Lehrbuch der Experimentalphysik: Band 1 Mechanik, Akustik, Wärmelehre 9783111579689, 9783111207070


229 13 74MB

German Pages 634 [640] Year 1958

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Vorwort
Vorwort zur 2. und 3. Auflage
Vorwort zur 4. Auflage
Vorwort zur 5. Auflage
Inhaltsübersicht
Einleitung
Mechanik und Akustik
I . Kapitel. Maß und Messen
II. Kapitel. Mechanische Grundbegriffe; Mechanik des Massenpunktes
III. Kapitel. Mechanik eines Systems von Massenpunkten
IV. Kapitel. Anwendungen auf spezielle Bewegungen
V. Kapitel. Elastizität der festen Körper
VI. Kapitel. Mechanik der Flüssigkeiten und Gase
VII. Kapitel. Molekularphysik
VIII. Kapitel. Allgemeine Wellenlehre
IX. Kapitel. Akustik
Wärmelehre
X. Kapitel. Temperatur und Wärmemenge
XI. Kapitel. Mechanische Theorie der Wärme
Namen- und Sachregister
Recommend Papers

Lehrbuch der Experimentalphysik: Band 1 Mechanik, Akustik, Wärmelehre
 9783111579689, 9783111207070

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

L. Bergmann

• CI. Schaefer

Lehrbuch der Experimentalphysik Bandi

LEHRBUCH DER EXPERIMENTALPHYSIK ZUM G E B R A U C H BEI AKADEMISCHEN VORLESUNGEN U N D ZUM S E L B S T S T U D I U M

Von

Prof. Dr. Dr. med. h. c. L. Bergmann Universität Gießen u. Leitz-Werke Wetzlar und

Prof. Dr. Dr. rer. nat. h.c. Cl.Schaefer Universität Köln

I. Band

Mechanik • Akustik • Wärmelehre Mit 643 Abbildungen 5., durchgesehene und verbesserte Auflage

W A L T E R

DE

G R U Y T E R

&

CO.

vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer • Karl J . Trübner • Veit & Comp. B E R L I N

1958

© Copyright 1954, 1958 by Walter de Gruyter & Co., vorm. G. J . Göschen'sche Verlagshandlung, J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Beimer, Karl J . Trübner, Veit & Comp., Berlin W 35, Genthiner Straße 13 — Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen und der Übersetzung, vorbehalten - Archiv-Nr. 52 79 58 — P r i n t e d i n G e r m a n y — S a t z : Walter de Gruyter Gln = G {E^n), = G (Ez^i) > G22 — G {E2K2), • • • , Gin =G {E2Kn), Gpl = G (EpKj), GP2 = G(EpK2), . . . , Gpn = G(EPK„). Dabei bedeutet z. B. G32 das Gewicht des Körpers K2, wenn an der Stelle 3 der Erde gemessen wird. Alle diese Gewichte sind im allgemeinen v e r s c h i e d e n . Wenn wir aber nun die Gewichte aller Körper an zwei beliebigen Stellen (z. B. 2 und 1) der Erde miteinander vergleichen, so finden wir, daß die Verhältnisse ön'

G2 2 Ol'

023 Ö13'

G2n •••G l n

alle gleich s i n d , obwohl der e r s t e B r u c h sich auf Kl3 der z w e i t e auf K2 , . . . b e z i e h t . In den obigen V e r h ä l t n i s s e n hat sich also die von der Wahl der speziellen Körper herrührende Verschiedenheit von Zähler und Nenner h e r a u s g e h o b e n . Und dies kann nur der Fall sein, wenn in dem Ausdrucke Gpn = G(EP, K„) der Einfluß von K n m u l t i p l i k a t i v , d. h. als F a k t o r enthalten ist. Das gleiche läßt sich für den Einfluß der Meßstelle auf der Erde erweisen; denn auch die Gewichtsverhältnisse zweier beliebiger Körper (z. B. 2 und 1) an verschiedenen Stellen der Erde Gl 2 ölx '

2

ö21 '

G32 Ö 31

'

erweisen sich als gleich, obwohl Zähler und Nenner einzeln von Elt E% , . . . , Ep abhängig sind; also auch der Einfluß der Meßstelle tritt in G (E, K) als F a k t o r auf. Statt der Gl. (34) können wir daher jetzt genauer sehreiben: (35)

G=

gE-mK,

wobei der erste Faktor nur von der Meßstelle (£), der zweite nur von dem Körper (K) abhängt. Diese Gl. (35) bringt gerade das zum Ausdruck, daß bei Messungen an der gleichen Stelle der Erde, d. h. für = const, die Verhältnisse der Gewichte n u r von den Körpern K, bei Messung des gleichen Körpers, d. h. für mg = const, n u r von dem betreffenden Ort der Erde abhängen. Messen wir jetzt an der gleichen Stelle der Erdoberfläche, so sind die Zahlen werte mn als c h a r a k t e r i s t i s c h für den betreffenden Körper anzusehen. Bestimmen wir schließlich die Gewichte mehrerer Körper, z. B. von K3 und Kit gemeinschaftlich, so findet man: (35a)

G3+i = gE (ms + m4) .

Die Zahlen m^ sind demnach nicht nur c h a r a k t e r i s t i s c h für den betreffenden Körper, sondern sie verhalten sich auch a d d i t i v , d. h. die Zahl tn a + i , die der Kombination der Körper K3 und Ki zukommt, ist gleich (m3 + mt). Das sind aber gerade die Eigenschaften, auf Grund deren wir in Nr. 15 die damals auftretenden Faktoren mg als die „Massen" der betrachteten Körper bezeichnen konnten. D a s gleiche gilt a b e r a u c h h i e r : Wir dürfen auch die in dieser Nummer auftretenden Faktoren mg als Massen betrachten, mit dem gleichen Recht wie in Nr. 15. Und da diese Massen hier gewonnen wurden, indem wir von der Erfahrungstatsache ausgingen, daß alle Körper von der Erde angezogen werden, d.h. schwer sind, so nennen wir die hier eingeB e r g m a n n u. S c h a e f e r , Experimentalphysik. I.

4

II. Kapitel. Mechanische Grundbegriffe; Mechanik des Massenpunktes

führten Massen zum Unterschiede von den bisher benutzten trägen Massen, die schweren Massen und geben ihnen den Index s. Wir können also schließlich (35) schreiben: (36)

G = gm,.

mt ist dabei die schwere Masse des betrachteten Körpers, g erweist sich also — da G eine K r a f t ist — als proportional der Beschleunigung, die der Massenpunkt an der betreffenden Stelle der Erdoberfläche erfährt; in der Tat ist ja die Erdbeschleunigung, wie wir bereits in Nr. 12 erwähnten, von der geographischen Breite abhängig. E s i s t a b e r v o n v o r n h e r e i n n u n k e i n e s w e g s g e s a g t , d a ß m„ u n d mt e i n e s K ö r p e r s e t w a s m i t e i n a n d e r zu t u n h a b e n o d e r g a r i d e n t i s c h s i n d . D a r ü b e r k a n n n u r die E r f a h r u n g entscheiden. Ein Versuch kann z. B. so gemacht werden, daß man einen Körper vom Gewicht G — msg fallen, d . h . ihn durch die Erdanziehungskraft beschleunigen läßt. Setzt man daher in (32) für den Betrag der Kraft SJ das Gewicht G ein, so folgt aus (32) und (36) m,g = mta , d . h . die Fallbeschleunigung a muß sein: (37) Nun hat bereits G a l i l e i gefunden — siehe Nr. 12 -— daß die Fallbeschleunigung für a l l e Körper den g l e i c h e n W e r t (an der g l e i c h e n S t e l l e d e r E r d o b e r f l ä c h e ) hat. Wir wissen schon, daß der in (37) auftretende Faktor g an einer bestimmten Stelle der Erde konstant ist; damit also a selbst für alle Körper gleich ist, muß

selbst

eine universelle Konstante sein, die bei geeigneter Wahl der Maßeinheit gleich 1 gesetzt werden kann (und wird). Somit folgt aus der Gleichheit der Erdbeschleunigung für alle Körper die Identität von schwerer und träger Masse. Freilich sind die Fallversuche von Galilei nicht so genau, daß man schon im Vertrauen auf sie die strenge Identität von m s und mt behaupten dürfte. Aber N e w t o n und B e s s e l haben (durch Pendelversuche) das gleiche Ergebnis mit einer Genauigkeit von 1:60000, und später E ö t v ö s (Versuche mit der Drehwaage) mit einer Genauigkeit von 1:20000000 erhalten. Wir dürfen daher sagen, daß die Identität von schwerer und träger Masse ein exaktes Naturgesetz ist. Als Einheit des Gewichtes bezeichnen wir in der Physik die Kraft, die ein Massengramm (g) auf seine Unterlage infolge der Erdanziehung ausübt. Diese K r a f t heißt, ein Pond (p); sie wurde früher als „Gewichtsgramm" bezeichnet; zum Unterschied von dem mit g bezeichneten „Massengramm" versah man das Gewichtsgramm meistens mit einem Stern (g*). Es ist also 1 p = 981 Dyn ( = 1 g*). 1000 p heißen ein K i l o p o n d (kp). Die Schwerkraft liefert ein äußerst bequemes Mittel zur Messung von Kräften nach der auf S. 47 beschriebenen statischen Methode. Die bereits mehrfach erwähnten Federdynamometer (Abb. 51) werden in Pond oder Kilopond geeicht. Bei der Ausführung Abb. 51a, deren Schnitt in b gezeichnet ist, wird eine Spiralfeder gedehnt, und die Größe der Kraft kann in Pond an dem herausgezogenen Teil abgelesen werden. Die Abb. 51c zeigt die technische Ausführung eines solchen Federdynamometers. In der Ausführung 51 d wird eine Bandfeder durch die zu messende Kraft aufgebogen. Dadurch wird ein Zeiger bewegt, der über einer in Kilopond geeichten Skala spielt. J e nach dem Punkt der Bandfeder, an welchem man die Kräfte angreifen läßt, kann man große oder kleine Kräfte messen.

