Lehrbuch der Experimentalphysik: Band 1 Mechanik, Akustik, Wärme 9783110865943, 9783110123913


214 85 110MB

German Pages 918 [920] Year 1990

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Vorwort zur 10. Auflage
Einleitung
Verwendete Ausdrücke und Buchstaben
Inhalt
Mechanik
I. Kapitel. Messen und Mafieinheiten
II. Kapitel. Mechanische Grundbegriffe; Mechanik des Massenpunktes
III. Kapitel. Mechanik eines Systems von Massenpunkten
IV. Kapitel. Anwendungen auf spezielle Bewegungen
V. Kapitel. Elastizität der festen Körper
VI. Kapitel. Mechanik der Flüssigkeiten und Gase
VII. Kapitel Molekularphysik
VIII. Kapitel. Allgemeine Wellenlehre
Akustik
IX. Kapitel
Wärme
X. Kapitel. Temperatur und Wärmemenge
XI. Kapitel. Thermodynamik
XII. Kapitel. Tiefe Temperaturen
Lösungen der Aufgaben
Fachwörterverzeichnis
Empfohlene Bücher und Zeitschriften-Aufsätze zur Ergänzung
Namen- und Sachregister
Tabellen
Recommend Papers

Lehrbuch der Experimentalphysik: Band 1 Mechanik, Akustik, Wärme
 9783110865943, 9783110123913

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Bergmann • Schaefer Lehrbuch der Experimentalphysik Band I Mechanik • Akustik • Wärme

Bergmann • Schaefer Lehrbuch der Experimentalphysik Band I

W Walter de Gruyter G Berlin • New York 1990 DE

Heinrich Gobrecht Mechanik • Akustik • Wärme 10., bearbeitete und erweiterte Auflage unter Mitarbeit von Jürgen H. Gobrecht und Klaus H. Gobrecht

W Walter de Gruyter G Berlin • New York 1990 DE

Autoren

Dr.-Ing. Heinrich Gobrecht em. o. Professor für Physik Technische Universität Berlin Dr.-Ing. Jürgen H. Gobrecht Professor an der Fachhochschule Würzburg - Schweinfurt Dr.-Ing. Klaus H. Gobrecht Institut Max von Laue - Paul Langevin Grenoble/Frankreich

Chronologie

1. Auflage 1943 (Ludwig Bergmann und Clemens Schaefer) 2. Auflage 1945 3. Auflage 1945 4. Auflage 1954 5. Auflage 1958 6. Auflage 1961 7. Auflage 1965

8. Auflage 1970 (völlig neubearbeitet von Heinrich Gobrecht) 9. Auflage 1974 1. Nachdruck 1979 2. Nachdruck 1987 3. Nachdruck 1987 4. Nachdruck 1989 10. Auflage 1990

Die 10. Auflage enthält 805 Abbildungen

CIP-Titelaufnahme

der Deutschen

Bibliothek

Bergmann, Ludwig: Lehrbuch der Experimentalphysik / Bergmann ; Schaefer. Berlin ; New York : de Gruyter. NE: Schaefer, Clemens: Bd. 1. Mechanik, Akustik, Wärme / Heinrich Gobrecht. Unter Mitarb. von Jürgen H. Gobrecht ; Klaus H. Gobrecht. - 10., bearb. u. erw. Aufl. - 1990 ISBN 3-11-012391-6 NE: Gobrecht, Heinrich [Bearb.]

© Copyright 1990 by Walter de Gruyter & Co., D-1000 Berlin 30. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz und Druck: Tutte Druckerei GmbH, Salzweg-Passau. - Bindearbeiten: Lüderitz & Bauer Buchgewerbe GmbH, Berlin. - Einbandgestaltung: Hansbernd Lindemann, Berlin.

Vorwort zur 10. Auflage

Die Mechanik ist eine alte Wissenschaft. Im Altertum liegen die Anfinge der Statik; sie ist die Lehre vom Gleichgewicht der Kräfte in Ruhe. Im 17. Jahrhundert erkannte Newton wesentliche Gesetze, die den Einfluß der Kräfte auf die Bewegung beschreiben. Diese Lehre heißt Dynamik. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts konnte Wärme in mechanische Energie umgewandelt werden: die Dampfmaschine wurde erfunden. Menschliche Arbeitskraft wird durch Maschinen ersetzt; das technische Zeitalter hat begonnen. In den folgenden 150 Jahren entstanden hochentwickelte mechanische Maschinen, die genauer und zuverlässiger arbeiten können als die Hände der Menschen. Aber diese Maschinen werden noch von Menschen gesteuert. In der zweiten Häfte des 20. Jahrhunderts wurden solche Maschinen konstruiert, welche nach einem vorgegebenen Programm eine Arbeit allein und ohne Steuerung durch Menschen verrichten können: die Roboter. Ihre Entstehung wurde erst durch empfindliche Sensoren, durch eine hochentwickelte Elektronik, durch die Computertechnik (Mikroprozessoren) und durch die Leistungselektronik möglich. In einer modernen Fabrikhalle sieht man diese Roboter allein arbeiten. Sie stellen eine Kombination von Mechanik und Elektronik dar. Man spricht daher auch von der Mechatronik. Im ersten Teil dieses Buches wird die Mechanik behandelt, und zwar die Mechanik der festen Körper einschließlich der Elastizität und der Festigkeit, sowie die Mechanik der Flüssigkeiten und die der Gase. - Danach folgen die Schwingungslehre und die Akustik. - Die Wärmelehre im letzten Drittel des Buches beschreibt zunächst wichtige Begriffe und behandelt dann die Thermodynamik. Anschließend wird die Erzeugung und Messung tiefer Temperaturen beschrieben. - Die Mechanik und Probleme der Weltraumfahrt sind an passenden Stellen eingefügt; der besondere Anhang über die Weltraumfahrt wurde gestrichen. Gemäß internationaler Empfehlung stehen die Buchstabensymbole physikalischer Größen schräg (kursiv). Leider gibt es in diesem Buch auch einzelne Buchstaben im Text, die schräg (kursiv) stehen, obgleich sie keine physikalischen Größen sind (zum Beispiel Buchstaben, die sich auf Gegenstände in Zeichnungen beziehen). Eine Änderung hätte das Buch unnötig verteuert, was vermieden werden sollte. Der Leser möge dies verstehen. Für die Einheiten wird das Internationale Einheitensystem (SI-System) verwendet. Ältere und sehr eingebürgerte Einheiten (z. B. Kalorie, Atmosphäre, PS) werden aber noch kurz erwähnt. Die Umrechnungen in Einheiten des SI-Systems werden gezeigt. Auch in diesem Band ist besonderer Wert auf die Beschreibung von Experimenten gelegt; denn sie erleichtern das Verstehen physikalischer Vorgänge und können die Leser von der Richtigkeit der Aussagen überzeugen. Einigen Lesern mag die Schilderung eines Versuches vielleicht zu breit dargestellt sein. Doch soll auch Rücksicht auf diejenigen genommen werden, die an physikalisches Denken noch nicht gewöhnt sind. Berlin, Mai 1990

Heinrich Gobrecht

Einleitung

Die Natur hat zu allen Zeiten einen großen Eindruck auf den Menschen gemacht. Man denke an das Weltall, an den Sternenhimmel, an Blitz und Donner, an die wunderbaren, gleichmäßig geformten und gefärbten Kristalle. Man denke aber vor allem an Leben und Tod. Geistvolle Menschen haben die Natur beschrieben. Man beobachtete, sammelte und ordnete. Diese Naturbeschreibungen, teilweise in künstlerischen Bildern oder in dichterischer Sprache, erfreuten die Menschen sowohl zu den Zeiten des L u c r e z und des P l i n i u s , zu den Zeiten G o e t h e s als auch heute. Aber zunehmend ist der Wunsch erkennbar, die Natur nicht nur zu beschreiben, sondern auch zu verstehen. Das Wissen der Ursachen und Gesetze eines Naturgeschehens würde es ermöglichen, dessen ganzen Verlauf, also auch die Zukunft, voraussagen zu können; denn daß einige Vorgänge in der Natur nach bestimmten Gesetzen ablaufen und nicht auf Zufälligkeiten beruhen, konnte man schon früh erkennen. Der Wechsel der Jahreszeiten, die Sonnen- und Mondstellungen, chemische Prozesse, das Feuer, das Gefrieren und Sieden des Wassers sind einfache Beispiele. So besteht der Wunsch des Menschen, die Naturerscheinungen zu verstehen und auf allgemein gültige Gesetze zurückzuführen. Die Triebfeder ist sowohl der reine Erkenntnisdrang als auch die Hoffnung, sich die Natur dienstbar zu machen. Die wichtigsten Hilfsmittel hierbei sind das Experiment und die Mathematik. Das Nachdenken allein und die reine Beobachtung der Natur reichen im allgemeinen nicht aus, um die Gesetzmäßigkeiten zu finden. Die größten Erfolge entstanden deshalb seit jener Zeit im 17. Jahrhundert, als man zu experimentieren bereit war und die Ergebnisse mathematisch formulierte. Die quantitativ gefundenen Gesetze wurden bei jeder Wiederholung erneut bestätigt und hingen nicht von der Person des Beobachters ab. So wurden Tatsachen durch Versuche festgestellt. Sie wurden in ein logisch zusammenhängendes System eingeordnet. Das griechische Wort „physis" bedeutet Ursprung, Naturordnung, das Geschaffene (Welt, Geschöpf). Das Wort Physik hat sich daraus entwickelt. Wir verstehen darunter die Ordnung und die geistige, quantitative Erfassung aller Erscheinungen in der unbelebten Natur unter Zurückführung auf allgemein gültige Gesetzmäßigkeiten. Die stürmische Entwicklung der Physik in den letzten 200 Jahren hat ganz wesentlich die Entwicklung der Technik beeinflußt. Und umgekehrt hat dann später die Technik zahlreiche und wichtige Experimente in der Physik ermöglicht. Beide Entwicklungen sind bekanntlich nicht abgeschlossen. Während das Ziel der Physik ist, das Verhalten der nicht lebendigen Natur zu verstehen, also die Wahrheit, die Wirklichkeit, die Ursachen und Zusammenhänge der Naturvorgänge zu erfassen, ist das Ziel der Technik die Anwendung dieser Kenntnisse zum Wohle der Menschheit. Jeder, der sich noch nicht mit der Physik beschäftigt hat, wird Begriffen begegnen, die im täglichen Leben weniger oft oder in anderer Bedeutung vorkommen (z. B. „Masse"). Deshalb ist eine strenge Definition, das ist eine genaue Festlegung eines Begriffes, erforderlich. Dies wird während der Behandlung des Stoffes in diesem Buch an geeigneter Stelle oftmals vorgenommen. Es gibt aber auch Ausdrücke, deren Kenntnis vorausgesetzt wird. Ihre Bedeutung soll hier im folgenden Text erklärt werden. Wenn der Ablauf eines Naturgeschehens erfahrungsgemäß immer wieder genau in der gleichen Art erfolgt, scheint ein Gesetz vorzuliegen, das offenbar auch die Natur befolgen muß. Man spricht auch von einem Naturgesetz. Ist ein solches Gesetz durch Erfahrung, also durch Beobachtungen oder Experimente erkannt worden, so sagt man, es sei empirisch (Empirie, gr., = Erfahrung) gefunden. Im Gegensatz hierzu stehen Gesetze, die nicht empirisch, sondern

Vili

Einleitung

durch Logik oder durch mathematische Entwicklung entstanden sind. Oft steht am Anfang eine Hypothese (gr.), d. i. eine unbewiesene Annahme, eine Unterstellung. Aus dieser wird dann eine Theorie entwickelt, die ein Naturgeschehen exakt beschreibt und mathematisch begründet. Eine Theorie kann also entstehen, bevor das Naturgeschehen beobachtet wird. Ein Experiment kann dann die Richtigkeit einer Theorie bestätigen oder sie widerlegen. Häufiger entsteht eine Theorie, um einen bereits bekannten Vorgang in der Natur zu erklären oder zu verstehen. Mit Hilfe einer solchen Theorie können dann oft Voraussagen über Naturvorgänge gemacht werden, die noch nicht beobachtet sind. Man darf nicht vergessen, daß eine Theorie auch falsch sein kann, während ein Experiment, das ja nur eine Frage an die Natur darstellt, stets die Natur so zeigt, wie sie ist. Setzt man eine allgemein gültige Aussage als wahr voraus, ohne daß man sie beweisen kann, so spricht man von einem Axiom (gr. = Forderung). Ein solches Axiom ist z. B. in der Geometrie, daß sich zwei parallele Geraden niemals schneiden. Man kann dies nicht beweisen. Es wurde versucht, ähnlich wie die Mathematik auch die Physik auf einem solchen Axiomensystem zu gründen, was aber nicht gelang. Als Axiome der Physik kann man auch Prinzipe und Erhaltungssätze ansehen. Es sind heuristische (d. h. erfundene) Sätze, die durch Erfahrung zu bestätigen sind. Beispiele sind das Energieprinzip ( = Erhaltung der Energie), das Kausalitätsprinzip ( = jede Wirkung hat ihre Ursache), das Prinzip von actio = reactio (Wirkung = Gegenwirkung), das Trägheitsprinzip, das N e w t o n s c h e Grundgesetz der Dynamik, das P a u l i Prinzip (gültig im Atom). Daneben gibt es aber auch Prinzipe in der Physik, die sich auf bestimmte Gebiete beschränken und die auch beweisbar sind, wie das Archimedische Prinzip und das F e r m a t s c h e Prinzip. Postúlate sind ebenfalls Forderungen, die nicht beweisbar sind. Ihr Geltungsbereich ist eingeschränkt, wie z. B. die B o h r sehen Postúlate, die sich auf das B o h r sehe Atommodell beziehen. Durch die Ergebnisse der Theorie, deren Zahlenwerte mit den Experimenten übereinstimmen, werden die Postúlate gerechtfertigt. Bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts konnten die Vorgänge in der Physik überwiegend anschaulich erklärt werden. Zwischen Ursache und Wirkung besteht ein kausaler Zusammenhang. Es ist dies der Bereich der klassischen Physik. Hierzu gehört die N e w t o n s c h e Mechanik, die Akustik, die Maxwellsche Theorie des Elektromagnetismus, die geometrische und die Wellenoptik sowie ein Teil der Thermodynamik. Die anschauliche Denkweise geht in der modernen Physik, begründet durch die Quantenmechanik und durch die Relativitätstheorie, weitgehend verloren. Die bei einem Experiment durchgeführten Messungen stimmen manchmal mit den aus einer Theorie berechneten Werten nicht überein; es zeigt sich eine Diskrepanz (lat. = Unstimmigkeit). Diese ist möglicherweise um so größer, je mehr, von den Meßpunkten ausgehend, extrapoliert wurde. Darunter versteht man die Übertragung von Meßergebnissen in Bereiche außerhalb der Meßpunkte in der Annahme, daß die Kurve den gleichen Verlauf habe wie zwischen den Meßpunkten. Ist der Kurvenverlauf innerhalb der Meßpunkte stetig und besteht kein Anlaß zu der Annahme, daß der Kurvenverlauf außerhalb der Meßpunkte unstetig wird, dann ist eine nicht zu starke Extrapolation im allgemeinen zulässig. Eine Approximation ( = Näherung) ist eine angenäherte Bestimmung (theoretisch oder experimentell) einer unbekannten Größe. Invarianten ( = Unveränderliche) sind solche Größen, die sich bei bestimmten Operationen (Drehung, Spiegelung) nicht ändern. Bei Koordinatendrehungen z. B. sind skalare Größen (z. B. Temperatur) invariant.

