Lehrbuch der Experimentalphysik: Band 2 Elektrizitätslehre 9783111510934, 9783111143200


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German Pages 515 [516] Year 1958

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Table of contents :
Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur zweiten Auflage
Vorwort zur dritten Auflage
Inhaltsübersicht
I. Kapitel: Elektrostatik
II. Kapitel: Magnetostatik
III. Kapitel: Stationäre elektrische Ströme
IV. Kapitel. Das elektrische und magnetische Feld stationärer Ströme
V. Kapitel. Induktion
VI. Kapitel. Elektrische Schwingungen und Wellen
VII. Kapitel. Elektrolyse
VIII. Kapitel. Gasentladungen
IX. Kapitel. Stromleitung in festen Körpern
Namenregister
Sachregister
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Lehrbuch der Experimentalphysik: Band 2 Elektrizitätslehre
 9783111510934, 9783111143200

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L. Bergmann

CI. Schaefer

Lehrbuch der Experimentalphysik Band II

LEHRBUCH DER

EXPERIMENTALPHYSIK ZUM GEBRAUCH

B E I AKADEMISCHEN VORLESUNGEN U N D ZUM SELBSTSTUDIUM Von

Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. h. c. L. Bergmann Universität Gießen u. Leitz -Werke Wetzlar und

Prof. Dr. phil. Dr. rer. nat. h. c. Cl. Schaefer Universität Köln

II. Band

Elektrizitätslehre Mit 658 Abbildungen

3., durchgesehene und verbesserte Auflage

W A L T E R

DE

G R U Y T E R

& CO.

vorm. C. J. Göschen'sche Verlagshandlung, J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp.

B E R L I N 1958

© Copyright 1955, 1958 b y W a l t e r de G r u y t e r & Co., vormals G. J . Göschen'sehe Verlagshandlung, J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer, K a r l J . T r ü b n e r , Veit & Comp., Berlin W 35, Genthiner Str. 13 — Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanisohen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen und der Übersetzung, vorbehalten — Archiv-Nr. 52 79 58 — P r i n t e d in G e r m a n y — D r u c k : Graphische K u n s t d r u c k e r e i August R a a b e , Berlin - Neukölln

Vorwort zur ersten Auflage Nach dem Erscheinen der ersten Auflage von Band I begannen wir mit der Arbeit am zweiten Bande. Sie war bis Januar 1945 schon ziemlich weit vorgeschritten, als die Katastrophe uns auseinanderriß. Erst im Jahre 1946 fanden wir wieder Verbindung zueinander und konnten die gemeinsame Arbeit wieder aufnehmen; natürlich war sie außerordentlich erschwert durch die räumliche Trennung und dadurch, daß wir neue Wirkungskreise übernehmen mußten. Erst jetzt ist es uns daher möglich, den zweiten Band, die Elektrizitätslehre enthaltend, vorzulegen. Er ist nach den gleichen Grundsätzen abgefaßt wie der erste Band, so daß darüber nichts weiter gesagt zu werden braucht. Nur ein Wort über das benutzte Maßsystem ist erforderlich: Wir haben uns nach reiflicher Überlegung entschlossen, das Gaußsche Maßsystem beizubehalten; dies hat zur Folge, daß in allen elektrodynamischen Gleichungen der Faktor c, die Lichtgeschwindigkeit, auftritt. Wir halten dies aus didaktischen Gründen für wünschenswert. Im übrigen hat W. Kossei kürzlich in einer kleinen Schrift: .„Zur Darstellung der Elektrizitätslehre" mit einleuchtenden Gründen dargetan, daß es unzweckmäßig wäre, das sogenannte „praktische" Maßsystem in der Physik allgemein einzuführen. Wetzlar und Köln, im Herbst 1950 Ludwig Bergmann

Clemens Schaefer

Vorwort zur zweiten Auflage Nachdem die erste Auflage vergriffen war, haben wir uns die Frage vorgelegt, ob und was an unserer grundsätzlichen Einstellung etwa zu ändern wäre; wir haben aber dazu keine Veranlassung gesehen. Die vorliegende zweite Auflage unterscheidet sich daher nur wenig von der ersten; einige nicht ganz klare oder schiefe Formulierungen wurden beseitigt und durch bessere ersetzt, der raschen Entwicklung der Halbleiterforschung wurde durch Umarbeitung u n d Erweiterung der betreffenden Abschnitte soweit Rechnung getragen, wie es im R a h m e n dieses Werkes möglich war. Allen Fachgenossen, die durch wohlwollende Kritik ihr Interesse an unserm Buche bezeugt haben, danken wir herzlich und möchten wünschen, daß auch die neue Auflage ihren Beifall finde. Wetzlar und Köln, im September 1955 Ludwig Bergmann

Clemens Sehaefer

Vorwort zur dritten Auflage Unter Beibehaltung unserer grundsätzlichen Einstellung ist die vorliegende dritte Auflage sorgfältig durchgesehen und von uns bekannt gewordenen Versehen befreit worden. Gleichzeitig ist den wichtigsten Fortschritten Rechnung getragen worden, soweit dies ohne Überschreitung des Umfanges möglich war. Auch diesmal haben wir nicht nur vielen Kollegen, sondern auch manchen Kommilitonen für Kritik und Hinweise zu danken. Wetzlar und Köln, im April 1958 Ludwig Bergmann

Clemens Sehaefer

Inhaltsübersicht I. Kapitel. Elektrostatik 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18.

Die Grunderscheinungen bei der Elektrisierung durch Reibung Die einfachsten Apparate zum Nachweis des elektrischen Zustandes Gleichheit der positiven und negativen durch Reibung erzeugten Ladungen ; Fluidumhypothese Sitz der elektrischen Ladung auf einem Leiter; Dichte der Elektrizität Coulombsches Gesetz; Einheit der Elektrizitätsmenge Das elektrische Feld; elektrische Kraftlinien; elektrischer Kraftfluß ; Gaußscher Satz Das Potential Kapazität Influenz Anwendungen der Influenz; Doppelplatte, Potentialsonden, Elektrophor Anwendungen der Influenz ; Kondensatoren Das elektrostatische Feld in einem Dielektrikum Polarisation der Dielektrika Die elektrische Energie; Kraftwirkungen im elektrostatischen Felde Die elektrostatischen Generatoren Piezo- und Pyroelektrizität Kontaktelektrizität Das elektrische Feld der Erde

