Lehrbuch der Experimentalphysik: Band 2 Elektrizitätslehre 9783111694986, 9783111307138


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German Pages 515 [516] Year 1956

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Table of contents :
Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur zweiten Auflage
Inhaltsübersicht
I. Kapitel. Elektrostatik
II. Kapitel. Magnetostatik
III. Kapitel. Stationäre elektrische Ströme
IV. Kapitel. Das elektrische und magnetische Feld stationärer Ströme
V. Kapitel. Induktion
VI. Kapitel. Elektrische Schwingungen und Wellen
VII. Kapitel. Elektrolyse
VIII. Kapitel. Gasentladungen
IX. Kapitel. Die Stromleitung in festen Körpern
Namenregister
Sachregister
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Lehrbuch der Experimentalphysik: Band 2 Elektrizitätslehre
 9783111694986, 9783111307138

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L. Bergmann

CI. Schaefer

Lehrbuch der Experimentalphysik Band II

LEHRBUCH DER EXPERIMENTALPHYSIK ZUM G E B R A U C H BEI AKADEMISCHEN VORLESUNGEN U N D ZUM S E L B S T S T U D I U M Von

Prof. Dr. L.Bergmann

und

Prof.Dr.Cl.Schaefer

Leitz-Werke Wetzlar

Universität Köln

II. Band

Elektrizitätslehre Mit 668 Abbildungen

2., durchgesehene und verbesserte Auflage

W A L T E R

DE

G R U Y T E R

&

CO.

vorm. G. J. Göschen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagabuchhandlung Georg Reimer, Karl J . Trübner, Veit & Comp.

B E R L I N 1956

Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten Copyright 1955 b y Walter de G r u y t e r & Co. v o r m . C. J . Göschen'sche Verlagshandlung, J . G u t t e n t a g , Verlagsbuchhandlung Georg Reimer, K a r l J . T r ü b n e r , Veit & Comp., Berlin W 35, Genthiner Str. 13 Archiv-Nr. 52 79 55 — P r i n t e d in Germany Druck: Graphische Kunstdruckerei August Raabe, Berlin-Neukölln

Vorwort zur ersten Auflage Nach dem Erscheinen der ersten Auflage von Band I begannen wir mit der Arbeit am zweiten Bande. Sie war bis Januar 1945 schon ziemlich weit vorgeschritten, als die Katastrophe uns auseinanderriß. Erst im Jahre 1946 fanden wir wieder Verbindung zueinander und konnten die gemeinsame Arbeit wieder aufnehmen; natürlich war sie außerordentlich erschwert durch die räumliche Trennung und dadurch, daß wir neue Wirkungskreise übernehmen mußten. Erst jetzt ist es uns daher möglich, den zweiten Band, die Elektrizitätslehre enthaltend, vorzulegen. Er ist nach den gleichen Grundsätzen abgefaßt wie der erste Band, so daß darüber nichts weiter gesagt zu werden braucht. Nur ein Wort über das benutzte Maßsystem ist erforderlich: Wir haben uns nach reiflicher Überlegung entschlossen, das Gaußsche Maßsystem beizubehalten; dies hat zur Folge, daß in allen elektrodynamischen Gleichungen der Faktor c, die Lichtgeschwindigkeit, auftritt. Wir halten dies aus didaktischen Gründen für wünschenswert. Im übrigen hat W. Kossei kürzlich in einer kleinen Schrift: „Zur Darstellung der Elektrizitätslehre" mit einleuchtenden Gründen dargetan, daß es unzweckmäßig wäre, das sogenannte „praktische" Maßsystem in der Physik allgemein einzuführen. Wetzlar und Köln, im Herbst 1950 Ludwig Bergmann

Clemens

Schaefer

Vorwort zur zweiten Auflage Nachdem die erste Auflage vergriffen war, haben wir uns die Frage vorgelegt, ob und was an unserer grundsätzlichen Einstellung etwa zu ändern wäre; wir haben aber dazu keine Veranlassung gesehen. Die vorliegende zweite Auflage unterscheidet sich daher nur wenig von der ersten; einige nicht ganz klare oder schiefe Formulierungen wurden beseitigt und durch bessere ersetzt, der raschen Entwicklung der Halbleiterforschung wurde durch Umarbeitung und Erweiterung der betreffenden Abschnitte soweit Rechnung getragen, wie es im Rahmen dieses Werkes möglich war. Allen Fachgenossen, die durch wohlwollende Kritik ihr Interesse an unserm Buche bezeugt haben, danken wir herzlich und möchten wünschen, daß auch die neue Auflage ihren Beifall finde. Wetzlar und Köln, im September 1955 Ludwig Bergmann

Clemens

Schaefer

Inhaltsübersicht I. Kapitel. Elektrostatik 1. '2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18.

Die Grunderscheinungen bei der Elektrisierung durch Reibung Die einfachsten Apparate zum Nachweis des elektrischen Zustandes Gleichheit der positiven und negativen durch Reibung erzeugten Ladungen ; Fluidumhypothese Sitz der elektrischen Ladung auf einem Leiter; Dichte der Elektrizität . : Coulombsches Gesetz ; Einheit der Elektrizitätsmenge Das elektrische Feld; elektrische Kraftlinien; elektrischer Kraftfluß; Gaußscher Satz Das Potential Kapazität Influenz Anwendungen der Influenz; Doppelplatte, Potentialsonden, Elektrophor Anwendungen der Influenz; Kondensatoren Das elektrostatische Feld in einem Dielektrikum Polarisation der Dielektrika Die elektrische Energie; Kraftwirkungen im elektrostatischen Felde Die elektrostatischen Generatoren Piezo- und Pyroelektrizität Kontaktelektrizität Das elektrische Feld der Erde

1 3 6 7 10 13 18 26 27 30 33 41 50 61 68 71 76 86

II. Kapitel. Magnetostatik 19. 20. 21. 22. 23. 24.

Grundtatsachen ; Analogien und Differenzen zur Elektrostatik 90 Coulombsches Gesetz; magnetische Feldstärke 93 Kraftlinien; Kraftfluß; magnetisches Potential 96 Magnetstab im homogenen Magnetfeld ; Messung der Feldstärke und des magnetischen Momentes 100 Magnetisches Feld der Erde 103 Einfluß der Materie auf die magnetischen Erscheinungen; para-, dia- und ferromagnetische Stoffe; magnetische Induktion, Magnetisierung 107 III. Kapitel. Stationäre elektrische Ströme

25. Begriff des elektrischen Stromes; Stromstärke; Stromdichte 122 26. Ohmsches Gesetz 125 27. Anwendungen des Ohmschen Gesetzes ; Kirchhoffsche Sätze über Stromverzweigungen ; Spannungsteilung, Potentiometer, Wheatstonesche Brücke 141 28. Stromarbeit; Stromwärme; Joulesches Gesetz; Peltier-Effekt; chemische Umsetzungen 149 29. Thermoelektrizität; Peltier-und Thomson-Effekt 156 IV. Kapitel. Das elektrische und magnetische Feld stationärer Ströme 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39.

Das elektrische Feld stationärer Ströme Oerstedscher Versuch ; Magnetfeld eines geradlinigen Stromleiters Biot-Savartsches Elementargesetz Äquivalenz von Strömen und Magneten; Ampères Molekularströme Die verschiedenen Maßsysteme der Elektrodynamik und ihre Beziehungen zueinander Magnetfeld von Spulen; Elektromagnete Die Eigenschaften der ferromagnetischen Stoffe Bewegung eines Stromleiters im Magnetfeld Wirkung von Strömen aufeinander Der Verschiebungsstrom;'Hauptgleichung des Elektromagnetismus

164 167 177 183 187 191 207 216 224 230

VIII

Inhaltsübersicht V. Kapitel. Induktion

40. Grundtatsachen 41. Quantitative Fassung des Induktionsgesetzes 42. Einfache Anwendungen der Induktion; Erdinduktor; Messung magnetischer Felder; Messung der Permeabilität; magnetischer Spannungsmesser; Wechselspannungen; Wirbelströme; Theorie des Diamagnetismus 43. Gegenseitige Induktion und Selbstinduktion; Anwendungen 44. Allgemeines über Wechselströme 45. Wechselstromkreis mit Ohmscliem Widerstand, Selbstinduktion und Kapazität 46. Mehrphasenströme, magnetische Drehfelder 47. Transformatoren 48. Die elektrischen Maschinen 49. Die Maxwellschen Gleichungen

234 239 244 252 263 270 286 290 296 3n

VI. Kapitel. Elektrisch« Schwingungen und Wellen 50. 51. 52. 53. 54.

Freie elektrische Schwingungen Erzeugung gedämpfter Schwingungen mittels der Funkenmethode Erzeugung ungedämpfter elektrischer Schwingungen Erzwungene Schwingungen; Koppelungsschwingungen Ausbreitung elektrischer Wellen längs Leitungen; Lecher-System; Telegraphen- und Wellengleichung 55. Elektromagnetische Raumwellen im Dielektrikum; offener Schwingungskreis; elektrischer Dipol und sein Strahlungsfeld; Hertzsche Versuche 56. Wesensgleichheit der elektromagnetischen Wellen mit den Lichtwellen; das elektromagnetische Spektrum 57. Anwendung der elektrischen Wellen in der drahtlosen Nachrichtenübermittlung; Ausbreitung der Wellen um die Erde

314 320 325 330 340 352 372 377

VII. Kapitel. Elektrolyse 58. 59. 60. 61. 62. 63.

Grundtatsachen; Mechanismus der Elektrolyse Die Faradayschen Gesetze der Elektrolyse Die Leitfähigkeit der Elektrolyte; Überführungszahlen und Beweglichkeit von Ionen Umwandlung chemischer Energie in elektrische; Theorie der galvanischen Elemente Elektrolytische Polarisation; sekundäre Elemente (Akkumulatoren) Die praktischen Anwendungen der Elektrolyse

383 389 395 407 413 419

VIII. Kapitel. Gasentladungen 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70.

Das Leitvermögen der Gase; allgemeine Erörterungen 424 Unselbständige Entladung bei höheren Drucken 428 Unselbständige Elektrizitätsleitung im Hochvakuum 433 Die Natur der Elektrizitätsträger im Hochvakuum 437 Anwendungen der unselbständigen Elektrizitätsleitung im Hochvakuum 446 Die selbständige Stromleitung in Gasen bei niedrigem Druck 450 Die selbständige Elektrizitätsleitung in Gasen bei hohem Druck; Spitzen- und Büschelentladung, Funken, Lichtbogen 466 IX. Kapitel. Stromleitung in festen Körpern

71. 72. 73. 74.

Die metallische Leitung Die elektrische Leitung in Kristallen und Halbleitern Technische Anwendung von Halbleitern: Sperrschichtgleichrichter; Transistoren Die lichtelektrische Leitung in Kristallen und Halbleitern Namenregister Sachregister ;

477 488 493 497 500 501

I. K a p i t e l

Elektrostatik 1. Die Grunderscheinungen bei der Elektrisierung durch Reibung Wenn man einen Hartgummistab mit einem Wollappen oder einem Fell reibt und den geriebenen Stab kleinen leichten Körpern (Papierschnitzeln, Korkstückchen usw.) nähert, so beobachtet man, daß diese Körper von dem Hartgummistab angezogen werden. Es hat sich also der Zustand des Hartgummistabes derart verändert, daß von seiner Oberfläche Kraftwirkungen ausgehen. Bereits im Altertum hat (angeblich) T h a i e s von M i l e t eine solche Beobachtung an geriebenem Bernstein gemacht; da der griechische Name von Bernstein fjXexxpov ist, spricht man von einer „ E l e k t r i s i e r u n g " oder dem „ e l e k t r i s c h e n Z u s t a n d e " oder der „ e l e k t r i s c h e n L a d u n g " des geriebenen Körpers und bezeichnet das ganze Gebiet als „Elektrizitätslehre". Wenn man alle möglichen Körper in dieser Weise behandelt, so findet man, daß sie nach ihrem Verhalten in zwei Klassen gesondert werden können. Die erste Klasse ist dadurch charakterisiert, daß es keiner besonderen Vorsichtsmaßregeln bedarf, um die Körper in den „elektrischen" Zustand zu versetzen. Man kann die dieser Gruppe angehörigen Stoffe z. B. einfach dadurch „elektrisieren", daß man sie in die Hände nimmt und aneinander reibt. Auch können sie dabei in direkter Verbindung mit der Erde sein. Zu den Stoffen dieser ersten Gruppe gehören Schwefel, alle Harze (Bernstein, Schellack, Siegellack), Hartgummi, Paraffin, Glas, Glimmer, Seide, trockenes Papier usw. Zu der zweiten Klasse von Substanzen, die durch die beschriebene primitive Behandlungsart nicht „elektrisch" werden, gehören in erster Linie die Metalle, ferner Kohle, der menschliche Körper, feuchtes Holz usw. Es hat lange Zeit gedauert, bis man die Bedingungen erkannte, unter denen diese letzteren Stoffe, z.B. die Metalle, überhaupt „elektrisch" werden können. G r a y fand im Jahre 1727, daß sie weder mit dem menschlichen Körper noch mit der Erde in direkter Verbindung sein dürfen, sondern von ihnen durch Stoffe der ersten Gruppe getrennt sein müssen. Will man also einen Metallstab durch Reiben mit einem Seidenlappen „elektrisieren", so muß man den Metallstab mit einem Handgriff aus Glas oder Hartgummi versehen. Auf diese Weise vermeidet man eine direkte oder durch den menschlichen Körper vermittelte Berührung mit der Erde; man muß daraus schließen, daß eine solche den elektrischen Zustand des Metallstabes vernichtet. Letzteres geschieht allerdings auch bei den Körpern der ersten Gruppe, aber mit einem sehr wesentlichen Unterschiede. Ein Metall braucht nur an einer einzigen Stelle direkt oder indirekt mit der Erde in Kontakt gebracht zu werden, um sofort in seiner ganzen Ausdehnung unelektrisch zu werden; dagegen verlieren die Stoffe der ersten Gruppe ihren elektrischen Zustand nur an den Stellen, die mit der Erde in Berührung sind, während er ihnen an den anderen, wenn auch dicht benachbarten Stellen erhalten bleibt. Im engsten Zusammenhang damit steht ferner die Tatsache, daß Metalle, wenn sie unter den oben angeführten Vorsichtsmaßregeln auch nur an einer Stelle gerieben werden, sofort in ihrer ganzen Ausdehnung elektrisch werden, während ein der ersten Gruppe zugehöriger Körper nur an den geriebenen Stellen die Fähigkeit erlangt, andere leichte Körperchen anzuziehen. Man drückt diesen Sachverhalt am einfachsten dadurch aus, daß man den Körpern zweiter Klasse, insbesondere den Metallen, die Eigenschaft zuschreibt, den durch Reiben erzeugten elektrischen Zustand von den geriebenen Stellen zu allen anderen Punkten des betreffenden Körpers „ f o r t - . z u l e i t e n " , während man den Körpern erster Klasse diese Fähigkeit abspricht. Letztere heißen deshalb Nichtleiter oder Isolatoren, die Körper der zweiten Klasse Leiter des elektrischen Zustande». Da der menschliche Körper zu den Leitern gehört, ist es klar, weshalb ein Metall auch gegen diesen 1 Experimentalphysik II

