, 2239 (für die Kündigung nach § 22 KO). So mit Recht MittelbaS, a. a. O. S. 24. Andere (z. B. Jaeger, Lehrbudi, a. a. O.; Hellwig, a. a. O. S. 63 Anm. 1) nehmen Unwirksamkeit an.

„Stedtengebliebene" Insolvenzverfahren

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des Verwalters zu ziehen. Sie kann freilidi für den Sdiuldner besonders hart sein, weil sich eben herausgestellt hat, daß der Konkurs gar nidit hätte eröffnet werden dürfen, noch härter dann, wenn sich auch der Sdiuldner selbst mit demselben Leistungsgegenstand einem anderen Vertragspartner gegenüber verpflichtet hatte. Dann sind nämlich nach allgemeiner Auffassung beide Verträge wirksam, ohne daß sich der Schuldner nach den Unmöglichkeitsregeln von einer Leistungspflicht befreien könnte. Auch der Rückgriff auf den Konkursverwalter oder den Konkursriditer wird selten Platz greifen können®'. c) Es liegt auf der Hand, daß die Unterbrechung eines Zivilprozesses durch die Konkurseröffnung gemäß § 240 ZPO mit Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses nicht mit rückwirkender Kraft entfallen kann. War der unterbrochene Prozeß vom Verwalter oder vom Gegner aufgenommen worden, so bleiben die im Verfahren vom Verwalter vorgenommenen Prozeßhandlungen wirksam. Zu prüfen bleibt, wie Prozeßhandlungen des Gemeinschuldners in der „Zwischenzeit" zu beurteilen sind. Man könnte ihnen jede Wirksamkeit absprechen mit dem Hinweis, er sei in dieser Zwisdienzeit gar nicht Partei gewesen. Aber dies würde wohl eine unnötig harte Vernadilässigung der Interessen des „Gemeinschuldners" sein. Es ließe sich an eine entsprechende Anwendung des § 67 ZPO denken: Ist der Prozeß vom Verwalter oder Gegner aufgenommen worden, so bleiben auch Prozeßhandlungen des Gemeinschuldners in der Zwischenzeit wirksam, sofern sie nicht mit Erklärungen und Handlungen des Verwalters in Widerspruch standen. Ist also z. B. in dem aufgenommenen Prozeß ein Urteil zum Nachteil des Verwalters ergangen und hat nicht der Verwalter, wohl aber der Gemeinschuldner fristgemäß ein Rechtsmittel eingelegt, so ist dieses Rechtsmittel zulässig, wenn der Eröffnungsbeschluß aufgehoben wird^®. Mit Reditskraft der den Eröffnungsbeschluß aufhebenden Entsdieidung sind auf das Verfahren wieder die §§239, 246 ZPO entsprechend anwendbar^^; es gilt das oben 1 с Gesagte.

Einer Ersatzpflidit des Gläubigers, der fahrlässig einen unbegründeten Konkursantrag gestellt hat, hat BGHZ 36, 18 — wohl zu Unrecht — einen Riegel vorgesdioben (s. Sòonke-Baur, § 54 III 2 a); s. zu dem Problemkreis ferner Hill M D R 1959, 631; Weil M D R 1960, 558. Ich bin mir bewußt, daß diese Lösung reichlich unorthodox ist. Aber es bleibt immer zu bedenken, daß der Schuldner zu Unrecht mit einem Konkurs überzogen wurde. Man sollte die damit für ihn ohnehin gegebenen Härten mildern, w o dies immer möglich erscheint. " S. a. Jaeger-Lent § 10 Rn. 12, 13.

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d) Die oben 1 d gebildeten Fallgruppen sind ebenso zu behandeln wie dort, also: aa) Die Erfüllungsablehnung durch den Verwalter bleibt bestehen, damit audb der Schadensersatzanspruch nadi § 26 S. 2 K O , der jetzt gegen den Gemeinschuldner geltend gemacht werden kann. bb) Die Erfüllungsvereitelung durdi den Verkauf der Masdiine an den X ist dem Gemeinschuldner zuzurechnen. cc) Für den Verzugsschaden hat der Gemeinsdiuldner aufzukommen.

III. übergeleitete Insolvenzverfahren Hier sollen die praktisch wichtigsten Fallgruppen: Vergleichsverfahren — Anschlußkonkurs (1) und Konkursverfahren — Zwangsvergleidi (2) erörtert werden. 1. Für die Überleitung des Vergleichsverfahrens in den Anschlußkonkurs hat das Gesetz in den §§ 103—107 VerglO Bestimmungen getroffen. Ihre Tendenz geht dahin, die Konkurswirkungen vorzuverlegen, sei es zugunsten der Konkursgläubiger (§§ 103, 104, 107 VerglO), sei es zulasten der Konkursmasse (§§ 105, 106 VerglO). Wenn mit dieser Regelung auch die problemlose Überleitung des Vergleichs in den Konkurs im allgemeinen gewährleistet ist, so bleiben doch einige, praktisch nicht unerhebliche Zweifelsfragen: a) Nach §§ 50, 51 Abs. 2 VerglO kann der Vergleichssdiuldner mit Ermächtigung des Vergleichsgeridits die Erfüllung beiderseits nicht oder nicht vollständig erfüllter Verträge ablehnen (bzw. Miet- und Pachtverträge nach § 51 Abs. 2 VerglO kündigen). Wie die reditsgestaltenden Erklärungen des Konkursverwalters (s. oben I, I I l a und 2 a) bleiben auch die entspredienden Erklärungen des Vergleichsschuldners für den Anschlußkonkurs wirksam^^; die Schadensersatzforderung nach § 52 VerglO wird Konkursforderung. Da der Vergleichsschuldner während des Verfahrens volle Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen hat, bleiben Rechtsgeschäfte verfügender, verpflichtender und gestaltender Art, die in dieser Zeit getätigt wurden, voll wirksam. Nur bei Erlaß eines allgemeinen oder speziellen Veräußerungsverbots wird die Verfügungsi'ihi^iát beschränkt (§§ 62—64 VerglO), nicht aber die Fähigkeit zur Abgabe « Allg. Meinung: Bohle-Stamsárüder, VerglO, 8. Aufl. 1973, § 1 0 2 Anm. 2; Bley-Mohrhutter, Komm. z. VerglO, 3. Aufl. 1972, § 102 Anm. 11.

„Steckengebliebene" Insolvenzverfahren

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von Erklärungen verpfliditender und rechtsgestaltender Art, sofern sich letztere nicht als Verfügungen darstellen. Gegenstände, über die der Schuldner entgegen einem Veräußerungsverbot verfügt hatte, werden nachträglidi in die Konkursmasse einbezogen, obwohl der Kreis der Vergleichsgläubiger sidi mit dem der Konkursgläubiger nicht dedkt und obwohl das Vergleidisverfahren keine Vergleichsmasse kennt^®. Eine besondere Bedeutung hat jüngst die Frage erlangt, ob der Konkursverwalter von einem Vergleidisgläubiger Rückzahlung der an diesen geleisteten Vergleichsquote verlangen kann, wenn diese Quote vom Vergleichsschuldner oder einem dafür bestellten Treuhänder nur an einen Teil der Vergleichsgläubiger bezahlt wurde. Der BGH (BGHZ 41, 98) hat diese Frage aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereidierung bejaht, da „die gerichtliche Bestätigung des Vergleichs die Erfüllung der einzelnen Forderungen unter eine Gesamtregelung stellt, die ebenfalls vom Grundsatz der Gleichbehandlung getragen ist" (S. 101). Berges^* und Künne*^ sind dieser Entscheidung mit zutreffenden Gründen^® entgegengetreten; sie verkenne vor allem die Stellung des Vergleichsgläubigers nach Bestätigung des Vergleichs, wo jeder Gläubiger wieder völlig auf sich gestellt sei und seine eigenen Maßnahmen treffen könne, um zur Erfüllung seiner Forderungen zu kommen. Dem ist nichts hinzuzufügen. b) Verträge, die der Vergleichsschuldner während des Verfahrens abgeschlossen hat, sind — wie schon ausgeführt — audi mit Wirkung für und gegen die Masse des Anschlußkonkurses wirksam, es sei denn, sie hätten einem Veräußerungsverbot widersprochen^^. Auch Rechtshandlungen des Vergleichsverwalters — auch des vorläufigen — bleiben wirksam, wenn er sie im Rahmen seiner Befugnisse vorgenommen hat (z. B. die Zustimmung zu Verfügungen nadi § 64 S. 1 VerglO). Massesdiulden aber vermag sein Handeln — mit Ausnahme des § 106 VerglO — nicht zu begründen^®. Besondere Probleme ergeben sich dann, wenn der Vergleidisschuldner oder ein Dritter eine Vergleichsgarantie (z. B. eine Grunddschuld) zugunsten der Vergleichsgläubiger gegeben hatte. In unserem Zusammenhang brauchen die Schwierigkeiten bei Bestellung einer solchen " Einzelheiten s. Jaeger-Weber § 106 KO Anm. 15. " KTS 1964, 129. « DB 1965, 921. '' Künne folgt ihr bei einem Liquidationsraten vorsehenden Liquidationsvergleidi. " § 57 VerglO ist nur Sollvorsdirift. « BGHZ 23, 307, 317/8.

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Sicherheit und bei ihrer Realisierung im Anschlußkonkurs nicht erörtert zu werden^®. Von Interesse ist hier nur, ob diese Garantie überhaupt im Anschlußkonkurs weiterwirkt. Die Rechtsprechung bejaht diese Frage®®. Daß solche Verträge im Anschlußkonkurs maßgeblich bleiben können, steht außer Zweifel. Ob dies aber von den Parteien des Garantengesdiäfts gewollt war, ist eine Frage der Auslegung. c) Die oben II 1 d und 2 d gebildeten Fallgruppen (Unmöglichkeit und Verzug) sind hier wie folgt zu behandeln: aa) Eine Erfüllungsablehnung mit der Konsequenz der Schadensersatzforderung des Gläubigers bleibt wirksam (s. oben a). bb) Eine Erfüllungsvereitelung durch Veräußerung der Maschine durch den Vergleichsverwalter kommt nicht in Betradit, da dieser hierzu nicht befugt ist. H a t er mit Ermächtigung des Schuldners verfügt, so hat dieser den Vertrag mit К schuldhaft verletzt. cc) Für die von der Eröffnung des Vergleichsverfahrens an laufenden Zinsen bestimmt § 83 Abs. 2 VerglO, daß sie als erlassen gelten, wenn der Vergleich nichts anderes bestimmt. Daraus kann geschlossen werden, daß die Zinsen während des Verfahrens weiter laufen und im Anschlußkonkurs geltend gemacht werden können. Das gilt entsprechend für den Verzugsschaden®^. 2. Wird der Konkurs nach Bestätigung eines Zwangsvergleichs aufgehoben (§ 190 КО), so ist die Situation hinsichtlich der uns interessierenden Fragen ähnlich wie bei der Einstellung des Verfahrens (mangels Masse). Gesetzestechnisch kommt diese Ähnlichkeit darin zum Ausdruck, daß bezüglidi der Wirkungen der Einstellung zum Teil auf die Aufhebung nadi Zwangsvergleich verwiesen wird (§ 205 Abs. 2 mit § 191 КО). Es kann also auf das oben II 1 Gesagte verwiesen werden. Nur einige Besonderheiten verdienen noch Interesse: a) Nach § 192 К О erhält der Gemeinsdiuldner das Recht zurück, über die Konkursmasse frei zu verfügen. Freilich madit das Gesetz die Einschränkung: „soweit der Zwangsvergleich nicht ein anderes bestimmt". Dieser Einschränkung kommt besonderes Interesse zu in

S. dazu Baur, Fälle und Lösungen zum Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleidisredit, 3. Aufl. 1974, Fall 21, S. III. ä» BGH KTS 1966, 46; BGH LM § 96 VerglO Nr. 1 und die Zitate bei Baur, a. a. O. Anm. 13. der bei Erfüllungsablehnung allerdings im Sdiadensersatzansprudi nadi § 26 S. 2 КО aufgeht (vgl. oben zu Anm. 29).

„Stetkengebliebene" Insolvenzverfahren

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dogmatischer wie in praktisdier Bedeutung. Dogmatisdi, weil hier einer vertraglichen Vereinbarung — wie sie der Zwangsvergleidi ist — eine „dinglidie" Wirkung (entgegen § 137 BGB) zukommt. Praktisdi deshalb, weil — wie Jaeger-Weber^^ mit Redit betonen — der Konkursverwalter®® oder ein anderer häufig mit der weiteren Verwertung und Verteilung der Masse an die Vergleichsgläubiger beauftragt wird. Hier erlaubt nun die in § 192 K O enthaltene Einsdiränkung eine Fortsetzung der Verwaltungsbefugnisse durch den Verwalter oder eine Ausübung dieser Verwaltung durch einen anderen Treuhänder, ohne daß der Vergleichsschuldner diese Tätigkeit durch Verfügungen über die Masse stören könnte. Zwar beruht die Verwaltungsmacht des Konkursverwalters oder Treuhänders auf der durch den Vergleichsschuldner im Vergleich eingeräumten Ermächtigung; aber ist sie einmal erteilt, beschränkt sie unwiderruflich den Vergleichsschuldner in seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis. Beim Treuhandvergleich nadi der VerglO kann dieselbe Wirkung nur erzielt werden, wenn der Vergleichsschuldner sein Vermögen dem Treuhänder der Substanz nach überträgt, während eine einem Sachwalter eingeräumte Vollmacht zwar bis zur Beendigung von dessen Tätigkeit unwiderruflich ist (§ 97 Abs. 4 VerglO), was aber Verfügungen des Schuldners über sein Vermögen nicht ausschließt. Unsere Erörterungen mögen angedeutet haben, daß das steckengebliebene Insolvenzverfahren mannigfache Probleme aufgibt, Probleme, die bisher in der Literatur nur sporadisch behandelt worden sind. Faustregeln, die für alle Fallgruppen eines „Steckenbleibens" gleichermaßen gelten, lassen sich nicht aufstellen; man kann vielleicht sagen, daß das stedkengebliebene Insolvenzverfahren nicht einfach beiseitegeschoben werden kann, sondern in vieler Hinsicht Nachwirkungen zeitigt, und zwar gleichgültig, ob das Gesetz der Beendigung rückwirkende Kraft beimißt oder nicht. Zu hoffen ist, daß der Jubilar, dem der Verfasser dieser Zeilen seit der gemeinsamen Gießener Zeit verbunden ist, aus unseren Überlegungen einige Anregungen für seine fruchtbare Arbeit am deutschen Konkursrecht gewinnen kann.

и § 192 Anm. 5 u. 6. Freilidi nidit mehr als Konkursverwalter im tedinisdien Sinn, sondern als Gesdiäftsbesorger des Gemeinsdiuldners und (oder) der Vergleidisgläubiger (vgl. Jaeger-Weber

§ 192 A n m . 5 m. w . N . ) .

Sozialplan trotz Insolvenz? AUGUST MARIA BERGES

A. Die Sicht des Betriebsverfassungsgesetzes Die Legaldefinition des Sozialplans findet sich in § 112 I 2 BVG; ihr zufolge handelt es sich um eine „Einigung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Naditeile, die den Arbeitnehmern infolge der geplanten Betriebsänderung entstehen". Gemäß dem voraufgehenden Satz des gleidien Absatzes (§112 I 1 BVG) soll diese „geplante Betriebsänderung" vorab Gegenstand eines „Interessenausgleichs" sein. Schon dieser der sozialen Entschärfung dienende Interessenausgleidi zielt darauf ab, Nachteile und Härten für Arbeitnehmer, wie sie aus der unternehmerischen Entsdieidung über die Betriebsänderung regelmäßig erwadisen, auszuschalten oder abzumildern. Die Betriebsänderung als Ganzes, sowohl hinsichtlich ihrer Notwendigkeit als ihres Umfanges, aber auch das Ausmaß und die Art und Weise ihrer Durchführung sollen Gegenstand der Erörterung und Vereinbarung zwischen dem an sich allein entsdieidungsbefugten Unternehmer und dem Betriebsrat als Vertreterorgan der jeweils betroffenen Arbeitnehmer des Unternehmnes sein. Deren „soziale Belange" sollen im Wege der Einigung entsprechend einer für das Unternehmen tragbaren „wirtsdiaftlidien Vertretbarkeit" (§ 112 IV BVG) bei der Betriebsänderung Berücksichtigung finden. Wirtschaftlich untragbare Besdiränkungen und Belastungen der Betriebsänderung, mögen sie auch der Wahrung sozialer Belange betroffener Arbeitnehmer dienen, scheiden somit für einen „Interessenausgleidi" anläßlich der erwogenen Betriebsänderung aus. Die Betriebsänderung besitzt Vorrang. Die „wirtschaftliche Betriebsleitung" bleibt dem Unternehmer gewahrt. Der Sozialplan hat „Ausgleich oder Milderung" sozialer Erschwernisse der Arbeitnehmer bei einer Betriebsänderung im Auge, die von keinem „Interessenausgleich" aufgefangen wurden. H a t er sie aber aufgefangen, dann kann ihr „Nachteilsausgleich" (§113 BVG) aus zwingenden unternehmerischen Gründen ersatzlos unberücksichtigt bleiben. Hans-Theo Brecht, an der Entstehungsgeschichte des Betriebsverfassungsgesetzes von Anfang an beteiligt, weist in seinem Kommentar^ zutreffend darauf hin, daß bereits dieses Nach- und Nebeneinander von Interessenausgleich, Sozialplan und Nachteilsausgleich » Breát,

Komm. z. BVG § 1 Rand. 7 u. 32.

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einen konsequent vom Betriebsverfassungsgesetz verfolgten Grundgedanken erkennen läßt: Es untersdieidet zwischen der arbeitsreditlichen „Betriebsverfassung" mit ihrer sozialen Fürsorge und der „Unternehmungsverfassung", die von der mit dem Erfolg oder Mißerfolg der Betriebsleitung verknüpften Haftung grundsätzlich nicht zu trennen ist. Das aber schließt nicht aus, daß sich aus der arbeitsrechtlichen, in der Betriebsverfassung verankerten „Mitbestimmung", wie sie dem Betriebsrat anvertraut wird, namentlich im Bereich der durch den Interessenausgleidi und den Sozialplan gekennzeichneten „wirtschaftlidien Mitbestimmung", dennoch gewisse „Rückwirkungen"^ auf die wirtschaftlidbe Entscheidungsfreiheit des Unternehmers, wiewohl ihm diese das Unternehmungsverfassungsrecht an sidi gewährleistet, zu verzeichnen sind. Allein diese „Rückwirkungen", gleichviel, ob sie sich aus der Mitsprache des Betriebsrates beim Interessenausgleich oder bei dem Folgenausgleich des Sozialplanes ergeben, zählen als betriebliche „soziale Obliegenheiten" eindeutig nicht zum Außenrecht des Unternehmens. Der Kerngehalt des letzteren liegt in der Betätigungsfreiheit des Unternehmers als Manager, der eine lebendige Organisation und Integration seines Betriebes im Verkehr mit der Außenwelt einsetzt, um für diesen ein Kapital an Energie und einen Schatz an Wissen anzusammeln. Der Vorrang dieser Manageraufgaben bleibt auch gegenüber Verpflichtungen aus dem Sozialplan als einer Betriebsvereinbarung (§ 112 I 3 BVG) erhalten; das beweist deren Kündbarkeit, die durch die Bezugnahme auf § 77 V BVG ausdrücklich klargestellt wird (Arg. e. contr. § 112 I 4 BVG). Mit dieser Kündigungsmöglichkeit vermag der Unternehmer künftiger wirtschaftlicher Unvertretbarkeit von Sozialleistungen in eigener Verantwortung zu begegnen. Mit dieser Kündigungsmöglichkeit kann er sich namentlich auch den Spielraum für weitere, zweckdienlichere Betriebsänderungen zur Anpassung an veränderte Umwelt- und Konjunkturverhältnisse wahren. Die unternehmerisdbe Verantwortung steht dabei im Dienste der Erhaltung und Förderung des Bestehens seines Geschäftes, des Goodwills seines Betriebes. Jede Betriebsänderung unterliegt dem ungeschriebenen Gesetz soldi verantwortlicher „unternehmerischer" Zielsetzung. Sie ist allein auf eine Mehrung der Nutzungen und des Ertrages des Betriebs abzustellen, ohne die jeder "Wirtschafts- und Geschäftsverkehr mit seiner Umwelt an Stetigkeit und Kapazität einbüßen muß und damit seinen kommerziellen Sinn verliert. Im finanziellen Bereich rechnet zu soldhem Wirtschaften des Unternehmers in erster Linie das richtige „timing", die zeitgerechte und kosten" Breét,

a. a. О., S. 96.

Sozialplan trotz Insolvenz?

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sparendste Bereitstellung ausreichender Mittel, um die jeweils fälligen Verbindlichkeiten alsbald begleichen zu können. Die Unfähigkeit hierzu, die Insolvenz des Unternehmens führt mit ihrem unabwendbaren, allseitigen Aufmarsch der Gläubiger zum „labyrinthus creditorum concurrentium", zur Verstrickung namentlich der Schlüsselstücke des Unternehmens. Deren abgestimmter Einsatz zur Gewinnerzielung ist unterbunden. Hiernach ist es nur zu verständlich, wenn das Betriebsverfassungsgesetz im Zusammenhang mit Interessenausgleich und Sozialplan den insolventen Unternehmer unerwähnt läßt. In seiner Insolvenz kann von einer durch ihn zu „planenden" Betriebsänderung, über die er in einem Stadium abgewogener Überlegungen denkbarer Möglichkeiten der Verwirklichung eines veränderten Betriebsaufbaus oder Zieles „unternehmerisch" zu entsdieiden hat, ernstlich nicht mehr die Rede sein. Noch weniger ist die vom Betriebsverfassungsgesetz ersichtlich gewünschte Abwägung sozialer Härten ausscheidender Arbeitnehmer mit der sozial erwünschten Arbeitsplatzsicherung der verbleibenden möglich. Regelmäßig erwartet im Konkurs die gesamte Belegschaft das gleiche Sdiicksal. Wenn § I I I BVG unter Ziffer 1 „die Stillegung des ganzen Betriebs" als „Betriebsänderung" erwähnt, so zielt das nidit auf eine „konkursliche Stillegung". Einmal kennt § 4 BVG räumlidi oder organisatorisdi gesonderte „Betriebsteile" als selbständige, d. h. „ganze" Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes. Sodann darf der Unterschied zwischen einer Stillegung und einer Betriebsauflösung nicht übersehen werden. Soziale Verpflichtungen aus einer Betriebsänderung erfordern die Abwägung von Nachteilen und Vorteilen aus abhängiger, betriebsgebundener Arbeit. Der gegenwärtige Reciits- und Ertragszustand eines Betriebes und seine mögliche künftige rechtliche und wirtschaftliche Entwicklung sind daher gegenüberzustellen. Wo diese aber durch die Schuldenverstrickung des insolventen Unternehmens nicht mehr in der Hand eines „Unternehmers", sondern — bei Sanierungsfähigkeit — allenfalls seiner Gläubiger liegt, verliert eine Abwägung unrealistischer Gewinnerwartungen, wie sie vor Ausgleich seiner bisherigen irreparablen Verluste bestehen, jeden inneren Sinn. Jetzt etwa die Verlustgemeinschaft der Insolvenzgläubiger mit weiteren „sozialen Abgaben" zu belasten, käme deren vom Betriesbsverfassungsgesetz ersichtlich nicht gemeinter „Besteuerung" oder einer allgemeinen Versicherung der Arbeitnehmer gegen das konkursbedingte Arbeitsplatzrisiko auf Kosten der jeweils zufällig an einer Insolvenz beteiligten Gläubiger gleich, die ihre „Prämie" als Verlustdraufgabe zu entrichten hätten. Solche Draufgaben stoßen, unbeschadet ihrer inneren Unbegründetheit, selbst an soziale Grenzen.

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Lieferanten und Bankengläubiger, die ihre Außenstände einer ebenso unvorhersehbaren, wie unberedienbaren Sozialhilfe wegen in untragbarem Maße einbüßen, drohen ihrerseits im Wege der Kettenreaktion ihren Betrieb zum Nachteil ihrer bislang noch gesicherten Arbeitnehmer zu verlieren. Der Ausgleich sozialer Härten bedingt einen weiteren Horizont. In Zeiten rüdiläufiger Konjunktur drohen abstrakte Planmaßnahmen zusätzliche Arbeitsplätze in den Sog der Strudel der Insolvenzen zu ziehen2°. Bedürfnisse und Möglidikeiten der konkreten Einzelsituation der jeweiligen Insolvenz sind zu berücksichtigen.

B. Inhaltliche Aspekte des Rechtsgebrauchs in der Konkursordnung

Der Gedanke an eine Steuer oder Versicherung zur Abdeckung des Arbeitsplatzrisikos in der Insolvenz verweist auf das öffentlidie Interesse am Ausgleidi sozialer Härten eines insolvenzreditlidi bedingten Arbeitsplatzwechsels. Zweifellos ist es im Konkurs und Vergleich nicht damit getan, das Allgemeininteresse dadurch zu berücksichtigen, daß grundlegende VerfahrensvorscJiriften der Parteidisposition entzogen und als unnachgiebiges Recht verordnet werden. N a d i allgemeiner Auffassung ist dem Konkursrecht darüber hinaus wegen seiner besonders gearteten Stellung im Recht, über die jedoch noch vielerlei U n klarheiten bestehen, gegenüber den für die Reditsfindung im Rechtsstreit maßgeblichen Systemen des materiellen Rechts ein absoluter Vorrang einzuräumen. Sollte ein Sozialausgleicii einer insolvenzzeitigen Arbeitsplatzverschlechterung in Betracht kommen, so müßte er mit den Sadigründen des insolvenzrechtlichen Vorrangs vereinbar sein. Daß der Vorrang des Insolvenzrechts, dem sich das normale Arbeitsrecht nicht anders als das Steuerrecht beugen muß, vor bloßen Obliegenheiten eines sozialen Härteausgleidis halt madien würde, widerspräche deren flexiblerer, auf tragbare „Rüdtwirkungen" abstellender Zumutbarkeitsgrundlage. Sie drängt den Erst-redit-Schluß geradezu auf. So verlohnt es für unser Thema, den Saciigründen des Vorranges des Insolvenzrechts näher nachzugehen. Ihre Vereinbarkeit mit zusätzlichen Sozialpflichten des Konkursvermögens kann dabei überprüft werden. Von dieser Überprüfung sind entscheidende Einsichten für unser Problem zu erwarten. ' ' Aus Gründen des Gläubiger- u. Arbeitsmarktsdiutzes wandte sich in den Zwanziger-Jahren E. В ley, K T 1929, S. I ff. u. S. 65 ff. gegen die Anwendung der damaligen Stillegungsverordnung in Konkurs- u. Vergleichsverfahren.

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Genaueres Zusehen zeigt, daß der erwähnte Vorrang des Insolvenzrechts gegenüber Rechtsregeln anderweitiger Systematik mit der Notwendigkeit zusammenhängt, im Insolvenzfalle das „Unternehmen von seinem Mann" zu trennen. Der Konkurs, der konkursbeendende, wie der konkursabwendende Vergleich setzen nadi dem Gesetz übereinstimmend das Vorliegen eines Konkursgrundes, die Konkursreife voraus, die mit dem (allenthalben unkritisdi so genannten) „materiellen" Konkurs identisch ist. Dieser materielle Konkurs spielt im Anfeditungsredit seine besondere Rolle, die im Vergleich aber, was auf Kosten einer tieferdringenden Erkenntnis o f t übersehen wird, nidit verloren geht. Die geriditliche Bestätigung ist Vergleichen versagt, die dem gemeinsamen Interesse der Vergleichsgläubiger widersprechen, § 188 Nr. 2 KO, § 79 N r . 4 VglO. Das aber ist der Fall, wenn im Konkurs des konkursreifen Betriebes die Anfechtung den wirtschaftlich besseren Ertrag für die Gläubiger verspricht. Der materielle Konkurs beginnt, wenn der Vermögensträger die Zahlungen einstellt oder ein begründeter Konkursantrag nach außen seine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung offenbart. Mit der Zahlungseinstellung oder dem Konkursantrag tritt die betriebliche Kapitulation des Unternehmers zutage. Mit ihnen räumt er ein, daß er außerstande ist, das fortzuführen, was er als Manager „unternommen" hat. Das gleiche offenbart sich, wenn ein Gläubiger einen alsbald erfolgreidien Konkurseröffnungsantrag stellt: Die lebendige Dynamik des Goodwills seines Betriebs ist unterbrochen. Der Kaufmann, um den es beim Konkurs seinem Modellfall nadi immer geht, meint mit dem Geschäftsbestehenswert seines Unternehmens durdiaus zutreffend die lebendige Einheit seines Betriebs. Der Jurist ist bis heute nicht geneigt, solches „Leben" oder „Bestehen" eines Betriebes ernst zu nehmen. Er versteht hier den Begriff des „Lebens" lediglich als bildliche Darstellungsform, als eine aller begrifflidien Prägung entbehrende, verschwommene gedankliche Modellvorstellung. Allein, der Kaufmann sieht sich inzwischen in überrasdiend schlüssiger Weise durch die moderne, evolutionäre Erkenntnislehre bestätigt. Diese weiß, daß wir es im Bereidi gesdiäftlicher Funktionen mit durchaus handhafter Wirklidikeit zu tun haben. So wird auch der Jurist sich künftig der Einsicht beugen müssen, daß in der Gesamtevolution unseres Universums sidi alles „Lebendige" durch multiplikative Wechselwirkungen zusammengeschalteter Funktionskreise auszeichnet. Ersichtlich fällt im betrieblichen Bereidi dem Kaufmann die Aufgabe seines Managements durch Steuerung, Integration und Organisation des Verkehrs mit Um- und Mitwelt zu. Es zielt auf den

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gleichzeitigen Gewinn eines Kapitals an Energie und eines Schatzes von Wissen, „wobei jeweils der Besitz des einen den Erwerb des anderen fördert". Ein Doppelkreis solch „positiver Rüdewirkungen ist kennzeichnend für alles, was da lebt"'. Im Fluß der Gesamtevolution vollzieht sich soldier Wissens- und Energiegewinn des lebenden Systems auf zwei Stufen: Der Anschluß an die stofflidie Umwelt, sein „Stoffwechsel" wird entsprediend dem Aus- und Einatmen, dem Essen, Trinken und Ausscheiden hergestellt. Der Anschluß an die (rechtliche) Mitwelt hingegen geht unter Austausch von Nutzung und Haftung vonstatten. Erst die Korrespondenz von beidem begründet das „Innenleben" des Rechts, seinen Inhalt. Auf ihn muß das Konkursrecht zurüdtgreifen, um der Störung des Lebens-Rhythmus zwischenmenschlicher Nutzung und Haftung Herr zu werden. Seine Aufgabe besteht darin, dessen Mißbraudi zu unterbinden. Konkursrechtliche Mißbrauchsschranken führen zum Eingreifen des Konkursrichters bei Konkurszweckwidrigkeit. Als „VertragshilfericJiter" fällt ihm die Aufgabe zu, die Beschlußorgane gläubigerschaftlicher Selbstverwaltung durch sein Veto in die Bahnen konkursgemäßer Verwaltung und Abwicklung zu lenken. Abträgliche Maßnahmen der von der Gläubigerschaft gewählten Exekutive, des Konkursverwalters, verfallen bei eindeutiger Konkurszweckwidrigkeit der Nichtigkeit. Sie löst Rückerstattungsansprüche zugunsten der Masse aus, denen die rigorose Haftung der Gläubigeranfechtung nur wenig nachsteht. Im normalen Geschäftsverkehr dagegen geht der Austausch von Nutzung und Haftung reibungslos vor sich. Dem Regelfall des Lebens entsprechend findet der Wechsel von Nutzung und H a f tung gemäß der parteiautonomen Bestimmung der Beteiligten statt. Der materielle Konkurs offenbart mit Zahlungseinstellung oder Konkursantrag, daß der für jedes Wirtschaften unentbehrliche Austausch von Nutzung und Haftung blockiert ist. Aus dem Goodwill des Betriebs läßt sich der für seinen Fortbestand benötigte Austausch mit Um- und Mitwelt, der von deren „Kredit"beiträgen abhängig ist, nicht länger speisen. Die Quelle des betrieblichen Ertrags ist versdilossen. Die Behebung der Insolvenz im Wege des Durchgriffs auf die Innenseite der beteiligten Rechte der Gläubiger- und Schuldnerseite benötigt deren Dynamisierung. Diese wiederum bedingt den Ausschluß der selbstherrlichen schuldnerischen und gläubigerschaftlichen ' Konrad Lorenz, Die Rückseite des Spiegels, S. 43, der dort ganz zu Recht, den industriellen Großbetrieb mit besonderer Forsdiungsabteilung über die Anschaulichkeit des bloßen Modells hinaus als einen speziellen Fall des Geschehens »in allen lebenden Systemen" herausstellt.

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Verfügungs- und Verpfliditungsmadit der im materiellen Recht vergegenständlichten Einzelrechte. Der materielle Konkurs zwingt dazu, das Unternehmen von seinem Mann, dem Sdiuldner, zugleich aber auch von der Verstrickung des ,labyrinthus creditorum concurrentium', den Gläubigern, zu trennen. Nur hierdurch ist es möglich, Goodvill-Investitionen, die sich in den Überbleibseln lebensfähiger, betrieblidier Technostruktur erhalten haben, einer ergiebigen, quotengerechten Schuldentilgung nutzbar zu machen. Erforderlich ist eine ausschließlich auf die jeweiligen Unternehmensstrukturen ausgerichtete und ihnen anzupassende Abwidilung nach den Regeln der „getreuen Hand". Die Insolvenzrechtliche Treuhand bietet daher auch den Schlüssel zum Verständnis des Vorranges des Konkursrechts. Um was es dabei der Sache nach geht, zeigt augenfälliger als die deutsche Konkursordnung das englische Insolvenzrecht. Für juristisdie Personen kennt es überhaupt keinen Konkurs im technischen Sinne. Es begnügt sicih bei ihnen mit einer konkursersetzenden Zwangsliquidation*. Sie bildet lediglich einen von mehreren Unterfällen der gesellschaftsrechtlichen Zwangsliquidation. In allen Fällen hat die gerichtlidie Anordnung dieser Liquidation automatisch die Entlassung und Auswechselung des bisherigen Managers und Vorstandes durch den Zwangsliquidator zur Folge. Wenn dennoch die konkursersetzende Zwangsliquidation im Verhältnis zu dem üblichen Konkurs der natürlichen Personen in England als ein inhaltlich entsprechendes Verfahren (,not dissimilar procedure') anerkannt wird, so liegt das allein daran, daß sie mit diesem die bezeichnenden, konkursrechtlichen Besonderheiten teilt. Dem konkursrechtlichen Zwangsliquidator wird nämlich die Stellung eines insolvenzrechtlidien Treuhänders eingeräumt. Dessen Befugnisse werden gegenüber dem einfadien Zwangsliquidator insolvenzbezogen aufgestockt. Das geschieht durdi Übertragung des "Wahlrechts bei von der Insolvenz überraschten, beiderseits noch nicht voll erfüllten gegenseitigen Verträgen einschließlich der Kündigungsbefugnis bei überlassener Miet- oder Pachtsache oder angetretenem Dienstverhältnis und der Konkursanfechtung. Die Liquidationsanordnung wirkt überdies wie der Konkurs der natürlichen Person automatisch auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurüdk, so daß in der Zwischenzeit vorgenommene Verfügungen von selbst unwirksam werden. Alle diese Zusatzrechte und auch die umfassende Rückschlagsperre ab Antragstellung dienen dazu, die Investitionswerte des betrieblichen Mit- und Ineinanders eingefahrener Organisation und Integration des jeweiligen Unternehmens trotz ihrer kurzen „Verfallzeiten" bei eingetretenem „materiellen" Konkurs auf• Hierüber mit Sdirifttumsnadiweisen KTS 1974 S. 130 f.

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zufangen. Das aber kann nur im Wege einer ebenso goodwillkundigen, wie goodwilltreuen Verwaltung gelingen. Ihr Erfolg beruht auf einer 'Keáix.s„ausübung'', die allenthalben in nichts anderem als dem „Durchgriii" auf die konkrete Dynamik der ^eàitsinhalte besteht. Er allein vermag die Blockierung der Technostruktur eines Betriebes zu lösen und ihren alsbald einsetzenden Verfall aufzuhalten. Damit werden Verbundwerte des Organisations- und Integrationsbereichs im Interesse der Schuldentilgung einer gemeinnützigen Verwertung der Gläubigersdiaft erhalten. In der Insolvenz, bei der Schuldnerunvermögen und Gläubigerandrang („Konkurs") sich unlösbar verstricken, geht es letztlich darum, was aus einer keineswegs „toten", strukturlosen Masse unter Nutzung ihrer verbliebenen dynamisdien Strukturen im Gesamtinteresse der Konkursgläubiger zu madien ist. Dabei zeigt sich, daß im Recht ganz allgemein neben dem formellen, abstrakten Besitzstand des „Habens" dessen konkrete Ausübungsmöglidikeiten sinnvoller Begrenzung unterworfen sind. Der Konkurs liefert bestes Anschauungsmaterial für die Richtigkeit und Notwendigkeit einer „innenrechtlichen" Betrachtung, die die französische Rechtstheorie auf die einprägsame Formel gebradit hat, ,le droit cesse ou l'abus commence'. Wie die konkrete Rechtsausübungsmöglidikeit eines „Könnens" trotz nidit (oder eben nicht mehr) ausreichender einzelrechtlicher Verfügungs- oder Zuordnungszuständigkeit herangezogen werden kann, beweist in der Einzelvollstreckung die Nutzverwaltung des § 857 IV ZPO. Beim Konkurs erfolgt ein ähnlicher Durchgriff auf den Rechtsinhalt gleidi auf beiden Seiten, bei der Schuldner- und der Gläubigerpartei. Alle „Durchgrifis"fälle sind diarakterisiert durch die Fortsetzung eines vom Standpunkt einzelrechtlicher Betrachtung aus gesehen notleidenden, blockierten, zumindest neutralisierten Haftungsaustauschs. Der doppelseitige, insolvenzrechtliche Durchgriff dient der Abwicklung betrieblidier Verbundinvestitionen durdi einen sachkundigen, selbst von den Berechtigten gewählten, sie schonend „liquidierenden" Treuhänder. Eben dazu bedarf dieser auch der Möglichkeit, Akte gezielter, innenrechtlich unvertretbarer Verwirtschaftung in der vorkonkurslichen Krise durch Anfechtung von Verschleuderung, Verschiebung oder Verschenkung goodwillwahrend rückgängig zu machen. Seine Wahl- und Kündigungsbefugnisse bei von der Insolvenz überraschten, beiderseits noch nicht voll erfüllten gegenseitigen Verträgen erstreben kein anderes Ziel. Sie sollen eine wirtschaftswidrige Erfüllung oder Weitererfüllung in krisenfreier Konkursvorzeit eingegangener rechtsgeschäftlicher Verpflichtungen verhindern. Wäre es in der vorkonkurslichen Krise bereits zu ihrer Erfüllung gekommen, so unterläge diese als solche.

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unbesdiadet der Wirksamkeit des zugrundeliegenden Verpfliditungsgeschäfts, soweit sie f ü r die Masse wirtsdiaftlidi benachteiligend, d. h. nutzlos ist, der besonderen Konkursanfeditung. Da die Erfüllung nodi aussteht, erfordert eine ordnungsmäßige, der jeweiligen Situation sich anpassende Bewirtschaftung die Prüfung der Masseunschädlichkeit, was sich bei Auslaufkosten mit deren positiver Verwendbarkeit dedst. Damit dient die Wahl- und Kündigungsbefugnis des Verwalters einer anderenfalls erforderlichen Anfeditung. Wie bei dieser muß dem Vertragspartner angesichts des sachlidi und anfechtungsrechtlich nicht zu beanstandenden, unangreifbaren Verpflichtungsgeschäfts ein Ersatzanspruch in Gestalt einer Konkursforderung verbleiben. Sie stellt sidi als Gegenleistungsverpflichtung der Masse für ihre „Schuldbefreiung" von dem gültigen Verpflichtungsgeschäft dar, §§ 26,2; 38,2; 39 K O . In noch rigoroserer Weise belastet die Rückschlagsperre bei goodwillwidriger Betriebsbeeinträchtigung den hieran beteiligten Geschäftspartner des insolventen Unternehmers mit einer Rückgewährungsverpflichtung. Der deutsche Gesetzgeber hat bislang eine solche Rückschlagsperre nur gegenüber Vollstreckungsmaßnahmen innerhalb einer dreißigtägigen Sperrfrist (§ 28 VglO) verhängt. Er beläßt es im übrigen bei einer Begrenzung des „Durchgriffs" durch das Erfordernis der Kenntnis von der Krise, d. h. von der Zahlungseinstellung oder einem Konkurseröffnunsgantrag (§ 30 KO). Die Unabhängigkeit und Selbständigkeit all dieser wirtschaftlichen Maßnahmen gegenüber dem System des materiellen Redits mit seiner einzelrechtlichen Verfügungs- und Verpflichtungszuständigkeit des Schuldners ergibt sich daraus, daß sie auf die Rüdigängigmadiung eines „unzulässigen 'Keáix.sgebrauchs" ausgerichtet sind. Die Maßgeblichkeit der äußeren Verfügungs- und Besitzzuständigkeit des „Habens", normaler Ausgangs- und Anknüpfungspunkt eindeutiger rechtlicher Entweder-Oder-Entscheidung des Streitfalles entfällt und mit ihr die Beurteilung des Verhaltens der Parteien nach ihrer äußeren Rechtswidrigkeit. In „kritischer" Situation wird um der inneren Rechtsentfaltung willen äußerer Rechtszuständigkeit bloßen „Habens", ihre sonstige vorrangige Maßgeblichkeit für Streitfälle entzogen. Mit seiner materiellen Dynamik gelangt gewissermaßen das Mark des Rechts zu unmittelbarem Einsatz. Im Konkurs geschieht das unter gleichzeitiger Erfassung der anderweitig überhaupt unerreichbaren Konformationswerte des organisierten und integrierten Unternehmens. Die dazu erforderliche verfügungsrechtliche Entmachtung des „Rechtsträgers" kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Als bloße Vorstufe bleibt sie von untergeordneter Bedeutung. Wichtig allein ist die harmonische, sich ergänzende Steuerung der Reditsaus-

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Übung auf der Gläubiger- und Schuldnerseite zugleich. Nur mit ihr ist die überindividuelle, situationsgerechte Nutzverwaltung des durdi die Insolvenz blockierten Betriebsvermögens noch durchführbar. Hierzu bedarf es zunächst der „Entstrickung" des Vermögens des insolventen Schuldners aus dem Irrgarten der ihn fesselnden, sich überschneidenden Gläubigeransprüche und Zugriffe. Mit ihr wird der Weg frei für eine abgestimmte Abwicklung der Restwerte der Investitionen, mit denen seinerzeit der Goodwill seines in Konkurs geratenen Unternehmens erstellt wurde. Dessen Wachstum beruht in moderner Wirtschaft auf zügiger Integration und Staffelung vom Schuldner in Anspruch genommener Kredite und deren kapazitätsgünstiger Organisation im schuldnerischen Betrieb. Sein Eigenkapital, bei dem bezeichnenderweise wegen ihrer kurzen Verfallzeiten von anderen unmittelbar übernommene Goodwillwerte bilanzrechtlidi nur kurzfristig aktiviert werden dürfen, dient in der Hauptsadie als Reserve-Polster für unvorhersehbare Rüciischläge. Aus dessen allgemeiner derzeitiger Unzulänglichkeit in der deutschen Wirtschaft erwächst ihr eine besondere Gefahr. Nach dem zweiten verlorenen Weltkrieg war sie gezwungen, bezüglidi des Eigenkapitals nahezu mit Null zu beginnen. So mußte Eigenkapital durch Zusdialtung zusätzlicher Kredite, die am Markt aber nur bei vermehrten Sicherheiten gegenüber dem entsprechend gewachsenen Insolvenzrisiko der entblößten Betriebe erhältlich waren, ersetzt werden. Die höchstrichterliche Rechtsprechung trug dieser Notlage Rechnung und gestattete der Wirtschaft unter Billigung der Rechtslehre die Verwendung eines Kautelarnetzes äußerlich unsichtbarer Verlängerungs-Erweiterungs- und Erstrekkungsformen vielfältiger Sicherheiten am vorwegbelasteten Betriebsergebnis: Die Ursache der heute vielbeklagten hohen Quotenlosigkeit oder doch Quotenarmut unserer Konkurse war geschaffen! Es zeigt sich indessen immer deutlicher, daß das dem Ausland unbekannte, katastrophenzeitig entstandene Netzwerk unsichtbarer, konkursfester Sicherungen am Betriebsergebnis nicht auf Dauer, jedenfalls nicht in einer Wirtschaftskrise in Deutschland tragbar ist. Freilich, ohne das unerläßliche Vertrauen der Geld-, Waren- und Leistungskreditgeber kann die serielle Massenherstellung oder deren Vertrieb bei ausreichendem Wachstum der Betriebe im modernen Industriestaat auch nicht vonstatten gehen. In dem hierzu erforderlichen, weithin ungesicherten Vertrauens-, d. h. fnergzekapital des Betriebes, vom Unternehmer beständig in den Goodwill seines Geschäfts umgesetzt, liegt zugleich die natürliche „Deckung" seiner Kreditgeber. Sie verkörpert sich in der Dynamik der betrieblichen Umsatzgeschwindigkeit und der gesammelten Stoßkraft ihres vorteilhaftesten Kapazitätseinsatzes. Beide sind im insolventen Unterneh-

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men blockiert, verstrickt oder neutralisiert, regelmäßig jedoch keineswegs gänzlidi verfallen. Eine gegenstandsähnliche Beteiligung an solcher (angeschlagenen) Dynamik, wie sie der einzelrechtlichen Betrachtung des materiellen Rechts entsprechen würde, scheidet von vornherein aus. So verbleibt allein, ein ideeller, der Einsatzforderung proportionaler Nutzungs-, Ertrags- und Erlösanteil, die „Konkursquote", als Anteil an einer Befriedigungsgemeinsdiaft aus dem Restvermögen. Für diese sind die äußeren begrifflichen Forderungsmerkmale wie Entstehungsart, Zeit und Fälligkeit sowie eine etwaige Bedingungsabhängigkeit, die den Ergebnissen normaler Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäfte des Verkehrs ihr gegenstandsähnliches Gepräge verleihen, ohne entscheidende Bedeutung. Maßgebliche Ausgangs- und Rechnungsgröße bleibt vielmehr der an einheitlichem Geldmaßstab zu messende notfalls zu schätzende (§ 69 K O ) verbleibende Krediteinsatz im schuldnerischen Betriebsvermögen. Sein innerer Wert errechnet sich anhand der ideellen, proratarischen Beteiligung an der Befriedigungsgemeinschaft sämtlicher am Isolvenzstichtag vorhandener Gläubiger mit vermögensrechtlichen Forderungen. Nicht zu Unrecht spricht man im französischen Insolvenzrecht von einer ,union des creantiers dans la masse'®. Die Gläubigergemeinschaft erwächst automatisch aus der in der Insolvenz zwangsläufig einheitlichen Ausrichtung aller Gläubigerforderungen auf diese allein verbliebene Befriedigungsmöglichkeit aus der Masse, wie sie zum Stichtag des materiellen Konkurses (,dans la masse'), den zugriffsberechtigten Gläubigern in der Technostruktur ihrer Konformation noch zur Verfügung steht. Zu Recht fordert man in Deutschland überdies für eine Beteiligung an Konkursverfahren und Konkurserlös das Vorliegen eines „klagbaren" Anspruchs. Das bedeutet den Ausschluß aller natürlichen und unvollkommenen Verbindlichkeiten, für die dem Gläubiger, bei Eröffnung des Konkurses keine erzwingbare schuldnerische Vermögenshaftung zu Gebote steht. Wird für eine bis dahin unklagbare Forderung erst nach Eintritt des materiellen Konkurses ihre Klagbarkeit begründet, so ist diese Erstarkung zur Wirksamkeit einer Konkursforderung als krisenzeitliche „Schuldbegründung" ( § 4 1 II K O ) anfechtbar. Fassen wir zusammen: Der Vorrang der insolvenzrechtlichen Regeln für eine nachkrisenzeitliche Vermögenshaftung vor den Regeln des materiellen privaten wie öffentlichen Rechts besitzt einen über das bloße Verfahrensrecht hinausgreifenden, allgemeineren, sachlidien Grund. Er liegt in dem insolvenzbedingt veränderten Umfang der Inhalte zulässiger Rechtsausübung. Die verbliebenen Strukturen ihrer » Näheres hierüber K T S 1974, S. 132.