51

18. Stoß, Stoßkraft, Impuls

Da g an derselben Stelle der Erde konstant ist, so verhalten sich die Gewichte wie die Massen. Man kann daher mit der Federwaage auch Massen bestimmen. Dazu kann man auch jede andere Waage in derselben Weise benutzen. Erforderlich ist dazu ein entsprechender Satz von Normalmassen, d. h. eine Reihe von Stücken im Massenverhältnis ganzer Zahlen (z. B . 1, 2, 2, 5, 10, 20, 50, 100 g), mit denen man jede Masse zwischen dem kleinsten Wert und der Summe aller Einzelwerte herstellen kann. Analog wie wir das Verhältnis der Masse eines Körpers zu seinem Volumen als Dichte bezeichnen, nennt man das Verhältnis des Gewichtes eines Körpers zu seinem Volumen die Wichte oder das spezifische Gewicht. Wir bezeichnen diese Größe mit s und können somit schreiben: G

Die Dimension der Wichte ist: [s] = [m l - 2 t ^ ] oder im absoluten Maßsystem: [s] = [g c m - 2 sec - 2 ] . Auf die erwähnten Pendelversuche von N e w t o n und B e s s e l kommen wir bei Besprechung der Pendelgesetze in Nr. 36 zurück.

Abb- 5 L

Verschiedene Ausführungen von Federdynamometern

18. Stoß, Stoßkraft, Impuls In vielen Fällen ist die Wirkungsdauer einer Kraft auf einen Massenpunkt so k u r z , daß der eigentliche Vorgang der Beschleunigung überhaupt nicht beobachtbar ist. Man kann daher nur feststellen, daß die Geschwindigkeit des beschleunigten Körpers nach der Krafteinwirkung eine andere ist als vorher. Als Beispiel für solche k u r z f r i s t i g e K r a f t w i r k u n g , die man als Stoß bezeichnet, sei die plötzliche Entspannung einer Feder in der Federpistole oder der Schlag eines Hammers angeführt. Offensichtlich ist die Wirkung eines Stoßes sowohl durch die Größe der Kraft S wie durch die Dauer r ihrer Einwirkung bedingt. Wir nennen daher das Produkt SJ r aus Kraft und Stoßdauer „Stoßkraft". Wir wollen zunächst voraussetzen, daß während der Stoßdauer K r a f t S und Beschleunigung a konstant sind. Erweitern wir die natürlich auch hier geltende Bewegungsgleichung (32) mit der Stoßdauer r, so erhalten wir: ©t

= mdT

.

Nun ist aber (l nichts anderes als die in der Zeit r erfolgte Geschwindigkeitsänderung der Masse m, dividiert durch diese Zeit. Bezeichnen wir also mit Cj bzw. C2 die Geschwindigkeiten vor und nach dem Stoß, so ist und wir erhalten: (38)

0 r = C2 — C x , » t = m(c 2 — O .

Das Produkt m£ wird Bcwegungsgröße oder Impuls genannt; wir bezeichnen ihn im folgenden mit Seine Dimension ist: [ 3 1 = Sjnlt-'l\

bzw.

[g cm s e c - 1 ] .

4*

52

II. Kapitel. Mechanische Grundbegriffe; Mechanik des Massenpunktea

Sowohl Stoßkraft wie Impuls sind V e k t o r e n . Erfährt daher eine Masse gleichzeitig mehrere Impulse, so wird der resultierende Impuls durch die Parallelogrammkonstruktion gefunden. Gl. (38) kann nun so ausgesprochen werden: Die Stoßkraft ist gleich der Änderung des Impulses. Bisher wurde die Kraft S und die Beschleunigung a während der Stoßzeit als konstant angenommen; wenn dies nicht der Fall ist, so hat man die Bewegungsgleichung (32) über die Stoßzeit r zu integrieren, was darauf herauskommt, für St und a je einen M i t t e l w e r t während der Stoßzeit einzuführen. Dies liefert:

(38a)

t +

T

l +

T

1+

T

J dt = J madt = j

t

dt = m(c2 — Cx).

t

Die Stoßkraft / ®dt ist also auch in dem allgemeinen Falle gleich der Änderung des Impulses (vom Anfangswert mCj auf den Endwert wf 2 ). Häufig ist zu Beginn des Stoßes der gestoßene Körper in Ruhe, d. h. C] = 0 , so daß wir einfacher erhalten:

(38b)

¡Stdt = m C. t

t +

T

Diese Gleichung liefert eine anschauliche Definition des Impulses: Der Impuls ist gleich derjenigen Stoßkraft, die den gestoßenen Massenpunkt aus der Ruhe heraus auf die Geschwindigkeit c bringt. Differenzieren wir (38b) nach t, so fallen wir natürlich wieder auf die ursprüngliche N e w t o n sehe Bewegungsgleichung (32) zurück, die wir aber jetzt mit Benutzung des Impulsbegriffes etwas anders aussprechen können, denn wir erhalten:

< 30 )

» = ¿

^

= 5?'

in Worten: Die auf einen Massenpunkt ausgeübte Kraft ist gleich dem ersten Differentialquotienten seines Impulses nach der Zeit. Diese Fassung (sogenannte „Impulsform") des zweiten Newtonschen Axioms hat bereits N e w t o n selbst gegeben. Da m = const. ist, ist die Impulsform identisch mit der bisher von uns gebrauchten „Beschleunigungsform" 8 = m a . Diese Identität der zwei Formen des Newtonschen Kraftgesetzes existiert aber nur so lange, als die Masse wirklich konstant ist. In der klassischen Mechanik ist dies immer der Fall. Wir werden aber später erkennen, daß bei Geschwindigkeiten, die in die Größenordnung der Lichtgeschwindigkeit kommen, die Masse eine Funktion der Geschwindigkeit wird. Dann bleibt die Impulsform (39) zu Recht bestehen, während die Beschleunigungsform (32) ihre Gültigkeit verliert.

Die volle Bedeutung des Impulsbegriffes wird sich erst später bei der Behandlung der Systemmechanik zeigen.

19. D'Alembertsches Prinzip; Trägheitskräfte Nach dem ersten N e w t o n s c h e n Gesetz ist das grundsätzliche Kennzeichen einer Masse ihre Trägheit. Um eine Masse zu beschleunigen, muß man auf sie eine Kraft ausüben, deren Größe durch das zweite Newtonsche Gesetz gegeben wird: Sie ist proportional der Beschleunigung und der Größe der Masse selbst. Dieses Gesetz enthält im Kern die gesamte Punktmechanik; neben ihm kann es daher kein anderes davon verschiedenes Gesetz mehr geben. Aber es sind andere Formulierungen möglich, die zuweilen Vorzüge besitzen. Solch eine andere Interpretation der Bewegungsgleichung (32) hat d ' A l e m b e r t (1743) in dem nach ihm benannten Prinzip gegeben; sein Ge-

19. D'Alembertsches Prinzip; Trägheitskräfte

53

danke besteht darin, die b e s c h l e u n i g t e B e w e g u n g als eine A r t von G l e i c h g e w i c h t zu betrachten. Wenn wir die Gleichung (32) in folgender Weise schreiben: (40)

t — ma = 0 ,

so liegt in der Tat ein Vergleich mit der Gleichgewichtsbedingung (33 a) für einen Massenpunkt nahe: 8i + S2 = 0 . Hier hält die Kraft SJ2 der Kraft am gleichen Massenpunkte das Gleichgewicht. Ebenso kann man sagen, daß nach Gl. (40) die „Kraft" (— ma) der Kraft SJ das Gleichgewicht halte. Der Unterschied ist aber der, daß in (33 a) wirklich zwei Kräfte (Sfj und Si2) vorhanden sind, die sich faktisch das Gleichgewicht halten können, während in (40) ja nur eine Kraft ® vorhanden ist. Man kann daher das d'Alembertsche Prinzip so aussprechen: Der unter dem Einfluß der „eingeprägten" Kraft SJ tatsächlich beschleunigte Massenpunkt würde ins Gleichgewicht kommen, wenn man noch die Scheinkraft (— ma) hinzufügte. Diese Scheinkraft nennt man d'Alembertsche „Trägheitskraft" oder, weniger gut, „Trägheitswiderstand"; sie ist gleich dem negativen Produkt aus Masse und Beschleunigung. Wenn man also zur eingeprägten Kraft die Trägheitskraft (— ma) hinzufügt, kann man auf das B e w e g u n g s p r o b l e m die (im allgemeinen einfacheren) Gesetze des G l e i c h g e w i c h t e s anwenden. Darin besteht die praktische Bedeutung des d'Alemb ertsehen Prinzips. W i r k l i c h e s s t a t i s c h e s G l e i c h g e w i c h t wäre natürlich nur vorhanden, wenn statt der Trägheitskraft — ma eine gleich große eingeprägte Kraft vorhanden wäre; zum Unterschiede nennt man daher das fiktive Gleichgewicht, mit dem man es hier zu tun hat, ganz passend „ d y n a m i s c h e s G l e i c h g e w i c h t " . Verzichtet man darauf, das Bewegungsproblem als dynamisches Gleichgewicht aufzufassen, so besteht natürlich keinerlei Veranlassung, von einer Trägheitskraft zu reden, und eine solche macht sich dann auch selbstverständlich in den Versuchen nicht bemerkbar. Wenn man aber s t a t i s c h e Methoden und Gesetze auf das d y n a m i s c h e Problem anwendet, so muß man die Trägheitskräfte einführen, und dann treten sie auch im Experiment auf. Man kann sich auch so ausdrücken: Würde man die Gesetze des Gleichgewichtes unter alleiniger Berücksichtigung der e i n g e p r ä g t e n Kraft S anwenden, so würde man natürlich einen Fehler machen; diesen kann man komp e n s i e r e n , indem man zu © die Trägheitskraft — ma hinzufügt. Ein einfaches Beispiel mag dies erläutern: Wenn wir an ein Federdynamometer eine Masse m anhängen, so verlängert sich die Feder so lange, bis ihre Spannung gleich dem Gewichte G = mg ist; das ist eine s t a t i s c h e Methode, wie z. B. in Nr. 16 auseinandergesetzt, und auch die quantitative Aussage, daß die Spannung der Feder gleich dem angehängten Gewichte sei, ist eine für das G l e i c h g e w i c h t zutreffende Behauptung. Lassen wir aber die Federwaage nebst angehängtem Gewicht frei f a l l e n , so ist keineswegs mehr die Spannung der Feder gleich dem Gewichte, sondern gleich dem Gewichte vermehrt um die d'Alembertsche Trägheitskraft, die hier gleich — mg ist. Also zeigt die F e d e r j e t z t die S p a n n u n g G—mg = 0 an! Es besteht ein dynamisches Gleichgewicht zwischen dem nach unten ziehenden Gewicht G = mg und der nach oben gerichteten Trägheitskraft — mg. Natürlich kann man auch sagen, die freifallende Feder zeige keine Spannung an, weil sie genau so schnell falle wie das angehängte Gewicht; so drückt man sich aus, wenn man von der Interpretation d ' A l e m b e r t s keinen Gebrauch machen will. — Wird die Feder nicht mit der Beschleunigung g, sondern mit der Beschleungiung y nach unten fallen gelassen,