Einleitung

IX

Einige Größen spielen in verschiedenen Gebieten der Physik und ebenso im Kosmos eine bedeutende Rolle und erhalten auch bei völlig verschiedenen Meßmethoden die gleichen Werte. Man spricht von Naturkonstanten. Ein Beispiel ist die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum. Als Konstanten werden also Größen bezeichnet, deren Werte sich nicht ändern. Zum Beispiel ist die A v o g a d r o - K o n s t a n t e unabhängig vom Stoff. Sie gibt an, wieviel Moleküle sich in einem Mol eines jeden Stoffes befinden. Der Wert ist für alle Stoffe gleich. Im Gegensatz zu den Konstanten sind die Koeffizienten vom Stoff abhängig. Der Ausdehnungs-Koeffizient z. B. bezieht sich jeweils auf einen bestimmten Stoff. Das Wort ,,spezifisch" bedeutet „auf die Art bezogen". Damit werden Größen bezeichnet, die auf das Volumen (z. B. spez. Gewicht = Gewicht/Volumen) oder auf die Masse (z. B. spez. Wärmekapazität = Wärmekapazität/Masse) oder auf eine andere Größenart bezogen sind. Der Leser wird beim Studium dieses Buches verschiedene neue Arten physikalischer Größen (auch Größenarten genannt) kennenlernen, deren genaue Kenntnis notwendig ist. Mehrere Arten physikalischer Größen sind bereits aus dem täglichen Leben bekannt: Länge, Fläche, Raum, Zeit, Temperatur, Arbeit usw. Eine physikalische Größe wird definiert durch eine Meßvorschrift und eine Maßeinheit. Die Meßvorschrift gibt an, auf welche Weise die Größe mit einem Normal, das die Maßeinheit dieser Größenart darstellt, zu vergleichen ist. Das Ergebnis jeder Messung ist die Angabe, wie oft diese Maßeinheit in der zu messenden Größe enthalten ist. Eine physikalische Größe ist also gekennzeichnet durch das Produkt: Zahl mal Einheit. Mißt man als physikalische Größe z.B. eine Länge von 914,4 Millimeter = 91,44 Zentimeter = 0,9144 Meter = 3 Fuß = 1 Yard usw., so sieht man stets dieses Produkt: Zahl mal Einheit. Man ist frei in der Wahl der Einheit. Die davorstehende Zahl ändert sich zwangsläufig mit der Änderung der Einheit. Die Zahl der Längeneinheiten ist wie auch die Zahl der Einheiten anderer Größenarten natürlich beliebig groß. Die Gesamtheit aller Einheiten einer Größenart wird umfaßt durch den Begriff Dimension. Die Dimension wird stets in Grundgrößenarten angegeben. Die Dimension z. B. der Geschwindigkeit v ist gleich Dimension der Länge (L) dividiert durch Dimension der Zeit (T). Dies wird kurz so geschrieben: dim v = LT~l. Es ist oft von Vorteil, Dimensionsgleichungen aufzustellen. Sie zeigen insbesondere bei Rechnungen durch Multiplikationen und Kürzung von Dimensionen, ob die erwartete Dimension erhalten wird. Wenn dies nicht der Fall ist, muß ein Fehler vorliegen. Ergibt die Kürzung zweier Dimensionen die Zahl 1, so spricht man von einer Verhältnisgröße der Dimension „Eins". So ist z. B. ein Winkel das Verhältnis zweier Längen, nämlich Länge des Bogens dividiert durch die Länge des Radius. Die Dimensionen der Länge kürzen sich also fort. Der Winkel hat somit die Dimension „Eins". Radiant, Grad und Neugrad sind verschiedene Einheiten der Dimension Eins. Die genaue Bedeutung der in der Physik verwendeten Ausdrücke dringt mit der Zeit zunehmend in das Bewußtsein des Lesers ein. Es lohnt sich aber, oft wiederkehrende Wörter gleich am Anfang kennenzulernen und sich über ihre Bedeutung ganz klar zu werden. Da der Wortschatz einer Sprache nicht ausreicht, haben die Wissenschaften Anleihen bei anderen Sprachen gemacht. Griechische und lateinische Wörter wurden bis jetzt bevorzugt. Die deutschen Übersetzungen treffen nicht immer den wirklichen Sinn des Fremdwortes; deshalb treten oft längere Umschreibungen an die Stelle einer Übersetzung. Auch die Zahl der lateinischen Buchstaben reicht nicht aus. Als Symbole für Begriffe werden deshalb zusätzlich große und kleine griechische Buchstaben verwendet. Man sollte sie zur Erleichterung so früh wie möglich lesen und schreiben lernen. Es gibt neuerdings internationale Empfehlungen zur Verwendung von Buchstaben für physikalische und technische Größen. Diesen Empfehlungen wird in diesem Buch entsprochen.

Verwendete Ausdrücke und Buchstaben Länge Radius Fläche Volumen Wellenlänge Zeit Frequenz Winkelgeschwindigkeit, Kreisfrequenz Geschwindigkeit Beschleunigung Fallbeschleunigung Masse Dichte Impuls Drehimpuls, Impulsmoment Trägheitsmoment Kraft Gravitationskonstante Gewicht Richtgröße (elast. Konst.) Drehmoment, Moment eines Kräftepaares Richtmoment oder Winkelrichtgröße Moment, Kraftmoment Druck Normalspannung Schubspannung Dehnung Elastizitätsmodul Schubmodul Torsionsmodul Kompressionsmodul Poisson-Zahl Dynamische Viskosität Kinematische Viskosität Reibungszahl Koeffizient der Rollreibung Oberflächenspannung Energie Potentielle Energie Kinetische Energie Arbeit Leistung Wirkungsgrad Molekülanzahl Molekülanzahldichte molare Masse Masse eines Moleküls relative Atommasse relative Molekülmasse

/ r A, S, f V A t v, f a> v, c a g m Q p L J F G G k T D M p a r e E G G, K /x rj v ¡J. ¡iRO a E, IV Ev, V £jt, T, A,W P rj N n M m0 Ar Mr

a> = 2 nv

Q = m/V p = mv L= r x p F(r) = Gm\ m-ilr1 T = r XF D = \T\/x M = r XF

e = AI/IQ a = eE r = G tan «

v — TJ/Q (Dimension = Eins) (Dimension =j= Eins)

n = NjV M = NA-m0

Verwendete Ausdrücke und Buchstaben — Griechisches Alphabet Stoffmenge (in mol) n, v Avogadro-Konstante NA Loschmidt-Konstante n0 Boltzmann-Konstante k Molare Gaskonstante R Diffusionskoeffizient D Charakteristische Temperatur & Wärmemenge Q Temperatur t, # Thermodynamische Temperatur, Kelvin-Temperatur . . T Entropie S Innere Energie U Freie Energie F F = U — TS H= U+ pV Enthalpie H G = H - TS Freie Enthalpie, Gibbs-Funktion G Wärmeleitfähigkeit A Wärmekapazität C Cv, Cv Molare Wärmekapazität cp, cv Spezifische Wärmekapazität c = Cjm Joule-Thomson-Koeffizient ¡x Wärmestrom Temperaturleitfähigkeit a a = A/QCV (Amplitude | ) Schallausschlag ( = Verschiebung eines Teilchens) . . . £ Schallschnelle v — dÇ/dt (Amplitude v) (Amplitude p) Schalldruck p Schalldruckpegel L Schallstrahlungsdruck p* Schallwiderstand QC = m Schallintensität / Schallschluckgrad « = (/o - h)/Io 1=1o • e~mr Dissipationskonstante m Nachhallzeit T Lautstärke A S = 2 14 C + 1 H. Dieser neu gebildete Kohlenstoff wird in der oberen Atmosphäre durch Ozon und Ionisation zu CO2 oxidiert und vermischt sich mit dem übrigen Kohlendioxid der Atmosphäre. So enthält die Atmosphäre stets den gleichen Anteil an 14 C. Die Halbwertszeit des 14 C beträgt 5568 ± 50 Jahre. Es lassen sich also Substanzen messen, wie z. B. altes Holz, Kalk (CaCOs) von Tieren usw., in denen vor einigen tausend Jahren der Kohlenstoff in der natür-

Zeitmessungen

27

Abb. I, 24. Stroboskopische A u f n a h m e einer (nach rechts) fliegenden Luftgewehrkugel, die einen gespannten Zwirnsfaden trifft (der Faden reißt später unten ab). 25000 Blitze/s (Impulsphysik Dr. F r ü n g e l )

liehen Zusammensetzung eingebaut worden ist. Man bestimmt das Verhältnis der Isotope 1 4 C zu 1 2 C in Massenspektrographen und vergleicht mit der natürlichen Zusammensetzung dieser Isotope in der Atmosphäre. In den letzten Jahrzehnten ist infolge der Industrialisierung der CC>2-Gehalt der Atmosphäre gestiegen. Da vorwiegend Kohle und Erdöl verbrannt werden, in denen wegen des hohen Alters das 1 4 C längst nicht mehr vorhanden ist, ist der prozentuale Anteil des 1 4 C in der Atmosphäre gesunken. Kernwaffenversuche hatten allerdings wieder einen Anstieg zur Folge. Die Grundlage einer neuen Methode zur Altersbestimmung ist die Hochenergie-Massenspektrometrie. Diese Methode eignet sich besonders für winzige Proben von wenigen Milligramm (z. B. von Kunstwerken). Die Atome der entnommenen Probe werden ionisiert, durch eine elektrische Hochspannung von 20 bis 30 Millionen Volt beschleunigt und dann nach ihrer Masse getrennt. Die langlebigen Radioisotope spielen hierbei eine wichtige Rolle; die Zahl dieser Atome nimmt langsam ab, während die Zahl der stabilen Isotope konstant bleibt. Somit ändert sich das Verhältnis der unstabilen zu den stabilen Isotopen, wie dies schon beim Verhältnis 1 4 C / 1 2 C erwähnt wurde. (Isotope nennt man Atome mit gleichen chemischen Eigenschaften, aber verschiedener Masse). Es lassen sich Isotope in Konzentrationen herab bis zu 10" 1 5 nachweisen. Durch konventionelle Massenspektrometrie läßt sich eine Konzentration nur bis zu 1 0 " 1 1 und durch radioaktive Zählung eine solche nur bis zu 10" 9 feststellen. Eine andere Methode, die sich besonders für lange Zeiten eignet, ist die folgende: Die meisten Gesteine und Mineralien enthalten kleine Mengen Uran, welches sehr langsam durch Aussendung von a-Teilchen zerfallt. Die Bahnen dieser energiereichen Helium-Kerne hinterlassen geringe Spu-

28

Messen und Maßeinheiten

ren im Material, ebenso der Rückstoß des neugebildeten Kerns. Diese sehr feinen Spuren können durch geeignete Ätzung verbreitert und im Mikroskop sichtbar gemacht werden. Man erhält also die Gesamtzahl der Zerfalle, die in Beziehung zur Menge des noch vorhandenen, nicht zerfallenen Urans gesetzt wird. Die Halbwertszeit des Urans ist gut meßbar und beträgt 4,56 • 10 9 Jahre.

Aufgaben I, 1 In den USA nennt man beim Treibstoffverbrauch eines Kraftwagens die Zahl der Meilen, die man mit 1 gallon fahren kann, während man in Deutschland die Zahl der Liter Treibstoff angibt, die man auf einer Strecke von 100 km verbraucht hat. Man berechne den Treibstoffverbrauch eines Kraftwagens in Ltr./lOO km, wenn er in den USA die Strecke von 15 Meilen mit 1 gallon fährt. 1 USA gallon (gal) = 3,785 Ltr. (Man beachte: In England 1 gallon = 4,546 Ltr.) 1 (USA) Statute mile = 1,609 km I, 2 a) Wieviel Gon hat ein rechter Winkel? b) Wieviel Gon hat ein Grad eines ebenen Winkels? I, 3 Was ist ein Steradiant? I, 4

Wieviel Moleküle enthält a) ein Gramm, b) ein Liter Luft bei 0 °C und Normaldruck?