1 3 6 7 10 13 18 26 27 30 33 41 50 61 68 71 76 86

II. Kapitel. Magnetostatik 19. 20. 21. 22. 23. 24.

Grundtatsachen; Analogien und Differenzen zur Elektrostatik Coulombsches Gesetz ; magnetische Feldstärke Kraftlinien; Kraftfluß; magnetisches Potential Magnetstab im homogenen Magnetfeld ; Messung der Feldstärke und des magnetischen Momentes Magnetisches Feld der Erde Einfluß der Materie auf die magnetischen Erscheinungen; para-, dia- und ferro magnetische Stoffe; magnetische Induktion, Magnetisierung

90 93 96 100 103 107

III. Kapitel. Stationäre elektrische Ströme 26. Begriff des elektrischen Stromes; Stromstärke; Stromdichte 122 26. Ohmsches Gesetz 126 27. Anwendungen des Ohmschen Gesetzes ; Kirchhoffsche Sätze über Stromverzweigungen ; Spannungsteilung, Potentiometer, Wheatstonesche Brücke 141 28. Stromarbeit; Stromwärme; Joulesches Gesetz; Peltier-Effekt; chemische Umsetzungen 149 29. Thermoelektrizität; Peltier-und Thomson-Effekt 156 IV. Kapitel. Das elektrische and magnetische Feld stationärer Ströme 30. 31. 32. 33. 34. 36. 36. 37. 38. 39.

Das elektrische Feld stationärer Ströme Oerstedscher Versuch; Magnetfeld eines geradlinigen Stromleiters Biot-Savartsches Elementargesetz Äquivalenz von Strömen und Magneten; Ampères Molekularströme Die verschiedenen Maßsysteme der Elektrodynamik und ihre Beziehungen zueinander Magnetfeld von Spulen ; Elektromagnete Die Eigenschaften der ferro magnetischen Stoffe Bewegung eines Stromleiters im Magnetfeld Wirkung von Strömen aufeinander Der Verschiebungsstrom ; Hauptgleichung des Elektromagnetismus

164 167 177 183 187 191 207 216 224 230

VIII

Inhaltsübersicht V. Kapitel. Induktion

40. Grundtatsachen 41. Quantitative Fassung des Induktionsgesetzes 42. Einfache Anwendungen der Induktion; Erdinduktor; Messung magnetischer Felder; Messung der Permeabilität; magnetischer Spannungsmesser; Wechselspannungen; Wirbelströme; Theorie des Diamagnetismus . 43. Gegenseitige Induktion und Selbstinduktion; Anwendungen 44. Allgemeines über Wechselströme 46. Wechselstromkreis mit Ohmschem Widerstand, Selbstinduktion und Kapazität 46. Mehrphasenströme, magnetische Drehfelder 47. Transformatoren 48. Die elektrischen Maschinen 49. Die Maxwellschen Gleichungen

234 239 244 262 263 270 286 290 296 311

YI. Kapitel. Elektrisch« Schwingungen und Wellen 50. 61. 52. 53. 54.

Freie elektrische Schwingungen Erzeugung gedämpfter Schwingungen mittels der Funkenmethode Erzeugung ungedämpfter elektrischer Schwingungen • Erzwungene Schwingungen; Koppelungsschwingungen Ausbreitung elektrischer Wellen längs Leitungen; Lecher-System; Telegraphen- und Wellengleiehung 65. Elektromagnetische Raumwellen im Dielektrikum; offener Schwingungskreis; elektrischer Dipol und sein Strahlungsfeld; Hertzsche Versuche 56. Wesensgleichheit der elektromagnetischen Wellen mit den Lichtwellen; das elektromagnetische Spektrum 67. Anwendung der elektrischen Wellen in der drahtlosen Nachrichtenübermittlung; Ausbreitung der Wellen um die Erde

314 320 326 330 340 362 372 377

VII. Kapitel. Elektrolyse 58. 59. 60. 61. 62. 63.

Grundtatsachen; Mechanismus der Elektrolyse Die Faradayschen Gesetze der Elektrolyse Die Leitfähigkeit der Elektrolyte; Überführungszahlen und Beweglichkeit von Ionen Umwandlung chemischer Energie in elektrische; Theorie der galvanischen Elemente Elektrolytische Polarisation; sekundäre Elemente (Akkumulatoren) Die praktischen Anwendungen der Elektrolyse

383 389 396 407 413 419

V m . Kapitel. Gasentladungen 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70.

Das Leitvermögen der Gase; allgemeine Erörterungen 424 Unselbständige Entladung bei höheren Drucken 428 Unselbständige Elektrizitätsleitung im Hochvakuum 433 Die Natur der Elektrizitätsträger im Hochvakuum 437 Anwendungen der unselbständigen Elektrizitätsleitung im Hochvakuum 446 Die selbständige Stromleitung in Gasen bei niedrigem Druck 450 Die selbständige Elektrizitätsleitung in Gasen bei hohem Druck; Spitzen- und Büschelentladung, Funken, Lichtbogen 466 IX. Kapitel. Stromleitung in festen Körpern

71. 72. 73. 74.

Die metallische Leitung Die elektrische Leitung in Kristallen und Halbleitern Technische Anwendung von Halbleitern: Sperrschichtgleichrichter: Transistoren Die lichtelektrische Leitung in Kristallen und Halbleitern Namenregister Sachregister