54

II. Kapitel. Mechanische Grundbegriffe; Mechanik des Massenpunktes

so ist die angezeigte Spannung gleich G •— my = m(g — y); wäre sie dagegen nach oben beschleunigt, würde die größere Spannung m(g + y) angezeigt werden. Was f ü r die Federwaage gilt, ist natürlich auch für jede andere Waage zutreffend, da sie ein s t a t i s c h e s I n s t r u m e n t ist. Wenn also eine auf einer Waage stehende Person ein in der H a n d befindliches Gewicht beschleunigt nach o b e n bewegt, so zeigt die Waage einen Ausschlag im Sinne einer nach u n t e n wirkenden Trägheitskraft, d. h. eine G e w i c h t s v e r m e h r u n g a n ; beschleunigt die Person dagegen das Gewicht nach unten, so erfährt die Waage eine G e w i c h t s v e r m i n d e r u n g im Sinne einer jetzt nach o b e n gerichteten Trägheitskraft. Anstatt bei diesem Versuch ein Gewicht nach oben bzw. nach unten beschleunigt zu bewegen, genügt es, wenn die Person auf der Waage beschleunigt in Kniebeuge bzw. in Streckstellung geht. Mit einer von P o g g e n d o r f f angegebenen Waage (Abb. 52) lassen sich die Trägheitskräfte zeigen. I n der Mitte und am linken Ende einer zweiarmigen Hebelwaage sind zwei Rollen angebracht, über die an einer Schnur die beiden Massen M u n d M' hängen. M möge um den Betrag m größer als M' sein. Am rechten E n d e der Waage befindet sich eine zweite Masse M, die also die Waage im Gleichgewicht hält, wenn die Masse M am linken Ende durch einen am Waagebalken befestigten F a d e n F am Herunterfallen gehindert wird. Brennt man den F a d e n durch, so erteilt das Übergewicht m den Massen M und M' die Beschleunigung y in der Pfeilrichtung. Auf der linken Seite der Waage wirkt also nicht mehr das Gewicht M - g , letzteres ist vielmehr um die d ' A l e m b e r t s c h e Trägheitskraft — M - y vermehrt, die hier der beschleunigenden K r a f t entgegenwirkt. Zur Berechnung der Beschleunigung y dient folgende Überlegung: Die wirksame („eingeprägte") K r a f t ist die Erdanziehung auf das Übergewicht m, also gleich m-g\ diese bewirkt an der Gesamtmasse M + M' die Beschleunigung y. Nach dem d ' A l e m b e r t s c h e n Prinzip besteht dynamisches Gleichgewicht, d. h. es ist: mg—{M + M')-y = 0 ; daraus ergibt sich: m

— Y_ M + M' ' S '

Die am linken Waagebalken angreifende, nach oben wirkende Trägheitskraft ist also:

„,

—M-m

so daß die Masse M nicht mehr mit ihrem Gewicht Mg, sondern mit dem um verkleinerten Gewicht M"ö

M + M'g

Meli g \

My

M + M'j

wirkt. Dieses kann dem am rechten Waagebalken angreifenden Gewicht M g nicht mehr das Gleichgewicht h a l t e n : D e r l i n k e W a a g e b a l k e n s c h l ä g t n a c h o b e n aus. Macht man vor Beginn des Versuches die Belastung auf der rechten Seite der Waage um diesen Betrag leichter, so kommt die Waage während des Herunterfallens von M ins Gleichgewicht. Man h a t so die Möglichkeit, die Trägheitskraft im Versuch zu messen. Ändert man den Versuch so ab, daß M' um den Betrag m größer als M ist, so wird beim Heruntersinken von M' die Masse M nach oben beschleunigt, so daß eine nach unten gerichtete Trägheitskraft a u f t r i t t und die linke Seite der Waage nach unten ausschlägt. Eine im Schwerefeld der E r d e ruhende Masse h a t das Gewicht mg, das z. B. durch den Druck auf eine Unterlage angezeigt wird. L ä ß t man die Masse frei fallen, so erfährt sie nach unten die K r a f t der Erdanziehung mg und nach o b e n — mg, die sich gerade aufheben wie in dem obigen Beispiel mit dem Federdynamometer, das im Grunde damit identisch ist. Mit anderen W o r t e n : Eine Masse ist, während sie irei

19. D'Alembertsches Prinzip; Trägheitakräfte

55

fällt, gewichtslos. Dies l ä ß t sich in verschiedener Weise zeigen. H ä l t m a n z. B. eine sich leicht öffnende u n d schließende Papierschere an einem Ohr fest u n d ö f f n e t sie, so k l a p p t sie sofort zu, besonders wenn m a n a n die eine Spitze als zusätzliches Gewicht einen K o r k steckt. L ä ß t m a n die Schere aber geöffnet frei fallen, so bleibt sie w ä h r e n d des Fallens offen, d a die Schwerkraft w ä h r e n d des Fallens vollkommen kompensiert ist. Dasselbe zeigt a u c h der in Abb. 53 skizzierte A p p a r a t . Am u n t e r e n E n d e eines Stiftes S ist eine r u n d e H o l z p l a t t e P 2 etwa 10 cm im Durchmesser a n g e b r a c h t . Eine zweite gleichgroße P l a t t e P1 mit einem Loch in der Mitte liegt auf der ersten P l a t t e

=0" -F

V i

1

Abb. 52. Poggendorf fsche Waage

Abb. 53. Anordnung zum Nachweis, daß eine freifallende Masse gewichtslos ist

Abb. 54. Aufhebung der Schwere beim freien Fall

auf. Zwischen den bsiden P l a t t e n befindet sich eine Spiralfeder, die so bemessen ist, d a ß sie von d e m Gewicht der oberen P l a t t e gerade z u s a m m e n g e d r ü c k t wird. L ä ß t m a n n u n den ganzen A p p a r a t frei n a c h u n t e n fallen, so b e o b a c h t e t man, d a ß die obere P l a t t e von der F e d e r hochgehoben wird. Die P l a t t e P 1 wird d u r c h die n a c h oben wirkende T r ä g h e i t s k r a f t w ä h r e n d des Falles gewichtslos u n d k a n n d a h e r die Spiralfeder n i c h t m e h r z u s a m m e n d r ü c k e n . Legt m a n zwischen zwei n a c h Abb. 54 aufeinandergesetzte Gewichte von etwa 5 k g einen Streifen Papier, so l ä ß t sich dieser n i c h t herausziehen, ohne d a ß er reißt. W e n n m a n aber die Gewichte frei fallen l ä ß t , so k a n n m a n den Streifen unverletzt herausziehen, d a jetzt das obere Gewicht gewichtslos geworden ist u n d nicht m e h r auf seine Unterlage d r ü c k t . D a ß ein auf einem plötzlich beschleunigten W a g e n stehender K ö r p e r gegen die F a h r t r i c h t u n g u m k i p p t , l ä ß t sich ebenfalls d u r c h das A u f t r e t e n einer Trägh e i t s k r a f t erklären. Bezeichnet m a n m i t a den Bet r a g der Beschleunigung, die der W a g e n e r f ä h r t , u n d ^ b b 55. Nachweis der Trägheits,, I i p i p* ,1. ^ ' kraft beim Anfahren eines Wagens m i t m die Masse des darauf befindlichen K o r p e r s , so a u f der Horizontalen (a) und beim setzen sich, wie m a n aus Abb. 5 5 a e n t n i m m t , die Herunterfahren auf einer schiefen gegen die Beschleunigungsrichtung des W a g e n s geEbene (6) r i c h t e t e T r ä g h e i t s k r a f t — ma u n d die n a c h u n t e n gerichtete S c h w e r k r a f t mg des K ö r p e r s zu einer resultierenden R z u s a m m e n . Geht diese nicht d u r c h die Grundfläche des Körpers, so k i p p t dieser in der Pfeilrichtung u m . L ä ß t m a n dagegen den W a g e n mit d e m darauf stehenden K ö r p e r eine schiefe E b e n e beschleunigt h e r u n t e r f a h r e n (Abb. 5 5 b ) , so bleibt der K ö r p e r w ä h r e n d der beschleunigten Bewegung sicher stehen, d a j e t z t die Resultierende von — ma u n d mg d u r c h die Standfläche des K ö r p e r s geht.