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inneren Konformation entziehen sich mit ihren Ertragsfunktionen den Regeln abstrakter Zuordnung „subjektiver Rechte". "Wirtschaftliche Maßnahmen, wie sie in jeder Insolvenz allenthalben unerläßlich sind, lassen sich aus einem abstrakten konstruktiven System nicht ableiten. Gewiß bleibt auch hier die „äußere" Seite des Redits nicht ohne Bedeutung. Schon das Erfordernis der Klagbarkeit des einzelnen Konk\irsanspruchs zeigt, daß auch die Konkursteilnahme zunädist von einer vergegenständlichten Seite, einem äußeren Besitzstand des Rechts ausgeht. Allein, die damit zugrundegelegte bestimmte, fest umrissene Leistung des materiellen Rechts verringert sich in der Insolvenz auf einen Stamm- und Merkwert, dem Gründungs- und Stammkapital einer GmbH vergleichbar. Als Rechnungsgröße bildet dieser Wert nunmehr die Grundlage für die Feststellung eines Anteils an einer verbliebenen rechtsin/^^/ilichen Befriedigungsgemeinschaft der Konkursgläubiger. Der normale Rechts- und Geschäftsverkehr prämiiert die Priorität des Wachsamen und Aufmerksamen. Er bevorzugt die freiheitliche, ja willkürliche Aktivität beim Erwerb von Zuordnungspositionen um ihrer selbst willen. Das ist angängig, soweit der Erwerber im Wechselspiel von Nutzung und Haftung als Teilnehmer am Rechtsverkehr deren allgemeines, sowie ein speziell übernommenes Risiko zu tragen fähig und imstande ist. Erst seine Insolvenz nötigt zu dem tiefer fassenden Rückgriff auf die Reditsinhalte. Der verbliebene, innere Rechtsausübungs- und Könnensgehalt seiner Rechte steht jetzt in völliger Abhängigkeit von Um- und Mitwelt und damit insbesondere maßgeblicher Mitbestimmung seiner zugriiïsbereiten Gläubiger. Nur unter Befreiung von seiner bisherigen „Vergegenständlichung" auf der Sdiuldner- und Gläubigerseite kann er erfaßt und verflüssigt („liquidiert") werden. Dabei ist bei einem Kaufmann die stets betriebsgebundene Dynamik seines „Vermögens" zu berücksichtigen: In den Zellen des „Sauerteigs" spezieller Organisation und Integration, in der „Technostruktur" des wirtschaftlichen „Zubehörs" seines Betriebes blieb sie bei der Krise mit ihrer Trennung des Unternehmens von seinem Mann ,dam la masse', wenn auch in einem bescheideneren Umfange erhalten. In bezug auf unsere Ausgangsfrage folgt daraus: Für punktuelle „Rüdiwirkungen" eines Sozialplanes auf die Entschließungsfreiheit eines insgesamt gesehen dispositionsfähigen Unternehmers, wie sie das Betriebsverfassungsgesetz bei intakter einsatzfähiger Betriebsleitung (Management) als zumutbare soziale Belastung glaubt hinnehmen zu können, bleibt in der Insolvenz kein Raum. Die rechtHche Landschaft hat sich von Grund auf geändert. Dazu bedurfte es keiner behördlichen Besdilagnahme oder einer formellen Verfahrenseröifnung. Die Zahlungseinstellung ist im Geschäftsleben, mit der „unternehmen-

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sehen" Betriebseinstellung identisch. Die Kapitulation des Unternehmers trägt dabei nur dem tatsächlichen Ansturm (,concursus') der Gläubiger Rechnung. Er ist es, der mit seinen sich überschneidenden Dediungsbegehren gleichen Stichtags sein wirtschaftliches Dispositionsvermögen im Verkehr mit den Geschäftspartnern unterbindet. Deshalb ist jede Insolvenz an den ihr zugehörigen „materiellen Konkurs" und die hieran stiditagsmäßig teilnehmenden Gläubiger gebunden. Ihre Befriedigungsgemeinschaft entsteht in natürlicher Weise innerhalb des schuldnerischen (Betriebs-)Vermögens aus der dort von ihnen blockierten, von dem kapitulierenden Unternehmer aufgegebenen, Rechtsausübung. So geht es konkursrechtlich gesehen in Wahrheit um keine bloßen Verfahrenssperren, die ein verspäteter, nach Eintritt des materiellen Konkurses erstellter Sozialplan notfalls überwinden könnte. Mit der korrespondierenden Sdirumpfung der Rechtsausübung auf Gläubiger- und Schuldnerseite sind alle verfügbaren Rechte der Masse ihrem Inhalt nach vorbelegt. Die Verknüpfung der Rechtsausübung auf der Schuldner- und Gläubigerseite trägt der Tatsache Rechnung, daß jeder Konkursgläubiger in der Vergangenheit zur Erhaltung, Stärkung und Entfaltung der Dynamik des insolventen Unternehmens einen investiven Beitrag leistete. Er ist zwar äußerlich ununterscheid- und unmeßbar in den Geschäftsbetrieb des Unternehmers eingegangen. Dennoch förderte oder ermöglichte er gar dessen Organisation oder Integration mit ihrer Technostruktur auf der Kapazitäts- oder Umschlagseite des Betriebs. Dadurch trug er zum Leben des Betriebs, zu seinem Bestehen bei. Ohne die Beiträge seiner heutigen Gläubiger wäre der unternehmerische Betrieb bereits früher nicht „wirtschaftsfähig", d. h. „bestehensfähig", gewesen. Über die Rechtswirksamkeit eines vor Eintritt des materiellen Konkurses geleisteten Kreditbeitrages entscheiden die bis dahin uneingeschränkt geltenden Bestimmungen des materiellen Privatrechts. Die Einengung der Anwendung des materiellen (Privat-)Rechts zugunsten des Konkursrechts zu späterem Zeitpunkt ist, wie wir sahen, keine zufällige oder willkürlidie. Sie ergibt sich aus der „Trennung von Unternehmen und Mann". Diese erzwingt in der Konkurssituation auf Gläubiger- und Sdiuldnerseite eine „subjektdurchlässige", innenrechtliche Betrachtung. Der „Vorrang" des Insolvenzrechts vor den Regeln des materiellen Rechts betrifft nichts anderes als einen Vorrang innenreditlicher Regeln konkreter Rechtsausübung. Mit überraschender wirtschaftlicher Unbekümmertheit meint jetzt Heinze^ diesen Vorrang des Konkursrechts einfach in Abrede stellen • Der Sozialplan in Konkurs und Vergleidi, DB 1974, S. 1814 ff.

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ZU können. Er behauptet, den bislang allgemein beachteten Grundsatz „Konkursrecht geht vor Arbeitsredit" gebe es in Wahrheit nidit^. Seine Folgerungen gründen in der grundlegenden Annahme, dem Insolvenzrecht sei „soziale Rücksichtnahme", wenn man von dem jüngsten Gesetz über das Konkursausfallgeld vom 20. 7. 1974 einmal absehe, „weitgehend fremd"®. Trotzdem hält er ein „Zusammenwirken" des Betriebsverfassungsgesetzes mit seinen ausgeprägten sozialen Schutzgedanken mit dem vermeintlich so rückständigen Insolvenzrecht durchaus für möglich. Eine Konkurrenz der beiden Rechtsgebiete liege nämlich überhaupt nicht vor. Vielmehr bestünden „klare und übereinstimmende Wertungen"® beider Gesetze. Diese „widersprüchliche Übereinstimmung" weist wie stets in Fällen solcher Argumentation auf eine unklare, mehrdeutige Terminologie hin. Hier verkennt sie, daß „Billigkeit" oder „soziale Gerechtigkeit" im Verhältnis von Gläubiger zu Schuldner etwas ganz anderes ist als in den Beziehungen von Gläubigern zu Mitgläubigern. Sie übersieht insbesondere, daß Mitgläubiger von heute Sozial-Schuldner von morgen sind. Jede Kürzung ihrer Ansprüche bedeutet einen Eingriff in den Goodwill ihrer Betriebe. Deren Erträge müssen die Erfüllung der Ansprüche ihrer Sozial-Gläubiger gewährleisten. Bei diesem Grundtatbestand läßt die Risikogemeinschaft aller Gläubiger eines gemeinsamen Insolvenzschuldners sachbedingt nur eine gleiche, anteilsmäßige Erlösverteilung zu (,par condicio creditorum'). Privilegien lassen sich grundsätzlidi nur aus einer GoodwillAnreidierung des „Masse"-Vermögens rechtfertigen. Heinze will diesen „Mehrwert" in einem „Beitrag für den Erfolg des Unternehmens" sehen, der „durch den Lohn nicht voll abgegolten" sei^®. Die augenscheinliche „Erfolgslosigkeit" des Unternehmens, das in Konkurs geriet, entzieht seiner Betrachtung ihre wirtschaftliche Grundlage. In der Bauwirtschaft gab es unlängst sogar Konkurse, die nicht zuletzt in Sonderzuwendungen arbeitnehmereigener Fahrzeuge und übertariflicher Bezahlung bei Festpreisabschlüssen ihre Ursache besaßen. Vom Betriebsverfassungsgesetz aus gesehen mangelt es in all diesen Fällen schon an der „wirtschaftlichen Vertretbarkeit" ( § 1 1 2 IV BVG) von Sozialleistungen eines Unternehmens, dessen Unternehmer wegen desolater wirtschaftlicher Verhältnisse und, ohne daß ihm eigene Rechte verblieben, zugunsten seiner Gläubiger „bedingungslos" kapitulieren mußte. In solcher Lage lassen sich Konkursvorrechte bestimm^ 8 » "

A . a . O . , S. 1819, r. Sp. u. A. a. O., S. 1814 r. Sp. o. S. 1820 1. Sp. o. A. a. O., S. 1817.

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ter Gläubiger sinnvoll nurmehr aus dem Gesichtspunkt einer Sdiadensminderung der Masse in der jeweiligen unmittelbaren Konkursvorzeit rechtfertigen. In Betracht kommt hier vor allem die Verlängerung der „Verfallzeiten" des betrieblichen Goodwills, die allen Konkursbeteiligten zugute kommt. Die Konkursordnung hat denn auch ihre Vorrechtsklassen ersichtlich unter dem Blickwinkel eines in diesem Sinne massenützlidien Kontrahierungs- oder Stundungszwanges der bevorzugten, ungesicherten Gläubiger ausgestaltet. Es bedeutet aber eine Analogie mit verkehrten Vorzeichen, wollte man aufgrund abstrakter sozialer Erwägungen über Vorrechte, die konkrete Massenützlichkeit honorieren, eine Masseminderung herbeiführen. Die „Wertungen" des Betriebsverfassungsgesetzes, eindeutig auf das Verhältnis von Gläubiger zu Schuldner abgestellt, sind entgegen der Meinung Heinzes von denjenigen des Mitgläubigerverhältnisses in der Insolvenz scharf zu trennen. Letztere bedingen die eigenständige, innenrechtliche Betrachtung. Die insolvenzrechtliche Verstrickung des Mitgläubigerverhältnisses läßt sich in der Tat ohne den vorgeschlagenen „Gang zu den Müttern" weder erfassen noch abwickeln. Er ermöglicht die Zuflucht zu den konkret verbliebenen Rechtsinhalten, sofern man sich nur mit dem noch möglichen Energiezuwachs in den vorgezeichneten Mustern auslaufender__ Bahnen des jeweiligen Goodwills bescheidet. Viele sonst abstrakt gegebene Möglichkeiten eines „lebenden Systems", über den Weg des Wissenszugriiïs zu einer Ertragssteigerung zu gelangen, stoßen in der Insolvenz an die Grenzen der jeweiligen Verstrickung. Vieles spricht dafür, daß ganz allgemein jede Logik mit ihrem abstrakten Zugriff des „Wissens" in der Gesamtevolution einer „männlichen" Seite „äußerer" Ausbreitung, der „Energie"zuwachs aufgrund spontaner Entfaltung hingegen einem „weiblichen" Teil innerer Konformation zuzuschreiben ist. Die praktisch unbegrenzte Vielfältigkeit abstrakter BegrifTlichkeit des ,summum ius' in seinem Verhältnis zu der gleichwohl möglichen ,summa iniuria' des Mißbrauchs im konkreten Falle besäße eine aufschlußreiche Entsprechung. Sie läge in der verblüffenden milliardenfachen, sich immer wieder unterscheidenden Vielzahl der männlichen Samenfäden zur demgegenüber konstanten, zahlenmäßig äußerst geringen weiblichen Ovulation. Man darf mit Spannung erwarten, ob die Verhaltensforschung in den nächsten Jahren hierzu weitere Aufschlüsse liefert. Im rechtlichen Bereich vermag man aber bereits heute den Durchgriff auf funktionelle Rechtsausübungswerte in seinen Grundzügen zu entschlüsseln: Es geht um den Rückgriff auf Konformationswerte der inneren Rechtsentfaltung. Die abstrakte Statik seiner Logik bringt es mit sich, daß das materielle Recht in bestimmten Fällen der Kollision

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an die Grenzen seiner am äußeren Gesdiehen ausgerichteten Begriffe stößt. Die Rechtsfindung ist hier auf die „Anwendung eines funktionellen" Kollisionsrechts angewiesen, so z. B. im internationalen Privatrecht, wo sich die Privatrechtssysteme verschiedener Länder in bezug auf Rechtsfragen eines die Landesgrenzen überschreitenden Falles übersdmeiden. Im Zivilprozeß erweist sich die Zusammenfassung mehrerer abstrakter materiellrechtlicher „Ansprüche" zu einem einheitlichen funktionellen „Streitgegenstand" schlechthin als unentbehrlich. Ohne ihn lassen sich entscheidende Fragen der Rechtskraft des Urteils und der Rechtshängigkeit einer Sache sinnvoll nicht beantworten. Dem Konkursrecht schließlich ist die Aufgabe gestellt, einer Überzahl kollidierender materiellrechtlicher Ansprüche zahlreicher zugriffsbereiter Gläubiger Herr zu werden. Sie führten zu deren lähmendem Labyrinth mit seiner Vermögensverstrickung des gemeinsamen Schuldners. In all diesen Fällen ergibt sich ein Vorrang des jeweiligen Kollisionsrechts vom konkreten Fall her. Er entspricht dem höheren Rang seiner gegenüber der Statik des allgemeinen materiellen (Privat-)Rechts spezielleren, funktionellen Diskontierung der Zukunft. Die Begrifflichkeit des Vorstellungsbereichs des Erkennens und Wissens versagt in solchen Kollisionsfällen. Die äußere Welt des Gegenständlichen mit ihrer eindimensionalen Mechanik des Kausalen muß zurücktreten. Sie weicht einer nach Zahl, Maß oder Gewicht ungleich geringeren, aber eben vieldimensionalen Entfaltung der Konformation einer komplexeren Einheit im Flusse der Gesamtevolution.

IL Im Zusammenhang mit einem Arbeitsplatzwechsel entstandene Verpflichtungen des Arbeitgebers könnten arbeitsrechtlich Ersatzansprüche auf vertraglicher oder außervertraglicher Grundlage sein; sie könnten insbesondere als Entgeltsansprüche für unabgegoltene, bereits früher erbrachte Gegenleistungen aus den Arbeitsverträgen der betroffenen Arbeitnehmer stammen. Unser Privatrecht setzt bei Ersatzansprüchen, gleichviel, ob sie vertraglicher Natur, z. B. Fürsorgepflichtverletzung des Arbeitgebers sind, oder außervertraglich, z. B. aus gesetzlicher Gefährdungshaftung herrühren, für eine Ersatzpflicht des Unternehmers stets dessen rechtswidriges, wenn nicht überdies schuldhaftes Tun voraus. Geht man nun mit dem Betriebsverfassungsgesetz davon aus, daß die Betriebsänderung als solche, deren Folgen der Sozialplan ausgleichen oder mildern soll, zur rechtmäßigen Leitungsbefugnis des Unternehmers als Manager zählt, dann fehlt es bei einer konkursbedingten, ohne nachweisbares eigenes Zutun eintretenden Betriebsänderung jedenfalls an

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diesem zur Begründung eines Einzelreditsansprudis erforderlichen rechtswidrigen Tun des Unternehmers. Der Konkurs läßt sidi als Entstehungstatbestand eines Redits weder dem bürgerrechtlichen Unmöglichkeits-Verzugs- oder Ersatzrecht einordnen. Er befaßt sich ausschließlidi mit der Umwandlung bereits bestehender Redite, die jetzt nurmehr entsprechend der veränderten Situation „innenrechtlich" ausgeübt werden, und deshalb einer besonderen Abwicklung bedürfen. Für sie gelten, wie wir sahen, die Regeln des Rechtsmißbrauchs, hier insonderheit eines Konkursmißbraudis, der sich durch seine „Konkurszwedtwidrigkeit" kund tut. Derselbe „Vorrang" der Reditsausübung bringt gleichzeitig die Gläubigerselbstverwaltung als Gemeinschaftsform einer autonomen Selbsthilfe zum Zuge. Nur was sadilidi und zeitlidi von ihr freigegeben wird, gelangt zu dem von ihr bestimmten Zeitpunkt zur Liquidation. Insoweit ist die Trennung von „Unternehmen und Mann" vollkommen. Andererseits ist die Gläubigerselbstverwaltung streng auf die Abwidtlung der Goodwillwerte des Betriebes, wie sie sich nach „Entgegenständlidiung" der Gläubiger- und Schuldnerrechte darstellen, ausgerichtet. „Konkurszweckwidrige" Beschlüsse ihrer Beschlußorgane (Gläubigerausschuß und Gläubigerversammlung) unterliegen dem konkursgerichtlichen Veto (§§ 99, 135 II, 188 Nr. 2 KO). „Konkurszwediwidrige" Maßnahmen des Konkursverwalters sind nadi ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung^^, die vom Schrifttum unterschiedlos gebilligt wird, von vornherein unwirksam und verpfliditen die Masse nicht, weil sie außerhalb der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ihres Exekutivorgans liegen. Friedrich Lent verdanken wir den ersten Versuch, die „Konkurszwediwidrigkeit" und damit unausgesprochen auch ihr positives Gegenstück die „Konkursmäßigkeit", vom Funktionellen her zu verstehen^^. Trotz seines die riditige Einsidit eher ersdiwerenden als fördernden Engagements für eine „gesetzliche Vertretung des Gemeinschuldners durch den Konkursverwalter" gelangt er zu der Forderung, daß konkurszweckwidrige Geschäfte „ihrer Art nach", also unabhängig vom Einzelfall und dessen individualisierenden Bestimmungen, dem Konkurszweck zuwiderlaufen müßten. Diese „generelle" Konkurszweckwidrigkeit könne man anhand entspredienden Verhaltens des Gemeinsdiuldners überprüfen und feststellen. Was dieser nämlidi (nadi Eintritt des materiellen Konkurses) nicht tun dürfe, sei in späterer Zeit auch dem Verwalter verwehrt. Diese gewiß zutreffende, wenn auch noch auf eine bloß indizielle Aufgabe besdiränkte Verknüpfung von Konkurs" Vgl. z. B. BGH, NJW 1971, S. 701 und BB 1955, S. 76. KTS 1956, S. 161.

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anfeditbarkeit und Konkurszweckwidrigkeit ist aufsdilußreidi. Sie kennzeichnet die erörterte gemeinsame Korrekturaufgabe beider bei der Verhinderung konkursreditsmißbräuchlicher Verletzung betrieblich gebundener Rechtsinhalte der Technostruktur des insolventen Unternehmens. Aus alledem ergibt sich, daß nach Eintritt des materiellen Konkurses der Unternehmer selbst schon von der Praxis her außerstande ist, eine Betriebsänderung zu „planen", geschweige denn durchzuführen. Die Gläubigerselbstverwaltung andererseits, lediglidi mit der Rechtsausübung bestehender Rechte befaßt, würde mit der Neubegründung, etwaiger nicht der Abwicklung der Goodwillwerte dienender Verbindlichkeiten der „Art nadi konkurszweckwidrig" handeln und das Konkursgericht zum Einschreiten nötigen. Ein sozialer Härteausgleich müßte deshalb, wenn er zu Konkursteilnahme berechtigen soll, schon ein Entgeltsanspruch aus dem einzelnen Arbeitsvertrag des von den wirtschaftlichen Konkursfolgen betroffenen Arbeitnehmers sein. Diese Entgeltforderung für eine vergütungsrechtlich bisher nicht abgedeckte Leistung des Arbeitnehmers müßte überdies, wenn auch nur als bedingter Anspruch, vor Eintritt des materiellen Konkurses begründet sein. Kann man nun nicht den Eintritt der Insolvenz des Unternehmens als derartige Bedingung ins Auge fassen? Wer eine Konkursforderung aus einem nachkrisenzeitlich erstellten Sozialplan für möglich hält, müßte schon versuchen, in dieser Weise zu argumentieren. Dem scheint die neuere Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichtes Unterstützung zu gewähren. Sie benutzt einen erweiterten Entgeltbegriff bei Arbeitgeberleistungen in Form der Gewährung unverfallbarer Versorgungsanwartschaften^®. Allein, der Härteausgleich des Sozialplans kann schon seiner unbestimmten, bloßen Zumutbarkeitsgrundlage wegen schwerlich mit vertraglich eindeutig festgelegten, festumrissenen Versorgungsleistungen auf eine Stufe gestellt werden. Überdies hat das Bundesarbeitsgericht die Unwirksamkeit der versorgungsrechtlichen Verfallklausel zu Recht an eine langfristige, vieljährige Betriebstreue gebunden. Eine Parallele zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bei formlosen Hofübergabeverträgen^^ ist unverkennbar. Die Berufung auf die Verfallklausel eines bereits langfristig durch die Treuebindung gegenüber einem Betrieb erfüllten Versorgungsvertrages ist in gleicher Weise rechtsmißbräuchlich wie die Berufung auf die Formnichtigkeit eines Vertrages, dessen Vorteile man über Jahre hinweg in Anspruch genommen hat. Der Rechtsmißbrauch liegt in beiden Fällen in einem Verstoß gegen das Verbot gegensätzlichen Verhaltens, eines „venire " BB 1972, S. 1005 u. 1504. " BGHZ 12, 304; 23, 241.

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contra factum proprium". Er liegt im Widerspruch der Berufung auf die Verfallklausel zu der durch die Versorgungszusage gezielt veranlaßten und langfristig in Anspruch genommenen Treuebindung an den Betrieb. Der Sozialplan mit seinem Ausgleich wirtschaftlidier Härten setzt jedodi keine qualifizierte Betriebstreue voraus; er gilt den Erschwernissen lohnabhängiger Arbeit bei Arbeitsplatzveränderungen schlechthin. Gemäß ihm können selbst Lehrlinge, Jungarbeiter und Volontäre Umsdiulungsbeihilfen und Abfindungen erhalten, sofern diese zufolge der durch die Betriebsänderung erstrebten Rationalisierungserfolge wirtschaftlich vertretbar ersdieinen. Ausgangspunkt des Sozialplans ist demnach nicht die Betriebstreue des betroffenen Arbeitnehmers, sondern schlicht die Betriebsgemeinschaft, der er sich ansdiloß. Wie immer man diese Gemeinschaft rechtlich einordnen will, soweit sie vermögensrechtliche Auswirkungen zeitigt, vermittelt der „Einstand" des neu hinzukommenden Betriebsangehörigen äußerstenfalls Mitgliedsrechte. Ihre Besonderheit besteht darin, daß sie erst bei einer Betriebsänderung gemäß deren jeweiliger wirtschaftlicher Gesamtlage zum Tragen kommen. Gleichviel ob man den Konkurs und seine Abwidtlung als „Betriebsänderung" ansehen kann, was oben verneint wurde, als „Einlagen" könnten auch betriebsverfassungsmäßige Mitgliedsrechte wie alle sonstigen Teilhaberrechte bei mehrgliedrigen Unternehmen den Konkursgläubigern gegenüber nur „Hafteinlagen", aber keine konkurrierenden Konkursforderungen bilden. Gewiß ließe sich darauf hinweisen, daß die „speziellen" eventuellen Auseinandersetzungsansprüche einer Betriebsgemeinschaft nadi dem Betriebsverfassungsgesetz zweckgebunden sind und daher in eine allgemeine Mithaft der Betriebswerte nicht einzubeziehen seien. Der Ausschluß der Mithaft eines Mitgliedsrechtes mit ihrem bloßen Ausschluß der Verlustbeteiligung bringt dieses jedoch noch nicht in die Position einer Konkursforderung. Dazu bliebe es erforderlich, den betrieblichen Sozialleistungen anläßlich einer Betriebsänderung den Charakter klagbaren Kredits, d. h. zusätzlicher Vergütungsansprüche, wenn auch besdiränkt, auf den besonderen Bedarfs- und Sozialfall des Arbeitnehmers zuzuerkennen. Hieraus erwächst dann aber für den Konkurs sofort die weitere Frage, ob solch „künftiger" Anspruch mit hinreichender Bestimmbarkeit vor Eintritt des materiellen Konkurses begründet wurde. Da die Dauer der Betriebszugehörigkeit, wie wir erkannten, keine ausschlaggebende Rolle spielt, müßte solcher Vergütungsanspruch sofort mit der Einstellung des Arbeitnehmers in den Betrieb als künftiger Anspruch entstehen. In der Tat kennt unser materielles Privatrecht, was Vorausabtretbarkeit und Pfändbarkeit anbelangt, den hin-

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reichend bestimmbaren künftigen Anspruch. Konkursrechtlidi ist man sidi jedoch darüber einig, daß sein „Erwerbstatbestand" erst mit der Entstehung des Anspruchs selbst begründet wird. Deshalb hält sein Erwerbsgrund anerkanntermaßen gegenüber dem Konkurs nicht stand, § 15 K015. D a jedoch § 15 K O lediglich die §§ 7, 14 K O ergänzt, ist eine einheitliche Behandlung künftiger Ansprüche im gesamten Konkursbereich, d. h. auf der Passivseite auch hinsichtlich der Konkursteilnehmer geboten. Besitzt doch die unterschiedliche Behandlung künftiger und bedingter Ansprüche, um die es hier geht, wiederum ihren tragenden Grund im materiellen Konkurs. Erst sein Rückgriff auf (noch) vorhandene Rechtsinhalte rechtfertigt den Verzicht auf die Maßgeblichkeit bestimmter Individualisierungsmerkmale der Forderung, zu denen neben der bloßen Befristung (§ 65 K O ) auch die Abhängigkeit von einer künftigen Bedingung (§§ 66, 67 K O ) zählt. Der Erwerbstatbestand einer Forderung als solcher dagegen betrifft ihren Rechtsinhalt, seine Entfaltungskraft. Diese erwächst unabhängig von mancherlei mehr oder minder zufälliger äußerer Begrenzung aus einem komplexen Entstehungssachverhalt innerer „Konformation"^®, im Verkehr mit Um- und Mitwelt. Die treuhänderische Goodwillabwictlung des Konkurses ist eigens damit befaßt. Auch als „künftige" Sozialforderung kann demnach ein erst nachkrisenzeitlich konkret überhaupt begründbarer Ausgleichsanspruch aus einem Sozialplan am Konkurs des insolventen Betriebes nicht teilnehmen.

C. Die Theorie einer juristisch verselbständigten Konkursmasse Betriebsverfassungsrechtlich gesehen liegt es schließlich nahe, an eine Betriebsnachfolge der „Konkursmasse" zu denken, um daraus deren Verpflichtung zur Erstellung eines Sozialplanes in der Insolvenz abzuleiten. Wie man sicái die rechtliche Organisation dieser „Masse" als tauglicher betriebsverfassungsmäßiger Sozialpartner vorzustellen hätte, wäre dann die weitere, konkursrechtlich zu beantwortende Vorfrage. Solcher Denkansatz trifft auf moderne insolvenzrechtliche Bestrebungen, die bemüht sind, selbständige Rechtsbeziehungen der Kon" So für Vorzugs- und Zurückbehaltungsredite an Massegegenstände der Aktivseite des Konkursvermögens übereinstimmend Jäger Anm. 22, Mentzel-Kuhn-Lenfi (1962) A n m . 9 e , Böhle-Stamschräder^o Anm. 4, alle zu § 1 5 K O , B G H Z 30, 238 = J Z 59, 712 f. mit Anm. von BöMe-Stamschräder. " Näheres zu diesem Begriff K T S 1970, S. 99 ff.

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kursmasse als eines zumindest teilweisen Rechtssubjekts aufzuzeigen^^. Diese neu dogmatische Richtung erwächst aus dem Unbehagen an der in der Judikatur zwar seit langem unbeschränkt herrschenden, gleichwohl in sich „nodi blinden" (J. Esser) Amtstheorie. Die Amtstheorie der Praxis arbeitet in der Tat mit einem fast inhaltslosen, rein formellen Parteibegriff, der die Verbindung zum materiellen Recht nahezu vollständig verloren hat. Vor 20 Jahren bereits war Friedrich Weber bemüht, hier Abhilfe zu schaffen. 1955 hielt er vor dem Kölner Arbeitskreis für Insolvenzund Sdiiedsgeriditswesen seinen später so viel zitierten Vortrag „Zur Problematik der Prozeßführung des K o n k u r s v e r w a l t e r s I n den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellt er einen neuen Begriff, die „Prozeßführungsgewalt". Sein zentrales Bemühen galt einer scharfen Trennung dieses neuen Begriffs von der einzelreditlich orientierten „Prozeßführungsbefugnis", dem Prozeßführungsrecht. Es ging ihm, wie man heute sagen könnte, um einen „objektbezogenen Ganzheitsbegriff", der wegweisend den Blick auf die Konkursmasse als eine in sich geschlossene funktionelle Vermögens- und Wirkeinheit zurücklenken sollte. Zugleich übernahm der neue Begriff die Aufgabe, die besonders auch im Insolvenzrecht vermißte Verbindung zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht wieder neu anzuknüpfen. Ein ersichtlich damit zusammenhängendes spezielleres Ziel sah er darin, die bislang nur unzulänglich erfaßte Rechtsstellung des Konkursverwalters zu durdileuchten. Die formelle, unzureichende Begründung einer rein prozessualen Amtstheorie war ebenso zu überwinden, wie diejenige einer materiellrechtlich stets nur auf das Einzelrecht ausrichtbaren Vertreterstellung. In der an das Kölner Referat anschließenden Diskussion erwies es sich dann auch alsbald, daß der Vortragende von einer viel weiterreichenden Vorstellung einer „substanzielleren" Fortentwidclung des gesamten Insolvenzrechts ausging. In der persönlichen Unterhaltung räumte er in souveräner Weise unumwunden ein, daß seine neue Bezeichnung der prozessualen Aufgabenstellung des Konkursverwalters die damit zusammenhängende unumgängliche Entwicklung des Konkursredits insgesamt wohl noch nicht deutlich genug erkennen lasse. In seinem Sinne verstanden setze die „Prozeßführungsgewalt jedenfalls audi die Verpfliditungsgewalt" über das „Streitvermögen" mit dessen " Bottiéer, Z Z P 77, 55 fi., J Z 1963, 582 ff., Erdmann, K T S 1967, 87 ff., Fabricius, Relativität der Reditsfähigkeit, Pagenstecher-Grimm, Der Konkurs^, § 12 und jetzt in einer diesem Thema gewidmeten Monografie, Hanisch, Reditszuständigkeit der Konkursmasse. " K T S 1955, 102 ff.

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ganzheitlidier H a f t u n g voraus, wie das soeben Dölle^^ zutreffend hervorgehoben hatte. So begriffen steht die „Prozeßführungsgewalt" als eine prozessuale Verwaltungsgewalt einschließlich der entsprechenden materiellrechtlichen Dispositionsgewalt bezüglich desselben einheitlichen Massevermögens der französisdien funktionellen Konkursreditstheorie sehr nahe. Sie kennt neben der Entmachtung des Schuldners von der Verwaltungs- und Verfügungsmacht über seine „Güter" (.dessaissisement') seine Ersetzung bezüglich eben dieser Verwaltungs- und Verfügungsmacht durch die Gläubiger (,ensaisinement'). Der damit verbundene Wechsel des Managements vollzieht sich nicht erst in der »liquidation des biens', sondern sdion im Vergleichsverfahren (,règlement iudiciaire' Art. 13 des Ges. N o . 67-563 vom 13. 7. 1967) durci Bildung einer ,union des creantiers' mit einem einheitlich gesteuerten Befriedigungsredit aus dem f ü r die Gläubigergemeinschaft zu verwaltenden und zu nutzenden Streit- und Abwidilungsvermögen. Gewiß tritt all dies in Frankreich formell mit der Anordnung der Verfahrenseinleitung durch den Insolvenzrichter ein. Sofern man aber keinem bloßen Nominalismus huldigt, wird man anerkennen müssen, daß materiellreciitliche Auswirkungen, wie sie sich in einer ,union des creantiers' niederschlagen, über das formelle ,jugement' des Insolvenzrichters hinaus, einer sachlichen, materiellen Grundlage nicht entbehren können. Wie wir sahen, stellen sich die dazu erforderlichen, wenn auch ungegenständlichen, funktionellen (We(Jisel-)Wirkungen ein, wenn es zum „Konkurs" mit seinem Ansturm der Gläubiger kommt. Er f ü h r t nicht nur zu deren wechselseitiger Behinderung in ihrer Rechtsausübung, sondern zugleich auch zu der entsprechenden Blockierung der Reditsausübung ihres gemeinsamen Schuldners, zu dessen „Insolvenz". Das weitreichendste unserer Insolvenzverfahren, der „Konkurs", erhielt nicht ohne inneren Grund in der rechtsgeschichtlidien Entwicklung seit Saigados ,Labyrinthus' seine den Gläubiger-Schwerpunkt hervorhebende Bezeichnung. Funktionell gesehen ist es letztlich der Gläubigerandrang mit seiner Verstrickung des Schuldners und seines Vermögens, der den geschäftlichen Kontakt dieses Vermögens mit Um- und Mitwelt zum Erliegen bringt. Auf der Technostruktur dieses Geschäftskontaktes beruhen die lebendige Einheit und die komplexe Zubehörschaft seines wirksamen wirtschaftlichen „Vermögens". Sie hat der jetzt abzuwickelnden „Masse" ihren unverwechselbaren Stempel aufgedrückt, ihr eigenständiges Gepräge verliehen. Soll es nicht zu ihrer reinen Zerschlagung kommen, so muß

" Festsdirift für Fritz Schulz — 1951 — II, 272 ff.

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eine Abwicklung ihrer funktionellen Restwerte sich an deren vorgegebene konkrete Muster halten, Ist aber dieser „Musterschutz" der jeweiligen Ertragsstrukturen die eigentliche Aufgabe des Konkurses, dann ist der Gedanke gewiß verführerisch, dem durch äußere Zuordnung an die Zwecksetzung eines neuen Rechtssubjektes als Masseträger Rechnung zu tragen. Es zeugt für die Lebensnähe Friedrich Webers, wenn er dieser Verführung zu einer „systematisdien" Lösung widerstand, obwohl diese in der „trustLösung" des common law ein Vorbild zu besitzen schien^". Gewiß ist Webers Ganzheitsbegriii der „Prozeßführungsgewalt" vermögensbezogen. Es handelt sich für ihn aber nur darum, in diesem Vermögen {,dans la masse') Anknüpfungspunkte für V^nàfunktionen zu gewinnen. Auch „bei Lichte besehen" und mit „aufgedeckter wahrer Karte" ging es Weber wie Dölle (was Bötticher ZZP 77, 58 u. 61 verkennt) keineswegs um den bloßen Versuch, neben natürlichen und juristischen Personen einen dritten Rechtsträger vorzustellen. Die anerkannten Anknüpfungspunkte „willkürlicher" Zielsetzung (subjektiver Rechte) erforderten keine Ergänzung. Die unter gesetzlicher Verwaltung stehenden Vermögensmassen erwiesen sich in einem ganz anderen Sinne als „innere" Zweckeinheiten. Bei genauerem Zusehen bezieht sich Webers wie Dalles funktionelle Betrachtung eindeutig auf die Erfassung inhaltlicher Strukturmuster komplexer, um- und mitweltbezogener 'Ktàitsausiibung. Bei zügiger „Solvenz" der Beteiligten mag sich der Rechtsverkehr in streitigen Fällen mit einer lediglich äußeren, gegenstandsähnlichen Betrachtung besdieiden. Hier kann die Zweckszuordnung an ein bestimmtes Rechtssubjekt bei der Rechtsfindung Verkehrs- und kontaktfördernd den Aussdilag geben. Schon die Übertragbarkeit des Einzelrechts zeigt aber, daß in "Wirklichkeit das Subjekt mit seinen weithin beliebigen „Vorstellungen" das Wechselnde, zumindest „Durchlässige", die innere Konformation bestimmter Funktionen des Rechts das identische Bleibende ist. Selbst die einfachste Bindung einer schuldrechtlichen Obligation muß über die statisch gesehene Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner hinaus In Wahrheit unterscheidet sidi im angelsädisisdien Recht der „trustee in bancruptcy" in aufsdilußreicher Hinsidit von dem (vertraglichen) trustee des EquityRechts, was zwar erkannt, aber nicht weiterverfolgt wird, Nadelmarm, ZZP 66, S. 43 Anm. 25 und Hanisch, a. a. O., S. 146 Anm. 177. Geht man dem Unterschied auf den Grund, so liegt er darin, daß sidi die „beneficiaries" der vertraglidien Treuhand eine Einflußnahme auf deren „werbenden" Ertrag vorbehalten können. Die insolvenzreditliche, gesetzlidie Treuhand verfolgt bescheidenere Ziele. Sie beschränkt sich auf die Verlustgemeinschaft der jeweiligen Insolvenzgläubiger. Deren notgedrungen einheitliches Abwicklungsinteresse bezüglich des sdiuldnerisdien Restvermögens erübrigt eine besondere Regelung des Destinatar-Verhältnisses wie bei der werbenden Treuhand.

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inhaltlich transitiv als „wirtschaftliches Gut" für einen bestimmten Geschäfts- und Rechtsverkehr angesehen werden. Erst als soldier „Könnens-Wert" effektiven „Vermögens" ist es verkehrsfähig, d. h. abtretungs-, nutzungs-, verpfändungs-, beleihungs- und schließlidi auch pfändungsfähig. Unser Recht kennt also trotz aller vergegenständlichten Verkehrsbedürfnisse, die sidi mit der Zweckbindung durch den jeweiligen „Rechtsträger" begnügen, eine weitergehende „Verselbständigung" in bezug auf ihre Ausübung. Sie kommt in Personengemeinschaften, Gesamthandsvermögen und sonstiger „Zubehörschaft" zustande, die ähnlidi, einem ,trust' angelsächsischen Redits, einem gemeinsamen wirtschaftlichen Zweck „gewidmet" werden können. Es handelt sich der Sache nach um die Bündelung, Organisation und Integration bestimmter innerer Funktionen. Rechtssubjekte, natürlicJie wie juristische Personen können derartige Wirk-Gebilde ins Leben rufen, ohne daß diese selbst ihrerseits dabei um ihrer inneren Zweckbindung willen zum Rechtssubjekt einer „selbstherrlichen" Rechtsträgersdiaft werden müßten. Es geht um die Sicherstellung bestimmter Funktionstüchtigkeit ausschließlich durch Verhinderung ihres Mißbraudis. Jeder Funktionsmißbrauch nämlich führt alsbald zur Verzettelung, schlimmeren Falls sofort zur Zerschlagung ihrer komplexen, zielstrebig auf Wissens- und Energieaustausdi mit der Um- und Mitwelt angelegten dynamischen Konformation. Diese Konformation transitiver Dynamik versagt sich einer Erfassung durch eine standpunktgebundene, rein statische Arithmetik oder Logik. Trotzdem kann sie vom Redit erhalten, verwaltet und gestaltet werden. Erforderlich ist ein sich ihr im Wege hermeneutischer Analogie „anpassendes" Vorverhalten. Selbst der Prozeß mit seinen umstrittenen subjektiven Rechten ist zur Rechtsfindung auf solch anpassendes „Vorverständnis" des jeweils konformationsgerechten typischen 'K^eàix.sgebrauchs angewiesen. Variti„funktionen" haben somit keine von einem „Subjekt" von außen nach dessen jeweiligem Gutdünken willkürlich zu steuernde Zweckbindungen im Auge. Sie kennzeichnen vielmehr das unmittelbare „Funktionieren" bestimmter komplexer Zusammengehörigkeit einer wirtschaftlichen „Zubehörschaft". Alles Wirtschaften, insbesondere das gewerbliche, ist von Hause aus unabdingbar auf solche transitive „Pertinenz" subjektunabhängig funktionierender dauerhafter Zweckbindung angewiesen. Bei voller Trennung von materiellem Recht und Verfahrensredit verliert eine Systematik des Statischen diese Pertinenz allzu leicht aus ihrem funktionsblinden Blidtfeld^^. Zur „Einäugigkeit" solcher Sidit überzeugend Muneo Nakamura, 401 ff. (405 Anm. 7).

Z Z P 1955,

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Ersichtlich sind die ganzheitlidien Funktionszusammenhänge Friedrich Weber nicht entgangen. Aus gutem Grund lehnte er ihretwegen die Erhebung der Masse zum selbständigen Rechtssubjekt ab. Das geschah gewiß nicht, wie man später meinte, mangels entsprechender Anhaltspunkte im Wortlaut der K O . Die Rechtssubjektivität einer „Masse" vermag in Wahrheit zur Erläuterung des besonderen rechtlichen Geschehens in der Insolvenz nichts beizutragen. Das gilt selbst dann, wenn man Hanisch^^ darin zustimmt, daß „eine statisch an der ursprünglichen Zuordnung orientierte Formel wie die, die Konkursmasse sei Rechtsobjekt und nicht Rechtssubjekt, wertlos ist", solange „sie die tiefgreifenden Veränderungen nicht in sich aufnimmt, deren Wirkung darin besteht, daß dieses Vermögen mit einer ganz anderen als der ursprünglichen Zwedibindung unter fremdbestimmter Verwaltung endgültig der Gesamtgläubigerbefriedigung zur Verfügung gestellt wird". Diese „tiefgreifenden Veränderungen" insolvenzrechtlicher H e r k u n f t lassen sich eben nicht mit der bloßen Zuordnung des Verwalter-Handelns zu einer juristisch verselbständigten Masse als vermeintlich „neuem" rechtlichen Bezugs-Vermögen erklären. Die neue Zuordnung vermag allenfalls eine juristische „Enteignung des Schuldners" zu erläutern. Nicht den mindesten Ansatzpunkt liefert sie f ü r sachliche Schlußfolgerungen hinsichtlich der spezifischen konkursrechtlidien Besonderheiten. Weder die Gläubigeranfechtung einfacher nachkrisenzeitlicher Schuldbegründungen, die zu Lasten der Masse entstanden sind, noch irgendwelche Wahlbefugnisse zu ihren Gunsten bei beiderseits noch nicht voll erfüllten gegenseitigen Verträgen vermag sie dem Verständnis näher zu bringen. Alle diese Eingriffe in das „System" betreffen die Gläubigerseite, nicht das Schuldnervermögen! Es ist daher f ü r sie nicht entscheidend, ob man letzteres ähnlich einer Stiftung zum selbständigen Rechtssubjekt erklärt oder nicht. Alle Regeln der Begründung oder Übertragung einzelrechtlicher Rechtszuständigkeit wurden in diesen Fällen strikt beobachtet. Ein nachträglicher Wechsel der Rechtszuständigkeit vermag zu deren späterer „systemwidrigen" Mißbilligung nicht das Geringste beizutragen. Erst die Einbeziehung der Gläubigerseite, namentlich die Berücksichtigung der auch dort entstandenen „Funktions"-Veränderung verändert das rechtliche Bild. Es bedarf hier keinerlei Fiktion, der Einfluß des Gläubigerlabyrinths auf deren Keditsausübung ist unübersehbar. Der rein fiktive Rückgriff auf eine nachträgliche „Anlehnung" durchaus sàmìdnerfremder Rechte an einen, wenn auch verselbständigten Teil des Schuldner-Vermögens ist dogmatisdi gänzlich unergiebig. Er vermag jedenfalls den Systembruch sonst maßgeblicher

A. a. O., S. 285.

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Zweckbestimmung subjektiver (Gläubiger-)Kedite durch einen beschränkteren Rechtsträger der ΒώκΙάπετ^ύχ^ kaum zu verbergen. Alle funktionelle Überlegungen gipfeln vielmehr in der unabweisbaren Feststellung, daß sie sich zur Begründung weder subjektiver Rechte, noch neuer Rechtsträgerschaft, ganz gewiß auch nicht im Konkurs verwenden lassen. „Funktionale Wertungsjurisprudenz", von der Hanisch^^ spricht, die „induktiv" zum Allgemeinen fortschreitend ein neues dogmatisches System gewinnen möchte, gerät in Widerspruch zu sich selbst. Auf ihrem Weg zum Allgemeinen geht das funktionell Besondere des Konkreten verloren, weil es sich nur durch der Umund Mitwelt gegenüber „offene" Ganzheitsbegriffe erschließen läßt. Durch ihre Entgegenständlichung und Dynamisierung bedeutet jede Verselbständigung einer Funktionseinheit mit ihrer Einbettung in den Fluß der Gesamtevolution von Um- und Mitwelt eine Auflockerung kategorialer Systembegriffe, die deren äußerer, technischer Beherrschung zugrunde liegen. Gewiß, keine Streit-Entscheidung kann auf die Verwendung abstrakter, allgemeiner Systembegriffe, wie sie „das subjektive Recht" oder auch „das Rechtssubjekt" darstellen, gänzlich verziditen. Aber man sollte die Bedeutung einer solchen Streit-Entscheidung nicht überschätzen. In Wahrheit kann ihr nur eine den Interessengegensatz in den mitmenschlichen Beziehungen übersteigernde „Konfliktstheorie" unter grober Verkehrung des Regel-Ausnahmeverhältnisses zwischen richterlicher und alltäglicher Rechtsfindung, Modellcharakter verleihen wollen. In vielen Grenzfällen gerichtlicher Entscheidung kann diese sinnvoll nur unter voller Berücksichtigung der konkreten, funktionellen Rechtsinhalte getroffen werden. Die dynamische Verselbständigung der jeweiligen Reditsinhalte tritt dabei erst unter Einbeziehung aller Umstände des einzelnen Falles samt derem wirksamen Umweltsbezug hervor. Nur mit ihm vermag sich die Rechtsausübung ihre „funktionale Elastizität" zu sichern, die für die konkrete Rechtsentfaltung unentbehrlich ist. Zutreffend hebt Wolfgang Siebert die subjektdurchlässige, äußerstenfalls sogar subjektlose Konformation komplexer umweltverbundener Geschehensstrukturen hervor. Bei der Erläuterung des Grundsatzes von Treu und Glauben, des Mutterbegriffs des ,venire contra factum proprium' betont er, daß dieses rechtsgestaltende Prinzip stets für alle an einem Rechtsverhältnis Beteiligten gilt, niemals nur für oder gegen eine Seite wirksam sein könne^^. Darin liegt auch der Grund, weshalb der Konkurs, obgleich er seinen Namen von der Gläubigerseite bezieht, funktionell-sinnvoll nur unter Einbeziehung der „Insolca Α. a. о., S. 90. Soergel-Siebert,

§ 242 Rdz. 5.

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Venz" auf der Schuldnerseite seinem Inhalte nadb zu erfassen ist. Jede Funktionsanalyse, gleichviel von welcher Seite sie in Angriff genommen wird, bestätigt die bereits gewonnene Erkenntnis, daß es bei ihm stets nur um bereits entstandene, schon begründete Rechte geht. Unter funktionellem Aspekt wird sein Wesen durch eine Verlustbeteiligung dieser Gläubigerforderungen begründet. Selbst bei Vollbefriedigung der Gläubiger, einem völlig modellwidrigen Ausnahmefall, erzwingt die erforderliche Liquidation deren Gemeinschaft zumindest hinsichtlich des Zinsverlustes während der Abwicklungszeit, § 63 Nr. 1 K O , § 29 N r . 1 VglO. Der Konkurstheoretiker mag dazu neigen, die funktionelle Verankerung dieses Verlustes zu vernachlässigen. Der Praktiker weiß, daß darin die tragfähige Grundlage einer rein moratorialen Sanierung liegen kann. Sie allein rechtfertigt es, auch Moratorien in ein einheitliches Insolvenzsystem einzubeziehen. Von Abwicklungsund Risikounkosten zur Massemehrung abgesehen können somit keine Gläubigerbelange einen sachlichen Ansatzpunkt dafür bieten, aus welchen allgemeinen Billigkeitsgesiditspunkten auch immer, unbeteiligten Neugläubigern Ansprüche gegen die insolvenzreditliche Verlustgemeinschaft zuzuerkennen. Sie sind mit dem Liquidationsprinzip einer geordneten Konkursabwicklung schlechterdings unvereinbar. Gänzlich abwegig ist es, den Sozialplan gewissermaßen als Gesetz zu behandeln und erst seinem Zustandekommen „konstitutive Wirkung" beizulegen, wie das Heinze^^ vorschlägt, indem er eine zuvor bestehende Anspruchsgrundlage aus dem Arbeitsverhältnis ausdrücklich verneint. Solche Konstruktion gerät unversehens in den Bereich fiktiver Rückwirkungen, die Mitgläubigern gegenüber den Charakter einer Enteignung besitzen. Fragt man sich abschließend, wie denn, wenn schon nicht mit Sozialplänen, den verheerenden sozialen Auswirkungen unseres gegenwärtigen Pleitebooms innerhalb des Insolvenzrechts zu begegnen sei, so fällt die Antwort nicht schwer. Ein homogenes Insolvenzrechtssystem nach neuem französischen Muster, bei dem die Betriebserhaltung und die Vermeidung der Zerschlagung von Goodwillwerten auf einer absteigenden Skala der Reorganisation, Sanierung und schonender Liquidation der Betriebe zum Zuge kommt, dient dem am besten. Arbeitsrechtliche Sozialforderungen der Betriebsmitglieder können bei einer solchen Lösung individuell und insoweit Berücksichtigung finden, als sie Ansprüche aus beiderseits noch nicht voll abgewickelten gegenseitigen Arbeitsverträgen darstellen. Der erwähnte „Einstand" des einzelnen Betriebsangehörigen ist hier mit dem „angetretenen" Dienstverhältnis des § 22 K O identisch. Bei diesem wird die einseitige » A. a. O.. S. 1816 f.

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Wahlbefugnis des Verwalters aus § 17 K O durch ein beiderseitiges Kündigungsrecht mit einer gegenüber vertraglicher Vereinbarung vorrangigen gesetzlichen Befristung ersetzt. Diese Spezialregelung trägt dem (auch) von Arbeitnehmerseite aus über den Leistungsaustausch hinaus mit bestimmter außerbetrieblidier funktionaler Zwecksetzung „auf Dauer" angelegten Dienstverhältnis Rechnung. Der Gesetzgeber mußte den gleidien funktionalen Gesichtspunkt bei bereits „überlassener" Miet- oder Paditsache entsprechend würdigen. In der Insolvenz ihres Stammbetriebes kann deshalb älteren Arbeitnehmern mit längerer Betriebszugehörigkeit in gezielter, individueller Weise insolvenzrechtlich nur durch angemessene Verlängerung ihres gesetzlichen Kündigungssdiutzes geholfen werden. Während der längeren Kündigungsfristen erwachsen ihnen dann Lohnansprüche, die als Masseschulden vorab aus der Masse zu befriedigen sind, § 59 Nr. 2 KO. Auch wenn man sich über unsere erörterten, vom materiellen Reciitssystem unabhängigen Einwände hinwegsetzen wollte, böte ein in der Insolvenz verspätet erstellter Sozialplan bei heutiger Quotenarmut oder gar Quotenlosigkeit des Konkurses nur geringen Schutz. Außerhalb des Geltungsbereichs von § 17 ff. K O wären Sozialplanansprüche allenfalls nicht bevorrechtigte Konkursforderungen^®. Selbst die hier vorgeschlagenen, de lege ferenda tunlichst zu erweiternden Masseschuldansprüche von Betriebsangehörigen mit längerer Betriebszugehörigkeit besitzen bei der derzeitigen Aushöhlung der Massen durdi „konkursfeste", unsichtbare Sicherungsrechte des Geldund Warenkredits nur bescheidenen wirtschaftlichen Wert. Zusätzliche Hilfe ist unumgänglich. Sie kann aber nicht in schlichter „Umverteilung" des Sicherungsgutes der Geld- und Warengläubiger bestehen. So spricht alles für dessen „konkursentsprechende" Belastung. Sie ist auch gesamtwirtschaftlich gesehen erwünscht, um den Geld- und Warenkredit nachhaltig aus der Rolle eines stillen, aber nichthaftenden Teilhabers vieler am Bedarf vorbei aufgeblähter Unternehmen zu verdrängen. Dazu genügt es, die Einziehung aller nur sicherheitshalber „still" abgetretener gemeinschuldnerischen Rechte und die Verwertung von allen nicht im Besitz des Sicherungsgläubigers befindlicher beweglichen Gegenstände der Masse ungeschmälert und gegen angemessenes Entgelt der Konkursverwaltung (wieder) zu belassen. Eine Neufassung und Klarstellung der Bestimmungen über die Pfandverwertung in § 127 K O reicht aus. Sie hätte die rechtlichen Überlegun2« So zutreffend Uhlenbruck, KTS 1973, S. 93 unter D II und BB 1973, S. 1360 unter С II, der aber im übrigen die in allen Insolvenzfällen eintretende funktionelle Änderung der Rechtslage durdi den „materiellen Konkurs" mit dessen Durdigriff auf eine goodwillwahrende Keditsausühung nidit berücksichtigt.

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gen, die der Gesetzgeber schon § 27 VglO zugrunde legte, folgerichtig zu Ende zu denken^^. Dann könnte der Stamm alter Betriebsangehöriger als echte „Nachhut" während entsprechend verlängerter Kündigungsfristen vom Verwalter produktiv mit der Erhaltung, Verwaltung und Verwertung aller zur „Masse" als Funktionseinheit zählenden „Pfänder" in einer mit der Gesamtabwicklung des Konkurses abzustimmenden, vertretbaren Form beschäftigt werden. Soldie (teilweise) Gleichstellung von Sicherungsgläubigern und längerfristig beschäftigten Betriebsangehörigen läßt sidi rechtsinhaltlidi begründen. Der Konkurs macht beider schonende „Entflechtung" aus dem unternehmerischen Betrieb erforderlich. Ob diese Nutz- oder Leihwerte in das Unternehmen „dinglich" oder „quasidinglich" einbrachten, was von der K O beim Arbeitsverhältnis als „antreten" bezeichnet wird, begründet aus funktioneller Sidit keinen betrieblichen Unterschied. Volkswirtschaftlich bietet sich hier dem deutschen Gesetzgeber ein gangbarer Mittelweg. Er liegt zwischen der insolvenzrechtlichen Lösung des Auslandes, die das kautelarjuristisch überzüchtete Netzwerk von Sicherungsrechten fehlender Verlautbarung überhaupt aus seinen Konkursen verbannt, und der heutigen deutschen Sicherungspraxis.

" Dazu bereits KTS 1970, S. 112 ff.

Die Interventionsklage als zivile Negatoria KARL AUGUST BETTERMANN

„Die Widerspruchs- oder Interventionsklage des Dritten kann gesetzgeberisch verschieden gestaltet sein. Entweder wird der Ausgang davon genommen, daß das Recht des Dritten verletzt ist; dann ist die Klage nur ein besonders geregelter Fall der negatorischen Klage oder der negativen Feststellungsklage, aber auch notwendig auf absolute Rechte beschränkt (privatrechtliche Auffassung). Oder der Ausgang wird von dem Übergriff der staatlichen Vollstreckung genommen; dann ist das Ziel der Klage lediglich eine Entscheidung, durch die dem Vollstreckungsakt seine Zulässigkeit nachtragUò genommen wird, weil der von der Vollstreckung betroffene Gegenstand nicht oder nicht nur zu dem Vermögen gehört, das nach dem Titel der Vollstreckung unterworfen ist^." Diese Sätze aus dem führenden Kommentar zur Z P O sind charakteristisch f ü r die Art und Weise, wie die Zivilprozeßrechts-Doktrin sidi publizistisch gebärdet und das Prozeßredit gegen das materielle Recht ausspielt durch falsche Alternativen und schiefe Konfrontationen.

I. 1. „Verletzung der Rechte des Dritten" und „Übergriff der staatlichen Vollstreckung" sind keine Gegensätze! Der Verwaltungsrechtssdiutz ist bekanntlich im positiven Recht^ an der Verletzung des Bürgers bzw. Klägers in seinen Rechten aufgehängt. „Übergriffe der staatlichen Vollstreckung" in das Recht oder die Rechtsposition Dritter verletzen deren Redite — jedenfalls dann, wenn unter Übergriff der rechtswidrige Eingriff verstanden wird; andernfalls wird das Recht des Dritten mindestens beeinträchtigt. 2. Wenn Angriffsobjekt der Interventionsklage der Übergriff der staatlichen Vollstreckung wäre, dann handelte es sich um eine Streitigkeit des öffentlichen Rechts. D a n n wäre die Klage auf Unterlassung und Aufhebung von Hoheitsakten gerichtet: auf Beseitigung der schon getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen (Folgenbeseitigung!) und auf Unterlassung weiterer Vollstredcungsakte. Beides mag man dahin zusammenziehen, daß man die Zwangsvollstreckung f ü r unzulässig ' Münzberg in Stein-Jonas-Pohle, Kommentar zur ZPO, 19. Aufl., § 771 I 1 b). 2 §§ 42 II, 113 1 1 VwGO, § 40 II FGO.

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erklärt. Aber ein solches Urteil und die entsprechende Klage müßten dodi wohl gegen den Hoheitsträger gerichtet werden, von dem solche Hoheitsakte vorgenommen oder zu erwarten sind. Doch passivlegitimiert für die Interventionsklage ist nadi dem Gesetz der vollstreckende Gläubiger, neben dem auch der Schuldner verklagt werden kann, § 771 II. Niemand fordert, die "Widerspruchsklage gegen den Staat als Träger der Vollstreckungsgewalt zu richten. Aber niemand unter den Anhängern der publizistischen oder prozessualen Theorie macht sich Gedanken über diese Anomalie eines Zivilprozesses zwischen Zivilpersonen über die Befugnisse des Staates. 3. Seltsam müßte es den „Publizisten" auch erscheinen, daß die Zulässigkeit der Vollstreckung als staatlichen Handelns davon abhängen soll, ob der Dritte ein besseres Recht am Vollstreckungsobjekt als der Vollstreckungsgläubiger hat. Auch die Publizisten bezweifeln nicht, daß das „die Veräußerung hindernde Recht" des § 771 I ein Privatrecht ist® und daß es bei § 771, wie bei § 805, um einen Rangstreit zwisdien Drittem und Vollstreckungsgläubiger geht. Deswegen wird der Interventionsprozeß ja zwischen diesen beiden Zivilpersonen ausgetragen, nicht zwischen dem Dritten und der Justiz. Die Anhänger der publizistischen Theorie können das nicht erklären; sie halten eine solche Erklärung nicht einmal für nötig.

IL 1. Die Vollstreckung, der ein „die Veräußerung hinderndes Recht" des Dritten entgegensteht, ist nicht prozessual, sondern nur materiell unzulässig. Die Vollstreckungsorgane handeln nicht rechtswidrig, solange ihnen kein Interventionsurteil vorliegt. Rechtswidrig handelt nur der Gläubiger, nicht der Staat, beim „ÜbergrifF" in das Vermögen oder bessere Recht des Dritten. Prozessual-publizistisch, d. h. im Verhältnis des Dritten zum Staat, ist die Vollstreckung zulässig und daher reditmäßig. Unzulässig ist sie nur im Verhältnis des Dritten zum Gläubiger. Dieses Rechtsverhältnis aber gehört dem Privatrecht an, wenn das öffentliche Recht der Inbegriff der Normen ist, die einen Träger öffentlicher Gewalt als solchen berechtigen oder verpflichten. Die Vollstreckungsbefugnisse der Vollstreckungsorgane regelt das öffentliche Recht, die Vollstreckungsrechte des Gläubigers gegenüber dem Schuldner und gegenüber Dritten sind Bestandteile des Privatrechts. Die Rechtskreise „Bürger-Staat" und „Bürger-Bürger" müssen auch und gerade im Vollstreckungsrecht auseinandergehalten werden. 3 Münzberg, a. a. 0 . 1 1 b) u. I I 1.

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Auf ihrer sorgfältigen Untersdieidung beruht das RechtsbehelfsSystem des achten Büchs der ZPO, das ohne sie nidit verstanden werden kann. § 771 betrifft und schützt, wie § 767 und im Gegensatz zu § 766, den privatrechtlichen und materiellrechtlichen Rechtskreis. Das die Veräußerung hindernde Recht des § 771 ist stets ein materielles und ein privates Recht^ — selbst dann, wenn es durch Hoheitsakt begründet ist, wie z. B. durdh Enteignung, diktierten Vertrag, behördliche Zuweisung, gerichtliche Überweisung oder Pfändung. 2. Ob es ein dingliches Recht sein muß oder ob ein obligatorisches Redit genügt, ist eine andere Frage. Sie hat nidits zu tun mit der privaten oder publizistischen Zuordnung der Interventionsklage. Die privatreditliche Auffassung beschränkt die Intervention keineswegs notwendig auf absolute oder dingliche Rechte — denn auch die obligatorischen Widerspruchsrechte sind sämtlich privatrechtliche — nodi zwingt die publizistisdi-prozessuale Auffassung zur Einbeziehung audi der Ansprüche auf reddere. Darüber, welche Rechte die Kraft zur Intervention haben, sagt der Streit zwisdien privatreditlidier und öffentlich-rechtlicher oder zwischen materieller und prozessualer Theorie gar nichts aus. Daß die Interventionsklage als negatorische Klage oder negative Feststellungsklage „notwendig auf absolute Rechte beschränkt sei"®, ist offensichtlich falsch. Gegenstand einer negativen Feststellungsklage kann jedes — auch obligatorische — Recht, aber auch jedes Verhalten sein. Audi die negatorische Klage in ihren beiden Erscheinungsformen der Beseitigungs- und der Unterlassungsklage ist längst nicht mehr auf absolute Rechte beschränkt, sondern die Reditsprediung hat sie der rechtswidrigen Beeinträchtigung jedes geschützten Rechtsguts eröffnet. Jede unerlaubte Handlung im Sinne der §§ 823 ίϊ. BGB kann mit der Negatoria bekämpft werden. "Wer gegen die Qualifikation oder Interpretation der Interventionsklage als negatorische Klage polemisiert, darf die enorme Ausdehnung nicht ignorieren, weldie der Anwendungsbereidi der Negatoria in Gesetzgebung und Rechtsprediung erfahren hat.

III. 1. Nur die privatrechtliche Auffassung erweist den Interventionsprozeß als bürgerliche Rechtsstreitigkeit und begründet damit mühelos die Kompetenz der Zivilgeridite. Für die publizistische Theorie ^ So ausdrütklidi § 328 I 3 AO: »Weldie Rechte die Veräußerung hindern, bestimmt sich nadi bürgerlidiem Recht".

» Uünzheri, a. a. 0 . 1 1 b).

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müßte es sich u m eine Zivilprozeßsadie k r a f t besonderer Zuweisung handeln, weil die Zulässigkeit staatlicher Vollstreckung sich nach öffentlichem Recht bestimmt. Eine solche Zuweisung ist nicht leicht zu finden, da § 771 nur die örtliche und die funktionelle Zuständigkeit regelt, aber nidit den Rechtsweg. Doch macht sich auch über diese Frage kein Anhänger der „prozessualen" oder „publizistischen" Theorie Gedanken. 2. N u r als bürgerlidie Rechtsstreitigkeit ist der Interventionsstreit schiedsgerichtlidier Entscheidung zugänglich. Ginge es um die Z u lässigkeit staatlicher Zwangseingriffe und die Abwehr hoheitlidier Übergriffe, w ä r e f ü r eine Schiedsklausel nadi §§ 1025 ff. kein Raum®. D e n n über die Zwangsbefugnisse der Justiz können die Bürger weder disponieren noch judizieren: Weder können Gläubiger, Schuldner und D r i t t e darüber Schiedsverträge schließen noch private Schiedsrichter Schiedssprüche fällen. Dagegen sind die Vollstreckungsbefugnisse des Gläubigers gegenüber Schuldner und Dritten vergleidis- und sdiiedsfähig. 3. N u r deshalb ist audi R a u m f ü r ein Anerkenntnis. Ginge es um die Vollstreckungsbefugnis des Gerichtsvollziehers, würde dem Intervenienten das Anerkenntnis nichts nützen. I n den Kommentaren findet m a n lange Ausführungen darüber, w a n n und wie der beklagte Gläubiger anerkennen müsse, u m den Kostenvorteil des § 93 zu erhalten. Über die Zulässigkeit des Anerkenntnisses verliert man kein W o r t ; den Widerspruch zur prozessualen Konstruktion bemerkt m a n nicht.

IV. Unricbtig, mindestens ungenau ist die Behauptung, das Interventionsurteil nehme dem Vollstreckungsakt nachträglicii seine Zulässigkeit. Das Gesetz sagt, d a ß die Zwangsvollstreckung einzustellen und die bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln aufzuheben sind, wenn dem Vollstreckungsorgan die Ausfertigung des Interventionsurteils vorgelegt wird, §§ 775 N r . 1, 776. Erst von dieser Vorlage an, nicht bereits mit der Verkündung oder Zustellung des Interventionsurteils, aber auch nidit erst mit dessen Rechtskraft, w i r d die Zwangsvollstreckung prozessual unzulässig. Im Verhältnis zwischen Gläubi' So in der Tat Kisá JW 1933, 1349 zu LG Berlin I, das die Sdiiedseinrede an § 802 sdieitern ließ; Sáwal> ZZP 75 (1962), 263 zu BGH VII ZR 266/60, der die Frage für die Widersprudisklage des § 878 offen ließ; Thomas, Das privatreditlidie Sdiiedsgeridbtsverfahren (1957), S. 24.

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ger und Intervenient dagegen w a r sie von Anfang an rechtswidrig und hat der Gläubiger das, was er durch die Vollstreckung erworben hat, auf Kosten des Dritten ohne Rechtsgrund erlangt.

V. N u r die „privatrechtliche Auffassung" vermag auch die materielle Rechtskraft des Urteils im Interventionsprozeß zutreffend zu bestimmen. 1. Ginge es in diesem Prozeß um die Zulässigkeit des staatlichen H a n delns statt des Gläubiger-Verhaltens, so könnte das Urteil nicht die Bereicherungs- und die Schadensersatzklage des Dritten gegen den Gläubiger präjudizieren. R G Z 70, 25 hat aber mit Recht festgestellt, daß nach rechtskräftiger Sachabweisung der Interventionsklage kein Raum f ü r eine Bereicherungsklage auf Herausgabe des Versteigerungserlöses ist; denn mit der rechtskräftigen Feststellung, daß die Zwangsvollstreckung „materiell gerechtfertigt war", steht fest, daß der Gläubiger „den Versteigerungserlös dem Dritten gegenüber nicht ohne rechtlichen Grund erlangt hat oder, falls § 816 BGB anzuwenden ist, daß der Gläubiger zur Verfügung über die gepfändeten Sachen dem Dritten gegenüber materiell berechtigt w a r " . Umgekehrt steht mit der Rechtskraft des Urteils, welches der Interventionsklage stattgibt, fest, daß die vom Gläubiger gegen den Dritten betriebene Vollstreckung diesem gegenüber materiell rechtswidrig und die dadurch bewirkte Vermögensverschiebung rechtsgrundlos waren; denn „auf die Interventionsklage wird über materielles Recht der Beteiligten" — das sind Vollstreckungsgläubiger und Intervenient — „entschieden", R G Z 70, 27/8. 2. Zwar trifft es zu, daß das „die Veräußerung hindernde Recht" nicht den Streitgegenstand bildet und durch das Interventionsurteil nicht aberkannt oder zuerkannt wird. Aber viel zu eng, weil inhaltsleer, ist es, als Streitgegenstand das „Recht zum Widerspruch"^ oder die „Berechtigung oder Begründetheit des Widerspruchs"® zu bezeichnen®. Es geht vielmehr darum, ob der Gläubiger dem Dritten gegenüber berechtigt ist, in den „Gegenstand" wegen des titulierten Anspruchs hic et nunc zu vollstrecken. Nach Sachabweisung der Inter' Rosenberg, Zivilprozeßredit, 9. Aufl. 1961, S. 972. • die Münzberg (a. a. O. 1 e) hinter Note 18) f ä l s d i l ü mit dem „Bestehen des abstrakten Gestaltungsgrundes* gleidisetzt. » Dagegen sdion Bôttiéer, Dölle-Festsdirift (1963), Bd. I, S. 60, 61.

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ventionsklage ist daher ihre Erneuerung bei gleichgebliebener Sachund Rechtslage unzulässig, wenn man die Rechtskraft auch als Prozeßhindernis anerkennt. 3. Sollte trotz erfolgreicher Intervention die für unzulässig erklärte Vollstreckung wiederholt werden, so ist für eine erneute Widerspruchsklage weder Raum noch Bedürfnis: Die materiellrechtliche Unzulässigkeit der Vollstreckung, d. h. ihre Rechtswidrigkeit im Verhältnis zwischen Gläubiger und Drittem, steht bereits auf Grund des Vorprozesses fest^". Ihre publizistische Unzulässigkeit, d. h. ihre Rechtswidrigkeit im Verhältnis des Dritten zum Staat, aber ergibt sicii aus § 775 N r . 1 und ist — daher — mittels Erinnerung nadi § 766 geltend zu machen.

VI. Von hier aus wird deutlich, welchen Wahrheits- und Erkenntnisgehalt die übliche Charakterisierung der Interventionsklage als „prozessuale Gestaltungsklage" hat. 1. Weder der Erlaß noch die Zustellung des stattgebenden Urteils machen die bis dahin öffentlich-prozeßrechtlich zulässige Zwangsvollstreckung unzulässig. Sie wird es vielmehr erst mit der Vorlage des Urteils beim zuständigen Vollstreckungsorgan, §§ 775, 776. Vollstreckungsmaßnahmen, die zwischen Erlaß und Vorlage des Urteils vorgenommen wurden, waren und sind prozessual-publizistisch rechtmäßig^^. Die in §§ 775, 776 normierte "Wirkung des Interventionsurteils ist daher eine A r t Tatbestandswirkung: Erst die Vorlage des Urteils löst die Wirkung aus, daß die Justiz die Vollstreckung niciit fortsetzen darf und die schon getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen rückgängig machen muß. 2. Aber selbst wenn man hier nodi von einem Gestaltungsurteil oder von einer Gestaltungswirkung sprechen dürfte, ist solche „Gestaltung" nicht das Wesentliche des Interventionsurteils. Die prozessuale Unzulässigkeit der Vollstreckung ist nur eine Neben- oder Tatbestandswirkung. Zum Streitgegenstand der Interventionsklage gehört die „prozessuale" Zulässigkeit der Vollstreckung nicht. a) Gestritten und in materieller Rechtskraft fähiger Weise entschieden wird allein darüber, ob der Gläubiger dem Dritten gegenüber zur Vollstredcung, zur Zwangsveräußerung, berechtigt ist. Nicht die BeΒΰηϊώετ, a. a. О. "

Darauf weist Blomeyer,

A c P 165 (1965), S. 491, hin.

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fugnisse des Staates, sondern aussdiließlidi die Rechte und rechtlichen Möglichkeiten des Gläubigers stehen im Interventionsprozeß zur Entscheidung. Daher wird dieser Prozeß ausschließlich zwischen Gläubiger und Drittem ohne jede Beteiligung(smöglidikeit) des Staates und seiner Vollstreckungsorgane ausgetragen — als reiner Zivilprozeß zwischen Zivilpersonen, nicht anders als bei der Vollstreckungsgegenklage, die ausschließlich die zivilistisdie, nicht die publizistische, ausschließlich die materielle, nicht die prozessuale Rechtmäßigkeit der Vollstreckung zum Gegenstand hat. b) Das Etikett „prozessuale Gestaltungsklage" bezeidmet daher nicht das Wesentlidie und Charakteristische der Drittwiderspruchsklage. Sie ist, wie die Vollstreckungsgegenklage des § 767, eine Vollstrekkungs-zl^weÄr-Klage. Beide Klagen sind vollstreckungsrechtlidie Negatorien: Klagen, mit denen der „Vollstreckungsbetrieb" des Gläubigers oder einzelne von ihm veranlaßte Vollstreckungsmaßnahmen abgewehrt werden, weil sie im Verhältnis zwischen dem Gläubiger und dem von der Vollstreckung Betroffenen rechtswidrig sind. Der Gläubiger darf nach materiellem Recht überhaupt nicht (§ 767) oder nicbt in diesen Gegenstand (§ 771) vollstrecken — deshalb wird die Vollstreckung für unzulässig, d. h. für rechtswidrig erklärt. Damit wird dem Gläubiger die weitere Vollstreckung verboten. 3. Daß er nidit audi zur Beseitigung der sdion getroffenen „Vollstreckungsmaßregeln" verurteilt wird, sondern daß der Abwehrkläger durch Vorlage des Verbotsurteils beim Vollstreckungsorgan die Beseitigung erwirkt (§ 776), ist eine technische Vereinfachung. Sie ändert nichts an der negatorischen Funktion und der privatrechtlichen Struktur der Klagen aus §§ 767 und 771. Die in §§ 775, 776 angeordnete prozessual-publizistische Wirkung der diesen Klagen stattgebenden Urteile trägt dem Umstand Rechnung, daß die mit der Abwehrklage bekämpften Maßnahmen des Gläubigers zugleich staatliche Maßnahmen sind: daß der Gläubiger mit Hilfe des Staates, durch Zwangsvollsjredkung, in die Rechte oder Reditsgüter des Abwehrklägers eingreift, eingegriffen hat oder (bei § 767) einzugreifen droht. Dieser Eigenart des Gläubiger-Eingriffs muß der Abwehr-Reditsschutz angepaßt werden. Deshalb ist das Urteil auch mit Wirkung gegenüber den Vollstreckungsorganen ausgestattet worden: Seine Vorlage verbietet ihnen die Fortsetzung der Vollstreckung (bei § 767 auch den Beginn) und gebietet ihnen die Aufhebung der schon getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen, §§ 775, 776. 4. Daß sidi diese Regelung nahtlos mit dem negatorischen Charakter der Vollstrediungsabwehrklagen verträgt und sich an § 894 an-

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sdiließt, h a t A r w e d Blomeyer^^ überzeugend nachgewiesen. N u r hat er f ü r meinen Geschmack die beiden Klagen zu weitgehend egalisiert. Die Titel-Gegenklage des § 767 ist nicht nur Abwehrklage und nicht n u r ein Vollstreckungsreditsbehelf. Sie ist, wenn aus einem Urteil oder ähnlichem Riditerspruch vollstreckt wird, zugleich ein Rechtsbehelf gegen den Riciitersprudi und auf dessen Änderung gerichtet^®: auf Beseitigung seiner Vollstreckbarkeit. Die gleiche Wirkung tritt bei erfolgreicher Gegenklage gegen andere Vollstreckungstitel ein: Begründete Einwendungen gegen den titulierten Anspruch machen den Titel unvollstreckbar. Diese Beseitigung der Vollstreckbarkeit ist eine eindeutige und wichtige Gestaltung prozessualen Inhalts, die auch beantragt und bezweckt ist. Daher k a n n die Klage des § 767 mit ebensoviel Recht als prozessuale Gestaltungsklage wie als materielle Unterlassungs- und Beseitigungsklage begriffen und bezeichnet werden. Die Interventionsklage dagegen richtet sidi nicht gegen den Titel und dessen Vollstreckbarkeit, sondern n u r gegen einzelne Vollstrekkungsmaßnahmen: dagegen, d a ß aus diesem Titel auf Kosten oder zu Lasten Dritter vollstreckt wird, welche die Zwangsvollstreckung nicht zu dulden brauchen; dagegen, d a ß der Gläubiger mit seiner Zwangsvollstreckung in die Rechte Dritter eingreift, ohne dazu nach materiellem Recht^^ befugt zu sein. Die Interventionsklage ist daher eine exekutorische Negatoria. Die Gegenklage des § 767 ist mehr, indem sie auch den Titel angreift. Sie schneidet tiefer: bis zur Vollstreckbarkeit des Titels. Sie unterbindet die Vollstreckung durch Beseitigung der Vollstreckbarkeit des Titels wegen Wegfalls oder Undurchsetzbarkeit des Anspruchs.

VIL Noch an folgenden zwei Problemen zeigt sich die Überlegenheit des privatrechtlich-materiellen Verständnisses der Interventionsklage. 1. Einmal bei Übertragung des „die Veräußerung hindernden Rechts".

Rechtskraft- und Gestaltungswirkung der Urteile im Prozeß der Vollstreckungsgegenklage und Drittwiderspruchsklage, AcP 165, 481 ff. '' Darauf und damit auf die „Rechtsmittelähnlichkeit" der Klage aus § 767 habe idi bereits vor Gilles ZZP 83, 61 ff. in meinem 1968 gehaltenen Referat „Die Beschwer als Klagevoraussetzung" (Recht und Staat in Geschichte und Gegenwart, H e f t 386/87) hingewiesen. D a ß idi gleichwohl der „prozessualen" Interpretation von „Anspruch" und „Einwendungen" in § 767 durch Gilles nicht zustimme, ergibt sich aus der schon immer in meiner „Vollstreckung des Zivilurteils in den Grenzen seiner Rechtskraft" (1948) vertretenen Grundauffassung über das Verhältnis von Anspruch und Vollstreckbarkeit. " Einschließlidh des Anfeditungsgesetzes.

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Obwohl es nicht Streitgegenstand der Interventionsklage sei, soll es dodi als „streitbefangen" im Sinne des § 265 anzusehen sein — sagt Münzberg im Stein'sdien Kommentar^®. Bei den im gleichen Kommentar für § 265 zuständigen Cooperateuren Sòumann und Leipold^^ liest man, daß die Veräußerung des Eigentums am Vollstreckungsgegenstand als „Abtretung des Ansprudis", nämlich des Interventionsrechts oder des die Intervention „begründenden Rechts" anzusehen sei, weil „der bloß accessorisdie Übergang genüge". Die Dunkelheit dieser Sätze verrät die Unsicherheit der Autoren, die ihr richtiges Ergebnis nicht mit ihrer Theorie über den Gegenstand, das Ziel und die Funktion der Interventionsklage in Einklang zu bringen vermögen. "Wer dagegen die Drittwiderspruchsklage als Abwehrklage versteht, vermag die Anwendung des § 265 — und damit auch der §§ 325 und 727 — leicht und zwanglos zu erklären. Für ihn sind §§ 265, 325 und 727 im selben Umfange und unter den gleichen Voraussetzungen auf die Interventionsklage anwendbar, wie auf die rei vindicatio, die actio negatoria und die actio confessoria. Da die Interventionsklage nur die vollstreckungsrechtliche Variante der negatorischen Klage bildet, ist „Rechtsnachfolger" im Sinne jener Vorsdiriftenkette, wer in das Redit oder die Rechtsstellung succediert oder accediert, deren Störung oder Beeinträchtigung der Inhaber abzuwehren berechtigt ist. Daß bei der Klage aus § 1004 BGB die §§ 265, 325 und 727 ZPO einschlagen, wenn während des Prozesses'^ der klagende Eigentümer veräußert, ist anerkannt^®. Also greifen sie auch ein, wenn der Interventionskläger das von der Vollstreckung des Gläubigers beeinträchtigte Recht überträgt — jenes Recht, kraft dessen er der Vollstreckung „widerspridit", d. h. sie zu unterbinden sucht. 2. Schwer tut sich der Bundesgerichtshof^®, den Gläubiger für das Verschulden seines Anwalts, der die Freigabe des schuldnerfremden Vollstreckungsgegenstands verzögert hatte, nach § 278 statt nach § 831 BGB haften zu lassen. Der BGH bemüht sich um den Nadiweis einer „sachlich-rechtlichen Verpflichtung des Pfändungsgläubigers zur

§ 771 I I d) bei N . 20 a unter fälsdilidier Berufung auf OLG Hamburg MDR 1969, 673, welche Entscheidung nicht die Veräußerung des Vollstreckungsobjekts durch den Intervenienten, sondern durch den Gläubiger betrifft. Das OLG seinerseits nimmt für seine Ansicht, daß auch bei Veräußerung durdi den Interventionsbeklagten § 2 6 5 ZPO gelte, zu Unrecht Stein-Jonas (IS.AufL § 2 6 5 11 1) in Anspruch, weil diese sich nur zur Veräußerung durdi den Intervenienten äußern. Eine Kette von MißVerständnissen und Fehlzitaten! 1« § 265 Π 2 bei N o t e 19. " Oder auch nach seinem Abschluß bei §§ 325, 727. " B G H Z 18, 223 und die Kommentare zu § 265 ZPO. " B G H Z 58, 207 ff.

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gewissenhaften Prüfung der von dritter Seite erhobenen Ansprüche und ggf. zur Freigabe" (S. 212); nach hinreichender Glaubhaftmachung soll der Dritte einen Freigabeanspruch haben, der freilich nur im Wege der Klage aus § 771 ZPO durdizusetzen sei (S. 215). Diese Prüfungs- und Freigabepflidit qualifiziert der BGH als „privatrechtlidie Sonderbeziehung", welche die Anwendung des § 278 BGB rechtfertige — u. a. dann, wenn „der Pfändungsgläubiger das Freigabeverlangen durdi einen Rechtsanwalt prüfen lasse" (S. 215). Das zutreffende Ergebnis hätte der BGH einfacher begründen können. Er selbst hat den richtigen Weg gewiesen mit dem Satz: „Die Zwangsvollstreckung in schuldnerfremdes Vermögen stellt von Anfang an eine Störung der privaten Rechtslage dar" (S. 213). Damit sind § 1004 BGB und die übrigen Negatorien angesprochen. Das Eigentümer-Störer-Verhältnis ist aber ebenso ein gesetzliches Schuldverhältnis wie das Verhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer. Hier wie dort haftet der Beeinträciitiger des fremden Eigentums für das Verhalten seiner Gehilfen nicht nach § 831, sondern nach § 278 BGB"°. Und Störer i. S. des § 1004 ist nicht nur, wer selbst stört, sondern auch derjenige, der die Störung Dritter veranlaßt, insbesondere wer durch Dritte stören läßt. Die Störung ist kein eigenhändiges Delikt. Daher macht es keinen Unterschied, ob der Gläubiger selbst oder ob sein Anwalt in schuldnerfremdes Vermögen vollstrecken läßt. So wenig der Gläubiger im Interventionsprozeß sich hinter seinem mit der Vollstreckung beauftragten Anwalt verschanzen kann, so wenig kann er den Schadensersatzanspruch des durch die Zwangsvollstreckung geschädigten Dritten mit dem Mangel eigenen Verschuldens abwehren. Auch in dieser Frage nach der Haftung für unterlassene oder verspätete Freigabe und nach der Zurechnung des Anwalts- und Gehilfen-Verschuldens führt das Verständnis der Interventionsklage als Störungsabwehrklage zum richtigen Ergebnis, das die „prozessuale" Theorie^® nicht finden oder nicht erklären kann.

VIIL Große Mühe hat die herrschende Doktrin, die Sachabweisung der Interventionsklage zu rechtfertigen, wenn der Intervenient für den beizutreibenden Anspruch nach materiellem Recht haftet. Lange Zeit ''°Für Anwendung des § 166 auf § 990 BGB bei Bösgläubigkeit des Besitzdieners oder Besitzerwerbsgehilfen BGHZ 32,53, der aber über das Verhältnis von § 166 zu § 831 keine Klarheit gewinnt und die alte Leier schlägt, daß eine Stellvertretung beim Besitzerwerb „begrifflich" ausgeschlossen sei. 2» Von der sidi BGHZ 58, 212 ff. denn audi deutlidi distanziert.

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hat man den Haftungseinwand überhaupt nidht gelten lassen, wenn und weil die Haftung des Intervenienten nicht tituliert war2^. Danach hat man mit der exceptio doli operiert^^ — die übliche Ausflucht eines um eine juristische Begründung Verlegenen. 1. Jetzt heißt es bei Münzberg^^: „Wer nadi § 771 klagt, begibt sich auf die Ebene der materiellen Berechtigung eines Zugriffs auf den Vollstreckungsgegenstand und muß sich daher audi die materiell bestehende Haftung entgegenhalten lassen." Vor Tisdi las man's anders: sub I I b wurde die „privatrechtliche Auffassung" abgelehnt; auszugehen sei „von dem Übergriff der staatlichen Vollstreckung"; „Ziel der Klage" sei, „dem Vollstreckungsakt seine Zulässigkeit nachträglich" zu nehmen. Was die bloß materiellreditliche nidit titulierte Haftung des Drittberechtigten mit der Zulässigkeit der staatlichen Vollstreckung zu tun hat, bleibt das Geheimnis derjenigen, welche die prozessual-publizistische Zulässigkeit der Vollstreckung als Gegenstand der Interventionsklage ausgeben. Ganz anders sieht es aus, wenn man die Interventionsklage als Negatoria begreift. Nach § 1004 Abs. II BGB sind der Beseitigungs- und der Unterlassungsanspruch ausgeschlossen, wenn der Berechtigte die Störung oder Beeinträchtigung dulden muß. Das gilt für alle Fälle der Negatoria, weil es nur eine andere Umsdireibung dafür ist, daß die negatorischen Ansprüche und Rechtsbehelfe einen rechtswidrigen Eingriff voraussetzen. Eine Vollstreckung ist aber materiellrechtlich nicht rechtswidrig, wenn der von der Vollstreckung Betroffene — bei § 771 der Dritte — dem vollstreckenden Gläubiger für den zu vollstreckenden Anspruch mit dem Vollstredtungsobjekt haftet; denn Haftung ist nichts anderes als Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung. Wer haftet, muß die Zwangsvollstreckung dulden. Eben darum aber geht es auch im Interventionsprozeß: ob der Intervenient die Vollstreckung wegen des titulierten Anspruchs in diesen Gegenstand dulden muß oder abwehren kann. Der Interventionsprozeß ist ein Duldungsprozeß mit vertauschten Rollen. Die Interventionsklage ist eine negative Vollstreckungs-Duldungsklage, eine negative Haftungsklage^^. Weil der " R G Z 68, 426; R G JW 05, 89; O L G Düsseldorf JZ 1931, 3565; Königsberg O L G 6, 2 8 1 , 2 8 2 ; 18, 397 f. R G Z 81, 146; 134, 121; 143, 275; R G JW 1921, 1246; R G Warn 12, 158; K G O L G E 22, 250; O L G Frankfurt a. M. JW 1929, 2899. Selbst nodi Wolfram Henckel, Prozeßredit und materielles Recht (1970), S. 372/3. " A. a. O. III 4 c). Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile (1966) S. 108 bezeichnet die Haftungsklage als „das positive Gegenstück zur Drittwiderspruchsklage" — in Anknüpfung an Bötticher, a. a. O. S. 50 Anm. 16, daß die Duldungsklage des Gläubigers nach dem Anfechtungsgesetz das „Spiegelbild" zu § 771 sei. Beide halten aber die Drittwiderspruchsklage für eine prozessuale Gestaltungsklage.

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Intervenient dem Gläubiger für den titulierten Ansprudi nicht mit dem Gegenstand der Vollstreckung haftet, braucht er sie nicht zu dulden, sondern kann sie abwehren. 2. Er kann sie nicht mit Hilfe des § 771 abwehren, wenn er für den vollstreckbaren Anspruch haftet — sei es mit dem Vollstreckungsobjekt, sei es gar mit seinem ganzen Vermögen. Daß diese Haftung nicht tituliert ist, spielt für § 771 keine Rolle. Das kann und muß er im Rechtswege des § 766 geltend machen. Mangelnde Titulierung ist kein Interventionsgrund, sondern nur ein Erinnerungsgrund; denn sie betrifft die prozessual-publizistische, nicht die materiell-privatrechtliche Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung. Nur um diese, nicht um jene Zulässigkeit oder Rechtswidrigkeit aber geht es im Interventionsprozeß. Bei § 771 und bei § 767 steht die Vollstreckungsbefugnis des Gläubigers zur Diskussion: ob und worin er vollstrecken darf. Das bestimmt sich nach materiellem Recht; daher wird im ordentlichen Zivilprozeß darüber entschieden. Bei § 766 handelt es sich um die Zulässigkeit der Vollstreckung als Ausübung öffentlicher Gewalt, also um die Befugnisse des Staates als Inhaber des Gewaltmonopols: um das, was seine Vollstreciungsorgane tun oder unterlassen dürfen oder müssen. Daher die relative Formlosigkeit des Rechtsbehelfs, der je nach der Art des Vollstreckungsorgans Züge sowohl der verwaltungsbehördlichen Rechtsbehelfe als auch der verwaltungsgerichtlichen Klagen trägt: bald dem Einspruch, dem Widerspruch oder der Beschwerde des Verwaltungsverfahrens, bald der verwaltungsgerichtlichen Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage korrespondiert. § 766 und der ihm zugeordnete § 793 liegen im Funktionsbereich des Art. 19 IV GG: sie gewähren Rechtsschutz gegenüber der staatlichen Vollstreckungsgewalt — die Klagen aus §§ 767 und 771 eröffnen einen Streit der Bürger untereinander um ihr besseres Recht. Entscheidungsmaßstab ist hier das materielle Recht: bei § 767 der Fortbestand des beizutreibenden Anspruchs, bei § 771 die Zulässigkeit des Gläubigereingriffs in die Rechte oder Interessen des Dritten. Vollstreckungsgegenklage und Interventionsklage sind genuine Zivilprozesse, bürgerliche Rechtsstreitigkeiten i. S. des § 13 GVG — die Erinnerung und die Beschwerde nach §§ 767, 793 sind materiell und funktionell Verwaltungsrechtsbehelfe^®; sie begründen Streitigkeiten des öffentlichen Rechts, zu dem auch das Prozeßrecht einschließlich des Vollstreckungsrechts gehört. Geht es aber im Interventionsprozeß ausschließlich um die Vollstreckungsbefugnis oder Vollstreckungsmacht des Gläubigers und nicht Denn die Zwangsvollstreckung ist keine Reditsprediung i. S. des Art. 92 GG und der funktionellen Gewaltenteilung.

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um die der Justiz, so kann es für die Frage, ob das Widerspruchsredit des Dritten entfällt, wenn und weil er für den zu vollstreckenden Anspruch haftet, nicht darauf ankommen, ob diese Haftung tituliert ist. Denn vom Titel hängt nicht die Vollstreckungsbefugnis des Gläubigers, sondern nur diejenige des Staates ab. Das Titelerfordernis normiert nicht das materielle, sondern das Prozeßrecht. Wer meint, im Interventionsprozeß werde über die prozessuale Zulässigkeit der Vollstreckung entsdiieden, der darf dem beklagten Gläubiger den Haftungseinwand nidit gestatten, wenn die Haftung des intervenierenden Dritten nicht tituliert ist. Nur vom Boden der angeblidi so antiquierten materiellreditlidien Theorie lassen sidi die modernen Tendenzen rechtfertigen, dem Interventionsbeklagten den Einwand zu eröffnen, der Vollstreckungsgegenstand gehöre zwar nicht oder nicht allein dem Vollstreckungssdiuldner, aber der Interventionskläger hafte mit diesem Gegenstand für die Vollstreckungssdiuld. Wie so oft zeigt sich auch hier: Die Ansichten von gestern sind der Zukunft offener als die Meinungen von heute.

Zum Prozeßvergleich mit Widerrufsvorbehalt E R H A R D BÖKELMANN

Der VII. Zivilsenat des B G H hatte kürzlich darüber zu befinden, ob gegen die Versäumung der in einem Prozeßvergleich vereinbarten Widerrufsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich ist. Er hat diese Frage in einer inzwischen vielerorts veröffentlichten Entscheidung verneint^. Die Entscheidung gibt Anlaß zu einigen ergänzenden Bemerkungen^. L

Prozeßvergleidie kommen in der Praxis der ordentlichen Gerichte überaus häufig vor. Es soll erstinstanzliche Zivilkammern geben, die mehr als ein Drittel aller vermögensrechtlidien Streitigkeiten durch Vergleich erledigen®. Gemessen hieran wirkt das Schrifttum zum Prozeßvergleich umfangmäßig bescheiden. Unter den Autoren wurde lange Zeit vornehmlich die Frage nach der Reòtsnatur des Prozeßvergleichs erörtert. Die einen sahen in ihm einen rein privatrechtlichen Vertrag mit prozessualen Wirkungen^. Andere meinten, es handele sich um eine rein prozessuale Rechtsfigur®. Wieder andere zerlegten den Prozeßvergleich in einen selbständigen prozessualen und in einen davon unabhängigen materiellrechtlichen Teil (Lehre vom Doppeltatbestand)®. Diese Aufsplitterung eines einheitlichen reditlichen Vorgangs vermeidet die Lehre von der Doppelnatur; nach ihr ist der Prozeß vergleich sowohl Rechtsgeschäft (im Sinne des § 779 BGB), für » Urteîl V. 15. 11.1973 — V I I Z R 56/73 — B G H Z 61, 394; abgedruckt u. a. in N J W 1974, 107 und J R 1974, 198. ^ Der Beitrag wurde im September 1974 abgeschlossen. ' Die Rechtsordnung fördert zwar die gütliche Beilegung des Rechtsstreits (vgl. u. a. §§ 296 Abs. 1, 349 Abs. 1 Satz 1, 495 Abs. 2 ZPO). Die Gerichte sollten jedoch, wenn sie auf einen Vergleich hinwirken, Zurückhaltung üben. Abschreckendes Beispiel ist der in B G H N J W 1966, 2399 entschiedene Fall, in dem angenommen werden mußte, der Vergleich sei wegen Drohung seitens des Gerichts anfechtbar. * Hauptsädilidi Rosenberg, Zivilprozeßrecht, bis zur 9. Aufl. 1961, § 1 2 8 ; seit der 10. Aufl. folgt das von Schwab fortgeführte Lehrbuch der herrschenden Meinung (s. unten Fn. 7). ® So heute noch BaumbaàjLauterbadìlAlberslHartmann, Z P O , 32. Aufl. 1974, Anh. 2 A nadi § 307. ' Zuletzt vertreten vor allem von Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozeßhandlung einer Partei im Zivilprozeß, 1957 (identisch 2. Aufl. 1972) S. 194 ff., der diese Meinung jedoch in Z Z P 87, 133 aufgegeben hat.

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das die Regeln des materiellen Rechts gelten, als auch Prozeßhandlung, die den Grundsätzen des Prozeßrechts folgt. Diese letztere Auffassung ist heute die eindeutig herrsdiende^. Audi der B G H hat sich wiederholt zu ihr bekannt®. Der VII. Zivilsenat k n ü p f t nicht an diese gefestigte Rechtsprechung an, sondern läßt ausdrücklich offen, ob der Prozeßvergleich mit der herrsdienden Meinung als mit einer Doppelnatur ausgestattet anzusehen ist oder nicht. Das mag auf erste Sicht verwundern. Indessen ist zu berücksichtigen, daß der Senat, wie noch zu erörtern sein wird, entscheidend auf einen anderen Gesichtspunkt abstellt, nämlich auf den Unterschied zwischen einer gesetzlich bestimmten und einer vertraglich vereinbarten Frist; er versagt die Wiedereinsetzung, weil es sich bei der Widerrufsfrist um eine von den Parteien vereinbarte Frist handele. Von diesem Standpunkt aus konnte er die Rechtsnatur der Vereinbarung oifen lassen. Die Beschränkung auf die tragenden Gründe der Entscheidung entspricht schließlich alter Richtertugend®. Hinzu kommt noch, daß auch Säcker, der Hauptverfediter der gegenteiligen Auffassung (wonach die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Widerrufsfrist in sinngemäßer Anwendung der §§ 233 ff. Z P O zulässig sein soll), seine Lösung nicht aus einer Stellungnahme zu dem Problem entwickelt, wie der Prozeßvergleich systematisch einzuordnen ist^". U m so weniger bestand dazu Anlaß f ü r den B G H . Deshalb wäre es sicher falsch, wollte man in der vorliegenden Entscheidung den Beginn einer Umorientierung sehen. Ebenso falsch wäre es, die Entscheidung als Beleg für eine nachlassende Bedeutung der Einordnungsfrage anzuführen. Fehlgegangene Prozeßvergleiche pflegen vielfältige Probleme aufzuwerfen, von denen sich nur die wenigsten ohne Stellungnahme zur Frage der Rechtsnatur sachgeredht lösen lassen. ^ Vgl. u. a. Stein/JonasIMünzherg, ZPO, 19. Aufl. 1972, § 794 Anm. II; Thomas! Putzo, ZPO, 7. Aufl. 1974, § 794 Anm. II 1 a; RosenbergISéwab, Zivilprozeßredit, 11. Aufl. 1974, § 132 III 1 c; Blomeyer, Zivilprozeßredit, 1963, § 65 III; Bernhardt, Zivilprozeßredit, 3. Aufl. 1968, § 41 II; Bruns, Zivilprozeßredit, 1968, § 30 III 2; Lent!Jauernig, Zivilprozeßredit, 17. Aufl. 1974, §48 11; Schonke-Kuòinke, Zivilprozeßredit, 9. Aufl. 1969, § 72 V; Nikisá, Zivilprozeßredit, 2. Aufl. 1952, § 70 I 1; Zeiss, Zivilprozeßredit, 1971, § 6 6 IV 1; Lüke, JuS 1965, 482; Henckel, Prozeßredit und materielles Redit, 1970, S. 39. 8 и . а. in BGHZ 16, 388, 390 (П. Zivilsenat); 28, 171, 172 (VII. Zivilsenat); 41, 310, 311 (I Ь-Zivilsenat); 46, 277, 278 (IV. Zivilsenat); BGH LM BGB § 130 Nr. 2 = JR 1955, 179 (IV. Zivilsenat). • Nadi der Gesdiäftsordnung des BGH sollen sidi Tatbestand und Entsdieidungsgründe auf das Wesentlidie und den Gegenstand der Entsdieidung besdiränken, vgl. Sálüter, Das Obiter Dictum, 1973, S. 1 ff. " Sä(ker, ZZP 80, 421; NJW 1967,1117; NJW 1968, 708.

Zum Prozeßvergleidi mit Widerrufsvorbehalt

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Den Vorzug verdient dabei noch immer die herrschende Auffassung, die dem Prozeßvergleich materiellrechtlidie und prozessuale Wirkungen beimißt. Diese simultane Einordnung in zwei Rechtsbereiche entspricht dem Parteiwillen am besten. Die Parteien wünschen eine Klärung ihrer privatreditlichen Beziehungen (deswegen haben sie letzten Endes prozessiert) und sie wollen den Prozeß beenden; beide Ziele sind untrennbar miteinander verknüpft. Deshalb hat der gericihtlich abgeschlossene Vergleich grundsätzlich" „zwei Seiten, eine die streitigen Ansprüche regelnde sachlich-rechtliche und eine die Beendigung des Rechtsstreits herbeiführende verfahrensrechtliche Seite"i2. Aus der Doppelnatur des Prozeßvergleichs folgt seine doppelte Anfälligkeit. Er kann sowohl aus materiellrechtlichen als auch aus prozessualen Gründen unwirksam sein. Beidemal entfällt die Vergleichswirkung im ganzen. Nach herrschender Meinung ist der Prozeßvergleich (nur) aus Gründen des materiellen Rechts unwirksam, wenn er unter Vorbehalt des Widerrufs geschlossen ist und die widerrufsberechtigte Partei rechtzeitig widerruft^®.

IL Daß ein Prozeßvergleich unter Vorbehalt des Widerrufs abgeschlossen werden kann, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Aber die gesetzliche Regelung (hauptsächlich enthalten in § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) ist ohnehin lückenhaft und steht mindestens nicht entgegen. Die Praxis kann jedenfalls ohne den (üblicherweise befristeten) Widerrufsvorbehalt nicht auskommen. In vielen Fällen ließe sich ein Vergleich vor Gericht gar nicht erzielen, wenn man den Parteien keine Überlegungsfrist zugestehen könnte. Vor allem pflegen Anwälte in Abwesenheit ihrer Parteien häufig nur unter Widerrufsvorbehalt abzuschließen. Die Zulässigkeit einer solchen Klausel steht heute außer Streit". Die Widerrufsklausel kann drei verschiedene Bedeutungen haben. Man kann in der vorbehaltenen Möglichkeit, den Vergleich nicht ' ' Abgesehen von dem mehr theoretisdien Fall des sog. „abstrakten" Prozeßvergleichs; vgl. dazu etwa Henckel, a. a. O. " B G H L M BGB § 130 N r . 2 = J R 1955, 179. " Vgl. B G H Z 46, 277, 278 : „Der Vorbehalt des Widerrufs seitens der Parteien oder einer von ihnen ist Gegenstand des sadilidireditlidien Vergleidisinhalts.. ähnlich B G H L M BGB § 130 N r . 2 = J R 1955, 179. Audi wer Bedingungen im Prozeßvergleich sonst für unzulässig hält, läßt Jedenfalls den Widerrufsvorbehalt zu; vgl. Baumgärtel, Wesen und Begriff der Prozeßhandlung einer Partei im Zivilprozeß, 1957, S. 199, 200.

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wirksam werden zu lassen oder ihn wieder zu beseitigen, eine aufsdiiebende Bedingung, eine auflösende Bedingung oder einen vertragsmäßigen Rüdetritt sehen. Verbreitet begegnet man der Auffassung, daß Prozeßparteien, die sich den Widerruf eines gerichtlich geschlossenen Vergleichs vorbehalten, damit regelmäßig ein Rücktrittsrecht im Sinne der §§ 346 ff. BGB vereinbaren. Das widerspricht jedoch dem bei der Auslegung nach allgemeinen Kriterien (§§ 133, 157 BGB) zu berücksichtigenden wohlverstandenen Interesse der Vertragspartner. Die RücJitrittserklärung ist ein neues, selbständiges Rechtsgesdiäft. Sie löst Rückgewährpfliditen aus, wirkt also nur schuldrechtlich und nicht dinglich. Eine solche Konstruktion entspricht der Vorstellung der Parteien wohl nur selten. Meist wollen diese ihre Verhältnisse durch ein Redatsgeschäft, eben den vom Gericht protokollierten Vergleicii, endgültig regeln und nur den Eintritt oder den Fortbestand der Y&r^ààiswirkung vom NichtWiderruf innerhalb bestimmter Frist abhängig machen. Das spricht grundsätzlich für die Vereinbarung einer Bedingung. Dabei liegt die aufschiebende Bedingung (§158 Abs. 1 BGB) näher als die auflösende (§158 Abs. 2 BGB). Ob es zutrifft, daß ohnehin allgemein die Vermutung für eine als aufschiebend gewollte Bedingung spricht^®, braucht hier nicht untersucht zu werden. Denn jedenfalls ist im Zweifel nicht anzunehmen, daß die in einem Prozeßvergleich mit Widerrufsvorbehalt übernommene Leistung sofort verlangt (und beigetrieben) werden kann und daß der Prozeß sofort endet. Vielmehr geht die Vorstellung der Parteien gewöhnlich dahin, daß sämtlidie Vergleidiswirkungen erst eintreten sollen, wenn die Widerrufsfrist ungenutzt abgelaufen ist. In aller Regel ist deshalb eine aufschiebende Bedingung vereinbart, wenn sich die Parteien unter Vorbehalt des Widerrufs vergleichen^®. Der Nicht-Widerruf innerhalb der Frist ist das zukünftige ungewisse Ereignis, von dessen Eintritt die Wirksamkeit des Vergleichs abhängt^^.

^^ Planá-Flad, BGB, 4. Aufl. 1913, § 1 5 8 Anm. 5; EnnecceruslNipperdey, Allgemeiner Teil, 2. Halbband, 15. Aufl. 1960, § 194 III 3. " Stein/Jonas/Münzberg, a . a . O . , N . 155; Rosenberg, Zivilprozeßredit, 9. Aufl. 1961, § 128 III 2 i; Bonin, Der Prozeßvergleidi unter besonderer Berücksichtigung seiner personellen Erstreiung, 1957, S. 50; ThomasjPutzo, a . a . O . , § 7 9 4 Anm. II 4 e ; Nikisch, a . a . O . , § 7 0 IV 1; Bergerfurth, N J W 1969, 1797, 1800; Säcker, Z 2 P 80, 421, 422; vgl. auch BGHZ 46, 277, 281 = JR 1967, 340 mit Anm. Bökelmann. " Das Problem, ob ein Vertrag — außer im besonders geregelten Fall des § 495 BGB — unter einer reinen Wollensbedingung als aufschiebender Bedingung geschlossen werden kann (vgl. dazu Erman/Hefermehl, BGB, 5. Aufl. 1972, Anm. 12 vor § 158, mit weiteren Nachweisen), bedarf hier keiner Erörterung, weil die Frist nicht immer gewollt verstreicht.

Zum Prozeßvergleich mit Widerrufsvorbehalt

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III. Damit stellt sich die Frage nadi der Reòtsnatur der Widerrufserklärung. Faßt man den unter Widerrufsvorbehalt abgeschlossenen Prozeßvergleich als aufschiebend bedingten Vergleich und den Nicht-Widerruf innerhalb der vereinbarten Frist als die aufschiebende Bedingung auf, dann ist der Widerruf ein Vorgang, der den Ausfall der Bedingung herbeiführt. Der Widerruf steht damit — zunächst — jedem anderen Ereignis gleich, von dessen Nichteintritt das Wirksamwerden des Vergleichs abhängig gemacht werden kann. Vergleichen sich die Parteien beispielsweise unter der Bedingung, daß es in den nächsten vierzehn Tagen nicht regnet, und regnet es dann doch innerhalb dieses Zeitraums, dann ist der Vergleich infolge des Regens hinfällig. Regen und Widerruf entsprechen sich in ihrer Ausfallwirkung. Indessen ist der Widerruf doch wohl mehr als nur ein Vorgang auf der Ebene des rein Tatsächlichen. Durch ihn wirkt die betreffende Partei zugleich gestaltend auf den Bestand der getroffenen Vereinbarung ein. Damit hat der Widerruf eine ähnliche Bedeutung wie die Mißbilligung des Käufers beim Kauf auf Probe. Ein solcher Kauf ist nach § 495 BGB im Zweifel unter der aufschiebenden Bedingung der Billigung geschlossen. Erklärt der Käufer die Billigung, dann wird der Kauf wirksam (§158 Abs. 1 BGB); dagegen wird der Kauf durch Mißbilligung hinfällig, da die Bedingung ausgefallen ist. Weil Billigung und Mißbilligung auf den Eintritt von Rechtsfolgen abzielen, versteht man sie heute nicht mehr nur als reine Willensakte im Sinne einer natürlichen Tatsache^®, sondern als rechtsgeschäftliche Willenserklärungen^®. Für den Vergleichswiderruf kann insoweit nichts anderes gelten. Ihm ist aus den gleichen Gründen der Charakter einer Willenserklärung zuzubilligen®®. Ist er aber als Willenserklärung zu qualifizieren, so fragt es sich, ob er — wegen der Doppelnatur des Prozeßvergleichs — nicht zugleich auch immer Prozeßhandlung ist. Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Lehre hat diese Folgerung bisher nicht gezogen. Sie unterscheidet danach, ob der Widerruf nach der Vereinbarung der Parteien gegenüber dem Gegner oder gegenüber dem Gericht zu er18 So aber nodi Oertmann, BGB, 5. Aufl. 1929, § 495 Anm. 2. " StaudingerjOstler, BGB, 11. Aufl. 1955, § 4 9 5 Anm. 6; Soergel/Ballerstedt, BGB, 10. Aufl. 1967, § 495 Anm. 7; Erman/Weitnauer, BGB, 5. Aufl. 1972, § 495 Anm. 3. Ebenso, wenn auch meist ohne Begründung, die herrschende Meinung, vgl. Rosenberg/Schwab, a . a . O . , § 1 3 2 III 2 i ; Bergerfurth, N J W 1969, 1797; je mit weiteren Nachweisen.

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klären ist; nur im letzteren Fall soll der Widerruf (auch) Prozeßhandlung sein^^. Diese Unterscheidung ist unhaltbar. Sie stellt zu sehr auf Äußerlichkeiten ab. Es ist zwar richtig, daß die Parteien den Adressaten der Erklärung bestimmen können; das ist nur eine nähere Ausgestaltung der zulässigen Bedingung (genauer: ihres Ausfalls). Aber aus dieser Absprache, die meist auf reinen Zweckmäßigkeitserwägungen beruht, läßt sidi nicht entnehmen, ob auf den Sachverhalt materielles Recht oder Prozeßrecht anzuwenden ist; dies zu bestimmen, stünde den Parteien überdies nicht zu. Maßgebend für die Zuordnung muß vielmehr der Grundgedanke sein, daß der Vergleich sowohl einen materiellrechtlichen als auch einen prozessualen Gehalt hat und daß der Widerruf nach beiden Seiten hin zerstörend wirkt. Diese Doppelwirkung ist für den Widerruf genau so wesentlich wie für den Vergleich selbst. Deshalb ist der Widerruf stets materiellrechtliche Willenserklärung und Prozeßhandlung®^. Damit bedarf audi die (oben zunächst hingenommene) herrsdiende Meinung der Korrektur, wonadi die Vorbehaltsklausel (nur) zum materiellrechtlichen Teil des Vergleichs gehört^®; sie ist richtigerweise beiden Seiten des Vergleichs zuzuredinen.

IV. Fälle, in denen die Widerrufsfrist versäumt wurde, beschäftigen die Praxis seit eh und je. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist ist bisher ganz überwiegend abgelehnt worden^^. Die üblidie Begründung lautet, § 233 Abs. 1 ZPO gebe einer Partei das Recht auf Wiedereinsetzung nur gegen die auf einem unabwendbaren Zufall beruhende Versäumung ganz bestimmter Fristen, zu denen die Widerrufsfrist nicht gehöre^®. " Nachweise bei Bergerfurth, N J W 1969, 1797, 1798; audi Sädter, ZZP 80, 421, 422, geht hiervon aus. " Stein!Jonas!Münzberg, a . a . O . , N. 163; Dildier, SdilHA 1963, 243, 244. Dagegen hält Baur, Der sdiiedsriditerlidie Vergleidi, 1971, S. 22 fF., den Widerruf für eine reine Prozeßhandlung (allerdings mit der Konsequenz des Wegfalls des Vergleidis audi seinem materiellreditlidien Gehalt nadi). S. oben Fn. 13. RAG DR 1943, 549 mit Anm. Sáonke; BGH LM BGB § 130 Nr. 2 = J R 1955, 179; Stern!Jonas!Mümberg, a . a . O . , N. 178; Baumbaá!Lauterbach!Albers¡ Hartmann, a . a . O . , § 2 3 3 Anm. 2 C a ; Thomas!Putzo, a . a . O . , § 2 3 3 Anm. 3 c ; Pohle in Anm. zu A P 1954 Nr. 163; Bonin, a . a . O . ; Bergerfurth, N J W 1969, 1797, 1799. " RAG DR 1943, 549; ähnlidi BGH LM BGB § 130 Nr. 2 = J R 1955, 179.

Zum Prozeßvergleidi mit Widerrufsvorbehalt

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Andererseits hat die neuere Reditsprediung anerkannt, daß der Fristenkatalog des § 233 Abs. 1 ZPO („eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung oder der Revision") zu eng ist. Nach Auffassung des BVerfG schließt § 233 ZPO eine entsprediende Anwendung auf sonstige Fristen nicht aus, „wenn der objektive Sinn und Zweck des Wiedereinsetzungsrechts dies erfordert"; das BVerfG hat demgemäß einer armen Partei die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO bewilligt®®. Zuvor hatten sciion das RG und ihm folgend der III. Zivilsenat des BGH die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Anschlußrevision zugelassen®^. Schließlidi hat der IV. Zivilsenat des BGH § 233 Abs. 1 ZPO auch auf die Frist zur Erhebung der gegen die Entmündigung gerichteten Anfechtungsklage (§ 664 ZPO) entsprechend angewandt®®. Im neueren Schrifttum haben nunmehr Säcker^^ und ihm folgend Schwab^^, Lüke^^ und Baur^^ die sinngemäße Anwendung der §§ 233 ff. ZPO auch auf die Versäumung der Widerrufsfrist beim Prozeßvergleich befürwortet. Angesichts dieser Entwicklung kommt der eingangs erwähnten Entscheidung des VII. Zivilsenats besondere Bedeutung zu. Der zugrunde liegende Fall ist bezeidmend: Der Kläger forderte mit der Klage 4525 D M Architektenhonorar. In der mündlichen Verhandlung v o m 30. 3 . 1 9 7 1 verglidien sich die Parteien auf 3500 D M (bei Übernahme der Kosten durdi die Beklagten). D i e Beklagten behielten sich vor, den Vergleich bis zum 13. 4 . 1 9 7 1 durch schriftliche Anzeige zu den Gerichtsakten zu widerrufen. Mit einem am 10. 4 . 1 9 7 1 (Karsamstag!) in den Briefkasten geworfenen Sdiriftsatz ihres Anwalts widerriefen die Beklagten den Vergleich. Der Schriftsatz kam jedoch erst am 14. 4 . 1 9 7 1 beim LG ein. Auch der Prozeßbevollmäditigte des Klägers erhielt die für ihn bestimmte Abschrift erst am gleichen Tage. Mit einem am 24. 4 . 1 9 7 1 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz baten die Beklagten um Fortsetzung des Rechtsstreits; sie machten geltend, die Versäumung der Widerrufsfrist beruhe auf einem für sie unabwendbaren Zufall. 2« BVerfGE 22, 83 = N J W 1967, 1267. RGZ 156, 156, 158; BGH LM ZPO § 233 Nr. 15. BGHZ 53, 310, 312. Sädeer, ZZP 80, 421, 422, will damit nur den vereinbarten Widerruf an das Gericht erfassen, s. dazu oben Fn. 21 ; im anderen Fall wül er mit § 203 Abs. 2 BGB helfen, s. dazu unten Fn. 35. »> In Rosenberg/Sáwab, a. a. О., § 132 III 2 iFn. 3. »» Lüke, JuS 1973, 45, 47; vgl. audi N J W 1966, 838, 839 (Versäumung der Frist für die aktienrechtliche Anfechtungsklage). Baur, a. a. O., S. 25 Rdn. 75.

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Den Beklagten wurde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in allen Instanzen verweigert. Der VII. Zivilsenat lehnt eine entsprechende Anwendung des § 233 Abs. 1 ZPO in Anknüpfung an die bisherige Rechtsprechung des BGH ab und widerspricht darüber hinaus der Annahme Säckers^^, die ZPO enthalte hinsiditlich der Widerrufsfrist eine offene Regelungslücke. Der Senat räumt ein, daß die Wiedereinsetzung schon bei anderen Fristen als den in § 233 Abs. 1 ZPO genannten zugelassen worden sei, bemerkt dazu jedoch: „ I n allen diesen Fällen hat es s i c h . . . u m gesetzlió bestimmte Fristen gehandelt, die v e r s ä u m t w o r d e n w a r e n , w ä h r e n d hier die V e r s ä u m u n g einer vertragliò vereinbarten Frist in R e d e steht. Dieser v e r t r a g l i d i e C h a r a k t e r der W i d e r r u f s f r i s t w ü r d e nidit hinreidiend berüdcsiditigt werden, wenn m a n die Wiedereinsetzung d u r d i Riditersprudi z u l i e ß e . . . "

Der Entscheidung ist im Ergebnis beizupflichten. Ob freilich die Abgrenzung zwischen einer gesetzlich bestimmten und einer vertraglich vereinbarten Frist als Begründung tragfähig genug ist, läßt sich bezweifeln. Man kann nämlich durchaus darüber streiten, ob eine offene Regelungslücke vorliegt oder nicht. Dann aber kommt es entscheidend darauf an, ob sich die §§ 233 ff. ZPO überhaupt für eine analoge Heranziehung eignen. Mir scheint, daß sie der besonderen Sachlage bei Abschluß eines Prozeßvergleichs nicht gerecht werden. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ein typisches Institut des Prozeßrechts als eines Teilgebiets des öffentlichen Rechts. Angesprochen wird das Verhältnis zwischen dem Staat auf der einen Seite und einer Prozeßpartei auf der anderen Seite. Mittels Staatsakts (in Gestalt richterlicher Entscheidung) wird ein zum Nachteil der betreffenden Partei an sich bereits eingetretener Reditszustand wieder rüdtgängig gemacht. Dahinter stehen Billigkeitserwägungen. Die Bestimmungen der §§ 233 ff. ZPO wirken im Gefüge des notwendigerweise strengen Prozeßrechts ausgleichend. Man wird diese Regelung auch künftig unter Reformgesichtspunkten nidit einschränken, sondern eher noch ausbauen müssen^^. Bei alledem darf aber nicht übersehen werden, daß das Institut der Wiedereinsetzung entsprechend seiner Ausgleidisfunktion einseitig nur die Verhältnisse auf selten der säumigen Partei ins Auge faßt. Eine solche Sicht ist vertretbar, wenn es um die Versäumung prozessualer Fristen geht. 39 ZZP 80, 421, 425. Vgl. Bericht der Kommission zur Vorbereitung einer Reform der Zivilgeriditsbarkeit, 1961, S. 234 ff.

Zum Prozeßvergleich mit Widerrufsvorbehalt

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Das materielle Recht, insbesondere das Vertragsrecht, geht von anderen Wertungsgrundsätzen aus. Es kennt keine allgemeine, allein auf die Belange eines Säumigen abstellende Billigkeitsregel, die mit der des § 233 Abs. 1 ZPO vergleidibar wäre®®. Im Vordergrund steht die Bindung an den Vertrag, d. h. die Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen Teils. Daneben spielt das Gebot der Reditssicherheit eine wesentliche Rolle. Eine Fristenhemmung ist zwar unter bestimmten Voraussetzungen im Bereich der Verjährung vorgesehen, u. a. in § 203 Abs. 2 BGB (für die Verhinderung durch höhere Gewalt). Bei Ausschlußfristen muß dagegen die Wirkung des Zeitablaufs grundsätzlich hingenommen werden®®. Eine Ausschlußfrist aber liegt regelmäßig vor, wenn ein Vertrag unter der aufsdiiebenden Bedingung abgeschlossen wird, daß eine Partei nicht innerhalb bestimmter Frist widerruft. Die interessengerechte Auslegung ergibt, daß damit eine „absolute" Ausschlußfrist vereinbart ist, auf die § 203 Abs. 2 BGB auch nicht entsprechend Anwendung findet. Der Fristablauf läßt nämlidi nicht nur ein Recht erlösdien (das Widerrufsrecht des Widerrufsbereditigten), sondern bringt auch und in erster Linie (infolge des Bedingungseintritts) Redite zur Entstehung. Rechtsunsidierheiten bei der Rechtsbegründung sind aber im Zweifel nidit gewollt. Die Versäumung des Widerrufs bei einem beliebigen außergeriditlich unter Widerrufsvorbehalt abgeschlossenen Vertrag, auch einem Vergleich, fällt daher eindeutig weder unter § 233 Abs. 1 ZPO noch unter § 203 Abs. 2 BGB. Es ist nicht einzusehen, weshalb dies bei einem Prozeßvergleich anders sein soll, obwohl dieser auch ein privatrechtlicher Vertrag ist. Es zeigt sich hier, daß die in der Entscheidung des VII. Zivilsenats außer Betracht gebliebene Frage nadi der Rechtsnatur des Prozeßvergleidis doch nicht ohne Bedeutung ist. Der Prozeßvergleidi hat eine Doppelnatur; er ist privatreditlicher Vertrag und Prozeßhandlung. Die gleiche Doppelnatur hat, wie dargelegt wurde, der Widerruf des Prozeßvergleidis auf Grund Widerrufsvorbehalts. Die für den Widerruf vereinbarte Frist ist damit zwar, wie nidit zu leugnen ist, eine prozessuale Frist, aber eben nicht nur; es handelt sich bei ihr auch um eine materiellrechtliche Frist, und zwar um eine Ausschlußfrist. Dieser letzteren Zuordnung gebührt für die Frage der Fristenrestitution

" Anders Säcker, ZZP 80, 421, 438, der für die Privatreditsordnung ein allgemeines „Fristenhemmungsprinzip" entwickelt. Das läuft (in dieser Verallgemeinerung) auf eine m. E. mit dem geltenden Recht unvereinbare Verwischung der Grenzen zwischen Verjährungs- und Ausschlußfristen hinaus. " Unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) kann selbstverständlich auch hier eingewandt werden.

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der Vorrang®^. Denn die Parteien wollen beim Prozeßvergleidi im Zweifel nicht weniger vertraglidi gebunden sein als bei einem außergerichtlichen Vergleich; und sie wollen nicht weniger, sondern eher mehr Rechtssicherheit. Das entspricht auch dem Zweck dieser Rechtseinrichtung. Wegen dieses besonderen, vorrangig vom materiellen Recht her bestimmten Charakters der Widerrufsfrist scheidet die analoge Anwendung der §§ 233 ff. ZPO auf die Versäumung der Frist aus.

V. Für die Praxis ergeben sich hieraus folgende Empfehlungen:

1. Die Frist für den Widerruf sollte ηίώί zu kurz bemessen werden. Innerhalb der Frist muß nicht nur eine eingehende Rücksprache des Anwalts mit der Partei möglich sein (u. U. auch im Wege eines Schriftwechsels), sondern auch die rechtzeitige Abgabe der Widerrufserklärung. Vor allem sollte man bei der Protokollierung des Vergleichs auch über das Ende der Frist nachdenken. Es auf einen Tag unmittelbar im Anschluß an eine Reihe von Feiertagen zu legen, ist wenig sinnvoll. Das hätten die Beteiligten in dem vom BGH entschiedenen Fall eigentlich erkennen müssen. 2. Wenn ohnehin ungewiß ist, ob beide Parteien den Vergleich billigen, kann es ratsam sein, zunächst nur einen Yeighidisvorschlag zu protokollieren und die mündliche Verhandlung auf einen späteren Termin zu vertagen, in dem gegebenenfalls der Vergleich ohne Widerruf abgeschlossen werden kann. 3. Um allen Beteiligten einen weiteren Termin zu ersparen, kann statt dessen sofort ein Prozeßvergleich mit Bestätigungsvorbehalt abgeschlossen werden^®. Auch hierbei handelt es sich um einen aufschiebend bedingten Vergleich. Das zukünftige ungewisse Ereignis, von dessen Eintritt die Wirksamkeit abhängt, besteht hier jedoch nicht " Näher zur Frage, welches der beiden beteiligten Rechtsgebiete jeweils den Vorzug verdient, Dilòer, SchlHA 1963, 243, 244 (im Blick auf das Wirksamwerden des Widerrufs).

Vgl. u. a. Stein!Jonas!Münzberg,

a. O., N· 178.

Zum Prozeßvergleich mit Widerrufsvorbehalt

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in einem Untätigbleiben, sondern in einem Handeln der Parteien (oder einer Partei) innerhalb bestimmter Frist. Verstreicht die Frist gewollt oder ungewollt, ohne daß die erforderlichen Bestätigungen eingegangen sind, so ist der Prozeß fortzusetzen. 4.

Hinzuweisen ist sdiließlidi noch auf eine Verfahrensweise, die in letzter Zeit zunehmend zu beobachten ist. Die Parteien schließen den üblidien Widerrufsvergleich unter Angabe des Adressaten der Widerrufserklärung, fügen jedoch eine Klausel etwa folgenden Inhalts hinzu®»: „Zur Fristwahrung genügt audi ein verspätet eingehender Widerrufsschriftsatz, wenn er au5 Gründen verspätet eingeht, die bei Versäumung einer Notfrist einen Antrag auf Wiedereinsetzung reditfertigen würden." Eine solche Klausel bewirkt selbstverständlich nidbt, daß das Gericht, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren müßte. Das zu bestimmen, steht den Parteien nicht zu^". Die Klausel erweitert nicht den Katalog des § 233 Abs. 1 ZPO, sondern macht die Widerrufsfrist geschmeidig. Die Frist ist in Ausnahmefällen als vereinbarlidi verlängert anzusehen. Demgemäß entscheidet das Gericht im Streitfall nidit darüber, ob gegen die Versäumung der Frist Wiedereinsetzung zu erteilen ist, sondern ob die Frist im Sinne der getroffenen Vereinbarung gewahrt wurde. Da die Widerrufsfrist, wie dargelegt, vorrangig dem materiellen Recht untersteht, dürften gegen eine derartige Parteivereinbarung keine Bedenken bestehen. Parteien, die sich mit dieser Klausel vergleidien, sollten sidi freilich darüber im klaren sein, daß sie Unsicherheiten in Kauf nehmen, die bei einem Prozeßvergleich erfahrungsgemäß gerade nidit gewollt sind.

Vgl. Meier-Sòerlmg, DRiZ 1974, 161. Insoweit zutreffend Baumbaò/LauterbaòlAlberslHartmann, a. a. О., Anh. 3 В nach § 307: die Parteien können dem Gericht keine Aufgaben zuweisen.

Verfahren und Verfahrensrechtssatz R U D O L F BRUNS

In seinem Beitrag „Zur Methodik des Prozeßredits" im „Studium generale"^ faßt Friedrich Weber zusammen^: Die Prozeßreditswissenschaft habe sich in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zunächst die Besonderheit prozessualer Begriffsbildung erarbeiten müssen und habe dann in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts darangehen können, aus diesen Erkenntnissen die besondere Eigenart prozessualen Denkens zu entwickeln. Nunmehr stehe als eine weitere, nicht minder reizvolle Aufgabe die Untersudiung der Frage vor ihr, ob sidi aus der Eigenart des Prozesses und der besonderen Methode prozessualen Denkens nicht auch eine besondere Methode der Gestaltung und der Auslegung prozeßreditlicher Vorschriften ergebe; die Bewältigung dieser Aufgabe stehe noch in den Anfängen. Von den Ergebnissen einer derartigen Untersuchung aus wären die geltenden Normen einer Kritik zu unterziehen und das rechtspolitisdie Problem der Normengestaltung anzugehen, insbesondere der Fragenkreis, inwieweit und in welcher Weise rechtspolitische Ziele durdi die Gestaltung prozessualer Normen verwirklicht werden könnten.

1. Damit hat Friedrich Weber eine neue, nur dann und wann einmal zaghaft angedeutete Dimension des Rechtssatzes angesprochen, die über die alte Imperativentheorie hinausführt, nach weldier im Grunde ein Rechtssatz wie der andere aussieht und, wie Weber für das Prozeßrecht treffend sagt, der Unterschied zwisdien zwingendem und nachgiebigem Redit als besonders wichtig herausgestellt wird. J. Esser etwa bemerkt demgegenüber®. Ordnen sei keineswegs gleidibedeutend mit Gebieten und Verbieten. Esser stellt drei Arten von Rechtssätzen heraus, Verhaltensnormen, Verteilungsnormen und Organisationsnormen. Die Grenzen verschieben sich wohl, wenn man der Überzeugung ist, daß sich die Rechtssätze regelmäßig nicht an den einzelnen Bürger wenden, sondern an die befaßten staatlichen Organe, die „Obrigkeit", wie man früher und ' I 9 6 0 , 1 8 3 ff. 2 S. 192. 3 Einführung in die Grundbegriffe des Rechtes und Staates. Wien 1949 S. 138.

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nidit nur in der konstitutionellen Monarchie^ zu sagen pflegte, und wenn man ferner der Meinung ist, die Rechtsordnung teile nicht zu, sondern beschränke natürliche individuelle Machtkreise. Doch ist die Art der Gruppenbildung unwichtig; wesentlich ist an dieser Sicht, daß der einzelne Rechtssatz überhaupt als übergeordneten Sinneinheiten zugehörig aufgefaßt wird, die die Tragweite seiner Aussage allererst bestimmen. 1. Am deutlichsten tritt dies heraus an den Organisationsnormen — übrigens ohne wesentliche Unterschiede für Privat- und öffentliches Redit — zu denen J. Esser rechnet „alle Bestimmungen über die Verfassung der Rechtsinstitutionen, ihren Aufbau, die Verwaltung und die Zuständigkeiten"®. Was etwa über den Sitz eines neu zu erriditenden Obergeridits angeordnet ist, steht in Zusammenhang mit der Ausweisung des an diesem Sitz zu errichtenden Gerichtsgebäudes im Staatshaushalt und in allen einzelnen Planungs- und Ausführungshandlungen hierzu, dies alles wieder mit der Zuständigkeitsordnung für die hier zu erfüllende Staatsfunktion, die Einrichtung der Senate und ihrer Geschäftsstellen und ihre Besetzung mit Richtern, Beamten und Angestellten nebst ihrer Ausstattung mit Sachmitteln. Die Zielbestimmungen heben sidi heraus: Sitz in Neustadt, so und so viele Zivilsenate, so und so viele Strafsenate; wie die Normen des Privatrechts eine Aktivität der Einzelnen voraussetzen, gehen die im Beispiel verwendeten Normen des Justizverwaltungsrechts von der Aktivität der befaßten staatlichen Stellen aus, die ihrer Amtspflicht entsprechend verfahren und die anzutreiben es keiner imperativisdien Normen bedarf; im einen wie im anderen Fall haben Rechtssätze die wesentlidie Funktion einer Beschränkung der Aktivitäten, sei es in Rücksicht auf andere Bedürfnisse des Gemeinwohls, sei es in Rücksicht auf Einzelne. Diese im Kern „negative" Funktion® bewirkt, daß die isolierte Sicht des einzelnen Rechtssatzes, die Esser bekämpft, hierdurdi allerst ermöglicht wird, während ja die planentsprechenden Aktivitäten, eine immer auf die andere bezogen, von einem erreichten Erfolg aus stets den Eindruck eines Sinnzusammenhangs ergeben. 2. Am ehesten Imperativischen Anschein bieten die Sanktionsnormen, im Privatrecht also Rechtsbehelfe der Einzelnen, um vom Gericht * Audi der Rat einer Stadt fiel unter diese Bezeidinung. 5 A. a. O. S. 139; Walter Burckhardt, Methode und System des Rechts, Zürich 1971, 132 ff., 237 ff. ' Die der Aufmerksamkeit häufig entgeht.

Verfahren und Verfahrensrechtssatz

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Sanktionen gegen Reditsstörungen zu erwirken. Immerhin setzen sie, soweit nidit Haftungen ohne Versdiulden in Betracht stehen, voraus, daß das Verhalten des Störers redbtlidi mißbilligt wird. Doch auch hier wird das Verhalten der Einzelnen nicht vom Gesetz befohlen — das würde jeder freien Entfaltung der Tatkraft widerspredien; es wird vielmehr die Eigenmacht beschränkt, die Einzelnen werden angehalten, sidi „richtig", d. h. anständiger Sitte und Brauch gemäß zu verhalten. Nur deswegen haben Sanktionsnormen ein Leben über Jahrhunderte und Jahrtausende, weil sie sidi nicht mit der einzelnen — sanktionierten — Obliegenheit befassen, sondern an mißbilligte Erfolge und die sie verursachende Verletzung der jeweiligen Obliegenheit knüpfen. Wäre im Landfrachtrecht die Art und Weise geregelt, wie der Rollkutscher seine Pferde anzuschirren habe, so würden solche Rechtssätze heute ebenso wenig jemanden noch angehen wie spezielle Vorschriften für bestimmte Motorfahrzeuge, die man nicht mehr baut. Aber die Fracht kann im einen wie im anderen wie überhaupt in allen denkbaren Fällen durch einen Fehler des Fraditführers verloren gehen — das ist die zeitlose Voraussetzung des Reditssatzes — nur daß sich der Fehler nach jeweiliger Sitte und Werksbraudi bestimmt, mit allenfalls einer globalen rechtlidien Umschlagsnorm wie § 242 BGB, wenn nicht überhaupt einfach durdi den allgemeinen Begriff des „Verschuldens" angesprochen. Zu den Sanktionsnormen in einem weiteren Sinne gehören alle Redhtssätze, die Rechtsstörungen objektiver Art regeln, Haftungen ohne Verschulden, Gemeinschaftsteilungen. Die Bezeichnung als „Verteilungsnormen" ist sicherlich nicht unriditig, doch wird damit eine ungerechtfertigte Abscheidung von den innerlich verwandten Sanktionsnormen bewirkt, die man ihrerseits nur schlecht als Verteilungsnormen bezeichnen könnte. 3. Als dritte Hauptgruppe lassen sich alle diejenigen Rechtssätze zusammenfassen, die man Form-, Gestaltungs- oder schliòte Tatbestandsnormen nennen könnte''. Sie sind allemal mit rechtsgeschäftlichen Strebungen verknüpft® und fixieren gesetzlich, welche Voraussetzungen vorhanden sein müssen, damit eine entsprechende „natu-

Auch „Zuweisungsnormen", doch könnte das zu Verwechselung mit den Esser'schen „Verteilungsnormen" führen. ' Das also, was man als „Willenserklärungen", „Willensmitteilungen", „Wissensmitteilungen" als Träger eines geistigen Sinns den bloßen Realakten gegenüberzustellen pflegt.

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rale"® Handlung als reditlich existent angesehen werden kann. Zu diesen gehören, wie sidi von selbst versteht, die Formen im engeren Sinne, aber auch alles das, wofür das Gesetz Handlungsmuster^", Model vorsdireibt, sich dabei tunlichst an den natürlichen Verlauf anlehnend, zum Teil aber auch in dessen künstlidier Ergänzung^^. Schlidite Tatbestandsnormen deswegen, weil die Rechtsfolge nur einfach als Ziel der Operation im Reditssatz angesprochen ist: „Zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sadie ist erforderlich . . Für das materielle Zivilredit gehört hierher insbesondere etwa die Regelung der Bestandsvoraussetzungen des körpersdiaftlidien Beschlusses. — Für den Gründungsvorgang der Juristisdien Personen des Privatrechts gehen sie in den Organisationsnormen auf. — Rechtssätze, aus denen mit Vorliebe Imperative hergeleitet werden, wie § 433 BGB, stellen sich in dieser Betrachtung als nichts anderes dar denn als schlicJite Tatbestandsnormen, dann nämlich, wenn man annimmt, daß jede der Parteien durcJi ihr (akzeptiertes) Versprechen eine vermögenswirksame Verfügung trifft^®.

IL Was das Verfahren öffentlichen Rechts angeht (Zivil- und Strafprozeß, aber auch den Verwaltungsprozeß und das reine Verwaltungsverfahren), so betreffen die Organisationsnormen deutlich Vorgegebenheiten, die sich im einzelnen Verfahren als Strukturelemente darstellen; selten, daß sie einmal in äußersten Fällen selbständige Verfahrensbedeutung gewinnen wie mittels des Verfassungssatzes vom gesetzlichen Richter'^. — Die Organisationsnormen über die Einrich' Wie W. G. Becker hübsdi den hier wirksamen, von ihm so genannten „naturallegalen Parallelismus" anspridit, Gegenopfer und Opferverwehrung. 1958 S. 2, 4 und passim. „handlingsmönster" im skandinavisdien, „pattern" im anglo-amerikanisdien, „moules" im französischen Rechtskreis; vgl. zur Funktion des prozessualen Reditssatzes P. O. Ekelöf, Processuella grundbegrepp och allmänna processprinciper. 1956. S. 122 fr. " Formen im engsten Sinne: die des eigenhändigen oder notariellen Testaments; Handlungsmuster mit künstlidier Zurichtung etwa die empfangsbedürftige Willenserklärung mit ihrem „Zugang*. § 929 BGB; als vollständiger Rechtssatz mit Tatbestand und benannter Reditsfolge auch sprachliA ausgestaltet für Aneignung und Eigentumsaufgabe in § 958 Abs. 1 und § 959 BGB. " Insofern durch das Versprechen, „löfte", die Haftung des Vermögens des Versprechenden in Höhe der Verbindlichkeit begründet wird; hierzu K.Bruns, Probleme des Schuldvertragsrechts, AcP 1968 S. 517 f. " Art. 101 G G .

Verfahren und Vcrfahrensreditssatz

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tung von Kammern und Senaten etwa haben zur Folge, daß sich das Verfahren vor einer Mehrzahl von Richtern abspielt und daß die Gewinnung einer Entscheidung bei unterschiedlichen Auffassungen der einzelnen Richter nach Regeln vor sich geht. — Tiefer gesehen sind freilich die Organisationsnormen in ihrem Zusammenhang mit dem Zweck des Verfahrens völlig für dieses bestimmend, insofern sie die Zielrichtung der Tätigkeit der Beteiligten setzen. Das Verfahren ist dann nidits anderes als die Organisation in Funktion; das öffentliche Recht, zu dem das Zivilprozeßredit zählt, mithin aus Organisationsredit und Verfahrensredit zusammengesetzt. — Stets sind die Organisationsnormen der Angelpunkt einer Reform. —

1. Das Verfahren ist ein gegenüber dem materiellen Privatrecht besonderer Regelungsgegenstand. Zwar lassen sidi Verfahrensziel und Ziel etwa eines Schuldvertrages, z. B. das Unternehmen des Baus eines Hauses oder des Transports eines Wohnungsmobiliars von O r t zu O r t parallel setzen. Aber der Weg zum Ziel ist für das Verfahren rechtlich vorgeformt, für den Leistungserfolg des Schuldverhältnisses nicht. a) Gerade darin besteht Ja die Freiheit in einer privaten Wirtschaftsordnung, daß der für einen Leistungserfolg Verantwortliche (der Leistungsschuldner) den Weg zu diesem Erfolg selbst organisiert. Mehr als Beachtung des Wirtschaftsbraudis und Rücksicht auf die Ziele des Gläubigers (§ 242 B G B ) ist ihm dabei nicht auferlegt. Die Rationalisierung des Wirtschaftslebens bringt zwar in steigendem Maße dahin, daß diese Wege durchdacht und modellmäßig geregelt werden, die „Freiheit" entsprechend beschränkt ist. D a ß diese Regelung nidit durch Rechtssatz geschieht, läßt indessen die nötige Elastizität für Verbesserungen und Änderung der Leistungsmittel und beläßt weiter die Initiative hierzu bei dem einzelnen Unternehmer, statt sie einer zentralen Stelle zuzuweisen. — Die Regelungen des Privatrechts sind deswegen knapp und vorzugsweise Sanktionsrecht. b) Das Verfahrens z i e l ist z w a r zu Leistungserfolg privatrechtlicher A r t in Parallele zu setzen, weist aber doch die Besonderheit auf, daß es, von dem schmalen Bereidi des Einsatzes öffentlicher Gewalt abgesehen, in Gedanklichem besteht; es ist Entscheidung und Plan und bedarf hierfür an Stoff nicht mehr, als seine urkundliche Existenz nötig madit. N u r dort, w o das Stoffliche im Vordergrund steht, wie für die Herstellung einer notariellen Urkunde, besagen die einzelnen Urkundserfordernisse — „Leistungserfolge" — etwas für die Handlungen selbst wie etwa das simple Erfordernis der Unterschrift der Beteiligten. U n d dies Verhältnis

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begegnet auch dort, w o es sonst um die Herstellung im eigentlichen Sinne von Urkunden geht (z. B. eines Urteils) — seitenverkehrt zu den Rechtssätzen, w o die U r k u n d e als lediglich einen Verfahrenshergang begleitend geregelt ist, als Protokoll.

c) Das Charakteristische an den Rechtssätzen, die den Weg zu jenem Verfahrensziel regeln, ist die doppelte Ausrichtung, einmal auf die technischen Vorgegebenheiten — dies wäre gegenüber Privatrechtsverhältnissen keine Besonderheit — und zum anderen auf die rechtlichen Belange der Verfahrensbeteiligten. Das letzte ist das Entscheidende; die technisdien Vorgegebenheiten sind genau betrachtet nur das Material, innerhalb dessen die Regelung jener Belange der Beteiligten statthat. An jeder einzelnen Vorsdirift etwa des zivilprozessualen Beweisverfahrens wäre dies zu demonstrieren^®. Dabei streift der Verfahrensrechtssatz die Eigenheit jeden Rechtssatzes nicht ab, eine Beschränkung der Handlungsfreiheit, hier insbesondere der Gestaltungsfreiheit der Handlung zu enthalten. Doch läßt die Weite der gesetzlichen Begriffe Raum für eine beträchtliche Variationsbreite, ja für ein ganzes nachgeordnetes Regelungssystem, wie es im „style clu palais" die örtlichen Unterschiede der gerichtlichen Praxis bestimmt. Schließlich sind die Verfahrensrechtssätze lediglich an den Kreuzpunkten der Verfahrensgestaltung eingesetzt, an denen Interessenkonflikte der Beteiligten aufzutreten pflegen und zu entscheiden sind. Auch insoweit bleibt also Raum für „freie" Handlung und „style du palais". 2. Dies vorausgeschickt, begegnen wir bei den Verfahrensrechtssätzen wiederum den beiden Hauptgruppen der Rechtssatztypen des materiellen Rechts, zum einen den Form-, Gestaltungs- oder schlichten Tatbestandsnormen und zum anderen den Sanktionsnormen. Die erste Gruppe steht ganz im Vordergrund — soweit das Verfahrensrecht nicht Organisationsnormen aufstellt, regelt es in seinen Modellen, wie rechtlich relevantes Handeln auszusehen hat. Sanktionsnormen müssen aber eingreifen, wo das Handeln eines Prozeßbeteiligten^® für den Fortgang des Verfahrens notwendig ist und ausbleibt. Nicht berüciksichtigt ist indessen hierbei die stillschweigende Sanktion, die fehlerhaftem Handeln die rechtliche Relevanz nimmt. Hier Mitunter gedoppelt: die Belange des Zeugen etwa werden in den Verweigeningsvorsdiriften geregelt, die den Zeugen insoweit als Verfahrensbeteiligten nehmen; für die Beweiserhebungsregeln des Zeugenbeweises stellt dies aber „Vorgegebenheit" dar. Der hierzu nidit, wie der Riditer, durd» seine Amtspflidit angehalten wird.

Verfahren und Verfahrensreditssatz

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sdieint sidi alles von selbst zu verstehen: eine fehlerhafte Handlung sei eben keine Handlung. Regelungen des Gesetzes ordnen daher nicht diese Folge an, sondern greifen wie § 187 Z P O im Gegenteil ein, um diese Folge zu mildern. Sie steht in einem so engen Zusammenhang mit den Formnormen, daß sie bereits mit diesen zusammen zu besprechen ist, nicht erst mit den Sanktionsnormen. a) Wie im materiellen Redit, legen die Formnormen je eine Anzahl von Voraussetzungen fest, die erfüllt sein müssen, damit eine intendierte Handlung, Klage, Rechtsmittel, Beweisantritt wirksam wird. Nicht, daß sie sich an einen einzigen Normadressaten wendeten: der Gegner für die korrespondierende Handlung, der Riditer für die Wertung sind insoweit gleichfalls Normadressaten; aber der zunädist Angesprochene ist der von jenem Rechtssatz als Handelnder Vorausgesetzte^^. Die Handlung selbst^® ist voll vorgebildet in der subjektiven Absicht, deren Realisation freilidi der gesetzlichen „Model" mehr oder weniger vollkommen entspricht. Hier ergibt sich ein eigenartiges Zusammenspiel von Verfahren, Reditssatz und Einzelzwecksetzung der innerhalb des Verfahrens vorgenommenen und durch den Verfahrensrechtssatz bestimmten Handlung. a) Es ist davon auszugehen, daß die innerhalb des Verfahrens — d. h. an dieser Stelle des Verfahrens — geforderte Handlung diejenige Einheit ist, auf die sidi alle Überlegungen beziehen müssen. Sie ist freilidi eine nur vorläufige Einheit, eine Unter-Einheit innerhalb der größeren Einheit des Verfahrens, auf welche sie ja durdi ihren Zweck weist. Nimmt man nun der Einfadiheit halber als Rechtssatz den einzelnen sprachlidien Satz^®, so sind alle jene die „Model Prozeßhandlung" bestimmenden Sätze zu einer Sinneinheit zusammengefaßt, die ihrerseits durdi eine in der Auslegung wirksame Zwedsbeziehung auf die „Model" „Verfahren" bezogen ist. Für die Auslegung des einzelnen grammatisdien und des einzelnen Reditssatzes ist mithin zunächst einmal maßgebend die verständige Verknüpfung mit der Sinneinheit Prozeßhandlung, die ihrerseits in einer verständigen Verknüpfung mit der Sinneinheit Verfahren gipfelt. ß) Die Handlung selbst ist in eigenartiger Weise durdi ihre gesetzliche „Model" bestimmt. Im Anwaltsprozeß kennt die Partei sidierlidi " Oder sein rechtskundiger Vertreter, Organ der Rechtspflege. " „Prozessuale Willenserklärung" vgl. Bruns, Zivilprozeßredit 1968 § 19 IV 3 S. 152 fF. *· Die spradilidie Vereinzelung bietet ihre Sonderprobleme. SelbstverständliA steht audi hier kein spradilidier Satz allein, sondern ist aus allen möglichen Sätzen des einzelnen Gesetzeswerks zu ergänzen. Bisweilen enthält audi sonst der sprachlidie Satz nur einen Teil des Rechtssatzes.

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nur die allgemeine Richtung der von einem Gesetzeskundigen formulierten Handlung; es genügt, daß mit ihr deren Zweck durchgesprochen ist und sie ihn gebilligt hat, mitunter nidit einmal dies. Der formulierende Jurist soll nun zwar durch die einschlägigen Gesetzesbestimmungen motiviert sein, doch werden diese selten nachgeschlagen und die Reproduktion aus dem Gedächtnis führt in einer nicht geringen Zahl von Fällen zu Lücken, „non-compliance with rules", wie sich die englische Reditssprache exakt ausdrückt. Der Erklärungswille reicht nun gewiß nicht über das hinaus, was gesagt worden ist^", die „Absicht", der Geschäftswille zielt indessen auf eine dem Gesetz gegenüber vollständige Handlung, die im Verfahren die vom Gesetz vorgesehene Stelle einzunehmen in der Lage ist. Sucht man eine Parallele im Zivilrecht, so ließe sich am ehesten an die gesetzlich vorgeformten Gestaltungen letztwilliger Verfügung denken. Hier wie dort setzt der Handelnde ein Ziel, ist aber durch die — hier materiellen — Richtigkeitserwägungen des Gesetzes und seine Formen beschränkt. Wenn für den „favor testamenti" — diejenige Auslegung, bei der die Absidit des Testators ohne allzu schwere Abstriche verwirklicht werden kann, immer die durch den Tod geschaffene Unabänderlichkeit angeführt zu werden pflegt, so scheint mir mit nahezu gleichem Gewicht die Tatsache gesetzlicher Dispositionsmodeln anzusetzen zu sein, deren Weisungscharakter eine milde Leitung entsprechen muß, die den Kompromiß zwischen gesetzlichem Leitbild und privater Zweckvorstellung sucht. Soweit § 139 ZPO prozessuale Willenserklärungen der Parteien betrifft, hat er nichts anderes im Auge als die Anpassung ihrer Zwectvorstellungen an die gesetzlichen Leitbilder. γ) Das Verfahren seinerseits bestimmt für das in Rechtssätzen konstituierte Leitbild (die „Model") in gleicher Weise wie für das hierauf bezogene, in einer Handlung verkörperte Zweckstreben einer Partei, die Stelle, zeitlich und systematisch genommen, für die es relevant ist. Sie ist nacheinander als Moment des „Prozeßrechtsverhältnisses" (Oskar Bülowy·^ verstanden worden oder als „Rechtslage" (James Goldschmidt). Beides ist zur Verdeutlichung geeignet, gegen das „Prozeßrechtsverhältnis" eigentlich nur einzuwenden, daß damit das materielle Rechtsverhältnis terminologisch verdunkelt wird, um das der Prozeß geführt wird; gegen die „Rechtslage", daß die Bestimmtheit des Stellenwerts innerhalb der gesetzlichen „Model" „Verfahren", um den es für die Auslegung geht, in den Hintergrund tritt. Von der nicht kleinen Zahl von Übertragungsversehen der Sdireibkräfte einmal abgesehen. 21 Näher hierzu die Skizzierung in Zivilprozeßredit (N. 18) § 1 III S. 7 ff.

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aa) Das zeitliche „Noch nidit" und „Nidit mehr" dieser „Stelle" läßt sich im Einzelfall scharf bestimmen, kann aber nicht im voraus für alle denkbaren Fälle angegeben werden. Es ist z. B. ganz sicher, daß die Einlegung einer Berufung für den Fall, daß die Klage abgewiesen werden sollte, vor der Verkündung des angefoditenen Urteils nicht möglich^^ ist. Dagegen hat sich die Verbindung von Klage und Armenrechtsgesuch in der Praxis eingespielt, obwohl gerade hier die Klage gar nidit erhoben sein soll, ehe das Armenrecht bewilligt ist. Sie wird dann nach Armenrechtsbewilligung in den Gesdiäftsgang gegeben und zugestellt. — Ein in einer mündlidien Verhandlung zu stellender Antrag kann nach dem Schluß der Verhandlung nicht mehr gestellt werden. Er ist für die Instanz endgültig dann nicht mehr möglich, wenn auf die Verhandlung hin die Hauptentsdieidung ergeht. Schleppt sich dagegen ein Verfahren jahrelang von Termin zu Termin, so kann der Antrag in neuen Terminen mitunter noch jahrelang gestellt werden. — Immerhin kann dodi das eine allgemein gesagt werden: da das Verfahren auf dem Zug-um-Zug-Handeln der „tres personae iudicii"^® beruht, ist — gar nicht einmal so viel anders als für vertraglidie Gestaltungen im materiellen Redit^^ — die Handlung ebenso wie die für eine solche vorgesehene „Stelle" im allgemeinen erst „abgesdilossen", wenn der nächste „Zug" einer der beiden anderen personae erfolgt ist. Genauer wäre es, dies negativ zu wenden: solange noch kein solcher „Zug" erfolgt ist, ist noch Raum für diese Stelle; ob ein solcher diesen Raum endgültig nimmt, kann dagegen nidit ohne weiteres gesagt werden. Die Bedeutung eines abschließenden nädisten Zugs hat audi die gesetzliche oder riditerlidie Anordnung einer Frist, wie jener in der Wirkung graduell abgestuft, von weicher Vorläufigkeit bis zum harten Aussdiluß. ßß) Die systematische Bedeutung des Verfahrens für jede innerhalb seiner vorgenommenen Handlung wie für das in Rechtssätzen konstituierte Leitbild einer solchen ist evident. Sie enthält das für die Auslegung bestimmende Moment der Verfahrensgerechtigkeit für beide Parteien, den Handelnden sowohl wie seinen Gegner. b) Wie stets, werden Fehler der Verfahrenshandlung erst dort bedeutsam, wo Auslegung nicht zu absichtskonformem Sinn führt. BeAudi dies freilidi nur als Grenzfall. Über die Einlegung eines Einsprudis gegen ein Versäumnisurteil, das wider Erwarten nodi nidit verkündet worden war, vgl. Vollkommer (N. 27) S. 56; Stein-Jonas" § 339 ZPO Anm. I über N . 5. " Actoris, rei, judiéis, so sdion Bulgarus. " Vgl. Zivilprozeßredit (N. 18) S. 154.

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antragt etwa ein Zivilprozessualist in einer vom Staatsanwalt eingelegten Berufung im Strafprozeß „Zurückweisung", so wird dies stillsdiweigend in die Gesetzesmodel „Verwerfung" umgedeutet. Immerhin sind die Möglichkeiten der Auslegung begrenzt, und die größte Zahl der Fehler sind ohnehin Unvollständigkeiten gegenüber gesetzlichen Formerfordernissen. Die "Weisheit des: „Entweder-oder"^® ist hier noch weniger zureichend als im materiellen Recht, wo längst erkannt ist, daß bei fortdauernden Rechtsverhältnissen Ursprungsmängel in die Belanglosigkeit sinken können. Im Verfahren heißt, einen Stein herausbrechen, daß das ganze Gebäude zusammenstürzen kann. Am ehesten ist dies zu Beginn eines Verfahrens oder eines Rechtswegs möglich: Formverletzungen bei Einlegung eines Rechtsmittels etwa können mit minderen Bedenken mit Unwirksamkeit bedroht werden als spätere Verfahrenshandlungen. Die von den Rechtssätzen der Verfahrensordnung geformte „Model" einer solchen Verfahrenshandlung zeichnet sich dadurch aus, daß sie für den Fortgang des einmal begonnenen Verfahrens notwendig ist. Eine Handlung kann deswegen nicht ohne Nebenwirkungen für alle auf ihr aufbauenden weiteren Prozeßhandlungen, auch des Gegners, hinauskatapultiert werden. Dies zusammen mit der ja vorhandenen realen Absicht einer gesetzeskonformen Handlung bestimmt die Ausgangslage jeder Fehlerwertung: sie sollte grundsätzlich auf Vervollständigung der Form gehen, nicht auf die Beseitigung des bereits, wenn auch unvollständig. Bewirkten. Mit Recht haben sich deswegen in jüngster Zeit die rules des englischen High Court in London dazu durchgerungen, die Heilbarkeit einer jeden non-compliance with rules zuzulassen^®. Freilich hat jene Verfahrensordnung zwei Steuerungsmöglidikeiten, die der deutsche Prozeß nicht kennt: was und wie zu vervollständigen ist, bestimmt eine Gerichtsentscheidung, und jeder aus ihr resultierende Nachteil für den Gegner wird durch einen Kostenvorteil — innerhalb der so ganz anderen Kostenordnung des englisdien Rechts — für diesen ausgeglichen. Von unserer Ausgangslage aus bedarf es der Abwägung des Nachteils von Fehlerausgleidi für den Gegner durch eine solchermaßen ausgerichtete Auslegung des einzelnen Rechtssatzes mit Hilfe des Grundsatzes der Verfahrensgleichheit. "Was aber das Eingreifen des Richters angeht, so sollte er sich nicht erst im nachhinein mittels der Schlußentsdieidung aussprechen, sondern in — zugegeben kühner — Auslegung des § 139 ZPO den Parteien eine "Weisung für die Korrektur erteilen. Erfüllt = wirksam; nidit erfüllt = unwirksam. 2» Vgl. hierzu Zivilprozeßredit (N. 18) S. 261 f., 144 ff. Die selbstverständlidie Grenze ist, auch in England, die prozessualische Überholung.

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Dem Stil unserer Prozeßordnungen gemäß wird allerdings dort, wo sidi der Gegner auf eine Beendigung eines Verfahrensabsdinittes verlassen konnte — Verpassen von Notfristen aller Art — besondere Vorsicht am Platz sein. "Wie weit das Feld hier ist — worauf Friedrich Weber mit Redit hingewiesen hat — zeigt die Studie von Max Vollkommer, Formenstrenge und prozessuale Billigkeit®^. 3. Ganz anders sehen die offenen Sanktionen aus, die sich an die Nichtvornahme von Handlungen anschließen, die das Gesetz einem Beteiligten nahegelegt hat. Hier fehlt von vornherein die Parallele zum Zivilrecht, die versäumten Pfliditen sind „Pflichten gegen sich selbst", Gebote eigenen Interesses. Die vielgestaltige Sanktion hat einen einzigen Zweck: den Fortgang des Verfahrens ohne jene nahegelegte Handlung zu ermöglichen. Da es sich um offene Sanktion handelt, sind die gesetzlichen Richtigkeitserwägungen traditionsbewährt und besonders gut durchdacht. Soweit dabei die Interessen des Betroffenen allzu stark beschnitten werden, pflegt das Gesetz selbst einen Rückweg offen zu halten, wie etwa beim Versäumnisurteil. Für die Auslegung der Sanktionsnormen bieten sich somit kaum je ernsthafte Schwierigkeiten.

Mündien 1973. Diese unter umfassender Würdigung von Praxis und Theorie erstellte Abhandlung von fünfhundert Druckseiten befaßt sidi allein mit der prozessualen Sdiriftform.

System und Aufbau der Schadenshaftung im Deliktsrecht ERWIN DEUTSCH

1. System: Generalklausel oder Sondertatbestände 1. System des BGB: beschränkte

Allgemeintatbestände

Das Bürgerliche Gesetzbuch hat sich im Bereich der außervertraglidien Haftung weder mit einer umfassenden Haftungsnorm begnügt, noch alle erdenklichen Schädigungen einzeln aufgezählt. Es verfolgt vielmehr ein kombiniertes System, wonadi auf drei allgemeine H a f tungsgründe eine Mehrzahl sdiärferer besonderer Haftungsfälle folgt. Die drei Allgemeintatbestände^ sind in den §§ 823 I und II, 826 BGB aufgestellt und lassen sich schlagwortartig mit der Verletzung von Recht, Pflidit und Sitte bezeichnen. Die Allgemeintatbestände bilden aber weder einzeln noch zusammengenommen eine „Generalklausel" der Unrechtshaftung, da jedes der genannten Kriterien mit einer Einschränkung versehen ist. Als „Recht" kommt nur eines der Güter (Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit) oder ein „sonstiges Redit" nach der Art des absolut geschützten Eigentums in Betracht. Die Pflicht hat aus einem Schutzgesetz zu stammen. Und die Sitte soll nicht allein „gute Sitte" sein, sondern wird von der h. M. sogar auf sittlich verwerfliches Verhalten eingeengt^; überdies wird bei Sittenverletzung nur der Vorsatzsdiaden ersetzt. Wir haben somit in den §§ 823 £F. BGB drei einander überschneidende Allgemeintatbestände vor uns, von denen aber keiner sowenig eingeschränkt ist, daß er das Prädikat „Generalklausel" verdient. Dieser K o m p r o m i ß , nämlidi mehrere Allgemeintatbestände anstelle einer Generalklausel, ist das Werk der 2. Kommission. D e r 1. Entwurf z u m B G B hatte n o d i vorgesehen, d a ß jede vorsätzlidie oder fahrlässige Schadenszufügung z u m Ersatz verpflichte, u n d ergänzend für die Folgen jeder sdiuldhaften Rechtsverletzung einstehen lassen". D a z u bemerken ^ Audi Nipperdey, Reform des Sdiadensersatzredits (1940), 8. 37, spridit von „allgemeinen Deliktstatbeständen". 2 Dazu ausführlich Soergel-Knopp, 10. Aufl., § 826 Anm. 10 ff. ' E I § 704 : „Hat jemand durch eine aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit begangene widerrechtlicbe Handlung — Thun oder Unterlassen — einem Anderen einen Schaden zugefügt, dessen Entstehung er vorausgesehen hat oder voraussehen mußte, so ist er dem Anderen zum Ersätze des durch die Handlung verursachten Sdiadens

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die Protokolle kritisch: „Es gehe zu weit, jedem Beschädigten ein Redit auf Entschädigung zu gewähren, ohne daß es darauf ankomme, ob das verletzte Gesetz zum Schutze der geschädigten Interessen bestimmt sei... Das richtige Prinzip enthalte der § 704 II; es empfehle sidi um so mehr, die Fälle beider Kategorien einander gleichzustellen, als es häufig schwer sei, die rechtlidi geschützten Interessen und die absoluten Rechte auseinanderzuhalten*. " Vor dem Ansturm der Ordnungsaufgaben mußte das gesetzlidie System der Unrechtshaftung, welche in ihrer freien Entwicklung durdi Verweisung auf andere Rechtsgebiete gehemmt war, an einer Stelle kapitulieren. Es geschah durch eine „Flucht in die Generalklauseln" bei der „Rechts"verletzung des § 823 I. Damit daß das Recht am Gewerbebetrieb und das Persönlichkeitsredit als „sonstige Rechte" anerkannt wurden, hat man in diesen Teilbereiciien die Generalklausel in das Deliktsrecht eingeschleust®. Woran erkennt man eine Generalklausel im Haftungsrecht? Es wäre zu einfach, wollte man nur jede Schadenszufügung schlechthin als solche ansehen, denn dann könnte allein die Erfolgshaftung eine Generalklausel entwickeln. Vielmehr gibt es auch eine der Praxis vollkommen freigestellte Unrechtshaftung. Ihr Kriterium ist die umfassende Bezeichnung des Unrechts, so daß Tatbestand und Widerrechtlichkeit erst im Einzelfall abgegrenzt bzw. festgestellt werden müssen. 2. Ergänzende

Sondertatbestände

Die besonderen Unrechtshaftungen der §§ 824 f., 831 ff. BGB sind regelmäßig als Verschärfungen der Allgemeintatbestände konstruiert. Meist wird das Verschulden eines „Hintermannes" vermutet, etwa des Geschäftsherrn, der Eltern, des Tierhalters oder -aufsehers, des Besitzers eines gefährlichen Gebäudes. Für den Trunkenen oder Süchtigen ist die Vermutung sogar zur fast unwiderleglichen gesteigert, § 827 S. 2 BGB. Selbst die Erwerbsschädigung des § 824 BGB ist derart ausgestaltet, daß die Allgemeinhaftung für strafbare Beleidigung verpfliditet, ohne Untersdiied, ob der Umfang des Sdiadens vorauszusehen war oder nidit. — Hat jemand aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit durdi eine widerreditlidie Handlung das Recht eines Anderen verletzt, so ist er den durdi die Reditsverletzung dem Anderen verursaditen Sdiaden diesem zu ersetzen verpflichtet, audi wenn die Entstehung eines Sdiadens nidit vorauszusehen war. Als Verletzung eines Redits im Sinne der vorstehenden Vorschrift ist auch die Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit und der Ehre anzusehen." < Prot. II 571 f. ' V. Caemmerer, Wandlungen des Deliktsredits, Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des DJT Bd. II (1960), S. 89 f.

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auf Fahrlässigkeit ausgedehnt wird. Nur in dem Reditfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 824 II BGB) ist eine übergreifende Beschränkung ausgesprochen. 3. Reòtsvergleichung

und Rechtspolitik

Durdb seine berühmte Generalklausel hat sich der code Napoleon für die gewandelten Ordnungsaufgaben von gut eineinhalb Jahrhunderten geschmeidig erhalten®. Auf Grund dieser Bestimmung haben die französischen Gerichte nicht allein den Bereich des klassischen Deliktsrechts ausgefüllt, sondern audi ein System des Schutzes vor concurrence déloyale entwickelt. Das englisdie Recht gleicht eher dem heutigen deutschen Deliktsrecht, da es aus einer Mischung von partiellen Generalklauseln (z. B. negligence nuisance), beschränkten Allgemeintatbeständen (trespass) und Sonderklagen (malicious persecution) besteht. Anders als unser Recht ist das englisdie jedodi grundsätzlich frei ergänzungsfähig. Im System des Richterrechts kann nämlich für ein neues Delikt eine neue Klage entwickelt werden. Für eine zutreffende gesetzliche Regelung der Unreditshaftung scheiden heute zwei Systeme von vornherein aus. Die abschließende Einzelaufzählung ist nicht anpassungsfähig und das offene System freier Ergänzung widerspricht dem Kodifikationsgedanken. Die Wahl besteht nur noch zwischen einer umfassenden Generalklausel und beschränkten Allgemeintatbeständen, die eventuell durch partielle Generalklauseln ergänzt wären. Nach Kabel lehrt aber die Erfahrung, daß deliktische Generalklauseln, wie wir sie in fremden Rechten finden, zu weit gefaßt sind, auch wenn man weiter Rechtswidrigkeit und Verschulden verlangt^. Ebenso hat de Page die Generalklausel des code civil abgelehnt, da sie „eine teils dunkle, teils ungenügende Regelung" treffe®. Umgekehrt trat Nipperdey früher dafür ein, eine Generalklausel einzuführen, um den dogmatischen Verhärtungen des geltenden Rechts entgegenzuwirken®. In Wirklichkeit ist der Gegensatz geringer, als es zunächst den Ansciiein hat. Bei einer umfassenden Generalklausel fällt es der Recht' Art. 1382 cc lautet: «Tout fait quelconque de l'homme, qui cause à autrui un dommage, oblige celui par la faute duquel il est arrivé, à le réparer.» ' Rabel, Unerlaubte Handlungen, Deutsdie Landesreferate zum I. Internationalen Kongreß für Reditsvergleidiung, S. 13. 8 de Page, Droit Civil Beige, 3. Aufl. II, Nr. 901 : «Obscurité d'une part, insuffisance de l'autre.» ' Nipperdey, Reform des Sdiadensersatzredits, S. 37 ff. Sein Gesetzgebungsvorsdilag in N J W 67, 1994 kehrt indes wieder zu drei parallelen Allgemeintatbeständen zurüdk.

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sprediung und Lehre zu, durch Güterabwägung, Fallvergleidiung und Gruppenbildung die Kriterien der Haftung herauszuarbeiten. Im System gesetzlich beschränkter Allgemeintatbestände nimmt das Gesetz der Rechtsanwendung einen Teil der Aufgabe ab, die wir Rechtsgewinnung nennen. Es zählt etwa die geschützten Güter und Rechte auf, oder nennt haftbar machende Verhalten, wie die Anschwärzung. Die gesetzlidie Nennung ist an sich von Vorteil, sie entspricht der Aufgabenverteilung zwischen Rechtssetzung und Rechtsanwendung, beugt Rechtsunsicherheiten vor und entlastet die Gerichte. Sie ist jedocii nur akzeptabel, wenn sie von partiellen Generalklauseln oder sonstigen Rechtsfortbildungsmöglichkeiten ergänzt wird. Auf die Anpassung der Haftung an die Wirklichkeiten des Lebens können wir nicht verzichten.

II. Aufbau des Haftungs- und Schadenstatbestands 1. Aufbamchema der haftungsbegründenden Merkmale (Tatbestand, Rechtswidrigkeit, Verschulden) Die Haftungsnorm, gleichgültig ob Allgemein- oder Sondertatbestand, besteht aus einer Mehrzahl von Voraussetzungen und einer Rechtsfolge. So hat derjenige, der die StVO als Schutzgesetz schuldhaft übertritt und damit Schaden verursacht, Ersatz zu leisten, § 823 II BGB. Die Anhäufung von Voraussetzungen durch das Gesetz, zu der noch weitere von der Lehre entwickelte Erfordernisse treten (wie etwa der Schutzbereidi der Norm), legt uns nahe, die einzelnen Merkmale nach ihrer Struktur zu ordnen. Nach strafrechtlichem Vorbild (Beling)^" und gestützt auf die wiederkehrende Verwendung der Begriffe „Rechtswidrigkeit" und „Verschulden" bzw. „Vorsatz" und „Fahrlässigkeit" in den §§ 823 if. BGB ist ein vertikales System geschaffen worden, das die Voraussetzungen der Haftung in einen dreifachen Aufbau einordnet. Die drei Stufen werden durch die Systembegriffe Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Verschulden (Vorsatz und Fahrlässigkeit) umschrieben. Der Tatbestand enthält die Haftungsmaterie. Er umschreibt gegenständlich einen Vorgang, der typischerweise Grund für die Haftung ist. Da er nur einen Teil der Voraussetzungen umfaßt, ist der Tatbestand für die Haftung erforderlich, aber nicht genügend. Im Falle der Sachbeschädigung ist die „Verletzung des Eigentums" der Tatbestand des § 823 I BGB. An den Tatbestand schließt die Rechts1° Beling, Lehre v o m Verbrechen (1906), S. 20 ff.

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Widrigkeit an. In ihr gelangt das im Tatbestand unfertig angelegte Urteil zur Vollendung, nämlich daß die Verwirklichung des Tatbestands der Rechtsordnung widerspricht, Unrecht ist. Hier ist die Stätte der Rechtfertigungsgründe, die, wie die Notwehr, tatbestandsmäßiges Verhalten erlauben. Mit Tatbestand und Reditswidrigkeit steht das Unredit fest, zur Haftung fehlt es indessen nodi am Verschulden. Es steht auf der dritten Stufe und umfaßt Zuredinungsfähigkeit, Vorsatz und Fahrlässigkeit. Demnach ist für Sachbeschädigung Ersatz zu leisten bei 1. Verletzung des Eigentums, die 2. widerrechtlich und 3. schuldhaft war. Die Dreiteilung der Voraussetzungen ermöglicht schon an sich eine präzisere Subsumtion und läßt die unterschiedlichen Wertungsmomente erkennen. Darüber hinaus hat aber auch die von der Geologie übernommene Vorstellung der Schichtung eigene Aussagekraft. Rechtswidrigkeit und Versdiulden sind relative Begriffe, sie beziehen sich auf den Tatbestand. Nur ein tatbestandsmäßiges Verhalten kann widerrechtlich und sdiuldhaft sein. Darüber hinaus richtet sidi das Verschulden auch auf die Widerrechtlichkeit. Wer nicht weiß und auch nicht wissen kann, daß er Unrecht tut, befindet sich im Rechtsirrtum und haftet nicht. D i e dreifadie Abstufung sagt also zutreffend aus, daß Rechtswidrigkeit und Versdiulden relative, d. h. auf die Vorstufen bezogene Begriffe sind. Es gibt keine Rechtswidrigkeit und keine Fahrlässigkeit an sich. Korrekt ist allein, von reditswidriger oder fahrlässiger Tatbestandsverwirklichung zu spredien. Dabei ist gegen eine abgekürzte Sprechweise ( X handelte reditswidrig oder fahrlässig) nichts einzuwenden, wenn man sich nur der Beziehung bewußt ist. Prototyp ist der Fall des Stopschildes, das von einem vorschriftswidrig geparkten Lastzug verdeckt ist. D e r O r t s u n k u n dige hat keine Möglichkeit, das Halteverbot zu kennen und zu beachten. E r verletzt diese Schutznorm und handelt damit tatbestandsmäßig und widerrechtlidi. Es fehlt jedodi an der Fahrlässigkeit, weil er auch bei Anspannung der erforderlichen Sorgfalt die N o r m nicht zu erkennen vermochte".

Der Dreieraufbau ist erfunden worden, um die Unrechtshaftung leichter zu begreifen und reibungsloser anzuwenden. Dennoch geht es auch hier nidit ohne Friktionen ab. Es kann zweifelhaft sein, in welche Schichtstufe ein Merkmal einzuordnen, ob es vielleicht zwei Stufen zuzuweisen oder zur rechten Einordnung in seine Bestandteile auseinanderzubrechen ist. So kann man darüber streiten, ob nicht die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes (wie etwa Abwehr eines gegenwärtigen Angriffs bei der Notwehr) richtigerweise » Larenz, Sdiuldrecht I (8. Aufl.) § 19 IV.

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dem Tatbestand zugeordnet werden sollten^^, was durdi ihren gegenständlichen Charakter nahegelegt und beim Irrtum (Tatsachen-, nicht Reditsirrtum) von Bedeutung sein könnte. Die Notwendigkeit, daß der Täter willentlich und nidit als Bewußtloser oder aus einem Reflex heraus handelte, gehört zum Tatbestand (Handlung) und zum Verschulden (Vorsatz). Sdiließlich könnte man die äußere Sorgfalt, also dieses sachgemäße Verhalten, dem Tatbestand zuweisen, wodurch die Fahrlässigkeit aufgetrennt würde, denn die innere Sorgfalt (Vorsicht, Aufmerksamkeit) bliebe in der Versdiuldensstufe zurück^®. Der Wert des Dreieraufbaus wird jedoch durdi die Erkenntnis gemindert, daß er nicht vollständig ist. Es gibt eine Reihe gesetzlicher oder in der Auslegung entwickelter Erfordernisse der Haftung, welche in dem Schiditaufbau keinen Platz gefunden haben. Hier sind zu nennen: Schaden, Schutzbereich der Norm und adäquate Kausalität. Man hat sie bisher als „objektive Bedingungen der Haftung" von jedem Aufbau ferngehalten, obwohl die nicht zum Abschluß gekommene Diskussion um das Verhältnis von Schutzbereich und Adäquanz^^ eine Schematisierung nahegelegt hätte. Es ist anerkannt, daß der Dreieraufbau in Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Verschulden ausschließlich dem Präventionszweck verpflichtet ist, der in der Unrechtshaftung erst an zweiter Stelle rangiert. Die „vergessenen Drei", nämlich Schaden, Schutzbereich und Adäquanz beruhen auf dem Ersatzzweck. Auch sie gewinnen dadurch, daß sie in ein Aufbaúschema eingebracht werden. 2. Aufhauschema der haftungsausfüllenden Merkmale (Schaden, Schutzbereich, Adäquanz) Bei den haftungsausfüllenden Merkmalen entspricht der Schadenstatbestand dem Unrechtstatbestand bei der Haftungsbegründung. Zu ihm rechnen die Tatsache, daß ein Schaden entstanden ist, ferner der Kausalzusammenhang zwischen Verletzung und Schaden und der Schadensumfang. Auf dem Schadenstatbestand baut die „Rechtswidrigkeit des Schadens" auf, die wir den Schutzbereich der Norm Wie es die eingesdiränkte Schuldtheorie im Strafredit tut, vgl. Jesòeck, Strafredit, 2. Aufl., § 41 III 2; Schmidhäuser, Strafredit, 10/58. 13 Gegen den Mangel, „dem Fahrlässigkeitsbegriff Bedeutung nur auf einer der drei Stufen des Gesamttatbestandes" beizumessen, Esser, Sdiuldredit Ρ § 38 II. Vgl. auch Latenz, Sdiuldredit P» § 20 IV. " Rother, Haftungsbesdiränkung im Sdiadensredit (1965), S. 25; W. Lorenz, Fortsdiritte der Sdiuldreditsdogmatik, J Z 1961, 4 3 8 " ; Deutsch, Sdiutzbereidi und Tatbestand des unerlaubten Heileingriffs im Zivilredit, N J W 1965, 1987 f.; Larenz, Sdiuldredit I>» § 27 III.

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nennen. Es wird nur der Schaden ersetzt, welcher von der Tatbestandsnorm hintangehalten werden sollte^®. Der Sdiutzbereidi basiert auf dem UnreÄt, das Haftungsgrund ist. Er bezieht sich aber auf den Schaden, denn ohne Schaden gibt der Schutzbereich nichts her. Darüber hinaus wird man sagen können, daß der von der Verletzung nicht zu entfernte Schaden regelmäßig im Schutzbereich der Norm liege. Der Normsetzer wird nämlich Schäden, die typischerweise aus dem Unrecht entstehen, mit zum Anlaß für sein Verbot oder Gebot genommen haben^^. Auch das dritte Merkmal, die Adäquanz der Kausalität, bezieht sich auf beide vorhergehenden. Das erhellt schon daraus, daß man herkömmlidierweise von der „adäquaten Kausalität" spricht und wir den Kausalzusammenhang selbst beim Schadenstatbestand eingeordnet haben. Durch die schon im Aufbau kenntlidi gemadite Abhebung der Adäquanz von der Kausalität wird auch genügend deutlich, daß es sich um eine Frage der Zurechnung handelt, die von einer Wertentscheidung abhängt^®. Es geht hier — parallel zur inneren Sorgfalt — um die Erkennbarkeit, aber gerichtet auf diesen Schaden und bezogen auf einen besonders tüchtigen und erfahrenen Beobachter^^. Auch die Verbindung zwischen Sdiutzbereich und Adäquanz ist offenkundig. Nur für einen Schaden, den der Normgeber ersatzfähig machen wollte, stellt sich noch die Frage, ob er adäquat ist. Indes gibt es auch hier objektive Schadenshaftungen, bei denen es auf eine Zurechnung nicht mehr ankommt, dann nämlich, wenn Präventionserwägungen durchschlagen. So haben der Schuldner im Verzug und der deliktische Besitzer auch für inadäquate Schäden einzustehen, §§ 287^, 848 BGB. Man könnte sdiließlich audi daran denken, daß der Schutzbereich der Norm adäquat sein müsse, d. h. daß besonders weite Sdiutzbereiche erkennbar sein müssen. Das kommt vor allem bei den Verhaltensnormen in Frage, die von Blanketten wie §§ 823 II, 839 BGB zu Haftungsgründen umgestaltet werden. Läßt man hier mit der h. L. die Haftung schon entstehen, wenn nur die Verhaltensnorm sdiuldhaft verletzt wurde (ist also die schuldhafte Verletzung eines Reditsguts entbehrlich)!®, JQ braucht auch der Schaden regelmäßig nicht adäquat zu sein. Dispensiert das Gesetz beim Haftungsgrund von der konkreten Gefährdung, so wird es auch den Haftungsumfang regelmäßig

" Vgl. die bei Larenz, Sdiuldredit P» § 27 III Genannten. " Fikentscher, SdiuldrechtS § 5 1 III; Enneccerus-Lehmann, Sdiuldredit*' § 1 5 ; V. Tuhr-Siegwart, Obligationenredit^ I § 13 I 9. " Larenz, Sdiuldredit I " § 27111b; Deutsá, Fahrlässigkeit und erforderlidie Sorgfalt (1963), S. 118 f. " RG JW 16, 38; Enneccerus-Lehmann" § 235 II 2.

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abstrakt, d . h . selbständig, bestimmeni'. Diesen Sdiutzbereidi, der — etwa von lokalen Gesetzgebern bei der Straßenverkehrsregelung — extrem weit gezogen sein kann, auf das Maß des Einsichtigen herabzusetzen, erscheint zutreffend. Insoweit muß also auch der Sdiutzbereich adäquat sein, wenn auch nicht der konkrete Schaden^®. Man könnte von Normadäquanz oder abstrakter Adäquanz sprechen. Audi dieser Aufbau läßt sidi nidit überall durdiführen. Man nehme etwa die sittenwidrige, vorsätzliche Schadenszufügung des § 826 BGB. Dem Satz fraus omnia corrumpit folgend, dehnen wir den Schutzbereidi auf alle Schäden aus, was um so leichter fällt, als sie vorsätzlich herbeigeführt sein müssen. An Stelle der Adäquanz tritt also der Vorsatz.

III. Verhältnis von Aufbau und System Die Grundfrage der Systematik, nämlich Generalklausel oder gesetzlich bestimmte Handlung, betrifft den Haftungstatbestand, nidit aber unmittelbar Rechtswidrigkeit und Verschulden oder den Schadenstatbestand. Es kommt darauf an, ob die Haftungsmaterie ganz allgemein oder doch wenigstens gegenständlich (nach Begehungsformen wie in § 824 BGB oder nach verletzten Rechtsgütern wie in § 823 I BGB) bestimmt wird. Dennoch prägt die systematische Ausgestaltung des Tatbestandes auch anderen Merkmalen ihren Stempel auf. So indiziert ein abgegrenzter Tatbestand die Rechtswidrigkeit, so daß nur noch die wenigen Rechtfertigungsgründe das Unrechtsurteil abwenden können. Demnach spricht alles dafür, daß die Körperverletzung rechtswidrig ist, sofern niciit gerade Einwilligung, N o t wehr usw. gegeben sind. Diese Indizierung der Widerrechtlichkeit steht und fällt mit der Abgrenzung des Tatbestandes; eine Generalklausel, die noch keine Unrechtsmaterie gibt, sondern sich erst nach ihr fragt, vermag eine solche Wirkung nicht auszuüben. So kommt es, daß die partiellen Generalklauseln „Verletzung des allgemeinen Deutsch, Begrenzung der Haftung aus abstrakter Gefährdung wegen fehlender adäquater Kausalität? JZ 1966, 558. Vgl. dazu Stoll, Kausalzusammenhang und Normzweck im Deliktsrecht (1968), S. 21 f. Damit könnte auf einer objektiven und daher der Schadenszurechnung angemessenen Grundlage dem berechtigten Kern der Lehre Rechnung getragen werden, wonach auch bei § 823 II BGB das Versdiulden die Verletzung des geschützten Interesses oder Rechtsguts umfassen müsse. Das fordern Fikentsòer* § 1 0 4 1113; Stoll, Kausalzusammenhang und Normzweck im Deliktsrecht, S. 2 2 f . ; Lorenz, RabelsZ 1970, 35 Anm. 66. Diese Ansicht nimmt vor allem daran Anstoß, daß „das Haftungsrisiko durch weitgreifende Sicherheitsvorschriften — man denke an übertriebene Geschwindigkeitsbeschränkungen — beliebig manipulierbar" werden könne {ßtoll, a. a. O.).

System und Aufbau der Sdiadenshaftung im Deliktsrecbt

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Persönlichkeitsrechts" und „Eingriff in den Gewerbebetrieb" positiver Reditswidrigkeitsfeststellung bedürfen^^. Die Tatbestandsnorm kann die Gefährdung eines Rechtsguts oder ein Verhalten untersagen. Im letzten Falle, also bei der tatbestandsmäßigen Übertretung von Verhaltensnormen, werden Verschulden und Adäquanz erheblich modifiziert. Die äußere Sorgfalt (im Höchstmaß) ist jetzt identisch mit der Einhaltung der Verhaltensnorm^^, mit dem Setzen des gebotenen und dem Unterlassen des verbotenen Verhaltens. Auch die Adäquanz richtet sidi nur noch auf den Schutzbereich.

IV. Bindung an das Aufbauschema und sachliche Folgerungen Der Dreieraufbau ist von der Rechtslehre geschaffen und dient didaktischen und erkenntnistheoretischen Zwecken. E r bindet nicht, wie schon die nicht seltenen Ausnahmen beweisen. So ist gelegentlich bei subjektiv gefärbter Rechtswidrigkeit die zweite und dritte Stufe nicht getrennt. Das wird am Beispiel des gutgläubigen Erwerbs deutlich, der nur dann als widerrechtliche Eigentumsverletzung gilt, wenn er grob fahrlässig erfolgt, § 9 3 2 II BGB. Die Fahrlässigkeit regiert an dieser Stelle die Rechtswidrigkeit. Auch das Fehlen des Dreieraufbaus in den meisten anderen Rechten zeigt^®, daß er für das Haftungsrecht grundsätzlich entbehrlich ist. Seiner Vorteile wegen sollten wir ihn aber nicht aufgeben. Das Aufbauschema macht die Unrechtshaftung dadurch leichter verständlich, daß es seine Merkmale auf eine größere Bandbreite auseinanderzieht. Dazu kommt, daß die drei Aufbaustufen Kriterien bezeichnen, die unter allgemeineren Ordnungsgesichtspunkten angesammelt werden, nämlich Verwertung (Tatbestand), Wertung (Rechtswidrigkeit, Schutzbereich) und Zurechnung (Verschulden, Adäquanz). Die Vorzüge des Dreieraufbaus zeigen sich sowohl im Rechtsunterricht und der Wiedervergegenwärtigung als Vorstufe der Rechtsanwendung als auch bei der Rechtsanwendung selbst. W i r haben uns daran gewöhnt, daß große und kleine Streitfragen aus dem Haftungsrecht im Gewand der Einordnung in diese oder jene Aufbaustufe abgehandelt wurden. So ist in der Literatur die Fahret Deutsch, Fahrlässigkeit und erforderlidie Sorgfalt, S. 223 f. Engisò, Untersudiungen über Vorsatz und Fahrlässigkeit (1930), S. 3 3 6 ; Deutsch, Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, S. 94. Vgl. S toll, RabelsZ 1959, 3 7 0 ; τ^. Caemmerer, Wandlungen des Deliktsredits, S. 1 2 6 f . ; Wiethölter, Der Reditfertigungsgrund des verkehrsrichtigen Verhaltens (1960), S. 2 7 ; Holleaux, Karlsruher Forum 1961, 46 f.

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lässigkeit für jede der drei Stufen in Anspruch genommen worden. Sie gilt manchem als Merkmal des Tatbestandes^^, anderen als Urteil über die Widerrechtlidikeit der unvorsätzlichen Tat^®, schließlich der hergebraditen Meinung als Versdiuldensform^®. Jeder dieser Ansichten liegt ein bestimmtes Verständnis der Sorgfalt zugrunde. So wird die äußere Sorgfalt von denen in den Vordergrund gestellt, die sie zum Unrecht schlagen. Dagegen betont die bisherige Lehre die innere Sorgfalt, um die Fahrlässigkeit zum Verschulden schlagen zu können. Daran ist nichts auszusetzen, weil die Einordnung in den Stufenaufbau das Ergebnis einer Sacherwägung ist. Den selbstgefertigten Aufbau überfordert aber jeder Schluß aus der Einordnung, etwa, daß die erforderliche Sorgfalt objektiv zu bestimmen sei, da sie zum Tatbestand oder zur Reditswidrigkeit gesdilagen wurde. Ein ähnlicher Aufbau-Zirkel tritt in dem Schluß zutage, daß wegen der Einordnung der Fahrlässigkeit in die früheren Stufen das Verschulden mit subjektivem Inhalt gefüllt werden müßte^''. Als Ergebnis ist festzuhalten, daß der Aufbau und seine Einordnungen ausschließlich formale Bedeutung haben und keine sachliciien Folgerungen zulassen.

So etwa V. Caemmerer, Wandlungen des Deliktredits, S. 78 Anm. 118; ΨίεΙhölter. Der Reditfertigungsgrund des verkehrsrichtigen Verhaltens, S. 41; Dum, N J W 1960, 510. Exner, Das Wesen der Fahrlässigkeit (1910), S. 193 fif.; Karl W o l f f , Verbotenes Verhalten (1923), S. 221; Nipperdey, Rechtswidrigkeit, Sozialadäquanz, Fahrlässigkeit, Schuld im Zivilrecht, N J W 1957, 1779; Miese, Die moderne Strafrechtsdogmatik und das Zivilrecht, JZ 1956, 460; wohl auch Fabrkius, AcP 160, 296. Z . B . Weitnauer, Zum ScJiutz der absoluten Rechte, Karlsruher Forum 1961, 28 ff.; Reinhardt, Die absoluten Rechte in § 823 I BGB, JZ 1961, 715 ff. " Nipperdey, N J W 1957, 1780 f.: „Die Anerkennung des Rechtfertigungsgrundes des verkehrsrichtigen, d. h. sozialadäquaten Verhaltens hat vielmehr notwendig zur Folge, daß für einen objektiven Fahrlässigkeitsbegriff im Sinne einer .Schuldform' kein Platz mehr ist."

Juristische Methodenlehre und Prozeßrechtswissenschaft HILMAR FENGE

Der folgende Beitrag, der das gegenseitige Verhältnis zweier wissenschaftlicher Disziplinen betrifft, bemüht sidi um deren „Erörterung" im genauen Wortsinn der Angabe ihres Ortes im Wissenschaftssystem. Daß es sich dabei nur um vorläufige Überlegungen handeln kann, die weitergehender Vertiefung bedürfen, versteht sidi bei der Kürze der Darstellung von selbst. Sie knüpfen ihrerseits an Gedankengänge an, die Friedridi Weher vor nunmehr fünfzehn Jahren zur „Methodik des Prozeßrechts" entwickelt hat^, und fühlen sidi dem dort ausgesprochenen und in dem Lebenswerk des Jubilars durdigängig wadigehaltenen Bedürfnis einer sinnvollen Verbindung von Theorie und Praxis zutiefst verpflichtet.

1. Vorbemerkungen zur Begründung einer Wissenschaft durch Methodologie 1. Der Beschäftigung mit methodologischen Fragen haftet häufig der Geruch des Abseitigen und Lebensfremden an. Das gilt paradoxerweise in besonderem Maße in einer so nachdrücklich auf Praxis ausgerichteten Wissenschaft wie der Jurisprudenz^. Gegenüber dem Andrang der von Tag zu Tag neu an sie herangetragenen Probleme der Rechtswirklicbkeit entwickelt sie beständig Lösungsvorschläge zu wechselnden Konfliktslagen und Interessengegensätzen nach Anforderungen unterschiedlicher Intensität und Begründung. Sei es nun, daß bei diesem betriebsamen Geschäft des Alltags die methodologische Besinnung keinen Raum findet, sei es, daß man sie geradezu als hinderlich für einen den jeweiligen Verhältnissen angepaßten Arbeitsstil betrachtet: Nur ein geringer Bruchteil rechtswissenschaftlicher Untersuciiungen ist Methodenfragen gewidmet; hinter der alles beherrschenden Dogmatik tritt Methodik völlig in den Hintergrund. 1 In Studium Generale 1960, 183 ff. * „Jurisprudenz* meint hier entsprediend der Definition von Ballweg, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Reditsphilosophie 2 (1972), 44: „das gesamte juristisdied Handlungs- und Entsdieidungssystem unter Einfluß der mit ihr verbundenen Lehre".

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Bekanntlich zeigen andere Wissenschaften einen gegenteiligen Befund. So unterhält namentlich die Soziologie, von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, eine breit gefächerte methodologische Diskussion, die ihrerseits Aussagen zur Lösung praktischer Probleme überdeckt, ja ihre Entfaltung zu behindern und ihren Erkenntniswert in Frage zu stellen scheint®. Von Soziologen wird Klage darüber geführt, daß die Soziologie „Züge einer Projektwissenschaft" annehme, „die sich im Ansetzen von Ansätzen schon zu ersdiöpfen droht"^. Juristen, die sich in der „Zitadelle des Redits" vor der vor ihren Toren aufziehenden Soziologie verschanzt haben®, hören das nicht ungerne. Unter Hinweis auf ein für die Rechtssoziologie angenommenes „Übermaß an methodischer Grundlagendiskussion" konstatieren sie zumindest die mangelnde Lehrreife dieses Teilgebietes der Soziologie und warnen vor der Einführung rechtssoziologischer Lehrveranstaltungen in den Rechtsunterricht®. 2.

Andererseits scheint es gerade die kritische Distanz zur Methodologie zu sein, die das Selbstverständnis der Jurisprudenz als Wissenschaft^ am meisten bedroht. Wenn es zutrifft, daß die Entwicklung und Anwendung eigener Methoden der Erkenntnis eine Wissenschaft auszeichnet®, dann ist die Wissenschaftliciikeit der Jurisprudenz grundsätzlicb in doppelter Hinsicht fragwürdig. Zum einen wird ihr hermeneutisdher Charakter, zum anderen ihre dogmatische Einstellung dem Methodenideal einer Wissenschaft entgegengehalten. ' Merton, On Theoretical Sociology, 1967, p. 140 f.; Sòeuò, Fisdier-Lexikon Soziologie, 1967, Stidiwort „Methoden", S. 197, konstatiert allerdings für Deutsdiland „eine Abneigung, angesichts des Engagements an den Gegenständen der Forsdiung eine eingehendere Erörterung von Methoden überhaupt in die soziologisdie Diskussion einzubeziehen". Lorenzen, Methodisdies Denken, 1969, S. 56, meint, es gehöre allgemein „zum Stil der gegenwärtigen Wissenschaft, . . . daß die Reflexion auf die Methode in den Fachwissenschaften z. Z. häufig nicht sehr weit getrieben wird". * Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, 1974, S. 9 mit Anm. 1 unter Bezugnahme auf eine entsprechende Bemerkung des Herausgebergremiums der Zeitschrift für Soziologie 2 {1973), S. 1 ff. Vgl. auch das Programm des 17. Deutschen Soziologentags 1974 in Kassel, das „Zum Theorienvergleich in der Soziologie" allein 5 verschiedene Ansätze aufweist. ' Vgl. die Titel von Lautmann, Soziologie vor den Toren der Jurisprudenz, 1971, Heldrié, Das Trojanische Pferd in der Zitadelle des Rechts?, JuS 1974, 281. « Aáterberg, JZ 1970, 281/282; dagegen Dammann-Winter, JZ 1970, 679/680. ^ Dazu neuerdings Dreier, Rechtstheorie 2 (1971), 37 fF. ' Larenz, Ober die Unentbehrlichkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft, 1966, S. 11; Diederiώsen, Einführung in das wissenschaftliche Denken, 1970, S. 4, 98; einschränkend zu einer solchen Bestimmung Dreier, a. a. O. S. 48.

Juristisdie Methodenlehre und Prozeßreditswissenschaft

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Hermeneutik als Auslegungslehre, die vornehmlich ein „Verstehen von schriftlich fixierten Lebensäußerungen"® anstrebt, hat für die juristisdie Tätigkeit von jeher eine überragende Bedeutung gehabt. Da die Erkenntnisleistungen der Juristen weithin im Umgang mit Texten erbracht werden, war es nur natürlidi, daß die Jurisprudenz Anschluß an diese bei Theologen, Philologen und Historikern traditionsreiche Kunstlehre suchte, wobei sie sich zunächst in einer unterstellten Gemeinsamkeit methodischer Interpretation als — angewandte — Geisteswissenschaft bestätigt sah. Die Auffassung, Hermeneutik sei eine „geisteswissensdiaftlidie Grundmethode"^®, ist jedoch spätestens seit der existenzialphilosophischen Wendung, die Gadamer dem Interpretationsvorgang gegeben hat^^, ins Wanken geraten. Nunmehr wird deutlich, daß Verstehen gerade im Hinblick auf intendierte Anwendungsakte, wie sie der Jurist typischerweise zu erbringen hat, niemals unbefangen erfolgen kann, sondern immer schon durch das jeweilige „Vorverständnis" des Interpreten geprägt^® ist. Das in der Rechtsanwendung damit hervortretende konstitutive Element durdibridht mögliche Garantien methodischer Richtigkeit^® und wird vielmehr angesprochen als Ausdruck einer „Erfahrung von Wahrheit, die den Kontrollbereich wissenschaftlicher Methodik übersteigt"i^. Rechtsdogmatik, die terminologisch oft schlicht mit Jurisprudenz gleichgesetzt wird^®, bezeichnet ein als feststehend betraditetes Gerüst juristischer Argumentation. Sie setzt sich zusammen aus einem Gemenge meinungsmäßig fixierter und relativ abstrakt gehaltener Aussagen, denen nach Ansicht zahlreicher Juristen die Funktion zukommt, alle relevanten Gesichtspunkte zur Lösung von Rechtsfällen bereitzu-

• Dilthey, Die Entstehung der Hermeneutik (1900) in Ges. Sdiriften, Bd. V, 2. Aufl. 1957, S. 317 ff., 319, 332. Coing, Die juristischen Auslegungsmethoden und die Lehren der allgemeinen Hermeneutik, 1959, S. 13. " Gadamer, Wahrheit und Methode, 1960, 2. Aufl. 1965. " A. a. O. S. 278, 307 ff.; dazu namentlidi Esser, Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung, 1970, insbes. S. 133 ff.; Hinderling, Rechtsnorm und Verstehen, 1971. Betti, Die Hermeneutik als allgemeine Methodik der Geisteswissensdiaften, 2. Aufl. 1972, S. 40ff., 43; Leidit in Kaufmann (Hrsg.), Rechtstheorie, 1971, 73; Hinderling, a. a. O. S. 101. " Gadamer, a. a. О. S. X X V ; vgl. dazu noch in dem Sammelband Theoriediskussion: Hermeneutik und Ideologiekritik insbes. die Kritik von Apel, S. 7 ff., 31 f., und Habermas, S. 45 ff. " Vgl. z . B . Larenz, JuS 1971, 449/450; ebenso die Parallelstellung von Juristische Dogmatik/Rechtstheorie und Jurisprudenz/Reditswissensdiaft bei Luhmann, a. a. O. S. 13.

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Stellen^®. Diese Gesichtspunkte zu ordnen und in ausdifferenzierten Lösungstechniken unmittelbar zur Anwendung zu bringen, könnte eine mögliche Aufgabe juristischer Methodik sein. Die Erkenntnisleistungen solcher Verfahrensweisen in einem dogmatischen System dürfen jedoch nicht überschätzt werden; sie werden von vorne herein begrenzt und damit in ihrem Wert beeinträchtigt durch die Enge des Ansatzes. Dogmatisches Denken ist „Meinungsdenken"^''. Eben weil es auf einem angenommenen Konsens beruht, dient es lediglich dem Bedürfnis nach Gewißheit innerhalb eines festen Bezugsrahmens, vermag aber das darüber hinaus greifende Streben nach Wahrheit nidit zu befriedigen^®. Daher genügt es nicht den Anforderungen, die eine moderne Wissenschaftstheorie, wie sie z. B. von Popper vertreten wird, an eine wissenschaftliche Methodik stellt: „Wer seine Gedanken der Widerlegung nidit aussetzt, der spielt nicht mit in dem Spiel Wissenschaftie." Hermeneutisches Verstehen und dogmatisches Denken verfehlen demnach beide das Leitbild einer wissenschaftliche Erkenntnis verheißenden Methode, und zwar jedes auf besondere Weise; das eine wird wegen seiner zu großen persönlichen Freiheit zur Manier^®, das andere in den Gleisen der angenommenen Bindung zur Routine^^. Das gemeinsame Kennzeichen dieser Denkhaltungen liegt in der Voraussetzung einer gegenüber dem Rechtsanwender abgeschlossenen Außenwelt. Dadurch wird zwar Rationalität gesichert, der Erkenntnisfortschritt aber auch von vorne herein blockiert. 3. Gleichwohl unternommene Anstrengungen, die Jurisprudenz aus diesem Dilemma heraus auf den Weg einer echten Wissenschaft zu führen, haben demgegenüber eine grundsätzlich andere Konzeption. Adomeit, Jahrbuch für Rechtssoziologie u. Reditstheorie 2 (1972), S. 503; Ballweg, Rechtswissenschaft und Jurisprudenz, 1970, S. 116 ff.; anders i. S. »wissenschaftlicher Überprüfung": Jahr in Jahr-Maihofer (Hrsg.), Rechtstheorie 1971, S. 303. Zur „Hinterfragung" der Dogmatik: Esser, AcP 172 (1972), 97 ff., 127. " Viehweg in Maihofer (Hrsg.), Ideologie und Recht, 1969, S. 85. Vgl. die Darstellung der „radikalen Trennung von wissenschaftlicher Wahrheit und Recht" als evolutionärem Fortschritt bei Luhmann, Rechtssoziologie, 1972, S. 224. 1» Popper, Logik der Forschung, 4. Aufl. 1971, S.224; von dieser Position aus insbes. gegen die Wissenschaftlichkeit einer dogmatischen Jurisprudenz: Albert, in Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 2 (1972), S. 80 ff., 109 ff. 2» I. S. von Kant, Logik § 94, Akademie-Textausgabe 1968, Bd. IX, S. 139: „Alle Erkenntnis . . . muß einer Regel gemäß sein . . . Aber diese Regel ist entweder die der Manier (frei) oder die der Methode (Zwang). Vgl. noch Krawietz, JuS 1970, 430/431, demzufolge „Rechtsanwendungstechnik letztlich auf nicht hinreichend reflektierten Routineleistungen beruht*.

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Sie sind bei untersdiiedlidier Ausprägung im einzelnen, in kritizistischer, dialektischer oder operationalistischer Denkweise an der Vorstellung eines offenen Problemhorizontes orientiert, der im Reditsanwendungsprozeß selbst erst schrittweise zu erhellen ist. Unter dem Stichwort der Topik finden diese Bemühungen möglicherweise eine theoretisch zutreffende gemeinsame Kennzeichnung. Jedenfalls bringt der alte, rhetorischer Tradition verbundene Begriff, wie Viehweg^^ gezeigt hat, den Gegensatz zu der deduktiv-systematischen Denkhaltung zum Ausdruck, der die Dogmatik beherrscht, und auch für eine Strukturierung der hermeneutischen Situation läßt er sich nach den Untersudiungen von Friedrich Müller^^ offenbar fruchtbar machen. Die Tedinik der Problemerörterung, die an die Anforderungen realer Sachzusammenhänge gebunden im erkennenden Voranschreiten die Vorläufigkeit des jeweils Erreichten bewußthält und im Rückgriff auf ein allgemeines gesellschaftliches Bewußtsein jedem vernünftigen Gesichtspunkt Raum läßt, erweist sich als die Grundform rechtswissenschaftlicher Methodik^^. Sie stellt Rechtsgewinnung der vorgeprägten Rechtsfindung gegenüber oder, in systemtheoretischer Ausdrucksweise, „Zweckprogrammierung" einem bloßen „Konditionalprogramm"^®. Fortschritte in der Bewältigung eines je besonderen Problembereichs spiegeln sich in der Redeweise vom Entwicklungsstadium einer Wissenschaft. Dabei wird Methodologie als die jeweilige Theorie der Praxis häufig zum Gradmesser genommen. Über die Art der Zuordnung herrscht freilicii keine Einigkeit: Bald wertet man die Konzentration auf methodologische Fragen als Zeichen mangelnder Reife einer wissenschaftlichen Disziplin®®; bald betont man, daß eine reflektierende Formulierung methodologischer Prinzipien erst in den weiteren Phasen einer Wissenschaft notwendig werde, während in den Anfangsstadien die „natürlichen Anlagen" genügten^^. Bei näherer Analyse wird aber überhaupt fraglich, ob man die Fortschritte einer Wissenschaft an dem sie begleitenden Methodenbewußtsein messen Viehwez, Topik und Jurisprudenz, 4. Aufl. 1969, insbes. S. 17 ff., 55 ff. Müller, Normstruktur und Normativität, 1966, S. 47 ff., Juristisdie Methodik, 1971, S. 68 ff., 131 f. 2·' Horn, NJW 1967, 601 ff., Struck, Topisdie Jurisprudenz, 1971, S.8; terminologisdi anders Viehweg, a. a. O. S. 53, demzufolge es die Topik ist, die „Jurisprudenz nidit zur Methode werden läßt". Kritisdi vor allem Diederiώsen, NJW 1966, 697/702; Übersidit über den Diskussionsstand allgemein bei Otte, Rechtstheorie 1 (1970), 183 ff. Luhmann, Legitimation durdi Verfahren, 1969, S. 130 ff.; dazu Esser, Vorverständnis, S. 142 ff.. Jauernig, JuS 1971, 329/330. 2' Merton, a. a. О. S. 141. " Boòenski, Die zeitgenössisAen Denkmethoden, 1954, S. 20.

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kann. Vielmehr ist der Entstehungszusammenhang wissensdiaftlidier Erkenntnis von ihrem Begründungszusammenhang abzuheben^®. Wenn auch eine Problemerörterung nur bei methodischer Entwicklung der Gedanken im eigentlichen Sinn wissenschaftlich zu nennen ist, braucht doch die Erkenntnis der Wissenschaftlichkeit mit ihr nicht notwendig verbunden zu sein. Methodologie steht demnach auf einer gegenüber der Methodik höheren Reflexionsstufe. Sie ist „Rechenschaft über das Verfahren der Erkenntnis"2®. Das in ihr entwickelte Methodenbewußtsein setzt das Problembewußtsein der Methodik voraus, das seinerseits den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft bestimmt®®. Audi Jurisprudenz wird folglich nicht erst durch Methodologie zur Wissenschaft. Wohl aber wird sie, soweit sie methodisch arbeitend Erkenntnis vermittelt, in der ihr zugewandten juristischen Methodenlehre als Wissenschaft erkennbar. Ihrer Besonderheit als einer standesmäßig organisierten praktischen Handlungswissenschaft entspricht es, daß nicht alle Aussagen, die in ihrem Rahmen zur Rechtsanwendung gemacht werden, in gleicher Weise den Kriterien der Wissenschaft genügen. Arbeitsteilig werden teils theoriebezogene, teils handlungsbezogene Elemente dieser Aussagen schwerpunktmäßig von verschiedenen Funktionsträgern bevorzugt behandelt, wobei prototypisch die Arbeitsweisen des Rechtslehrers und des Richters voneinander abgesetzt sind. Indem die Juristische Methodenlehre die jeweils spezifischen Merkmale der Arbeitsweisen in dem so aufgefächerten Tätigkeitsbereich®^ der Jurisprudenz herausarbeitet, macht sie mit der Begründung der Jurisprudenz als Wissenschaft zugleich die Grenzen ihrer Wissenschaftlichkeit deutlich.

I L Ansätze zur Betrachtung der Methodik des Prozeßrechts 1. Mit „Methodik des Prozeßrechts''®^ ist das dem Prozeßrecht angemessene System von Methoden®® gemeint. Natürlich hat das Pro28 Wohlgenannt, Was ist Wissensdiaft?, 1969, S . 4 6 , 57, 156; Popper, a. a. O. S. 6. 29 Hartmann, D e r A u f b a u der realen Welt, 3. Aufl. 1964, S. 522. 3» Hartmann, a. a. O. S. 522 ff., 525. Vgl. d a z u S t r u à in G r i m m (Hrsg.), Rechtswissenschaft und Nadibarwissenschaften, 1973, S. 19. S. außer dem in Anm. 1 erwähnten A u f s a t z von Weber vor allem noch Bruns, Methodik des Prozeßredits, in Enzyklopädie der geisteswissenschaftlichen Arbeitsmethoden, 11. Lieferung (1972), S. 191 ff. »» Klaus-Buhr, Philosophisches Wörterbuch 1972, Stithwort „ M e t h o d i k " , S. 721.

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zeßrecht selbst keine Methode. Methoden sind Arbeitsweisen, und Recht arbeitet nicht, sondern wird ¿»earbeitet durch seine Darstellung und vor allem erarbeitet, d. h. durch zweckmäßige bewußte Tätigkeit von Menschen hergestellt. Die Methodenlehre benennt Regeln, denen diese Praxis folgt®^. Nun sind aber Darstellung und Herstellung von Recht vielsdhichtige Vorgänge, die in Lebensformen einer natürlichen Ordnung, in der Gestaltung eines abstrakten Normengefüges sowie in privaten, richterlichen und behördlichen Entsdieidungen Aussagen und Handlungen mit sehr verschiedenartiger Tendenz umfassen. Hier sollen namentlich diejenigen Methoden herausgegriffen werden, die die eigentlidie Rechtsanwendung betreffen, d. h. das Verfahren, in dem Recht durch verbindliche Entscheidung in einer realen Situation erfaßt wird. Angewandtes Recht ist Redit im Einzelfall. Als solches bildet es den Gegenstand der Jurisprudenz^®. Das System der regelgeleiteten Arbeitsweisen zur Reditsanwendung ist also die Methodik der Jurisprudenz. Und soweit Rechtsanwendung sich auf Fragen des Prozeßrechts bezieht, ist die in soldier Einsdiränkung betrachtete „Methodik des Prozeßrechts" der Bereich, der die Prozeßreditswissensdiaft in methodischer Hinsicht mit der Entscheidungspraxis verbindet. 2.

Weldie methodischen Regeln gelten für die Anwendung des Prozeßrechts? Diese zugespitzte Fragestellung führt unmittelbar an den Kern des hier angesprochenen Themenkreises. Sind es dieselben Regeln, die die Rechtsanwendung im übrigen beherrschen? Oder gibt es besondere methodische Regeln für die Anwendung des Prozeßrechts? Man könnte zunächst geneigt sein, die zweite Alternative sofort unter Hinweis auf den besonderen, empirisch abgrenzbaren Gegenstand des Prozeßrechts®® zu bejahen und die Besonderheit der Regeln der Rechtsanwendung auf diesem Gebiet einfadi in der Besonderheit der hierfür maßgeblichen Grundlagen der Rechtsfindung, also der Rechtsnormen und Dogmen des Prozeßredits, zu sehen. Das hieße, Normen und Dogmen des Rechts zugleidi als Reditsanwendungsregeln anzusprechen®^, eine Auffassung, die naheliegt, wenn man bedenkt. Zum Ausdruck Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, Teil 1 Nr. 202, Suhrkamp-TB 1971, S. 106; dazu Rottleuthner, Richterliches Handeln, 1973, S. 17 ff. Jerusalem, Kritik der Rechtswissenschaft, 1946, S. 49, Sòeuerle, Rechtsanwendung, 1952, S. 23: „Rechtswissenschaft... sei in ihrem ursprünglichen Kern Rechtsanwendung". »· Vgl. etwa Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, 1970, S. 8 f. " Vgl. zu den Kategorien „Verhaltensnormen" und „Entscheidungsnormen* Blomeyer, Zivilprozeßrecht, 1963, S. 2 f.

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daß einerseits die Rechtsordnung insgesamt eine Ordnung des hiensdilidien Verhaltens ist, andererseits methodische Regeln ebenfalls gerade dadurch gekennzeichnet sind, daß sie Verhaltensanweisungen geben^®. Der Aufforderungscharakter der Rechtsnormen kommt häufig schon in der sprachlichen Formulierung deutlich zum Ausdruck. Trotzdem wird man zögern, ein Verhalten allein sdion deshalb, weil es einer Rechtsnorm entspricht, als „Rechtsanwendung" zu bezeichnen, wobei allerdings Unterschiede in der Bewertung außerprozessualer und prozessualer Verhaltensweisen hervortreten. Das mögen einige Beispiele verdeutlichen: Zahlt ein Käufer den vereinbarten Kaufpreis an den Verkäufer, so tut er das, was § 433 II BGB von ihm verlangt. Man kann sagen, er „folge der Regel" dieser Vorschrift, und man kann auch sagen, daß er, weil sein Verhalten die Rechtslage verändert, Redit im Einzelfall „herstellt". Von „Rechtsanwendung" würde man hier jedodi nicht sprechen'®. Erst die verbindliche Anerkennung seines Verhaltens, etwa der Banküberweisung, als eines in bestimmter Weise rechtlich begründeten Aktes stellt die Rechtsänderung fest; das ist gemeint, wenn wir von Rechtsanwendung in bezug auf den betreffenden Fall sprechen. — Im prozessualen Bereich verschiebt sich dieses Bild. "Wenn ein Riditer die Klage des in einem Zivilprozeß zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Klägers antragsgemäß durch Versäumnisurteil abweist, ist es hinreichend deutlich, daß er damit der Regel des § 330 ZPO folgt und eine neue prozessuale Situation herstellt. Daher ist nach unserem Eindruck die Feststellung der prozessualen Rechtsänderung, Reditsanwendung also, mit seinem Verhalten ohne weiteres verbunden. In beiden Fällen bestimmt aber die Rechtsnorm, die als Regel für die Rechtsherstellung fungiert, nicht zugleich audi die Reditsanwendung. § 433 II BGB sagt ebensowenig wie § 330 ZPO etwas darüber, wie zu verfahren ist, damit die konkrete Rechtslage in einem rechtsanwendenden Akt festgestellt werden kann. Dazu bedarf es vielmehr zusätzlicher methodischer Regeln für Operationen, die Recht den Bedürfnissen der Reditsanwendung entsprechend hinreichend deutlidi zur Darstellung bringen. Audi wenn wir sagen, daß in dem Beispiel des Versäumnisurteils Rechtsanwendung mit dem Verhalten des Riditers „ohne weiteres verbunden" sei, benutzen wir offenbar implizit mindestens eine solche Regel. Das Verhalten des Riditers wird als ein " Klaus-Buhr, a. a. O. Stichwort „Regel", S. 927. " Vgl. aber die von Scheuerle, a. a. O. S. 21, angegebene Konsequenz der Auffassung von Jerusalem: „Der Spaziergänger, der sidi gemäß den Reditssätzen des Straßenverkehrs verhält, kann hiernadi mit jedem Sdiritt einen Reditsanwendungsakt vollziehen."

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Fall des § 330 ZPO gedeutet und dadurch rechtlich verständlich gemacht. Dieser Subsumtionsvorgang^® nimmt die Norm, unter die subsumiert wird, als Zielpunkt, nicht als Ausgangspunkt, folgt also nicht ihr als einer Regel^^, sondern den methodischen Regeln der regressiven Reduktion^^. Natürlich sind Darstellungsregeln wie die der Subsumtion nicht auf den Bereich des Prozeßredits beschränkt. Unser Eindruck, daß der Richter bei Erlaß eines Versäumnisurteils, im Gegensatz zu dem seine Kaufpreisschuld bezahlenden Käufer, „Recht anwende", muß folglich eine andere Grundlage haben. Es ist offenbar auch nicht die Tatsache allein, daß es sich um einen Richter handelt, die uns hier sofort an „Rechtsanwendung" denken läßt. Denn das richterliche Urteil wird zwar als „Prototyp" eines Rechtsanwendungsaktes verstanden^®, eben damit aber auch als dessen nicht allein mögliche Form. Jedoch scheint der Grad der im Anwendungsakt vorausgesetzten Darstellung des Rechts für den Sprachgebrauch die entscheidende Rolle zu spielen. Für das richterliche Urteil wird er optimal hoch angesetzt, relativ hoch auch überhaupt für prozessuale Vorgänge, die sich in einem stark formalisierten System mit einer vergleichsweise geringen Anzahl von Deutungsmöglichkeiten im allgemeinen klar abzeichnen^^, am geringsten im Bereich des materiellen Rechts, da dort ein nahezu unbegrenzter Erlebnishorizont jeden sicheren Ansatz fraglich macht. 3.

Rechtsanwendung beginnt demnach mit der Darstellung des Rechts^®. Der Entwurf verschiedener Deutungsmöglichkeiten, die mit den Methoden der Rechtsgewinnung, durch topisches Denken, Typologie und Reduktion auf die Natur der Sache entfaltet werden, wirft aber dann sofort die Frage nach den Grenzen auf. Subsumtion hier also verstanden als Entfaltung des Sachverhalts im Hinblick auf die Norm im Gegensatz zur Subordination: Engisò, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 2. Aufl. 1960, S. 17; Hassemer, Tatbestand und Typus, 1968, S. 12 Anm. 4; dagegen Rödig, Die Theorie des gerichtl. Erkenntnisverfahrens, 1973, S. 165. Zum Verhältnis von Deutung und Regelbefolgung, Wittgenstein, a. a. O. Nr. 201. " Boòenski, a. a. О. S. 100 ff.; Klaus-Buhr, a. a. О. Stidiwort „Reduktion", S. 922 f. Larenz, Methodenlehre, S. 228 f.; Sóeuerle, a . a . O . S.22; Weimar, Psychologische Strukturen richterlicher Entscheidung, 1969, S. 2. " Vgl. die Bemerkung von Bülow, Die Lehre von den Prozeßeinreden und ProzeßVoraussetzungen, 1868, S. 304, daß „das ProzeßVerhältnis sich gleichsam in der Entstehung selbst überwacht". « Vgl. Hrusáka, ARSP 1964, 485/487, 489.

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Um vorerst andeutungsweise zu erläutern, welche besonderen Probleme dabei für prozeßredbtlidie Untersudiungsgegenstände auftreten, soll wiederum auf die beiden einfadien Beispiele von Kaufpreiszahlung und Versäumnisurteil zurückgegriffen werden, jedoch mit einigen Zusätzen. Es werde unterstellt, die nähere Betrachtung der beiden Fälle ergebe folgende zusätzliche Fakten: Der Käufer habe zwar in der Banküberweisung eine bestimmte Redinungsnummer für eine Kaufpreisschuld angegeben, tatsächlich aber eine Abschlagszahlung auf ein ihm vom Verkäufer gewährtes hochverzinsliches Darlehen leisten wollen und das seinem Vertragspartner auch in einem an ihn persönlich adressierten Brief, allerdings wieder tinter versehentlicher Angabe der Nummer im Briefkopf, mitgeteilt^®. — Der Richter habe im Termin das Versäumnisurteil in der vereinfachten Form des § 311 II 2 ZPO verkündet, tatsächlich aber beschlossen, die Klage wegen mangelnder Prozeßfähigkeit des Klägers als unzulässig abzuweisen; bei der nachträglichen Abfassung des Urteils seien Tenor und Entscheidungsgründe dementsprechend aufgesetzt und das Urteil in dieser Form, wenn auch mit der Bezeichnung „Versäumnisurteil", dem Kläger zugestellt worden^^. Juristische Erörterungen der beiden Fälle lassen sich dann — ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit, sondern nur in der Absicht, den Problembereich in parallel zueinander verlaufenden Gedankenketten sichtbar zu machen — etwa so skizzieren: (a) Ausgangspunkt ist die Frage, ob an der zunächst entwickelten Darstellung der beiden Verhaltensweisen als Kaufpreiszahlung gemäß § 433 II BGB bzw. Erlaß eines Versäumnisurteils gemäß § 330 ZPO festgehalten werden kann, (b) Das wird zum Problem, weil jeweils andere, mit den ersten unvereinbare Darstellungsmöglichkeiten auftauchen, wenn man an den Willen des Erklärenden denkt, (c) Widersprüche zwischen Wille und Erklärung lösen die gesetzlichen Vorschriften der §§119 BGB und 319 ZPO, deren Verwendbarkeit hier jedoch wegen der klärungsbedürftigen Formulierungen „Inhalt der Erklärung" bzw. „offenbare Unrichtigkeiten"^® zweifelhaft erscheint; darüber hinaus tauchen Probleme der gegenseitigen Übertragbarkeit der Normen und normativen Begriffsverfestigungen auf, insbesondere die Frage, ob ein Urteil als „Willenserklärung" zu deuten oder ähnlich wie eine solche behandelt werden kann, (d) Bei zusätzlicher Berücksichtigung der Tatsache, daß der Wille der Erklärenden einem von der Erklärung Betroffenen ·" Vgl. dazu Erman-'Westermann, BGB, 5. Aufl., 1972, § 366 Anm. 1, 2. " Vgl. dazu Stein-Jonas-Schumann-Leipold, ZPO, 12. Aufl. 1972, vor § 330 Anm. III 3; dagegen: Baumbaò-Lauterbaò-Hartmann, ZPO, 32. Aufl. 1974, Übers, vor § 330 Anm. 3 A. "8 Dazu 5ΐείη-/οηα5-5ώϋ>ηαηη-ΙάροΙ(1, ZPO, § 319 Anm. I 2.

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bekannt geworden ist, führt die Einordnung in das dogmatische Geflecht der allgemeinen Auslegungslehre reditsgeschäftlidier Erklärungen zu dem Grundsatz „falsa demonstratio non nocet"^®; dessen Anwendung hebt die Probleme in b und с für den materiellreditlidien Fall auf, während sich im prozeßredhitlichen Fall wieder ähnliche Übertragungsprobleme wie zu с stellen, insbesondere im Hinblick darauf, ob der Kläger dem „Empfänger" einer Willenserklärung gleichzustellen ist. (e) Der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes spricht dafür, daß der jeweils von der Erklärung Betroffene sich auf die Erklärung in dem Sinn sollte verlassen können, in dem sie ihm mitgeteilt worden ist; das wird zum Problem bei unterschiedlicher Mitteilung an mehrere Betroffene®", die in dem prozeßrechtlidien Fall für den Kläger Erwartungen in bezug auf die Berufungsmöglichkeit bei einem Prozeßurteil, für den im Termin anwesenden Beklagten Erwartungen in bezug auf eine ihm günstige Regelung der Reditskraft und der Vollstreckbarkeit nach § 708 Ziff. 3 ZPO®^ bei einem Versäumnisurteil begründet, (f) Der Gedanke der Zumutbarkeit wirft die Frage auf, ob die Betroffenen nicht Erklärungen so gelten lassen müßten, wie sie sich in einer für die Kenntnisnahme üblicherweise bestimmten Situation darstellen®^; hierbei zeichnet sich eine unterschiedliche Lösung der beiden Fälle insofern ab, als die erwartbaren Möglichkeiten der Kenntnisnahme bei Banküberweisungen einerseits, in einem Prozeßtermin andererseits deutlidi voneinander differieren. Die Erörterung der besonderen Fallproblematik soll an dieser Stelle abgebrochen werden. Sie führt offenbar zu Strukturüberlegungen, die für die methodische Lösung der aufgeworfenen prozeßreditlichen Frage allgemeine Richtlinien in der Erfassung der Realität „des Prozesses" zu gewinnen suchen. Eine gleiche Behandlung der äußerlich zunächst scheinbar gleichen Fälle wird durch die sich aufdrängende Frage nach einer grundsätzlichen Grenzziehung zwischen materiellem Recht und Prozeßrecht von der Sache her zweifelhaft. 4. Für eine sachangemessene Rechtsgewinnung im Prozeßrecht, die den strukturellen Grenzen der Darstellungsmöglichkeit prozeßrechtlicher Fragen Redinung trägt, müssen besondere methodische Regeln zum Zuge kommen. Vgl. Deutung „offenbarer Unrichtigkeiten" i. S. von § 319 ZPO als falsa demonstratio: Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht, 11. Aufl. 1974, S. 302. =» Flume, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, 2. Bd. Das Reditsgesdiäft, 1965, S. 304 f. Wegen der Kosten vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 7. Aufl. 1974, Anm. 2. BAG, N J W 1960, 1635.

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Daß ein formales Zuordnungssystem der Rechtsnormen allein nidit ausreicht, um das Prozeßredit vom materiellen Recht theoretisch zufriedenstellend und für Einzellösungen fruchtbar abzugrenzen, hat insbesondere die letzte umfassende Untersuchung über Wediselbeziehungen zwischen Prozeßrecht und materiellem Recht von Henckel^^ ergeben. Henckel definiert das (Zivil-)Prozeßrecht als den „Inbegriff aller Normen, die menschliches Verhalten in einem auf ein Rechtssdiutzziel ausgerichteten Verfahren von und vor Reditspflegeorganen regeln", während das materielle Recht „das Verhalten in Lebensbereichen (regelt), in denen sich die Rechtssubjekte unmittelbar ohne Vermittlung eines zu einem Rechtspflegeakt angerufenen Rechtspflegeorgans begegnen"®^. Dadurch werden zugleich definitionsgemäß Normen im Hinblidc auf ihre Wirkung, nidit auf ihren Tatbestand, als „prozeßrechtlich" oder „materiellrechtlidi" gekennzeichnet; doppelte Zuordnungen erscheinen vermieden®®. Henckel will aber gleichwohl nidit auf die Heranziehung von Vorschriften des materiellen Rechts auf prozessuale Vorgänge verzichten. So weist er z. B. sachlich überzeugend nach, daß eine Zuständigkeitsvereinbarung trotz ihrer Qualifikation als Prozeßhandlung der Anfechtung nach den §§119, 123 BGB unterliegen sollte®®. Das heißt aber doch, daß die Anfechtungsbestimmungen insofern auch als prozeßrechtliche Normen im Sinne der Ausgangsdefinition gelten müßten. Freilich sind sie es sozusagen nicht von sicJi aus; vielmehr ist es nach Henckels Ansicht „Sache des Prozeßrechts zu regeln, unter welchen Voraussetzungen prozessuale Wirkungen eintreten"®^. Eine derartige Regelung kann offenbar nicht in den definitionsgemäß auf prozessuale Verhaltensregelungen festgelegten Normen des Prozeßrechts selbst getroffen werden; sie bleibt besonderen „prozeßrechtlidien Wertungen"®® vorbehalten. Solche Wertungen zu fixieren, ist die Aufgabe der hier angeführten methodischen Regeln®®. Im einzelnen lassen sich dann weiterhin für sie mehrere Funktionen unterscheiden, aus denen sich eine Klassifizierung ergibt, die unter Hinweis auf die Problemscbilderung des vorigen Abschnitts mit wenigen Worten etwa wie folgt zu kennzeichnen ist:

Henckel, Prozeßredit und materielles Redit, 1970. A. a. O. S. 408. " A. a. O. S. 21. A . a . O . S.31, 77. " A . a . O . S.31. A. a. O. S. 41 fF. Eine gewisse Parallele zu der ähnliche Abgrenzungsfragen betreffenden Regelung des IPR bietet sidi an; über „Reditsanwendungsnormen" in diesem Sinne vgl. Makarov, Grundriß des internationalen Privatrechts, 1970, S. 15.

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Als Verweisungsregeln bestimmen sie wie in (c) die Verwendbarkeit materiellreditlicher Rechtsnormen im Prozeßrecht, als Anerkennungsregeln wie in (d) die Geltung von allgemeinen Rechtsgrundsätzen, als Anpassungsregeln wie in (e) Modifikationen der Übernahme von Sinnstrukturen mit allgemeiner rechtlicher Relevanz und als Zulassungsregeln wie in (f) spezielle im Prozeßrecht zu berücksichtigende Sinnkriterien des Prozesses.

In der Ausbildung der Methoden der Rechtsgewinnung im Prozeßrecht kann auf eine Reihe von grundlegenden Prozeßtheorien zurückgegriffen werden, die für den hier insbesondere herausgehobenen engeren Bereich des Zivilprozesses wiederum im wesentlichen vier verschiedene Konzeptionen zum Ausdruck bringen. Sie beschreiben den Prozeß insgesamt als Rechtsgeschäft, als Rechtsverhältnis, als Rechtslage und als soziales System. Theorien sind selbst nicht Methoden, bilden aber ihrem Anspruch nach objektive Gesetzmäßigkeiten ab, in der eine Methode begründet sein muß, um gleichförmige Arbeit in unterschiedlichen Situationen zu ermöglichen. Umgekehrt sind sie als Theorien auch gerade in dem Maße wertvoll, in dem sie sich für die Praxis brauchbar erweisen®®. Diese wechselseitige Abstützung von Theorie und Methode hat für das Prozeßrecht Friedrich Weber in seiner eingangs erwähnten Abhandlung „Zur Methodik des Prozeßrechts" nachdrücklich betont, indem er namentlich die sogenannte „prozessuale Betraditungsweise" Goldschmidts, die nadi ihrem äußeren Anschein und der Intention des Autors®^ als Theorie auftritt, in ihrer methodischen Bedeutung würdigte®^. Dabei hat er auch auf die andere, herkunftsmäßige Verbindung der Prozeßtheorien zur Lebenswirklichkeit, ihre Einbettung in die allgemeinen geistigen und politischen Verhältnisse der jeweiligen Entstehungszeit, aufmerksam gemacht®®. Insbesondere dem Hinweis auf die Spiegelung von Machtstrukturen in den Denkformen der einzelnen Theorien nachzugehen, wäre eine reizvolle Aufgabe, die schon durch die auffällige Parallelbildung der Prozeßtheorien zu soziologischen Grundkategorien (Handlung, Beziehung, Situation, System) nahegelegt wird®^. In diesem Zusammenhang muß es bei Andeutun«" Klaus-Buhr, a. a. O. Stidiwort „Theorie", S. 1084. Goldsòmidt, Der Prozeß als Rechtslage, S. 228 mit Anm. 1259 c. «2 Weber, Studium Generale 1960, 183/188 f. " A. a. O. S. 184 f.; so audi Henckel, Vom Gerechtigkeitswert verfahrensreditlicher Normen, 1966. " Vgl. Luhmann, Legitimation durdi Verfahren, S. 38; zur Übernahme von Denkkonzeptionen der Soziologie -weiter Raiser, JZ 1970, 665.

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gen bewenden bleiben. Dagegen sollen nodi einige charakteristische Ausprägungen der vier Konzeptionen des Prozesses angeführt werden, die ihre Fruchtbarkeit zur Begründung methodischer Regeln in dem zuvor entwickelten Sinn belegen. Den Prozeß als Rechtsgesdiäft zu begreifen, entspricht wohl in besonderer Weise ursprünglichen Vorstellungen, waren doch amtliches Verfahren und private Rechtshandlung in alter Zeit derart miteinander verknüpft, daß für bestimmte Formalakte in archaischen Rechtskulturen eine eindeutige Zuordnung in dieser Hinsidit unmöglidi zu sein sdieint®®. In unserem modernen Staat mit restlos ausdifferenzierter Geriditsverfassung kann hier freilich nicht mehr Identität, wohl aber Gleichheit in Voraussetzungen oder Wirkungen behauptet werden. In dieser Alternative hat Kohler den Prozeß als ein „durch Rechtsgeschäft erzeugtes Institut" beschrieben®® und nodi in dem Urteil einen „Rechtsakt mit privatrechtlidier Wirkung" gesehen®^. Methodisdien Verweisungsregeln auf der Grundlage einer solchen Theorie ist das RG in zahlreichen Entscheidungen gefolgt, indem es insbesondere Verstößen gegen die Verlautbarungsvorsdiriften eines Urteils die gleiche zwingende Nichtigkeitsfolge zuschrieb wie § 125 BGB einem Rechtsgeschäft bei mangelnder Erfüllung der durch Gesetz vorgeschriebenen Form®®. Und auf der gleichen Linie liegt z. B. der Vorschlag von Huber, die Rechtskraft eines Urteils über ein präjudizielles Rechtsverhältnis dann auf einen an dem abhängigen Rechtsverhältnis beteiligten Dritten zu erstrecken, „wenn die Parteien des präjudiziellen Rechtsverhältnisses eine analoge Wirkung für und gegen den Dritten auch durch Rechtsgeschäft herbeiführen könnten"®®. Eine andere Auffassung vom Prozeß als Rechtsverhältnis liegt den Gedankengängen zugrunde, die Bülow erstmals prägnant formuliert hat. Demnadi ist der Prozeß ein „öffentlidi-rechtlidies, sich stufenweise entwickelndes Verhältnis zwischen Gericht und Parteien"''®. In dem Begriff des Prozeßreditsverhältnisses'^ soll sich „der Rechtsinhalt des Prozesses vom objektiven Rechtsstandpunkt darstellen, nicht bloß so, wie er von Seiten des einen oder anderen Prozeßsubjekts er«5 Vgl. z. B. Käser, Das römische Privatredit, 1955, S. 199 ÉF. «» Kohler, Der Prozeß als Rechtsverhältnis, 1888, S. 2. " A. a. O. S. 35. «8 Vgl. Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, 1958, S. 45 ff., 49. »» Huber, JuS 1972, 622 ff., 628; vgl. dagegen Fenge, Festschrift für Wahl, 1973, S. 485 f. Bülow, Die Lehre von den Prozeßreinreden und die Prozeßvoraussetzungen, 1868, S. 3. " Vgl. dazu noch Rosenberg-Sáwab, a. a. О. S. 5 ff.; kritisch Nakano, ZZP 79, 99 ff.

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scheint"^^, also namentlich nidit als Rechtsgeschäft^' oder, wie Kohler auch sagt, „Kampfakt von Partei gegen Partei" „zur Erzwingung des Rechts"^^. Die Abstraktion des Rechtsverhältnisses öffnet andererseits den Weg zur Anerkennung allgemeiner Rechtsgrundsätze im Zivilprozeßrecht, die wie etwa der Grundsatz von Treu und Glauben^® oder der Gleichheitssatz^® Bindungen im Hinblick auf Gegenseitigkeitsbeziehungen begründen. Solche Grundsätze bedürfen freilich der näheren Konkretisierung nadi den jeweiligen Gegebenheiten; ein anschauliches Beispiel hierfür bietet die Verwendung der Anerkennungsregel für gleiche Behandlung von Kläger und Beklagtem hinsiditlich der Rechtsmittelvoraussetzung der Beschwer im formellen oder materiellen Sinne^^. Die Siiht, aus der heraus Goldschmidt den Prozeß als Rechtslage vorgestellt hat, ist wiederum die Perspektive der Prozeßbeteiligten. Diesmal ist man aber nicht wie bei Kohler im Besitz der materiellen Wahrheit, sondern sieht Recht in einer durch ihre erkenntnismäßige Unsicherheit charakterisierten „dynamischen Betrachtungsweise" unter dem Gesichtspunkt „des nach Maßgabe des Rechts zu erwartenden richterlichen Urteils" jeweils nur als „Rechtslage"^®. Eine Anpassungsregel, die dieser Konzeption entspricht, kann man in dem von Goldschmidt selbst entwickelten „Prinzip der Meistbegünstigung"^® finden, wonach bei einer ihrer Art nach inkorrekten Entscheidung Zweifel über den richtigen Rechtsbehelf im Sinne der Bejahung der Zulässigkeit des jeweils ergriffenen Rechtsbehelfs zu lösen sind, mag er nun der vom Gericht gewählten Bezeichnung oder der prozeßordnungsmäßigen Rechtslage entspredhen. Ein weiteres Beispiel einer Anpassungsregel in diesem Sinn ist das von Leipold für die Beweislastverteilung postulierte Prinzip, daß es bei gleicher Ungewißheit über das Vorliegen oder NichtVorliegen rechtserheblicher Umstände angemes-

Bülow ZZP 27, 222. '' Bülow, Das Geständnlsredit, 1899, S. 89 ff., 158. Kohler, a. a. O. S. 10. " Baumgärtel, ZZP 69, 89; aus der Rspr. z . B . BAG, N J W 1969, 110; dagegen Zeiß, Die arglistige Prozeßpartei, 1967, S. 19. ™ Grundlegend Bötticher, Die Gleidiheit vor dem Richter, 2. Aufl. 1961; Blomeyer, a. a. O. (§ 15) S. 71 f. " Einerseits: Rosenber%-Sòwab, a. a. О. S. 735; Baur, Festschrift für Lent, S. 1, 12 f.; andererseits: Blomeyer, a . a . O . S. 515 mit Anm. 5; Brox, ZZP 81, 410 mit Anm. 102; vgl. noch kritisdi zu möglidien Folgerungen dieser Art Hagen, Elemente einer allg. Prozeßlehre, 1972, S. 90. " Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage, 1925, S. 255, 251. Goldsémidt, a. a. О. S. 502, Zivilprozeßredit, 1929, S. 159; vgl. RosenhergSòwah, a. a. О. S. 730 f.

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sen erscheint, eine Entscheidung zu treffen, die dem nach der Regel des Lebens wahrsdieinlidieren Sachverhalt entspricht®". Wenn Luhmann nunmehr den Prozeß als soziales System konzipiert®^, so scheint er gerade den wesentlichsten Einwänden Rechnung zu tragen, die gegen Goldschmidts Prozeßtheorie erhoben worden sind: Er durchbricht die Schranken der prozessualen Sicht, die Goldsòmidt noch gezwungen hatten, den Prozeß insgesamt gleichsam aus sich selbst heraus zu erklären als „das auf die Herbeiführung von Rechtskraft gerichtete Verfahren''®^. Gleichwohl wird aber der Sinn des Verfahrens nidit wieder vollständig an das materielle Redit zurüdtgebunden®^, sondern ihm eine eigene Systemrationalität®^ zuerkannt, die in der „Legitimation" von Entscheidungen mit Hilfe einer „Umstrukturierung des Erwartens durch den faktischen Kommunikationsprozeß"®® gesehen wird. Die rechtlichen Konsequenzen dieser von einem soziologischen Ansatz aus entwickelten Theorie sind im einzelnen noch kaum zu überblicken®®. Jedenfalls kann sie aber offenbar als einzige von den hier betrachteten Prozeßtheorien spezielle Zulassungsregeln des Verfahrens begründen, wie sie dem Prozeßrechtler etwa unter den Begriffen des Rechtssdiutzbedürfnisses®^ und der Prozeßökonomie®® vertraut sind. Darüber hinaus ist von ihr Hilfestellung in der Argumentation um die Notwendigkeit der Einhaltung prozessualer Formvorschriften zu erwarten®®, hier als Surrogat für die gerade durdi Goldsòmidts „Kritik des prozessualen Denkens" in ihrer praktischen Brauchbarkeit fragwürdig gewordene®® Theorie der Wahrheitsfindung im Prozeß.

β® Leipold, Beweislastregeln und gesetzliche Vermutungen, 1966, S. 56; dazu Fenge, JurA 1970, 547, 552 f. " Luhmann, Legitimation dut'di Verfahren, 1969, insbes. S. 57ff. für Gerichtsverfahren. β' Goldsòmidt, a . a . O . S. 151; kritisch dazu: Henckel, Prozeßrecht und materielles Recht, S. 48 f.; Jauernig, JuS 1971, 329 f. " Hierin sieht Hendtel, a. a. O. S. 7, offenbar die einzige Alternative. Luhmann, Zwecibegriíí und Systemrationalität, 1968. " Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 37. 8« Vgl. Bspr. von Dubisáar, ZZP 86 (1973), 88 ff.; kritisch vor allem Esser, Vorverständnis, S. 202 ff., 212 („technokratische Optimierung"), und dazu Κοώ, Rechtstheorie 4 (1973), 183, 192 ff. " Rosenberg-Sώwab, a. a. O. S. 467 mit Nachw. " von Mettenheim, Der Grundsatz der Prozeßökonomie im Zivilprozeß, 1970; SAmidt, Der Zweck des Zivilprozesses und seine Ökonomie, 1973. " Vgl. Weber, a. a. O. S. 192 f. und jetzt Vollkommer, Formenstrenge und prozessuale Billigkeit, 1973. ·" Siehe auch Jauernig, JuS 1971, 330: „nicht .falsch', aber inhaltsleer, weil ohne jede Konsequenz für eine konkrete Prozeßordnung".

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6.

Die genannten Theorien sind nicht die einzigen Stützen einer sachgerechten Begrenzung prozeßrechtHcher Fragen im Darstellungsbereich der Rechtsanwendung. Ihre Auswahl ist hier unter dem Gesichtspunkt erfolgt, daß sie geeignet sind, den Problemhorizont der zu beurteilenden prozeßrechtlichen Situation auf dem jeweils höchsten Abstraktionsniveau®^ abzubilden. Wegen dieser Eigenschaft erscheinen Teiltheorien und die insbesondere an einzelnen Rechtsinstituten angesiedelten dogmatischen Figuren, die faktisch im Schwerpunkt rechtswissenschaftlicher Überlegungen stehen, prinzipiell aus ihnen ableitbar, aber auch im Hinblick auf sie kritisierbar. Das Verhältnis der vier Prozeßtheorien zueinander ist noch kaum erforscht. Diskutiert und überwiegend bejaht wurde bisher die Vereinbarkeit der Auffassungen des Prozesses als Rechtsverhältnis und als Redbtslage®^. Nach dem Hinzutreten der Luhmann'sdien Theorie wird in Parallele zu dem systemtheoretischen Universalitätsanspruch in der Theorieentwicklung der Soziologie'® die Möglichkeit einer Integration der Prozeßtheorien in einer einzigen Theorie erneut geprüft werden müssen. Jedoch spricht die hier vorgeführte Zuordnungsmöglidikeit methodisdier Regeln versdiiedener Qualifikation eher für die Eigenständigkeit der einzelnen Theorien im Sinne eines je verschiedenen, gegeneinander abgrenzbaren Problembestandes. Mit diesen Bemerkungen mag die Untersuchung von Besonderheiten der Methodik der Rechtsanwendung für prozeßrechtliche Fragen abgeschlossen sein. Die weiteren Bereiche des Verfahrens der Rechtsanwendung, welche die Rechtsfindung im engeren Sinne betreffen, weisen in dieser Beziehung keine Besonderheiten auf. Allerdings sind sie unter einem anderen Aspekt des Themas interessant, auf den anschließend noch kurz eingegangen werden soll.

Anders als im Verhältnis zur Dogmatik Luhmann, Rechtssystem und Rechtsdogmatik, S. 19, im Verhältnis zur Gesetzgebung Simitis, AcP 172 (1972) 131 ff., 132. Weber, a . a . O . S. 187; Sòonke-Kuòinke, Zivilprozeßrecht, 9. Aufl. 1969, S. 8 f., wohl auch Rosenherg-Sòwab, a. a. О. S. 6, allerdings mit abgewandeltem Verständnis des Begriffs der „Rechtslage". Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 38; Prewo-Ritsert-Stracke, Systemtheoretisdie Ansätze in der Soziologie, 1973, S. 25; kritisch Buhner, Dialektik und Wissensdiaft, 1973, S. 112 ff.

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III. Ausblick auf die Betrachtung des Prozesses als Methode 1. Die Prozeßrechtswissensdhaft ist nidit auf die Vorbereitung und Diskussion von Entscheidungen der im Prozeß auftauchenden spezifisch verfahrensrechtlichen Fragen beschränkt, sondern hat darüber hinaus den durdi das Prozeßrecht geregelten Prozeß selbst im Blidc. Da im Prozeß gleichfalls methodische Arbeit geleistet wird, gibt es audii eine der Methodik des Prozeßrechts im erörterten Sinn entsprechende Methodik des Prozesses. Sie ist der Bereich, der die Prozeßrechtswissensdiaft in gegenständlicher Hinsidit mit der Entscheidungspraxis verbindet. Die Juristisch relevante Seite des Prozeßgeschehens ist die Reditsanwendung. Daher hat Scheuerle treffend bemerkt: „Die Rechtsanwendung ist der Gegenstand schlechthin des Prozeßrechts®^." Und die Prozeßrechtswissenschaft ist demgemäß „auch Wissenschaft bezüglich des menschlichen Denkens, insofern Denken über Denken"®®. Freilich wird im Prozeß nicht nur gedacht, sondern vor allem mit handgreiflichen Folgen in der Realität des Lebens gehandelt; Denken im Prozeß bleibt von dieser Funktion nicht unberührt. Eine Betrachtung des „Prozesses als Methode"®® muß demnach sowohl Gemeinsamkeiten als auch charakteristische Untersdiiede zwischen wissenschaftlidiem Denken und dem Denken der Entscheidungspraxis bloßlegen.

2.

Rechtsanwendung, die — wie im vorigen Absdinitt skizziert — mit der Darstellung des Rechts beginnt und sich in den sachbedingten Strukturen ihres besonderen Problembereichs entfalten kann, bedarf eines Entschlusses, um in der Fülle der dargestellten Möglichkeiten die konkrete Rechtsfrage zu verbindlidier Entscheidung zu bringen. In dieser Phase wird Redit festgestellt, indem gezeigt wird, daß es seinerseits aus anerkannten Formen des Rechts ableitbar oder überzeugend mit soldien Formen zu vereinbaren ist; Rechts vorschlage werden verworfen, wenn sie ohne überzeugenden Grund anerkannten Formen widersprechen. Die Überzeugungsbildung, die damit zum wesentlichen Steuerungsfaktor der Reditsfindung wird®^, ist nun wiederum »• Scheuerle, a. a. O. S. 42. " Rödig, Die Theorie des geriditlidien Erkenntnisverfahrens, 1973, S. 114. «· Rödig, a. a. O. S. 3 f. Vgl. Ballweg, ReditswissensAaft und Jurisprudenz, S. 120: „Prozeßredit, das als formale Topik die förmliche Anwendung dogmatischer Topoi zum Zwecke der Oberzeugungsbildung regelt."

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versdiiedenen Begrenzungen unterworfen, wobei Unterschiede zwischen der (richterlichen) prozessualen und der (wissensdiaftlich-literarischen) außerprozessualen Rechtsanwendung hervortreten. Das sei wie folgt angedeutet: Normative Bindungen bestimmen in der Forderung nach der Unterordnung unter den Gesetzgeber Jede Rechtsanwendung, sind freilidi durch die Formel des Art. 20 III GG, die von „Gesetz und Recht" spricht®®, wesentlich relativiert'®. Normativen Umwelterwartungen unterliegt der im Prozeß handelnde Riditer schon in anderer Weise als der außerhalb eines konkreten Falles Urteilende; hier wird die riditerliche Unabhängigkeit zum Problem. Die entscheidenden normativen Restriktionen erfährt die Rechtsanwendung jedoch durch die Prozeßordnung; insoweit ist Rechtsanwendung des Richters in einer mit jeder sonstigen Rechtsanwendung unvergleichlichen Situation. Daß damit ein Beitrag der Reditsprechung zu einem Erkenntnisfortschritt der Jurisprudenz als Wissenschaft in dem einleitend beschriebenen Sinn von vorne herein ausgeschlossen sei, läßt sich jedoch nicht ohne weiteres behaupten. Denn den Normen des Prozeßrechts stehen andererseits durch die Entscheidungsaufgabe bedingte Restriktionen der Rechtserkenntnis gegenüber. Die Entscheidung kann, weil sie auf einen individuellen, der theoretischen Erfassung zunehmend unzugänglicher werdenden Sachverhalt gerichtet ist und weil sie zugleich zukünftige, an das vergangene Geschehen sinnvoll anknüpfende Handlungsorientierung ermöglichen soll, nicht beliebig in der Schwebe bleiben. Die Verfahrensregelung bietet für dieses Dilemma ein „Rationalmodell möglichen Entsdieidungsverhaltens"^®®. Mit der Frage, ob sie ein wissenschaftlichen Ansprüdien genügendes Modell ist, haben sich Juristische Methodenlehre und Prozeßrechtswissensdiaft jede auf ihre Weise auseinanderzusetzen. J.

Als Resultat der vorliegenden, in weiten Strecken notwendigerweise fragmentarischen Erörterung bleibt festzuhalten: Juristische Methodenlehre und Prozeßrechtswissenschaft haben sowohl in der Betrachtung der Methodik des Prozeßrechts wie in der Betrachtung " Kaufmann, Gesetz und Recht (1962) in Rechtsphilosophie im Wandel, 1972, S. 135 fF. »· Beispiele, in denen Ausdrudi und Intention gesetzgeberischer Wertung von Dogmatik und Reditsprechung überspielt werden, sind zahlreich; aus dem Prozeßrecht vgl. z. B. zum Problem der Widerklage als „Angriffs-" bzw. „Verteidigungsmittel" i. S. des § 278 ZPO Baumbach-Lauterbach-Hartmann, a. a. O. § 278 Anm. 1, zum Problem des Anfechtungsrechts als Gestaltungsrecht Weber, KTS 1961, 49, 50 f. Hasen, a. a. O. S. 75.

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des Prozesses als Methode gemeinsame Interessengebiete. Im Darstellungsbereich der Reditsanwendung spezialisiert sich die Juristische Methodenlehre für prozeßrechtlidie Fragen in einem Besonderen Teil, dessen Elemente ihr von den Strukturen des Prozesses vorgezeidinet sind und insoweit audi einer wissenschaftlichen Bearbeitung durch die Prozeßrechtswissenschaft unterliegen. Für den Feststellungsbereich der Rechtsanwendung müssen beide Disziplinen die durdi die Entsdieidungsaufgabe aufgenötigten Restriktionen der Rechtserkenntnis reflektieren, wobei die Juristische Methodenlehre den erkenntnis- und handlungstheoretischen Aspekt, die Prozeßrechtswissensdiaft den normativen Aspekt dieser Beschränkung betonen werden. Insgesamt läßt sidi sagen, daß die Prozeßrechtswissenschaft der Juristischen Methodenlehre Realkomponenten der Rechtsanwendung, die Juristische Methodenlehre der Prozeßrechtswissenschaft Erkenntniskomponenten des Prozeßrechts vermittelt.

Negative Rechtskraftwirkung und konkursmäßige Zweittitulierung H A N S FRIEDHELM G A U L

I. Das Problem Der Gläubiger, der vor Konkurseröffnung einen Vollstreckungstitel gegen den Gemeinschuldner erwirkt hat, darf daraus während der Konkursdauer selbst dann die Zwangsvollstredkung nicht betreiben, wenn der Titel bereits Rechtskraft erlangt hat (§14 KO). Nur soweit er sdion ein Pfändungspfandrecht und damit ein Absonderungsrecht nach §§ 49 I Nr. 2 KO, 804 ZPO erworben hat, wird die Rechtsverfolgung aus dem Titel durch die Konkurseröffnung nicht gehemmt. Auch eine „titulierte Forderung" bedarf der Anmeldung im Konkurs. Selbst derjenige, der zuvor ein rechtskräftiges Leistungsurteil erstritten hat, wird auf Widerspruch im Konkurs als Inhaber einer „streitiggebliebenen" Forderung behandelt (§ 146 I KO). Gegenüber den Gläubigern nicht titulierter Forderungen genießt er allerdings den Vorzug, seinen an sich „zugriffsreifen" Ansprach nur noch prozeßförmig verteidigen zu müssen (§ 146 VI KO), und zwar nur noch gegenüber solchen Reditsbehelfen des Widersprechenden, die audi der Gemeinschuldner noch gegenüber einem reòtskr'àftigen Urteil hätte ergreifen können wie namentlich die Wiederaufnahme des Verfahrens oder die Vollstreckungsgegenklage^. Die Rechtskraft ist also konkursfest! Auch die angemeldete rechtskräftig titulierte Forderung wird jedoch zur Konkurstabelle festgestellt mit der Folge, daß der entspreAende I

' So im Einklang mit den Motiven (vgl. Hahn, Die gesamten Materialien zur KO, 1881, S. 72, 329: „Der vor Konkurseröffnung erlangte vollstredkbare Sdiuldtitel ist an sidi rechtsgültig und maßgebend audi gegenüber den Konkursgläubigern. Ein reditskräftiges Endurteil ist nur der Niditigkeits- oder Restitutionsklage des widersprechenden Verwalters oder G l ä u b i g e r s . . . a u s g e s e t z t . . . an Stelle des Gemeinschuldners.") die ganz h. M., vgl. nur Jaeger-Weber, KO, 8. Aufl., 1961/1973 § 146 Anm. 38 ff. m. Nadiw. Dieses Ergebnis ist im Hinblick auf die subjektiven Grenzen der Rechtskraft (§ 325 ZPO) zwar nicht selbstverständlich, die Maßgeblichkeit des Prozeßergebnisses auch gegenüber Drittgläubigern aber schon mit Rücksicht darauf nicht zu bezweifeln, daß selbst bei einem noch nicht rechtskräftigen Urteil die Verfolgung des Widerspruchs nur „durch Aufnahme des Rechtsstreits" nadi §§ 146 III KO, 240, 250 ZPO möglich ist. — Ober die nach h. L. und Rspr. (RGZ 153, 204) ganz entsprechende Lösung im Rahmen des § 878 Z P O informiert zuletzt näher W.Henckel, Prozeßredit und materielles Recht, 1970, S. 339 ff., 344.

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Tabellenvermerk gemäß § 145 II K O „wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber allen Konkursgläubigern gilt". Demgemäß stehen dem Gläubiger nach Aufhebung des Konkurses zur Geltendmachung seines Nachforderungsrechts zwei Titel zur Verfügung, der frühere Vollstrediungstitel und der vollstreckbare Tabelleneintrag gemäß § 164 II KO. Während § 61 österr. K O 1914 dem Gläubiger ausdrücklidi die Wahl läßt, ob er auf Grund der Eintragung in das Anmeldeverzeichnis „oder eines anderen Exekutionstitels" die Exekution führt^, hat der Gesetzgeber der deutsdien KO eine entsprechende Regelung für überflüssig gehalten, weil er die Möglichkeit eines Rückgriffs auf den früheren Titel für selbstverständlich hielt'. Früher herrschte denn auch neben der Lehre vom Vorrang des ersten Titels^ die Lösung der Titelwahl vor®, die sich heute nur nodi in den großen Kommentaren zur ZPO behauptet®. Demgegenüber ist inzwischen im Anschluß an Jaeger die sogen. Verdrängungstheorie herrschend geworden: Der vollstreckbare Tabelleneintrag „verdrängt" demnach den früheren VollstrekkungstiteP. In der Begründung zeigt die h. M. jedoch noch große Unsicherheiten. Während Jaeger von der Feststellung ausging, „eine zweifache, für dieselbe Forderung maßgebende Rechtskraft wäre ein Unding"®, die Reòtskraft des Tabelleneintrags erweise sich gegenüber dem in seiner Bedeutung auf § 146 IV ZPO reduzierten und folglich dem Schutz des § 580 Nr. 7 ZPO entzogenen früheren rechtskräftigen Urteil als stärker^, bringt die Neubearbeitung des Kommentars durch Friedrich Weber eine wesentliche Akzentuierung gegenüber dem bisherigen Diskussionsstand: Es liege — auch bei inhaltlidier Ab^ Vgl. zur insoweit einhelligen Auffassung in Österreich Petsàek-Reimer-Sòiemer, Das österr. Insolvenzredit, Wien 1973, S. 597; auch Wolfgang Jelinek öJZ 1970, 34, 35 f. ' Vgl. Hahn, a . a . O . , S. 345: Der Fall „bedarf keiner ausdrüdclidien Berücksichtigung. Mit dem Fortfall der für die Dauer des Verfahrens durch § 11 ( = § 14 KO) angeordneten Hemmung der Einzelexekutionen finden auf einen solchen (vor Konkurseröffnung erlangten) Sciiuldtitel, da im übrigen die Wirksamkeit desselben, soweit es sich um das Verhältnis des Gläubigers dem Gemeinschuldner gegenüber handelt, durdi das Konkursverfahren an sidi nidit berührt wird, die allgemeinen Grundsätze Anwendung". * So Kohler, AcP 81, 329, 390; wohl audi Rintelen, Z H R 61 (1908), S. 147, 174 fr., 179. ' Vgl. die N a d i w . bei Jaeger-Weber, a . a . O . , § 1 6 4 Anm. 6; ferner HellwigOertmann, System des dtsch. Zivilprozeßrechts II, 1919, § 277, 2, 3. » So bei Stein-Jonas-Münzberg, ZPO, 19. Aufl., 1968, Vorb. I I I vor § 704; Wieczorek, Großkommentar zur ZPO, 1958, § 704 Anm. С IV а. ^ Vgl. Jaeger-Weber, a. a. О. m. Nadiw. ' So Jaeger, JW 1926, 1819 in Anm. zu RGZ 112, 297. » Vgl. Jaeger, KO, 6./7. Aufl., 1936, § 164 Anm. 7.

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weichung — „keineswegs ein Anwendungsfall der sogen. Reditskraftkollision widersprechender Urteile vor", deren reditliche Behandlung — im Hinblick auf § 580 Nr. 7 a ZPO — streitig sei; verdrängt werde nur die Vollstreckbarkeit des früheren Titels^'*. Da indessen nach wie vor^^ die Problematik der konkursmäßigen „Zweittitulierung" mit der Rechtskraftproblematik in Verbindung gebracht wird, sei der Frage näher nachgegangen, inwiefern hier überhaupt die Rechtskraft beeinträchtigt wird. Dabei verdient die bei Weber anzutreffende Differenzierung zwischen Rechtskraft und Vollstreckbarkeit besondere Beachtung. Als Rechtskraftproblem wird das Zusammentreffen der Titel namentlich in der Rechtsprechung des Reichsgeridits gewertet. Nach der grundlegenden Entscheidung im 112. Band führt „die der Eintragung in die Konkurstabelle beigelegte Bedeutung eines rechtskräftigen U r t e i l s . . . zu der Schlußfolgerung", daß ein früherer rechtskräftiger Vollstreckungstitel „aufgezehrt", „durch den jetzt allein noch wirksamen Tabelleneintrag außer Kraft gesetzt" wird mit der Folge, daß sich der Schuldner gemäß § 767 ZPO gegen die Vollstreckung aus dem früheren Titel wehren könne^^. Daß das RG den „entscheidenden" Grund für die „Aufzehrung" des früheren Urteils in der Rechtskraftwirkung des Tabelleneintrags erblickt, hat es in seinem Urteil im 132. Band nochmals bestätigt, in dem es die Übertragung jener Grundsätze auf den Anerkennungsvermerk des § 75 VerglO a. F. ( = § 85 VerglO n. F.) mit der Begründung verneinte: Habe aber der Anerkennungsvermerk „keine Rechtskraftwirkung, so entfällt die rechtliche Möglichkeit, den sich über die anerkannte Forderung verhaltenden bisherigen Schuldtitel als beseitigt anzusehen"; hier bestehe „der Schuldtitel fort, und zwar neben demjenigen aus dem Vergleich"!». Geradezu als ein Anwendungsfall der sogen. Rechtskraftkollision wird das Verhältnis von Urteilstitel und Konkurstitel in den Zivilprozeßrechtsdarstellungen von A. Blomeyer und Rosenberg-Sòwab behandelt, indem jeweils die Entscheidung des 112. Bandes dem früheren Urteil des RG aus dem 52. Band an die Seite gestellt wird, das >» Vgl. Jaeger-Weber, a. a. О., § 164 Anm. 6. Audi nadi Pohle, JZ 1954, 341, 344 hat dies „mit der Frage der Rechtskraft nichts zu tun". Vgl. audi BAG, NJW 1968, 74 für den Fall drohender Doppelvollstredcung aus Vergleidi und Urteil. " Erstmals wurde wohl von Falkmann-Mugdan, Die Zwangsvollstreckung, 2. Aufl., 1914, S. 11 f. die konkursmäßige Zweittitulierung mit § 580 Nr. 7 a ZPO in Zusammenhang gebradit. " Vgl. RGZ 112, 297, 300 f. in Fortführung der bereits in RGZ 93, 209, 213 angedeuteten Auffassung. Vgl. RGZ 132, 113, 115 f. — Der BGH, N J W 1960, 435 braudite zu der dort angeführten RG-Reditspr. nidit Stellung zu nehmen.

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nodi heute der h. M. als Grundlage zur Lösung des Konflikts widersprechender Urteile dienti^. Allerdings hat das RG dort den Urteilswiderspruch im Ergebnis ganz ähnlich entschieden: So wie bei zwei widersprechenden Gesetzen das neuere dem älteren vorgehe, so wirke das neuere Urteil auf den durch das ältere Urteil festgestellten Anspruch „rechtsvernichtend" und bilde die Grundlage einer Einwendung nach § 767 ZPO^®. Indessen wird von der h. M., die im Anschluß daran dem jüngeren Urteil den Vorrang gegenüber dem älteren Urteil einräumt, nicht hinreichend beachtet, daß jene Entscheidung des RG noch ganz auf dem Boden der materiellrechtlidien Reditskrafttheorie steht. Auch hat das RG in einer bisher übersehenen Entscheidung im 78. Band den Konflikt umgekehrt entsdiieden, indem es das nach seiner Ansicht „erschlichene (zweite) Urteil in seinen Wirkungen beseitigte" Die heutige, nicht mehr unter dem Eindruck der materiellen Rechtskrafttheorie stehende Rechtsprechung läßt denn auch Anzeichen eines Wandels in der Beurteilung des Urteilswiderspruchs erkennen". M. E. ist der in § 580 Nr. 7 a ZPO nur unvoll" Vgl. A. Blomeyer, Zivilprozeßredit, 1963, § 49 IV mit Zweifeln allerdings in § 106 II 2 b a. E. in Anm. 1; Rosenberg-Sáwab, Zivilprozeßredit, 11. Aufl., 1974, § 101 III 1 e in Anm. 2; s. audi sdion Rosenberg, 9. Aufl. 1961, § 98 III 2. Vgl. RGZ 52, 216, 218. " Vgl. RGZ 78, 389, 394 f.: Es „standen sidi nunmehr zwei reditskräftige Urteile mit entgegengesetztem Inhalt gegenüber, das eine, reditmäßig ergangene, das den Ansprudi des damaligen Klägers verneint hatte, und das andere hinter dem Rüdcen des Gegners durdigesetzte, das ihn dem Kläger zuspradi". Das RG begnügte sidi nidit damit, das zweite Urteil mit § 826 BGB zu entkräften, es bezog sidi vielmehr entsdieidend darauf, „daß dem Ansprudi aus dem zweiten Prozeß die Reditskraft des Urteils aus dem ersten Prozeß entgegenstand . . . : Das reditskräftige Urteil madit streitige Reditsverhältnisse endgültig unstreitig und legt sie . . . unabänderlidi fest. Nadi der Reditskraft des zuerst ergangenen Urteils konnte nidit mehr darüber gestritten werden . . " Vgl. BGH, Urt. V. 19. 9. 1963, LM Nr. 12 zu Art. 14 (Cc) GG zur Frage der Bindung „an reditskräftige, einander widersprediende Entsdieidungen versdiiedener Geriditsbarkeitszweige" (LS). Der BGH gelangt in ausführlidier Begründung zu dem Ergebnis, daß das erste Urteil, solange es nidit im Wege der Wiederaufnahmeklage (erwogen wurde § 580 Nr. 6 ZPO) beseitigt sei, „im Rahmen der Reditskraftwirkung das ordentlidie Geridit wie die Parteien bindet" und in seiner reditskräftigen Feststellung durdi spätere Urteile „nidit berührt" oder gar „ohne weiteres hinfällig" werde. Das Hinzutreten des neuen Urteils reditfertige gegenüber dem „reditskräftig feststehenden" Ergebnis allenfalls die weitere Erwägung, ob der Berufung darauf § 826 BGB entgegenstehe. — Zweifelhaft war allerdings, ob die Urteile dort wirklidi miteinander kollidierten. Vgl. ferner BGHZ 43, 80, 83 = FamRZ 1965, 270 ff. zu zwei in der Feststellung des Todeszeitpunkts sidi widerspredienden Todeserklärungen: „Nadi dem Sinn des Gesetzes (seil, die Ungewißheit auf Dauer zu klären) muß die zeitlidi zuerst erfolgte Todeserklärung g e l t e n . . . Der Grundsatz der Priorität (!) trägt dieser Bedeutung der Todeserklärung Redinung, da nur so vermieden wird, daß die vorher bestehende Unsidierheit durdi eine neue ersetzt wird."

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kommen geregelte sogen. Reditskraftkonflikt entgegen der h. M.^® und der vermittelnden Lehre von Dölle und Rosenberg von der Wirksamkeit beider Urteile^® eindeutig im Sinne des Vorrangs des früher rechtskräftig gewordenen Urteils zu entscheiden; das wider die Rechtskraft des ersten Urteils verstoßende zweite Urteil kann keine Rechtskraftwirkung mehr entfalten^®. Die Frage ist aber, ob wir es hier überhaupt mit einem Anwendungsfall der sogen. Rechtskraftkollision zu tun haben. Das Zusammentreffen von rechtskräftigem Urteilstitel und konkursmäßigem Vollstreckungstitel nach § 164 II KO ist im Ansatz vergleichbar dem Fall, daß der Kläger auf Grund Klagewiederholung ein zweites gleichlautendes Leistungsurteil erstreitet und somit nunmehr zwei formell rechtskräftige Titel gegen den Sdiuldner in Händen hat. Es dürfte zur Klärung beitragen, zunächst diesen Fall unter Rechtskraftgesichtspunkten zu erfassen.

IL Die Parallele: Klagewiederholung nach obsiegendem Urteil Geht man vom Zweck der Reòtskraft aus, begegnen bereits Zweifel, ob übereinstimmende Entscheidungen überhaupt dem Rechtskraftverbot unterliegen. In den Kodifizierungen des Rechtskraftgedankens wird immer nur die Verhütung widerspreòender Urteile angesprochen. So heißt es in der noch heute^^ als klassisch geltenden Fassung des § 65 Einl. preuß. AGO: „Die Ruhe und Ordnung in der bürgerS. audi OLG Mündien, N J W 1956, 187: Es „geht die bindende Wirkung der früheren rechtskräftigen Entscheidung (nadi § 11 ZPO) vor" der späteren Verweisung. „Gemäß § 580 Nr. 7 a ZPO . . . gibt das Gesetz der früher ergangenen rechtskräftigen Entscheidung den Vorzug vor der späteren." Zum Streitgegenstand vgl. die Nadiw. bei Stein-Jonas-Sòumann-Leipold, a . a . O . , S 322 Anm. I X 6 bei Note 194; neuerdings nodi Zeiss, Zivilprozeßredit 1971, § 47 II 3 b. Mit klärender Gestaltungsklage zugunsten des „richtigeren" Urteils: Dölle, D R 1943, 825, 827 f.; Rosenherg-Schwah, a . a . O . , § 1 0 1 III l e ; ebenso ZöllerStephan, ZPO, 11. Aufl., 1974, § 2 6 3 Anm. I U I ; audi E. Ξώπηιαπη, Verfassungsund Mensdienrechtsbeschwerde, 1963, S. 279. ^^ An diesem bereits früher geäußerten Standpunkt wird im Ergebnis entschieden festgehalten, vgl. Gaul, Grundlagen des Wiederaufnahmeredits, 1956, S. 74 fi., 88 ff., 95; audi in ZZP 80 (1967), S. 151, 152 f.; — i. E. ebenso Vi. Bruns, FamRZ 1957, 201, 203; Baumbach-Lauterbach, ZPO, 32. Aufl., 1974, § 263 Anm. 4 C, Einf. 3 D vor § 322; Lent-Jauernig, Zivilprozeßrecht, 16. Aufl., 1972, § 7 6 II. Vgl. dazu unten zu III. Darauf beziehen sidi Hellwig, System I, a. a. O., § 227 III wie RosenbergSáwab, a. a. О., § 152 I.

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lidien Gesellschaft gestatten es nicht, daß die Prozesse verewigt, und die von dem Richter, nach gesetzmäßiger Untersuchung, anerkannten oder festgestellten Rechte der Parteien unter irgend einem Verwände weiter angefochten werden^^." Auch soweit fremde Rechtsordnungen dem rechtskräftigen Urteil ausdrüdtlich eine „praesumtio iuris et de iure" beilegen (art. 1350 Code civile; с. 1904 § 1 CIC), schützen sie damit nur vor erneuter Anzweiflung der „Richtigkeit" des Urteils. Wenn schließlich in § 191 I 2 des I. Entwurfs zum BGB im Anschluß an Windscheid^^ der Satz aufgenommen werden sollte: „Das rechtskräftig Zuerkannte kann nicht mehr bestritten, das rechtskräftig Aberkannte nicht mehr geltend gemacht werden", so konnte damit nur die gegensätzliche, nicht jedoch die gleichlautende Aburteilung ausgeschlossen werden^^. Nach der zugrunde liegenden Auffassung der Motive zum BGB war es denn auch nicht Sache der Rechtskraft, zu verhindern, „das rechtskräftig Zuerkannte nochmals im Klagewege geltend zu machen"; der „Gefahr einer mehrfachen Zwangsvollstreckung auf Grund verschiedener Urteile" sei, soweit Kostenpflicht und mangelndes Bedürfnis nicht schon klagehemmend wirkten, mit den Bestimmungen des 8. Buchs der CPO zu begegnen^®. Der in der 2. Lesung mit dem Antrag auf Verweisung in die CPO verbundene Vorschlag der zusätzliciien Einfügung eines § 293 с CPO: „Ein rechtskräftig zuerkannter Anspruch kann im Wege anderweitiger Klage nicht geltend gemacht werden, es sei denn, daß der Berechtigte auf Grund des ergangenen Urteils eine vollstreckbare Ausfertigung nicht erlangen kann", wurde fallen gelassen^®. Der Fall der Klagewiederholung durch den siegreichen Kläger ist namentlich nach den Rechtskrafttheorien, die nur die sogen, positive Funktion der Rechtskraft gelten lassen, keine Frage der Rechtskraft. ^^ Klarer nodi § 66 Einl. preuß. A G O : „Ein unter den gesetzmäßigen Erfordernissen gefälltes rechtskräftiges Urteil ειώβη also den, der es erstritten hat, für immer, wider alle ferneren Anfeώtungen seines Gegners, und derjenigen, die an dessen Stelle treten." Windscheid, Die Actio des römisdien Civilrechts vom Standpunkte des heutigen Redits, 1856, S. 109. " Der Versudi von J. Chr. Schwanz, Absolute Reditskraft und heutiges Deutsdies Redit, Festg. Dernburg, 1900, S. 334, 338, § 191 I Entw. für die „Ne-bis-inidem-Lehre" in Ansprudi zu nehmen, muß als gesdieitert gelten. " Vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB, I. Bd., 1899, S. 555 ff., 557. Vgl. die Prot, bei Mugdan, a. a. O., S. 811. Weshalb der Antrag zurückgezogen wurde, bleibt offen. Dodi heißt es (S. 813) bei der Diskussion um die Beibehaltung der in § 191 II Entw. formulierten verzichtbaren Einrede der Reditskraft: „Von frivoler Wiederholung der Prozesse werde die Scheu vor der Möglichkeit, auch das Zuerkannte nodi zu verlieren, wie die Höhe der Prozeßkosten die Parteien abhalten."

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Das gilt gleichermaßen für die materiellreditliche Reditskrafttheorie wie für die prozessuale Theorie vom sogen. Widerspruchsverbot. In betonter Abkehr vom romanistischen Konsumtionsgedanken führte bereits Savigny^'^ den hinter dem Rechtskraftinstitut stehenden Rechtssatz auf die Formel zurück: „Dem Inhalt eines gesprochenen Urteils soll kein späteres Urteil widersprechen"; deshalb muß „der neue Richter den Inhalt jenes Urteils als wahr annehmen" im Sinne des Satzes „res iudicata pro veritate accipitur"^®. Die exceptio rei iudicatae hatte demgemäß nur die positive Funktion, jede Klage zu entkräften, „die mit dem Inhalt eines früheren reditskräftigen Urteils in Widerspruch zu treten versudit", und nicht auch die negative, der Klagewiederholung zu begegnen^®. Nur soweit die neue Klage „über die Grenzen der rechtskräftigen Verurteilung hinaus geht", stand dem die Einrede der Rechtskraft entgegen. Im übrigen konnte der Kläger anstelle der — „exekutorischen" — actio iudicati ungehindert neu klagen®®. Ebenso bildete für die an den Satz „iudex ius facit" anknüpfende spätere materiellreditliche Theorie®^ die Rechtskraft kein Hindernis gegen eine Klagewiederholung durch den Prozeßsieger. Indem sie die Rechtskraft überhaupt nicht auf eine Verbotsnorm zurückführt — weder auf ein Widerspruchs- nodi gar auf ein Wiederholungsverbot —, sondern die Bildung „ohne einen besonderen Rechtssatz" In Anknüpfung an die „Entdeckung" der beiden sogen. Funktionen der exceptio rei iudicatae — der negativen und der positiven — an Hand des Gaiusfundes durdi Keller, Ober Litis Contestation und Urtheil, 1827, S. 223, betonte Savigny, System des heutigen Römischen Redits, 6. Bd., 1847, S. 271 ff. einseitig die sogen, positive Funktion der exceptio rei iudicatae. Savigny leitete damit den Schulenstreit mit Bekker, Die prozessualische Consumption im klassischen römischen Redit, 1853, S. 5 ff., S. 13 ff., 119 ff., ein, der demgegenüber in Anknüpfung an den Satz „bis de eadcm re ne sit actio" und unter Lösung vom „Novationsprinzip" alle Wirkungen der Rechtskraft in ihrer sogen, negativen Funktion zusammenfaßte in dem Satz a. a. O. S. 5 : „Wo keine zweite Klage über dieselbe Sache zugelassen wird, ist auch kein zweites Erkenntnis möglich, und widerspredienden Erkenntnissen entgeht man gewiß, wo überhaupt nur einmal erkannt wird." Vgl. Savigny, a. a. O., S. 271 ; s. auch S. 277, wo davon ausgegangen wird, daß die Einrede der Rechtskraft „in ihrer neueren Gestalt (der positiven Funktion) für jedes Bedürfnis vollkommen ausreidite". Vgl. Savigny, a. a. O., S. 416. Vgl. Savigny, a. a. O., S. 305 f., 411, 414. " Brim, Lehrbuch des Pandektenrechts, 1. Bd., 2. Aufl. 1873, S. 348 ff. hat dargetan, daß die Heranziehung des quellenmäßig nur für Fälle der Rechtskrafterstreckung über das Streitverhältnis hinaus belegte Satz „iudex ius facit" ebenso wie die auf Statusverhältnisse bezogene Parömie „res iudicata pro veritate accipitur" geradezu dazu diente, der nur die negative Funktion ansprechenden alten Regel „bis de eadem re ne sit actio" eine für die positive Funktion der Rechtskraft passende Formel entgegenzusetzen.

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einfach an den durch das Urteil geschaffenen „zivilrechtlidien T a t bestand" anknüpft®^, erschöpft sich die Rechtskraft notwendig in der Aufgabe, „widersprechende Entscheidungen zu vermeiden"®®. W e n n gleichwohl die Vertreter der materiellen Rechtskrafttheorie später teilweise auch die negative Funktion der Rechtskraft anerkannten®^, so w a r dies nur bei zusätzlicher Anerkennung eines ungeschriebenen „Wiederholungsverbots" möglich und insofern inkonsequent. Auch soweit die Epignonen Savignys in A b w a n d l u n g seiner F i k tionstheorie und in Anlehnung an das französische R e d i t die Rechtsk r a f t als „praesumtio iuris et de iure" formulierten®®, w a r dadurch nur eine „Bestreitung" des Prozeßergebnisses, nicht die Wiederholung des Prozesses ausgeschlossen. Besonders deutlich zeigt sich der begrenzte Aussagewert der sogen. Vermutungslehre bei ihrem späten Erneuerer, bei PoA/e®®, wenn er es für möglich hält, d a ß „die V e r mutung ebenso wie die Bindung in gewissen Fällen v o n einem W i e derholungsverbot überlagert sein" kann®^, den Gedanken aber für

Vgl. Kohler, Das materielle Redit im Urteil, Festschrift für Franz Klein, Wien 1914, S. 1; ebenso Pa%enstecher, Zur Lehre von der materiellen Rechtskraft, 1905, S. 343 f.: „Durdi das Urteil sollen die deklarierten Reditswirkungen — insoweit sie noch nicht bestanden — zur Entstehung gelangen. Dieses Mittel ist für sich allein genügend"; auch S. 302: Damit das „Wahre" beaditet wird, „bedarf es nidit noch eines besonderen Befehls". " So besonders deutlidi Pagensteòer, a. a. О., S. 343 Anm. 810: „Meistens sagt man: Wiederholte Entscheidungen . . . Widersprechende Entscheidungen . . . gefährden die Reditsgewißheit" (Hervorhebung dort). Konsequent wendet er sich deshalb a. a. O., S. 344 gegen das von Sòwartz angenommene „staatsreditliche Verbot, daß 'ein und dieselbe Sache nur einmal entschieden werden solle'". Vgl. Pagenstecher, Prozeßprobleme, 1930, S. 87: „Man muß zwisdien der negativen und der positiven Funktion der Rechtskraft unterscheiden. Die negative verhindert wiederholte Entsdieidungen der eadem quaestio inter easdem personas. Sie tritt z. B. in Erscheinung, wenn der Kläger, der ein rechtskräftiges Urteil auf Zahlung von 1000 RM aus Darlehen erstritten hat, sofort diese Klage nochmals erhebt." — Kohlers Standpunkt war von Anfang an zwiespältig, vgl. Prozeßrechtliche Forschungen, 1889 S. 89 ff. Vgl. Windsώeid, Actio, a.a.O., S. I I I ; Windsòeid-Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts, 1. Bd., 9. Aufl. 1906, § 131 Anm. 2 (nur Kipp erkannte in Anm. 26 zu § 130 auch die negative Funktion der Rechtskraft an); vgl. ferner MendelssohnBartholdy, Grenzen der Rechtskraft, 1900, S. 365 f.; anders ders. in Seuff. Bl. Bd. 73 (1908), 813 fF. — Vgl. schon oben den Text nach Anm. 22. " Vgl. Pohle, öJBl. 1957, 113 fî.; ders.. Scritti guiridici in memoria di Piero Calamandrei, II, 1958, S. 377 fî. — Kritisch zu dieser Wiederbelebung der längst überholten Vermutungslehre sdion Gaul, NJW 1970, 602. " Vgl. Pohle, öJBl. 1957, 118. Wenn dort im geltenden deutschen Recht für die Annahme eines Wiederholungsverbots „kein hinreichender Anhalt" gesehen wird, so muß man sich erst recht fragen, wo denn das Gesetz einen Anhalt für die Kunstregel einer „unwiderleglichen Vermutung" bietet!

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das geltende Redit verwirft und in der Klagewiederholung nur ein Problem des allgemeinen oder besonders gearteten Rechtsschutzbedürfnisses erblickt^®. Noch größere Sdiwierigkeiten, den Sonderfall einer zweiten Leistungsklage nach erfolgreicher erster Klage einzuordnen, treten neuerdings bei Pohles Schüler J. Blomeyer auf: Weder die Rechtskraft noch das mangelnde Rechtsschutzbedürfnis soll der zweiten Leistungsklage entgegenstehen, sondern die im „Vollstreckbarkeitsausspruch" liegende „prozessuale Gestaltung durch das Ersturteil hindert den Erfolg der zweiten Leistungsklage", die deshalb „gegenstandslos" und als solche „unbegründet" sei^®. Endlich bildet für die prozessuale Rechtskraftlehre vom sogen. Widerspruchsverbot die Klagewiederholung mit demselben Ziele kein Reditskraftproblem. Die Eigenart der Stein-Hellwig'sdien Lehre besteht gerade darin, daß die "Wiederholung der Klage durdi den siegreichen Kläger nicht durch die lediglich eine abweichende Entscheidung verbietende Reditskraft gehindert wird, sondern — von Ausnahmefällen wie dem der über § 733 Z P O nicht zu erlangenden Zweitausfertigung infolge Aktenverlustes abgesehen — nur wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist^". Nachdem das R G dem verurteilten Schuldner gegen die wiederholte Klage zunächst in erweitertem Umfange die exceptio rei iudicatae gegeben hatte^^, hat die Rechtsprechung später — namentlich im Hinblidk auf die voll-

38 Vgl. Pohle, Scrkd, a.a.O., S . 4 0 0 f . : „Rechtsschutzbedürfnis"; abweidiend ders., Festschrift Lent, 1957, S. 195, 200, 216: Ein vom allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis zu trennender „Sonderfall" der „Zwedcerreichung"; vgl. auch Pohle, Anm. zu BAG, AP Nr. 1 zü § 776 ZPO. Vgl. ]. Blomeyer, J R 1968, 407, 410. Offen bleibt bei dieser eigenartigen Deduktion, ob sie ausnahmslos gelten soll, einerseits auch, wenn ein nicht urteilsmäßig „titulierter" Anspruch neu eingeklagt wird, andererseits auch, wenn der erste Titel verloren gegangen ist. " So noch Stein-Jonas-Sáonke-Pohle, ZPO, 18. Aufl., 1953/58, V o r b . I V 2 b vor § 253, Anm. VIII 5 zu § 322: „Das hat mit der Reditskraft nidits zu tun, sondern es beruht auf dem mangelnden Rechtsschutzbedürfnis"; Hellwig, System I, a . a . O . , § 231 IV 4: „Nicht in Widerspruch mit der Rechtskraft tritt der Sieger, wenn er die erfolgreich durchgeführte Klage wiederholt. Das ist jedoch unzulässig, weil und soweit das Reditsschutzbedürfnis fehlt". Ebenso Goldsòmidt, Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. 1932, S 63, 2; heute nodi Α. Blomeyer, a. a. О., § 35 II 1 а, § 88 III 2 b . — Widersprüdilidi Grunsky, Grundlagen des Verfahrensredits, 2. Aufl., 1974, S. 329 f., 395 einerseits, S. 495 f. andererseits. So RGZ 16, 427, 435: Der Sdiuldner kann sich auf das „in Reditskraft übergegangene Urteil in dem Sinne berufen, daß der Kläger dasjenige, was er durch die gegenwärtige Klage erlangen will, durch das frühere Urteil bereits erlangt hat" (Hervorhebung dort). — RGZ 8, 358, 359 hatte hingegen die „UnStatthaftigkeit des Doppelarrestes" bereits unmittelbar auf die „Rethtsregel ,ne bis in idem'" gegründet!

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stredtungsreditlichen Konsequenzen — dem Kläger ebenfalls grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis für eine neue Klage a b g e s p r o c h e n ^ ^ ^ Die Rechtskraft verbietet die Klagewiederholung des Prozeßsiegers nur, wenn man sie entsprechend der alten Rechtsregel „bis de eadem re ne sit actio" mit der heute h. M.^® — zumindest auch — als Wiederholungsverbot versteht. In der T a t sprechen heute, nadidem der „archaische" Konsumtionsgedanke längst abgestreift ist, weder dogmatische noch grundsätzliche Bedenken dagegen, der materiellen Reditskraft beide Funktionen beizumessen: die positive mit Bedeutung für die sogen. Präjudizialfälle^^ (prozessuale Bindungswirkung), die negative in Gestalt einer negativen Prozeßvoraussetzung für Wiederholungsfälle mit identisdiem Streitgegenstand (prozessuale AussdilußWirkung). Zwar besteht der Zwedi der materiellen Rechtskraft in erster Linie darin — und das wird auch von derNe-bis-in-idem-Lehre keineswegs geleugnet^® — , widersprechende Urteile zu vermeiden, weil widersprechende Urteile die Rechtssicherheit und das Vertrauen in eine am Richtigkeitsgedanken ausgerichtete Rechtsprechung am schwersten erschüttern^®. Die Rechtskraft dient aber auch schlicht dem « Vgl. R G Z 88, 267, 270 mit dem Hinweis auf „die Gefahr", daß zwei Titel „zu Vollstrediungsangrifien wider den Beklagten benutzt werden könnten"; R G Z 110, 117, 118, das i. E. zu Unredit trotz Vorliegens eines rechtskräftigen und vollstreckungsfähigen (!) Leistungsurteils das Rechtsschutzbedürfnis für eine neue Leiííwngsklage wegen drohender Vollstreckungsgegenklage bejahte; BGH, N J W 1957, 1111 : Kein Rechtsschutzbedürfnis, soweit Titelumschreibung nach § 727 ZPO möglich. " So nach Schwartz, a. a. О. insbes. Bottiòer, Kritische Beiträge zur Lehre von der materiellen Rechtskraft im Zivilprozeß, 1930, S. 128 ff.; Rosenberg-Schwab, a. a. O., § 152 III 2, IV 1; Lent-Jauernig, a. a. O., § 62 III 1; Nikisώ, Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., 1952, § 1 0 4 II 4 b; Bruns, Zivilprozeßrecht, 1968, § 4 3 I U I ; Sώönke-Kuώinke, Zivilprozeßredit, 9. Aufl., 1969, § 7 5 I I I ; Stein-Jonas-Sáumann-Leipold, a. a. O., § 322 Anm. III 5 b, I X 1 b; Baumbach-Lauterbaá, a. a. О., Einf. 3 А vor § 322; Zöller-Degenhart, а. а. О., Vorb. 4 b vor § 322; auch Rimmelspacher, Prüfung von Amtswegen im Zivilprozeß, 1966, 63 ff.; Habsώeid, Festschrift für Fragistas, 1967, Sonderdr. 8 ff.; Otto, Die Präklusion, 1970, S. 83 ff. — Eindeutig auch BGH, N J W 61, 1116. " Auch soweit man hier immerhin von einer partiellen Unzulässigkeit des Vorbringens im Präjudizialpunkt und insofern von einem „ne bis in idem" sprechen kann (so Bottiáer, Festschrift D J T 1960, Bd. 1, S. 527 f.; Otto, a . a . O . , S. 88; Lent-Jauernig, a. a. O., § 62 I I I 2), muß dodi die positive Komponente der Bindung hinzutreten. Vgl. nur Bötticher, a. a. O., S. 96: Über die Aufgabe der Reditskraft herrsdit Einigkeit: „Die Verhütung widersprechender Gerichtsurteile", auch S. 128 f.; vgL schon Bekker oben in Anm. 27. " Allein diese „nicht hoch genug anzusdilagende" Aufgabe der Rechtskraft betonen schon die Motive zur CPO, „weil widersprechende Urteile im Volke als ein sdiwerer Übelstand empfunden werden müssen", vgl. Hahn, Materialien zur CPO, I.Abt., 1880, S. 291.

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Reàtsfrieden: „Res iudicata est", die Sadie ist entschieden; dem Streit soll ein für alle mal ein Ende gesetzt sein: „finis litis"^^. Mit der Streitentsdieidung hat der Staat seine Rechtsprechungsaufgabe erfüllt, das Streitverhältnis ist geklärt, Rechtsgewißheit eingetreten, es ist nidits „Streitiges", „Ungewisses" mehr vorhanden, was einer erneuten richterlichen „Entscheidung" Sinn geben könnte^®; für eine nochmalige „Streitentsdieidung" neben der ersten ist buchstäblich kein Raum mehr. Vor allem würde das Institut der Rechtskraft mit sich selbst in Widerspruch treten, würde es einerseits — als formelle Rechtskraft — die Fortsetzung des Streits im Erstprozeß verbieten, andererseits aber — als materielle Rechtskraft — die Wiederholung des Streits in einem neuen Prozeß gestatten. Die Prozeßerneuerung muß vielmehr erst recht verboten sein, denn während die Prozeßfortsetzung in „kassatorischer" Überwindung der Vorentscheidung immer nur zu einer Endentscheidung führen kann, führt die Prozeßerneuerung — ohne jede „aktmäßige" Beziehung zur ersten — zu einer zweiten Entscheidung und damit zur „Koexistenz zweier Entscheidungen", die die Rechtssicherheit noch empfindlidier erschüttern. Entgegen dem nodi der ZPO und dem Entwurf zum BGB zugrunde liegenden, von der materiellrechtlichen Reditskrafttheorie beherrschten sdiolastisdien Trennungsdenken^® muß deshalb wieder die Rechtskraft als einheitliches Rechtsinstitut begriffen werden®". Audi ist der Grund, der bei den Beratungen zum BGB gegen die negative Funk" Diesen Gedanken betonten sdion diejenigen Autoren, die mit Bekker bereits für das gemeine Recht die negative Funktion der Rechtskraft hervorkehrten, und zwar in Anknüpfung an D. 42, 1,1 : „Res iudicata dicitur, quae finem controversiarum pronuntiatione iudicis accepit", vgl. Unger, System des österr. allgem. Privatrechts, 2. Bd., 1859, S. 615; v. Bethmann-Hollweg, Der römische Civilprozeß, II. Bd., 1865, S. 630; Wetzeil, System des ordentlichen Civilprocesses, 3. Aufl., 1878, S. 574f., 651; Brinz, a . a . O . , S. 328; — vgl. dazu auch Bottiéer, a . a . O . , S. 139, 185, 193. — Selbst in der von Savigny, a. a. O., S. 261, 275 unter Bezugnahme auf den Passus „maxime si diversa pronuntiatur" als Stütze für die positive Rechtskraftfunktion angeführten Stelle D. 44, 2,6 (vgl. noch heute A. Blomeyer, a. a. O., § 88 II Anm. 7) kommt — wie er durchaus einräumt — auch die negative Funktion eingangs zum Ausdruck: „Singulis controversiis singulas actiones . . Vgl. dazu insbes. schon Unger, a. a. О., S. 617. Vgl. die Bemerkung des Referenten v. Arnsberg bei der I.Lesung des CPOEntwurfs, wonach nur die Erwägung, „daß die Rechtskraft des Urteils scJion vor Erlassung eines gemeinsamen Civilrechts in ganz Deutschland gleichmäßig beurteilt werden müsse", zur Aufnahme des § 283 ( = § 322 ZPO) in den Entw. geführt habe, vgl. die Prot, bei Hahn, a. a. O., S. 609. Dieselbe Auffassung lag noch dem § 191 Entw. I zum BGB zugrunde, vgl. oben bei Anm. 23 ff. Bezeichnend selbst Unger, a. a. О., S. 603 Anm. 3 : „Jene (die formelle Rechtskraft) gehört in's Prozeßrecht, diese (die materielle) in's materielle Recht." »» Vgl. Gaul, Grundlagen a . a . O . , S. 49 f. insbes. bei Anm. 8; ferner AcP 168, 27, 28 f.

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tion der Rechtskraft vorgebradit wurde, daß die Rechtskraft als Prozeßhindernis solange nidbt anzuerkennen sei, als die Rechtskraft nur auf sachliche Einrede der Gegenpartei zu berücksichtigen sei®^, inzwischen längst entfallen, da die Rechtskraft heute unstreitig von Amts wegen zu berücksichtigen ist®^. Insofern greifen heute die demselben Zweck dienenden Institute der Rechtshängigkeit mit dem Verbot des Nebeneinander und die Rechtskraft mit dem Verbot des Nacheinander von Prozessen de eadem re nahtlos ineinander®®. Es bleibt allein das Bedenken, daß die Ne-bis-in-idem-Lehre etwa im Falle des Aktenverlustes Ausnahmen vom Prinzip des Wiederholungsverbots zulassen muß. Daraus ist aber trotz gewisser dogmatischer Schwierigkeiten der Einordnung dieser Ausnahmen kein durchgreifender Einwand gegen das Prinzip des „ne bis in idem" herzuleiten®^.

III. Ne bis in idem und Urteilskollision Erwädist nun ungeachtet der Rechtskraft des bereits vorliegenden ersten Urteils ein zweites gleichlautendes Leistungsurteil in Rechtskraft, so kann es sich wiederum um ein Problem der sogen. Rechtskraftkollision nur handeln, soweit man in der Rechtskraft das Verbot des ne bis in idem verletzt sieht. Soweit der Gesetzgeber in § 580 Nr. 7 a ZPO den sogen. Rechtskraftkonflikt geregelt hat, hat er indessen eine Regelung nur für die Situation „Urteil wider Urteil"®®, für den Urteilswiderspruch, und nicht auch für die Kumulation gleidilautender Urteile getroffen — getreu der damals herrschenden materiellen Rechtskrafttheorie®® und der lediglich anerkannten positiven Funktion der Rechtskraft. Vgl. Mugdan, Materialien a. a. O., S. 557. Bezeichnend ist in Österreich, w o die Rechtskraft ex lege von Amts wegen zu berücksiditigen ist (§§ 240 III, 411 II öZPO), die negative Funktion der Rechtskraft nie bezweifelt worden, vgl. insbes. Pollak, System des österr. Zivilprozeßrechts, 2. Aufl. Wien 1932, § 107 und neuerdings Fasching, Kommentar zur öZPO, III. Bd., 1966, §411, Anm. 6, 9. '' Abweidiend Sòonke-Kudiinke, a. a. О., § 44 III 1, soweit er die Zwecke beider Institute trennt. " Vgl. Bötticher, a. a. O., S. 234, der auf die Parallele zum Strafprozeß sowie darauf hinweist, daß ein Richterspruch ohne bekannten Inhalt — gleich einem nidit existenten Urteil — „keine Rechtskraftwirkungen mehr äußern kann"; ähnlich Nikisá, а. а. О., S. 407 und Rosenherg-Sώwab, a. a. О., § 152 IV 1 b; auch SteinJonas-Schumann-Leipold, a. a. O., § 322 Anm. I X 1 c: „der gewährte Rechtsschutz erweist sich als nicht mehr effektiv"; Habsώeid, a . a . O . , S. l O f . : andernfalls „Rechtsschutzverweigerung". " Nur diese Situation zieht auch Βδηίώετ, a. a. О., S. 44 ff., 64, in Betracht. Vgl. dazu, daß die Regelung der §§ 580 Nr. 7 a, 582 ZPO nur auf dem Boden der materiellen Rechtskrafttheorie zu verstehen ist — freilich noch ohne Berück-

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G e h t m a n v o m S t a n d p u n k t d e s G e s e t z g e b e r s aus, s o b e d e u t e t e f ü r i h n d i e N i c h t b e a c h t u n g d e r res i u d i c a t a k e i n V e r s t o ß g e g e n e i n e p r o zessuale Verbotsnorm, sondern eine materielle Rechtsverletzung.

An-

stelle der gemeinrechtlidien N i d i t i g k e i t der sententia contra rem iudicatam®', d i e k o n s e q u e n t z u § 5 7 9 Z P O h ä t t e f ü h r e n müssen®®, schuf e r n a d i p r e u ß i s c h e m Vorbild®® e i n e n R e s t i t u t i o n s g r u n d , w e i l „ d i e erm i t t e l t e E x i s t e n z e i n e s widersprechenden

U r t e i l s die V e r s ä u m u n g der

e x c e p t i o rei i u d i c a t a e i n v o l v i e r t " u n d d e s h a l b d i e A u f f i n d u n g

des

f r ü h e r e n U r t e i l s a u s Billigkeitsgründen

das

„dieselbe Rücksicht w i e

A u f f i n d e n a n d e r e r U r k u n d e n verdient"®®. D a d i e e x c e p t i o rei i u d i c a tae damals

?ils sachliche E i n r e d e ,

als

„Bestreitung

durch

entgegen-

stehendes Recht" begriffen w u r d e , gerichtet auf „ E n t k r ä f t u n g des m i t d e m Inhalt des früheren rechtskräftigen Urteils in Widerspruch tret e n d e n Anspruchs"®^, k o n n t e § 5 8 0 N r . 7 a Z P O n u r e i n g r e i f e n , w e n n siditigung der hier zu verfolgenden Frage nadi der positiven und negativen Reditsk r a f t f u n k t i o n — sdion Gaul, Grundlagen, a . a . O . , S. 8 8 f f . ; insoweit zustimmend audi Johannsen, Festsdirift zum 45. D J T , 1964, S. 81, 95 und dazu Rezension Z Z P 80, 151, 153. " Vgl. nur Wetzeil, a. a. O., S. 651, 807. Vgl. noch § 589 N r . 3 des H a n n ö v . Entwurfs 1864, der ursprünglidi die „Niditigkeitsbeschwerde" vorsah, „wenn das Urteil einem bereits früher in derselben Streitsadie und unter denselben Parteien ergangenen reditskräftigen Urteil widerspridit"; zuletzt nodi § 788 N r . 1 Bayr. Prozeßordnung v. 1.2.1869, der — ausgehend von der Berüdisiditigung der Reditskraft von Amts wegen — ebenfalls die „Niditigkeitsbesdiwerde" gab, „wenn die Entsdieidung gegen eine in der nämlichen Sache früher ergangene reditskräftige Entscheidung verstößt". «» Vgl. § 687 N r . IV Preuß. Entw. P O 1864: „Die Wiederaufnahmeklage findet . . . statt, wenn die Partei erst nach der mündlichen Verhandlung, auf deren das Urteil erlassen ist, in Erfahrung bringt, daß zu ihren Gunsten bereits ein rechtskräftiges Urteil ergangen ist." Vgl. Hahn, a. a. O., S. 381 — Ausführlicher noch die Motive zum preuß. Entw. 1864, a . a . O . , S. 1 7 4 f . : „An s i d i . . . müßte wider die Partei das zweite ihr ungünstige Erkenntnis gelten. Der Unterlassung des Vorbringens der exceptio rei iudicatae läßt sidi keine andere Wirkung beilegen als der unterbliebenen Geltendmachung einer anderen peremtorischen Einrede, z. B. der Einrede der Zahlung. N u r Billigkeitsgründe rechtfertigen es, der P a r t e i . . . zur Hilfe zu kommen, wie im Falle der restitutio propter noviter reperta." Vgl. Savizny, System Bd. V, S. 153 f., 166 f., Bd. VI, S. 416. Selbst für Bülow, Die Lehre von den Prozeßeinreden und Prozeßvoraussetzungen, 1868, S. 227, war die exceptio rei iudicatae „unstreitig sadilidier N a t u r " , was er freilidi in A c P 83, 1, 24 ff. schlicht verleugnete. — D a ß die exceptio rei iudicatae materiellrechtlich nicht als „selbständiges Gegenredit", sondern allenfalls als „rechtsverneinende Einwendung" gedacht werden konnte, ja im Grunde eine „Prozeßexzeption" („exceptio litis finitae") war, hatte man demgegenüber schon früh erkannt, vgl. Bekker, a. a. O., S. 93 ff.; v. Bethmann-Hollweg, a. a. O., S. 216, 404; Wetzell, a . a . O . , S. 960 fi.; Keller-Wach, Der Römisdie Civilprozeß, 6. Aufl. 1883, S. 173; audi Windscheid-Kipp, a. a. O., § 47 Anm. 2. Diese Richtung vermochte sich aber nidit legislatorisch durchzusetzen.

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das zweite Urteil zu dem früheren inhaltlich in Widerspruch getreten war und die — in § 582 ZPO vorausgesetzte — Geltendmachung der exceptio rei iudicatae in der Sache eine der Partei „günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde". Seuffert-Waismann treffen jenen Standpunkt zuletzt noch, indem sie auf die Eignung des aufgefundenen Urteils abstellen, „die exceptio rei iudicatae in dem Rechtsstreit zu begründen"®^. Weil das zweite Urteil angesichts des jetzt urkundlich vorliegenden ersten Urteils sich als inhaltlich unrichtig erweist, deshalb konnte der Fall der Urteilsauffindung ohne weiteres dem der Auffindung einer „anderen Urkunde" gemäß § 580 Nr. 7 b ZPO gleichgestellt werden®'. Dabei diente die Restitution dazu, das durch die rechtsändernde Kraft des zweiten Richterspruchs entkräftete und insofern in der Tat verdrängte erste Urteil „wiederherzustellen"««. Auffälligerweise hat man denn aucJi bisher in der Koexistenz gleichlautender Urteile nie einen Anwendungsfall des § 580 Nr. 7 a ZPO gesehen. Für die materiellrechtliche Theorie und die prozessuale Bindungstheorie als Lehren der positiven Funktion der Rechtskraft war dies durchaus konsequent. So wird noch heute im Kommentar von Stein-Jonas unverändert der Standpunkt vertreten, „der Umstand, daß das frühere Urteil den zweiten Prozeß (mit demselben Ergebnis) erspart hätte, genügt nicht, da es sich hierbei nicht um eine Rechtskraftwirkung handelt"®®. Für die Ne-bis-in-idem-Lehre hat bisher nur Wieczorek Stellung bezogen und die Anwendbarkeit des § 580 Nr. 7 a ZPO für den Fall miteinander im Einklang stehender Entscheidungen ausdrücklich verneint®«. Neuerdings wird indessen erstmals von Rimmelspacher eine Analogie für die negative Wirkung der Reditskraft befürwortet, da „sich die Unrichtigkeit des zweiten

Vgl. Seuffert-Wahmann, ZPO, 12. Aufl., 1933, § 580 Anm. 8 b. " Vgl. Pagenstecher, a . a . O . , S. 346: „Daß hier das zweite Urteil beseitigt werden kann, und das erste wieder zur Geltung kommt, . . . das hat seinen Grund nidit darin, daß das zweite Urteil entgegen einem staatlichen Verbot erlassen wurde, sondern darin, daß es jedenfalls falsch ist." " Sehr klar wiederum Pagensteώer, a. a. O., S. 344: „Weil das „stets ein Niclitigkeitsgrund für das zweite Urteil" bewirkende Verbot des ne bis in idem nicht mehr gilt, deshalb kann nadi geltendem Recht „lediglidi das zweite Urteil gelten", so mit Hinweis in Anm. 814 auf RGZ 52, 218 f. " Vgl. Stein-Jonas-Grunsky, a . a . O . , § 580 Anm. I V 1 unter Bezugnahme auf die vom mangelnden Reclitsscliutzbedürfnis ausgehenden Stellen der Vorauflage. " Wieczorek, a . a . O . , § 580 Anm. D I U d: Stehen die Entscheidungen „miteinander im Einklang, so ist der Fall audi dann nicht gegeben, wenn im zweiten Streit die Klage als unzulässig hätte abgewiesen werden müssen".

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Urteils aus dem Vorhandensein des ersten Urteils evident ergibt, wenn das zweite die Sperrwirkung des ersten übergangen hat"®^. In der Tat muß sich heute die Frage einer analogen Anwendung des § 580 Nr. 7 a auf den Verstoß gegen das ne bis in idem aufdrängen. Nur muß man sich im klaren darüber sein, daß es sich hier eben nicht um die Geltendmadiung der „Unrichtigkeit des zweiten Urteils", sondern um die Geltendmachung eines Verfahrensverstoßes handelt®®, den der von der versäumten Sacheinrede der Rechtskraft ausgehende Gesetzgeber mit dem — vom Nichtigkeitskatalog des § 579 ZPO getrennten — Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7 a ZPO gar nicht treffen konnte. Erst der grundlegende Wandel in der Rechtskraftauffassung — der mit dem Amtsprüfungsgrundsatz zur Geltung gekommene prozessuale Verbotscharakter der Rechtskraft — hat hier eine sekundäre Gesetzeslücke hervorgebracht. Sie kann mit einer Analogie zu § 580 Nr. 7 a ZPO nur unvollkommen und nicht ohne gleichzeitige Umdeutung des systematischen Normgehalts geschlossen werden. Immerhin wird der ursprünglidie Billigkeitsgedanke noch in der freilidi schon in das Vollstrediungsrecht weisenden Gefahr für den zweimal Verurteilten getroffen, einer doppelten Vollstredcung ausgesetzt zu sein®®. Das allein kann die aktmäßige Beseitigung des zweiten Urteils im Wiederaufnahmewege rechtfertigen. Nach hiesiger Auffassung ist die sententia contra rem iudicatam im Hinblick auf die bereits vom ersten Urteil endgültig erfüllte Entscheidungsaufgabe nidit mehr der materiellen Rechtskraft fähig und insoweit „wirkungslos"^®, aber weil immerhin formell rechtskräftig, immer nodi ein voll" Vgl. Rimmelspaòer, Materiellrechtlicher Ansprudi und Streitgegenstandsprobleme im Zivilprozeß, 1970, S. 315 f. — Für das österr. Redit audi Fasòing, a. a. О.-, § 530 Anm. 16 u. a. mit der Konsequenz, daß die vorherige (!) Eintragung nadi § 61 öKO „zur Wiederaufnahmeklage gegen die über diese Forderung später ergangene Sadientsdieidung* bereditigt; vgl. sdion oben bei Anm. 2. · ' Vgl. Gaul, Grundlagen a. a. O., S. 74 ff., 94 m. N a d i w . Für das österr. Redit deutlich auch Fasòing, a . a . O . , § 4 1 1 Anm. 56: „Exzeptionell ist lediglich der Wiederaufnahmegrund des § 530 I Z. 6 ZPO, der sidi n i d i t . . . als ein Verstoß gegen die Riditigkeit der Entscheidungsgrundlage darstellt, sondern in Wahrheit der Beseitigung eines Verstoßes gegen ein Verfahrensgrundprinzip, die Rechtskraft einer Vorentscheidung, dient." Folgerichtig sieht Fasching mit der in Österreich h. M. in dem Verstoß gegen die Rechtskraft einen „Nichtigkeitsgrund", vgl. a. a. O., § 411 Anm. 6, 53; Vorb. 10 с vor § 477; § 530 Anm. 16; ebenso Jelinek, a. a. О., S. И bei Anm. 79. Vgl. auch schon oben Anm. 52. «» Vgl. Rimmelspacher, a. a. O., S. 315. '"> Vgl. Gaul, a. a. O., S. 95. Auch wenn der Kritik von Vollkommer, Rpfleger 1957, 392 und ihm folgend Habscheid, a. a. O., S. 29 f. zuzugeben ist, daß die „Unbestreitbarkeit" nicht „Inhalt", sondern „Folge" der Rechtskraft ist, ändert dies nichts daran, daß die materielle Rechtskraft in dem zweiten Urteil die Rechtsvergewisserungsaufgabe nicht mehr erfüllen, d . h . die „Unbestreitbarkeit" nicht mehr

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Streckbarer Titel. Die dem § 580 Nr. 7 a ZPO heute nodi verbliebene Funktion erschöpft sich demnach ohnehin darin, dem zweiten Titel durch förmlichen Aufhebungsakt die „Vollstreckbarkeit" zu nehmen — mit den Folgen der §§ 775 Nr. 1, 776 Z P O " . Diese Funktion kann § 580 Nr. 7 a ZPO audi beim Verstoß gegen das ne bis in idem übernehmen. Was aber die Rangfrage angeht, so sollte nicht zweifelhaft sein, daß die dem § 580 Nr. 7 a ZPO zugrunde gelegte materiellrechtliche Derogationslösung auf den Verstoß gegen das ne bis in idem nicht paßt. Nicht das verbotswidrig erlangte spätere, sondern das integer zustandegekommene frühere Urteil hat Vorrang. Liegen also zwei gleichlautende formell rechtskräftige Leistungsurteile vor, so ist zwar bis zur Aufhebung im Wiederaufnahmewege auch das zweite Urteil vollstreckungsfähig, unter Rechtskraftgesichtspunkten hat aber das ältere Urteil den Vorrang.

IV. Rechtskräftiger Zahlungstitel und konkursmäßige Zweittitulierung Die Parallelüberlegungen zum Verhältnis gleichlautender Leistungsurteile haben gezeigt, daß es sich dort in der Tat im weiteren Sinne um ein Problem der Rechtskraftkollision handelt, soweit man mit der heute h. M. die Reditskraft als ne bis in idem versteht. Nur für die früher vorherrschende Auffassung von der ausschließlich positiven Funktion der Rechtskraft lag das Problem außerhalb des Rechtskraftbereichs und beantwortete sich vom Rechtsschutzbedürfnis oder aus anderen rechtskraftfremden Erwägungen. Liegt ein rechtskräftiges Leistungsurteil vor und tritt eine gleichlautende, vom Gesetz mit Reditskraftwirkung (§ 145 II KO) wie Vollstreckungswirkung (§ 164 II KO) ausgestattete Eintragung in die Konkurstabelle hinzu, so kann man nicht von vornherein sagen, dies habe mit der Rechtskraft schlechthin nichts zu tun. Pohle konnte dies

herbeiführen kann, nathdem die Rechtsbeziehung der Parteien schon durch das erste Urteil endgültig außer Streit gestellt ist. I. ü. läßt Habsòeld, a. a. О., die Bedeutung der der gesetzlidien Regelung zugrunde gelegten Rechtskraftauffassung unberücksichtigt, wenn er aus der positiven Ausgestaltung des § 580 Nr. 7 a ZPO mit der h. M. auf den Vorrang des jüngeren Urteils schließt. " Ob Johannsen, a. a. O., S. 95 f. im Ergebnis derselben Meinung ist, bleibt unklar, weil er nicht hinreichend zwischen Rechtskraft und Vollstreckbarkeit untersdieidet, vgl. dazu Gaul, ZZP 80, 153.

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nur annehmen, weil er die negative Reditskraftwirkung leugnete^^. Die Frage kann vielmehr nur so lauten, wie sie Weber im Ausgangspunkt zutreffend formuliert hat, ob hier das Problem der Rechtskraftkollision entsteht. Da Weber — ausgehend von der Ansicht, „daß die Reditskraft ihrem "Wesen nach nicht eine abermalige, sondern nur eine inhaltlich abweichende Entscheidung ausschließt"^® — folgerichtig als Reditskraftkollision nur den in § 580 Nr. 7 a ZPO geregelten Fall widersprechender Urteile betrachtet^^, muß indessen auch er unter diesem engeren Blickwinkel alsbald zur Negierung jeglicher RechtskraftkolHsion kommen. Wie zu III. gezeigt wurde, läßt sich aber für eine konsequent durchgeführte Ne-bis-in-idem-Lehre die Möglidikeit einer Reditskraftkollision nicht a limine aussdiließen. Wenn Weber zusätzlich darauf hinweist, die Reditskraftwirkung des früheren Urteils werde deshalb „nicht berührt", weil sie sich „auf den Schluß der letzten mündlichen Verhandlung, die des Tabellenvermerks dagegen auf den Sdiluß des Prüfungstermins" beziehe, so vermag dieses verbreitete Argument^® nicht zu überzeugen. Mit diesem Einwand ließe sich die Rechtskraft, und zwar letztlich nidit nur ihre negative Wirkung, sdilechthin entkräften, da sich die sententia contra res prius iudicatas lata stets auf einen neuen Erkenntniszeitpunkt bezieht! Das bloße Zeitmoment — bei identischem Streitgegenstand — kann aber niemals eine neue Sachentscheidung rechtfertigen, geschweige denn der dennoch ergangenen Entscheidung den Vorrang vor der mißaditeten ersten Entscheidung sichern''®. Ohne relevante Änderung der Sadiund Reditslage gegenüber der festgestellten Rechtsfolge bindet die Entscheidung des Vorprozesses auch noch für den Zeitpunkt der letz" Vgl. Pohle oben bei Anm. 10 u. 36 ff. Wenn das BAG, N J W 1968, 74 unter Hinweis auf Pohle davon spridit, es liege kein Fall der „Durchbrechung der Rechtskraft" vor, so war dies für den entschiedenen Fall schon deshalb richtig, weil der Ersttitulierung im Vergleich ohnehin keine Reditskraftwirkung zukam. I. ü. befaßte sich das BAG mit dem Sdieinproblem, ob die zweifadie Titulierung eine „Verdoppelung der Ansprüche" bewirke! ' ' Vgl. Jaeger-Weber, a. a. О., § 164 Anm. 4 allerdings im Blick auf eine neue Klage ηαώ rechtskräftigem Tabelleneintrag; vgl. demgegenüber sdion den Hinweis auf Έα5ώΙηζ oben in Anm. 67. Vgl. Jaeger-Weber, a. a. О., § 164 Anm. 6; s. schon oben bei Anm. 10. Vgl. außer Jaeger-Weber, a. a. О., Anm. 6 namentlich Bley ZZP 57, 161 und eingehender JW 1938, 2249, 2251, w o die Unhaltbarkeit dieser These am herangezogenen Vergleithsfall der Neuklage besonders deutlich wird: Weil der Kläger „eine Entscheidung über die jetzige Rechtslage" verlange, deshalb habe „eine Neuklage auch dann, wenn für sie die im früheren Urteil ausgesprochene R e c h t s f o l g e . . . die eigentliche Streitfrage bildet, stets einen neuen, von dem früheren verschiedenen Streitgegenstand" (Hervorhebung dort). Diese Deduktion beruht schlicht auf einer Verkennung dessen, was unter Identität des Streitgegenstandes zu verstehen ist. Vgl. zum Zeitmoment insoweit Gaul, Grundlagen, a. a. O., S. 74 f. in Anm. 34.

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ten Tatsachenverhandlung im neuen Prozeß^^. Dasselbe muß grundsätzlich auch für den Fall der „Feststellung" eines bereits reditskräftig zuerkannten Anspruchs zur Konkurstabelle gelten. Daß die Rechtskraft des früheren Leistungsurteils an sich durchaus „berührt" wird, ergibt sidi schon daraus, daß sie — wie eingangs betont^® — bei Anmeldung der titulierten Forderung im Prüfungstermin maßgebend für alle Konkursbeteiligten ist und einem relevanten „Widersprudi" nur noch in Gestalt solcher Rechtsbehelfe ausgesetzt ist, die — wie die Wiederaufnahmeklage — eine zulässige oder — wie die Vollstrekkungsgegenklage gemäß § 767 ZPO auf Grund nachträglicher Einwendungen — überhaupt keine Durchbrechung der Rechtskraft bedeuten^®. Dennoch ist es im Ergebnis richtig, daß die konkursmäßige Zweittitulierung nicht wie im Fall zweimaliger Verurteilung unter Außerachtlassung des ne bis in idem zu einer Rechtskraftkollision analog § 580 Nr. 7 a ZPO führt. Der Grund dafür liegt aber nicht darin, daß die Rechtskraft durch die zweimalige Zuerkennung eines Anspruchs schon „ihrem Wesen nada" oder doch wegen des neuen Feststellungszeitpunkts zum Schluß des Prüfungstermins nicht berührt werde, sondern einzig und allein darin, daß die Rechtsordnung, indem sie mit Rücksidit auf den Konkurszweck die Anmeldung auch bereits rechtskräftig titulierter Forderungen vorschreibt (arg. § 146 IV KO), zugleidb von der negativen Rechtskraftwirkung suspendiert. Das ne bis in idem steht von vornherein unter dem gesetzlichen Vorbehalt der Neutitulierung im Konkurs. Auch insoweit macht sich also die sogen, vis attractiva concursus, die „Anziehungskraft" des Konkurses bemerkbar®®. Indem die Konkursordnung nun überdies dem Tabellenvermerk erneut Rechtskraftwirkung wie Vollstreckbarkeit über den Konkurs hinaus verleiht, läßt sie trotz des bereits vorliegenden perfekten Titels einen mit denselben Wirkungen ausgestatteten zweiten Titel zu. Das untersdieidet diesen Fall grundlegend von dem Fall der Rechtskraftkollision i. S. des § 580 Nr. 7 a ZPO, in welchem das zweite Urteil nur unter Verstoß gegen die Rechtskraft des ersten zu-

" Vgl. nur W. Henáel, a. a. О., S. 169. " Vgl. oben zu Anm. 1. " Vgl. dazu, daß die Klage aus § 767 ZPO die rechtskräftige Feststellung des Anspruchs bestehen läßt und sich nur gegen die Vollstreckbarkeit wendet, Gaul, JuS 1962, 1 f. Im engeren Sinne bezeidinet die sogen, vis attractiva concursus das Bestreben, alle mit dem Konkurs zusammenhängenden Rechtsstreitigkeiten innerhalb des Konkurses zu erledigen, vgl. insbes. Jahr, ZZP 79, 347ff.; auch Gaul, ZZP 85, 251, 295, 297 ff.

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Stande gekommen ist®^. Wir haben es also — unter Rechtskraftgesichtspunkten — nicht mit einem Gegeneinander, sondern mit einem gesetzlich zugelassenen Nebeneinander zweier gleichlautender Titel zu tun. Gewiß ist der Zustand der zweifadien Titulierung eines Anspruchs im Hinblick auf die Gefahr doppelter Vollstreckung intrikat und es stellt sich die Frage, ob die Rechtsordnung diesen Zustand ungelöst hinnehmen kann. Eine logische Zwangslösung im Sinne der dem RG folgenden h. M., daß der frühere rechtskräftige Vollstredcungstitel durch die Rechtskraft des Tabelleneintrags „aufgezehrt", „außer Kraft gesetzt", „beseitigt" wird®^, ist nicht begründbar. Es ist nicht einmal selbstverständlich, daß der nur von einer Rechtskrafterstrekkung „gegenüber allen Konkursgläubigern" sprediende § 145 II KO überhaupt noch einmal Rechtskraft für das bereits reditskräftig festgelegte Gläubiger-Schuldner-Verhältnis anordnet. Die Motive spredien dagegen®®. Andererseits besagt § 164 II KO generell, daß aus dem ohne Schuldnerwidersprudi zustande gekommenen®^ Tabelleneintrag die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner stattfindet. Aus dieser Vollstreckbarkeitsanordnung gegen den Schuldner zieht man heute allgemein den nicht ganz zweifelsfreien Rückschluß, daß der

" Jelinek, a. a. О., S. 36, scheint hingegen unter der Voraussetzung, daß man dem Titel nadi § 53 a öAO ( = § 85 VerglO) entsprechend § 145 II K O Rethtskraffwirkung beilegt, eine Anwendung des § 530 1 Nr. 6 öZPO ( = § 580 Nr. 7 a ZPO) gegen den Vergleichstitel durchaus für möglich zu halten. Daraus zieht er in Ablehnung der „deutschen Verdrängungstheorie" den Umkehrschluß, daß jedenfalls „keine Norm besteht, die die Vernichtung des älteren Titels für den Fall anordnet, daß derselbe Anspruch nochmals tituliert wird". Vgl. RGZ 112, 300 f.; 132, 115 und dazu schon oben bei Anm. 12 f. Zwar ist es in Abweichung zu Jaeger (s. oben bei Anm. 8 f.) bei Jaeger-Weber, a. a. О., § 164 Anm. 6, nicht mehr ausschließlich die „Rechtskraft" des Tabellenvermerks, die die „Verdrängung" bewirkt, wohl aber noch „die Rechtskraft und die endgültige Vollstreckbarkeit". Wenn sich auch die h. M. pauschal auf die Motive zur КО, S. 383 ff. beruft, so wird übersehen, daß die in Bezug genommenen Ausführungen zum „praktischen Bedürfnis" einer Wirksamkeit auch gegenüber dem Schuldner noch nicht den Sonderfall eines bereits vorliegenden rechtskräftigen Titels meinen; zu diesem heißt es aber a. a. O., S. 386 ausdrücklich, daß „die Wirksamkeit desselben, soweit es sich um das Verhältnis des Gläubigers dem Gemeinschuldner gegenüber handelt, durch das Konkursverfahren an sich nicht berührt wird"; vgl. dazu schon die oben in Anm. 3 vollständig wiedergegebene Stelle der Materialien. Wenn § 164 II K O formuliert „festgestellt und nicht vom Gemeinschuldner bestritten", so kann auch hier das Gesetz an sich nicht gerade den Fall im Auge gehabt haben, daß der Schuldner bereits vor dem Konkurs rechtskräftig zur Leistung verurteilt worden ist, da ein „Bestreiten" der Rechtskraft gegenüber grundsätzlich unbeachtlich ist, vgl. oben zu Anm. 1.

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Tabellenvermerk erneut Rechtskraft auch gegenüber dem bereits rechtskräftig verurteilten Schuldner äußert®®. Die h. M. geht sogar noch einen Schritt weiter und begründet die „Verdrängung" des früheren rechtskräftigen Titels geradezu mit der „erweiterten" Rechtskraft des Tabellenvermerks „gegenüber allen Konkursgläubigern"®®. Dieser Schluß von der „breiteren" auf eine „stärkere" Reditskraftwirkung erinnert auffällig an die RG-Rechtsprediung zum Zwiespalt zwischen Unterhalts- und Abstammungsurteil, nadi der die „stärkere" inter-omnes-Wirkung des Statusurteils das nur inter partes wirkende Unterhaltsurteil „außer Kraft setzen" sollte®^. Während sich aber das RG dort nodi auf die besondere Verfahrensausgestaltung des Statusprozesses mit Untersudiungsgrundsatz berufen konnte, fehlt eine derartige Legitimation der „Feststellung" zur Konkurstabelle völlig, da es sich um einen — nicht einmal dem Anerkenntnisurteil des § 307 ZPO vergleichbaren — reinen Beurkundungsvorgang mit fiktiver Rechtskraftwirkung handelt®®. Aber selbst wenn man von diesem Bedenken einmal absieht, bedeutet personell breitere Rechtskraft keineswegs substantiell stärkere Rechtskraft. Namentlich kann die Reditskraft, gleich welchen Umfangs, schon institutionell nur präventiv, niemals repressiv oder restitutiv im Sinne einer Außerkraftsetzung eines früheren reditskräftigen Urteils wirken®®. Die These der h. M., daß gerade die Rechtskraft des Tabelleneintrags der auslösende Faktor sei, der den früheren rechtskräftigen Titel verdränge, ist also nicht haltbar. Daß der Tabellenvermerk keinesfalls geeignet sein kann, dem früheren Leistungsurteil die Rechtskraftwirkung zu nehmen, zeigt sich, wenn der Tabellenvermerk etwa irrtümlich von dem Inhalt des rechtskräftigen Urteils abweicht, z. B. eine höhere oder niedrigere Vgl. statt aller Jaeger-Weber, a. a. О., § 164 Anm. 4 m. Nadiw. So in Obereinstimmung mit der Voraufl. audi Jaeger-Weber, a. a. О., Anm. 6. Vgl. RGZ 169, 129 ff.; auch sdion RGZ 122, 24 ff.; ebenso namentlich Sdwab, JZ 1954, 273 u. ö., zuletzt N J W 1960, 2168, 2173. Auf dieser Lösung beruhte auch die Übergangsregelung des § 644 ZPO 1961, bis diese in Übereinstimmung mit unseren Vorschlägen (vgl. Gaul, Grundlagen, a. a. O., S. 143 ff., 169 ff. und FamRZ 1963, 208, 216 ff.) durch den Wiederaufnahmegrund des § 641 i ZPO 1970 ersetzt wurde, vgl. Rosenberg-Sώwab, a. a. O., § 169 III 8. So zutreffend Jaeger-Weber, a . a . O . , § 1 4 5 Anm. 3 mit dem Zusatz: „Dem Konkursgericht... fehlt seiner ganzen Stellung nadi und im Gegensatz zu dem im § 145 II К О bezeichneten Prozeßgericht die Madit, über bestrittene Forderungen zu erkennen"; zustimmend Bötticher, ZZP 86, 373, 383 f. Vgl. dazu Gaul, Grundlagen, a . a . O . , S. 95, 180, und eingehender FamRZ 1959, 334, 339; zustimmend — unter Übertragung dieser Gedanken auf die Konfliktslage zwischen einem früheren Urteil und einer späteren Entscheidung über eine Verfassungs- und Menschenrechtsbeschwerden — E. Sώиmann, a. a. O., S. 283 ff., 292 f.

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Summe verbrieft. In diesem Falle wäre es ein unhaltbares Ergebnis, wenn der Tabelleneintrag vermöge der ihm gesetzlidi beigelegten Rechtskraftwirkung die frühere rechtskräftige Entscheidung verdrängen könnte. Wenn die allg. M. unter Hinweis auf den reinen Beurkundungscharakter der Konkursfeststellung sowie darauf, daß „nur die Eintragung des wahren Prüfungsergebnisses" die Reditskraftwirkung des § 145 II K O auslöse'®, sehr weitherzig über die Grenzen der §§ 319 f. ZPO und über die Konkursbeendigung hinaus die naditräglidie Tabellenberichtigung auf Antrag oder von Amts wegen zuläßt®^, so muß sidi erst recht die auch im Konkursverfahren maßgebliche Reditskraft des früheren Urteils nodi gegenüber dem unrichtigen Tabelleneintrag durchsetzen. Die sdilichte Vorlage des früheren Urteils im „Beriditigungsverfahren" müßte an sich sdion genügen, um eine Anpassung des Tabellenvermerks an den Urteilsinhalt zu erreidien; jedenfalls aber müßte eine Wiederaufnahme analog § 580 Nr. 7 a ZPO zu diesem Ergebnis führen®^. Suspendiert ist eben nur die Sperrwirkung der Rechtskraft und nicht auch deren Bindungswirkung! Eine Verdrängungswirkung kann der Tabellenvermerk also allenfalls — wie es Weber präzisiert hat — auf die Vollstreckbarkeit des früheren Titels äußern. Aber auch hier stellt sich die Frage, wieso die Errichtung eines zweiten Titels dem früheren Titel ohne weiteres die Vollstreckbarkeit sollte nehmen können®^. Ist die Vollstreckbarkeit aus Gründen der Formalisierung der Zwangsvollstreckung lediglich an die Existenz eines Titels geknüpft®^, so ist der Titel grundsätzlidi solange vollstreckbar, als er nicht durch eine auf seinen Bestand oder seine Vollstreckbarkeit gerichtete Entscheidung aktmäßig beseitigt ist (arg. § 775 ZPO). Sind z. B. über einen und denselben Anspruch zwei vollstreckbare Urkunden i. S. des § 794 I Nr. 5 ZPO errichtet worden, so kann man nicht sagen, daß der eine dem anderen automatisch Vgl. Jaeger-Weber, a. a. О., § 145 Anm. 3 b; ebenso Mentzel-Kithn, KO, 7. Aufl., 1962, § 145 Anm. 7; wenn demnach von vornherein nur dem „richtigen Eintrag" die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils zukommen soll, so läuft das letztlich auf eine totale Infragestellung der Rechtskraft hinaus, zu deren Wesen gerade die Heilung von Mängeln gehört. Wie die Vorgenannten auch BoMe-Stamsòrader, KO, 10. Aufl. § 145 Anm. 4 mit weit. Nachw. Zur allgemein bejahten Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens gegenüber dem Tabelleneintrag analog § 580 Nr. 2, 4 und 7 ZPO vgl. nur JaegerWeber, a. a. О., § 145 Anm. 12 mit Nachw. " Verneinend Pohle, Anm. zu BAG Nr. 1 zu § 776 ZPO unter zumindest teilweiser Revidierung seiner in JZ 1954, 343 f. geäußerten Ansicht zum „Erlöschen der Vollstreckbarkeit". Zur Bedeutung der Formalisierung der Zwangsvollstreckung vgl. Gaul, Rpfleger 1971, 81, 90 ff.

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die Vollstreckbarkeit nehme®®. Beide sind an sich vollstreckbar. Dodi kann der Schuldner, soweit der Gläubiger aus der Vollstreckung des einen Titels bereits befriedigt ist, den Verbrauch des zweiten Titels infolge Befriedigung geltend machen, sei es, indem er die gemäß § 757 ZPO in seinen Händen befindliche erste vollstreckbare Ausfertigung nebst Quittung gemäß § 775 Nr. 4 ZPO und nadidrücklidi mit der Erinnerung nach § 766 ZPO präsentiert, sei es, daß er im Streitfalle die Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO erhebt. Deshalb ist mit Stein-]onas-Münzberg zu fragen, ob im Falle der konkursmäßigen Zweittitulierung das Schutzbedürfnis des Schuldners überhaupt die Annahme eines „nicht in das System passenden automatischen Wegfalls der Vollstreckbarkeit" rechtfertigt®®. Im Unterschied zu den Fällen, in welchen ein zweiter Titel in rechtlicJi mißbilligter Weise trotz der Sperrwirkung eines früheren oder mangels einer solchen in rechtlich unveranlaßter Weise beziehungslos — als Anomalie — hinzutritt, gehört die konkursmäßige Zweittitulierung von vornherein zur „intendierten Ordnung" des Konkurses, da auch titulierte Forderungen dem gesetzlidien Anmeldeerfordernis unterliegen. Der § 164 II KO ordnet überdies für alle „festgestellten", vom Schuldner nicht bestrittene Forderungen die Vollstreckbarkeit aus der Eintragung in die Konkurstabelle an. Wenn also der neue Vollstreckungstitel auf gesetzlicher Anordnung beruht und der Schuldner dadurch zwangsläufig einem zweiten Titel ausgesetzt wird, legt es der Ordnungszusammenhang nahe, dem Schuldner auch einen dieser typischen Situation angemessenen, dem materiellrechtlichen Erfüllungseinwand vorgelagerten Schutz zu geben. Der Umkehrschluß aus § 775 ZPO gegen eine automatische „Aufzehrung" der Vollstreckbarkeit ohne Kassationsakt®^ ist nicht zwingend, denn derartige Fälle begegnen auch sonst. Hingewiesen sei nur auf den Fall des auflösend bedingten Endurteils, das trotz formeller Rechtskraft und Vollstreckbarkeit mit Aufhebung eines Zwischenurteils nach § 275 ZPO oder eines Grundurteils nach § 304 ZPO außer Kraft tritt®®. Man könnte nun daran denken, jeden Vollstreckungstitel als durdi Vgl. sdion Hellwiz-Oertmann, a. a. O., § 277 1 b, 2. »» Vgl. Stein-Jonas-Münzberg, a. a. O., Vorb. II 1 Anm. 38 vor § 704. Gegen den von Stein-Jonas-Münzberg, a. a. O. gezogenen Umkehrsdiluß aus § 775 ZPO sdion RGZ 132, 115, freilich mit dem allgemeinen Hinweis auf die Spezialgesetzlidikeit der VerglO. Vgl. Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, 1958, S. 135; Sώiedermair, JuS 1961, 212, 214 f.; Rosenberg-Schwab, a . a . O . , § 5 8 IV 5 d; auch sdion RGZ 15, 348, 350: die Endentscheidung „tritt von selbst außer Kraft, ohne daß es der ausdrücklichen Aufhebung bedürfte". Vgl. dazu auch E. Schumann, a. a. O., S. 273 f. unter Anführung weiterer Fälle „gegenstandsloser Entscheidungen ohne Aufhebungsakt«.

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die konkursmäßige Zweittitulierung auflösend bedingt anzusehen, indem man argumentiert: Behält das Gesetz dem Gläubiger die Geltendmachung der titulierten Forderung im Konkurs vor und gibt ihm einen zweiten Titel in die Hand, so steht der frühere Titel von vornherein unter der stillschweigenden auflösenden Bedingung der konkursmäßigen Neutitulierung. Der Tabelleneintrag bewirkt dann nicht kraft der ihm beigelegten Eigenschaften die „Aufzehrung" des früheren Titels, sondern ist nur die hinzutretende rechtserhebliche Tatsache, um die dem früheren Titel zugrunde liegende Bedingung auszulösen®®. Indessen hieße das wohl dodi, den Bogen des erforderlichen Bedingungszusammenhangs überspannen. Während die erwähnten Fälle des auflösend bedingten Endurteils in einem für die Verfahrensbeteiligten übersdiaubaren innerprozessualen Bedingungszusammenhang stehen und die das Zwischenurteil aufhebende Instanzentsdieidung m. E. sogar in einem für eine analoge Anwendung des § 775 Nr. 1 ZPO ausreichenden Bezug zur Endentsdieidung steht, ist die Beziehung eines auf die Einzelzwangsvollstreckung zugesdmittenen Titels zum denkbaren Konkursfall derart locker, daß ein juristischer Bedingungszusammenhang nicht mehr herzustellen ist. Es bleibt nur die Möglichkeit, dem Tabellenvermerk gegenüber dem früheren Titel im Wege einer von Praktikabilitätsgesichtspunkten bestimmten Wertung den Vorrang einzuräumen. Freilidi genügt nicht schon der Hinweis auf das mangelnde „rechtliche Interesse" des Gläubigers, um die Zwangsvollstreckung aus dem früheren Titel für unzulässig zu erklären^®". Zwar hat der Gläubiger ein von der Rechtsordnung geschütztes Interesse nur an „einmaliger Vollstreckung der Leistung." Das Rechtssdiutzinteresse allein vermag aber nicht über den Rang unter mehreren vorliegenden Titeln zu bestimmen, sondern das fehlende „Vollstreckungsbedürfnis" kann allenfalls dem zuletzt verwendeten Titel entgegengehalten werden. Ebenso spricht der von Jaeger-Weber in den Vordergrund gestellte Gesichtspunkt der „Verkehrssidierheit" zwar dagegen, „mehrere Titel vollstreckbar nebeneinander wirken zu lassen" besagt aber ebenfalls nichts darüber, welchem Titel letztlich der Vorrang gebührt. Vgl. Gaul, Grundlagen, a . a . O . , S. ISO ff. mit entspredienden Überlegungen zu dem inzwischen teilweise durch § 641 d ZPO beseitigten, aber im Rahmen des § 640 h ZPO nadi wie vor möglidien Fall des Vaterschaftsprätendentenstreits nach § 643 S. 2 ZPO a. F., bei dem aber die jeweiligen Statusentsdieidungen im logischen Ausschließungsverhältnis zueinander stehen und das Problem der Vollstreckbarkeit nidit auftritt; zustimmend Rosenberg, a . a . O . , 9. Aufl., 1961, § 162 II 4; E.Schumann, a. a. O., S. 285 in Anm. 18. 1»» So namentlich Bley, ZZP 57, 161 f. >