477 488 493 497 500 501

I. K a p i t e l

Elektrostatik 1. Die Grunderscheinungen bei der Elektrisierung durch Reibung Wenn man einen Hartgummistab mit einem Wollappen oder einem Fell reibt und den geriebenen Stab kleinen leichten Körpern (Papiersehnitzeln, Korkstückchen usw.) nähert, so beobachtet man, daß diese Körper von dem Hartgummistab angezogen werden. Es hat sich also der Zustand des Hartgummistabes derart verändert, daß von seiner Oberfläche Kraftwirkungen ausgehen. Bereits im Altertum hat (angeblich) T h a i e s v o n M i l e t eine solche Beobachtung an geriebenem Bernstein gemacht; da der griechische Name von Bernstein fjXsx-cpov ist, spricht man von einer „ E l e k t r i s i e r u n g " oder dem „ e l e k t r i s c h e n Z u s t a n d e " oder der „ e l e k t r i s c h e n L a d u n g " des geriebenen Körpers und bezeichnet das ganze Gebiet als „Elektrizitätslehre". Wenn man alle möglichen Körper in dieser Weise behandelt, so findet man, daß sie nach ihrem Verhalten in zwei Klassen gesondert werden können. Die erste Klasse ist dadurch charakterisiert, daß es keiner besonderen Vorsichtsmaßregeln bedarf, um die Körper in den „elektrischen" Zustand zu versetzen. Man kann die dieser Gruppe angehörigen Stoffe z. B. einfach dadurch „elektrisieren", daß man sie in die Hände nimmt und aneinander reibt. Auch können sie dabei in direkter Verbindung mit der Erde sein. Zu den Stoffen dieser ersten Gruppe gehören Schwefel, alle Harze (Bernstein, Schellack, Siegellack), Hartgummi, Paraffin, Glas, Glimmer, Seide, trockenes Papier usw. Zu der zweiten Klasse von Substanzen, die durch die beschriebene primitive Behandlungsart nicht „elektrisch" werden, gehören in erster Linie die Metalle, ferner Kohle, der menschliche Körper, feuchtes Holz usw. Es hat lange Zeit gedauert, bis man die Bedingungen erkannte, unter denen diese letzteren Stoffe, z.B. die Metalle, überhaupt „elektrisch" werden können. G r a y fand im Jahre 1727, daß sie weder mit dem menschlichen Körper noch mit der Erde in direkter Verbindung sein dürfen, sondern von ihnen durch Stoffe der ersten Gruppe getrennt sein müssen. Will man also einen Metallstab durch Reiben mit einem Seidenlappen „elektrisieren", so muß man den Metallstab mit einem Handgriff aus Glas oder Hartgummi versehen. Auf diese Weise vermeidet man eine direkte oder durch den menschlichen Körper vermittelte Berührung mit der Erde; man muß daraus schließen, daß eine solche den elektrischen Zustand des Metallstabes vernichtet. Letzteres geschieht allerdings auch bei den Körpern der ersten Gruppe, aber mit einem sehr wesentlichen Unterschiede. Ein Metall braucht nur an einer einzigen Stelle direkt oder indirekt mit der Erde in Kontakt gebracht zu werden, um sofort in seiner ganzen Ausdehnung unelektrisch zu werden; dagegen verlieren die Stoffe der ersten Gruppe ihren elektrischen Zustand nur an den Stellen, die mit der Erde in Berührung sind, während er ihnen an den anderen, wenn auch dicht benachbarten Stellen erhalten bleibt. Im engsten Zusammenhang damit steht ferner die Tatsache, daß Metalle, wenn sie unter den oben angeführten Vorsichtsmaßregeln auch nur an einer Stelle gerieben werdeil, sofort in ihrer ganzen Ausdehnung elektrisch werden, während ein der ersten Gruppe zugehöriger Körper nur an den geriebenen Stellen die Fähigkeit erlangt, andere leichte Körperchen anzuziehen. Man drückt diesen Sachverhalt am einfachsten dadurch aus, daß man den Körpern zweiter Klasse, insbesondere den Metallen, die Eigenschaft zuschreibt, den durch Reiben erzeugten elektrischen Zustand von den geriebenen Stellen zu allen anderen Punkten des betreffenden Körpers „ f o r t - , z u l e i t e n " , während man den Körpern erster Klasse diese Fähigkeit abspricht. Letztere heißen deshalb Nichtleiter oder Isolatoren, die Körper der zweiten Klasse Leiter des elektrischen Zustande*. Da der menschliche Körper zu den Leitern gehört, ist es klar, weshalb ein Metall auch gegen diesen 1 Experimentalphysik II

2

I. Kapitel. Elektrostatik

vermittels eines Nichtleiters „isoliert" sein muß; die auf dem Metall durch Reibung erzeugte Elektrizität würde durch den menschlichen Körper zur Erde abgeleitet und damit der geriebene Leiter wieder unelektrisch werden. Verbindet man anderseits einen auf einem isolierenden Glasstativ aufgestellten ungeriebenen Metallkörper, von dem also keinerlei Kraftwirkungen ausgehen, durch einen Metalldraht etwa mit einer geriebenen Glasstange, so zeigt der Metallkörper in seiner ganzen Ausdehnung Elektrisierung, d.h. es werden dann von allen Stellen seiner Oberfläche leichte Körperchen angezogen. Wir haben also die Möglichkeit, den elektrischen Zustand sowohl mittels eines Leiters zu Ubertragen oder sein Abfließen zur Erde durch einen Isolator zu verhindern. Zwischen Leitern und Nichtleitern gibt es in Wirklichkeit keine strenge Grenze, es bestehen vielmehr alle Arten von Zwischenstufen, von den besten bis zu den schlechtesten Leitern. Als gute Leiter des elektrischen Zustandes gelten die Metalle, ferner Kohle, Wasser, Säure- und Salzlösungen, der menschliche Körper sowie stark erhitzte Gase; weniger gut leiten Holz, Marmor, Papier, Stroh, Alkohol; Nichtleiter sind u. a. Glas1), Quarz, Porzellan, Hartgummi, Harze, Schwefel, Bernstein, Seide, öle, Luft, Wasserdampf und andere Gase. Daß Luft die Elektrizität nicht leitet, ist ja geradezu die Voraussetzung dafür, daß es überhaupt möglich ist, einen etwa durch Reiben eines Glasoder Hartgummistabes erzeugten elektrischen Zustand zu beobachten. Wäre die Luft nämlich ein Leiter, so würde der soeben erzeugte elektrische Zustand sofort wieder abgeleitet werden und sich der Wahrnehmung entziehen. Stark erhitzte Luft oder Flammengase leiten dagegen gut, was sich z. B. dadurch zeigen läßt, daß man einen geriebenen Hartgummistab durch eine Bunsenflamme zieht oder in einen heißen Luftstrom bringt: er wird sofort unelektrisch. Praktisch macht man beim Experimentieren von der Leitfähigkeit erhitzter Gase Gebrauch, um unerwünschte Elektrisierung von Isolatoren zu beseitigen. Wir haben bisher den elektrischen Zustand geriebener Körper nachgewiesen durch die Beobachtung der Kraftwirkungen auf leichte Papierschnitzelchen usw. Wir wollen von jetzt ab die Kraftwirkungen zwischen den geriebenen Körpern selbst untersuchen, hängen einen geriebenen Hartgummistab waagerecht auf (Abb. 1) und nähern seinem einen Ende einen auf gleiche Weise geriebenen zweiten Hartgummistab; beide Stäbe befinden sich also nach dem Gesagten im „elektrischen Zustande". Wir beobachten eine kräftige Abstoßung der einander genäherten Stabenden. Nähern wir aber dem aufgeJ hängten Hartgummistab einen geriebenen, d. h. ebenfalls elekAbb. 1. Drehbar aufgehängter irisierten Glasstab, so findet eine starke Anziehung statt. Hartgummistab während schließlich zwei auf gleiche Weise geriebene Glasstäbe, von denen wir den einen freibeweglich aufhängen, sich gegenseitig ebenso abstoßen wie die beiden geriebenen Hartgummistäbe. Dies führt zu der Auffassung, daß es zwei verschiedene, einander polar entgegengesetzte elektrische Zustände gibt, die man früher als den „ h a r z e l e k t r i s c h e n " und „ g l a s e l e k t r i s c h e n " bezeichnete ( D u f a y , 1734). Dann können wir die oben angeführte Beobachtung folgendermaßen aussprechen: Gleichartig elektrisierte Körper stoßen sich ab, ungleichartig elektrisierte ziehen sich an. Da der Vorgang der Reibung ein wechselseitiger ist, wird nicht nur der geriebene Körper, sondern auch das „Reibzeug" elektrisch. Nähert man einem nach Abb. 1 aufgehängten geriebenen Glasstab das zum Reiben benutzte Stück Seide, so wird der Glasstab angezogen, während von dem gleichen Stück Seide ein mit einem Wollappen geriebener Hartgummistab abgestoßen wird. Aus diesem Versuch folgt, daß zwei verschiedene aneinander geriebene Körper stets beide und zwar ungleichartig elektrisch werden. Wir werden später zeigen (S. 5), daß die elektrischen Zustände aneinander geriebener Körper auch gleich stark sind, daß daher ihre gemeinsame Kraftwirkung sich nach außen aufhebt. Die Polarität der beiden elektrischen Zustände ist also die analoge, wie *) Dies gilt allerdings nicht von allen Glassorten. Gläser bestimmter Zusammensetzung können die Elektrizität leiten. Außerdem kommt es häufig vor, daß infolge von Hygroskopie sich auf der Glasoberfläche eine Wasserhaut bildet, die die Elektrizitätsleitung übernimmt. Dies kann man verhindern, indem man die Glasoberfläche mit einem Schellacküberzug versieht.