56

II. Kapitel. Mechanische Grundbegriffe; Mechanik des Massenpunktes

Dieser letzte Versuch läßt sieh noch in einer anderen Form anstellen. Stellt man auf das Brett einer Schaukel einen dünnen Metallstab, so bleibt dieser frei auf dem Schaukelbrett stehen, auch wenn die Schaukel größere Schwingungsamplituden macht. Wie aus Abb. 56 hervorgeht, setzt sich in jedem Augenblick die nach unten gerichtete Schwerkraft mg mit der Trägheitskraft — ma zu einer Resultierenden R zusammen, die den Stab gegen das Brett der Schaukel drückt. In der Abb. 56 sind zwei Augenblicke der Schaukelbewegung festgehalten. Rechts beginnt die Schaukel ihre beschleunigte Abwärtsbewegung; die Richtung des Beschleunigungsvektors stimmt mit der Bewegungsrichtung überein. Links bewegt sich die Schaukel mit verzögerter Bewegung nach ihrem linken Endausschlag. Eine Verzögerung ist aber gleichbedeutend mit einer negativen Beschleunigung, so daß auch jetzt wieder der Beschleunigungsvektor nach der Ruhelage der Schaukel gerichtet ist. Setzt man statt des Stabes auf das Schaukelbrett eine U-förmig gebogene Glasröhre, so daß die Verbindungslinie ihrer beiden Schenkel mit der Richtung der Schaukelbewegung zusammenfällt, und füllt man die Röhre mit gefärbtem Wasser, so beobachtet man beim Schwingen der Schaukel, daß das Abb. 56. Zur Wirkung der Träg- Wasser in beiden Schenkeln stets gleich hoch steht. heitskräfte beim Schaukeln Dies scheint zunächst mit der Wirkung der Schwerkraft nicht in Übereinstimmung zu sein, erklärt sich aber, da auf das Wasser außer der Schwerkraft noch die Trägheitskraft wirkt und die Resultante beider die Lage des Wasserniveaus bestimmt. 2 0 . Begriff d e r Arbeit und d e r Leistung Ebenso wie der Begriff der K r a f t psychologisch entstanden ist durch das Gefühl der Muskelanstrengung, so hat auch ein zweiter physikalischer Begriff, der der Arbeit, seine Wurzel in persönlichen Erfahrungen des Menschen im täglichen Leben. Wenn wir z. B. mit unserer Muskelkraft ein Gewicht heben, so sprechen wir von einer „Arbeit", die wir verrichten. Wir können die Größe dieser Arbeit angenähert nach der Ermüdung unserer Muskeln schätzen. Danach beurteilt, verrichten wir eine Arbeit von ganz bestimmter Größe, wenn wir etwa ein Gewicht von 1 kp um 1 m in die Höhe heben; heben wir dasselbe Gewicht 2 bzw. 3 m hoch, so spüren wir die doppelte bzw. dreifache Ermüdung, „fühlen" also, daß wir die doppelte bzw. dreifache Arbeit leisten. Die doppelte bzw. dreifache Arbeit müssen wir gefühlsmäßig auch leisten, wenn wir statt eines Gewichtes von 1 kp das doppelte bzw. dreifache Gewicht um 1 m heben. Bei diesem Heben müssen wir die nach unten gerichtete Kraft der Schwere durch eine gleichgroße Gegenkraft überwinden, und zwar längs der ganzen Strecke, um die wir das Gewicht gegen die Schwerkraft verschieben. Diesen und ähnlichen Beispielen aus dem täglichen Leben, in denen wir das Gefühl haben, Arbeit zu leisten, ist der Umstand gemeinsam, daß ein Körper, an dem eine Kraft angreift, eine Verschiebung unter ihrem Einfluß erleidet. Demgemäß sagen wir in der Physik allgemein — und zwar ganz unabhängig davon, ob wie im obigen Beispiele, eine Gegenkraft zu überwinden ist: Das Produkt aus den Beträgen der Kraft K und der Verschiebung s des Massenpunktes ist die von der Kraft K längs dieses Weges s geleistete Arbeit A. Die A r b e i t ist also kein V e k t o r , sondern eine s k a l a r e Größe. — Keine physikalische Arbeit verrichten wir, wenn der von der Kraft angegriffene Körper sich nicht verschiebt, wenn wir z . B . gegen einen Wagen drücken, ohne ihn fortzubewegen.

20. Arbeit und Leistung

57

Wir haben also die vorläufige Gleichung: (41)

A=K-s.

Der eben betrachtete Fall, daß der wirkenden Kraft eine gleich große entgegengesetzt ist, die „überwunden" werden muß, ist nur ein Grenzfall, den wir deshalb vorangestellt haben, weil an ihm besonders anschaulich wird, warum die Arbeit proportional der Kraft K und der Verschiebung s gesetzt wird. In Wirklichkeit muß natürlich die wirkende Kraft größer sein als die entgegenwirkende (im obigen Beispiel die Schwere), damit der Körper überhaupt in Bewegung kommt; aber der Unterschied kann beliebig klein, in der Grenze Null sein. Je kleiner der Unterschied zwischen beiden Kräften wird, um so langsamer geht der Vorgang vor sich, um so mehr Zeit — in der Grenze unendlich lange Zeit — braucht der Körper, um eine bestimmte Strecke zurückzulegen. Das ist für die Berechnung der Arbeit gleichgültig. Der andere Extremfall ist der, daß der wirkenden Kraft J® keine Gegenkraft entgegenwirkt; dann erzeugt ® an dem Körper natürlich eine Beschleunigung a, d. h. nach Durchlaufen der Strecke s hat er eine bestimmte Geschwindigkeit erlangt. Stellt man sich auf den Standpunkt des d ' A l e m b e r t schen Prinzips, so kann man diesen zweiten Grenzfall auf den ersten zurückführen, indem man der eingeprägten Kraft S durch die d'Alembertsche Trägheitskraft — ma das Gleichgewicht halten läßt; daß in diesem Falle kein wirkliches Gleichgewicht zustande kommt, zeigt sich eben am Auftreten der Beschleunigung. Im allgemeinsten Falle wird der eingeprägten Kraft, deren Arbeit wir berechnen wollen, sowohl eine explizite Gegenkraft als auch eine Trägheitskraft entgegenwirken; dies ist z. B. der Fall, wenn wir einen Körper durch eine Kraft, die größer als sein Gewicht ist, nach oben beschleunigen lassen. Wir kommen auf diese verschiedenen Fälle weiter unten noch zurück.

Bei der ganzen bisherigen Betrachtung sind zwei Voraussetzungen gemacht worden, einerseits, daß die Kraft K während der Verschiebung s k o n s t a n t ist, und anderseits, daß Kraftvektor Si und Verschiebungsvektor § g l e i c h g e r i c h t e t sind. Von diesen Voraussetzungen müssen wir uns weiter unten befreien; doch genügt schon Gl. (41), um das Notwendige über die Einheiten zu sagen. Als Einheit der Arbeit gilt in der Physik sinngemäß diejenige, die von der Krafteinheit (1 Dyn) längs der Wegeinheit (1 cm) geleistet wird; sie wird als 1 Erg bezeichnet. Es ist also 1 Erg = 1 Dyn • 1 cm . Für die D i m e n s i o n der A r b e i t finden wir also 2 2 [A] =

[ml t- ]

bzw. im absoluten Maßsystem: [A] = [g cm2 sec - 2 ]. Die Arbeit von 1 Erg wird geleistet, wenn man eine Masse von 1,02 mg um 1 cm hochhebt. Neben dieser sehr kleinen Arbeitseinheit hat man noch 10' Erg = 1 Joule als größere Einheit eingeführt, für die auch die Bezeichnung Wattsckunde üblich istEs ist die Arbeit, die notwendig ist, um 1,02 kg um 10 cm zu heben. 1000-60-60 = 3600000 Wattsekunden nennt man eine Kilowattstunde (kWh). Im praktischen oder technischen Maßsystem dient das Kilopondmetcr (kpm) als Einheit der Arbeit, früher als „Meterkilogramm" (mkg) bezeichnet; es ist diejenige Arbeit, die man leistet, wenn man 1 kp Gewicht um 1 m hochhebt. Dabei ist zu beachten, daß diese Angabe insofern ungenau ist, als sich der Zahlenwert des Gewichtes mit dem Ort auf der Erdoberfläche ändert (vgl. S. 178). Diese Verschiedenheit spielt zwar für viele praktische Zwecke keine Rolle, wohl aber für genaue physikalische Messungen, weswegen man hierfür das Erg als Einheit vorzieht. Zur Umrechnung aus dem einen in das andere Maßsystem dienen folgende Beziehungen : 1 kpm = 981000 Dyn -100 cm = 9,81 -10' Erg = 9,81 Joule (Wattsekunden), 1 Joule = 1/9,81 kpm = 0,102 kpm, 1 Kilowattstunde = 3,67 -10 5 kpm.

58

II. Kapitel. Mechanische Grundbegriffe; Mechanik des Massenpunktes

Häufig kommt es vor, daß die K r a f t in einer solchen Richtung an dem zu bewegenden Körper angreift, in der die Bewegung selbst n i c h t erfolgen kann. Zieht man z. B . (Abb. 57) mittels eines Strickes schräg an einem Wagen, so bilden Kraftrichtung und Bewegungsrichtung einen Winkel « miteinander. In diesem allgemeineren Falle definiert man die Arbeit als das Produkt aus „Kraft mal Weg in Richtung der Kraft" oder „Kraft in Richtung des Weges mal Weg". Gl. (41) ist also hier zu ersetzen durch: (41a)

A

=

K s c o s (Ks)

=

Ks

costx

.

K c o s « ist dabei die Projektion der wirkenden Kraft auf die Bewegungsrichtung s bzw. scosoc die Projektion des Weges auf die Richtung der Kraft (s. Abb. 57). Die Arbeit ist also ein Maximum, wenn oc = 0 , d . h . wenn ® und § gleichgerichtet sind. Für 90° ist; sie nimmt den kleinstmöglichen Wert an, falls « = 180°, c o s « = — 1 wird; jetzt sind Kraftrichtung und Verschiebungsvektor einander gerade entgegengesetzt gerichtet. In diesem Falle sagt man auch, daß die Arbeit g e g e n die K r a f t geleistet werde. Nehmen wir z. B . den Fall, daß ein Körper sich unter dem Einfluß einer der Abb. 57. Schwere entgegengesetzten Kraft vertikal aufBestimmung der für die Arbeit in Betracht kommenden Kraftkomponente wärts bewegt: Hier sind Schwerkraft und Verschiebung einander entgegengesetzt, bei einer Hebung um die Höhe h ist die Arbeit der Schwerkraft selbst nach dem Obigen negativ, gleich — mgh; anderseits wird von der Kraft Kl, die den Körper veranlaßt, sich entgegen der Schwere nach aufwärts zu bewegen, Arbeit g e g e n die Schwere geleistet. Ist diese Kraft K1 gerade ebenso groß wie die Schwerkraft, so leistet Kl = mg die positive Arbeit mgh, während die Schwere die negative Arbeit —• mgh leistet; in diesem Falle bewegt sich der Massenpunkt unbeschleunigt nach oben. Ist aber K1 größer als das Gewicht, so bewegt sich der Massenpunkt beschleunigt nach oben, und die Arbeit dieser Kraft K-Ji ist größer als mgh; der Überschuß über diesen Wert wird gegen die d ' A l e m b e r t s c h e Trägheitskraft geleistet. Betrachten wir als speziellen Fall die Hubarbeit, die man aufbringen muß, um auf einer schiefen Ebene eine Last vom Gewicht G kp um die Höhe h m emporzuschaffen, ohne sie zu beschleunigen. Nach S. 46 ist bei einem Neigungswinkel oc die parallel zur schiefen Ebene wirkende Kraft, die das Gewicht G im Gleichgewicht hält, G sin ix; für die Länge l der schiefen Ebene gilt die Beziehung l — - — , mithin ist die G

sin oc h

sin ix

aufzuwendende Arbeit A =—: sina = Gh. Daraus sieht man, daß die Hubarbeit Gh unabhängig vom Wege ist, auf dem sie geleistet wird. Der Vorteil der schiefen Ebene liegt lediglich darin, daß man die Hubarbeit mit um so kleinerer Kraft verrichten kann, j e flacher die Neigung der Ebene ist. Dafür wird aber der Weg, längs dem die Arbeit geleistet werden muß, entsprechend größer. Wenn ein Mensch mit dem Körpergewicht von 60 kp einen 2000 m hohen Berg besteigt, so leistet er eine Hubarbeit von 12 -10 4 kpm » 1 / 3 Kilowattstunde! — Die in den Gl. (41) und (41a) gegebene Definition der Arbeit ist, wie wir schon betonten, nur dann richtig, wenn die wirkende Kraft K längs des ganzen Weges s konstant ist; dies ist natürlich nicht immer der Fall. Zieht z. B . ein Pferd einen Wagen, so ist die Zugkraft um so größer, je steiler die Straße ansteigt und je größer der Widerstand des Wagens auf der Straße ist, d. h. die vom Pferd geleistete Arbeit wird sich

20. Arbeit und Leistung

59

von Ort zu Ort mit der Neigung und Beschaffenheit der Straße ändern. Dem können wir dadurch Rechnung tragen, daß wir die Arbeit dA für ein W e g e l e m e n t ds betrachten. W i r können dann schreiben: (42)

cos [K, ds) ds ,

dA=K

wobei K die Größe der K r a f t längs des Wegelementes ds ist. Die auf einer endlichen Strecke geleistete Arbeit findet man durch Integration zu: Sn

(42a)

A = ¡Kcos(K

ds)ds .

sl

Man kann daher auch kurz sagen: Die Arbeit ist das Wegintegral der Kraft.