I, 5 Wie kann man die Dichte eines unregelmäßig geformten Stückes Bernstein bestimmen? I, 6

Man berechne die Dichte von Sauerstoff bei 0 °C und Normaldruck.

I, 7 Welchen Raum nehmen die folgenden Stoffe ein: a) 1 kg Wasserstoff, b) 1 kg Luft, c) 1 kg Aluminium, d) 1 kg Gold ? I, 8 Die Räder eines Wagens (Durchmesser = 1 m, je 16 Speichen) scheinen in einem Fernsehbild (50 Bildwechsel pro Sekunde) still zu stehen. Welche Geschwindigkeiten kann der Wagen haben? I, 9

In dem guten Vakuum einer Fernsehröhre ist der Luftdruck (und damit auch die Zahl der Luftmoleküle) um den Faktor 1010 kleiner. Wieviel Moleküle befinden sich noch in 1 mm 3 ?

I, 10 Das 32-kHz-Quarzplättchen einer Quarzuhr macht in der Sekunde eine Schwingung zu viel. Wieviele Sekunden geht die Uhr am Tag vor? I, 11 Nach einem Wolkenbruch über einer Stadt, der sich auf ein Gebiet von 9 km2 erstreckte, wurde eine Regenhöhe von 20 mm gemessen. Welche Wassermenge mußte in kurzer Zeit abgeführt werden ? I, 12 Wie groß ist der relative Fehler in Prozent bei folgenden Messungen: a) Bei der Geschwindigkeit eines Kraftwagens von 100 km/h wird der mittlere absolute Fehler des Tachometers auf 5 km/h geschätzt. b) Bei der Messung einer Länge von 2 m mit einem Bandmaß beträgt die Ablesegenauigkeit etwa 1 mm. c) Eine sehr gute Armbanduhr geht am Tag auf eine Sekunde genau.

II. K a p i t e l

Mechanische Grundbegriffe; Mechanik des Massenpunktes 6. Absolute und relative Ruhe und Bewegung; Begriff des Massenpunktes Ruhe und Bewegung sind bekannte Begriffe des täglichen Lebens. Dennoch müssen sie in physikalischer Hinsicht genauer betrachtet werden. Eine Bewegung wird dann eine gleichförmige genannt, wenn ein Körper in gleichen Zeitabschnitten gleiche Wege zurücklegt. Ist dies nicht der Fall, dann ist die Bewegung ungleichförmig. Bewegen sich die einzelnen Punkte eines Körpers auf parallelen Geraden, so handelt es sich um eine fortschreitende Bewegung oder Translation. Behält dagegen eine im Körper festliegende Linie oder ein festliegender Punkt seine Lage im Raum bei, während die anderen Punkte des Körpers konzentrische Kreise um diese Achse bzw. Kugeln um diesen Punkt beschreiben, dann handelt es sich um eine Drehbewegung oder Rotation. Translation und Rotation können bei einem Körper zusammen vorkommen, also überlagert sein. Die Bewegung eines rollenden Rades z. B. ist zusammengesetzt aus einer Rotation und einer Translation. Von der Bewegung eines Körpers spricht man im allgemeinen nur dann, wenn der Körper seine Lage relativ zu seiner näheren Umgebung ändert. Wenn jemand ruhig in seinem Zimmer sitzt, spricht man von Ruhe und nicht von Bewegung, obgleich sich der Betreffende mit dem Haus und der Erde durch den Weltraum bewegt. Man spricht im allgemeinen also nur von der Bewegung des Menschen, wenn er sich relativ zur Erdoberfläche bewegt. Man spricht aber von der Drehung der Erde um eine Achse, von dem Lauf der Erde um die Sonne und von der Bewegung unserer Sonne mit den Planeten im Weltenraum. Man bezieht also eine Bewegung im allgemeinen immer auf die nächstgrößere Umgebung. Diese Umgebung nennt man das „Bezugssystem" und verzichtet meist auf den besonderen Hinweis. In manchen Fällen kann man jedoch auf die Angabe des Bezugssystems nicht verzichten: Wenn z. B. ein Mensch auf einem fahrenden Schiff stillsteht, dann befindet er sich relativ zum Schiff in Ruhe, andererseits bewegt er sich mit seinem nächsten Bezugssystem, nämlich dem Schiff, relativ zur festen Erdoberfläche. Dies ist ja der Zweck seiner Reise. Man muß also in einem solchen Fall bei Betrachtung von Ruhe und Bewegung die Frage stellen: Relativ zu welchem Bezugssystem erfolgt die Bewegung? Ist die Bewegung eines Bezugssystems so offensichtlich wie z. B. die Bewegung eines Flusses, der ein fahrendes Boot trägt, dann werden die Bewegungen des Gegenstandes (in diesem Fall des Bootes) und des Bezugssystems (in diesem Fall des Flusses) zusammengesetzt. Die resultierende Bewegung wird dann auf das nächstgrößere Bezugssystem (in diesem Fall auf die feste Erdoberfläche) bezogen (siehe Zusammensetzung von Bewegungen). Ein Reisender, der in einem extrem langsam und gleichmäßig fahrenden Eisenbahnzug sitzt, weiß oft nicht, ob sich der eigene Zug oder der Nachbarzug bewegt. Erst durch einen Vergleich mit festen Punkten auf der Erde kann er die Entscheidung treffen. Man sieht daraus, daß es in bestimmten Fällen nicht möglich ist zu entscheiden, ob sich ein Gegenstand oder das Bezugssystem bewegt. Nur die relative Bewegung zwischen Gegenstand und Bezugssystem ist erkennbar. (Dies gilt aber nur für geradlinige Bewegungen von Körpern mit konstanter Geschwindigkeit, nicht dagegen für beschleunigte Bewegungen von Körpern.) Von absoluter Ruhe oder Bewegung zu sprechen, hätte nur dann einen Sinn, wenn man ein Bezugssystem zugrunde legen könnte, das sich wirklich in Ruhe befindet. Eine Reihe mechanischer Versuche wird später zeigen, daß als solches Fundamentalsystem ein Bezugssystem angesehen werden kann, das im

30

Mechanische Grundbegriffe; Mechanik des Massenpunktes

Fixsternhimmel festgelegt ist. Natürlich ist auch dies im Grunde eine relative Bewegung, nämlich relativ zu der Gesamtheit der Fixsterne. Aber während es nach den Gesetzen der Mechanik unzulässig wäre, anzunehmen, daß die Erde ruht und der Fixsternhimmel sich bewegt, ist die umgekehrte Annahme (ruhender Fixsternhimmel und bewegte Erde) mit ihnen verträglich; d. h. das ptolemäische Weltsystem widerspricht unserer Mechanik, während das kopernikanische mit ihr in Einklang ist. Man benutzt zur Festlegung von Punkten, Längen und Bewegungen sogenannte Koordinatensysteme, die in dem Bezugssystem verankert sind. Das am häufigsten benutzte System besteht aus drei zueinander senkrechten Geraden, den „ K o o r d i n a t e n a c h s e n " , die man mit den Buchstaben X, Kund Z bezeichnet (Abb. II, 1). Die positiven Richtungen der drei Achsen sind

folgendermaßen gewählt: Man denkt sich eine Rechtsschraube, die sich durch Rechtsdrehung von unten nach oben bewegt. Die Fortschreitrichtung ist die positive Z-Richtung. Die X- und die y-Achse bilden dann eine Ebene senkrecht zur Z-Achse; sie liegen also in der Drehebene der Schraube, und zwar so, daß die F-Achse durch eine Rechtsdrehung der Schraube um 90° aus der X-Achse hervorgeht (rechtshändiges System). Der Schnittpunkt dieser drei Geraden heißt der N u l l p u n k t oder der A n f a n g s p u n k t des Koordinatensystems. Die Lage eines Punktes P im Raum wird durch die drei senkrechten Abstände x, y, z von den Achsen angegeben, wobei die Vorzeichen dieser Zahlen angeben, auf welcher Seite der Achse in bezug auf den Nullpunkt der betreffende Punkt liegt. In der Abb. II, 1 hat somit der Punkt Pi die Koordinaten + xi, + >>i und + z\\ dagegen hat der Punkt P2 die Koordinaten — X2, — y-i und + Z2. Die Abstände der beiden Punkte von dem Koordinatenanfangspunkt sind durch die Beziehungen r1 = \/x\ + y\ + z\ und r2 =j/xj

+ yl + ^l

gegeben. Der gegenseitige Abstand der beiden Punkte ist: d = ]/[x1-(-x2)']2

+ \_y1-(-y2)Y

+

(z1-z2)2.

Bei den Betrachtungen dieses Kapitels ist es zweckmäßig, zunächst nicht von ausgedehnten Körpern zu sprechen, sondern nur von materiellen Punkten oder Massenpunkten. Unter einem Massenpunkt versteht man einen Körper, der so klein ist, daß seine Lage hinreichend genau durch e i n e n geometrischen Punkt angegeben werden kann. Das hat den großen Vorteil, daß auch seine Bewegung sehr einfach bestimmbar ist. Bei einem Punkt hat es offenbar keinen Sinn, von einer Rotation zu sprechen; die Bewegung ist also rein translatorisch. Experimentell hat man es freilich stets mit ausgedehnten Körpern zu tun. Im nächsten Kapitel wird neben der „Mechanik eines Massenpunktes" auch eine „Mechanik eines Systems von

Gleichförmig geradlinige Bewegung; Begriff der Geschwindigkeit

31

Massenpunkten" behandelt werden. Da jeder ausgedehnte Körper als eine Anhäufung von sehr vielen Massenpunkten betrachtet werden kann, wird man dann auch die Bewegung ausgedehnter Körper beherrschen. Außerdem läßt sich zeigen, daß es in jedem System, also in jedem ausgedehnten Körper, e i n e n P u n k t gibt (den sogenannten Schwerpunkt), der sich genau nach den Gesetzen eines Massenpunktes bewegt. Wenn man daher bei der Behandlung der einzelnen Massenpunkte auch gezwungen ist, mit ausgedehnten Körpern zu experimentieren, so rechtfertigt sich das dadurch, daß immer anstelle eines Körpers sein Schwerpunkt gemeint ist. 7. Gleichförmig geradlinige Bewegung; Begriff der Geschwindigkeit Ein Massenpunkt bewegt sich geradlinig und gleichförmig, wenn er auf gerader Bahn in gleichen Zeiten gleiche Wege zurücklegt. Bezeichnet man mit s die in der Zeit t zurückgelegte Wegstrecke, so gilt für die geradlinige und gleichförmige Bewegung, daß das Verhältnis s/t einen gleichbleibenden, d. h. konstanten Wert besitzt. Das Verhältnis heißt Geschwindigkeit. Geschwindigkeit v = Weg s / Zeit t (sofern geradlinige und gleichförmige Bewegung) Aus dieser Definition folgt zwangsläufig, daß die Einheit der Geschwindigkeit das Verhältnis von Längeneinheit/Zeiteinheit sein muß. Die Dimension ist für die Geschwindigkeit also dim v = LT'1. Dies gilt für jede Geschwindigkeit und für jede Art von Bewegung, also nicht nur für den Fall der geradlinigen und gleichförmigen Bewegung. Als Einheiten für die Geschwindigkeit werden meist benutzt: m/s und km/h. Die Umrechnung erfolgt leicht, wenn man bedenkt, daß 1 m = 0,001 km und l s =

T

^-h

ist. Fährt z. B. ein Auto mit einer Geschwindigkeit c = 12 km/h und möchte man wissen, wie groß der Zahlenwert in den Einheiten m/s ist, dann hat man zu schreiben: -7 u

,u

,,1000 m

Will man andererseits die Geschwindigkeit eines Rekord-Läufers umrechnen, welcher die Strecke von 100 m in 10 s durchläuft, dann hat man zu schreiben: 100m m 0,001km ^ ^ k m — - — = 10 — = 1 0 - — = 1 0 - 0 , 0 0 1 - 3 6 0 0 - ^ = 36 k m / h . 10s s 1 h 36ÖÖ Werte einiger Geschwindigkeiten: Golfstrom (bei Florida) 100 m Schwimmer (Rekord) 100 m Läufer (Rekord) 10 km Radfahrer (Rekord) Rennpferd Ozean-Passagierschiff Schwertfisch Unterseeboot (ideale Form und in großer Tiefe) Schwalbe

m/s 2 1,87 10 12,4 18 18 21

km/s 0,002 0,00187 0,010 0,0124 0,018 0,018 0,021

36 80

0,036 0,080

km/h 7,2 6,7 36 44,6 65 65 75 130 288

32

Mechanische Grundbegriffe; Mechanik des Massenpunktes Werte einiger Geschwindigkeiten m/s Elektr. Lokomotive mit 3 Wagen (Rekord) 92 Rennwagen (Rekord) 176 331 Schall in Luft bei 0 °C Flugzeugrekorde 14 a) im Jahre 1903 b) im Jahre 1966 (X15 in 30 km Höhe) 1889 1000 Mond auf Bahn um die Erde 29600 Erde auf Bahn um die Sonne Licht im Vakuum 299792458

km/s

km/h

0,092 0,176 0,331

330 634 1192

0,014 1,889 1 29,6 299792,458

50 6800 3600 106000 ~ 1,08 • 109

Zur Angabe einer Geschwindigkeit ist also die Messung einer Strecke und einer Zeit erforderlich. Als Beispiel für eine Geschwindigkeitsmessung sei im folgenden die Bestimmung der Mündungsgeschwindigkeit einer Pistolenkugel ausgeführt (Abb. II, 2). Auf der verlängerten

Achse eines Elektromotors M, dessen Umlaufszahl pro Minute mit einem Umdrehungsmesser U gemessen werden kann, sind im Abstand d zwei Pappscheiben Si und Sz befestigt. Feuert man aus der Pistole P in der bezeichneten Richtung parallel zur Achse des Motors durch die Pappscheiben einen Schuß, der die erste Scheibe an der Stelle a i trifft, so wird die Scheibe 52 an einer Stelle 02 durchschlagen, die gegenüber der Durchschußöffnung in Si um den Winkel oc versetzt ist. Denn um den Winkel '

und können sagen:

»s

Die Geschwindigkeit ist der erste Differentialquotient des Weges nach der Zeit.

34

Mechanische Grundbegriffe; Mechanik des Massenpunktes

Die Gl. (11,1) wurde hier entsprechend Abb. II, 3 für eine geradlinige Bewegung abgeleitet. Man sieht aber leicht, daß von der Voraussetzung der Geradlinigkeit in Wirklichkeit keinerlei Gebrauch gemacht wurde, so daß die Gl. (II, 1) auch für jede krummlinige Bewegung und damit ganz allgemein gilt. An dieser Stelle muß zum ersten Mal auf den Begriff „Vektor" hingewiesen werden. Ein Vektor wird durch Betrag und Richtung gekennzeichnet. Für die Geschwindigkeit ist die Angabe des Betrages allein nicht ausreichend; ebenso wichtig ist die Angabe der Richtung der Geschwindigkeit. Deshalb ist die Geschwindigkeit ein Vektor. Auch die Kraft und die Beschleunigung sind Vektoren. Im Gegensatz zum Vektor bezeichnet man eine Größe, die allein durch den Betrag ausreichend gekennzeichnet ist, als „Skalar". Die Zeit, die Temperatur, das Volumen z. B. sind Skalare. Sie sind durch den Betrag, also durch Zahlenwert mal Einheit, vollständig bestimmt. Vektoren werden allgemein als Pfeile dargestellt. Die Richtung eines Pfeils entspricht der Richtung der physikalischen Größe. Die Länge des Pfeils gibt den Betrag an. Sehr leicht ist die zeichnerische Addition und Subtraktion von Vektoren, wie sie in Nr. 10 ausführlich behandelt wird.

9. Begriff der Beschleunigung bei geradliniger Bewegung Die Geschwindigkeit einer ungleichförmigen Bewegung ist nicht konstant; sie ändert sich zeitlich. Da in der folgenden Betrachtung die Bewegung ungleichförmig und geradlinig sein soll, ändert der Vektor der Geschwindigkeit seinen Betrag, nicht aber seine Richtung. Wächst die Geschwindigkeit, so spricht man von Beschleunigung. Wird dagegen die Geschwindigkeit kleiner, so spricht man von Verzögerung oder von negativer Beschleunigung. Bezeichnet man mit vo die Geschwindigkeit zu Beginn der Beobachtung und mit v die Geschwindigkeit nach Ablauf von t Sekunden, so gibt der Ausdruck (v — vo)/t = a die Geschwindigkeitsänderung in der Zeit an (a = Abkürzung von „acceleratio" — Beschleunigung). In dem vorliegenden Fall sei a ein konstanter Wert. Für eine gleichmäßig beschleunigte, geradlinige Bewegung kann man demnach sagen: Die Beschleunigung ist die Geschwindigkeitsänderung pro Zeitabschnitt. Es gilt also die Gleichung:

Die Dimension der Beschleunigung ist: dim a -- LT 2; eine Einheit der Beschleunigung ist: m • s - 2 . Schreibt man Gl. (II, 2) in der Form v = at + v0, so gibt die Gleichung die Möglichkeit, die Endgeschwindigkeit eines konstant beschleunigten Massenpunktes nach t Sekunden zu berechnen, wenn die Beschleunigung a und die Anfangsgeschwindigkeit vo bekannt sind. Die Wegstrecke s, die ein gleichmäßig beschleunigter Körper in der Zeit t zurücklegt, läßt sich folgendermaßen bestimmen: Der etwa aus dem Zustand der Ruhe («o = 0) beschleunigte Körper hat nach t Sekunden die Geschwindigkeit v = at erreicht, wenn a die Beschleunigung bedeutet. Da diese Geschwindigkeit gleichmäßig mit der Zeit zunimmt, ist die mittlere Geschwindigkeit vm während der Zeit t gleich dem halben Wert der Endgeschwindigkeit at (Abb. II, 5). Der zurückgelegte Weg ist (11,3)

s = vmt=-at1

2.

35

Begriff der Beschleunigung bei geradliniger Bewegung

Es ist also bei gleichmäßig beschleunigter geradliniger Bewegung der zurückgelegte Weg gerade halb so lang, wie wenn die Bewegung mit der Endgeschwindigkeit in der gleichen Zeit gleichmäßig erfolgt wäre (Abb. II, 4). Aus den letzten beiden Gleichungen folgt (mit vo = 0) weiterhin: t=

(H,4)

/2s a

und

v = \/2

as.

Das einfachste Beispiel für eine geradlinige, beschleunigte Bewegung liefert der freie Fall. Er wird in Nr. 10 eingehend behandelt.

Abb. II, 4

Abb. II, 5

Abb. II, 6

Abb. II, 4. Geradlinige gleichförmige Bewegung (konstante Geschwindigkeit) Weg s = f v dt = v (schraffierte Fläche)

t

Abb. II, 5. Geradlinige ungleichförmige Bewegung mit konstanter Beschleunigung a 1 2 Weg s = J v dt = J a • t • dt = ¡2 at (v ~ Proportionalitätsfaktor a = Beschleunigung = Steigung der Geraden tga) Abb. II, 6. Geradlinige ungleichförmige Bewegung mit nicht konstanter Beschleunigung a

Weg s = ¡vdt;v

=/(/)

Der Weg läßt sich nur dann ausrechnen, wenn die Funktion v = / ( < ) bekannt ist

Die bisher gebrauchte Definition der Beschleunigung versagt, wenn es sich um Bewegungen handelt, deren Geschwindigkeit sich ungleichmäßig ändert. In diesem Fall ist die Zunahme bzw. Abnahme der Geschwindigkeit in gleichen aufeinanderfolgenden Zeiträumen verschieden groß. Man muß in Analogie zu den bei der Definition der Geschwindigkeit gebrachten Überlegungen die Geschwindigkeitsänderung Av in einem hinreichend kleinen Zeitelement At betrachten (Abb. II, 6). Macht man dann wieder den Grenzübergang zu unendlich kleinen Zeitelementen, so kann man schreiben: (11.5)

a = hm



= —,

d. h. die Beschleunigung einer geradlinigen Bewegung wird durch den Diflerentialquotienten der Geschwindigkeit nach der Zeit bestimmt. Setzt man für v den in Gl. (II, 1) angegebenen Wert ds\dt ein, so ergibt sich:

(11.6)

ab =

§ ,

in Worten: Die Beschleunigung einer geradlinigen Bewegung ist der zweite Differentialquotient des Weges nach der Zeit. Es sei noch hinzugefügt, daß in diesem Fall die Richtung der Beschleunigung mit derjenigen der Geschwindigkeit, also des Bahnelementes, übereinstimmt, so daß man hier von einer Bahnbeschleunigung oder Tangentialbeschleunigung spricht. U m dies anzudeuten, wurde in Gl. (II, 6) der Beschleunigung der Index b hinzugefügt. Wegen des Vektorcharakters ändert sich nämlich eine Geschwindigkeit auch dann, wenn sich nur die Richtung, nicht aber ihr Betrag ändert. Auch in diesem Falle muß eine Beschleunigung vorhanden sein, die Normalbeschleunigung oder Radialbeschleunigung (ar) genannt wird. Darüber ausführlich in Nr. 11.

36

Mechanische Grundbegriffe; Mechanik des Massenpunktes

Eine allgemeine Bemerkung sei noch hinzugefügt. Ebenso wie die Geschwindigkeit als zeitliche Änderung der Lage, die Beschleunigung als zeitliche Änderung der Geschwindigkeit eingeführt wurde, könnte man natürlich eine entsprechende zeitliche Änderung der Beschleunigung als „Beschleunigung zweiter Ordnung", deren Änderung wieder als „Beschleunigung dritter Ordnung" usw. einführen. Man hat aber derartige weitere Begriffsbildungen nicht notwendig: Die Mechanik kommt mit den Begriffen „Geschwindigkeit" und „Beschleunigung" aus. Für die „Beschleunigung zweiter Ordnung" wird allerdings gelegentlich auch der Ausdruck „Ruck" verwendet.

10. Zusammensetzung und Zerlegung von Bewegungen; Vektoraddition Es wurde bereits bei der Definition der Geschwindigkeit darauf hingewiesen, daß diese die Eigenschaft eines Vektors besitzt, d. h. neben ihrem Betrage noch die Angabe der Richtung verlangt. Dasselbe gilt auch von der Beschleunigung. Man kann daher solche Größen, d. h. Vektoren, nicht wie gewöhnliche Zahlen behandeln, also nicht in der gewöhnlichen Weise addieren oder subtrahieren. Wenn z. B. ein Massenpunkt gleichzeitig zwei Bewegungen mit absolut gleicher, aber verschieden gerichteter Geschwindigkeit ausführen soll, so weiß man von vornherein gar nicht, was überhaupt unter der „Summe" dieser beiden Geschwindigkeiten verstanden werden soll. Nur in dem einfachen Falle, daß die beiden zusammenzusetzenden Bewegungen (Geschwindigkeiten oder Beschleunigungen) die gleiche oder gerade entgegengesetzte Richtung haben, kann man diese Vektoren nach den gewöhnlichen Rechenregeln addieren (im ersten Falle) und subtrahieren (im zweiten Falle). — Im folgenden werden die Vektoren im Text stets mit großen oder kleinen fettgedruckten „Kursiv"-Buchstaben bezeichnet; also z. B. die Geschwindigkeit mit v, die Beschleunigung mit a, ein (in bestimmter Richtung durchlaufenes) Wegelement mit ds usw. Wenn Anfang und Ende einer gerichteten Strecke durch Buchstaben, z. B. durch A und B bezeichnet sind, so wird der Vektorcharakter durch einen —> darübergesetzten Pfeil angedeutet, also AB. Komponenten von Vektoren nach bestimmten Richtungen (z. B. nach der x- oder ^-Richtung) erhalten einen entsprechenden Index, z. B. vx (^-Komponente der Geschwindigkeit v) oder ay (^-Komponente der Beschleunigung a). Allgemein wird der absolute Betrag eines Vektors durch lateinische Buchstaben bezeichnet, z. B. v und a für die Beträge der Vektoren v und a. — Oftmals werden Vektoren auch durch normale Buchstaben mit einem Pfeil darüber gekennzeichnet, also z. B. v — v. Dies geschieht wegen der besseren Übersichtlichkeit in diesem Buch auch bei den meisten Abbildungen.

*

7

V, \

ij

Abb. II, 7. Zusammensetzung zweier Bewegungen. Durch Vektoraddition der Eigengeschwindigkeit des Flugzeuges und der Geschwindigkeit des Seitenwindes ergeben sich Richtung und Größe der „Reise"-Geschwindigkeit

Die Addition und die Subtraktion von Vektoren wird stets bei der Zusammensetzung von Bewegungen angewendet. Betrachten wir ein Flugzeug am Himmel, das vom Seitenwind abgetrieben wird (Abb. II, 7). Die Geschwindigkeit des Flugzeuges allein wird durch den Vektor «i dargestellt. Der Betrag der Geschwindigkeit ist durch die Länge des Pfeils angegeben. Der Seitenwind allein würde das Flugzeug mit der Geschwindigkeit »2 forttragen. Die vektorielle

Zusammensetzung und Zerlegung von Bewegungen; Vektoraddition

37

Addition zeigt, wie groß der Betrag und wie die Richtung der „resultierenden" Geschwindigkeit ist. Man erkennt, daß die wirkliche „Reise"-Geschwindigkeit »3 des Flugzeuges durch den Seitenwind etwas größer ist als die Geschwindigkeit »1 des Flugzeuges allein. Man erkennt ferner, daß die gesteuerte Richtung des Flugzeuges nicht mit der endgültigen Richtung des Flugs übereinstimmt. Y///////////////////////////////////////////////Z.

Abb. II, 8. Zur Vektoraddition von Geschwindigkeiten. Ein Boot kann einen Fluß in verschiedener Weise überqueren. V7777777777777777777777777777777777777777777777?

In einem zweiten Beispiel (Abb. II, 8) soll ein Boot einen Fluß überqueren. Das Boot wird flußabwärts getrieben. Die Vektoraddition zeigt sofort Betrag und Richtung der Geschwindigkeit des Bootes. Man kann aber auch dem Boot eine solche Richtung geben, daß es genau gegenüber vom Abfahrtsort ankommt. Nur durch diese Darstellung in Vektoren kann man schnell und überzeugend die Richtung der Geschwindigkeit erfahren, welche das Boot haben muß, um genau gegenüber anzukommen. Es ist gleich, in welcher Reihenfolge die Vektoren addiert werden. Die Abb. II, 9 zeigt z. B. die Addition zweier Vektoren in verschiedener Reihenfolge. Es ergibt sich ein Parallelogramm, wie es besonders auch bei der Überlagerung und Zerlegung von Kräften angewendet wird. In der Abb. II, 10 sind vier Vektoren addiert. Die untere Hälfte des Bildes zeigt die Vektoraddition in umgekehrter Reihenfolge. Es ergibt sich die gleiche Vektorsumme. Man kann also solche Vektoren parallel verschieben. Ebenso, wie sich mehrere Vektoren zu einer Resultierenden zusammensetzen, läßt sich umgekehrt ein gegebener Vektor in verschiedene Komponenten zerlegen. Meist wird hierbei die Richtung der Komponenten vorgeschrieben. In Abb. II, 11 ist dargestellt, wie ein vorgegebener

Abb. II, 9. Zur Addition zweier Vektoren. Vertauschen der Reihenfolge führt zum Parallelogramm und zum gleichen Ergebnis Abb. II, 10. Addition von vier Vektoren. Die umgekehrte Reihenfolge in der unteren Bildhälfte führt zum gleichen Ergebnis Abb. II, 11. Zerlegung eines Vektors in zwei zueinander rechtwinklige Komponenten

38

Mechanische Grundbegriffe; Mechanik des Massenpunktes

Vektor t> in der xy-Ebene in die beiden Komponenten vx (parallel zur jc-Achse) und vy (parallel zur y-Achse) zerlegt wird. Ist ix die Neigung des Vektors » gegen die x-Achse, so sind die Beträge der Komponenten vx und vy: u;c = ü-cosa

und

uy = i r s i n a .

Der Betrag des Vektors v beträgt:

Abb. II, 12. Zerlegung eines Vektors v in die drei Komponenten vx, Vy und vz parallel zu den Koordinatenachsen

Die Abb. II, 12 zeigt schließlich die Zerlegung eines im Raum gelegenen Vektors v in die drei Komponenten vx, vy und vz, deren Richtungen parallel zu den Koordinatenachsen x, y und z liegen. Es ist üblich, die Neigungswinkel des Vektors t> gegen die Koordinatenachsen mit ot, ß und y zu bezeichnen. Dann gelten für die Beträge: vx=vcos(x;

vy=vcosß;

t? z =t;'Cosy.

Daraus folgt für den Betrag des Vektors: v = Vvl + v* + vi. Für den Fall, daß v eine Geschwindigkeit darstellt, ist nach Gl. (II, 1) v = dsjdt. Dann sind dx, dy und dz die Projektionen von ds auf die Koordinatenachsen. Das heißt: dx=ds-cosa;

dy = ds-cosß;

dz =

ds-cosy.

Durch Division mit dt erhält man: _dx ~~dT;

Vx

das heißt:

_ dy ~~dt'

Vy

_ dz ~~dt'

Vz

Die Komponenten des Geschwindigkeitsvektors v sind erste Differentialquotienten der Koordinaten nach der Zeit.

Krummlinige Bewegung; allgemeine Definition der Beschleunigung

39

11. Krummlinige Bewegung; allgemeine Definition der Beschleunigung Bisher wurden bei den Überlegungen nur Bewegungen auf geradliniger Bahn vorausgesetzt. Jetzt werde ein Massenpunkt betrachtet, der den in Abb. II, 13 gezeichneten ebenen Kurvenzug durchläuft. In jedem Punkt seiner Bahn ist die augenblickliche Richtung seiner Geschwindigkeit durch die Tangente an diesem Punkt der Kurve gegeben. Für bestimmte Punkte 1, 2 und 3 sind die betreifenden Geschwindigkeitsvektoren eingezeichnet. Sie unterscheiden sich im allgemeinen sowohl durch ihren Betrag als auch durch ihre Richtung. Nur wenn ein Massenpunkt sich gleichförmig auf einer Kreisbahn bewegt und dabei stets die gleiche Zeit für einen Umlauf braucht, dann ist der Betrag aller Geschwindigkeitsvektoren in jedem Punkt der Kreisbahn gleich. Aber ein Vektor ist gekennzeichnet durch Betrag und Richtung. Eine Geschwindigkeitsänderung liegt deshalb auch dann vor, wenn sich n u r die Richtung der Geschwindigkeit ändert und dabei der Betrag gleich bleibt. Eine solche Geschwindigkeitsänderung pro Zeit ist auch eine Beschleunigung!

Abb. II, 13. Zur krummlinigen Bewegung. Die Pfeile geben Betrag und Richtung der Geschwindigkeit in drei Punkten an

In Abb. II, 14a sei ein kleines Bahnelement ds zwischen zwei Punkten P\ und P% der gekrümmten Bahn herausgenommen. Die Geschwindigkeiten in diesen beiden Bahnpunkten seien t>i und »2. Wenn das Bahnelement hinreichend klein ist, kann es als Teil eines Kreises, des sogenannten Schmiegungskreises, betrachtet werden. Errichtet man in den Berührungspunkten die Senkrechten, so schneiden sich diese in dem Mittelpunkt O des Schmiegungskreises. Die beiden so gewonnenen Radien r bilden miteinander den Winkel d

(II, 18 a)

s = v0t+-gt

.

Der Körper bewegt sich also auch hier gleichförmig beschleunigt nach unten. f

Abb. II, 22. Schiefer Wurf a) Entstehung der Bahnkurve

b) Zerlegung in Komponenten der Anfangsgeschwindigkeit

Wird ein Körper unter dem Winkel i und «2, die einander entgegengesetzt gerichtet sind; die Impulse sind also miti bzw. W2U2 und weisen natürlich gleichfalls in entgegengesetzte Richtungen. Da zu Beginn des Versuches (alles in Ruhe!) der Gesamtimpuls jedenfalls Null ist, so muß er es auch nach dem Versuch sein; d. h. es muß gelten: (111,5)

m1v1+m2v2

= 0.

Das bedeutet aber, daß die Absolutbeträge der Geschwindigkeiten t>i und »2 sich umgekehrt wie die Massen m\ und mi verhalten, was der Versuch auch wirklich ergibt. Besonders einfach ist der Sonderfall, daß beide Massen gleich sind; dann ist »1 = — »2, d. h. auch die Geschwindigkeiten sind dann entgegengesetzt gleich. D e r S a t z v o n der E r h a l t u n g des I m p u l s e s stellt im G r u n d e g e n o m m e n n u r eine a n d e r e F o r m u l i e r u n g des d r i t t e n N e w t o n s c h e n G e s e t z e s dar. Zum Beispiel läßt sich die Wirkung der Rakete, die in der vorigen Nummer als Beispiel für das dritte Gesetz erörtert wurde, auch mit Hilfe des Impulssatzes erklären: Die Verbrennungsgase mit der Masse m t werden mit einer großen Geschwindigkeit «j von der Rakete ausgestoßen, erhalten also einen Impuls Wj . Da zu Beginn die Rakete in Ruhe war, hatte sie den Gesamtimpuls Null; damit dieser erhalten bleibt, muß die Rakete mit ihrer Masse m2 nach dem Brennschluß eine Bewegung mit der Geschwindigkeit v2 ausführen, so daß ml + m2 v2 = 0 ist. Hieraus berechnet sich v2=

m, -Uj. m2

Das ist nur eine grobe Näherung. In Wirklichkeit muß man berücksichtigen, daß sich die Raketenmasse m 2 während des Fluges durch das Ausströmen der Verbrennungsgase ändert und daß diese Gase nach dem Verlassen der Düsenöffnung immer noch einen Teil des Impulses der Rakete besitzen.

In der Ballistik macht man bei der Bestimmung der Geschoßgeschwindigkeit mit dem sogenannten b a l l i s t i s c h e n P e n d e l von dem Satz der Erhaltung des Impulses Gebrauch. Das ballistische Pendel (Abb. III, 5) besteht aus einer an einer Stange aufgehängten großen Masse M (z. B. Kiste mit Sand). Das Geschoß, dessen Geschwindigkeitsbetrag v bestimmt werden soll und das die Masse m haben möge, wird in den Pendelkörper hineingeschossen, so daß es darin stecken bleibt; auf diese Weise erteilt das Geschoß dem Pendel eine bestimmte Geschwindigkeit t>i. Bestimmt man diese (etwa aus der Steighöhe h des Pendels) zu vi = ]/2 gh, so gilt nach dem Impulssatz für ein freies System die Gleichung: mv = (M + m) vi; hierin ist mv der Impulsbetrag v o r und ( M + tri) v± sein Wert n a c h dem Eindringen des Geschosses in den Pendelkörper. Für die Geschoßgeschwindigkeit ergibt sich damit der Ausdruck

Mechanik eines Systems von Massenpunkten

88

v = ]/2 gh (M + m)lm, in dem alle Größen auf der rechten Seite der Messung zugänglich sind. Mißt man statt h, was bequemer ist, den maximalen Ausschlagswinkel « des Pendels, und die Pendellänge /, so hat man statt h die Größe / (1 — cos «) einzusetzen. In dem Impulssatz treffen wir zum zweiten Mal auf ein Gesetz, das aussagt, daß eine gewisse Größe einen konstanten Wert besitzt oder daß die zeitliche Änderung einer Größe Null ist.

Abb. III, 5. Ballistisches Pendel

Das erste „ E r h a l t u n g s g e s e t z " fanden wir bereits in Nr. 21 für die Energie. In der Physik ist man stets bemüht, solche Erhaltungssätze zu finden ; sie ermöglichen in besonders einfacher und durchsichtiger Weise die Formulierung vieler Erscheinungen.

24. Massenmittelpunkt (Schwerpunkt); erster Impulssatz; Schwerpunktsatz In dem vorangehenden Abschnitt wurde eine andere Formulierung des ersten Impulssatzes angekündigt, die die Analogie zur Bewegungsgleichung F = ma eines Massenpunktes noch deutlicher herausstellen sollte. Dazu braucht man einen neuen Begriff: Die einzelnen Massen mi bis m n des betrachteten Systems liegen zerstreut an verschiedenen Stellen des Raumes; wir wollen versuchen, sie durch die Gesamtmasse mi + mi + ... + m n an einer Stelle des Raumes so zu ersetzen, daß das oben gesteckte Ziel erreicht wird. Zunächst ein ganz einfacher Fall: Wir betrachten zwei gleiche Massen m in einem bestimmten Abstände voneinander. In diesem Falle liegt es nahe, sie zu ersetzen durch die Gesamtmasse 2 m, die wir auf der Verbindungslinie, und zwar so anbringen, daß sie diese h a l b i e r t . Handelt es sich aber um zwei verschiedene Massen und m 2 , so erhebt sich die Frage aufs neue, wo nunmehr die Gesamtmasse m 1 + m 2 auf der Verbindungslinie anzubringen ist. Darüber kann nur die Erfahrung entscheiden, und jeder mögliche theoretische Ansatz muß sich an ihr bewähren. Immerhin kann man von vornherein vermuten, daß die Gesamtmasse jetzt nicht mehr in der Mitte der Verbindungslinie anzubringen ist, sondern näher an der größeren Masse. Wir wollen demgemäß genauer verlangen, daß der Ort der Gesamtmasse den A b s t a n d der Einzelmassen im umgekehrten Verhältnis ihrer Größen m, undm 2 teilt. Diese Behauptung wird in Kap. IV mit Hilfe des Momentensatzes bewiesen werden. Die Lage der beiden Einzelmassen m1 und m2 sei durch die Ortsvektoren r, und r2 angegeben, die von einem willkürlichen Bezugspunkt O gezogen sind (Abb. 111,6). Die Verbindungsstrecke AB ist dann als der Vektor

— r±) zu betrachten; denn nach den

Regeln der Vektoraddition (Parallelogrammkonstruktion) ist die Resultierende von OA = n und AB = »-2 — ri eben der Vektor OB = rz- Bringen wir jetzt im Punkte C, dem Endpunkte des zu bestimmenden Ortsvektors f die Masse mi + /W2 an, dann ist — wieder nach den Regeln der Vektoraddition — (III, 6)

AC =

r-r1,

CB =

r2-F;

Massenmittelpunkt (Schwerpunkt); erster Impulssatz; Schwerpunktsatz

89

da diese Strecken sich umgekehrt wie die Massen mi und m2 verhalten sollen, so muß gelten: r — r, m.

(III, 6 a)

r, — r m,

oder ausgerechnet : mlr1+m2r2 ml + m2

f=

(III, 6 b)

Diese Gleichung liefert den zur Bestimmung des Ortes C der Gesamtmasse mi + m% dienenden Ortsvektor f . Nehmen wir jetzt eine dritte Masse mz mit dem Ortsvektor 1-3 hinzu und vereinigen nach der gleichen Vorschrift die in C befindliche Masse mi + mz mit dieser dritten Masse mz, so finden wir für den Ort der neuen Gesamtmasse m\+ mi+ mz, d. h. für seinen Ortsvektor, den wir wieder r nennen wollen, die zu (III, 6b) analoge Gleichung: __mirl

(III, 6 c)

+ m2r2 + m3r3 m1 + m2 + m3

r2-ri B(m,l Abb. III, 7. Bestimmung des Massenmittelpunktes von n Massenpunkten

Abb. III, 6. Bestimmung des Massenmittelpunktes zweier Körper der Masse m 1 und m2

Man erkennt nun schon das allgemeine Gesetz der Bildung: Wenn wir n Massen mi, mi,..., mn an den Enden der Lagevektoren ri,rz, . . . , r n ersetzen wollen (Abb. III, 7), so haben wir die Gesamtmasse mi + m%+ ... + mn an dem Endpunkt S des Vektors f anzubringen:

(III, 7)

r=

m1r1 + m2r2 + ... + m„r„_ m1 + m2 + ... + m„

,mvrv X>v

1

Projiziert man die Ortsvektoren F und r v auf die Koordinatenachsen, so erhält man die kartesischen Koordinaten 3c, y, z des Punktes, an dem die Gesamtmasse vereinigt ist: (III, 7 a)

__Emvxv £m„

y=

Zm v y v Xm„

£m v z v Sm,

Legt man den Koordinatenanfangspunkt direkt in diesen Punkt, so wird r = x = y = z = 0, und man erhält die Gleichungen: (III,7b)

Em v x v = 0 ,

Smvj,=0,

I m , z , = 0,

d.h.: S m , r v = 0 ,

die auch als Definition dieses ausgezeichneten Punktes gelten können.