2. Die einfachsten Apparate zum Nachweis des elektrischen Zustandes

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zwischen den positiven und negativen Zahlen; dies hat dann dazu geführt, daß man (willkürlich) den einen, und zwar den glaselektrisehen als positiven, den harzelektrischen als negativen elektrischen Zustand bezeichnet, und kurz von positiver und negativer Elektrisierung oder Ladung spricht. Ob ein bestimmter Körper durch Reiben positiv oder negativ elektrisch wird, hängt von dem Partner ab, mit dem er gerieben wird. Z. B. wird Glas positiv elektrisch beim Reiben mit Seide oder einem amalgamierten Lederlappen, dagegen negativ elektrisch beim Reiben mit Pelzwerk oder Wolle; Hartgummi wird an Wolle oder Pelzwerk gerieben stets negativ, an Papier gerieben aber meist positiv. Übrigens kommt es nicht nur auf die stoffliche Natur des Körpers, sondern auch auf seine Oberflächenbeschaffenheit an. Schleift man die Hälfte eines polierten Glasstabes matt, so wird dieses Ende beim Reiben mit Wolle negativ elektrisch, während die polierte Hälfte mit dem gleichen Reibzeug positiv elektrisch wird. Daß auch pulverförmige Stoffe durch Reiben elektrisch werden, zeigt folgender Versuch: Zerstäubt man ein Gemisch aus gleichen Teilen Mennige und Schwefelpulver durch ein Stück Gaze hindurch, so wird Schwefel negativ, Mennige positiv elektrisch. Läßt man das Gemisch auf zwei nebeneinander liegende geriebene Stäbe aus Glas und Hartgummi fallen, so bleibt der gelbe Schwefel am Glas, die rote Mennige am Hartgummi haften (siehe hierzu S. 72). Es werden ferner nicht nur feste Stoffe elektrisch, sondern auch Flüssigkeiten, worauf wir in Nr. 3 zurückkommen. Hier sei nur folgender einfacher Versuch genannt: Schüttelt man in einer evakuierten Glasröhre Quecksilber, so bemerkt man im Dunkeln ein intensives Leuchten der Röhre, dessen Ursache, wie wir später zeigen werden, auf dem Auftreten von elektrischen Zuständen entgegengesetzten Vorzeichens zwischen Quecksilber und Glas beruht. Dagegen lassen sich Gase durch Reibung nicht elektrisieren; den Grund hierfür können wir erst später in Kap. 8 angeben. 2. Die einfachsten Apparate z u m Nachweis des elektrischen Zustandes D a der Mensch kein Organ zum Erkennen des elektrischen Zustandes besitzt, sind besondere Apparate dazu erforderlich, die man Elektroskope n e n n t ; sie beruhen auf den oben beschriebenen Kraftwirkungen. Die einfachste Ausführung ist das e l e k t r i s c h e D o p p e l p e n d e l (Abb. 2). Zwei kleine, möglichst leichte, mit einem dünnen Metallüberzug versehene Kügelchen sind an dünnen Leinenfäden oder mit sehr dünnen Drähten an einem Metallbügel aufgehängt, der am oberen Ende eines isolierenden Stativs befestigt ist. Wird der Metallbügel elektrisch geladen, so teilt sich der elektrische Zustand den beiden Kügelchen mit, und diese stoßen sich infolge der Gleichnamigkeit ab (in Abb. 2 gestrichelt gezeichnet). Diese Abstoßung ist um so größer, je stärker der mitgeteilte elektrische Zustand ist. Eine empfindlichere Anordnung ist das B l ä t t c h e n - E l e k t r o s k o p nach A. B e n n e t , 1786(Abb. 3). I m Innern eines meist zylindrischen auf beiden Seiten durch Glasscheiben abgedeckten Metallgehäuses hängen an einer von oben isoliert eingeführten Metallstange zwei schmale Blättchen aus Blattgold oder Aluminiumfolie; die Metallstange Abb. 2. Abb. 3. trägt meistens oben eine Kugel (oder Elektrisches Doppelpendel Blättchen-Elektroskop Platte). Wird die Kugel mit einem elektrischen Körper berührt, so geht ein Teil seines elektrischen Zustandes auf Kugel, Stange und Blättchen über, und letztere divergieren um so mehr, je kräftiger der elektrische Zustand des herangebrachten Körpers ist. Häufig ist unterhalb der Blättchen eine Skala angebracht, auf 1*