^

1

A-fKcos(Kfi)ds\

S,

S?

al ^rlil] liuiiiiiinmiiiiii«

S

Abb. 58. Arbeitsdiagramm

- l -

Abb. 59. Arbeitsdiagramm bei Dehnung einer Feder

Entsprechend den Gl. (41) u. (42) kann man die durch eine Kraft ^ beliebiger Richtung auf einer Strecke § geleistete Arbeit graphisch durch eine Fläche darstellen, die man erhält, wenn man als Abszisse die Weglänge s und als Ordinate die wirkende Kraftkomponente K cos (Ks) aufträgt (Abb. 58). Die von der Kurve, der Abszisse und den Ordinaten von Anfangs- und Endpunkt umrandete Fläche nennt man ein Arbcitsdiagramm. Bei einer konstanten Kraft ist dies Arbeitsdiagramm ein Rechteck, dessen Seiten durch die Kraftkomponente und die zurückgelegte Wegstrecke gebildet werden. Als Beispiel für den allgemeineren Fall einer variablen Kraft berechnen wir die Arbeit, die zur Dehnung einer Spiralfeder um eine Strecke l notwendig ist. Hier ist (Ks) = 0; außerdem wissen wir, daß die Kraft der Verlängerung x der Feder proportional ist. Nehmen wir also die spannende Kraft K gleich (aber entgegengesetzt) der Federkraft, so haben wir cos (Ks) = 1, K = ax und somit l l A = J K dx = f axdx o o

=

|aZ2.

Das Arbeitsdiagramm wird in diesem Falle durch die Fläche eines rechtwinkligen Dreiecks dargestellt, dessen Katheten l und al sind (Abb. 59). Die Konstante a, die die zur Verlängerung der Feder pro Längeneinheit erforderliche Kraft angibt, wird als D e h n u n g s k o n s t a n t e der Feder bezeichnet. •— Natürlich kann man auch hier sagen: Die Arbeit \al2 werde von der Kraft K gegen die Federkraft geleistet; die Arbeit der Federkraft selbst ist gleich — J a l2. B e i der Definition der Arbeit spielt die Z e i t , während der die Arbeit geleistet wird, wie schon oben betont, k e i n e Rolle. E s ist aber häufig wichtig, daß eine vorgeschriebene Arbeit in einer bestimmten Zeit geleistet wird. U m 1000 Ziegelsteine auf einem Neubau 6 m hoch zu tragen, brauche ein Arbeiter 2 Stunden, indem er jedesmal 12 Steine trägt, während ein anderer Arbeiter 3 Stunden benötigen mag, indem er bei jedem Gang nur 8 Steine trägt. Beide verrichten zwar dieselbe Arbeit, nämlich das Hochbringen einer bestimmten Anzahl Steine, aber ihre „Leistung" ist verschieden. Daher wollen wir unter Leistung N die in der Zeiteinheit geleistete Arbeit verstehen:

60

II. Kapitel. Mechanische Grundbegriffe; Mechanik des Massenpunktes

In dem speziellen Falle, daß die Arbeit während der Zeit t konstant bleibt, geht Gl. (43) in die einfachere: (43a)

N

=

l "

Für die D i m e n s i o n der L e i s t u n g findet man:

[TV] = [ml2t~s],

bzw. im absoluten Maßsystem: [TV] = [g cm2 s e c - 3 ] . Die Einheit der Leistung ist in der Physik das Erg/sec. Als größere Einheit haben wir das Joule/sec, die auch ein Watt (W) genannt wird. Es ist also: 1 Watt = 1 Joule/sec = 107 Erg/sec, 1 Kilowatt (kW) = 1000 Watt = 10 10 Erg/sec. Gebräuchlich sind noch das Kilopondmeter/Sekunde (kpm/sec) und besonders in der Technik: 1 Pferdestärke (PS) = 75 kpm/sec. Diese letztere Einheit ist von der Arbeitsleistung eines Pferdes abgeleitet, das kurzzeitig 75 kpm in der Sekunde leisten kann. Zur Umrechnung dienen die Gleichungen: 1 P S = 75 kpm/sec = 75 -10 5 -981 Erg/sec = 736-10 7 Erg/sec = 736 Watt - 0,736 kW. 1 Watt = 0,102 kpm/sec = 1 j 7 3 e PS. Die durchschnittliche Leistung eines Menschen bei gewöhnlicher Arbeit rechnet man zu 1 / 10 P S = 73,6 Watt. Beim normalen Gehen leistet ein Mensch von 60 kp etwa V u P S = 52,6 Watt, bei sehr schnellem Gehen dagegen etwa 1li P S = 184 Watt.

21. Potentielle und kinetische Energie; Erhaltung der Energie Wenn wir einen Körper von der Masse m entgegen der Schwere ohne Beschleunigung auf die Höhe h heben, so haben wir eine Arbeit mgh in ihn hineingesteckt. Ist diese Arbeit verloren 1 Das ist nicht der Fall. Denn lassen wir den Körper herabfallen, so gewinnt er dabei Geschwindigkeit, — nach den Fallgesetzen ist ch = ^ 2 gh — und vermöge dieser Geschwindigkeit kann er die gleiche Arbeit mgh wieder leisten, die in ihn hineingesteckt worden ist. Man kann ihn z. B. auf das eine Ende eines sehr leichten gleicharmigen Hebels fallen lassen, auf dessen anderem Ende ein Körper gleicher Masse ruht: Dieser wird dann mit der gleichen Geschwindigkeit ch = |/2gA in die Höhe geschleudert, so daß er wieder zur nämlichen Höhe h ansteigt. Wir müssen also sagen, daß die auf die Höhe h gehobene Masse m eben infolgedessen eine gewisse Arbeitsfähigkeit besitzt, die unter geeigneten Umständen realisiert, d. h. wirklich in Arbeit umgesetzt werden kann. In der Physik bezeichnet man eine solche Arbeitsfähigkeit allgemein als Energie, und so können wir sagen, jeder gehobene Körper der Masse m besitze die Energie mgh, weil er um das Stück h relativ zur Erde gehoben ist. E r verdankt diese Energie also seiner speziellen „Lage" relativ zur Erde, weswegen man in diesem und in analogen Fällen von „Energie der Lage" spricht. Statt dessen benutzt man auch die dem Sprachgebrauch der mittelalterlichen Philosophie entstammende Bezeichnung „potentielle" (oder seltener „ v i r t u e l l e " ) Energie, d . h . „ m ö g l i c h e " , unter gewissen Umständen in Arbeit umsetzbare Energie.

21. Potentielle und kinetische Energie; Erhaltung der Energie

61

Potentielle Energie vom Betrage \al°L besitzt z. B . eine F e d e r von der Dehnungsk o n s t a n t e a, die gegenüber ihrer Normallänge u m d a s Stück l g e d e h n t ist (vgl. S. 59); wird die F e d e r e n t s p a n n t , so k a n n die hineingesteckte D e h n u n g s a r b e i t , die in ihr als potentielle Energie aufgespeichert war, wiedergewonnen werden. Diese Beispiele lassen sich leicht v e r m e h r e n : D e r gespannte Wasserdampf im Kessel einer D a m p f m a s c h i n e , die Pulvergase im Gewehrlauf, ein komprimiertes Gas — alle diese K ö r p e r besitzen infolge ihres besonderen Z u s t a n d e s eine ganz b e s t i m m t e Arbeitsfähigkeit, d. h. eine ganz b e s t i m m t e potentielle Energie; im Fall der Schwere u n d der g e s p a n n t e n F e d e r h a b e n wir a u c h ihren numerischen W e r t angegeben. W i r werden im folgenden die potentielle Energie stets d u r c h £p 0 t bezeichnen. N e b e n der potentiellen Energie, die eine r u h e n d e Masse infolge ihrer „ L a g e " h a t , kann eine Masse aber auch dadurch Energie (d. h. Arbeitsfähigkeit) besitzen, daß sie eine bestimmte Geschwindigkeit hat. E i n e r u h e n d e Pistolenkugel ist ein harmloses Ding, eine abgeschossene k a n n erhebliche W i r k u n g e n ausüben. W i r müssen d a h e r einer in Bewegung befindlichen Masse „Energie der Bewegung" oder „kinetische Energie" zuschreiben, die wir m i t £ k i n bezeichnen; a u c h die A u s d r ü c k e : a k t u e l l e (d. h . w i r k l i c h e ) Energie — d a s Gegenstück zur p o t e n t i e l l e n ( m ö g l i c h e n ) Energie — u n d „Wucht" sind gebräuchlich. E s h a n d e l t sich j e t z t u m die B e s t i m m u n g des W e r t e s der kinetischen Energie. I m Beispiel des freien Falles ist das leicht a u s z u f ü h r e n . D e n n die Masse, die u m das S t ü c k h h e r a b g e s u n k e n ist, h a t die Geschwindigkeit Cä = | / 2 g h , u n d sie v e r m a g — bei geeigneter Anordnung, wie v o r h i n gezeigt, — eine ihr gleiche Masse wieder bis zur H ö h e h emporzuschleudern, d. h . die Arbeit mgh c 2 . zu leisten. D a also h = ist, so ist die Arbeitsfähigkeit dieser Masse m i t der Geschwindigkeit ch offenbar mgh =

TflOCh^

*

=

TU

Diesen W e r t müssen wir aber ganz

allgemein als den Ausdruck f ü r die kinetische Energie b e t r a c h t e n , d a es n a t ü r l i c h ganz gleichgültig ist, w i e die Masse ihre Geschwindigkeit b e k o m m e n h a t . W i r müssen also setzen: (44) in W o r t e n : Die kinetische Energie ist gleich dem halben Produkt aus der Masse und dem Quadrat ihrer Geschwindigkeit. Beispiele f ü r die W e r t e von kinetischen E n e r g i e n sind die folgenden: E i n e Pistolenkugel von m — 3 g h a t bei einer Geschwindigkeit c = 250 m/sec die kinetische E n e r g i e : •Ekln = | ' 3 • 25000 2 E r g = 93,75 -10 7 E r g = 93,75 J o u l e ( W a t t s e k u n d e n ) . E i n Schnellzug m i t der Gesamtmasse m = 5 • 10 5 kg h a t bei einer Fahrgeschwindigkeit von 90 k m / S t d . = 2500 cm/sec die kinetische Energie: .Etin = J - 5 -10 5 -10 3 -2500 2 E r g = 1,56 -10 15 E r g = 1,56 -10 8 J o u l e ( W a t t s e k u n d e n ) . Potentielle Energie und kinetische Energie sind die Energieformen der Mechanik. Die P h y s i k k e n n t noch a n d e r e Energieformen, z. B. Wärmeenergie, elektrische, magnetische, chemische Energie usw. I n jedem Falle v e r s t e h t m a n d a r u n t e r die Fähigkeit, mechanische Arbeit zu leisten. Als Dimension der Energie ergibt sich die gleiche wie die der A r b e i t : [£] = [A] =

[ml2t~2],

bzw. im absoluten M a ß s y s t e m : [E] = [A] = [g cm 2 sec- 2 ] .

62

I I . Kapitel. Mechanische Grundbegriffe; Mechanik des Massenpunktes

Kehren wir nun zu unserem Beispiel zurück: Wenn wir unseren Körper von der Höhe h zur Erde herabsinken lassen, so hat er im Moment vor dem Aufschlagen seine gesamte potentielle Energie mgh verloren, dafür aber die gleich große kinetische Energie \mc&2 gewonnen, so daß also seine Arbeitsfähigkeit oder Energie nicht verloren geht. Wie steht es nun mit den Zwischenzuständen der Bewegung ? Betrachten wir den Körper etwa in dem Moment, in dem er von der ursprünglichen Höhe h um das Stück s herabgesunken ist; seine augenblickliche Höhe ist also {h—s), der Rest der ihm verbliebenen potentiellen Energie mg(h-s); verloren hat er die potentielle Energie mgs. Dafür hat er nach den Fallgesetzen die Geschwindigkeit ct = ]/ 2 gs gewonnen, und es ist demgemäß die verlorene potentielle Energie mgs = Jmc, 2 . Wir können also schreiben: (45)

mgh = mg(h — s) + mgs = mg(h —s) -f |mc„2 .

Die linke Seite stellt hierin den ursprünglichen Betrag von Energie dar, den der Körper hatte; das erste Glied der rechten Seite ist diejenige potentielle Energie, die ihm nach Herabsinken um das S t ü c k s noch verblieben i s t , und das zweite Glied der rechten Seite fmc,2 ist der Betrag gewonnener k i n e t i s c h e r Energie. Wir sehen also, daß beim freien Falle die Summe aus potentieller und kinetischer Energie in jedem Augenblick der Bewegung k o n s t a n t , und zwar gleich der zu Beginn in den Körper hineingesteckten Energie ist. Wir können also jedenfalls schreiben: (46)

£p0t + £ k i n = E = const.

Hier haben wir den ersten Fall eines allgemeinen Natur-

gesetzes, des Gesetzes von der Erhaltung der Energie, vor uns,

das mit Bezug auf die reine Mechanik folgendermaßen ausgesprochen werden kann:

Abb. 60. Auf Glasplatte tanzende Stahlkugel

Die Summe aus potentieller und kinetischer Energie bleibt stets erhalten.

Wir werden später sehen, daß dies Erhaltungsgesetz auch für alle anderen Energieformen Gültigkeit besitzt. Vom energetischen Standpunkte aus bestehen demnach die Vorgänge der reinen Mechanik stets in Umwandlungen von potentieller in kinetische Energie und umgekehrt. Diese Umwandlung läßt sich experimentell z. B. dadurch zeigen, daß man eine kleine Stahlkugel auf eine gut polierte und völlig ebene Glas- oder Stahlplatte aus einer bestimmten Höhe fallen läßt. Dabei setzt sich zunächst die potentielle Energie in kinetische um. Beim Auf treffen der Kugel auf die Platte wird diese etwas eingedrückt und die Kugel ein klein wenig abgeplattet, wodurch in beiden Teilen ein Spannungszustand hergestellt wird1). Das bedeutet aber, daß Platte und Kugel in einen Zustand versetzt werden, der es ihnen ermöglicht, Arbeit zu leisten; mit anderen Worten: Die kinetische Energie der fallenden Kugel hat sich in potentielle Energie verwandelt. Nun gleichen sich die Spannungen in Platte und Kugel sofort wieder aus, dadurch wird die Kugel nach oben beschleunigt, sie erhält Bewegungsenergie und erreicht praktisch die ursprüngliche Höhe und demnach die alte Energie der Lage. Das Spiel der springenden Kugel wiederholt sich viele Male, wie man aus der Abb. 60 erkennen Die Einbeulung der Platte bzw. die Abplattung der Kugel kann man z. B . dadurch nachweisen, daß man die Kugel auf eine berußte Glasplatte aufschlagen läßt. Dort wo die Kugel die Platte berührt, nimmt sie den Ruß weg, so daß man die Größe der Berührungsfläche erkennen kann. Diese stellt eine um so größere Kreisfläche dar, aus je größerer Höhe die Kugel fällt.

21. Potentielle und kinetische Energie; Erhaltung der Energie

63

kann, die eine photographische Aufnahme einer auf einer Glasplatte tanzenden Stahlkugel darstellt. Die polierte Kugel wurde während des Auf- und Abtanzens mit einer Bogenlampe beleuchtet, so daß sich ihr Weg auf der photographischen Platte als feine Linie aufzeichnete. Die Aufnahme läßt noch mehr erkennen. Nach jedem Aufschlag auf die Platte erreicht nämlich die Kugel die alte Höhe nicht mehr vollständig, d. h. die Umwandlung von kinetischer Energie in potentielle erfolgt nicht vollständig, und es scheint demnach so, als ob die Energie der Kugel nicht konstant bliebe, sondern ein Teil von ihr verlorenginge. In Wirklichkeit ist dies aber nicht der Fall; es findet vielmehr eine Umwandlung eines Teiles der mechanischen Energie in Wärmeenergie durch Reibung der Kugel in der Luft und beim Verformen von Platte und Kugel statt. Wir werden später sehen (Nr. 98), daß die Wärme nur eine andere Form von Energie darstellt, und daß der Satz von der Erhaltung der Energie gilt, wenn die Wärmeenergie mit berücksichtigt wird.

Auch die Schwingung eines Pendels bietet ein Beispiel für einen BewegungsVorgang, bei dem die gegenseitige Umwandlung von kinetischer und potentieller Energie in

Abb. 61. Umwandlung von potentieller in kinetische Energie und umgekehrt beim Pendel

Abb. 62. Hemmungspendel nach Galilei

regelmäßigem Wechsel erfolgt. Um das Pendel in Bewegung zu setzen, heben wir seine Masse m (Abb. 61) bis zum Punkte A an, der um die Strecke h höher als B liegen möge. Das Pendel hat dann die potentielle Energie mgh. Nach dem Loslassen durchfällt seine Masse die Höhe h auf einem Kreisbogen; im tiefsten Punkte B hat die Masse die Geschwindigkeit c = j / 2 g h und die kinetische Energie -3,-rac2, die gleich mgh ist, wie man ohne weiteres durch Einsetzen von c = ]/2gh erkennt. Die kinetische Energie setzt sich dann wieder in potentielle Energie um: das Pendel schwingt über seine Ruhelage hinaus bis zum Punkt C, der wieder um dieselbe Strecke h höher als B liegt. Diese Höhe erreicht das Pendel auch dann, wenn man, wie es Abb. 62 zeigt, die Länge des wirksamen Pendelfadens dadurch verkürzt, daß man den Faden gegen einen Stift S anschlagen läßt, der sich vertikal unter dem Aufhängepunkt des Pendels befindet. Die Pendelkugel erreicht dann das Niveau der Ausgangslage auf einem anderen Kreisbogen. Setzt man den Stift so tief (S 3 in Abb. 62), daß die Pendelkugel beim Herumschwingen die Ausgangshöhe nicht mehr erreichen kann, so besitzt sie im höchsten Punkt über S3 noch einen gewissen Betrag an kinetischer Energie, so daß sie dort nicht zum Stillstand kommt, sondern weiter herumschlägt. In allen Punkten zwischen A und B bzw. C und B in Abb. 61 hat die Pendelkugel sowohl potentielle als auch kinetische Energie. Für den Punkt D z. B., der um die Strecke * tiefer liegt als A, ist die potentielle Energie mg (Ii — x); die Geschwindigkeit der Kugel ist in D gleich ^ 2gx, mithin ist ihre kinetische Energie an dieser Stelle \m2gx=m-g-x. Die Summe von potentieller und kinetischer Energie ist dem-

64

III. Kapitel. Mechanik eines Systems von Massenpunkten

nach, für den Punkt D gleich mg(h— x) + mgx = mgh. Da die Lage des ins Auge gefaßten Punktes aus dieser Gleichung herausfällt, ist demnach die Summe von potentieller und kinetischer Energie für alle Punkte der Bahn die gleiche und somit konstant. Es wird also weder Energie gewonnen, noch geht solche verloren. Letzterem scheint allerdings die Erfahrungstatsache zu widersprechen, daß das Pendel nach einiger Zeit zur Ruhe kommt. Der Grund hierfür liegt aber wiederum (wie bei der Abnahme der Sprunghöhe der tanzenden Stahlkugel) darin, daß fortlaufend bei der Bewegung ein Teil der mechanischen Energie durch die Überwindung von Reibungswiderständen in Wärme verwandelt wird.

III.