90

Mechanik eines Systems von Massenpunkten

Natürlich weiß man noch nicht, o b das ganze Verfahren physikalische Bedeutung hat. Selbst wenn es keinen tieferen physikalischen Sinn hätte, so ist es doch jedenfalls in sich zulässig und einwandfrei; auf alle Fälle haben wir einen g e o m e t r i s c h e n P u n k t im System festgelegt. Glücklicherweise erweist es sich aber auch als hervorragend nützlich. D e r durch (III, 7) bestimmte Lagevektor der Gesamtmasse X m ist ein auf bestimmte Weise aus den Einzelmassen u n d Einzellagevektoren gebildeter M i t t e l w e r t . M a n erkennt dies besonders deutlich an Gl. (III, 7 b ) : Die Summe der auf diesen „mittleren" Punkt bezogenen, mit den Massen m y multiplizierten Abstände r v dieser Massen ist gleich Null; d. h. die positiven u n d negativen Anteile dieser Summen heben sich auf, was offenbar nur dann möglich ist, wenn der Punkt, bezüglich dessen dies der Fall ist, eine m i t t l e r e Lage besitzt. Wir wollen daher den E n d p u n k t des Vektors r den „Massenmittelpunkt" nennen. N o c h gebräuchlicher ist der N a m e „Schwerpunkt"; ihre Begründung erfährt diese letztere Bezeichnung in N r . 33. Folgendes ist von Bedeutung: Die ganze Ableitung beruht auf Gl. (III, 6a), In ihr treten nur die M a s s e n u n d i h r e g e g e n s e i t i g e n A b s t ä n d e a u f ; wo der B e z u g s p u n k t O l i e g t , ist d a h e r g a n z g l e i c h g ü l t i g . Die Lage des Massenmittelpunktes ist daher a u s s c h l i e ß l i c h durch das S y s t e m der Massen bestimmt, a b e r g ä n z l i c h u n a b h ä n g i g von der Wahl des Bezugspunktes, der ja nur eine mathematische Hilfskonstruktion ist. M a n möge sich jetzt vorstellen, d a ß die Massen dieses Systems sich b e w e g e n , d. h. daß die Lagevektoren r v in einer kleinen Zeit dt übergehen in r v + drv. D a n n ä n d e r t s i c h g l e i c h z e i t i g d i e L a g e d e s S c h w e r p u n k t e s . Er hat nunmehr den Lagevektor r + dr. U n d die G r ö ß e u n d Richtung seiner Verschiebung folgt durch Differentiation von (III, 7) z u : n dr = +

.

71 I>V 1

Dividiert m a n beide Seiten dieser Gleichung durch das Zeitelement dt, in dem die Verrückungen drv u n d dr vor sich gehen, so folgt:

v

d r

v

dr dt

Sm,

drjdt = » v ist aber die G e s c h w i n d i g k e i t des v-ten Massenpunktes (nach G r ö ß e u n d Richtung), dr/dt = » ist a l s o d i e G e s c h w i n d i g k e i t d e s S c h w e r p u n k t e s . So erhält man dafür: (IH,8)

» J ^ . ¿m,

Natürlich brauchen die Geschwindigkeiten »v nicht k o n s t a n t zu sein, da die einzelnen Massenpunkte im allgemeinen eine Beschleunigung a v = dvjdt besitzen werden; dann ist im allgemeinen auch der Schwerpunkt beschleunigt. F ü r dessen Beschleunigung erhalten wir durch nochmalige Differentiation von (III, 8) nach der Zeit: (111,9)

« =

Im,

Multipliziert man nun in Gl. (III, 8) mit der Gesamtmasse £ w v = M, so erhält m a n : (III, 8 a)

A i t = ï m , i' v .

Massenmittelpunkt (Schwerpunkt); erster Impulssatz; Schwerpunktsatz

91

Rechts steht jetzt die Vektorsumme der Einzelimpulse pv der Einzelmassen, d. h. der Gesamtimpuls p des Systems, links offenbar der Impuls p des Schwerpunktes. Gl. (III, 8 a) lautet daher in Worten: Der Gesamtimpuls eines beliebigen Systems ist gleich dem Impuls des Schwerpunktes. Nun wurde in Gl. (III, 3 a ) der erste Impulssatz formuliert; unter Benutzung von (III, 8 a ) kann man ihn jetzt so aussprechen: Bei einem System von Massenpunkten ist die resultierende äußere Kraft gleich der zeitlichen Änderung des Impulses des Schwerpunktes. Und da die zeitliche Änderung des Schwerpunktsimpulses gleich dem Produkt der in ihm konzentrierten Gesamtmasse M und der Beschleunigung ä des Schwerpunktes ist, kann man schließlich den ersten Impulssatz auch schreiben: (111,10)

F =

Mä,

in Worten: Bei einem beliebigen System ist die resultierende äußere Kraft gleich dem Produkt aus seiner Gesamtmasse und der Beschleunigung des Schwerpunktes. In dieser Form hat der erste Impulssatz genau die Gestalt der Newtonschen Bewegungsgleichung für einen einzelnen Massenpunkt. Darin liegt die Berechtigung, daß ein solcher „Schwerpunkt" überhaupt eingeführt wurde. E s folgt daher der Satz: Im Schwerpunkt eines Systems kann man sich dessen Gesamtmasse vereinigt und die resultierende äußere Kraft angreifend denken. Darin liegt schließlich auch die Rechtfertigung der Tatsache, daß wir im vorigen Kapitel, das vom e i n z e l n e n Massenpunkt handelt, dennoch mit ausgedehnten Körpern (d. h. mit S y s t e m e n von Massenpunkten) experimentierten, weil es eben nicht anders möglich ist. G e m e i n t war in diesen Fällen immer der S c h w e r p u n k t der benutzten Körper. Besonders einfach wird jetzt auch d e r S a t z v o n d e r „ E r h a l t u n g des I m p u l s e s " f ü r f r e i e S y s t e m e . D a für solche der Gesamtimpuls konstant bleibt, kann man jetzt sagen, d a ß d e r I m p u l s des S c h w e r p u n k t e s e i n e s f r e i e n S y s t e m s k o n s t a n t b l e i b t , oder auch, nach (III, 10), da die äußere Kraft gleich Null ist, d a ß d e r S c h w e r p u n k t e i n e s f r e i e n S y s t e m s u n b e s c h l e u n i g t ist. Er hat eine nach Größe und Richtung konstante Geschwindigkeit S. Der Schwerpunkt eines freien Systems bewegt sich daher nach dem Trägheitsgesetz: E r ist entweder in Ruhe oder in gleichförmiger, geradliniger Bewegung begriffen. In dieser F o r m nennt man den Erhaltungssatz des Impulses auch den Satz von der Erhaltung der Bewegung des Schwerpunktes. Auch in folgende, negative Aussage kann man den Satz kleiden: In einem freien System (in dem also die Einwirkung äußerer Kräfte fehlt), kann durch die Wirkung der inneren Kräfte der Schwerpunkt nicht verschoben werden. Folgender Versuch veranschaulicht die Richtigkeit dieses Satzes: Auf einem Wagen (Abb. I I I , 8) ist ein Pendel aufgehängt, das an seinem unteren Ende eine Kugel von größerer Masse trägt. L ä ß t man dieses Pendel schwingen, so bewegt sich der Wagen ruckweise hin und her, und zwar stets entgegengesetzt der Bewegung des Pendels. Man kann deutlich beobachten, daß der gemeinsame Schwerpunkt der ganzen Anordnung, der in der Ruhelage des Pendels über der Mitte des Wagens liegt, seine Lage im Raum nicht verändert. — Ferner: Wenn eine ruhende Granate explodiert, so werden unter der Wirkung der Pulvergase die Sprengstücke nach allen Seiten weggeschleudert. Die Bewegung dieser Stücke erfolgt dabei stets so, daß der Schwerpunkt der Granate seine Lage im R a u m unverändert beibehält. — In dem genannten Satz ist schließlich auch der Grund zu suchen, weshalb M ü n c h h a u s e n sich nicht an seinem Z o p f aus dem Sumpf herausziehen kann, da er durch innere Kräfte seinen Schwerpunkt nicht in Bewegung zu versetzen vermag.

92

Mechanik eines Systems von Massenpunkten

Auch die Richtigkeit des allgemeinen Impulssatzes (III, 10) läßt sich durch Versuche zeigen. Bringt man z. B. an einem Bierfilz ein Stück Blei exzentrisch an, so liegt der Schwerpunkt des beschwerten Filzes im Blei. Wirft man ihn jetzt schräg in die Höhe, wobei man ihm gleichzeitig noch eine beliebige drehende Bewegung erteilen kann, so beschreibt der Schwerpunkt die einfache parabolische Wurfbahn, die ein Massenpunkt unter den gleichen Bedingungen durchläuft. Alle anderen Punkte des Filzes dagegen vollführen gleichzeitig eine drehende und fortschreitende komplizierte Bewegung. Die Bahn des Schwerpunktes kann man leicht beobachten,

Abb. III, 8. Versuch zum Nachweis des Satzes von der Erhaltung der Bewegung des Schwerpunktes wenn man das Bleistück mit einer auffallenden Farbe anstreicht. — Die gleiche Erscheinung zeigt eine im Fluge platzende Granate; auch hier bewegt sich der Schwerpunkt des gesamten Systems auf der ursprünglichen Geschoßbahn weiter. — Die Sternschnuppenschwärme sind Bruchstücke von Kometen, die zerplatzt sind; welche Bahnen auch die Bruchstücke beschreiben, der S c h w e r p u n k t d e s S y s t e m s verfolgt nach wie vor seine alte elliptische Bahn weiter. Zur rechnerischen Bestimmung des Schwerpunktes geht man, statt Gl. (III, 7) zu benutzen, besser von der Komponenten-Darstellung (III, 7a) aus: (III, 7a)

.

* =

E/JIvXv



_

>' =

_Z T O V J C V

v

2_

=

X)

OTvZv



Bei Körpern mit kontinuierlich verteilten Massen gehen die Summen in Integrale über, da man jedes Massenelement (dm) mit seiner Koordinate (x oder y oder z) zu multiplizieren hat:

Die Berechnung läßt sich natürlich nur für geometrisch einfach gestaltete Körper durchführen. Auch ohne Rechnung erkennt man aber, daß z. B. der Schwerpunkt einer homogenen Kugel mit ihrem Mittelpunkt zusammenfällt.

25. Bewegungsmöglichkeiten (Freiheitsgrade) von Systemen, insbesondere starren Systemen; Translation und Rotation Der erste Impulssatz wurde in den vorhergehenden Abschnitten aus den N e w t o n s c h e n Bewegungsgleichungen (III, 3), die für jeden Massenpunkt des betrachteten Systems gelten, in Verbindung mit dem dritten N e w t o n s c h e n Gesetz von der Gleichheit der Aktion und Reaktion abgeleitet. Außer diesem Satz gilt für beliebige Systeme noch ein z w e i t e r I m p u l s s a t z , zu dessen Formulierung einige Vorbereitungen in diesem und den nächstem Abschnitten erforderlich sind. Betrachten wir zunächst e i n e n Massenpunkt. Seine Lage ist bestimmt durch drei Angaben, z. B. durch die kartesischen Koordinaten x, y, z oder durch seinen Ortsvektor r, d. h. durch seinen Betrag r und zwei Winkel, die seine Richtung festlegen, oder durch drei andere, passend gewählte Abmessungen: I m m e r aber sind es drei Angaben. Bleiben wir bei den kartesischen Koordinaten, dann kann man den Massenpunkt z. B. parallel der x-Achse verschieben, ohne

Freiheitsgrade von Systemen; Translation und Rotation

93

seine y- und z-Werte zu ändern; das gleiche gilt für Verschiebungen parallel den y- bzw. z-Richtungen. Ein Massenpunkt kann also drei v o n e i n a n d e r u n a b h ä n g i g e V e r s c h i e b u n g e n erfahren; er hat, wie man sagt, drei Freiheitsgrade. Daraus folgt sofort, daß ein beliebiges System von n frei beweglichen Massenpunkten im ganzen 3 n Freiheitsgrade besitzt; es ist klar, daß die Bewegung eines solchen Systems im allgemeinen sehr kompliziert ist. Wir wollen nun ein sehr wichtiges spezielles System ins Auge fassen, nämlich ein solches, bei dem alle g e g e n s e i t i g e n E n t f e r n u n g e n j e zweier M a s s e n p u n k t e v o l l k o m men u n v e r ä n d e r l i c h sein sollen; ein solches System nennt man ein „ s t a r r e s " , den von dem System gebildeten Körper einen „ s t a r r e n K ö r p e r " . Es gibt in der Natur zahlreiche Körper, die sogenannten „festen", bei denen diese Bedingung angenähert erfüllt ist, z. B. bei einem Stahlblock. Bei sehr genauen Messungen freilich zeigen sich Änderungen der Abstände der einzelnen Massenpunkte, die man daran erkennt, daß der feste Körper Volum- und Gestaltsänderungen unter dem Einfluß äußerer Kräfte erleidet; die Untersuchung dieser feineren Veränderungen gehört in die Lehre der E l a s t i z i t ä t (Kap. V). Hier wollen wir ganz davon absehen und bewußt die Abstraktion eines starren Körpers bilden. Wieviele Freiheitsgrade hat nun ein starres Gebilde? Zur Beantwortung dieser Frage kann man von der Tatsache ausgehen, daß ein starrer Körper sich nicht mehr bewegen kann, wenn drei nicht auf einer Geraden liegende Punkte desselben festgehalten werden. Wären dies drei freie Punkte, so würde jeder von ihnen drei Freiheitsgrade, der starre Körper also deren neun besitzen. Indessen ist dies natürlich nicht der Fall. Der Punkt 1 ist allerdings frei beweglich; er hat also seine drei Freiheitsgrade, Punkt 2 und 3 aber sind nicht mehr frei, da sowohl 2 wie 3 ihren Abstand von 1 nicht ändern dürfen, ebensowenig wie der Abstand von 2 und 3 veränderlich ist. Die Punkte 2 und 3 haben also drei Bedingungen zu erfüllen, unterliegen also drei Beschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit. Somit gehen von den neun Freiheitsgraden drei ab; es bleiben für den starren Körper sechs Freiheitsgrade Übrig. Diese müssen sich natürlich in den Möglichkeiten der Bewegung bemerkbar machen. Erstens kann ein starrer Körper offenbar eine solche Bewegung ausführen, daß er dabei seine Orientierung im Räume nicht ändert. Dann verschiebt sich jeder seiner Punkte mit der gleichen Geschwindigkeit in der gleichen Richtung um den gleichen Betrag. Diese spezielle Bewegung nennt man eine Translation. Sie kann dargestellt werden durch einen Vektor, den man an einem b e l i e b i g e n Punkte des starren Körpers anbringt. Man nennt diesen Vektor den Translationsvektor. Wenn der starre Körper sich in dieser Weise bewegt, haben alle seine Punkte die gleiche Geschwindigkeit (wieder nach Größe und Richtung), und diese heißt entsprechend Translationsgeschwindigkeit. Der Translationsvektor (oder die Translationsgeschwindigkeit) kann in speziellen Fällen parallel der x-, y- oder der z-Achse gerichtet sein: Bei der T r a n s l a t i o n m a c h e n sich drei von den sechs F r e i h e i t s g r a d e n des s t a r r e n K ö r p e r s bemerkbar. E i n e zweite B e w e g u n g s m ö g l i c h k e i t des starren Körpers ist die folgende: Wenn zwei Punkte desselben in Ruhe gehalten werden, so bleiben sämtliche Punkte der sie verbindenden Geraden in Ruhe, alle anderen Punkte beschreiben Kreise um diese Gerade als Rotationsachse. Der Winkel oder Drehwinkel um den sich der Körper dreht, ist der Rotationswinkel. Das Verhältnis eines kleinen Rotationswinkels zum Zeitelement, in dem die Drehung vor sich geht, ist die Winkelgeschwindigkeit tu = d, so ist der Betrag der Geschwindigkeit aller Punkte im Abstand r von der Achse: v = cor. Damit ist nun der Ausdruck für die kinetische Energie bei der Rotation (Rotationsenergie) zu bilden: (111.12)

£kin = ^Et;*mv=^cu2EmvrJ ; z rot z

Trägheitsmoment; Satz von Steiner

95

denn die W i n k e l g e s c h w i n d i g k e i t ist im ganzen Körper konstant. Man benutzt zur Abkürzung den Ausdruck (111.13)

Im,rJ=J,

und nennt ihn das „Trägheitsmoment" des starren Körpers bezüglich der gewählten Rotationsachse. Man kann also für die Rotationsenergie schreiben: (111.14)

Ekin =

^Ja>2.

rot

Das Trägheitsmoment / = E m v r 2 ist natürlich stets positiv (wegen r 2 ). Die Dimension des Trägheitsmomentes ist: dim J = ML2. Als Einheiten werden benutzt: kg m 2 bzw. g cm 2 . Das Trägheitsmoment ist kein Vektor (bei Umkehr der Drehrichtung ändert sich sein Vorzeichen nicht), aber auch kein Skalar (mit der Richtungsänderung der Drehachse im festgehaltenen Körper ändert sich gesetzmäßig die Größe des Trägheitsmomentes). Das Trägheitsmoment ist ein Tensor. — Trägheitsmomente, auf dieselbe Achse bezogen, sind additive Größen. Bereits bei Betrachtung e i n e s Massenpunktes hatten wir erkannt, daß seine Masse m als das Maß für das Beharrungsvermögen betrachtet werden muß. Das gleiche gilt nach (III, 11) f ü r d i e T r a n s l a t i o n s b e w e g u n g eines starren Körpers: Auch hier ist die Masse M der Ausdruck für seine Trägheit. A n d e r s a b e r bei d e r R o t a t i o n s b e w e g u n g ; Gl. (III, 14) zeigt, daß an Stelle der Masse M der Ausdruck . / = E mvrv2 tritt, d e r w e s e n t l i c h d a v o n a b h ä n g t , wie d i e M a s s e n u m d i e R o t a t i o n s a c h s e v e r t e i l t s i n d . Der gleiche Körper kann sehr verschiedene Trägheitsmomente besitzen, je nachdem ob sie sich in kleinerem oder größerem Abstände von der Achse befindet. Für die Rotationsbewegung ist daher nicht die Masse, sondern das Trägheitsmoment das geeignete Maß für das Beharrungsvermögen. Um sowohl den Unterschied gegen die Translationsbewegung als auch die analoge Beziehung zur Trägheit zum Ausdruck zu bringen, nennt man das Trägheitsmoment auch die Drehmasse. Diese Bezeichnung hat sich allerdings nicht durchgesetzt. Der übliche Ausdruck für die Größe J = E mvrv2 ist „Trägheitsmoment". Aber es ist kein Moment, weder im Sinne des statischen Momentes (Kraftmoment = Kraft • Abstand) noch des Drehmomentes (siehe Nr. 27). Es wird auch als Moment höherer Ordnung bezeichnet. Übrigens ist folgende Überlegung interessant: Ein punktförmiger Körper der Masse m habe von der Drehachse den Abstand r. Sein Trägheitsmoment ist also J = m- r2 und seine Rotationsenergie beträgt ET01 = j Jofi = j mr2 oß. Den gleichen Ausdruck erhält man, wenn man die kinetische Energie nach der Formel für die Translation errechnet: £kin = \ mv2. Bei der Kreisbewegung ist die Umlaufgeschwindigkeit v = ra>. Setzt man also ra> statt v in die Formel für die kinetische Energie ein, dann ergibt sich Ekin = 2 mr 2 v Gesamtimpuls p = 2 Kraft Fv Gesamtkraft F = S Fv

Rotation Winkelgeschwindigkeit o>v Trägheitsmoment (Drehmasse) / v = mvr\i2 Einzeldrehimpuls Lv == 7vO>v Gesamtdrehimpuls L = St» Drehmoment (Drehkraft) 2\ Gesamtmoment T = s rv

Der erste Impulssatz lautet: (III,3b) Die obige Tabelle legt nahe, die entsprechenden Größen einfach zu ersetzen: (111,29)

H i T S *

1

-

Darin bedeutet T z u n ä c h s t das Moment a l l e r Kräfte, der ä u ß e r e n wie der i n n e r e n . In (III, 3b) aber bedeutet F nur die Summe der ä u ß e r e n Kräfte, da die inneren Kräfte sich nach dem Reaktionsprinzip paarweise herausheben. Es wurde betont, daß gerade darauf die Bedeutung des ersten Impulssatzes beruht, weil man sich um die (vielfach unbekannten) inneren Kräfte nicht zu kümmern braucht. Wie steht es nun in dieser Hinsicht mit der Gl. (III, 29), die doch das Analogon zum ersten Impulssatz darstellt? Von Nutzen kann auch hier der Satz nur sein, wenn sich in (III, 29) die

110

Mechanik eines Systems von Massenpunkten

Momente der inneren Kräfte herausheben. Man kann dies z w a r n i c h t f ü r b e l i e b i g e i n n e r e K r ä f t e beweisen, sondern nur für sogenannte „Zentralkräfte", die in Richtung der Verbindungslinie je zweier Massenpunkte wirken. Dies zeigt sofort Abb. III, 34, in der sich in Pi und P2 zwei Massenpunkte befinden, die aufeinander die nach dem Reaktionsprinzip glei-

Abb. III, 34. Drehmomente von Zentral kräften chen und entgegengesetzten Zentralkräfte Fi und F2 = — Fi ausüben mögen; die Ortsvektoren der beiden Massenpunkte sind ri und rz. Zur Bildung der Drehmomente I i und T2 dieser beiden Kräfte in bezug auf O hat man die Beträge T\ = rxF! s k i ^ F i ) und T2 = r2F2 s i n ( r 2 F 2 ) zu bilden, wobei Fx = F2 ist. Die Produkte r x sin (i-xFi)

und

r 2 sin(i- 2 F 2 )

sind aber beide gleich a, dem senkrechten Abstände der gemeinsamen Wirkungslinie beider Kräfte von O. Die Beträge 7i und sind also gleich aF\, aber ihre Vektoren I i und T2 haben entgegengesetzte Richtung, da beide Momente in entgegengesetztem Sinne um eine durch O gehende Achse zu drehen bestrebt sind. Also ist die Summe I i -I- T2 = 0, wie behauptet wurde. Da wir aber nicht wissen, ob die Voraussetzung von Zentralkräften in der Natur stets zutrifft, müßte das Experiment Aufschluß geben. Dies zeigt nun in der Tat, d a ß die M o m e n t e der i n n e r e n K r ä f t e sich s t e t s p a a r w e i s e a n n u l l i e r e n ; die experimentellen Beweise werden wir weiter unten erbringen. Setzt man den Beweis als bereits erbracht voraus, so bedeutet — ganz analog wie im ersten Impulssatz — auch in der Gl. (III, 29) T n u r m e h r das M o m e n t der ä u ß e r e n K r ä f t e . In dieser Fassung nennt man (111,29) daher den zweiten Impulssatz (Drehimpulssatz), der in Worten folgendermaßen ausgesprochen werden kann: Das Gesamtdrehmoment der an einem beliebigen System angreifenden äußeren Kräfte ist gleich der zeitlichen Änderung des Gesamtdrehimpulses. Besonders einfach wird die Aussage des Drehimpulssatzes, wenn keine äußeren Kräfte vorhanden sind, also bei einem f r e i e n System. Für ein solches gilt nach (III, 29), da die linke Seite verschwindet: (111,30)

dt

— -T"EL v = 0, d . h . L = ZL V = const. dt

Der Gesamtdrehimpuls eines freien Systems bleibt nach Größe und Richtung konstant ( S a t z von der Erhaltung des Drehimpulses). Er tritt dem Satz von der Erhaltung des gewöhnlichen Impulses zur Seite. Wie das freie System sich auch im einzelnen bewegen möge, immer behält der Pfeil, durch den wir seinen Drehimpuls als Vektor darstellen können, seine Länge und seine Orientierung im Räume bei. Man nennt daher die Richtung des Drehimpulses eines freien Systems die invariable Achse, die dazu senkrechte Ebene durch den Momentenpunkt die invariable Ebene des Systems. In dem besonderen Falle, daß das System starr ist und sich um eine feste Achse dreht, nimmt sowohl der Drehimpuls (III, 29) wie auch der Erhaltungssatz (III, 30) des Drehimpulses eine besonders einfache Gestalt an. Denn dann hat cov im ganzen Körper den gleichen Wert co und J = S w,r v 2 ist zeitlich konstant. Folglich gelten unter dieser Voraussetzung die Sätze:

Zweiter Impulssatz (Drehimpulssatz)

(III, 29a)

111

T= J^jj,

(III, 30 a)

Ja=const.

Dreht sich ein starrer Körper um eine im Körper feste Achse, so ist das Drehmoment T der äußeren Kräfte gleich dem Produkt aus dem Trägheitsmoment / um diese Achse und der Winkelbeschleunigung d vi/dt. Bewegt sich ein starrer Körper kräftefrei um eine feste Achse, so ist das Produkt aus Trägheitsmoment und Winkelgeschwindigkeit und folglich auch die Winkelgeschwindigkeit selbst eine Konstante. In diesem Fall ist die Analogie zu den entsprechenden Aussagen des ersten Impulssatzes besonders eng: Denn nach (111,10) ist die äußere Kraft ¿eich dem Produkt aus der Masse des Körpers und der Beschleunigung des Schwerpunktes: F = Mä, und im kräftefreien Falle ist der Impuls des Schwerpunktes konstant: Mv = const.

Der experimentelle Nachweis für die Richtigkeit der Behauptung, daß die Momente der inneren Kräfte sich herausheben, wird im folgenden so geführt, daß die Richtigkeit der Gin. (III, 29a) und (III, 30a) gezeigt wird; denn sie könnten nicht erfüllt sein, wenn die inneren Kräfte ein nicht verschwindendes Moment hätten. Zur experimentellen Bestätigung der Gl. (III, 29 a) gibt es zahlreiche Anordnungen. Bei der in Abb. III, 35 skizzierten Apparatur lassen sich an einem aus Leichtmetall hergestellten

mz -M'v »F m2 m1

Abb. III, 35. Anordnung zum Nachweis der Gleichung T = J doj/dt

Abb. III, 36. Bergabrollender Zylinder (Galilei sehe Fallrinne)

Kreuz k, das um eine in Spitzen gelagerte Achse a drehbar ist, zwei Metallringe m\ und mi anbringen. Auf der Achse des Kreuzes ist ferner eine Doppelrolle b befestigt, auf deren kleinerem oder größerem Umfang eine Schnur aufgewickelt ist, die am freien Ende ein Gewicht G trägt. Dieses übt das Drehmoment T = Gr aus, wenn r der jeweils benutzte Radius der Seilrolle ist. Infolgedessen bekommt das System nach (III, 29 a) eine bestimmte Winkelbeschleunigung dmldt, die man dadurch erhält, daß man das Gewicht G an einem Maßstab vorbeifallen läßt und seine Fallbeschleunigung ( = r dco/dt) mißt. Man beobachtet dann, daß die Winkelbeschleunigung des rotierenden Systems um so größer ist, je größer das Drehmoment, d. h. der Radius der Seilrolle ist. Ersetzt man ferner den Metallring mi durch den Metallring ni2, dessen Masse doppelt so groß wie die von m\ ist, während sein Radius nur den 1 /|/2-ten Teil desjenigen des großen Ringes ist, so erhält man mit beiden Ringen die gleiche Winkelbeschleunigung: Denn beide Ringe haben offenbar gleiches Trägheitsmoment, obwohl die Massenverteilung verschieden ist. — Man beachte: beim Fall wird G kleiner (Nr. 19).

112

Mechanik eines Systems von Massenpunkten

Als zweiten Versuch (Abb. III, 36) lassen wir die in Abb. III, 9 beschriebenen Zylinder von verschiedener Massenverteilung, d. h. verschiedenem Trägheitsmoment, aber gleicher Masse und gleichen äußeren Abmessungen nebeneinander eine schiefe Ebene herabrollen. Wir beobachten dann, daß der Zylinder mit dem kleineren Trägheitsmoment schneller herunterrollt als der mit dem größeren, denn beide Zylinder erfahren das gleiche Drehmoment T= Ga; G ist das Gewicht des Zylinders und a der Arm des Drehmomentes. Diese Anordnung liefert übrigens die strenge Theorie der Galilei sehen Fallrinne (Nr. 12). Dort wurde auch angemerkt, daß die Beschleunigung parallel der schiefen Ebene nicht g sin (IV, 1)

r* mV2 2 , 2 2 47t2 Fr = = mrco =mr4n v = m r 2 T "'

Von der Wirkung der Radialkraft überzeugt man sich durch folgende Versuche: Um einen Stein auf einem Kreis herumzuschleudern, muß man ihn an einer Schnur anbinden und deren anderes Ende festhalten. Die straff gespannte Schnur hält den Stein auf der Kreisbahn, die er sofort verläßt, wenn die Schnur losgelassen wird. — Ersetzt man die Schnur ganz oder zum Teil durch eine Federwaage, so kann man sehr schön erkennen, daß die Kraft bei gleicher Umlaufzeit proportional dem Radius ist. Man kann durch Auswechseln des Steines durch andere Körper auch gut erkennen, daß die Kraft proportional der Masse ist. Dabei kann man auch jedesmal die Umlaufzeit variieren und die Gültigkeit der Gl. (IV, 1) wenigstens grob prüfen.

118

Anwendungen auf spezielle Bewegungen

Schreibt man die Gl. (IV, 1) in der Form Fr + ( — mra>2)

= 0,

so kann man nach den Überlegungen in Nr. 19 die Größe (— mrca2) als d ' A l e m b e r t s c h e T r ä g h e i t s k r a f t a u f f a s s e n , d i e g l e i c h f a l l s a n d e r b e w e g t e n M a s s e a n g r e i f t , der Zentripetalkraft ( = Radialkraft) entgegengerichtet ist und ihr das Gleichgewicht hält. Man hat dieser in Richtung des Bahnradius nach außen vom Zentrum wegweisenden Trägheitskraft einen besonderen Namen gegeben: „Zentrifugal"- oder „Flieh"-Kraft. Für die Größe bzw. die Abhängigkeit der Zentrifugalkraft von Masse, Bahnradius, Bahngeschwindigkeit usw. gilt das gleiche wie für die Zentripetalkraft. D a die Zentrifugalkraft nur ein anderer Ausdruck dafür ist, daß der Körper infolge seiner Trägheit sich der Richtungsänderung durch die Zentripetalkraft widersetzt, verschwindet sie gleichzeitig mit der letzteren. Lassen wir z. B. beim herumgeschleuderten Stein die Schnur los, d. h. annullieren wir die Zentripetalkraft, so verschwindet auch die sogenannte Zentrifugalkraft, und der Stein fliegt nach dem Trägheitsgesetz in Richtung der B a h n t a n g e n t e weg. Dieses tangentiale Abfliegen kann man sehr schön an einem funkensprühenden Schleifstein beobachten: Die infolge der Reibung beim Schleifen eines Stahlstückes glühend gewordenen Stahlspäne verlassen den Schleifstein t a n g e n t i a l ! (Abb. IV, 1).

Abb. IV, 1. Beim Schleifen glühend gewordene Stahlspäne verlassen den Schleifstein tangential Wie schon in Nr. 19 ausgeführt, braucht man von d'Alembertschen Trägheitskräften, im besonderen von Zentrifugalkräften, überhaupt nicht zu sprechen, wenn man den Bewegungsvorgang nicht als „dynamisches Gleichgewicht" betrachten will: Wie alle Trägheitskräfte tritt auch die Zentrifugalkraft nur dann auf, wenn man statische Methoden und statische Begriffe verwendet, die eigentlich nicht verwendet werden dürfen; den hierdurch begangenen Fehler kompensiert man durch Einführung der Trägheitskräfte, hier der Zentrifugalkraft. Die Einführung dieses Begriffes ist bequem in der Ausdrucksweise, verlangt aber, daß der Lernende den Sachverhalt gründlich durchschaut; ist dies nicht der Fall, so kann der Begriff Zentrifugalkraft zu Verwirrung Anlaß geben, was in der Geschichte der Physik häufig genug der Fall gewesen ist.

Zentrifugalkraft

Abb. IV, 2. Zur Definition von Zentrifugal- und Zentripetalkraft Wir wollen das schon benutzte Beispiel betrachten, indem wir einen Stein an einer Schnur herumschwingen, die wir am anderen Ende mit der Hand festhalten; dann g l a u b t man die Zentrifugalkraft durch den nach außen gerichteten Zug der Schnur an der Hand deutlich zu spüren und drückt sich auch häufig so aus. Dennoch ist dies nicht richtig, und es ist lohnend, an diesem einfachen Beispiel den Sachverhalt zu erläutern (Abb. IV, 2). Damit der Stein seine Kreisbahn beschreiben kann, muß auf ihn — in irgendeiner Weise — eine Radialkraft (Zentripetalkraft) nach innen ausgeübt werden; in unserem Beispiele geschieht dies durch die-Spannung der (gedehnten) Schnur. In Abb. IV, 2 ist diese

119

Zentripetal- und Zentrifugalkraft

Zentripetalkraft als nach innen gerichteter Pfeil an dem S t e i n angebracht. W e l c h e K r a f t g r e i f t n u n a n d e r H a n d a n ? N i c h t e t w a d i e Z e n t r i p e t a l k r a f t , sondern deren Gegenkraft nach dem dritten N e w t o n s c h e n Gesetz (actio = reactio); sie ist durch einen nach außen gerichteten Pfeil an der H a n d markiert. Zentripetalkraft und Reaktionskraft sind entgegengesetzt gerichtet und gleich groß, haben aber verschiedene Angriffspunkte. Die Zentrifugalkraft dagegen muß, da sie bei Behandlung der Bewegung als statisches Problem der Zentripetalkraft das Gleichgewicht halten soll, an dem S t e i n selbst angebracht werden, wie es in Abb. IV, 2 auch geschehen ist; die Zentrifugalkraft ist der Zentripetalkraft gleich, aber entgegengesetzt gerichtet, sie ist gleich groß und gleich gerichtet mit der an der Hand angreifenden Reaktionskraft. Was man an der Hand als Zug nach außen verspürt, ist also nicht eigentlich die Zentrifugalkraft — diese greift ja gar nicht an der Hand an! —, sondern die ihr nach Größe und Richtung gleiche Reaktionskraft. Man muß sich also folgendes merken: 1. Die Zentrifugalkraft greift an demselben Punkt an wie die Zentripetalkraft. 2. Die R e a k t i o n der Zentripetalkraft greift nach dem dritten N e w t o n s c h e n Gesetz an einem anderen Punkt an als die Zentripetalkraft, ist aber der Zentrifugalkraft nach Größe und Richtung gleich. 3. Bei den sogenannten Zentrifugalapparaten und Versuchen über Zentrifugalkraft beobachtet man meistens, wie in dem eben besprochenen Fall, nicht die Zentrifugalkraft, sondern die N e w t o n s c h e Reaktionskraft. Wenn man sich dies einmal klargemacht hat, kann man den Begriff der Zentrifugalkraft unbedenklich benutzen, wie es auch im folgenden geschieht.

vir a Abb. IV, 3. Messung der Zentrifugalkraft

Abb. IV, 4.

mlr1 = m2r2

ö

Abb. IV, 5. Wirkung der Zentrifugalkraft bei rotierenden Flüssigkeiten

Die Größe der Zentrifugalkraft einer auf einem Kreis mit gegebenem Radius umlaufenden Kugel läßt sich mit der in Abb. IV, 3 wiedergegebenen Anordnung genau messen. Bei genügend schneller Rotation des Apparates um die vertikale Achse A hebt die an der Kugel der Masse trti angreifende Zentrifugalkraft ein Metallstück der Masse m2 rri2g/mir ist. — Läßt man den in Abb. IV, 4 im Querschnitt gezeichneten Apparat, bei dem zwei verschieden große durch einen Faden miteinander verbundene Kugeln der Massen m\ und mz auf einer horizontalen Stange leicht verschiebbar angebracht sind, um die Achse A rotieren, so wirkt die Zentrifugalkraft jeder Kugel als Zentripetalkraft auf die andere. Damit die Kugeln sich bei der Rotation längs der Stange nicht verschieben, muß, da beide die gleiche Winkelgeschwindigkeit haben, m\r\m\ = m^col oder m\: mi — : ri sein, d. h. die Kugeln müssen eine solche Lage haben, daß sich die Abstände von der Achse umgekehrt wie die Massen verhalten. Das bedeutet, daß der Schwerpunkt auf der Rotationsachse liegt. Allerdings ist das Gleichgewicht labil! Setzt man ein Glasgefäß von der in Abb. IV, 5 a gezeichneten Form, in dessen unterem Teil Quecksilber und Wasser übereinander geschichtet sind, um die vertikale Achse in schnelle Umdrehungen, so bewegt sich das schwerere Quecksilber nach den Stellen des größten Umfanges und bleibt dort während der Rotation. In derselben Weise erklärt sich auch die Wirkung der Zentrifugen, die zur Trennung verschieden schwerer Flüssigkeiten bzw. verschieden schwerer Stoffe, die in einer Flüssigkeit verteilt sind, dienen. So wird z. B. bei der Milchzentrifuge der Rahm dadurch von der Magermilch abgetrennt, daß man die Vollmilch in einem Gefäß in schnelle Rotation versetzt: Die spezifisch schwerere Magermilch wird an die Gefäßwand getrieben, während sich der leichtere Rahm in der Nähe der Drehachse ansammelt, wo er durch eine geeignet angebrachte Öffnung abgelassen werden kann.

120

Anwendungen auf spezielle Bewegungen

Früher hat man die Milch einfach längere Zeit in einer flachen Schale stehengelassen. Die Trennung verschieden schwerer Teilchen erfolgt dabei durch die Schwerkraft. Eine längere Zeit ist für die Trennung der Teilchen deshalb erforderlich, weil die B r o w n sehe Molekularbewegung und die Reibung der Trennung ständig entgegenwirken. Schwebeteilchen, deren Dichte nur sehr wenig größer ist als die der Flüssigkeit, setzen sich wegen der Molekularbewegung niemals am Boden ab. Bei der Zentrifuge erfolgt die Trennung viel schneller, weil die sehr viel größere Radialkraft anstelle des Gewichts die Trennung bewirkt. Die B r o w n sehe Molekularbewegung spielt bei der Zentrifuge praktisch keine Rolle mehr. Beträgt z. B. die Zahl der Umdrehungen einer Zentrifuge 3000 pro Minute, also 50 pro Sekunde, dann ist die Radialbeschleunigung aT im Abstand 10 cm von der Achse: ar = roß = 0,1 • 4 n 2 • 2500 m/s 2 «s 10000 m/s 2 . Die Radialbeschleunigung beträgt in diesem Fall somit das Tausendfache der Fallbeschleunigung! Damit beträgt auch die Radialkraft das Tausendfache des Gewichts. Man kann heute Ultrazentrifugen kaufen, welche 1000 Umdrehungen pro Sekunde und Radialbeschleunigungen von über einer Million m/s 2 erreichen. Sie werden z. B. zur Sedimentation von Viren und größeren Molekülen verwendet. Bei diesen Ultrazentrifugen müssen die Abstände von der Achse wegen der enormen Materialbeanspruchung klein gehalten werden. Versetzt man einen Kettenring auf einer Schwungradscheibe mit horizontaler Achse in schnelle Rotation, so werden die Kettenglieder durch die nach außen wirkenden Zentrifugalkräfte so stark angespannt, daß die Kette wie ein elastischer Ring wirkt. Wirft man die Kette während der Rotation von der Scheibe ab, so läuft sie auf dem Boden wie ein starrer Reifen weiter und überspringt sogar Hindernisse. — Läßt man eine auf der Achse eines Motors befestigte, kreisrunde Kartonscheibe sehr schnell rotieren, so wird sie durch die Zentrifugalkräfte derart stark angespannt, daß man sie wie eine Kreissäge zum Durchsägen von Holz benutzen kann. Bei dem in der Technik zur Steuerung alter Dampfmaschinen benutzten Zentrifugalregler befinden sich (Abb. IV, 6) zwei Kugeln der Masse m an den Enden zweier Stangen /, die drehbar

Fz-mru>1

Abb. IV, 6. Zentrifugalregler

an der vertikalen Achse A befestigt sind. Rotiert die ganze Vorrichtung um die Achse A, so werden die Kugeln infolge der Zentrifugalkraft nach außen gezogen und dadurch gehoben. Diese Hebung überträgt sich durch die Stangen s auf eine längs der Achse gleitende Hülse H, die ihrerseits mittels eines in der Abbildung nicht gezeichneten Gestänges die Dampfzufuhr drosselt, wenn die Drehzahl der Maschine einen bestimmten Betrag überschreitet. Die genaue Einstellung des Zentrifugalreglers findet man folgendermaßen: Auf jede der Kugeln wirken zwei Kräfte: die radial nach außen gerichtete Zentrifugalkraft Fz = mroß und die nach unten gerichtete Schwere G = m- g. Beide Kräfte setzen sich zu einer Resultierenden R zusammen

Zentripetal- und Zentrifugalkraft

121

(Abb. IV, 6). Die Einstellung der Kugeln bei der Rotation muß so erfolgen, daß die Richtung von R mit der Richtung der Hebelstange l zusammenfällt; denn in diesem Fall ist das von R hervorgerufene Drehmoment Null. Bezeichnen wir den Neigungswinkel von / gegen die Vertikale oc, so findet man leicht F ro2 tan ot = —^ = G g

V g und sin a = — , so daß cos