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I. Kapitel. Elektrostatik

der sich die Größe des Ausschlages der Blättchen ablesen läßt; dadurch wird das Instrument zum E l e k t r o m e t e r . Statt zweier beweglicher Leiter benutzt man vielfach nur einen beweglichen Leiter, der von einem festen abgestoßen wird. Bei dem B r a u n s c h e n E l e k t r o m e t e r (Abb. 4) wird ein leichter in Spitzen gelagerter Aluminiumanzeiger von einem vertikalen festen Leiter abgestoßen, wenn diesem eine elektrische Ladung zugeführt wird (F. B r a u n , 1891). Ein sehr empfindliches Elektrometer ist das W u 1 f s c h e Z w e i f a d e n e 1 e k t r o m e t e r (Th. Wu 1 f , 1907), dessen Aufbau aus der schematischen Abb. 5 hervorgeht. Durch die Deckplatte eines

Abb. 4. Braunsches Elektrometer

Abb. 5. Zweifadenelektrometer nach Wulf

Abb. 6. Bohnenbergersches Elektroskop

Metallgehäuses A ist, mittels Bernstein isoliert, ein Metallstift E geführt, der an seinem oberen Ende die Anschlußklemme Kt trägt, und von dessen unterem Ende zwei sehr dünne Drähte von etwa 4 Durchmesser und etwa 8 cm Länge herabhängen. Die beiden Drähte sind mit ihren unteren Enden an einem elastischen Quarzbügel Q befestigt, durch den sie schwach gespannt werden. Führt man den Fäden Fv F2 über die Klemme Kl eine elektrische Ladung zu, so spreizen sie sich auseinander (gestrichelte Lage in Abb. 5). Ihr gegenseitiger Abstand kann in der Fadenmitte, wo er am größten ist, mit Hilfe eines Mikroskops mit Okularmikrometer sehr genau gemessen werden. Damit die Fäden beim Auseinandergehen in der Bildebene des Mikroskops bleiben, sind beiderseits in der Fadenebene zwei Schneiden S1 und S2 angebracht, die mit dem über Klemme K2 zu erdenden Gehäuse leitend verbunden sind und somit die geladenen Fäden anziehen. Die bisher beschriebenen Instrumente zeigen zwar das Vorhandensein und die Stärke eines elektrischen Zustandes an, liefern aber nicht sein Vorzeichen. Letzteres leistet z.B. das B o h n e n b e r g e r s c h e E l e k t r o s k o p (Abb. 6). Zwischen zwei Platten (sog. Elektroden) E1 und E2 hängt an einer von oben isoliert eingeführten Metallstange S ein einzelnes schmales Aluminiumblättchen. Die beiden Elektroden El und E2 sind durch eine besondere, meist im Gerät eingebaute Elektrizitätsquelle (z. B. Zambonisäule, siehe S. 85) dauernd, die eine positiv, die andere negativ, geladen. Infolgedessen wird das Aluminiumblättchen bei positiver Aufladung von der einen Elektrode abgestoßen und von der anderen angezogen; bei negativer Aufladung führt es den entgegengesetzten Ausschlag aus, so daß die Richtung des Ausschlages einen Schluß auf das Vorzeichen der Ladung

3. Gleichheit der positiven und negativen durch Reibung erzeugten Ladungen

5

zuläßt. — In ähnlicher Weise wird auch das oben beschriebene Zweifadenelektrometer (Abb. 5) zu einem E i n f a d e n e l e k t r o m e t e r , wenn man die beiden Fäden durch einen einzigen ersetzt, die beiden Metallschneiden und S2 isoliert einfährt und in irgendeiner Weise positiv und negativ auflädt. Der Faden wird dann je nach dem Vorzeichen der ihm zugeführten Ladung nach rechts oder links abgelenkt. Steht ein solches polarisiertes Elektroskop nicht zur Verfügung, so läßt sich das Vorzeichen eines elektrischen Zustandes auch mit einem gewöhnlichen Elektroskop prüfen, indem man diesem zunächst einen dem Vorzeichen nach bekannten elektrischen Zustand mitteilt, so daß seine Blättchen etwas divergieren. Nähert man dann dem Elektroskop die zu prüfende Ladung, so zeigt stärkeres Divergieren der Blättchen, daß es sich um Elektrisierung gleichen Vorzeichens handelt, während Zusammensinken der Blättchen auf solche von entgegengesetztem Vorzeichen schließen läßt.

/

3. Gleichheit der positiven und negativen durch Reibung erzeugten Ladungen; Fluidumshypothese

Wir behaupteten bereits auf S. 2, daß die bei Reibung zweier Stoffe aneinander erzeugten entgegengesetzten elektrischen Zustände von gleicher Stärke seien. Dies können wir unter Benutzung eines Elektroskops durch folgende Versuche beweisen. Schiebt man lose über einen Glasstab ein Stück weichen Gummischlauch und reibt mit diesem auf dem Glasstab hin und her, so zeigt ein Elektroskop, das man mit dem Glasstab und dem noch darauf befindlichen Gummischlauch berührt, keine elektrische Wirkung an. Trennt man aber Glasstab und Gummischlauch und berührt mit ihnen einzeln ein polarisiertes Elektroskop, so erweist sich ersterer als positiv, letzterer als negativ geladen. Erneut übereinandergeschoben ist die resultierende Wirkung wieder gleich Null: Es sind demnach beim Reiben beide elektrischen Zustände in genau gleicher Stärke erzeugt worden. — Setzt man auf ein Elektroskop eine waagerechte ebene Metallplatte und legt man darauf eine ebenfalls ebene Paraffin- oder Gummiplatte, so zeigt das Elektroskop keinen Ausschlag, wenn man die Paraffin- oder Hartgummiplatte durch Drehen mit der Metallplatte reibt, d.h. beide elektrisiert. Hebt man aber die Paraffin- oder Hartgummiplatte ab, so erhält man sofort einen kräftigen Ausschlag am Elektroskop, der wieder verschwindet, wenn man die bewegliche Platte wieder auf die feste des Elektroskops aufsetzt. Auch dieser Versuch zeigt, daß durch Reibung die entgegengesetzten elektrischen Zustände in gleicher Stärke erzeugt werden. — Verbindet man mit einem Elektroskop einen isoliert aufgestellten Metallbecher, der mit Wasser gefüllt ist, und taucht eine an isolierendem Griff gehaltene Paraffinkugel in das Wasser, so zeigt das Elektroskop beim Herausziehen einen Ausschlag; dieser Ausschlag wird wieder Null, wenn man die Kugel in das Wasser zurücktaucht. Wasser und Paraffin haben also bei diesem Versuch gleich große, aber entgegengesetzte Ladungen erhalten. Der Versuch gelingt auch, wenn man Paraffin und Wasser durch beliebige nichtleitende oder leitende Stoffe ersetzt; Paraffin hat die Besonderheit, daß es von Wasser nicht benetzt wird ( B a n d I, S . 3 2 2 ff).