Kapitel

Mechanik eines Systems von Massenpunkten 22. Drittes Newtonsches Bewegungsgesetz Bei der Definition des Kraftbegriffes sagten wir, daß eine auf einen Massenpunkt wirkende Kraft nicht aus dem Massenpunkt selbst stammen kann, sondern durch seine „Beziehung" zu der ihn umgebenden Körperwelt bedingt ist. Danach erfährt ein isolierter, im leeren Raum befindlicher Massenpunkt überhaupt keine Kraftwirkung. Damit eine solche zustande kommt, muß mindestens noch ein zweiter Massenpunkt, im allgemeinen eine Anzahl anderer Massenpunkte, vorhanden sein, von denen die Kraftwirkung ausgeht. Eine gespannte Feder kann z. B. eine vor ihrem einen Ende befindliche Masse nur beschleunigen, wenn ihr anderes Ende an einem zweiten Körper anliegt. Es hat also nur Sinn, von Kraftwirkungen „zwischen" zwei oder mehreren Massenpunkten oder Körpern zu sprechen. Die Erfahrung zeigt nun, daß, wenn ein Körper a auf einen Körper b eine Kraft ausübt, die wir §ta b nennen wollen, der Körper b umgekehrt auch auf den Körper a eine Kraft SJ6b ausübt. Das dritte Newtonsche Axiom behauptet nun, daß stets die vom Körper a auf den Körper b ausgeübte Kraft gleich und entgegengesetzt der Kraft sei, die b auf a ausübt. Bezeichnet man etwa die Kraft Sf a i mit dem kurzen Ausdruck „Aktion" und entsprechend die Kraft Si&o m i t „Reaktion", so kann man dem dritten Newtonschen Axiom die Fassung geben:

(47)

S?s6 =

;

in Worten: Jeder Aktion entspricht eine gleich große und entgegengesetzte Reaktion. Mit diesem Gesetz hat Newton die Grundlage zur Behandlung der Mechanik von Systemen von Massenpunkten und damit der Mechanik ausgedehnter Körper geschaffen, von denen wir bisher absehen mußten. Wenn wir ein „System", d. h. eine gewisse Anzahl von Massenpunkten ins Auge fassen, so können zwei Fälle vorliegen: E n t w e d e r stammen a l l e Kräfte, die an Massenpunkten des Systems auftreten, aus dem System selbst, d. h. gehen von Massenpunkten des Systems selbst aus, — dann spricht man von „inneren" Kräften — oder es treten neben diesen inneren Kräften noch „äußere" Kräfte auf, die von Massenpunkten ausgehen, die wir dem System nicht zugerechnet haben. Wir wollen nun die Summe aller im System auftretenden Kräfte bilden. Sind es nur i n n e r e , so ist diese Summe gleichNull,da sie sich nach dem dritten Newtonschen Axiom paarweise a n u l l i e r e n . In diesem Falle nennt man das System ein freies System. Im anderen Falle reduziert

22. Drittes Newtonsches Bewegungsgesetz

65

sich die Summe a l l e r K r ä f t e auf die Summe der ä u ß e r e n Kräfte, da die Summe der inneren stets verschwindet. Wir haben also auf Grund des dritten N e w t o n s c h e n Axioms folgende Sätze: 1. Die Gesamtsumme aller Kräfte eines freien Systems ist gleich Null. 2. Die Gesamtsumme aller Kräfte eines beliebigen, nichtfreien Systems reduziert sich auf die Summe der äußeren Kräfte. Grundsätzlich kann man ein „unfreies" System stets dadurch zu einem freien machen, daß man diejenigen Massen, von denen die „äußeren" Kräfte ausgehen, mit zu dem System hinzunimmt. Rein theoretisch könnte man sich also auf die Behandlung „freier" Systeme beschränken; aus praktischen Gründen betrachtet man jedoch vielfach unfreie Systeme. Die Gültigkeit des Gesetzes von Aktion und Reaktion, das man auch a l s R e a k t i o n s p r i n z i p bezeichnet, läßt sich durch eine große Zahl von Versuchen erweisen. Von N e w t o n selbst stammt folgender Versuch: Befestigt man auf je einem Stück Kork einen kleinen Magneten und ein Eisenstück und läßt man beide Teile auf einer Wasserfläche schwimmen, so zieht der Magnet das Eisen und umgekehrt das Eisen den Magnet an; infolgedessen nähern sich beide bis zur Berührung und bleiben dann

ruhig nebeneinander liegen. Das ist aber nur möglich, wenn die K r a f t Magnet-Eisen (Aktion) genau gleich der K r a f t Eisen-Magnet (Reaktion) ist. Bringt man entsprechend Abb. 63 zwischen zwei auf einer horizontalen Glasplatte aufgestellten vollkommen gleichen Wagen eine zusammengedrückte Feder an, indem man die Wagen mit einem Faden zusammenbindet, so übt die Feder beim Durchbrennen des Fadens auf beide Wagen die gleiche K r a f t aus, jedoch in entgegengesetzter Richtung. Beide Wagen erhalten also dieselbe Beschleunigung und legen in gleichen Zeiten gleiche Wegstrecken zurück. Dies erkennt man z. B. daran, daß die Wagen im gleichen Augenblick an zwei in derselben Entfernung von den beiden Wagen aufgestellte Klötze anstoßen. Ändert man den Versuch so ab, daß man an beiden Wagen eine längere Spiralfeder anbringt und diese durch Auseinanderziehen der Wagen spannt, so laufen die beiden Wagen, wenn man sie gleichzeitig losläßt, aufeinander zu und treffen sich in der Mitte, da jeder Wagen den anderen heranzieht. Man kann a u c h v e r s c h i e d e n e Wagen zu beiden Versuchen benutzen. Sie erteilen sich dann gegenseitig Beschleunigungen, die sich u m g e k e h r t wie ihre Massen verhalten. Ein Gewicht auf unserer Hand drückt mit derselben K r a f t nach unten, mit der die Hand nach oben drücken muß, um das Gewicht am Fallen zu verhindern. Jeder Körper wird von der Erde angezogen und zieht mit der gleichen K r a f t die Erde an; da aber die Masse der Erde im Vergleich zu der des fallenden Körpers außerordentlich groß ist, erfährt die Erde eine so geringe Beschleunigung, daß sie nicht merklich ist. Der Mond wird von der Erde angezogen, umgekehrt wirkt aber auch der Mond mit der gleichen K r a f t auf die Erde anziehend. Wird ein Gewehr abgefeuert, so wirkt einerseits eine K r a f t auf das Geschoß nach vorwärts (Aktion) und anderseits eine gleich große entgegengesetzt gerichtete K r a f t auf das Gewehr selbst (Reaktion), die man als Rückstoß gegen die Schulter empfindet. B e r g m a n n u. S c h a e f e r , Experimentalphysik. I .

5

66

III. Kapitel. Mechanik eines Systems von Massenpunkten

Läßt man nach Abb. 64 aus einem rechtwinklig gebogenen Rohr D (Krümmer), das an einem Gummischlauch G aufgehängt ist, Wasser ausströmen, so wird das Wasser mit einem bestimmten Druck aus der Düsenöffnung geschleudert. Mit demselben Druck wirkt das Wasser auch gegen die gegenüberliegende Stelle der Rohrwandung, so daß der Krümmer gegen die Stromrichtung des Wassers bewegt wird und die Anordnung die in Abb. 64 gestrichelt gezeichnete Lage annimmt. Auf dieser Wirkung beruht die Arbeitsweise des Segnerschen Wasserrades, dessen Prinzip in Abb. 65 skizziert ist. Aus dem Vorratsgefäß A strömt Wasser durch ein vertikales Rohr nach den beiden waagerecht und entgegengesetzt gerichteten Düsen D1 und Z)2. Diese erfahren durch das ausströmende Wasser einen Rückstoß in der Richtung der eingezeichneten Pfeile; dadurch kommt die ganze Anordnung um die Vertikale in schnelle Rotation. Auf der Wirkung dieses Segnerschen Rades beruhen die rotierenden Rasensprenger und Springbrunnen. Das in Abb. 65 dargestellte Wasserrad kommt sofort zum Stillstand, wenn man in 1—2 cm Entfernung von den Düsenöffnungen

Abb. 64. Rückstoß bei einem beweglich aufgehängten Krümmer

Abb. 65. S e g n e r sches Wasserrad

Abb. 66. Nachweis der Reaktion auf die Schienen

kleine Metallplatten anbringt, die an den Düsenarmen befestigt sind, so daß das ausströmende Wasser gegen diese Platten strömen muß. Es heben sich dann die entgegengesetzt gleichen Kräfte des Rückstoßes und des Wasserdruckes gegen die Metallplatten auf. Schließlich beruht auch die Wirkungsweise der Rakete auf dem Gesetz der Gleichheit von Aktion und Reaktion. Die von einer Rakete ausgeschleuderten Pulvergase üben auf die Rakete selbst eine rücktreibende Kraft aus, durch die die Rakete entgegengesetzt zur Ausströmungsrichtung der Pulvergase fortgeschleudert wird. Da das dritte New ton sehe Axiom universelle Gültigkeit besitzt, ist die Rückstoßkraft auf die Rakete unabhängig davon, ob sich die Rakete im lufterfüllten oder luftleeren Raum bewegt. Auch beim Gehen und Springen erkennt man an dem Auftreten einer rückstoßenden Kraft die Wirkung des dritten Newtonschen Gesetzes. Springt man z. B. über einen Graben, so erteilt man seinem Körper eine beschleunigende Kraft in der Sprungrichtung, gleichzeitig erfährt die Absprungstelle (d. h. die Erde) eine Kraft in der umgekehrten Richtung, deren Wirkung man gelegentlich an dem Nachgeben des Bodens erkennen kann. Versucht man von einem Boot ans Ufer zu springen, so macht man die Erfahrung, daß das Boot beim Absprung in der Richtung vom Ufer weg bewegt wird. Wenn eine Lokomotive anfährt, erhält sie eine Antriebskraft in der Fahrtrichtung, die Schienen und damit die Erde erfahren eine gleichgroße Kraft in der umgekehrten

67

23. Erster Impulssatz

Richtung. Dies läßt sich mit der in Abb. 66 wiedergegebenen Versuchseinrichtung zeigen, bei der die große Masse der Erde durch die kleine Masse eines um eine vertikale Achse drehbaren, mit Schienen versehenen Rades ersetzt ist. Beim Fahren der Lokomotive dreht sich das Rad mit den Schienen in der entgegengesetzten Richtung. Schließlich sei noch auseinandergesetzt, inwiefern ein Pferd einen Wagen durch Ziehen fortbewegen kann. Bei flüchtiger Prüfung könnte man so argumentieren: „Die K r a f t (Aktion), die das Pferd auf den Wagen nach vorn ausübt, ist gerade entgegengesetzt der K r a f t (Reaktion), die der Wagen auf das Pferd nach rückwärts ausübt. Da Pferd und Wagen durch das Geschirr miteinander verbunden sind, so heben sich nach dem dritten N e w t o n s c h e n Axiom beide K r ä f t e auf, d. h. das Pferd kann den Wagen nicht fortbewegen." Dabei ist aber übersehen, daß außer diesen in der Tat gleichen und entgegengesetzten K r ä f t e n n o c h a n d e r e K r ä f t e s o w o h l a m P f e r d a l s a u c h a m W a g e n a n g r e i f e n , mit anderen Worten, daß das System PferdWagen k e i n f r e i e s S y s t e m ist. Die noch hinzukommenden ( ä u ß e r e n ) K r ä f t e sind solche, die von der Erde vermittels der Reibung sowohl auf Pferd wie Wagen ausgeübt werden. Nur wenn die Reibungskräfte zwischen Erde und Pferdehufen größer sind, als die zwischen Erde und Wagen, was im allgemeinen der Fall ist, kann das Pferd den Wagen fortbewegen; bekanntlich zeigt auch die Erfahrung, daß bei Glatteis, wo dies nicht mehr der Fall ist, das Pferd den Wagen nicht fortbewegen kann. Im allgemeinen betrachtet man Reibungskräfte (vgl. Nr. 41) als H i n d e r n i s s e der Bewegung; hier l i e g t e i n F a l l v o r , in d e m B e w e g u n g nur d u r c h s i e m ö g l i c h wird.

23. E r s t e r Impulssatz; E r h a l t u n g d e s I m p u l s e s e i n e s f r e i e n Systems Wir betrachten nun ein System, etwa von n Massenpunkten; auf jeden Massenpunkt wirken Kräfte, die teils i n n e r e , teils ä u ß e r e sein mögen. Jedenfalls gilt für jeden Massenpunkt einzeln die N e w t o n s c h e Bewegungsgleichung, die wir hier, nach Gl. (39), in der sogenannten „Impulsform" benutzen wollen. Seien die K r ä f t e S 2 , . . . , SJB, die Massen m1,m2, . . . , mn, die Geschwindigkeiten C1; C2, . . . , C„, die Impulse Sa> • • • > 3»> s o gehorchen sämtliche Massenpunkte des Systems den Bewegungsgleichungen:

(48)

Das ist nichts Neues. Neues aber gewinnen wir, wenn wir alle diese Gleichungen addieren. Denn in der links auftretenden Summe a l l e r K r ä f t e heben sich nach dem dritten N e w t o n s c h e n Gesetz die i n n e r e n heraus, und es bleibt nur die (nach dem Parallelogrammsatz zu bildende) Resultierende der ä u ß e r e n K r ä f t e übrig, die wir durch den Index ,,a" auszeichnen. Auf der rechten Seite steht der erste zeitliche Differentialquotient von der Summe sämtlicher Impulse; somit erhalten wir: (49a) 5*

68

I I I . Kapitel. Mechanik eines Systems von Massenpunkten

Ersetzen wir nun die äußeren Kräfte durch ihre Resultante S , ebenso die Summe der Impulse durch den (ebenfalls nach dem Parallelogrammsatz zu bildenden) Gesamtimpuls 3> so können wir Gleichung (49a) schreiben: (49 b) in Worten: Bei einem System von Massenpunkten ist die resultierende äußere Kraft gleich der sekundlichen Änderung des Gesamtimpulses ( E r s t e r I m p u l s s a t z ) . Diese Gleichung ist die direkte Verallgemeinerung der N e w t o n s c h e n Bewegungsgleichung e i n e s Massenpunktes in der Impulsform (39); denn auch dort ist ja die Kraft, die auf der linken Seite auftritt, die ä u ß e r e Kraft. Diese Verallgemeinerung wird offensichtlich nur dadurch möglich, daß infolge des dritten Axioms die inneren Kräfte sich herausheben. Dies bedingt natürlich eine g r o ß a r t i g e V e r e i n f a c h u n g , da man sich um die i n n e r e n Kräfte nicht zu kümmern braucht; ohne das dritte N e w t o n s c h e Axiom wäre — so kann man ohne Übertreibung sagen — eine „Mechanik der Systeme" gar nicht durchführbar. Wir werden in der nächsten Nummer den 1. Impulssatz in eine noch bequemere und anschaulichere Form bringen, wodurch die Analogie zur Mechanik e i n e s Massenpunktes womöglich noch stärker hervortritt.

Besonders einfach und bedeutsam wird der erste Impulssatz, wenn das betrachtete System f r e i ist. Dann g i b t es k e i n e ä u ß e r e n K r ä f t e , die Summe der inneren anulliert sich wie vorhin, d. h. die auf der linken Seite von (49) stehende resultierende Kraft $t ist gleich Null. Somit folgt: (50)

= 0,

oder

3 = constant.

In einem freien System bleibt der resultierende Impuls $ (nach Größe und Richtung) erhalten. W a r d e r s e l b e i n s b e s o n d e r e zu i r g e n d e i n e r Z e i t der B e w e g u n g g l e i c h N u l l , so b l e i b t er a u c h w ä h r e n d der g a n z e n B e w e g u n g g l e i c h Null. Experimentell läßt sich der „Satz von der Erhaltung des Impulses" in folgender Weise demonstrieren: Wir knüpfen an den in der vorigen Nummer erwähnten Versuch an, bei dem zwischen zwei Wagen von den Massen m 1 und m 2 , die auf einer horizontalen glatten Unterlage beweglich sind, eine zusammengedrückte Feder angebracht ist. Die sich entspannende Feder erteilt den beiden Massen nach dem dritten N e w t o n schen Axiom entgegengesetzt gleiche Kräfte, die Wagen erhalten nach Ablauf der Kraftwirkung Geschwindigkeiten und C2, die einander entgegengesetzt gerichtet sind; die Impulse sind also M 1 C 1 bzw. M 2 C 2 und weisen natürlich gleichfalls in entgegengesetzte Richtungen. Da zu Beginn des Versuches (alles in Ruhe!) der Gesamtimpuls jedenfalls Null ist, so muß er es auch nach dem Versuche sein, d. h. es muß gelten: (51)

m 1 Cj + m 2 C 2 =

0 .

Das bedeutet aber, daß die Absolutbeträge der Geschwindigkeiten c1 und c2 sich umgekehrt wie die Massen m1 und m2 verhalten, was der Versuch auch wirklich ergibt. Besonders einfach ist der Sonderfall, daß beide Massen gleich sind; dann ist = —C2, d. h. auch die Geschwindigkeiten sind dann entgegengesetzt gleich. • D e r S a t z von der E r h a l t u n g des I m p u l s e s s t e l l t im G r u n d e gen o m m e n n u r eine a n d e r e F o r m u l i e r u n g des d r i t t e n Newtonschen A x i o m s vor. Z.B. läßt sich die Wirkung der Rakete, die wir in der vorigen Nummer als Beispiel für das dritte Axiom erörterten, natürlich auch mit Hilfe des Impulssatzes erklären: Die Pulvergase mit der Masse m1 werden mit einer großen Geschwindigkeit C1 von der Rakete ausgestoßen, erhalten also einen Impuls m1 Cj. Da zu Beginn die Rakete in Ruhe war, hatte sie den Gesamtimpuls Null; damit dieser nach dem Anzünden der Rakete erhalten bleibt, muß die Rakete mit ihrer Masse m2 eine Be-

24. Massenmittelpunkt; Schwerpunktsatz

69

wegung mit der Geschwindigkeit C2 ausführen, so daß m 1 Cj + m2C2 = 0 ist. Hieraus berechnet sich m2 In der Ballistik macht man bei der Bestimmung der Geschoßgeschwindigkeit mit dem sogenannten ballistischen Pendel von dem Satz der Erhaltung des Impulses Gebrauch. Das ballistische Pendel (Abb. 67) besteht aus einer an einer Stange aufgehängten großen Masse M (z. B . Kiste mit Sand). Das Geschoß, dessen Geschwindigkeitsbetrag bestimmt werden soll, und das die Masse m haben möge, wird in den Pendelkörper hineingeschossen, so daß es darin stecken bleibt; auf diese Weise erteilt das -A\ Geschoß dem Pendel eine bestimmte Geschwindigkeit \\ Cj. Bestimmt man diese (etwa aus der Steighöhe h des \\ \ Pendels) zu Cx = j / 2 g h (s. hierzu S. 33), so gilt nach \ dem Impulssatz für ein freies System die Gleichung: mc = (M + hierin ist mc der Impulsbetrag v o r .— 1 §|llfl v-;^-^-^--/, und (M + m)cx sein Wert n a c h dem Eindringen \_P iÜH des Geschosses in den Pendelkörper. Für die GeschoßA b b 67 B a l l i s ti s e he S Pendel geschwindigkeit ergibt sich damit der Ausdruck | i iyfy j

^

c = ——— y 2 g h , in dem alle Größen auf der rechten Seite der Messung zugänglich sind. Mißt man statt h, was bequemer ist, den maximalen Ausschlagswinkel

a 2 = r 2 sin« 2

und ist, wenn und tx2 die Winkel zwischen bzw. t 2 u n < i sind. Bezeichnet man ferner die Winkel am Punkte C, die S j und Si2 mit der Resultanten bilden, durch y und

11 = ^ ; H, = Const.,

in Worten: Der Gesamtdrehimpuls eines freien Systems bleibt nach Größe und Richtung konstant ( S a t z von der E r h a l t u n g des D r e h i m p u l s e s ) . E r tritt dem Satz von der Erhaltung des gewöhnlichen Impulses zur Seite. Wie das freie System sich auch im einzelnen bewegen möge, immer behält der Pfeil, durch den wir seinen Drehimpuls als Vektor darstellen können, seine Länge und seine Orientierung im Räume bei. Man nennt daher die Richtung des Drehimpulses eines freien Systems die invariable Achse, die dazu senkrechte Ebene durch den Momentenpunkt die invariable Ebene des Systems. In dem besonderen Falle, daß das System starr ist und sich um eine feste Achse dreht, nimmt sowohl der Drehimpuls (71) wie auch der Erhaltungssatz (72) des Drehimpulses eine besonders einfache Gestalt an. Denn dann hat U„ im ganzen Körper den gleichen Wert U und Q = mt rv2 ist zeitlich konstant. Folglich gelten unter dieser Voraussetzung die Sätze: (71a)

® =

(72a)

0 t t = Const.,

in Worten: Dreht sich ein starrer Körper um eine im Körper feste Achse, so ist das Drehmoment der äußeren Kräfte S gleich dem Produkt aus dem Trägheitsmoment