2

I. Kapitel. Elektrostatik

vermittels eines Nichtleiters „isoliert" sein muß; die auf dem Metall durch Reibung erzeugte Elektrizität würde durch den menschlichen Körper zur Erde abgeleitet und damit der geriebene Leiter wieder unelektrisch werden. Verbindet man anderseits einen auf einem isolierenden Glasstativ aufgestellten ungeriebenen Metallkörper, von dem also keinerlei Kraftwirkungen ausgehen, durch einen Metalldraht etwa mit einer geriebenen Glasstange, so zeigt der Metallkörper in seiner ganzen Ausdehnung Elektrisierung, d.h. es werden dann von allen Stellen seiner Oberfläche leichte Körperchen angezogen. Wir haben also die Möglichkeit, den elektrischen Zustand sowohl mittels eines Leiters zu übertragen oder sein Abfließen zur Erde durch einen Isolator zu verhindern. Zwischen Leitern und Nichtleitern gibt es in Wirklichkeit keine strenge Grenze, es bestehen vielmehr alle Arten von Zwischenstufen, von den besten bis zu den schlechtesten Leitern. Als gute Leiter des elektrischen Zustandes gelten die Metalle, ferner Kohle, Wasser, Säure- und Salzlösungen, der menschliche Körper sowie stark erhitzte Gase; weniger gut leiten Holz, Marmor, Papier, Stroh, Alkohol; Nichtleiter sind u.a. Glas1), Quarz, Porzellan, Hartgummi, Harze, Schwefel, Bernstein, Seide, öle, Luft, Wasserdampf und andere Gase. Daß Luft die Elektrizität nicht leitet, ist ja geradezu die Voraussetzung dafür, daß es überhaupt möglich ist, einen etwa durch Reiben eines Glasoder Hartgummistabes erzeugten elektrischen Zustand zu beobachten. Wäre die Luft nämlich ein Leiter, so würde der soeben erzeugte elektrische Zustand sofort wieder abgeleitet werden und sich der Wahrnehmung entziehen. Stark erhitzte Luft oder Flammengase leiten dagegen gut, was sich z. B. dadurch zeigen läßt, daß man einen geriebenen Hartgummistab durch eine Bunsenflamme zieht oder in einen heißen Luftstrom bringt: er wird sofort unelektrisch. Praktisch macht man beim Experimentieren von der Leitfähigkeit erhitzter Gase Gebrauch, um unerwünschte Elektrisierung von Isolatoren zu beseitigen. Wir haben bisher den elektrischen Zustand geriebener Körper nachgewiesen durch die Beobachtung der Kraftwirkungen auf leichte Papierschnitzelchen usw. Wir wollen von jetzt ab die Kraftwirkungen zwischen den geriebenen Körpern selbst untersuchen, hängen einen geriebenen Hartgummistab waagerecht auf (Abb. 1) und nähern seinem einen Ende einen auf gleiche Weise geriebenen zweiten Hartgummistab; beide Stäbe befinden sich also nach dem Gesagten im „elektrischen Zustande". Wir beobachten eine kräftige Abstoßung der einander genäherten Stabenden. Nähern wir aber dem aufgehängten Hartgummistab einen geriebenen, d. h. ebenfalls elekAbb. 1. Drehbar aufgehängter irisierten Glasstab, so findet eine starke Anziehung statt, Hartgummistab während schließlich zwei auf gleiche Weise geriebene Glasstäbe, von denen wir den einen freibeweglich aufhängen, sich gegenseitig ebenso abstoßen wie die beiden geriebenen Hartgummistäbe. Dies führt zu der Auffassung, daß es zwei verschiedene, einander polar entgegengesetzte elektrische Zustände gibt, die man früher als den „ h a r z e l e k t r i s c h e n " und „glas e l e k t r i s c h e n " bezeichnete (Du f a y ,1734). Dann können wir die oben angeführte Beobachtung folgendermaßen aussprechen: Gleichartig elektrisierte Körper stoßen sich ab, ungleichartig elektrisierte ziehen sich an.

Da der Vorgang der Reibung ein wechselseitiger ist, wird nicht nur der geriebene Körper, sondern auch das „Reibzeug" elektrisch. Nähert man einem na«h Abb. 1 aufgehängten geriebenen Glasstab das zum Reiben benutzte Stück Seide, so wird der Glasstab angezogen, während von dem gleichen Stück Seide ein mit einem Wollappen geriebener Hartgummistab abgestoßen wird. Aus diesem Versuch folgt, daß zwei verschiedene aneinander geriebene Körper stets beide und zwar ungleichartig elektrisch werden. Wir werden später zeigen (S. 5), daß die elektrischen Zustände aneinander geriebener Körper auch gleich stark sind, daß daher ihre gemeinsame Kraftwirkung sich nach außen aufhebt. Die Polarität der beiden elektrischen Zustände ist also die analoge, wie *) Dies gilt allerdings nicht von allen Glassorten. Gläser bestimmter Zusammensetzung können die Elektrizität leiten. Außerdem kommt es häufig vor, daß infolge von Hygroskopie sich auf der Glasoberfläche eine Wasserhaut bildet, die die Elektrizitätsleitung übernimmt. Dies kann man verhindern, indem man die Glasoberfläche mit einem Schellacküberzug versieht.

2. Die einfachsten Apparate zum Nachweis des elektrischen Zustandes

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zwischen den positiven und negativen Zahlen; dies hat dann dazu geführt, daß man (willkürlich) den einen, und zwar den glaselektrischen als positiven, den harzelektrischen als negativen elektrischen Zustand bezeichnet, und kurz von positiver und negativer Elektrisierung oder Ladung spricht. Ob ein bestimmter Körper durch Reiben positiv oder negativ elektrisch wird, hängt von dem Partner ab, mit dem er gerieben wird. Z. B. wird Glas positiv elektrisch beim Reiben mit Seide oder einem amalgamierten Lederlappen, dagegen negativ elektrisch beim Reiben mit Pelzwerk oder Wolle; Hartgummi wird an Wolle oder Pelzwerk gerieben stets negativ, an Papier gerieben aber meist positiv. Übrigens kommt es nicht nur auf die stoffliche Natur des Körpers, sondern auch auf seine Oberflächenbeschaffenheit an. Schleift man die Hälfte eines polierten Glasstabes matt, so wird dieses Ende beim Reiben mit Wolle negativ elektrisch, während die polierte Hälfte mit dem gleichen Reibzeug positiv elektrisch wird.

Daß auch pulverförmige Stoffe durch Reiben elektrisch werden, zeigt folgender Versuch: Zerstäubt man ein Gemisch aus gleichen Teilen Mennige und Schwefelpulver durch ein Stück Gaze hindurch, so wird Schwefel negativ, Mennige positiv elektrisch. Läßt man das Gemisch auf zwei nebeneinander liegende geriebene Stäbe aus Glas und Hartgummi fallen, so bleibt der gelbe Schwefel am Glas, die rote Mennige am Hartgummi haften (siehe hierzu S. 72). Es werden ferner nicht nur feste Stoffe elektrisch, sondern auch Flüssigkeiten, worauf wir in Nr. 3 zurückkommen. Hier sei nur folgender einfacher Versuch genannt: Schüttelt man in einer evakuierten Glasröhre Quecksilber, so bemerkt man im Dunkeln ein intensives Leuchten der Röhre, dessen Ursache, wie wir später zeigen werden, auf dem Auftreten von elektrischen Zuständen entgegengesetzten Vorzeichens zwischen Quecksilber und Glas beruht. Dagegen lassen sich Gase durch Reibung nicht elektrisieren; den Grund hierfür können wir erst später in Kap. 8 angeben. 2. Die einfachsten Apparate zum Nachweis des elektrischen Zustandes Da der Mensch kein Organ zum Erkennen des elektrischen Zustandes besitzt, sind besondere Apparate dazu erforderlich, die man Elektroskope nennt; sie beruhen auf den oben beschriebenen Kraftwirkungen. Die einfachste Ausführung ist das e l e k t r i s c h e D o p p e l p e n d e l (Abb. 2). Zwei kleine, möglichst leichte, mit einem dünnen Metallüberzug versehene Kügelchen sind an dünnen Leinenfäden oder mit sehr dünnen Drähten an einem Metallbügel aufgehängt, der am oberen Ende eines isolierenden Stativs befestigt ist. Wird der Metallbügel elektrisch geladen, so teilt sich der elektrische Zustand den beiden Kügelchen mit, und diese stoßen sich infolge der Gleichnamigkeit ab (in Abb. 2 gestrichelt gezeichnet). Diese Abstoßung ist um so größer, je'stärker der mitgeteilte elektrische Zustand ist. Eine empfindlichere Anordnung ist das B l ä t t c h e n - E l e k t r o s k o p nach A. B e n n e t , 1786(Abb. 3). Im Innern eines meist zylindrischen auf beiden Seiten durch Glasscheiben abgedeckten Metallgehäuses hängen an einer von oben isoliert eingeführten Metallstange zwei schmale Blättchen aus Blattgold oder Aluminiumfolie; die Metallstange Abb. 2. Abb. 3. trägt meistens oben eine Kugel (oder Elektrisches Doppelpendel Blättchen-Elektroskop Platte). Wird die Kugel mit einem elektrischen Körper berührt, so geht ein Teil seines elektrischen Zustandes auf Kugel, Stange und Blättchen über, und letztere divergieren um so mehr, je kräftiger der elektrische Zustand des herangebrachten Körpers ist. Häufig ist unterhalb der Blättchen eine Skala angebracht, auf 1*

4

I. Kapitel. Elektrostatik

der sich die Größe des Ausschlages der Blättchen ablesen läßt; dadurch wird das Instrument zum E l e k t r o m e t e r . Statt zweier beweglicher Leiter benutzt man vielfach nur einen beweglichen Leiter, der von einem festen abgestoßen wird. Bei dem B r a u n s c h e n E l e k t r o m e t e r (Abb. 4) wird ein leichter in Spitzen gelagerter Aluminiumanzeiger von einem vertikalen festen Leiter abgestoßen, wenn diesem eine elektrische Ladung zugeführt wird (F. B r a u n , 1891). Ein sehr empfindlichesElektrometer ist das W u 1 f s c h e Z w e i f a d e n e 1 e k t r o m e t e r (Th. Wu 1 f , 1907), dessen Aufbau aus der schematischen Abb. 5 hervorgeht. Durch die Deckplatte eines

Abb. 4. Braunsches Elektrometer

Abb. 5. Zweifadenelektrometer nach Wulf

Abb. 6. Bohnenbergersches Elektroskop

Metallgehäuses A ist, mittels Bernstein isoliert, ein Metallstift E geführt, der an seinem oberen Ende die Anschlußklemme K 1 trägt, und von dessen unterem Ende zwei sehr dünne Drähte von etwa 4 ji Durchmesser und etwa 8 cm Länge herabhängen. Die beiden Drähte sind mit ihren unteren Enden an einem elastischen Quarzbügel Q befestigt, durch den sie schwach gespannt werden. Führt man den Fäden Flt F2 über die Klemme Kx eine elektrische Ladung zu, so spreizen sie sich auseinander (gestrichelte Lage in Abb. 5). Ihr gegenseitiger Abstand kann in der Fadenmitte, wo er am größten ist, mit Hilfe eines Mikroskops mit Okularmikrometer sehr genau gemessen werden. Damit die Fäden beim Auseinandergehen in der Bildebene des Mikroskops bleiben, sind beiderseits in der Fadenebene zwei Schneiden Si und S2 angebracht, die mit dem über Klemme K2 zu erdenden Gehäuse leitend verbunden sind und somit die geladenen Fäden anziehen. Die bisher beschriebenen Instrumente zeigen zwar das Vorhandensein und die Stärke eines elektrischen Zustandes an, liefern aber nicht sein Vorzeichen. Letzteres leistet z.B. das B o h n e n b e r g e r s c h e E l e k t r o s k o p (Abb. 6). Zwischen zwei Platten (sog. Elektroden) E1 und E2 hängt an einer von oben isoliert eingeführten Metallstange S ein einzelnes schmales Aluminiumblättchen. Die beiden Elektroden E1 und E2 sind durch eine besondere, meist im Gerät eingebaute Elektrizitätsquelle (z. B. Zambonisäule, siehe S. 85) dauernd, die eine positiv, die andere negativ, geladen. Infolgedessen wird das Aluminiumblättchen bei positiver Aufladung von der einen Elektrode abgestoßen und von der anderen angezogen; bei negativer Aufladung führt es den entgegengesetzten Ausschlag aus, so daß die Eichtling des Ausschlages einen Schluß auf das Vorzeichen der Ladung

3. Gleichheit der positiven und negativen durch Reibung erzeugten Ladungen

5

zuläßt. — In ähnlicher Weise wird auch das oben beschriebene Zweifadenelektrometer (Abb. 5) zu einem E i n f a d e n e l e k t r o m e t e r , wenn man die beiden Fäden durch einen einzigen ersetzt, die beiden Metallschneiden und

r2 —

q l cos ist durchaus analog dem Flächenwirbel bei gewissen Flüssigkeitsströmungen, wie wir sie in Band I S. 279ff. Abb. 347, erörtert haben; dort tritt eine Unstetigkeitsfläche auf, an der die tangentiellen Komponenten der Geschwindigkeit einen Sprung machen.

Damit sind alle Aussagen über das Verhalten von $ und 6 gewonnen. — Brechung von 6 - und ^-Linien. Eine wichtige Konsequenz ist die Brechung der Kraft- und Verschiebungs-Linien beim Übergang von einem Medium zum anderen (Abb. 70). Es möge im Medium 1 ein homogenes elektrisches Feld existieren, dessen (parallele und äquidistante) Kraftlinien mit der Normale der Trennungsfläche den ,,Einfallswinkel" a bilden. Dann ist nach der Abb. 70: ÉE, I s i n a ; (£t

cos a ; tg2 . . . usw. statt auf ebenen Scheiben auf zwei Zylindern angebracht, die sich in entgegengesetzter Richtung um eine gemeinsame Achse drehen. Wir betrachten zunächst den Vorgang in der oberen Hälfte der Abb. 93b. Wenn etwa durch Reibung mit dem Pinsel Pt der Belag B1 positiv elektrisch geworden ist, so kommt er mit dieser Ladung nacheinander in die Stellungen ß 2 und B3. Bei der Stellung Bz steht ihm der Belag A1 gegenüber, der über den Pinsel 1 \ mit der Erde verbunden ist, so daß er eine negative Influenzladung erhält. Diese Ladung behält der Belag Al bei, wenn er infolge der Drehung nach A2 und A3 kommt. In der Stellung A3 influenziert der negativ geladene Belag _13 auf dem ihm jetzt gegenüberstehenden Belag Bl eine positive Influenzladung. Dieser Vorgang wiederholt sich fortgesetzt, wobei allmählich eine Vergrößerung der Ladungen auf den Belägen erfolgt. Bei fortlaufender Drehung kommen alle positiv geladenen Belege B zur Saugvorrichtung iS\ und die negativ geladenen Belege A zur Saugvorrichtung #2 und geben dort ihre Ladungen an die Konduktorkugeln K t und Ä'2 ab. Auf der unteren Hälfte der Abb. 93 b spielen sich die gleichen Vorgänge ab, nur mit dem Unterschied, daß die an P\ vorbeilaufenden Belege A positiv und die an P\ vorbeilaufenden Belege B negativ aufgeladen werden. Die mit solchen Maschinen erzielten elektrischen Spannungen steigen mit dem Scheibendurchmesser. Mit modernen Maschinen lassen sich Spannungen bis zu 150 Kilovolt (KV) erzielen. Die abgebbare Elektrizitätsmenge pro Sekunde läßt sich durch Anbringung mehrerer Scheibenpaare auf derselben Achse steigern. Man kann so ohne Schwierigkeiten mehrere 10~3 Coulomb/sec erreichen, wobei der theoretisch erreichbare Wirkungsgrad 50% beträgt. Als Vorteil hat es sich ferner erwiesen, die in Abb. 92 außen auf die Hartgunimischeiben aufgeklebten Metallbelege in das Innere der Scheiben einzubetten, so daß nur kleine Metallknöpfe nach außen führen (H. W o m m e l s d o r f ) . Recht anschaulich läßt sich der Vorgang der fortdauernden Elektrizitätserregung durch Influenz an der von W. T h o m s o n angegebenen W a s s e r i n f l u e n z m a s c h i n e erkennen, die in Abb. 94a abgebildet ist; Abb. 94b zeigt einen Schnitt durch den wirksamen Teil. Aus zwei Düsen L)1 und D2 fließen zwei Wasserstrahlen so aus, daß sie in den beiden Metallzylindern A und B in Tropfen zerfallen. Ist nun A schwach positiv geladen, so werden die Wassertropfen in A durch Influenz negativ geladen. Ihre Ladungen geben sie beim Einfallen in das mit einem

70

I. Kapitel. Elektrostatik

Trichter versehene Gefäß B' ab, aus dem sie selbst unelektrisch herauskommen. Mit B' ist der Zylinder B verbunden. Dadurch wird dieser negativ geladen und die sich in ihm bildenden Tropfen erhalten eine positive Influenzladung, die sie an das Auffanggefäß Ä abgeben, das seinerseits wieder mit A verbunden ist. Dadurch wird die anfänglich auf A vorhandene positive Ladung weiter verstärkt, und dieser Vorgang geht so ^ weiter, bis ein Endzustand erreicht ist, der im K / s2 */ • \ wesentlichen dadurch gegeben ist, daß die ge( JL Wp \ / 1 ladenen Tropfen infolge einer elektrostatischen Abstoßung durch den Auffangbehälter zur Seite geschleudert werden und ihre Ladung nicht mehr an die Behälter A' und B'' abgeben können. Eine praktische Bedeutung kommt dieser Wasserinfluenzmaschine nicht zu.

Abb. 95. Schnitt durch einen elektrostatischen Bandgenerator a) mit Fremderregung, b) mit Selbsterregung

Die größten Spannungen bis zu 10 Millionen Volt lassen sich mit den erst in den letzten Jahren gebauten e l e k t r o s t a t i s c h e n B a n d g e n e r a t o r e n erreichen. Bei diesen geschieht die Aufladung metallischer Hohlräume in der Weise, daß mittels eines Transportbandes aus Gummi oder Seide elektrische Ladungen fortlaufend in das Innere des Hohlraumes transportiert werden, wo sie sofort auf die Oberfläche abfließen, so daß das Band ungeladen den Raum wieder verläßt. Abb. 95 a Abb. 96. Elektrostatischer Bandgenerator zeigt einen Längsschnitt durch eine zuerst von nach v a n de Graaf van den Graaf (1933) angegebene Ausfüllung Verlag F r . Vieweg u. Sohn, Braunschweig 1943) eines solchen Bandgenerators. Ein etwa 1 m (Aus Heisenberg, Physik der Atomkerne) breites und mehrere Meter langes, endloses Gummiband B läuft über zwei Walzen Wx und W2. Die Walze Wlt die von einem Motor angetrieben wird, befindet sich dicht über dem Boden, während W2 im Inneren einer großen isoliert aufgestellten Hohlkugel K untergebracht ist. Von einer Hilfsspannungsquelle G (etwa einer großen Influenzmaschine) werden fortlaufend elektrische Ladungen auf das Band durch einen Spitzenkamm S x aufgesprüht. Diese Ladungen gelangen, wenn das Band rotiert, in das Innere der Kugel K, werden dort von den Spitzen S2 abgesaugt und verteilen sich auf der Kugeloberfläche. Das Transportband verläßt also ungeladen wieder die Kugel. Auf diese Weise ist es möglich, durch fortwährendes Hinzuführen neuer Ladungen die Elektrizitätsmenge auf der Oberfläche der Kugel zu steigern, daß zwischen Kugel und Erde sehr hohe Spannungen auftreten. Abb. 96 zeigt eine derartige Anlage mit zwei nebeneinander aufgestellten Bändgeneratoren, deren Kugeln gegeneinander eine maximale Spannung von 5,1 Millionen Volt haben.

16. Piezo- und Pyroelektrizität

71

Derartige Bandgeneratoren lassen sich auch mit einer elektrischen Selbsterregung ausgestalten (Abb. 95 b). Zu diesem Zweck wird die obere Walze W2 nicht aus Metall, sondern aus einem Isolierstoff (Glas oder Zelluloid) hergestellt. Durch Berührung des Gummibandes mit dieser sog. „Erregerrolle" und nachträgliche Trennung von derselben tritt Reibungselektrizität auf (Band negativ, Rolle positiv). Die Hohlkugel lädt sich dadurch im Sinne der Rolle auf (in Abb. 95b z.B. positiv). Das Band läuft mit der entgegengesetzten negativen Ladung abwärts und influenziert auf dem aufwärts laufenden Band eine positive Ladung, indem negative Elektrizität über den Spitzenkamm zur Erde weggedrückt wird. Die negative Ladung des abwärtslaufenden Bandes fließt durch die metallene Spannrolle W s zur Erde ab. Auf diese Weise bringt das aufwärtslaufende Band fortlaufend positive Ladung in die Kugel K. 16. Piezo- und Pyroelektrizität Neben der Erzeugung der Elektrizität durch sog. Reibung, Influenz und Polarisation besprechen wir in der vorliegenden Nummer noch zwei andere Möglichkeiten, die von grundsätzlicher theoretischer, teilweise auch praktischer Bedeutung sind. Im Jahre 1880 entdeckten die Gebrüder Curie, daß bei \z gewissen Kristallen bei Druck oder Dehnung in bestimmten Richtungen auf bestimmten Kristallflächen positive und negative elektrische Ladungen auftreten. Diese Erscheinung wird „piezoelektrischer Effekt" genannt. Die Versuche zeigen, daß sich bei Vertauschung von Kompression und Dilatation das Vorzeichen der Ladungen ändert, daß ferner ihre Größe der mechanischen Belastung genau proportional ist und bei ge*X 3 gebener Gesamtbelastung nicht von den Dimensionen des Kristalles abhängt, d. h. die Länge des Kristalles in Richtung der mechanischen Beanspruchung hat keinen Einfluß auf die Größe der freiwerdenden Ladung; wird z. B. bei gleicher Gesamtbelastung der Kristallquerschnitt halbiert, so tritt infolge des doppelten Druckes auf die Flächeneinheit die doppelte Ladungsdichte und somit die gleiche Gesamtladung auf. Der piezoelektrische Effekt wurde zunächst bei den Kristallen Turmalin, Quarz, Zinkblende Natriumchlorat, Weinsäure, Rohrzucker, Seignettesalz gefunden; doch tritt er nacli neueren Untersuchungen auch noch bei vielen anderen Kristallen aus den verschiedensten Kristallklassen auf; er ist also nicht an Abb. 97. Kristallfornfdes Quarzes eine bestimmte Kristallklasse gebunden. Das gemeinsame Kennzeichen, das alle bisher als piezoelektrisch erkannten Kristalle besitzen, ist das Vorhandensein einer oder mehrerer „polarer" Achsen bzw. polarer Richtungen (Bd. I, S. 413) oder das Fehlen eines Symmetriezentrums. Unter einer polaren Achse versteht man in der Kristallographie eine solche, bei der vorderes und hinteres Ende nicht gleichwertig, also nicht miteinander vertauschbar sind, mit anderen Worten: Eine 180°-Drehung um eine zur polaren senkrechte Achse bringt den betreffenden Kristall nicht mit der Ausgangsstellung zur Deckung. Dies soll am Quarz veranschaulicht werden, dessen typische Kristallform in Abb. 97 wiedergegeben ist. Bei diesem dem trigonalen System angehörenden Kristall haben wir drei zweizählige polare Achsen, die mit X 1; X2, X 3 bezeichnet sind. Diese Achsen verbinden jeweils zwei gegenüberliegende Kanten des sechsseitigen Prismas, jedoch sind die einander gegenüberliegenden Kanten nicht gleichwertig. Dies erkennt man daran, daß an einer der Kanten die kleinen mit a und b bezeichneten Flächen anliegen, die bei der gegenüberliegenden Kante fehlen. Die vierte, beim Quarz vorhandene sog. kristallographische Hauptachse (in Abb. 97 mit Z bezeichnet) ist dreizählig und nicht polar; denn eine 180°-Drehung um eine der drei X-Achsen bringt den Kristall mit seiner Ausgangsstellung wieder zur Deckung. Da die

72

I. Kapitel. Elektrostatik

Z-Achse auch in optischer Beziehung eine Symmetrieachse darstellt, wird sie vielfach als optische Achse bezeichnet. Die polaren Achsen lassen sich nicht nur aus der äußeren Tracht des Kristalles erkennen; auch in physikalischer und chemischer Beziehung ist vorderes und hinteres Ende einer polaren Achse ganz verschieden. So sind z. B . die Ätzfiguren und die Geschwindigkeit des Ätzvorganges an den beiden Enden einer polaren Achse verschieden. Auch die Piezoelektrizität ist in diesem Sinne ein Kennzeichen dafür, daß der betreffende Kristall polare Achsen besitzt. E s treten stets bei einer m e c h a n i s c h e n B e a n s p r u c h u n g ( z . B . D r u c k oder D e h n u n g ) des K r i s t a l l e s an den E n d e n e i n e r p o l a r e n A c h s e b z w . a u f den z u r p o l a r e n

X\

Abb. 98. Erzeugung von Piezoelektrizität beim Quarz durch Druck

Abb. 99. Turmalinkristall

Achse senkrechten Flächen entgegengesetzt gleiche e l e k t r i s c h e L a d u n g e n a u f . Dabei ist nicht unbedingt notwendig, daß die mechanische Beanspruchung direkt in Richtung der polaren Achse erfolgt, sondern es genügt, wenn eine Abb. 100. Schnittlagen von Druck- oder Dehnungskomponente in Richtung dieser Achse Piezoquarzplatten vorhanden ist. Experimentell läßt sich bei einem Quarzkristall das Auftreten der Ladungen dadurch zeigen, daß man den Kristall entsprechend Abb. 98 zwischen den Backen B1 und Z>2 eines Schraubstockes oder einer Schraubzwinge in Richtung einer polaren Achse drückt; damit die an den gedrückten Kanten auftretenden Ladungen nicht über die Backen des Schraubstockes abfließen, legt man zur Isolation dünne Hartgummischeiben H 1 und H 2 dazwischen. Die bei Druck an den Kanten des Kristalls auftretenden Ladungen haben die in Abb. 98 angedeuteten Vorzeichen; sie lassen sich bequem durch eine Bestäubung des Kristalls mit einem Gemisch von Mennige und Schwefelpulver nachweisen. Der bei der Zerstäubung negativ gewordene Schwefel sammelt sich an den positiven, das positiv gewordene Mennigepulver an den negativen Stellen auf dem Kristall an. Befestigt man an den Kristallkanten schmale Stanniolelektroden und verbindet man jeweils gegenüberliegende mit einem empfindlichen Elektrometer (Ein- oder Zweifadenelektrometer), so lassen sich die piezoelektrischen Ladungen auch quantitativ nachweisen. In Abb. 99 ist die typische Form eines Turmalinkristalles gezeichnet. Dieser ebenfalls dem trigonalen System angehörende Kristall hat nur eine polare Achse X , die mit der kristallographischen Hauptachse (optischen Achse) in der Längsrichtung des Kristalls zusammenfällt. Bei Druck oder Dehnung in dieser Richtung werden demnach die beiden Kristallenden positiv bzw. negativ elektrisch. Da bei Druck oder Dehnung die maximalen elektrischen Ladungen stets an den Enden einer polaren Achse auftreten, schneidet man die zu piezoelektrischen Versuchen benutzten Platten und Stäbe so aus dem betreffenden Kristall heraus, daß ein Flächenpaar senkrecht zu einer polaren Achse, die man häufig auch e l e k t r i s c h e oder P i e z o a c h s e nennt, verläuft. F ü r den Fall des Quarzes ist in Abb. 100 die Schnittlage für eine rechteckige und eine runde Platte angegeben.

16. Piezo- und Pyroelektrizität

73

Für einen Quarzstab oder eine rechteckige Quarzplatte, deren Dicke d entsprechend Abb. 100 in Richtung der elektrischen Achse, deren Breite b in Richtung der optischen Z-Achse und deren Länge l in Richtung der dritten Koordinate Y verläuft, können wir folgende piezoelektrischen Teileffekte unterscheiden, deren Zustandekommen wir weiter unten noch näher erklären werden. 1. K o m p r e s s i o n in R i c h t u n g der X - A c h s e l ä d t die b e i d e n n o r m a l zur X - A c h s e l i e g e n d e n F l ä c h e n b . l p o s i t i v bzw. n e g a t i v auf (longitudinaler, direkter piezoelektrischer Effekt). 2. D i l a t a t i o n in R i c h t u n g der Y - A c h s e l ä d t die b e i d e n n o r m a l z u r X - A c h s e l i e g e n d e n F l ä c h e n b . l in g l e i c h e r Weise p o s i t i v bzw. n e g a t i v auf (transversaler, direkter piezoelektrischer Effekt). 3. D i l a t a t i o n im F a l l e 1 u n d K o m p r e s s i o n im F a l l e 2 b e w i r k e n eine U m k e h r u n g der V o r z e i c h e n d e r e l e k t r i s c h e n L a d u n g e n auf d e n F l ä c h e n b . l . 4. D r u c k o d e r D e h n u n g in R i c h t u n g d e r Z - A c h s e e r g i b t k e i n e n p i e z o e l e k trischen E f f e k t . Die bei gegebener Kompression oder Dilatation frei werdende Elektrizitätsmenge läßt sich berechnen. Hierzu ist die Kenntnis der sog. p i e z o e l e k t r i s c h e n M o d u l n des betreffenden Kristalles notwendig. Ohne im einzelnen auf die mathematische Ableitung einzugehen, sei nur angegeben, daß beim Quarz im Falle des longitudinalen Effektes bei einer Gesamtkraft P in Richtung einer X-Achse auf der Oberfläche b - l die Ladung q = — d u P frei wird, wobei (der in diesem Fall in Betracht kommende piezoelektrische Modul) den Wert — 6,36 • 10-* cm'/i g-1/« sec hat; es wird demnach bei 2 2 einem Druck von 1 k p / c m « 10' dyn/cm die Elektrizitätsmenge 0,063 elektrostatische Einheiten frei. Schließt man also an die auf den Flächen 6 • 2 angebrachten Elektroden ein Elektrometer an, dessen Kapazität C einschließlich des angeschlossenen Quarzstückes etwa 10 cm beträgt, so wird das Elektrometer eine Spannung von V =

0,063 g1!, em'U s e e - 1 = = 6,3 • 10- 3 6g'/. cm'/, sec- 1 , C 10 cm q

d . h . von 6,3 • 10- 3 elektrostatischen Potentialeinheiten oder 300 • 6,3 • 10-® Volt — 1,9 Volt anzeigen. Für Turmalin ergibt sich unter den gleichen Bedingungen bei einem Druck von 1 kp/cm 2 in Richtung der piezoelektrischen Achse (wirksamer piezoelektrischer Modul d 3 3 — 5,78 • 10~ 8 g-*/« cm1/« sec) eine Spannung von 1,67 Volt. Während im vorliegenden Falle des longitudinalen piezoelektrischen Effektes die frei werdende Elektrizitätsmenge von den Abmessungen des Kristalles unabhängig ist, worauf wir bereits oben hinwiesen, ist dies beim transversalen Effekt nicht der Fall. Hier liefert die theoretische Berechnung bei Quarz für die durch den Druck P in Richtung der Y-Achse auf der Fläche b • l erzeugte Ladung den Wert q = d l t P l j d , wobei d l 2 = d n ist. Drückt man demnach einen Quarzstab mit den Abmessungen l = 5 cm, d — cm und 6 = 1 cm in der Y-Richtung (Längsrichtung) mit einem Druck von 1 kp/cm 2 , so wird die 10-fache Elektrizitätsmenge wie im Fall des oben besprochenen longitudinalen Effektes frei.

Der piezoelektrische Effekt wird u. a. in der Technik dazu benutzt, Drucke elektrisch zu messen, z. B. in den Zylindern von Explosionsmotoren oder im Lauf eines feuernden Geschützes. Wie viele Erscheinungen in der Physik, ist der direkte piezoelektrische Effekt umkehrbar; dieser reziproke piezoelektrische Effekt wurde von 0 . L i p p m a n n (1881) auf Grund thermodynamischer Überlegungen vorausgesagt und kurz darauf von den Gebr. C u r i e am Quarz entdeckt. Wird ein piezoelektrischer Kristall so in ein elektrisches Kraftfeld gebracht, daß die elektrische Feldrichtung in der Richtung einer piezoelektrischen polaren Achse fällt, so wird der Kristall in bestimmten Richtungen komprimiert bzw. diktiert. E i n e D i l a t a t i o n in R i c h t u n g e i n e r e l e k t r i s c h e n A c h s e t r i t t z. B. d a n n a u f , w e n n auf die E l e k t r o d e n auf den F l ä c h e n s e n k r e c h t z u r e l e k t r i s c h e n Achse die g l e i c h e n E l e k t r i z i t ä t s m e n g e n geb r a c h t w e r d e n , die b e i m d i r e k t e n p i e z o e l e k t r i s c h e n E f f e k t d u r c h K o m p r e s s i o n in R i c h t u n g der b e t r e f f e n d e n e l e k t r i s c h e n A c h s e e n t s t e h e n . Auch hier unterscheidet man zwei Teileffekte, die wir au dem Quarzstab mit der oben angegebenen Orientierung folgendermaßen beschreiben können: 1. P o s i t i v e L a d u n g auf der F l ä c h e b . l u n d n e g a t i v e L a d u n g auf der g e g e n ü b e r l i e g e n d e n F l ä c h e d i l a t i e r e n den K r i s t a l l in R i c h t u n g der X - A c h s e (longitudinaler reziproker piezoelektrischer Effekt).

74

I. Kapitel. Elektrostatik

2. P o s i t i v e L a d u n g a u f d e r F l ä c h e l . l u n d n e g a t i v e L a d u n g a u f d e r g e g e n ü b e r l i e g e n d e n F l ä c h e k o m p r i m i e r e n den S t a b in d e r R i c h t u n g d e r Y - A c h s e (transversaler reziproker piezoelektrischer Effekt). 3. U m k e h r u n g d e r V o r z e i c h e n d e r L a d u n g e n a u f den g e n a n n t e n F l ä c h e n b e w i r k t im F a l l e 1 b z w . 2 ein Ü b e r g e h e n d e r D i l a t a t i o n in e i n e K o m p r e s s i o n u n d umgekehrt. Die Größe 8 der Dilatation bzw. Kompression bei Anlegung einer Potentialdifferenz V an die gegenüberliegenden Flächen läßt sich ebenfalls berechnen. Für den longitudinalen Effekt gilt beim Quarz die Beziehung 8 = wenn ®}jv das magnetische Moment der Nadel bedeutet. Unter dem Einfluß des Feldes ijj erfährt die Nadel anderseits das Drehmoment D = 7/sina. Die Nadel befindet sich im Gleichgewicht, wenn D = D' ist, d.h. die Beziehung 2 Ms Mn cos a = Mf,- H sin S" zum Nordpol N' hat,

108

II. Kapitel. Magnetostatik

kann man sagen, daß im vorliegenden Falle ein magnetisches Moment induziert wird, das dem induzierenden Felde gleichgerichtet ist. Diese Versuche lassen sich in gleicher Weise auch mit Nickel, Kobalt sowie Legierungen von Fe, Ni, Co mit Mn, AI, Cr und Si anstellen, schließlich auch noch mit den sog. H e u s l e r s c h e n L e g i e r u n g e n ( F r . H e u s l e r , 1903), die aus Cu, Mn, AI bestehen. Wegen ihres dem Eisen ähnlichen Verhaltens bezeichnet man diese Stoffe kurz als ferromagnetisch; wir benutzen schon hier diesen Ausdruck, obwohl wir eine genaue Festlegung der Eigenschaften der Ferromagnetica erst weiter unten geben können. Es liegt auf der Hand, daß das Verhalten ferromagnetischer Stoffe in einem Magnetfelde völlig analog dem Verhalten dielektrischer Stoffe ist, die in ein elektrisches Feld gebracht werden: letztere werden, wie wir wissen, e l e k t r i s c h , jene m a g n e t i s c h p o l a r i s i e r t . Übrigens ist diese Erscheinung nicht auf die ferromagnetischen Stoffe beschränkt, vielmehr hat F a r a d a y gezeigt, daß in sehr starken Feldern, wie sie nur mit Hilfe elektrischer Ströme hergestellt werden können (s. S. 200), alle Stoffe magnetische Eigenschaften zeigen, d.h. polarisierbar sind. Zum Nachweis dieser Polarisierbarkeit bringt man die zu untersuchenden Stoffe in Gestalt eines kleinen an einem dünnen Faden aufgehängten waagerechten Stäbchens so N in ein inhomogenes Feld zwischen die spitzen Pole eines starken Elektromagneten, daß das Stäbchen einen Winkel Abb. 150. Probestäbchen zwischen von 45° mit der Verbindungslinie der beiden Pole bildet Magnetpolen (Abb. 150, von oben gesehen). Bei einer Anzahl von Stoffen, z. B . Mn, Cr, Sn, AI, Pd, P t usw. stellt sich das Stäbchen a x i a l , d. h. in Kichtung der Verbindungslinie der beiden Magnetpole — genau wie ein Dielektrikum mit größerer D. K . als die Umgebung es in einem elektrischen Felde tut (vgl. S. 52). Stoffe mit diesem Verhalten nennt man nach F a r a d a y p a r a m a g n e t i s c h e . Sie verhalten sich qualitativ wie die Ferromagnetica, nur quantitativ sehr viel schwächer, aber das induzierte magnetische Moment ist auch hier mit dem erzeugenden Felde gleichgerichtet. I m Gegensatz dazu stellen sich andere Stoffe, z. B . Bi, Sb, Zn, Pb, Cu, Ag, Au ä q u a t o r i a l , d. h. senkrecht zur Verbindungslinie der beiden Magnetpole; diese Stoffe heißen nach F a r a d a y diamagnetisch; bei ihnen ist das induzierte magnetische Moment gerade umgekehrt wie das Feld gerichtet. Analoge Versuche kennen wir auch in der E l e k t r o s t a t i k : denn ein dielektrisches Stäbchen, das in ein Dielektrikum mit höherer D. K . eingebettet ist, stellt sich in einem elektrischen Felde gleichfalls äquatorial; man vergleiche z. B . die Abb. 75 auf S. 52. Bringt man eine kleine Kugel aus paramagnetischem Material in ein inhomogenes Feld, z. B . dicht vor einen spitzen Magnetpol, so wird sie — genau wie eine ferromagnetische Kugel — nach den Stellen höherer Feldstärke hingetrieben, d. h. von dem Pol angeAbb. 151. Anziehung einer zogen (Abb. 1 5 1 a ) ; auch hier ist das induzierte Moment dem priparamagnetischen (a) und Abstoßung einer diamamären Felde gleichgerichtet. Eine diamagnetische Kugel, z. B . aus gnetischen (b) Kugel im Wismut, wird dagegen von dem Pol abgestoßen, da hier das inhomogenen Fild eines induzierte Moment dem primären Felde entgegengerichtet ist Magnetpoles (Abb. 151b). Zur Prüfung des para- oder diamagnetischen Verhaltens von Flüssigkeiten füllt man diese entweder in ein feines Glasröhrchen, das man entsprechend Abb. 150 zwischen die Pole eines starken Magneten hängt 1 ), oder man bringt die Flüssigkeiten in einem flachen Uhrschälchen auf die einander genäherten Pole eines Magneten. Dann nimmt die freie Oberfläche einer paramagnetischen Flüssigkeit (z.B. Eisenchloridlösung) die in Abb. 152a, eine diamagnetische (z. B . Wasser) dagegen 1 ) Natürlich beobachtet man hier die Überlagerung zweier Effekte, der magnetischen Wirkung auf das Glasröhrchen und auf seine Füllung; die Wirkung des Glases muß daher besonders bestimmt und eliminiert werden.

109

24. Einfluß der Materie auf die magnetischen Erscheinungen

die in Abb. 152 b angegebene Gestalt an. Die Erscheinung beruht darauf, daß sich die freie Flüssigkeitsoberfläche an jeder Stelle stets senkrecht zur resultierenden Kraft einstellen muß, die sich hier aus Schwerkraft und magnetischer Feldstärke (evtl. auch Oberflächenspannung) zusammensetzt. Flüssige Luft, die sehr sauerstoffreich ist, noch besser flüssiger Sauerstoff, ist relativ stark paramagnetisch. Diese kann man direkt zwischen die sehr genäherten Pole eines starken Magneten gießen: Die Flüs. sigkeit wird dann zwischen den Polen festgehalten und bildet eine Brücke j yy ^ I zwischen ihnen (Abb. 153). Eine Me- I a) thode, die relativ b e q u e m erlaubt, . . . , Abb. 152. die S t a r k e der p a r a - bzw. d i a m a g n e tischen Polarisierbarkeit v o n F l ü s s i g -

_ ... . . . . . . . . ., Paramagnetische und diamagnetische Flüssigkeit inhomogenen Magnetfeld

keiten quantitativ zu bestimmen, hat G. Q u i n c k e (1885) angegeben. Bringt man den einen (kapillaren) Schenkel eines mit der zu untersuchenden Flüssigkeit gefüllten U-Rohres zwischen die Pole eines Elektromagneten (Abb. 154), so wird die Flüssigkeit bei vorhandenem Paramagne-

Abb. 153. Zum Nachweis des paramagnetischen Verhaltens von flüssiger L u f t ; Elektromagnet in Schattenprojektion ohne (a) u,nd mit (b) flüssiger Luft zwischen den Polen

tismus (z. B. Eisenchloridlösung) ins Feld hineingezogen, bei Diamagnetismus (z. B. Wasser) aus demselben herausgestoßen. Die sich so einstellende Niveaudifferenz h zwischen beiden Rohrschenkeln ist um so größer, je größer die Polarisierbarkeit der Flüssigkeit ist. Auf die Theorie dieser Methode gehen wir weiter unten ein (s. S. 120). Das magnetische Verhalten vonGasen kann man untersuchen, indem man sie in einer Seifenblase1) in ein Magnetfeld bringt. Daß, wie F a r a d a y zuerst gezeigt hat, eine zwischen die Pole eines ElektromagnepN^F^^^I ten gebrachte Kerzenflamme bei Erregung des Feldes f I nach beiden Seiten aus ihm herausgeblasen wird (Abb. 155), • f c ] I hat nach G e r l a c h und ^ ^ B iJtU L e h r e r (1926) seine Ur- H B "fMst sache nicht nur in dem F^W f II 11— S '"* A

N

Diamagnetismus der Flammengase, sondern beruht z. T. auch auf der bilität der paramagnetischen Luft mit der Temperatur.

Abb. 154. Quinckesche Steighöhenmethode v)

M M

, I I j ^ J » V _

j ~

Abb. 155. Kerzenflamme zwischen den Polen eines Elektromagneten a : Magnet ausgeschaltet b: Magnet eingeschaltet

Hier gilt mutatis mutandis dasselbe, wie in Anmerkung 1, S. 108.

HO

II. Kapitel. Magnetostatik

schriebenen Versuche und dargelegten Tatsachen beweisen, daß es sich bei der magnetischen Influenz um den analogen Vorgang handelt, wie bei der Polarisation der Dielektrika. Diese letztere ist aber, wie aus Nr. 13 hervorgeht, nur ein anderer Ausdruck dafür, daß das betreffende Medium in elektrischer Hinsicht durch eine von dem Vakuumwert 1 abweichende D. K. e charakterisiert ist, der zufolge die Kräfte zwischen zwei Ladungen auf den eten Teil — verglichen mit dergleichen Anordnung im Vakuum — reduziert werden. Demgemäß wird man nicht fehlgehen, wenn man die Stoffe in magnetischer Hinsicht ebenfalls durch eine Körperkonstante — wir wollen sie mit fi bezeichnen — charakterisiert, die fürs Vakuum den Wert 1 annimmt. An Stelle des Coulombschen Gesetzes im Vakuum, wie es in Gl. (74a) auf S. 94 formuliert ist, hat demgemäß in einem beliebigen Medium das folgende zu treten: K 12 =.- 1 P l p 2 . y- r i2 :

(90)

Dieses erweiterte Coulomhsche Gesetz läßt sich freilich durch direkte Messungen der Kräfte zwischen zwei Polen in verschiedenen gasförmigen oder flüssigen Medien — feste scheiden der Natur der Sache nach ohnehin aus — kaum bestätigen, da die Größe ¡x in diesen immer nur wenig von 1 abweicht, wie andere Messungen ergeben haben. Dennoch dürfen wir diese Formel als gültig annehmen, weil alle Folgerungen aus derselben sich stets bewährt haben. Die Konstante ¡i heißt die Magnetisierungskonstante, oder, nach einem Vorschlag von L o r d K e l v i n , meistens Permeabilität ; sie ist, wie die D. K. im elektrostatischen, im magnetischen Maßsystem dimensionslos. Wir lassen zunächst eine Tabelle der Werte von /1 (2. Spalte) folgen, die nach später zu besprechenden Methoden gemessen sind. Dabei zeigt sich insofern ein Unterschied gegen die D. K. e, als hier bei den diamagnetisehen Stoffen fi < 1 wird. Das ist eine Folge der Tatsache, daß diamagnetische Stoffe im Magnetfeld die umgekehrte Polarität wie paramagnetische zeigen, und wir wissen aus der Elektrostatik, daß auch dort umgekehrte Polarität eines Dielektrikums dann auftritt, wenn das umgebende Medium eine größere D. K. besitzt. Da dem Vakuum der Wert /t = 1 zukommt, folgt also in der Tat, daß für die Diamagnética /t < 1 sein muß. In dieser Tabelle fehlen gerade die wichtigsten Stoffe, die Ferromagnetica. Das hat seinen Grund darin, daß man bei ihnen nicht schlechtweg von einer bestimmten Permeabilität reden kann, da diese hier eine Funktion der Feldstärke § ist. Man kann aber etwa die A n f a n g s p e r m e a b i l i t ä t fi 0 , d.h. den Grenzwert angeben, dem [i für >• 0 zustrebt. Oder man kann den Maximalwert ¡Jimax angeben, der bei einer gewissen Feldstärke eintritt. Dabei ist aber noch eine Einschränkung zu machen: /.i ist im allgemeinen nicht einmal eine eindeutige Funktion von sondern von der Vorbehandlung abhängig; wenn man mit der Feldstärke vom Werte 0 an steigt, bis magnetische Sättigung erreicht ist, und dann wieder § — 0 werden läßt, so sind die fi-Werte, die man jetzt für die gleichen Feldstärken beim „Abstieg" erhält, andere, wie sie beim „Aufstieg" waren; die /¿-Werte bleiben hinter ihren früheren Werten zurück, „verspäten" sich gewissermaßen, weswegen diese Erscheinung als Hysteresis bezeichnet wird; nur bei ideal magnetisch weichem Material ist Hysteresis nicht vorhanden und kann u als eindeutige Funktion von $ betrachtet werden. Man muß also, wenn man jj 0 und (i max angeben will, noch die Einschränkung hinzufügen, daß diese Werte vom völlig unmagnetischen Zustande des Materials aus gewonnen wurden, auf der sog. j u n g f r ä u l i c h e n oder N e u k u r v e . Stoff Chrom Palladium Platin Wolfram Aluminium Kalium Zinn

Ml + 324-10-6 754 270 71 20 5 2

x-10« + 26 60 21,4 5,73 1,66 0,45 0,19

Xm • 10 6 + 3,7 5,2 1,0 0,30 . 0,62 0,52 0,026

24. Einfluß der Materie auf die magnetischen Erscheinungen

Stoff

x • IO6

fi 6

Sauerstoff, gasförmig Sauerstoff, flüssig Sauerstoff, fest Stickoxvd Luft

1 -1-

Eisenchlorid, fest Eisenchlorid, ges. Lösung . . . . Nickelchlorid, fest Nickelchlorid, ges. Lösung . . .

1 - 3758•IO-5 1470 1973 709

-i 299 117 157 56,40

Wismut 1 ) Antimon Quecksilber Gold Silber Zink Kupfer

1 -

168-IO-6 116 33 29 25 13 10

13,43 9,2 2,6 2,3 2,0 1,0 0,80

.'Ühvlalkohol Wasser Benzol

1 -

8-10-ß 9 8

— 0,63 0,72 0,63

Co2, gasförmig H 2 , gasförmig H s , flüssig

1,9-IO3400 6000 0,83 0,37

111

— 1,0-10-8 2,3 • IO- 9 1,8-10-«

f



0,15 274 522 0,66 0,03

Xrn ' 10® -i- 104 241 ( -- 1 8 3 ° C) 375 ( - - 253° Cj 49 24 + 103 73 45,57 40 —1,37 l,38 1 i 0,19 0,12 0,19 0,14 0,09 0,80 0,72 0,71

0,00083 0,00018 0,14

0,71 2,002 1,99

Senkrecht zur Hauptachse.

In diesem Sinne sind die folgenden Werte für relativ weiche Ferromagnetica zu verstehen; auf die hysteretischen Erscheinungen, die für die Praxis von großer Wichtigkeit sind, gehen wir auf S. 206 ein. Ferromagneticum

Eisen Nickel Kobalt Heuslersche LegierungPermallov ¡¿-Metall Hipernik

Zusammensetzung in Gewichtsprozenten 96 Fe, 4 Si 99,15 Ni, 0,7 Mn 96 Co, 1,4 C, 0,8 Ni, 0,25 Mn, 0,9 Fe, 0,4 Si 75,6 Cu, 14,2 Mn. 10,1 AI 78,5 Ni, 21,5 Fe 76 Ni, 17 Fe, 5 Cu, 2 Cr 50 Ni, 50 Fe

f*o

f^max

400 400

8 000 1 120

84

175

48 10 000

80 100 000

12 000 5 000

45 000 56 000

Aus den Zahlen der 2. Spalte der vorletzten Tabelle geht deutlich hervor, wie gering die Abweichung der Permeabilität bei den para- und diamagnetischen Stoffen vom Vakuumwert 1 ist: in nicht allzu starken Feldern kann sie völlig vernachlässigt werden. Die Werte sind für paramagnetische Stoffe merklich größer als für die diamagnetischen. Außerordentlich groß sind die //-Werte für die ferromagnetischen Stoffe, wie die Spalten 3 und 4 der letzten Tabelle erkennen lassen. Eine besondere Bemerkung ist noch über den D i a m a g n e t i s m u s zu machen (¡x < 1). D i e s e r ist, wie wir erst später begründen können, e i n e g a n z a l l g e m e i n e E i g e n s c h a f t a l l e r S t o f f e , a u c h d e r b e i e i n e r M e s s u n g als p a r a m a g n e t i s c h o d e r a u c h f e r r o m a g n e t i s c h sich e r w e i s e n d e n ; worauf er beruht, können wir erst im Kapitel V erörtern, wenn wir

112

II. Kapitel. Magnetostatik

die I n d u k t i o n s e r s c h e i n u n g e n k e n n e n g e l e r n t h a b e n . D a ß m a n diamagnetisches Verhalten bei p a r a u n d f e r r o m a g n e t i s c h e n Stoffen nicht b e m e r k t , liegt d a r a n , d a ß nach der Tabelle auf S. 111 der diamagnetische E f f e k t sehr klein i s t ; er wird d a h e r von d e m stärkeren P a r a - bzw. F e r r o m a g n e t i s mus verdeckt. W i r k e h r e n z u m erweiterten Coulombschen Gesetz (90) zurück. Aus i h m ergibt sich, d a ß die F e l d s t ä r k e eines p u n k t f ö r m i g e n Magnetpoles p in einem Medium v o n der P e r m e a b i l i t ä t ¡x — verglichen m i t i h r e m W e r t im V a k u u m — auf den / / t e n Teil z u r ü c k g e h t , also den B e t r a g h a t : 1

p

(91)

II *TS II = JJ~ ebenso h a t m a n f ü r das P o t e n t i a l V j e t z t den W e r t :

(92)

V =

" if b T

1 p - - • tx r

E n t s p r e c h e n d e s gilt n a t ü r l i c h f ü r das P o t e n t i a l m e h r e r e r p u n k t f ö r m i g e r Pole oder von f l ä c h e n h a f t verteiltem Magnetismus. Die in (91) u n d (92) angegebenen W e r t e erhält m a n also, w e n n m a n s t a t t der im V a k u u m einzusetzenden P o l s t ä r k e p den W e r t (93)

V'=~V

in R e c h n u n g s t e l l t , g e n a u so wie an Stelle der w a h r e n L a d u n g q im Dielektrikum f ü r die Berechnung der elektrischen F e l d s t ä r k e u n d des P o t e n t i a l s die freie L a d u n g q' = — q zu b e n u t z e n ist. Man e

1

n e n n t d a n n entsprechend auch p' — — p die f r e i e

Polstärke

u n d bezeichnet im Gegensatz

dazu p auch als die w a h r e P o l s t ä r k e — u n b e s c h a d e t d e r Tatsache, d a ß es w a h r e n Magnetismus g a r nicht gibt. Magnetische Induktion; Magnetisierung; Suszeptibilität. Der völlige Parallelismus in den F o r m e l n (90) bis (93) der M a g n e t o s t a t i k u n d den entsprechenden (28), (29), (30), (35) der E l e k t r o s t a t i k berechtigt uns n a t ü r l i c h , auch die weitere Begriffsbildung der M a g n e t o s t a t i k eng a n diejenige der elektrischen Verhältnisse anzuschließen. Wie wir f r ü h e r in Gl. (32) den Verschiebungsv e k t o r 2) = e i n f ü h r t e n , so bilden wir liier a n a l o g : (94)

S8 =

M ,

einen Vektor, der als magnetische Induktion bezeichnet w i r d ; © ist nach (94) in p a r a - u n d diamagnetischen Medien parallel m i t ijj gerichtet, aber von einem / / m a l größeren Betrage. I n ferromagnetisch weichen Stoffen, die p r a k t i s c h ohne Hysteresis sind, s t i m m e n die R i c h t u n g e n v o n SS und auch noch überein, aber fi ist nicht m e h r k o n s t a n t , sondern, wie schon e r w ä h n t , eine F u n k tion von H , so d a ß m a n f ü r solche Stoffe deutlicher s c h r e i b t : (94a)

SS =

fi(H)§.

In ferromagnetisch h a r t e n Stoffen, wie sie z. B. zur H e r s t e l l u n g p e r m a n e n t e r Magnete verwendet werden müssen, t r i t t an Stelle der magnetischen Zustandsgieichung (94) bzw. (94a) ein komplizierterer Z u s a m m e n h a n g , auf den wir weiter u n t e n eingehen werden. Die I n d u k t i o n © k a n n , ebenso wie d u r c h Ziehen von I n d u k t i o n s l i n i e n oder S S - L i n i e n veranschaulicht werden, die s t r e n g v o n d e n K r a f t - oder ^ - L i n i e n z u u n t e r s c h e i d e n s i n d . Die Zahl der SS-Linien w i r d so gewählt, d a ß m a n n u r so viele d u r c h eine zur SS-Richtung senkrechte F l ä c h e v o n 1 c m 2 hindurchzieht, als dem B e t r a g e B an dieser Stelle entspricht. Der E i n h e i t von B e n t s p r i c h t also eine Induktionslinie je c m 2 ; diese E i n h e i t w i r d j e t z t „ 1 G a u ß " genannt1). Früher wurde die Bezeichnung „1 Gauß" für die Einheit von § verwendet; vgl. dazu Anmerkung von S. 95. Im Zusammenhang damit steht es, daß in manchen Lehrbüchern neuerdings 35 auch als m a g n e t i s c h e F e l d s t ä r k e bezeichnet wird, und dementsprechend dieiB-Linien als Kraftlinien; der Leser muß in diesem Falle besonders achtgeben, was an der betreffenden Stelle unter Feldstärke gemeint ist, weil die in d i e s e m Buche für die ©-Linien gemachten Aussagen dort für die Kraftlinien gelten, — ein Beweis dafür, wie unzweckmäßig diese Umbenennung von SB ist.

24. Einfluß der Materie auf die magnetischen Erscheinungen

113

Die magnetische Induktion 33 spielt die gleiche Rolle wie die dielektrische Verschiebung dem dielektrischen Verschiebungsfluß J% dF tritt demgemäß hier der magnetische Induktionsfluß n

J 9 b

(95)

n

d F =

/ |

cosoidF

SS |

zur Seite. Und ebenso, wie nach Gl. (33) der Verschiebungsfluß durch eine geschlossene Fläche gleich 4jrmal der Summe der eingeschlossenen wahren Ladungen ist, so gilt das gleiche für den Induktionsfluß durch eine vollkommen geschlossene Fläche, nur mit der Besonderheit, d a ß es k e i n e w a h r e n m a g n e t i s c h e n L a d u n g e n g i b t , da sie immer paarweise in gleicher Stärke und mit entgegengesetztem Vorzeichen auftreten. Es gilt also hier allgemein für jede geschlossene Fläche: j>%n dF=-

(96)

0

Während also die ^-Linien in den wahren Ladungen q entspringen und endigen, müssen die 33-Linien in sieh zurücklaufende geschlossene Kurven sein: Die magnetische Induktion 18 hat keine Quellen, sondern nur Wirbel. D a m i t g e w i n n e n wir zum e r s t e n m a l auch eine Aussage f ü r den I n n e n r a u m des M a g n e t e n : Die Induktionslinien, die ja im para- oder diamagnetischen Außenraum praktisch (im Vakuum streng) mit den ^-Linien identisch sind, verlaufen im Inneren derartig, daß sie diese zu geschlossenen Kurven ergänzen. Dies gilt aber n i c h t , worauf wir schon jetzt aufmerksam machen, für die ^-Linien, auch wenn man den Innenraum hinzunimmt: D i e ^ - L i n i e n e n t s p r i n g e n u n d e n d i g e n in d e n Polen 1 ), wir kommen hierauf noch eingehend zurück. Den durch die D. K. e charakterisierten Einfluß des Dielektrikums führten wir in Nr. 13 auf die Polarisation desselben, d. h. auf die durch das Feld induzierten Influenzladungen zurück; dadurch wird jedes in einem elektrischen Felde befindliche Dielektrikum zu einem Aggregat von Dipolen, und das elektrische Moment pro Volumeinheit nannten wir seine Polarisation iß. Genau dem gleichen Gedankengang folgen wir hier. Wir führen die Permeabilität /1 zurück auf die in dem Magneticum induzierten Pole und nennen das erzeugte magnetische Moment pro Volumeinheit die magnetische Polarisation oder die Magnetisierung 3 . Und so wie wir in Gl. (49) zu dem Ergebnis kamen, daß = r)i, d. h. die Normalkomponente der elektrischen Polarisation gleich der induzierten elektrischen Flächendichte war, so folgt auch hier die Beziehung: (97) 3 n = Vit wenn hier die induzierte magnetische Flächendichte bedeutet. D i e N o r m a l k o m p o n e n t e d e r M a g n e t i s i e r u n g i s t g l e i c h d e r i n d u z i e r t e n m a g n e t i s c h e n F l ä c h e n d i c h t e . Daraus ergibt sich weiter in voller Analogie zu Gl. (50), wonach $ = 6 + 4 n SJ5 ist: (98)

8 = $ +

4^3,

und da anderseits nach (94) SS = fiSj} ist, folgt für den Zusammenhang zwischen Magnetisierung und Feldstärke ij} bei para- und diamagnetischen sowie weichen ferromagnetischen Medien: (99)

S

=

wobei (100)

=

4

7t

K =

e

-

i

4

7t

als die magnetische Suszeptibilität bezeichnet wird; ebenso wie [x ist x im magnetischen Maßsystem dimensionslos. Für paramagnetische Stoffe ist x > 0, für diamagnetische x < 0. Die dritte Spalte der Tabelle auf S. 110/111 gibt die*-Werte für eine Anzahl von Stoffen an. — Solange x konstant ist, d. h. für para- und diamagnetische Stoffe, folgt also aus (99), daß die durch ein Feld Jjj erzeugte Magnetisierung 3 diesem Felde proportional und entweder (für x > 0) gleichoder (für x < 0) entgegengerichtet ist, d. h. eine sehr einfache magnetische Zustandsgieichung. *) Vgl. hierzu Anmerkung 8 Experimentalphysik II

auf S. 112.

114

11. Kapitel. Magnetostatik

Für ferromagnetische Stoffe ist x, wie fi auch auf der Neukurve selbst eine Funktion für H; daher ist hier der Zusammenhang zwischen 3 und $ viel komplizierter. Gl. (99) ist daher genauer zu ersetzen durch: (99a) 3 = x (H) Auch hier ist wegen x > 0 der Vektor der Magnetisierung dem des erzeugenden Feldes gleichgerichtet. Eine analytische Darstellung des Zusammenhanges von 3 und § nach (99 a) ist wegen der Kompliziertheit der Verhältnisse nicht möglich: 3 wird statt dessen graphisch als Funktion von § dargestellt, wovon Abb. 156 ein Beispiel liefert. Man erkennt aus ihr, daß 3 zunächst stark mit $ steigt (Kurve konkav nach oben), dann allmählich langsamer (Kurve konkav nach unten;, um schließlich einem konstanten Werte zuzustreben (Kurve fast geradlinig horizontal). 3 wächst also schließlich nicht mehr mit steigendem $ ( m a g n e t i s c h e S ä t t i g u n g ) . Noch komplizierter ist das Verhalten von magn e t i s c h h a r t e n S t o f f e n , bei denen wenigstens ein Teil der Magnetisierung 3 permanent ist; man kann in diesem Falle statt (98) ansetzen: (98a) 8 = $+4jr3+4w3p, und in dem speziellen Falle i d e a l s t a r r e r M a g n e t e ist ü b e r h a u p t nur eine k o n s t a n t e , von ijj völlig u n a b h ä n g i g e p e r m a n e n t e M a g n e t i s i e r u n g v o r h a n d e n , die deshalb auch keineswegs die g l e i c h e R i c h t u n g wie $ zu haben b r a u c h t . Hierfür können wir als Zustandsgieichung ansetzen: (98b) Häufig gibt man statt x die Größe (100a)

¡8=

$+4.^3,,. Xm

= *

t>

(q = Dichte) an, die man als s p e z i f i s c h e oder M a s s e n - S u s z e p t i b i l i t ä t bezeichnet, da sie auf die Masseneinheit bezogen ist; da q die Dimension [m £ - 3 ] bzw. [g c m - 3 ] hat, wird hier %m in [cm 3 *? - 1 ] angegeben. Die vierte Spalte der Tabelle auf S. 110 enthält die spezifische Suszeptibilität für die gleichen Stoffe, für die auch ¡i und x angegeben sind; man erkennt, daß die Absolutwerte von Xm für die paramagnetischen Stoffe im allgemeinen größer sind als für die diamagnetischen. Ferner ist von Bedeutung die M o l e k u l a r - S u s z e p t i b i l i t ä t : (100b) und die A t o n i - S u s z e p t i b i l i t ä t : (100c)

%'m=MXm. /'»=A

X m

,

wo M und A die Massen eines Gramm-Moleküls bzw. Gramm-Atoms bedeuten: yjm und %"m haben daher die Dimension [i 3 ] und werden in [cm 3 ] angegeben. Temperaturabhängigkeit der Suszeptibilität. Bei der Untersuchung der Temperaturabhängigkeit der dielektrischen Suszeptibilität fanden wir, daß zwei Arten von Suszeptibilität unterschieden werden müssen, die dielektrische und die parelektrische. Erstere fanden wir bei Stoffen, die keine fertigen elektrischen Dipole enthalten, deren Moleküle wir deshalb als nichtpolar bezeichneten. . Durch das angelegte Feld werden Dipole erst in jedem Molekül durch kleine Verschiebungen der in ihm enthaltenen elektrischen Ladungen erzeugt, daher der Name Verschiebungspolarisation. Diese nichtpolaren Stoffe besitzen eine Suszeptibilität, die nicht von der absoluten Temperatur T abhängt. Anderseits zeigen die polaren Moleküle eine ganz bestimmte Temperaturabhängigkeit; diese war umgekehrt ein Beweis dafür, daß schon von vornherein elektrische Dipole vorhanden sind, die durch das elektrische Feld nur gerichtet werden, woher die Bezeichnung Orientierungspolarisation stammt. (Dieser Orientierungspolarisation ist übrigens im allgemeinen noch eine

24. Einfluß der Materie auf die magnetischen Erscheinungen

115

temperaturunabhängige Verschiebungspolarisation überlagert, vgl. S. 58.) Wie steht es nun in dieser Hinsicht mit der magnetischen Suszeptibilität ? Eingehende Versuche haben gezeigt, daß die diamagnetischen Stoffe eine von der Temperatur unabhängige Suszeptibilität besitzen. Dies führt uns daher zu der Vorstellung, daß in Diamagneticis keine fertigen magnetischen Momente im Atom vorhanden sind, sondern erst durch ein äußeres Magnetfeld erzeugt werden; wie dies geschieht, und warum das Moment stets dem Felde entgegengerichtet (d. h. diamagnetisch) ist. können wir allerdings an dieser Stelle nicht auseinandersetzen, sondern müssen dies für später aufsparen (vgl. S. 251). Umgekehrt nehmen wir bei den paramagnetischen Stoffen an, daß im Atom schon fertige magnetische Dipole vorhanden sind, d. h. dieses von vornherein ein magnetisches Moment besitzt. Ohne äußeres Feld sind diese aber völlig ungeordnet, und das Feld erst ist bestrebt, sie gleichmäßig zu orientieren, während die Wärmebewegung die Unordnung aufrecht zu erhalten sucht. Auf einen Dipol wirken grundsätzlich außer dem äußeren Felde auch die magnetischen Felder aller anderen Dipole ein, genau wie es auch bei den elektrischen Dipolen der Fall ist (vgl. S. 83). aber bei den paramagnetischen Stoffen liegt die Besonderheit vor, daß diese gegenseitigen Einwirkungen gering sind und völlig außer acht bleiben können; all dies sind genau die Überlegungen, die auch in Nr. 13 bei den elektrisch polaren Molekülen angestellt wurden. Man erkennt daher, daß das magnetische Moment paramagnetischer Stoffe auf alle Fälle temperaturabhängig sein muß. In der Tat fand P. C u r i e 1892 das folgende Gesetz für die Massensuszeptibilität der Paramagnetica: (101)

Xm =

C

T,

das als Curiesches Gesetz bezeichnet wird; C ist die sog. Curie-Konstante. Eine theoretische Betrachtung, wie sie auch für die elektrisch polaren Moleküle gilt, liefert in der Tat dieses Curieschc Gesetz. Ist N die Zahl der Moleküle im Volumen V, m 0 das magnetische Moment des Atoms, so ergibt sich ( L a n g e v i n ) für die Magnetisierung3 (k — Boltzmannsche Konstante): (102)

-Vm°2 V3kT

3 =

Vergleicht man dies mit Gl. (99), so folgt für die Suszeptibilität y : (103)

X=

Nm 2 ° , vsfcr

die das vollständige Analogo 11 zu der Gl. (60a) ist, der die parelektrische Suszeptibilität genügt. Da - = y m ist, gewinnt man durch Vergleich mit (101) folgenden Ausdruck für die experimentell 0 bestimmbare Curie-Konstante C: ^ , TT 0 (104) C = 3k woraus sich f ü r das magnetische Moment des Atoms ergibt: (105)

m

°

=

• / 3 kC \ / T 1 T \

iTr") Auch bei diesen paramagnetischen Stoffen t r i t t neben dem Orientierungseffekt die Verschiebung* polarisation der Diamagnética auf, die aber, wie schon erwähnt, vom größeren Paramagnetismus überdeckt wird und daher im allgemeinen nicht in Erscheinung tritt. Auch die f e r r o m a g n e t i s c h e n S t o f f e zeigen eine T e m p e r a t u r a b h ä n g i g k e i t ihres m a g n e t i s c h e n Z u s t a n d e s ; wir nehmen also auch hier an. daß die Atome von vornherein ein magnetisches Moment besitzen. A b e r h i e r s i n d d i e K r ä f t e , d i e d i e e i n z e l n e n D i p o l e a u f e i n a n d e r a u s ü b e n — umgekehrt wie bei den paramagnetischen Stoffen — s e h r g r o ß , so daß auch ohne äußeres Feld die Dipole nicht völlig ungeordnet liegen können. D i e D i p o l e h a b e n 8»

116

II. Kapitel. Magnetostatik

v i e l m e h r in f e r r o m a g n e t i s c h e n S u b s t a n z e n d i e T e n d e n z , sich p a r a l l e l zu o r i e n t i e r e n . P. W e i ß hat die Vorstellung entwickelt, daß es in ihnen tatsächlich relativ große Bezirke gibt — die sog. W e i ß s c h e n B e z i r k e —, in denen diese Ausrichtung bereits völlig erfolgt ist; nur diese Bezirke liegen ungeordnet durcheinander. Das äußere Feld hat daher nur noch die Aufgabe, auch diese Bezirke gleichmäßig zu orientieren; ist dies geschehen, so ist die magnetische Sättigung erzielt, und zwar — in Übereinstimmung mit den Tatsachen — bei verhältnismäßig kleinen Feldern. Da die Wärmebewegung der Orientierung entgegenwirkt, haben wir auch hier Temperaturabhängigkeit zu erwarten. Erwärmt man ein im magnetischen Feld magnetisch gewordenes Stück Eisen auf immer höhere Temperaturen, so nimmt seine Magnetisierung zunächst langsam, dann immer schneller ab und verschwindet schließlich bei einer bestimmten Temperatur. Diese nennt man den „kritischen" oder auch „Curieschen Punkt" bzw. den „magnetischen Umwandlungspunkt«. Derselbe liegt für Eisen bei 769° C, für Kobalt bei 1075° C, für Nickel bei 356° C und für H e u s l e r s e h e Legierungen zwischen 60° und 380° C. In rotglühendem Zustand zeigt also Eisen keine ferromagnetischen Eigenschaften mehr. Hängt man ein Eisenstäbchen an einem dünnen v Platindraht vor einem Magneten so auf, daß es von diesem zur Seite gezogen wird \

(Abb. 157), so fällt das Stäbchen beim Erhitzen mit einem Bunsenbrenner in seine vertikale Lage zurück. — In Abb. 158 ist ein Ring R aus Eisendraht vermittels \ zweier senkrechter Drahtdurchmesser auf einer Spitze leicht drehbar horizontal vor \ den Polen eines kräftigen Hufeisenmagneten M gelagert; infolge der symmetrischen Anordnung tritt natürlich keine Drehung des Ringes auf. Erhitzt man aber mit einem Bunsenbrenner den vor dem einen Pol des Magneten befindlichen Teil a des Ringes, so wird die Symmetrie gestört, indem die Teile a unmagnetisch werden; daher beginnt sich der Ring Abb. 157. Versuch zum Nachweis Abb. 158. Versuch zum Verschwinden zu drehen, indem die des magnetischen Umwandlungsdes Ferromagnetismus bei hoher Temnicht erhitzten Teile von punktes peratur dem Pol angezogen werden. Da auf diese Weise immer neue Stellen des Ringes in die Flamme kommen, erfolgt eine fortdauernde Drehung des Eisenringes. \

Beim Eisen erklärt sich das Auftreten des magnetischen Umwandlungspunktes dadurch, daß das Eisen bei der betreffenden Temperatur aus einer Modifikation, welche a-Eisen oder Ferrit genannt wird, in eine andere Modifikation, das sog. /3-Eisen übergeht, das unmagnetisch ist, und sich wie jeder andere paramagnetische Körper verhält, d. h. eine von 1 nur sehr wenig abweichende Permeabilität besitzt. Diese Umwandlung ist gleichzeitig mit einer Änderung der elastischen Eigenschaften, der Härte, des elektrischen Leitvermögens und der spezifischen Wärme verbunden. Außerdem besitzt ß-Eisen die Fähigkeit, Kohlenstoff zu lösen, und zwar schon bei Temperaturen, bei denen das Eisen selbst nocli nicht flüssig ist. Es handelt sich um eine sog. feste Lösung. Die dabei auftretende Wärmetönung kann man zeigen, indem man einen mehrere Meter langen Stahldraht, der bereits etwa 0,0—2% Kohlenstoff in Form eines Eisenkarbids (Fe 3 C = Cementit) enthält, waagerecht ausspannt und durch einen elektrischen Strom zum Glühen bringt. Der Draht dehnt sich dabei aus und hängt durch. In dem Augenblick aber, wo die Umwandlungstemperatur erreicht wird, beobachtet man ein deutliches Dunklerwerden der Rotglut und ein Anspannen des Drahtes, da infolge der Lösung des Kohlenstoffes in dem sich jetzt bildenden ß-Eisen ein plötzlicher Wärmeverbrauch einsetzt, der eine Abkühlung des Drahtes bewirkt. Erhitzt man den Draht über den Umwandlungspunkt zu heller Rotglut, so dehnt er sich erneut aus. Schaltet man dann den Strom aus, so daß sich der Draht abkühlt, so beobachtet man beim Durchgang durch die Umwandlungstemperatur ein plötzliches Aufglühen und Längerwerden des Drahtes,

24. Einfluß der Materie auf die magnetischen Erscheinungen

117

bedingt durch die beim Ausscheiden des Kohlenstoffes aus dem ß-Eisen bei Umwandlung desselben in a-Eisen frei werdende Lösungswärme. Hängt man an den kalten Draht einen kleinen Hufeisenmagneten, so fällt dieser in dem Augenblick ab, wo die Umwandlungstemperatur erreicht wird ( G o r e s c h e s P h ä n o m e n 1869). D u r c h Legierungszusätze, z. B . von Chrom oder Nickel zum E i s e n k a n n m a n den U m w a n d lungspunkt unter die Zimmertemperatur verschieben und somit E i s e n oder S t a h l erhalten, der bei Zimmertemperatur völlig unmagnetisch ist. D a s b e k a n n t e s t e Beispiel ist der korrosionsfreie Kruppsche Y 2 A - S t a h l ( 1 8 % Cr, 8 % Ni, Rest F e ) . Allgemeines Verhalten von SB und insbesondere an Grenzflächen; Schirmwirkung des Eisens. W i r h a t t e n bereits in Nr. 21 Gl. (81) konstatiert, daß es im Außenraum ( V a k u u m ) der Magnete keine in sich zurücklaufenden ^ - L i n i e n g i b t ; dasselbe gilt auch, wenn der A u ß e h r a u m ganz oder teilweise m i t beliebigem ferro-, para- oder diamagnetischem Material ausgefüllt ist. W i r m ü s s e n d a h e r a n n e h m e n , d a ß d i e Gl. (81)

j > & d s =

0

a u c h i m I n n e n r a u m d e r M a g n e t e , d. h. g a n z a l l g e m e i n g i l t . E s gibt also i m statischen Felde permanenter Magnete überhaupt keine geschlossenen ^ - L i n i e n ; diese müssen vielmehr in Quellen Anfang und E n d e haben. Diese Quellen kennen wir b e r e i t s : E s sind einerseits die Pole der felderregenden permanenten Magnete, anderseits die Stellen, an denen auf eingelagerten Körpern magnetische Mengen induziert sind. D a s F e l d d e r m a g n e t i s c h e n K r a f t § i s t a l s o e i n Q u e l l e n f e l d . D a h e r l i e f e r t u n s G l . (81) a u c h e i n e A u s s a g e ü b e r d a s V e r h a l t e n d e r Feldstärke § im Inneren von permanenten Magneten. E i n e andere allgemein gültige Aussage besitzen wir in Gl. (96) für den I n d u k t i o n s v e k t o r ® : (96)

f > %

n

d F = 0,

die aussagt, d a ß u m g e k e h r t ® k e i n e Q u e l l e n , s o n d e r n n u r W i r b e l b e s i t z t . A u c h d i e s e G l e i c h u n g e r m ö g l i c h t uns eine A u s s a g e über den I n n e n r a u m p e r m a n e n t e r M a g n e t e . W e n d e n wir beide Gleichungen auf eine Trennungsfläche an, in der zwei Medien m i t verschiedenen Permeabilitäten (// x und (i 2 ) zusammenstoßen, so gibt Gl. (81), genau wie in Nr. 12 in der E l e k t r o s t a t i k , die B e z i e h u n g :

(106)

d. h. d i e T a n g e n t i a l k o m p o n e n t e n d e r m a g n e t i s c h e n K r a f t durchsetzen eine Trenn u n g s f l ä c h e s t e t i g . Diese Gleichung ist das magnetische Analogon zu Gl. (44) auf S . 4 7 ; nach dem oben Gesagten gilt (106) auch für die Trennungsfläche Magnet und Außenraum. E b e n s o folgt durch Anwendung der Gl. ( 9 6 ) : (107) " 8 i » = «2», d. h. d i e N o r m a l k o m p o n e n t e d e r I n d u k t i o n i s t b e i m D u r c h g a n g d u r c h e i n e T r e n n u n g s f l ä c h e g l e i c h f a l l s s t e t i g , natürlich auch für diejenige, die Innen- und A u ß e n r a u m eines Magneten gegeneinander a b g r e n z t ; sie h a t ihr elektrisches Analogon in Gl. (42) auf S. 4 6 . Mit Gl. (106) ist gleichwertig die folgende: (106a) und m i t Gl. ( 1 0 7 ) : (107 a)

- - S8K = Pi

— SS2( • Vi

l*i%ln=

Die Tangentialkomponente der Induktion erleidet also ebenso wie die Normalkompoiiente der magnetischen F e l d s t ä r k e , deren Größe durch ( 1 0 6 a ) und ( 1 0 7 a ) b e s t i m m t wird, eine b e s t i m m t e Unstetigkeit. I m allgemeinen sind bei para- und diamagnetischen Medien fx l und fi 2 wenig voneinander verschieden, daher und ¡g 2 praktisch einander gleich. T r i t t dagegen das Feld aus dem *) Es gibt aber, worauf bereits hier aufmerksam gemacht sei, geschlossene ^-Linien im Magnetfeld elektrischer Ströme.

118

II. Kapitel. Magnctostatik

Vakuum in ein Ferromagnetikum mit sehr großen (i 2 ein, so ist in diesem ¡jj 2n = — 4?in s t > ' i r klein ß 2 gegen und daher das Feld z. B. im Eisen stark geschwächt, während die Induktion (wegen ^Bin = S82n) ungeändert bleibt. Wegen (106) und (107) werden daher sowohl die magnetischen Feldlinien (^-Linien) wie auch die Induktionslinien (©-Linien) beim Übergang aus einem Medium zum anderen gebrochen, und zwar wieder nach dem gleichen Gesetz, dem auch die 6 - bzw. ^-Linien unterliegen< D i e T a n g e n t e n d e s E i n f a l l s w i n k e l s a. u n d d e s B r e c h u n g s w i n k e l s ß v e r h a l t e n sich wie die P e r m e a b i l i t ä t e n : (108)

tang

tang^ ."2 Bei den para- und diamagnetischen Stoffen spielt diese Brechung der magnetischen und >8-Linien wegen der geringen Abweichung ihrer Permeabilitäten voneinander und von 1 praktisch keine Rolle, von Bedeutung ist sie aber bei den ferromagnetischen Körpern. Aus Gl. (108) folgt,

Abb. 160. Magnetische Schirmwirkung eines Eisenringes

Abb. 159. Brechung der Induktionslinien beim Durchgang durch die Trennungsfläche zweier Medien mit verschiedener Permeabilität

daß im Medium mit der höheren Permeabilität die Kraft- bzw. Induktionslinien weiter von der Normalen abgelenkt werden. Da die Werte von /u für Eisen sehr hoch sind (vgl. Tab. S. 112), so findet man, daß selbst bei Einfallswinkeln von 1° bis 5°, d. h. bei nahezu senkrechtem Einfall, die Brechungswinkel größer als 60° sind. In der folgenden Tabelle sind für das Verhältnis f i 2 : f i l = ^ 200 zusammengehörige Werte von a und ß zusammengestellt: OL

0° 1° i)0

3° 4° 5°

ß 0a 74c 1' 82° 61' 84° 33' 85 c 54' 86° 43'

Infolge dieser starken Brechung verlaufen, wie es Abb. 159 andeutet, die. Induktionslinien in Eisen viel dichter beieinander als in Luft. Man sagt daher auch, d a ß Eisen die Abb. 161. Magnetische Schirm Wirkung eines Eisenringes Induktionslinien eines Magnetfeldes in sich konzentriert. Hierauf beruht die m a g n e t i s c h e S c h i r m w i r k u n g eines Eisenringes. Bringt man einen dickwandigen Eisenzylinder mit seiner Achse senkrecht zu den SB-Linien in ein homogenes Magnetfeld, so verlaufen die in das Eisen einmündenden Linien infolge der Brechung fast sämtlich innerhalb der Zylinderwandung, so daß der Innenraum des Zylinders praktisch feldfrei ist (Abb. 160). In Abb. l ö i ist das diesbezügliche Kraftlinienbild wiedergegeben; von einer Orientierung der Eisenfeilspäne im Inneren des Zylinders ist nichts zu erkennen. Man be-

24. Einfluß der Materie auf die magnetischen Erscheinungen

119

nutzt diese Schirmwirkung des Eisens dazu, um z. B. die Magnetnadeln hochempfindlicher Galvanometer gegen die Einwirkung störender äußerer Magnetfelder zu schützen. Dabei läßt sich die Schirmwirkung steigern, indem man zwei oder mehrere Eisenmäntel konzentrisch umeinander anordnet (sog. P a n z e r g a l v a n o m e t e r , s. S. 182). Von den Gl. (106) und (107) wollen wir nun eine Anwendung auf die Grenzfläche zwischen Innen- und Außenraum eines Magneten machen, um einigen Aufschluß über den Verlauf der und ©-Linien im Inneren zu erhalten: In Abb. 162 a ist im Außenraum der Verlauf der (hier ja identischen) Jjj- bzw. SS-Linien eines Stabmagneten experimentell hergestellt; man erkennt, daß

Abb. 162 a. Verlauf der magnetischen ^-Linien im Außenraum eines Stabmagneten

Abb. 162 b. Verlauf der magnetischen ^-Linien im Außen- und Innenraum eines Stabmagneten

bei der gewählten Anordnung — links Nordpol, rechts Südpol — das Feld im wesentlichen von links nach rechts verläuft. Im besonderen sieht man, daß in den mittleren Partien des Magneten das Feld praktisch parallel zum Stabe gerichtet ist, ebenfalls von links nach rechts. In Abb. 162 a

ist dieser Feldverlauf im Außenraum mit Einzeichnung von Pfeilen schematisch wiedergegeben. Erwähnt sei noch, daß der Magnetisierungsvektor der nur im Inneren von Null verschieden ist, seiner Definition nach vom Südpol S zum Nordpol N hingerichtet ist, d.h. von rechts nach links, was wir im Inneren des Magneten durch einen Pfeil angedeutet haben. Nun folgt sofort aus der Stetigkeit der Tangentialkomponenten von daß im Inneren die ¡g-Linien von links nach rechts verlaufen; auch im Inneren beginnen und endigen sie in den Polen, was wir ja übrigens schon wissen. Die ^ - L i n i e n sind also a u c h u n t e r H i n z u n a h m e des I n n e n r a u m e s keine geschlossenen L i n i e n , s o n d e r n e n t s t e h e n u n d endigen in i h r e n Q u e l l e n , den Polen. Dies bringt Abb. 162b zum Ausdruck. Im einzelnen sieht man auch, daß im Inneren

120

II. Kapitel. Magnetostatik

weniger ^-Linien als im Außenraum verlaufen, da % wegen des großen ^-Wertes des Magneten viel kleiner als sein muß. Man bemerke ferner, daß der Vektor im Innern dem 3-Vektor entgegengerichtet ist, eine Tatsache von Bedeutung, auf die wir gleich noch zurückkommen werden. — Neben die eben gegebene Darstellung können wir eine zweite stellen, die im Innern die SB-Linien betrachtet. Diese sind aber stets geschlossene Linien, sie beginnen und endigen nicht in den Polen, da sie keine Quellen haben. Im Außenraum sind die 58-Linien mit den in Abb. 162 a und 162 b gezeichneten ^-Linien identisch; sie schließen sich sämtlich im Innenraum durch die von rechts nach links verlaufenden SSj-Linien, was Abb. 162 c zum Ausdruck bringt. Diese Darstellung ist der Auffassung der Abb. 162 b vollkommen gleichwertig. Da, wie vorhin erwähnt, das Feld % der Magnetisierung 3 entgegengesetzt gerichtet ist, hat es die Tendenz, die Magnetisierung zu schwächen; deswegen spricht man von einer e n t m a g n e t i sierenden Wirkung, die am stärksten, wie eine genauere Berechnung zeigt, an den Enden der Magnete auftritt (entmagnetisierende W i r k u n g der Enden). Wäre das Material der Magnete vollkommen weich, so würde die Magnetisierung 3 völlig zerstören; das geschieht nur aus dem Grunde nicht, weil es in der Natur kein ideal magnetisch weiches Material gibt, sondern immer wenigstens ein Teil der Magnetisierung permanent ist, eine Folge der sog. K o e r z i t i v k r a f t (vgl. S. 269) des Materials. Bei dem anderen Extrem, dem ideal starren Magneten, bei dem 3 P unabhängig von wäre, würde die Entmagnetisierung natürlich keine Holle spielen; aber dieser Fall läßt sich ebensowenig realisieren, wie der absolut weichen Materials. Magnetische Energie. Auf Grund der weitgehenden formalen Übereinstimmung der Gesetze des elektrostatischen und magnetostatischen Feldes können wir schließlich noch die magnetische Energie Em angeben. In Analogie zu den Gl. (64) und (64 a) auf S. 62 erhalten wir für die Energiedichte : (109)

EmlVoi =

und für die Gesamtenergie: (109a) oder, weil fiij} = 93 ist:

f Ö7t

Em=M/i&dT, 071 J

(109b)

3» = - U $ 8 ä t . • OTC J wenn dx ein Volumelement bedeutet. Diese Energie ist erforderlich, um das magnetische Feld zu erzeugen und ist in seinen Volumelementen aufgespeichert. Da man in Luft ohne besondere Schwierigkeiten magnetische Feldstärken von 10000 Oersted erzeugen kann, läßt sich in der Volumeinheit eine magnetische Energie von

IG8 Waltsec Em,Vol. = — = 4 • 10" erg/cm3 = 0,4 87t cm3 aufspeichern. Das ist rund 10 5 mal mehr gegenüber der in einem elektrischen Feld enthaltenen Energie (s. S. 63). Alle elektrischen Maschinen arbeiten daher ausschließlich mit magnetischen Feldstärken.

Wir benutzen die Gl. (109) dazu, um die Theorie der auf S. 109 angegebenen Quinckeschen Steighöhen-Methode zur Bestimmung der Permeabilität von Flüssigkeiten abzuleiten. Die Flüssigkeit wird, falls sie paramagnetisch ist, so lange in das Magnetfeld hereingezogen, bis sich die vom Magnetfeld ausgeübte Kraft und die in umgekehrter Richtung wirkende Schwerkraft das Gleichgewicht halten. Ist h die Niveaudifferenz der Flüssigkeit in beiden Rohrschenkeln (Abb. 154), / der Querschnitt derselben, q die Dichte der Flüssigkeit und g die Schwerbeschleunigung, so ist die bei einer kleinen Verschiebung dh der Niveaudifferenz gegen die Schwere geleistete Arbeit fhggdh. Dabei tritt das Flüssigkeitsvolumen / dh mit der Permeabilität fi an die Stelle von Luft, deren Permeabilität 1 ist, und dies bewirkt nach (109) eine Änderung der magnetischen Energie um 71

OXl

24. Einfluß der Materie auf die magnetischen Erscheinungen

121

Diese muß der geleisteten Arbeit gleich sein: fhggdh

=

— - i j ? 2 / dh,

und daraus folgt :

(110)

P=

8 7t hg g

1

Aus dieser Gleichung kann bei bekanntem ijj die Permeabilität bestimmt werden. Die Ableitung gilt natürlich auch für diamagnetische Stoffe, bei denen nur das Vorzeichen von dh sich ändert. In Analogie zum elektrischen Feld (s. S. 49) besteht auch im magnetischen Feld ein Zug der Feldlinien und ein Druck quer zu ihnen; seine Größe ist durch den Ausdruck — 6a = — Ö ® 8 TT 8TT

gegeben. Andere Darstellung der Gesetze des magnetischen Feldes. Neuerdings wird manchmal eine andere Darstellung der Gesetzmäßigkeiten des magnetischen Feldes gewählt, bei der viele Gleichungen in abweichender Gestalt auftreten. Zur Erleichterung des Verständnisses für den Leser soll hier noch dargelegt werden, wie diese andere Darstellung zustande kommt. Die Polstärke p eines im Vakuum befindlichen Magneten hatten wir auf S. 99 durch den Kraftfluß definiert, den der Magnetpol in den Außenraum sendet; man vergleiche dazu Abb. 135 und Gl. (80 d). Ist der Außenraum nicht Vakuum, sondern ein beliebiges magnetisierbares Medien von derPermeabilität (x, so hat natürlich an die Stelle des Kraftflusses der Induktionsfluß zu treten: (111)

d F 0 = 4TCp,

wobei die Integration aber nur über den A u ß e n r a u m zu erstrecken ist, da sonst das Integral Null wird. Gleichung (111) ist in allen Fällen gültig; die so definierte Polstärke, die wir immer zugrunde gelegt haben, ist als „ w a h r e " zu bezeichnen. Da 8 = /iS) ist, kann man Gl. (111) auch folgendermaßen schreiben: (lila)

=

=

4wp\

Diese Gleichung, die wieder vom Kraftfluß ausgeht, definiert eine andere Polstärke p' = — p, die sinngemäß als f r e i e P o l s t ä r k e zu bezeichnen ist, worauf schon in Gl. (93) auf S. 112 hingewiesen wurde. Wenn man nun die freie Polstärke p' zugrunde legt, nehmen zahlreiche Gleichungen eine abweichende Gestalt an. Die Kraft auf einen wahren Magnetpol p z. B. ist nach Gl. (78) p und das ist gleichbedeutend mit ¡jl p' § = p' SS; daher findet man an Stelle unserer Gl. (78) die folgende: (112) Ä = p'». Ebenso tritt an Stelle des allgemeinen Coulombschen Gesetzes in Gl. (90): (90)

=

mit (i im Nenner die folgende Formulierung: „ 1 i>P2' A l 2 = 7 — T ^

(H3)

'12

^

P'i V'i '12

mit [x im Zähler. Es mag genügen, die Abweichungen an diesen zwei Gleichungen erklärt zu haben; wie aus der obigen Darlegung hervorgeht, handelt es sich in all diesen Fällen um Zugrundelegung der freien Polstärke statt der hier benutzten wahren; nur wenn man dies im Auge behält, kann man sich vor Mißverständnissen schützen.

122

III. Kapitel

Stationäre elektrische Ströme 25. Begiiff des elektrischen Stromes; Stromstärke; Stromdichte Im I. Kapitel ist bereits mehrfach davon Gebrauch gemacht, daß ein elektrisch geladener Körper seine Ladung verliert, wenn er durch einen Leiter (Metalldraht, menschlicher Körper usw.) mit der Erde verbunden wird. Dieser Vorgang ist so zu erklären, daß entweder die Ladung vom Körper zur Erde abfließt, oder, was im Prinzip auf das gleiche hinauskommt, eine entgegengesetzt gleiche Ladung von der Erde auf den Körper strömt, so daß im Endergebnis seine Ladung sich anulliert. Im folgenden beschäftigen wir uns gerade mit dieser Bewegung elektrischer Ladungen, d. h. mit elektrischen Strömen. Für die Elektrostatik, die den Zustand des Gleichgewichtes elektrischer Ladungen auf Leitern behandelt, ist es charakteristisch, daß einmal die elektrischen Kraftlinien senkrecht auf den Leiteroberlläelien stehen, die demnach Niveauflächen sind, und daß anderseits im Innern der Leiter kein elektrisches Feld besteht. Diese Aussagen können nicht mehr gelten, wenn das Gleichgewicht der Ladungen gestört ist, wenn also Bewegungen oder Strömungen der Ladungen in den Leitern vor sich gehen. Dies zeigt ein einfaches Beispiel. Wir betrachten zwei isolierte, gleich große Kugeln vom Kadius R aus dem gleichen Metall, die mit Elektrizitätsmengen qx und q2 geladen sind, wobei etwa Ii > ?2 sein möge; dann sind ihre Potentiale

= — und V2 = — , wobei auch V1 > V2 ist. R R Verbindet man die beiden Kugeln durch einen Draht gleichen Materials, so kann das System nicht mehr im elektrischen Gleichgewicht sein, da es infolge der Drahtverbindung der Kugeln einen einzigen homogenen Leiter bildet, dessen verschiedene Teile verschiedenes Potential besitzen. Es muß daher eine Strömung von Elektrizität eintreten, die als Endresultat das Gleichgewicht wiederherstellt. Umgekehrt kann man sagen, daß Potentialdifferenzen in einem homogenen Leiter die Vorbedingung dafür sind, daß überhaupt Abweichungen vom elektrischen Gleichgewicht vorhanden sind. Dies bedeutet, daß bei N i c h t v o r h a n d e n s e i n des e l e k t r o s t a t i s c h e n Gleichgew i c h t s z u s t a n d e s , d.h. b e i m F l i e ß e n e l e k t r i s c h e r L a d u n g e n , die L e i t e r o b e r f l ä c h e k e i n e N i v e a u f l ä c h e mehr i s t , a n d e r s a u s g e d r ü c k t , daß die e l e k t r i s c h e n K r a f t linien n i c h t mehr s e n k r e c h t auf der L e i t e r o b e r f l ä c h e s t e h e n . Bei einer elektrischen Strömung m ü s s e n tangentielle Komponenten der elektrischen Feldstärke 6 an der Leiteroberfläche im Isolator vorhanden sein. Wegen der Stetigkeit der tangentiellen Komponente von 6 gilt dies aber auch für das Leiterinnere: es muß a l s o a u c h d o r t ein e l e k t r i s c h e s F e l d herrs c h e n ; denn nur im Gleichgewichtszustand verteilen die elektrischen Ladungen auf der Leiteroberfläche sich derartig, daß die von ihnen ausgehenden Kraftwirkungen sich im Leiterinneren gerade aufheben. Das Wesentliche jeder Abweichung vom elektrostatischen Gleichgewichtszustande besteht also in einer Bewegung von Elektrizität im Inneren des Leiters. Dies ergibt sich mit besonderer Deutlichkeit, wenn man im obigen Beispiel q2 = — qx, also V± = — V2 wählt. Verbindet man jetzt die beiden Kugeln durch einen Draht, so ist im Endzustand Vl = V2 =- 0, also auch die schließliche Ladung beider Kugeln gleich Null, d. h. die entgegengesetzt gleichen Ladungen beider Kugeln haben sich ausgeglichen. Es sind also positive Ladungen vom höheren Potential V t zum niederen V 2 durch den Draht geströmt, oder negative in umgekelirter Richtung, oder endlich beide Elektrizitäten gleichzeitig in entgegengesetzter Richtung. In jedem Falle ist klar, daß dem schließ-

25. Begriff des elektrischen Stromes ; Stromstärke ; Stromdichte

123

lieh erreichten Gleichgewichtszustand eine Bewegung elektrischer Ladungen durch den Leiter vorherging. Die Bewegung elektrischer Ladungen nennen wir elektrischen Strom. D a b e i i s t es völlig g l e i c h g ü l t i g , ob s i c h die L a d u n g , wie in u n s e r e m B e i s p i e l e , d u r c h e i n e n in R u h e b l e i b e n d e n L e i t e r als sog. „Leitungsstrom" h i n d u r c h b e w e g t , o d e r ob die L a d u n g s i c h m i t i h r e m T r ä g e r (z.B. e i n e m g e r i e b e n e n H a r t g u m m i s t a b o d e r e i n e m g e l a d e n e n A t o m ) d u r c h den R a u m b e w e g t . Im letzteren Fall spricht man von „Konvektionsströmen". (Den gleichen Unterschied zwischen Leitung und Konvektion machten wir übrigens schon bei der Wärmebewegung; siehe Band I, S. 479.) Das Wesentliche eines Stromes ist die Bewegung elektrischer Ladungen. Wir führen zunächst einen neuen Begriff, den der elektrischen Stromstärke (auch Strommenge oder Stromintensität genannt) ein. Darunter versteht man die Elektrizitätsmenge dq, die in dem Zeitelement dl durch den gerade betrachteten Leiterquerschnitt hindurchtritt, dividiert durch dieses Zeitelement ; bezeichnen wir also die Stromstärke mit J , so gilt : T

(114)

¿9

J -

Man kann also kurz sagen: Stromstärke ist die in der Zeiteinheit durch den betrachteten Querschnitt hindurchgehende Elektrizitätsmenge. Durch die Zurückführung des Begriffes „Stromstärke" auf den der „Elektrizitätsmenge" ergeben sich auch sofort E i n h e i t und D i m e n s i o n d e r S t r o m s t ä r k e . Die absolute Einheit von J haben wir, wenn eine absolute elektrostatische Ladungseinheit (1 g 1 / 2 cm3/2 sec -1 ) in der Sekunde durch den Querschnitt tritt ; dies i s t die e l e k t r o s t a t i s c h e E i n h e i t der S t r o m s t ä r k e . Ihre Dimension ist : (H5a)

[Jel,tat]

=

f ^ ' ^ - V

I' ]

=

[m

'/' i •/• ( - s ] ,

bzw. im absoluten Maßsystem : (H5b) [-W] = feV.cm'/.sec-»]. Da diese Einheit infolge der Kleinheit der elektrostatischen Einheitsladung für die Zwecke der Praxis zu klein ist, wählt man als p r a k t i s c h e E i n h e i t d e r S t r o m s t ä r k e sinngemäß diejenige, die man erhält, wenn pro Sekunde 1 Coulomb (gleich 3 • 10® gVa cm'/« sec -1 ) durch den Querschnitt des Leiters hindurchtritt ; diese praktische Einheit wird als 1 Ampere bezeichnet (A). Es ist also: (116)

1 Ampere =

1 Coulomb

1 Sekunde

= 3.10® gV= cm''-- sec -2 .

Als kleinere Einheiten werden häufig benutzt : 1 Milliampere (mA) = 10" 3 Ampere. 1 Mikroampere (pA) = ICh6 Ampere. Wenn wir im folgenden in den Formeln die praktische Einheit der Stromstärke benutzen, werden wir dies durch J * andeuten. Löst man die Gl. (116) nach Coulomb auf, so folgt : (116 a) 1 Coulomb = 1 Ampere • 1 Sekunde ; daher nennt man 1 Coulomb auch 1 Amperesekunde (As). Als größere Einheit gilt die A m p e r e s t u n d e (Ah) = 3600 Ampersekunden oder Coulomb. Ein zeitlich konstanter Strom von der Stärke J befördert in der Zeit t die Elektrizitätsmenge q — Jt. Ist der Strom zeitlich veränderlich, so muß man von der exakten Definitionsgleichung (114) ausgehen und findet für die während der Zeit t transportierte Elektrizitätsmenge : 1 (117) q= f M . o

eine Gleichung, die als Spezialfall die vorhergehende q = Jt in sich enthält. Ein Wort ist noch über die R i c h t u n g des S t r o m e s zu sagen. Wenn wir einen durchströmten Leiter betrachten, so können wir in demselben Kurven zeichnen der Art. daß ihre Tan-

124

III. Kapitel. Stationäre elektrische Ströme

gente stets mit der augenblicklichen Strömungsrichtung zusammenfällt; diese Kurven entsprechen genau denjenigen, die man in der Hydrodynamik (s. Bd. I, S. 248) benutzt, um eine Flüssigkeitsströmung anschaulich zu charakterisieren; sie werden hier wie dort Stromlinien genannt. Es ist üblich, diesen Kurven eine bestimmte Richtung zuzuordnen, nämlich d i e j e n i g e , in d e r d i e p o s i t i v e E l e k t r i z i t ä t f l i e ß t , u n d d i e s e R i c h t u n g n e n n e n wir d i e S t r o m r i c h t u n g . Diese Festsetzung ist natürlich vollkommen willkürlich. Wir wissen heute (s. Kap. IX), daß in einem metallischen Leiter nur negative Elektrizitätsteilchen, nämlich die bereits auf S. 13 erwähnten Elektronen, den Ladungstransport besorgen, so daß ihre Bewegungsrichtung der oben definierten Stromrichtung gerade entgegengesetzt ist. In den elektrolytischen Leitern, z. B. in Salz- und Säurelösungen, bewegen sich anderseits elektrische Ladungen beiderlei Vorzeichens in entgegengesetzter Richtung; die Bewegungsrichtung der positiven Ladung ist also mit der Stromrichtung identisch, die der negativen ihr entgegengesetzt. Zur Vermeidung von Irrtümern ist es deshalb notwendig, zwischen Stromrichtung und Bewegungsrichtung der Ladungen deutlich zu unterscheiden. Bei konstanten und zeitlich sehr langsam veränderlichen Strömen ist die Stromstärke J über den Leiterquerschnitt gleichmäßig verteilt, nicht aber, wie wir später sehen werden, bei schnell veränderlichen Strömen. Man führt daher noch einen neuen Begriff ein, den Vektor | der Stromdichte, auch Strömunssvektor genannt. E r h a t die R i c h t u n g des S t r o m e s , d . h . die R i c h t u n g der Bewegung der p o s i t i v e n L a d u n g ; sein B e t r a g ist gleich der S t r o m s t ä r k e p r o F l ä c h e n e i n h e i t des z u r S t r o m r i c h t u n g s e n k r e c h t e n Q u e r s c h n i t t s F. Ist also der Strom konstant, so ist einfach:

woraus umgekehrt (118b)

J=

|i|F

folgt. Ist aber der Strom — bei schnell veränderlichen Strömen — ungleichmäßig über den Querschnitt verteilt, so zerlegen wir F in die Elemente dF, die so klein gewählt sind, daß in jedem Element noch eine gleichmäßige Stromverteilung herrscht. Dann ist die (unendlich kleine) Stromstärke dJ in einem solchen Elemente nach (118b): dJ=

| i | dF,

und die gesamte Stromstärke ergibt sich durch Summation (bzw. Integration) über den ganzen Querschnitt zu: J=f\\\dF. Steht schließlich der Querschnitt F nicht senkrecht zur Richtung von j, so zerlegen wir letzteres in zwei Komponenten, eine zu dF tangentielle (j,) und eine zu dF senkrechte (}„). Letztere ist gleich | j| | cos ix, wenna der Winkel zwischen j[ und der Normale von dF ist. Diese senkrechte Komponente j„ ist es allein, die elektrische Ladungen durch dF hindurchtransportiert. Also ist schließlich allgemein: dJ = \ndF = | j | cos a dF, und der Gesamtstrom wird: (119) J= / i „ d F = / ¡ i | c o s « dF. Die rechte Seite dieser Gleichung, die die a l l g e m e i n e D e f i n i t i o n d e r S t r o m s t ä r k e darstellt, ist genau so gebildet wie z. B. der Kraftfluß / ß „ dF oder der Induktionsfluß /S8„ dF, und man versteht nunmehr auch, woher die Bezeichnung „Fluß" kommt. Im folgenden werden wir uns hauptsächlich mit l i n e a r e n S t r ö m e n beschäftigen, d.h. Strömen, die in linearen Leitern fließen, bei denen also die Querschnittsdimensionen klein gegen die Länge des Leiters sind. Den Gegensatz hierzu bilden k ö r p e r l i c h e S t r ö m e , die deshalb schwierig zu behandeln sind, weil man die Lage der Stromlinien nicht von vornherein kennt, während sie bei den linearen Strömen mit der Richtung des Leiters zusammenfällt. Ferner werden wir in diesem Kapitel voraussetzen, daß die S t r o m s t ä r k e z e i t l i c h k o n s t a n t ist. S o l c h e S t r ö m e h e i ß e n s t a t i o n ä r , weil bei i h n e n z w a r d a u e r n d E l e k -

26. Ohmsches Gesetz

125

t r i z i t ä t f l i e ß t , a b e r d u r c h j e d e n Q u e r s c h n i t t in j e d e r S e k u n d e die g l e i c h e Menge. Würde dies nämlich nicht der Fall sein, sondern durch einen Querschnitt mehr Elektrizität hindurchtreten wie durch die übrigen, so würde sich in ihm Elektrizität dauernd anhäufen, also der Zustand sich mit der Zeit ändern; ebenso wäre es, wenn etwa weniger Ladung durch einen Querschnitt hindurchtreten würde. In e i n e m s t a t i o n ä r e n S t r o m e i s t also die S t r o m s t ä r k e J ü b e r a l l , in allen Q u e r s c h n i t t e n , wie g r o ß o d e r wie k l e i n sie s e i e n , die g l e i c h e . Die Stromdichte | j j ist daher nach (118a) dort größer, wo der Querschnitt F kleiner ist und umgekehrt: Die Stromdichten und j2 in zwei Querschnitten F1 und F2 verhalten sich umgekehrt wie diese: llil

:|!,|=F,:fi

Das bedeutet eben, daß die Stromstärke J in

und F2 die gleiche ist.

26. Ohmsches Gesetz Strömung in einem homogenen Leiter. Wie in der vorhergehenden Nummer dargelegt wurde, kann ein Strom in einem homogenen Leiter nur dann zustande kommen, wenn an seinen Enden ein Potentialunterschied besteht. Zur Klärung der Frage, wie die Stromstärke von diesem Potentialunterschied sowie von den Dimensionen und Eigenschaften des Leiters abhängt, untersuchen wir experimentell die Entladung eines Kondensators. Um die Entladung, die durch einen gewöhnlichen Metalldraht in sehr kurzer Zeit vor sich geht, bequem beobachten zu können, wählen wir einen schlechten Leiter L, z. B. einen Bindfaden oder einen Graphitstrich auf Papier als Verbindung der beiden Kondensatorplatten. Abb. 163 zeigt das Schaltbild; parallel zum Kondensator C liegt ein Elektrometer E, an dem wir das am Kondensator herrschende Potential, gemessen gegen Erde, ab-

Entladung einer Kapazität

eines Kondensators während seiner Entladung

lesen können. Wir laden den Kondensator (0,002 fiF) auf eine bestimmte Anfangsspannung (im Versuch 150 Volt), schließen dann den Schalter S und lesen in gleichen Zeitabschnitten (im Versuch alle 15 Sekunden) das am Kondensator herrschende Potential V ab. Wir erhalten dann die in Spalte 2 der folgenden Tabelle zusammengestellten Werte. Tragen wir diese in Abhängigkeit von der Zeit graphisch auf, so bekommen wir die in Abb. 164 wiedergegebene Kurve 1, die zeigt, daß das Potential V des Kondensators während der Entladung zunächst rasch und dann immer langsamer absinkt. Dies zeigt, daß die Schnelligkeit des Entladungsvorganges, d.h. die Stromstärke von der Höhe des Potentials abhängt. Tragen wir statt V die natürlichen Logarithmen von V (Spalte 3 der Tabelle) in dem Diagramm der Abb. 164 ein, so ergibt sich eine Gerade 1', d. h. eine lineare Beziehung zwischen InV und der Zeit t. Wir können also schreiben: (120) InV = lnV0 — al,

126

I I I . Kapitel. Stationäre elektrische Ströme

wenn « eine Konstante. V0 das Potential für t = 0 bedeuten. Durch Differentiation nach t folgt : —A

InV—

aAt\

da im Versuch A t = 15 sec gewählt wurde, ist —A InV, das in der 4. Spalte der Tabelle eingetragen ist, der Konstante n proportional. Die Tabelle zeigt in der Tat, daß die Konstanz von a sehr gut erfüllt ist. t in sec

V in Volt

InV

—AlnV

V in Volt

0

150

110 80 59 43

5,01 4,70 4,38 4,07 3,76

AlnV

für C 0,006 fiF

f ir C = 0,002 (iF

15 30 46 60

In V

5,01 4,9

0,11 0,10

121

4,8

0,11

109 98 89

4,69. 4,68

0,11 0,09

4,49 4,38

0,11

4,27 4,16

0,11 0,10

4,06 3,96

0,10 0,11 0,11

150 135

0,31 0,32 0,31 0,31 Mittel=0,313

80 73 64 58 52,5 47,5 42,5

3,85 3,47

0,11

Mittel=0,106

Gl. (120) läßt sich durch t Ibergang zu den Numeris auch in der Form darstellen: (120a) F=V0