Dieser letzte Versuch zeigt noch etwas anderes: Beim Eintauchen des Paraffins in die Flüssigkeit spielt die geringe Reibung gar keine Rolle; für die E n t s t e h u n g des e l e k t r i s c h e n Z u s t a n des beim Herausziehen der Kugel ist n i c h t der V o r g a n g der R e i b u n g , sondern die i n n i g e B e r ü h r u n g zwischen P a r a f f i n und W a s s e r die Ursache. Bei festen Stoffen läßt sich eine solch innige Berührung wegen der stets vorhandenen mikroskopischen Rauhigkeit der Oberfläche nur durch kräftiges Zusammendrücken und gleichzeitiges Reiben erzielen; erst dadurch gelingt es, größere Teile der beiden Oberflächen zur wirklichen Berührung zu bringen. Auch hier ist es der innige Kontakt, der den Zustand der Elektrisierung herbeiführt. Die Bezeichnung „ R e i b u n g s e l e k t r i z i t ä t " trifft daher nicht den Kern der Sache; es wäre sachgemäß, von B e r ü h r u n g s - oder K o n t a k t e l e k t r i z i t ä t zu sprechen. Wir kommen später (S. 76) auf diese Frage noch ausführlich zurück. Zur Erklärung der bisher besprochenen Erscheinungen hat man sich schon früh die Hypothese gebildet, daß die elektrische Wirkung einem Stoff zuzuschreiben sei, dessen Verteilung beim Vorgang der „Reibung" auf den geriebenen Körpern geändert wird. Man nahm die Existenz einer ge-

I. Kapitel. Elektrostatik

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wiclitslosen Flüssigkeit, eines sog. imponderablen Fluidums an, dem man den Namen Elektrizität gab. Die unitarische Theorie von B e n j a m i n F r a n k l i n (1765) setzt e i n e Art eines solchen Fluidums voraus; man muß also annehmen, daß dieses in einer ganz bestimmten Normalmenge auf allen Körpern vorhanden sei, damit sie unelektriseh erscheinen. Beim Prozeß der „Reibung" zweier Körper aneinander soll dann von dem einen Körper auf den anderen eine bestimmte Menge dieses Fluidums übergehen, so daß der letztere ein Plus an Elektrizität, der erstere ein ebenso großes Minus hat. P o s i t i v e L a d u n g b e d e u t e t a l s o ein Z u v i e l an F l u i d u m , n e g a t i v e e i n Z u w e n i g , v e r g l i c h e n m i t d e r n o r m a l e n M e n g e d e s s e l b e n . — • Umgekehrt nimmt die dualistische Theorie von R. S y m m e r (1759) zwei verschiedene Fluida, der positiven und negativen Elektrizität entsprechend, als vorhanden an. E i n u n e l e k t r i s c h e r K ö r p e r m u ß d a n n v o n beiden A r t e n gleiche Mengen e n t h a l t e n . B e i der innigen B e r ü h r u n g zweier K ö r p e r g e h t i n f o l g e m o l e k u l a r e r K r a f t w i r k u n g e n a u f den e i n e n K ö r p e r p o s i t i v e , a u f den a n d e r e n e i n e g l e i c h e M e n g e n e g a t i v e r E l e k t r i z i t ä t ü b e r . Beide Hypothesen ermöglichen, wie man sieht, die Erklärung der einfachsten elektrischen Erscheinungen. Bedienen wir uns der bequemen Ausdrucksweise halber z. B . der dualistischen Hypothese, so bekommt die Bezeichnung „ e l e k t r i s c h e L a d u n g " einen bestimmten Sinn, indem man darunter die auf den elektrisierten Körpern im Überschuß befindliche Menge von Fluidum versteht. Diese Elektrizitätsmengen haften bei den Isolatoren fest an den geriebenen Stellen, während sie auf den Leitern als frei beweglich angenommen werden müssen. Freilich müssen wir erst lernen, die Elektrizitätsmengen zu messen (S. 12); denn erst dadurch wird diese Vorstellung wissenschaftlich brauchbar. Wir werden später eine Reihe von Versuchen kennenlernen, die beweisen, daß das, was wir Elektrizität nennen, korpuskularer Natur ist. Das kleinste elektrische Elementarteilchen negativen Vorzeichens nennen wir ein E l e k t r o n . Auf die Größe seiner elektrischen Ladung kommen wir zurück, wenn wir die Einheit der Elektrizitätsmenge (S. 12) festgesetzt haben. Nach der modernen Vorstellung vom Aufbau der Materie ist diese im wesentlichen elektrischer Natur. Jedes Atom besteht aus einem positiven Kern, der den überwiegenden Teil der Atommasse enthält und dessen elektrische Ladung ein ganzes Vielfaches der Elementarladung beträgt. Die Größe der positiven Kernladung ist durch die Ordnungszahl des betreffenden Elementes im periodischen System gegeben (s. die Tabelle auf S. 302 des 1. Bandes). Danach hat das Wasserstoffatom die positive Ladung 1, das Heliumatom die Ladung 2, das Sauerstoffatom die Ladung 16 und das Uranatom die Ladung 92. Bei einem neutralen Atom wird diese positive Ladung von einer entsprechenden Zahl negativer Elementarteilchen (Elektronen) neutralisiert, die in einer Hülle den Atomkern umgeben. Dadurch ist nach außen die elektrische Wirkung Null. Entfernt man von den Atomen eines Stoffes etwa durch „Reiben" mit einem anderen Stoff Elektronen, so wird der geriebene Körper infolge des Fehlens negativer Elektrizitätsteilchen positiv elektrisch, während der andere Körper, auf den die Elektronen übergehen, negativ elektrisch wird. Auch aus diesen Überlegungen folgt, daß bei der E r z e u g u n g e i n e s e l e k t r i s c h e n Z u s t a n d e s n i e m a l s e i n e E l e k t r i z i t ä t s a r t a l l e i n a u f t r e t e n kann, sondern daß stets gleich große Ladungen e n t g e g e n g e s e t z t e n Vorz e i c h e n s v o n e i n a n d e r g e t r e n n t w e r d e n . Dies führt zu dem Satz: 1 f In der Welt ist die Summe aller positiven und i negativen elektrischen Ladungen unveränderlich. l i" ( S a t z v o n der E r h a l t u n g d e r E l e k t r i z i t ä t . ) Atome bzw. Moleküle, die eine elektrische Ladung zeigen, heißen zum Unterschied von neuAbb. 7. Auftreten elektrischer Ladungen tralen Korpuskeln „Ionen" ( A t o n i i o n e n bzw. durch Druck oder Dehnung Molekülionen). Für das Auftreten elektrischer Ladungen auf einem Körper ist es übrigens nicht unbedingt notwendig, Elektronen aus den Atomen zu entfernen bzw. hinzuzufügen, sondern es genügt, eine Verschiebung von negativ geladenen Atomen gegen positive geladene Atome etwa durch mechanischen Druck oder Dehnung bzw. thermische Ausdehnung hervorzurufen: dies zeigen die Erscheinungen der Piezo- und Pyroelektrizität, von denen in Nr. 16 ausführlich die Rede sein wird. Denken wir uns

'~2J ) '3 J

6 l'l'

r1]

bzw. im absoluten Maßsystem [q] = [g'l> cm'/« sec" 1 ]. Von dieser Einheit, die keinen besonderen Namen führt, lassen sich die Einheiten aller anderen elektrischen Größen ableiten, die damit sämtlich auf die mechanischen Grundeinheiten Masse, Länge, Zeit zurückgeführt sind. M a n n e n n t d a s d u r c h die G a u ß s c h e F e s t s e t z u n g : „/ d i m e n s i o n s l o s und gleich 1 " c h a r a k t e r i s i e r t e M a ß s y s t e m das e l e k t r o s t a t i s c h e . E s sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Einführung dieses Maßsystems natürlich vollkommen willkürlich ist; es stellt nur eine von unendlich vielen Möglichkeiten dar und hat den Vorteil, daß die Formeln übersichtlich und einfach werden. Wir werden später noch ein anderes Maßsystem kennenlernen, bei dem f = c2 ist, wobei e die Dimension einer Geschwindigkeit vom Betrag 3 • 10 1 0 cm/sec besitzt. ' ) Im N e w t o n s c h e n Gravitationsgesetz (Band I, S. 101 Gl. 79) ist dies anders: Die Gravitationskonstante ist vollkommen bestimmt, weil die Masse als Grundeinheit von vornherein eingeführt ist, während Gl. (2) hier die Elektrizitätsmengen erst definiert.

6. Das elektrische Feld; elektrische Kraftlinien; elektrischer Kraftfluß

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Da die elektrostatische Einheit der Elektrizitätsmenge für fast alle praktischen und besonders technischen Zwecke einen zu kleinen Wert darstellt, hat man als größere Einheit das ( a b s o l u t e ) Coulomb (C) gewählt. Es ist (3) 1 C ols = 3• 10 9 gl* cm'/.secr 1 = 3 • 10«elektrost. Ladungseinheiten. Von der Größe eines Coulomb bekommt man einen anschaulichen Begriff, wenn man nach dem Coulombschen Gesetz die Kraft berechnet, die zwei elektrische Ladungen von je 1 Coulomb in einer Entfernung von 1 km aufeinander ausüben. Man erhält dafür den ungeheuren Wert: K = L i i ü l L : . 1 0 9 dyn = 9 • 10» dyn ~ 900kp! (10«)» Die kleinste in der Natur vorkommende Elektrizitätsmenge, das sog. elektrische Elementarquantum, ist die Ladung eines Elektrons, worauf wir bereits auf S. 6 hinwiesen. Sie beträgt e = 4,806- l(h 1 0 ¡7'/. cm''« sec -1 (oderelektrostatische Einheiten) = 1,6- 10 - 1 9 Coulomb. Auf die Verfahren, sie zu bestimmen, kommen wir später zurück. Bei der experimentellen Herstellung des Coulomb mittels Elektrolyse (vgl. Nr. 59) ist der Faktor 3 • 10", der die Beziehung zur elektrostatischen Einheit vermittelt, ebensowenig genau getroffen worden, wie seinerzeit bei Herstellung des Meterprototyps dieses genau die beabsichtigte Länge von 10- 7 Erdquadranten hatte. Das gesetzlich im Deutschen Reiche festgelegte und international geltende sog. i n t e r n a t i o n a l e C o u l o m b hängt mit dem a b s o l u t e n in folgender Weise zusammen (auf vier Stellen nach dem Komma genau):

(3 a)

1 Cint = 0,9999 CW

Bei sehr genauen Messungen muß auf diese Differenz Rücksicht genommen werden.

6. Das elektrische Feld; elektrische Kraftlinien; elektrischer Kraftfluß; Gaußscher Satz Die Form des Coulombschen Gesetzes legt die Vorstellung nahe, als ob die Kräfte zwischen den beiden aufeinander wirkenden Ladungen den Raum zeitlos übersprängen: denn in dem Gesetz ist ja nur von den Orten der Ladungen die Rede, es wird aber in keiner Weise der dazwischenliegende Raum zur Betrachtung herangezogen. Es sieht also so aus, als ob die Kräfte ihren Ursprung am Ort der einen Ladung hätten und von dort in die Ferne, d. h. auf die andere Ladung wirkten. Die Vorstellung von e l e k t r i s c h e n F e r n k r ä f t e n wurde besonders durch die formale Ubereinstimmung zwischen dem Coulombschen Gesetz und dem Newtonschen Gravitationsgesetz (Band I, S. 101) bestärkt und diente lange Zeit als Arbeitshypothese. Im Gegensatz zu dieser F e r n w i r k u n g s t h e o r i e steht die Nahewirkungstheorie von Faraday; danach soll ein zwischen den elektrischen Ladungen im Raum befindliches Medium die elektrische Kraftwirkung vermitteln. Wenn keine Ladungen vorhanden sind, befinde sich dieses Medium in einer Art Normalzustand, in dem es sich nicht bemerkbar macht. Erzeugt man aber an irgendeiner Stelle eine elektrische Ladung, so soll diese das Medium in einen veränderten Zustand versetzen, der sich dann durch eine Kraftwirkung auf eine andere elektrische Ladung gemäß dem Coulombschen Gesetz bemerkbar mache. Wir können uns diesen b e s o n d e r e n Z u s t a n d des Mediums als eine A r t S p a n n u n g s z u s t a n d v o r s t e l l e n , wie wir ihn von den e l a s t i s c h e n Medien her k e n n e n , wo eine an einem Punkt angreifende Kraft durch die Deformation des elastischen Mediunis an andere Stellen übertragen wird. Man muß sich aber hüten, zu glauben, daß dieser elektrische Zwangszustand mechanisch vorstellbar und verständlich sei: E i n e m e c h a n i s c h e E r k l ä r u n g dieses Zwangsz u s t a n d e s um eine e l e k t r i s c h e L a d u n g h e r u m h a t sich n i c h t f i n d e n l a s s e n ; wir müssen ihn vielmehr als etwas sui generis betrachten. Man nennt diesen Zustand das elektrisehe Feld und spricht in diesem Sinne von elektrischen Feldwirkungen im Gegensatz zu den oben erwähnten Fernwirkungen. Der Unterschied zwischen beiden Theorien wird besonders klar, wenn wir eine einzelne elektrische Ladung betrachten. Nach der Fernwirkungstheorie kommt ihr keiner-

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I. Kapitel. Elektrostatik

lei Bedeutung zu; denn es muß erst eine zweite Ladung vorhanden sein, damit eine Kraftwirkung auftritt. Nach der Feldtheorie erzeugt dagegen bereits die einzelne Ladung um sich herum ein Feld, d. h. ein System von Spannungen. Aus Symmetriegründen übt dieses auf die erzeugende Ladung selbst keine Kraftwirkungen aus. Zum Nachweis dieses Feldes benötigen wir vielmehr eine zweite (Probe-) Ladung, die durch eine meßbare Kraftwirkung das Vorhandensein und die Stärke des Feldes angibt. Diese Hilfsladung erzeugt nun aber um sich herum ebenfalls ein Feld, das sich dem ersten Felde überlagert. Das resultierende Feld hat aber nicht mehr die Symmetrie des ursprünglichen, und so kommt es zu einer Kraftwirkung auf die Hilfsladung. Diese Kraft hängt also nicht nur von dem primären Felde, sondern auch von dem der Hilfsladung ab. Mit anderen Worten: Das zu untersuchende bzw. nachzuweisende Feld wird grundsätzlich stets durch die Hilfsladung gestört. Man kann aber diese Störung beliebig klein machen, wenn man die Hilfsladung und die Dimensionen des sie tragenden Körpers hinreichend klein macht. Eine derartige kleine elektrische Ladung zur Ausmessung elektrischer Felder nennen wir eine P r o b e ladung. Als Feldstärke oder Feldintensität oder auch als elektrische Kraft des e l e k t r i s c h e n F e l d e s b e z e i c h n e t m a n n u n d i e j e n i g e K r a f t , die d a s F e l d auf e i n e s e h r k l e i n e P r o b e l a d u n g q a u s ü b t , d i v i d i e r t d u r c h d i e s e L a d u n g q\ je kleiner q genommen wird, desto genauer ist die Feldmessung. Nennen wir die Feldstärke, die ein Vektor ist, nach Größe und Richtung g , so gilt also die Definitionsgleichung: (4)

g = lim

q

wenn die auf die Probeladung ausgeübte Kraft bedeutet. Man kann daher kurz sagen: Die Feldstärke ist die Kraft au! die positive Einheitsladung. Die Einheit der elektrischen Feldstärke im elektrostatischen Maßsystem ist also durch dasjenige Feld gegeben, in dem die positive Einheitsladung die Kraft von 1 Dyn erfährt. In einem Felde der Intensität g erfährt demnach eine hinreichend kleine Ladung q die K r a f t : (5)

S t = q * .

Diese Gleichung e n t h ä l t e b e n f a l l s die a l l g e m e i n e D e f i n i t i o n der F e l d s t ä r k e . Für die Dimension der elektrostatisch gemessenen Feldstärke ergibt sich: rrr

,

[g] =

[Kraft] [El.

bzw. im absoluten Maßsystem:

U ~ =

Menge]

[ m i t - 2J]

—=

[m'hl'l.t-1]

mV.

i-'/.i-i

[g] = [g'/, cm- 1 /, sec" 1 ].

Setzen wir in Gl. (2 b) für das Coulombsche Gesetz die eine Ladung gleich 1, so gibt die linke Seite die Kraft an, die die andere Ladung q auf die Ladung 1 im Abstand r ausübt. Mit anderen Worten: Der Betrag der Feldstärke einer punktförmigen Ladung q im Abstände r ist qjr2: (6)

l i l - J .

Die e l e k t r i s c h e F e l d s t ä r k e ist nach dem Gesagten ein V e k t o r . Das elektrische Feld ist demnach erst bestimmt, wenn an jeder Stelle des Raumes die Feldstärke nach Größe und Richtung bekannt ist. Konstruiert man im elektrischen Felde Kurven, deren Tangente in jedem Punkte mit der Richtung der dort herrschenden Feldstärke übereinstimmt, so geben diese elektrischen Kraftlinien oder elektrischen Feldlinien oder g-Linien ein anschauliches Bild von der Struktur des Feldes, das die Ladungen umgibt. Dabei kann man auch über die Stärke des Feldes etwas aussagen, wenn man nach Faraday die Zahl der Kraftlinien so beschränkt, daß durch eine zur Feldrichtung senkrechte Einheitsfläche nur soviel Kraftlinien hindurchgehen, wie der Vektor g an dieser Stelle Einheiten besitzt. D i e Z a h l d e r e i n e F l ä c h e n e i n h e i t s e n k r e c h t d u r c h s e t z e n d e n K r a f t l i n i e n g i b t s o m i t d e n B e t r a g d e r e l e k t r i s c h e n F e l d s t ä r k e an d i e s e r S t e l l e an. Ist ¿ F e i n beliebig orientiertes Flächenelement, dessen Normale w den Winkel r

6. Das elektrische Feld; elektrische Kraftlinien; elektrischer Kraftfluß

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mit der Richtung von ($ bildet, so ist demgemäß die Anzahl dN der dF durchsetzenden Feldlinien: