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German Pages 634 [640] Year 1954
L. Bergmann
• CI. Schaefer
Lehrbuch der Experimentalphysik Bandi
LEHRBUCH DER EXPERIMENTALPHYSIK ZUM G E B R A U C H B E I A K A D E M I S C H E N VORLESUNGEN U N D ZUM S E L B S T S T U D I U M Von
Prof. Dr. L. B e r g m a n n
und
Prof. Dr. Cl. Schaefer
Leitz -Werke Wetzlar
Universität Köln
I. Band
Mechanik • Akustik •
Wärmelehre
4. durchgesehene Auflage
1954
WALTER DE G R U Y T E R & CO. vorm. G. J . Göschen'sche Verlagshandlung, J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer, Karl J . Trübner, Veit & Comp.
B E R L I N W 35
Alle Hechte, auch das des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen und der Übersetzung, vorbehalten. Copyright 1945 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J". Göschen'sche Verlagshandlung, ,T. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, ICarl J . Trübner, Veit & Comp. Berlin W 35. Genthinerstr. 13 Archiv-Xr. 52 79 5-1
Printed in Germany
Druck: Oswald Schmidt KG, Leipzig
Vorwort Das Lehrbuch der Experimentalphysik, dessen erster Teil wir hiermit der Öffentlichkeit übergeben, soll die Physik etwa in dem Umfange und in der Art behandeln, wie es in den akademischen Vorlesungen der Verfasser geschieht; seiner Haltung nach soll es ein elementares, f ü r den Anfänger bestimmtes Buch sein. Darin liegt ausgesprochen, daß es in mehrfacher Hinsicht ein Kompromiß sein muß. Einmal soll es natürlich nichts Unrichtiges, Unvollständiges und Unexaktes enthalten, zum anderen aber den Lernenden nicht zu viel mit Problematik belasten, — beide Forderungen widerstreben einander bis zu einem gewissen Grade. Ferner soll die Darstellung einerseits mit möglichst wenig mathematischem Formalismus auskommen, anderseits trotzdem exakt und prägnant sein: auch zwischen diesen Forderungen besteht eine deutliche Spannung. Schließlich wendet sich unser Buch an die vielgestaltige Hörerschar, die die Vorlesung über Experimentalphysik besucht: Physiker, Mathematiker, Chemiker, Pharmazeuten, Mediziner, Biologen, Ingenieure. Auch hier m u ß zwischen den verschiedenen Bedürfnissen dieser Berufe ein Ausgleich gefunden werden. — Man kann diesen Widerstreit in der T a t bei allen elementaren Lehrbüchern der Physik beobachten, und es ist lehrreich zu sehen, wie die Verfasser sich — je nach Neigung, Temperament und Lehrerfahrung — im konkreten Falle damit abfinden. I n unserm Buch ist eine straffere Systematik durchgeführt, als in den meisten elementaren Lehrbüchern. Damit wollen wir nicht sagen, daß diese Anordnung auch unter allen Umständen in der Vorlesung zweckmäßig sei: im Gegenteil wird man in der Vorlesung oft von einer rein logisch-sachlichen Anordnung abweichen können und müssen; aber um so notwendiger erscheint es uns, dem Lernenden zur Ergänzung der Vorlesung ein Buch in die H a n d zu geben, in dem das Vorgetragene sich an der ihm sachlich zukommenden Stelle befindet. Durch besonderen Druck sind einerseits fundamentale Tatsachen und Lehrsätze hervorgehoben, anderseits weitergehende Ausführungen u n d manche Rechnungen in Kleindruck gesetzt, die beim ersten Studium überschlagen werden können. —• Die mathematischen Hilfsmittel gehen an keiner Stelle über das hinaus, was auf den höheren Schulen gelehrt wird; infolgedessen haben wir kein Bedenken getragen, in mäßigem Umfange die Elemente der Infinitesimalrechnung zu benutzen. Aus dem gleichen Grunde mußten wir aber zu unserm Bedauern darauf verzichten, die Vektorrechnung s y s t e m a t i s c h zu verwenden; nach unserer Erfahrung würde dadurch das Buch f ü r viele ungenießbar geworden sein. Eine Änderung dieses Zustandes ist unseres Erachtens erst dann zu erhoffen, wenn die Vektorrechnung auf den höheren Schulen gründlich behandelt wird; es ist vielleicht nützlich, dies einmal mit Nachdruck auszusprechen. — Der Text ist mit Absicht ausführlich gehalten, damit die leitenden Gedanken überall möglichst deutlich und anschaulich hervortreten.
VI
Vorwort
Trotz dem Ausgleich zwischen den Bedürfnissen der verschiedenen Berufe ist es unvermeidlich, daß mancher in unserem Buch Dinge vermißt, die er in seinem späteren Berufe „nötig" habe, mancher anderseits Dinge findet, die f ü r seinen Beruf „unnötig" seien. W e n n m a n diese Auffassung ernst nähme, würde sie bedeuten, daß m a n f ü r jede der genannten Fachgruppen ein besonderes Lehrbuch schreiben (und eine besondere Vorlesung halten) müßte. Aber dies entspricht der Auffassung der Fachschule, nicht dem Geist der Hochschule. Wir haben uns deshalb von der Überzeugung leiten lassen, daß unser Buch — wie die Vorlesung über Experimentalphysik — die Darlegung eines wissenschaftlichen Systems bezweckt, u n d daß m a n aus einem solchen nicht beliebige Stücke in usum delphini herausbrechen kann. — Manchen Fachgenossen haben wir f ü r freundlichen R a t zu danken, insbesondere Herrn Kollegen Prof. W. H ü e k e l , an dessen Darstellung in seinem Lehrbuch der anorganischen Chemie wir uns in N r . 65 (Atome u n d Moleküle, Atomgewicht u n d Molekulargewicht) mit seiner freundlichen Erlaubnis anschließen durften. Ganz besonderen D a n k schulden wir H e r r n Studienrat Dr. W. K l i e f o t h , Lehrbeauftragten f ü r Schulphysik an den Breslauer Hochschulen; er h a t nicht nur das Manuskript u n d die Korrektur kritisch gelesen, sondern uns auch ständig mit seiner großen Unterrichtserfahrung unterstützt. B r e s l a u , im März 1943
L. B e r g m a n n
Cl. S c h a e f e r
Vorwort zur 2. u n d 3. Auflage Die 1. Auflage ist seit mehr als Jahresfrist vergriffen; besondere Umstände verhindert e n einen sofortigen Neudruck, so daß die 2. u n d 3. Auflage erst jetzt erscheinen k a n n . Sie ist im wesentlichen ein Abdruck der 1. Auflage, jedoch von Druckfehlern und kleineren Versehen gereinigt. Zahlreichen Fachgenossen sind wir für freundliche Hinweise sehr d a n k b a r ; wenn sie nicht alle berücksichtigt werden konnten, so liegt dies nicht an mangelndem guten Willen, sondern an den Zeitumständen. Dem Verlag schulden wir besonderen Dank für die Energie und Umsicht, mit der er trotz dieser ungünstigen Bedingungen die neue Auflage fertiggestellt h a t . B r e s l a u , im Dezember 1944
L. B e r g m a n n
Cl. S c h a e f e r
Vorwort
VII
Vorwort zur 4. Auflage Die neue Auflage ist im wesentlichen ein von Druckfehlern und Unrichtigkeiten gereinigter Abdruck der letzten Auflage, da wir am Gesamtcharakter des Buches nichts zu ändern fanden. Für manche kritische Hinweise sind wir vielen Fachgenossen dankbar, namentlich den Herren Prof. Dr. K. v o n F r a g s t e i n , Dr. H. N a s s e n s t e i n und Dr. H. J . G o e h l i c h ; auch manche Kommilitonen haben auf diese Weise zur Verbesserung beigetragen. W e t z l a r und K ö l n , im Juli 1954
L. B e r g m a n n
Cl. S c h a e f e r
Inhaltsüb ersieht Seite
Einleitung
1
Mechanik und Akustik I. Kapitel. 1. 2. 3. 4. 5.
Maß und Messen
Längenmessungen Winkelmessungen Bestimmung von Massen Flächen- und Raummessungen Zeitmessung
6 11 12 13 15
II. Kapitel. Mechanische Grundbegriffe; Mechanik des Massenpunktes 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21.
Absolute und relative Ruhe und Bewegung; Begriff des Massenpunktes Gleichförmig geradlinige Bewegung; Begriff der Geschwindigkeit Geschwindigkeit bei ungleichförmiger Bewegung Begriff der Beschleunigung bei geradliniger Bewegung Zusammensetzung und Zerlegung von Bewegungen; Parallelogramm der Bewegungen . . Krummlinige Bewegung; allgemeine Definition der Beschleunigung Fallgesetze Wurfbewegung; vertikaler, horizontaler und schiefer Wurf Trägheit; erstes N e w t o n s c h e s Bewegungsgesetz Kraftbegriff; zweites N e w t o n s c h e s Bewegungsgesetz Zusammensetzung und Zerlegung von Kräften. Messung von Kräften Gewicht; träge und schwere Masse Stoß, Stoßkraft, Impuls D ' A l e m b e r t s c h e s Prinzip; Trägheitskräfte Begriff der Arbeit und der Leistung Potentielle und kinetische Energie; Erhaltung der Energie III. Kapitel.
22. 23. 24. 25.
18 20 22 23 24 27 31 35 39 41 44 48 51 52 56 60
Mechanik eines Systems von Massenpunkten
Drittes Newtonsches Bewegungsgesetz Erster Impulssatz; Erhaltung des Impulses eines freien Systems Massenmittelpunkt (Schwerpunkt); erster Impulssatz; Schwerpunktsatz Bewegungsmöglichkeiten (Freiheitsgrade) von Systemen, insbesondere starren Systemen; Translation und Rotation 26. Trägheitsmoment (Drehmasse); Satz von S t e i n e r 27. Drehmoment (Drehkraft); Drehimpuls 28. Zweiter Impulssatz (Drehimpulssatz)
64 67 69 74 76 81 87
X
Inhaltsübersicht IV. Kapitel. Anwendungen auf spezielle Bewegungen Seite
29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41.
Zentripetal- und Zentrifugalkraft 94 Planetenbewegung, K e p l e r s c h e Gesetze, Gravitation 99 Potential. Fernkräfte und Nahekräfte (Feldkräfte) 106 System der K r ä f t e am starren Körper; K r ä f t e p a a r 114 Mittelpunkt paralleler K r ä f t e ; Beziehung zum Schwerpunkt, Bestimmung des Schwerpunktes 120 Verschiedene Formen des Gleichgewichtes; Standfestigkeit 125 Prinzip der virtuellen Verrückungen; die einfachen Maschinen 129 Pendelbewegung; konisches, mathematisches und physisches Pendel 136 Schwingungen; Zusammensetzung von Schwingungen 142 Gedämpfte Schwingungen; freie und erzwungene Schwingungen, Resonanz 160 Bewegungen um permanente (freie) Achsen; Kreiselgesetze 168 Die Erde als rotierendes System; M ach weis der Erddrehung 177 Reibung fester Körper 185 V. Kapitel. Elastizität fester Körper
42. Die Kennzeichen des festen Aggregatzustandes 43. Begriff der elastischen Spannungen; Normal- und Tangentialspannungen; H o o k e s c h e s Gesetz 44. Reine Volumelastizität und reine Schubelastizität 45. Einseitige Dehnung; Biegung 46. Proportionalitäts-, Elastizitäts-, Fließgrenze; Festigkeit, H ä r t e 47. Stoßgesetze
194 197 199 203 209 212
VI. Kapitel. Mechanik der Flüssigkeiten und Gase 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64.
Allgemeine Charakterisierung des flüssigen und gasförmigen Aggregatzustandes Verteilung des Druckes in schwerelosen Flüssigkeiten und Gasen Kompressibilität der Flüssigkeiten und Gase Die der Schwere unterworfene Flüssigkeit; Boden-, Seiten- und Aufdruck Die der Schwere unterworfenen Gase; der Luftdruck und seine Wirkungen Archimedisches Prinzip Das Schwimmen eines Körpers; Metazentrum Allgemeines über strömende Flüssigkeiten Experimentelle Bestimmung der Zähigkeit: Gesetz von H a g e n - P o i s e u i l l e und von S t o k e s ; Widerstandsziffer, R , e y n o l d s c h e Zahl Strömungsformen idealer Flüssigkeiten; wirbelfreie und wirbelnde Bewegung Kontinuitätsgleichung; B e r n o u l l i s c h e s Theorem; Druckmessung in bewegten Flüssigkeiten Umströmung fester Körper durch ideale Flüssigkeiten ; Stromlinienkörper; Magnuseffekt Wirbelbewegungen Umströmung fester Körper durch reale Flüssigkeiten Auftrieb und Widerstand eines Tragflügels; Motorflug, Gleitflug, Segelflug Turbulenz Wasserkraftmaschinen
216 218 221 225 231 238 243 246 249 256 259 268 275 280 284 290 293
VII. Kapitel. Molekularphysik 65. Atome und Moleküle; Atomgewicht und Molekulargewicht; A v o g a d r o s c h e Hypothese 297 66. Allgemeines über Molekularkräfte; Wirkungssphäre; Adhäsion und Kohäsion 303
Inhaltsübersicht 67. 68. 69. 70. 71.
Struktur der festen Körper; Kristalle und Kristallsysteme Oberflächenspannung Kapillarität Lösungen B r o w n s c h e Molekularbewegung, Diffusion, Osmose
XI Seite
304 311 321 326 330
VIII. Kapitel. Allgemeine Wellcnlehre 72. 73. 74. 75. 76. 77. 78.
Entstehung von Wellen aus Schwingungen; Grundbegriffe Interferenz; stehende Wellen; Kohärenz, Inkohärenz Polarisation von Transversalwellen Fortpflanzungsgeschwindigkeit elastischer Wellen H u y g h e n s - F r e s n e l s c h e s Prinzip Reflexion und Brechung nach der Wellentheorie D o p p l e r s c h e s Prinzip
338 347 358 359 362 369 373
79. 80. 81. 82. 83. 84. 85. 86.
Die Schallempfindungen und ihre physikalische Ursache; Charakteristika des Klanges 376 Schallausbreitung; Reflexion, Brechung, Absorption 380 Lineare Schallgeber 389 Flächenhafte und räumliche Schallgeber 407 Ultraschallgeber 413 Bestimniungsstücke und Meßgrößen des Schallfeldes 415 Schallempfänger; Messung der Schallfeldgrößen 420 O h m - H e 1 m h o 11 z sches Grundgesetz der physiologischen Akustik; Resonanztheorie des Hörens 423 Sekundäre Klangerscheinungen: Schwebungen, Kombinationstöne, Variationstöne.. . 425 Mechanische Wirkungen des Schalles 432 Gliederung des musikalischen Tonbereiches; Konsonanz, Dissonanz, Tonleiter 435 Das menschliche Stimmorgan; Natur der Vokale 441 Das menschliche Gehörorgan und seine Funktionsweise 444
I X . Kapitel. Akustik
87. 88. 89. 90. 91.
Wärmelehre X . Kapitel. Temperatur und Wärmemenge 92. 93. 94. 95. 96. 97.
Grundbegriffe: Temperatur; Thermometrie Ausdehnung fester und flüssiger Körper Ausdehnung der Gase; Zustandsgieichung; absolute Temperatur Wärmemenge Spezifische Wärme Übertragung der Wärme (Wärmeleitung, Konvektion, Strahlung)
450 455 462 470 475 479
X I . Kapitel. Mechanische Theorie der Wärme 98. Wärme als Energieform; allgemeines Energieprinzip; erster Hauptpatz der Wärmetheorie 487 99. Spezielle Prozesse mit idealen Gasen 496 100. Thermocbemische Prozesse 504
XII
Inhaltsübersicht Seite
101. Molekularkinetische Theorie der Wärme 508 102. Perpetuum mobile zweiter Art; reversible und irreversible Prozesse; C a r n o t s c h e r Kreisprozeß 524 103. Zweiter Hauptsatz der Wärmetheorie 531 104. Entropie; Prinzip von der Vermehrung der Entropie 536 105. Freie und gebundene Energie; chemische Affinität 541 106. H e l m h o l t z s c h e Gleichung; N e r n s t s c h e s Wärmetheorem 544 107. Änderung des Aggregatzustandes: Verdampfung und Verflüssigung 550 108. Änderung des Aggregatzustandes: Schmelzen und Sublimieren 580 109. Zustandsdiagramm; Phasenregel 586 110. Herstellung tiefer Temperaturen; technische Verflüssigung von Gasen 590 111. Thermodynamische Maschinen 594 112. Molekularkinetische Deutung des zweiten Hauptsatzes 606 Namen- und Sachverzeichnis
613
Einleitung Das primär Gegebene für den Menschen sind seine Sinnesempfindungen. Erst von diesen aus schließt er auf die Existenz einer Außenwelt, die unabhängig von ihm „ o b j e k t i v " da ist. Rein logisch betrachtet mag dieser Schluß nicht zwingend und die Voraussetzung von der objektiven Existenz einer Außenwelt nichts als eine naheliegende Hypothese sein. In der Tat hat es Philosophen und philosophische Systeme gegeben, die die reale Existenz der Außenwelt leugneten. Aber für den Naturforscher ist die Existenz einer solchen eine unabdingbare Voraussetzung; denn diese Außenwelt ist das Objekt der Naturforschung. Insbesondere haben Physik und Chemie als Zweige der exakten Naturwissenschaft die Aufgabe, die Zusammenhänge zwischen den Geschehnissen der Außenwelt festzustellen. Die erste Schwierigkeit, die sie dabei antreffen, ist darin begründet, daß wir von der Außenwelt n u r Kunde erhalten durch unsere Sinne. „ I n unserem Bewußtsein", sagt H e i n r i c h H e r t z , „finden wir eine innere geistige Welt von Anschauungen und Begriffen, außerhalb unseres Bewußtseins liegt fremd und kalt die Welt der wirklichen Dinge. Zwischen beiden zieht sich als schmaler Grenzstreifen das Gebiet der sinnlichen Empfindung hin. K e i n Verkehr zwischen beiden Welten ist möglich als über diesen Grenzstreifen hinüber; keine Änderung in der Außenwelt kann sich uns bemerklich machen, als indem sie auf ein Sinnesorgan wirkt und Kleid und Farbe dieses Sinnes erborgt, keine Ursache unserer wechselnden Gefühle können wir uns in der Außenwelt vorstellen, als nachdem wir denselben, wenn auch noch so ungern, sinnliche Attribute beigelegt haben. Von höchster Wichtigkeit für jede Erkenntnis der Welt ist es also, daß uns jener Grenzstreifen gründlich bekannt ist, damit wir nicht das, was ihm angehört, für das Eigentum der einen oder der anderen der durch ihn geschiedenen Welten halten." Die Erforschung der Eigenschaften unserer Sinnesorgane ist die Aufgabe der P h y s i o l o g i e ; sie ermöglicht uns, von unserer Wahrnehmung das abzuziehen, was auf die Rechnung der Sinnesorgane selbst kommt und so daraus zu schließen, was in der Außenwelt vor sich geht, auch wenn kein Ohr und kein Auge, überhaupt kein wahrnehmender Mensch vorhanden wäre. Schon die hier angedeutete Trennung ist nicht immer einfach, und es hat lange Zeit gedauert, bis die Einsicht in die Notwendigkeit dieser Unterscheidung Allgemeinbesitz der Forschung wurde. Ein schlagendes Beispiel dafür ist der berühmte Streit zwischen G o e t h e und den Physikern über die Natur des Lichtes und der Farben. G o e t h e s Versuche sind in sich richtig, wertvoll und einwandfrei; aber es sind Versuche, die der p h y s i o l o g i s c h e n O p t i k angehören, während die bekannten Versuche N e w t o n s und der Physiker, weißes Licht in die Spektralfarben zu zerlegen, in die p h y s i k a l i s c h e O p t i k gehören. Daher die richtige Behauptung der Physiker, das weiße Licht sei etwas Kompliziertes, in ihm seien die Farben des Spektrums „enthalten", und anderseits die nicht weniger richtige Behauptung G o e t h e s , die Empfindung „ W e i ß " sei eine e i n f a c h e , ebenso einfach wie die Empfindung Rot, Grün oder Blau. Der leidenschaftliche Protest G o e t h e s gegen die unsinnige Behauptung der Physiker geht ebenso an dem wirklichen Sachverhalt vorbei wie die Ablehnung der Anschauung G o e t h e s von Seiten der Physiker: Es ist durchaus miteinander verträglich, daß etwas, was unseren Sinnen, d. h. physiologisch einfach erscheint, physikalisch etwas höchst Komplexes ist und umgekehrt. Heute B e r g m a n n u. S o l i a e f e r . Experimentalphysik.
I.
1
2
Einleitung
ist dieser Sachverhalt allgemein anerkannt, und es wird deutlich zwischen physikalischer und physiologischer Optik oder Akustik unterschieden. Wir haben es im allgemeinen hier nur mit ersteren zu tun. Während so die Aufgabe der Physik und Chemie wenigstens begrifflich gegen die der Physiologie klar abgegrenzt ist, ist eine Gebietsabgrenzung zwischen diesen beiden Wissenschaften selbst schwieriger. Man kann etwa sagen, daß die Physik es mit den a l l g e m e i n e n Charakteren der Naturerscheinungen zu tun hat, d. h. denjenigen, die unabhängig von dem spezifischen Charakter der Stoffe sind, während die Chemie es umgekehrt vorzugsweise mit den Erscheinungen zu tun hat, die auf der s p e z i f i s c h e n Natur der Stoffe beruhen. Die Physik behandelt demgemäß die Erscheinungen, bei denen es sich nicht um Änderungen in der Zusammensetzung der betrachteten Körper handelt, die Chemie dagegen hat es mit Vorgängen zu tun, bei denen solche Änderungen die entscheidende Rolle spielen. Doch ist nicht aus dem Auge zu verlieren, daß diese Abgrenzung nur eine schematische ist, und daß in Wirklichkeit die moderne Physik und die neuere Chemie immer mehr zu einer sachlichen Einheit verschmelzen, und daß sie nur infolge des ungeheuren Stoffumfanges, d. h. aus rein praktischen Gründen, getrennt werden. Die Aufgabe der exakten Naturforschung, insbesondere der Physik, ist nicht nur die Peststellung der bloßen Tatsachen in der äußeren Welt, sondern vor allem der sinnvollen Verknüpfung derselben miteinander, die Aufzeigung ihrer gegenseitigen Bedingtheit und Abhängigkeit. Das heißt: Wir fassen die Geschehnisse als im Verhältnis von Ursache und Wirkung zueinander stehend auf. Der Zwang zu solcher Anordnung der Dinge ist in einer Uranlage des menschlichen Geistes begründet und wird Kausalgesetz oder Kausalitätsprinzip genannt. Ohne Zugrundelegung desselben wäre nicht der einfachste Schluß möglich. Das Kausalgesetz ist also die V o r a u s s e t z u n g für die Möglichkeit einer Naturforschung überhaupt, und es wäre ein Mißverständnis zu glauben, daß es empirisch begründet oder widerlegt werden könnte. Man kann daher etwas konkreter als vorher sagen: Die Aufgabe der Physik besteht in der Herstellung eines kausalen Zusammenhanges zwischen den Tatsachen. Damit dies möglich ist, müssen die Vorgänge in bestimmter Weise geordnet werden. E s liegt nun wiederum in der Organisation des Menschen begründet und ist infolgedessen unausweichlich, daß wir alles nur in den Kategorien „ R a u m " und „ Z e i t " zu begreifen vermögen. Ein Ereignis findet stets an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit statt. Dinge, die sich dieser Einordnung entziehen, gehören nicht vor das Forum der Physik, und die Behauptung, es gäbe physikalische Vorgänge, die nicht in Raum und Zeit begreiflich wären, heißt so viel, als zu erklären, daß sie für uns überhaupt unbegreiflich seien. Aber die selbstverständliche Voraussetzung, die wir machen müssen, wenn wir an den Versuch gehen, eine Physik zu begründen, ist die der „Begreiflichkeit" der Natur. Dazu gehört vor allen Dingen die Einordnung in die Kategorien „ R a u m " und „Zeit" und darüber hinaus noch die Aufstellung einer großen Zahl von weiteren Begriffen, mit deren Hilfe eben die kausale Ordnung des Naturgeschehens, d. h. das „Begreifen" derselben gelingt. Denn Begreifen heißt Begriffe bilden. Die systematische Entwicklung dieser Begriffe wird gehörigen Ortes erfolgen. Hier müssen wir uns nur noch genauer mit Raum und Zeit befassen. Dabei handelt es sieh nicht etwa um eine Kritik unseres Raum- und Zeiterlebnisses selbst — das wird in der Phj'sik als gegeben vorausgesetzt — sondern um die Möglichkeit, in Raum und Zeit messend vorzugehen; sonst ist nämlich die geforderte quantitative Darstellung physikalischer Vorgänge nicht möglich. Die Eigenschaften des R a u m e s werden durch die Axiome der Geometrie bestimmt. Es gibt aber nicht nur eine, sondern mehrere voneinander verschiedene Geometrien, und es erhebt sich die Frage, welche von ihnen die dem physikalischen Raum adäquate ist. Diese Frage kann nur e m p i r i s c h entschieden werden, im Gegensatz zu K a n t s Meinung, der die Gültigkeit der sogenannten
3
Einleitung
euklidischen Geometrie als a priori feststehend betrachtete. Man kann sagen, daß im allgemeinen alle Erfahrungen mit der Auffassung verträglich sind, daß unser Raum tatsächlich durch die euklidische Geometrie bestimmt wird (der einzige Fall, in dem dies nicht zuzutreffen scheint, wird später erörtert werden und kann vorläufig außer Betracht bleiben). Wir nehmen also folgendes an: Der leere Raum ist unendlich ausgedehnt, eben, homogen und isotrop. Unter Ebenheit des Raumes verstehen wir die Tatsache, daß unendlich ausgedehnte Geraden und Ebenen in ihm enthalten sind; homogen nennen wir ihn deshalb, weil jeder Punkt des Raumes von jedem anderen ununterscheidbar ist, und isotrop heißt er, weil alle durch einen Raumpunkt gelegten Richtungen gleichwertig sind. Schließlich ist der Raum dreidimensional, d. h. in jedem seiner Punkte können drei und nur drei aufeinander senkrechte Geraden errichtet werden, oder was dasselbe ist: wir können drei zueinander senkrechte Richtungen in jedem Punkte unterscheiden: links—rechts, oben—unten, vorne—hinten. Auf der Ebenheit des Raumes beruht die Möglichkeit, ihn durch starre Maßstäbe auszumessen; denn weil er eben ist, können diese, ohne eine Deformation zu erfahren, von einem Orte zu jedem anderen hin bewegt werden1). Wie die Raumausmessung im einzelnen praktisch geschieht, wird in Kapitel I auseinandergesetzt. Die Z e i t ist im Gegensatz zum Räume eine eindimensionale Mannigfaltigkeit; in ihr gibt es nur Vergangenheit und Zukunft, die durch einen „Zeitpunkt", die Gegenwart, geschieden werden. Wie der Raum, so muß auch die Zeit gemessen werden; wie diese Messung mit Uhren — nach Festlegung einer Zeiteinheit — geschieht, wird gleichfalls im I. Kapitel erörtert. Hier sei nur auf einen besonderen Punkt aufmerksam gemacht: An einem gegebenen Orte des Raumes ist es verhältnismäßig einfach, die Zeit zu messen, d. h. durch eine Zahlenangabe zu charakterisieren. Es besteht aber die Aufgabe, diese Zeitangabe an alle Punkte des Raumes zu übermitteln, d. h. ihr einen allgemein verbindlichen Sinn zu geben. Die klassische Physik hat ohne weiteres angenommen, daß dies möglich sei; ihre Zeitangaben machen daher den Anspruch, u n i v e r s e l l zu sein. Erst die moderne Physik hat erkannt, daß hier ein P r o b l e m vorliegt; in der Optik werden wir darauf zurückkommen. Vorläufig halten wir an der klassischen Auffassung der universellen Zeit fest. Da die Kunde von der Außenwelt nur durch die Sinnesorgane in unser Bewußtsein gelangt, ist es natürlich, daß die ursprüngliche E i n t e i l u n g der P h y s i k in Einzeldispositionen nach den Sinnesorganen erfolgte. Der Gehörsinn reagiert auf Vorgänge, die unter dem Namen „Akustik" zusammengefaßt wurden, ebenso wie das Auge zur Abgrenzung eines Kapitals „Optik" Veranlassung war. Die „Wärmelehre" umfaßte die Erscheinungen, die durch den Wärmesinn bemerkt wurden, die „Mechanik" ist der Inbegriff der Vorgänge, die auf den Tast- und Muskelsinn einwirken. In dieser Einteilung der Physik nach den Sinnesorganen des Menschen zeigt sich deutlich ihr anthropomorpher Ursprung, und die gleiche Herkunft weisen ihre einfachsten und grundlegenden Begriffe auf. Der physikalische Begriff der „Kraft" z. B. kommt unzweifelhaft von dem Gefühl der Muskelanstrengung her, ebenso wie der physikalische Begriff der „Arbeit" von dem Gefühl der Ermüdung usw. Aber im Verlauf der weiteren Entwicklung der Wissenschaft werden diese Begriffe, die der Sprache des täglichen Lebens entnommen sind, immer mehr verfeinert und präzisiert, so daß sie stets einen ganz bestimmten Sinn besitzen, während die gleichen Worte im Leben deutliche Schwankungen und Ungenauigkeiten ihrer Bedeutung aufweisen. So entfernt sich schließlich die wissenschaftliche Sprache immer mehr von der des Alltages und muß dies tun, da sie sonst ihren Zweck nicht erfüllen könnte. Nur Unverstand kann aus dieser notwendigen Entwicklung einen Vorwurf gegen die Wissenschaft herleiten. Wir werden an verschiedenen Stellen Gelegenheit haben, diesen allmählichen SubliDies wäre auch noch möglich, wenn er eine konstante Krümmung besäße, wie das Beispiel der Kugeloberfläche zeigt. 1*
4
Einleitung
mierungsprozeß festzustellen und seine absolute Notwendigkeit zu erkennen. Ihre höchste Vollendung, aber freilich auch die stärkste Abstraktion erreicht die wissenschaftliche Sprache in der Verwendung der mathematischen Symbole und des mathematischen Algorithmus. Es ist nur eine natürliche Folge dieses Prozesses, daß sich allmählich die Grenzen der ursprünglichen Einteilung verschoben haben. Nachdem z. B. in der Akustik festgestellt war, daß einem wahrgenommenen Klange in der Außenwelt eine periodische Luftbewegung entspricht, hat man alle diese periodischen Vorgänge, ganz gleichgültig, ob sie hörbar sind oder nicht, mit in die Akustik aufgenommen. Und in der Optik umfassen diejenigen Wellen, die in uns einen Lichteindruck hervorrufen, nur einen winzigen Bruchteil derjenigen, auf die unser Auge nicht reagiert. Hand in Hand damit hat die alte Einteilung der Physik einer anderen Platz gemacht. Die drei früher getrennten Gebiete der Mechanik, Akustik und Wärmelehre sind nunmehr in ein einziges verschmolzen, die beiden letzteren nämlich sind in der Mechanik aufgegangen; ebenfalls hat sich die Optik als ein Teilgebiet der Elektrizitätslehre herausgestellt. Um die Vereinigung der nunmehr entstandenen zwei großen Gebiete ist die Physik dauernd bemüht, ohne daß sie bisher befriedigend gelungen wäre. Das Material für die Physik liefert die B e o b a c h t u n g . Aber nicht die bloße Beobachtung von selbst ablaufender Naturvorgänge, wie sie der Astronom am gestirnten Himmel anstellt, ist das Wesentliche, sondern die planmäßige Anstellung von Versuchen unter einfachen, übersichtlichen und reproduzierbaren Bedingungen, kurz: das E x p e r i m e n t . Aber was ist planmäßig ? Was einfach und übersichtlich ? Diese Prädikate sind ja relativ; was von einem Standpunkt als einfach und übersichtlich erscheint, braucht es unter anderem Gesichtswinkel nicht zu sein. Daraus geht hervor, d a ß s i n n v o l l e s E x p e r i m e n t i e r e n n u r m ö g l i c h i s t in V e r b i n d u n g m i t e i n e r t h e o r e t i s c h e n V o r s t e l l u n g , in Verbindung mit einer von bestimmten Gesichtspunkten aus an die Natur gestellten Frage. Die rohe Empirie ist keine Erkenntnisquelle der Physik, eine Einzeltatsache bleibt eine Einzeltatsache, auch wenn sie tausendmal beobachtet ist. Erst ihre Interpretation in einem Systemgedanken macht die Empirie fruchtbar. So muß gleich Hand in Hand mit den ersten Beobachtungen eine gedankliche Verarbeitung gehen, die dann zu planmäßigen weiteren Experimenten Veranlassung gibt. Diese regen neue Fragestellungen an, die durch neue Versuche beantwortet werden, und so gelingt es allmählich, immer neue Tatsachen unter einem Gesichtspunkt zusammenzufassen, indem man vom Speziellen zum Allgemeineren fortschreitet. Dieses Verfahren nennt man I n d u k t i o n , und so ist denn d i e P h y s i k e i n e i n d u k t i v e W i s s e n s c h a f t . Es ist ein langer, mühsamer Weg, der zurückgelegt werden muß, bevor es gelingt, alle Tatsachen eines Gebietes unter einem einzigen oder einigen wenigen allgemeinen Gesichtspunkten zusammenzufassen, und da der Aufstieg vom Speziellen zum Allgemeinen nicht eindeutig ist, so sind natürlich Irrwege keineswegs ausgeschlossen. Gerade durch die Methode der Physik aber werden diese über kurz oder lang als solche erkannt. Denn wenn etwa an einem bestimmten Punkte der Wissenschaftsentwicklung eine falsche Verallgemeinerung gemacht worden ist, so zeigt sich dies unweigerlich daran, daß gewisse Folgerungen aus derselben dem Experiment nicht standhalten. So gilt zwar auch hier, daß der Weg des Fortschritts mit Irrtümern gepflastert ist, aber es findet wirklich ein Fortschreiten statt. Ist endlich das Ziel der Zusammenfassung aller Tatsachen erreicht, so hat man die „Grundgesetze" des betreffenden Gebietes gewonnen. Die ältesten Tatsachen der Mechanik z. B. stammen schon aus dem griechischen Altertum, aber erst G a l i l e i und N e w t o n gelang die Formulierung der mechanischen Grundgesetze. Nachdem diese einmal erlangt sind, kann man nunmehr durch D e d u k t i o n die Gesamtheit der Tatsachen aus ihnen ableiten. Es versteht sich, daß die Beobachtung eines Experiments kein bloßes Betrachten seines Ablaufes ist, sondern eine quantitative Verfolgung der einzelnen Vorgänge. Es ist
Einleitung
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daher eine der Hauptaufgaben des Physikers, Messungen anzustellen; diese erst liefern das Material für die weitere Bearbeitung. Dabei ist es ganz im Sinne der vorhin geschilderten Wegentwicklung der Physik von ihrem anthropomorphen Ursprünge, daß bei den Messungen die Sinnesorgane immer mehr durch Apparate ersetzt werden, die jene Organe an Genauigkeit, Feinheit und Zuverlässigkeit übertreffen. Dies ist um so notwendiger, als wir für die elektrischen Erscheinungen kein eigenes Organ besitzen. Die Waage erkennt Gewichtsunterschiede, die mehr als tausendmal kleiner sind, als der Muskelsinn sie feststellen kann; Fernrohr und Mikroskop enthüllen Geheimnisse, zu denen kein menschliches Auge vordringen könnte; Thermometer können Temperaturdifferenzen anzeigen, die weit jenseits der Leistungsfähigkeit des Wärmesinnes liegen. Die physikalischen Apparate stellen daher im wahren Sinne des Wortes E r w e i t e r u n g e n u n s e r e r n a t ü r l i c h e n O r g a n e dar. Der doppelten Aufgabe der Physik, der planmäßigen Anstellung von Experimenten, der genauen Messung aller dabei auftretenden Größen einerseits und ihrer zusammenfassenden Deutung anderseits entsprechen die beiden Arbeitsrichtungen der E x p e r i m e n t a l p h y s i k und der t h e o r e t i s c h e n P h y s i k . Es ist klar, daß beide aufeinander angewiesen sind, daß der Experimentator den Theoretiker und dieser den Experimentalphysiker nicht entbehren kann, und daß zu einer gedeihlichen Entwicklung die gleichmäßige Pflege beider Arbeitsweisen notwendig ist. Gerade die heutige Blüte der Physik ist nur durch die gegenseitige Befruchtung beider Disziplinen möglich geworden. Die enge Zusammengehörigkeit zeigt sich natürlich auch bei einem Lehrbuch der Experimentalphysik: Dieses ist keine bloße Anhäufung von Experimenten (oder sollte es wenigstens nicht sein), sondern bezweckt die Darstellung eines wissenschaftlichen Systems, das auf Experimente gegründet und durch sie erläutert wird. Man kann mit einem gewissen Rechte neben die experimentelle und theoretische Physik die m a t h e m a t i s c h e P h y s i k stellen; dieser würde dann die Aufgabe zufallen, aus den von den ersteren gewonnenen Grundgesetzen alle möglichen Konsequenzen mathematisch zu entwickeln und durchzuarbeiten. E s gibt in der Tat Partien der Physik, die so abgeschlossen sind, daß im einzelnen nur noch mathematische Arbeit zu leisten ist. Das Verfahren der mathematischen Physik ist dann r e i n e D e d u k t i o n aus den Voraussetzungen, die Experiment und Theorie geschaffen haben.
Die Aufgabe der Physik, wie jeder Wissenschaft, ist auf Erkenntnis der Wahrheit gerichtet; darin beruht ihre sittliche Würde, daß ihr nur daran liegt, die geistigen Schätze des Menschengeschlechtes zu vermehren. Aber der Besitz der Erkenntnis bedeutet gleichzeitig in gewissem Maße Beherrschung der Natur für die Zwecke der Menschheit. Die wissenschaftlich erkannten Zusammenhänge in diesem Sinne nutzbar zu machen, ist Aufgabe der T e c h n i k . Vom reinen Nützlichkeitsstandpunkte liegt die Frage nahe, ob nicht das Streben der reinen Wissenschaft, nur auf die Mehrung der Erkenntnis bedacht zu sein, ein unnötiger Umweg zu den Anwendungen ist, ob es nicht besser sei, direkt auf ein bestimmtes praktisches Ziel hinzuarbeiten. Die Geschichte der Wissenschaft hat darauf die Antwort gegeben, daß dies keineswegs der Fall ist, sondern daß es sich auch vom rein praktischen Gesichtspunkte als am besten erweist, wenn die Wissenschaft, ihrem ureigensten inneren Gesetze folgend, nach der Wahrheit strebt und nicht fragt, was sie nützt. Wenn die Zeit gekommen ist, werden ihr, wie bisher, die praktischen Anwendungen als reife Früchte der Erkenntnis von selbst in den Schoß fallen.
Mechanik und Akustik I.
Kapitel
Maß und Messen Eine Größe m e s s e n heißt, ihr zahlenmäßiges Verhalten zu einer (irgendwie festgelegten) E i n h e i t bestimmen. D a m i t dies möglich ist u n d m a n immer dieselben E r gebnisse erhält, a u c h wenn die Messungen von verschiedenen Personen u n d an verschiedenen Orten der E r d e a u s g e f ü h r t werden, ist die Festlegung b e s t i m m t e r Maßeinheiten f ü r die verschiedenen physikalischen Größen notwendig. E s sind also z. B. Maßeinheiten f ü r die Länge, f ü r das Volumen, f ü r die K r a f t , f ü r die Arbeit, f ü r die W ä r m e m e n g e , f ü r die Elektrizitätsmenge, f ü r die S t r o m s t ä r k e usw. erforderlich. E s wird sich im folgenden zeigen, d a ß es möglich u n d im allgemeinen zweckmäßig ist, diese verschiedenen E i n h e i t e n auf wenige Grundeinheiten z u r ü c k z u f ü h r e n . Dies sind die E i n h e i t e n der Länge, der Zeit u n d der Masse. Das auf diesen Grundeinheiten aufg e b a u t e Maßsystem bezeichnet m a n n a c h seinen Schöpfern G a u ß u n d W e b e r als das „absolute" Maßsystem.
1. Längenmessungen Als Längeneinheit dient in der P h y s i k das Zentimeter (cm) ; es ist der h u n d e r t s t e Teil des „Meters". Die Länge des Meters ist durch ein in Sèvres bei Paris im „ B u r e a u des Poids et Mésures" a u f b e w a h r t e s Urmeter gegeben. Dieses U r m e t e r ist ein aus der sehr beständigen u n d festen Legierung von 9 0 % P l a t i n u n d 1 0 % I r i d i u m hergestellter Metallstab, dessen Querschnittsform aus Abb. 1 hervorgeht. Diese F o r m w u r d e gewählt, u m den S t a b möglichst Zern leicht zu m a c h e n u n d ihn t r o t z d e m vor Verbiegungen zu schützen. Auf der Mittelrippe, deren Länge sich a u c h bei Verbiegungen als „ n e u t r a l e Z o n e " (s. S. 208) nicht ä n d e r t , Abb. 1. Profil des Meter- sind in der N ä h e der E n d e n zwei Strichmarken a n g e b r a c h t , prototyps deren A b s t a n d bei der T e m p e r a t u r 0° Celsius u n d 760 m m L u f t d r u c k die Länge des Normal- oder U r m e t e r s darstellt. Von diesem U r m e t e r sind genaue Kopien hergestellt u n d an die verschiedenen K u l t u r s t a a t e n verteilt worden. Das Meter sollte eigentlich den vierzigmillionsten Teil der Länge des durch die Pariser Sternwarte gehenden Erdmeridians darstellen. Die zu diesem Zweck von Méchain und Delambre 1791 ausgeführte Gradmessung ist jedoch nach späteren Messungen von Bessel mit einem Fehler behaftet, so daß das Urmeter tatsächlich um 0,00856 cm zu kurz ist; somit beträgt die Länge des Erdquadranten 10000856 m. Das Meter wird n a c h dem Dezimalsystem in kleinere Einheiten, und zwar in 10 Dezimeter (dm), 100 Zentimeter (cm) u n d 1000 Millimeter (mm) eingeteilt. Als kleinere L ä n g e n m a ß e dienen weiter folgende Unterteilungen des Millimeters: das Mikron (//) = 10" 3 m m = 10" 4 cm das Millimikron (m/j,) = 10~6 m m = 10~7 cm die Ängström-Einheit (Â) = 10~7 m m = 10 _ 1 mp, = 10~8 cm die X - E i n h e i t (X) = 10" 10 m m = 10- 3 Â = 10-» cm.
1. Längenmessungen
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Größere Einheiten sind: das Dekameter (Dm) = 10 m das Hektometer (Hm) = 100 m das Kilometer (km) = 1000 m In der Astronomie wird als noch größere Längeneinheit das Lichtjahr benutzt; das ist die Strecke, die das Licht in derZeit von einem Jahr zurücklegt; 1 Lichtjahr = 9,4608 • 10 12 km. Neuerdings verwendet man vielfach das Parsec; man versteht darunter die Entfernung, aus der der Erdbahn durchmesser unter einem Winkel (Parallaxe) von 1 Bogensekunde erscheint; 1 Parsec = 3,26 Lichtjahre.
Um das Urmeter im Falle eines Verlustes oder einer im Laufe der J a h r e auftretenden Längenänderung (infolge der unvermeidlichen Veränderung des kristallinen Gefüges) jederzeit wieder reproduzieren zu können, hat man das Urmeter mit der Größe der optischen W e l l e n l ä n g e d e r r o t e n C a d m i u m s p e k t r a l l i n i e verglichen (A. M i c h e l s o n , 1895). Danach beträgt der Abstand der beiden Strichmarken auf dem Urmeter 1553163,5 Wellenlängen der roten Cadmiumlinie in trockener Luft bei 14° C und 760 mm Druck. Die einfachste Längenmessung besteht in der Benutzung eines aus Holz oder Metall bestehenden Maßstabes, dessen Teilung an die zu messende Strecke angelegt und mit ihr verglichen wird. Ist es nicht möglich, den Maßstab unmittelbar mit dem zu messenden Körper in Berührung zu bringen, so muß man an diesem vorbei nach dem Maßstab hin visieren. I n diesem Fall ist die Messung nur dann einwandfrei, wenn die Visierlinien auf dem Maßstab senkrecht stehen. Andernfalls tritt eine scheinbare Verschiebung des Körpers gegen den Maßstab (sogenannte P a r a l l a x e ) ein. Vorteilhaft sind für derartige Längenmessungen auf einem Spiegel eingravierte Maßstäbe, die man an dem zu messenden Körper vorbei so anvisiert, daß das Spiegelbild der Pupille des beobachtenden Auges mit dem E n d p u n k t der zu messenden Strecke zusammenfällt. Zur Messung des vertikalen Abstandes zweier Punkte bzw. zur Messung des lotrechten Abstandes zweier Horizontalebenen, in denen die betreffenden Punkte liegen, dient das von D u l o n g und P e t i t (1816) angegebene Kathetometer. Es besteht aus einer vertikalen Säule, die einen in Millimeter geteilten Maßstab trägt. Die Säule läßt sich mittels dreier Fußschrauben vertikal stellen und ist um die Vertikale drehbar. An der Säule ist, vertikal verschiebbar, ein genau waagerecht eingestelltes Fernrohr angebracht. Dieses wird zunächst auf einen der beiden Punkte, deren Abstand zu bestimmen ist, so eingestellt, daß der Schnittpunkt eines im Okular des Fernrohres befindlichen Fadenkreuzes mit diesem P u n k t e zusammenfällt. Nachdem die Höhenlage des Fernrohres an dem Maßstab der Säule abgelesen ist, wird das Fernrohr längs der Säule verschoben, und diese eventuell noch verdreht, bis der zweite P u n k t mit dem Fadenkreuz im Fernrohr zusammenfällt. Die Differenz der so ermittelten beiden Höhenlagen des Fernrohres gibt dann den vertikalen Abstand der beiden anvisierten P u n k t e an. Liminfi nifuin Ein sehr viel benutztes Gerät zur Messung kleiner Längen ist die Schublehre, deren vorderes Ende in Abb. 2 dargestellt ist. Auf einem mit einer Millimeterteilung versehenen Maßstab M, der am vorderen Ende ein rechtwinkliges Ansatzstück A trägt, ist der Schieber C mit einem ebenfalls rechtI winkligen Ansatz B angebracht. Dieser trägt eine Marke, die Abb. 2. Schublehre auf den Teilstrich Null der Maßstabteilung zeigt, wenn die beiden Ansatzstücke A und B zusammengeschoben sind. Der zu iiiessende Körper (in Abb. 2 gestrichelt gezeichnet) wird zwischen die beiden Teile A und B gebracht und die Einstellung der Marke auf der Teilung abgelesen. Mitunter ist das vordere Feld bei jedem der beiden Ansatzstücke A und B auf eine bestimmte
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I. Kapitel. Maß und Messen
Breite von meistens 5 mm abgestimmt, so daß man mit der Schublehre auch Innenmessungen ausführen kann, wie es in Abb. 2 (ebenfalls gestrichelt) angedeutet ist. Zu dem an der Teilung M abgelesenen Wert ist dann der Betrag von 10 mm hinzuzuzählen. Eine Verbesserung der Schublehre stellt das Schraubellmikrometer oder die Schraubenlehre (Abb. 3) dar. Der aus gehärtetem Stahl hergestellte U-förmige Bügel A trägt am Ende seines linken Schenkels einen Amboß W und am Ende seines rechten Schenkels eine Buchse B mit Innengewinde, in die eine Schraubenspindel C eingepaßt ist. Die Ganghöhe der Schraube beträgt vielW C B E D fach 1 mm, d. h. die Schraube verschiebt sich bei einer vollen Umdrehung gerade um 1 mm. Diese Verschiebung läßt sich an einer auf B eingravierten Teilung ablesen. Letztere ist so angebracht, daß der als Marke dienende linke Rand der Hülse E, die mit der Schraubenspindel starr verbunden ist, gerade auf Null steht, wenn der Abb. 3. Schraubenlehre Kopf der Schraube den Amboß W berührt. Um nun noch Bruchteile eines Millimeters abzulesen, befindet sich auf dem Rand der Hülse E ein in 100 Teile geteilter Teilkreis, dessen jeweilige Stellung an einer auf B angebrachten Marke abgelesen werden kann. So ist es möglich, die Dicke eines Körpers, den man zwischen den Amboß W und den Kopf der Schraube bringt, auf 1 / 1 0 0 mm genau abzulesen. Damit der zu messende Körper nicht verschieden stark gedrückt wird, ist am rechten Ende von E eine „Gefühlsschraube" D angebracht, die beim Drehen durch Reibung die Schraubenspindel nur bis zu einem bestimmten Meßdruck mitnimmt. Dadurch wird der Körper bei jeder Messung zwischen Amboß und Schraubenkopf immer mit dem gleichen Druck eingeklemmt. Eine besondere Form des Schraubenmikrometers bildet das Sphärometer (Abb. 4). Durch die Mitte eines Dreifußes A, dessen Füße C 1 5 C 2 und C 3 die Ecken eines gleichseitigen Dreiecks bilden, geht die Schraubenspindel B ; diese trägt am oberen Ende eine Scheibe E, deren Umfang in 500 Teile geteilt ist. Die vertikale Verschiebung der Schraube läßt sich grob in Millimetern an der Teilung D ablesen. Der Teilkreis auf E gestattet noch 1 / 5 0 0 einer Umdrehung zu erkennen, so daß sich bei einer Ganghöhe der Schraube von 1 / 2 mm noch Verschiebungen von 1 / 1000 mm messen lassen. Das Sphärometer wird auf eine gut ebene Unterlage gestellt, und die Schraube bis zur Berührung mit dieser Fläche heruntergeschraubt. Hierauf wird die Schraube zurückgedreht und der zu messende Körper, z. B . ein Glasplättchen, dessen Dicke bestimmt Abb. 4. Sphärometer w e r d e n soll, unter die Schraube gelegt und diese bis zur erneuten Berührung heruntergeschraubt. Dann läßt sich die gesuchte Dicke an den Teilungen D und E mit der angegebenen Genauigkeit ablesen. Auch bei diesem Gerät muß man sorgfältig darauf achten, daß man die Schraube stets mit dem gleichen Druck an den zu messenden Körper andrückt. Letzteres läßt sich z. B. auf optischem Wege sehr gut kontrollieren. Zu diesem Zweck stellt man das Sphärometer auf eine plane Glasplatte, auf der eine zweite kleinere Glasplatte liegt. Beleuchtet man die Oberfläche der letzteren mit einfarbigem Licht (z. B. Natriumlicht) und blickt nun schräg auf die Glasplatte, so sieht man diese von einem System heller und dunkler Interferenzstreifen durchzogen, deren gegenseitiger Abstand von der Dicke der Luftschicht zwischen den beiden Glasplatten abhängt. Drückt man daher die obere Glasplatte nur ein wenig gegen die untere, so verschieben sich die Interferenzstreifen. Dies ist ein außerordentlich empfindliches Kriterium für jede Druckänderung. Bei der Messung mit dem Sphärometer schraubt man die Schraubenspindel stets nur so weit herunter,
1. Längenmessungen
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bis die Verschiebung der Interferenzstreifen einsetzt; das ist ein sicheres Zeichen dafür, daß der Druck gegen den zu messenden Körper stets der gleiche ist. In dieser Form heiß das Gerät Interferenz-
sphärometer. Eine einfache und viel benutzte Vorrichtung zur Messung kleiner Längen bzw. Dicken ist das Zehntelmaß. Seine Wirkungsweise beruht, wie Abb. 5 zeigt, auf zwei ungleicharmigen Hebeln H1 und H2, deren Hebellängen im Längen Verhältnis 1 :10 stehen. An den Enden der kürzeren Hebelarme sind zwei Schneiden 5 angebracht, zwischen die der zu messende Körper geklemmt wird. Eine Feder F drückt zu diesem Zweck die Schneiden leicht zusammen. Auf der in Millimeter geteilten Kreisteilung T läßt sich die zu messende Strecke in lOfach vergrößertem Maßstab, d. h. bis auf 1 / 1 0 (daher Zehntelmaß) ablesen. Überträgt man die Bewegung des Hebels H1 etwa mittels eines Zahnkranzes auf ein am Hebel H 2 angebrachtes Zahnrad, das einen Zeiger trägt, so läßt sich an der Zeigerstellung die zu messende Strecke mit großer Genauigkeit ablesen. Auf diesem Prinzip beruht z. B . eine in der Mikroskopie viel benutzte Vorrichtung Abb. 5. Zehntelmaß zur Messung der Dicke von Deckgläsern.
In der Abb. 6 ist eine sogenannte Meßuhr wiedergegeben, die für rasche Messungen von Längen bis 25 mm geeignet ist. Wird der unten herausragende Stift A nach oben um die zu messende Strecke verschoben, so überträgt sich seine Bewegung über eine Zahnstange B auf ein System von Zahnrädern a—e, wodurch der mit dem letzten Zahnrad e verbundene Zeiger / verdreht wird, so daß man auf dem Zifferblatt die zu messende Strecke mit einer Genauigkeit bis zu 1 /i 0 0 0 mm ablesen kann. Für Messungen wird die Uhr in ein Stativ so eingesetzt, daß der senkrecht stehende Meßstift A die horizontale Fußplatte berührt und der Zeiger dabei auf Null steht. Der zu messende Gegenstand wird dann zwischen Tisch und unteres Ende des Fühlhebels geschoben. Besonders gut eignet sich eine derartige Meßuhr zur Messung kleiner Längenänderungen, wie sie z. B . bei der thermischen Ausdehnung von Stäben usw. vorkommen. Die bisher beschriebenen Anordnungen zur Messung kleiner Längen oder Dicken sind noch mit gewissen Unsicherheiten behaftet. Wie schon erwähnt wurde, muß bei Feinmessungen stets der Meßdruck besonders kontrolliert werden, was in exakter Abb. 6. Meßuhr Weise z. B . beim Interferenzsphärometer möglich ist. Bei allen Geräten, die mit einer Meßschraube oder Zahnrädern arbeiten, kommen noch durch Ungleichmäßigkeiten in der Ganghöhe der Schraube bzw. durch eine zu lose Führung der Schraube in der Schraubenmutter ( „ t o t e r G a n g " ) Fehler in die Messung hinein. Ein Gerät, das diese beiden Fehlerquellen nicht besitzt, ist der Dickenmesser nach Abbe (Tiefentaster; Abb. 7a). An einem kräftigen Stativ A gleitet ein vertikaler Fühlstift D in zwei Lagern G1 und G2 und kann durch eine über die Rolle R1 laufende Schnur hochgezogen bzw. heruntergelassen werden, wenn man die Schnur durch Drehen der Rolle R 2 auf dieser auf- bzw. abwickelt. Durch das an der Schnur befestigte Gegengewicht B wird das Eigengewicht des Fühlhebels D zum größten Teil ausgeglichen, so daß der Fühlhebel nur mit leichtem und immer gleichbleibendem Druck auf die Grundplatte P (ebene Glasplatte) bzw. den zu messenden Körper aufdrückt. Der Fühlhebel trägt auf seiner vorderen Seite eine in 1 / 1 0 mm geteilte Skala M . Die Verschiebung von M wird durch ein Mikroskop F beobachtet. Im Gesichtsfeld des Mikro-
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I. Kapitel. Maß und Messen
skopokulars befindet sich eine horizontale Strichmarke, die sich mittels einer Mikrometerschraube C in vertikaler R i c h t u n g verschieben l ä ß t ; die Ganghöhe der S c h r a u b e ist so gewählt, d a ß eine volle U m d r e h u n g eine Verschiebung der Strichmarke u m einen Skalenteil des Maßstabes M bewirkt. D a die Trommel der Schraube in 100 Teile geteilt ist, lassen sieh noch 0,001 m m messen. Die horizontale Strichm a r k e im Okular besteht meistens aus einem Doppelfaden, um, wie es Abb. 7 b andeutet, eine besonders genaue Einstellung d a d u r c h zu erreichen, d a ß der einzustellende Teilstrich gerade zwischen den beiden F ä d e n liegt. Zur E i c h u n g u n d N a c h p r ü f u n g der im vorangehenden beschriebenen Längen- u n d Dickenmesser verwendet m a n sogenannte Parallel-Endmaße ( J o h a n s s o n 1911). E s sind dies aus g e h ä r t e t e m Stahl oder kristallinem Quarz hergestellte rechteckige oder zylindrische Körper, die von zwei parallelen E b e n e n begrenzt werden. Der A b s t a n d der parallelen Abb. 7. Dickenmesser nach Abbe, E n d f l ä c h e n ist bis auf Bruchteile eines fi genau bea) Gesamtansicht, b) Gesichtsfeld des Okulars k a n n t . Solche E n d m a ß e werden in b e s t i m m t e n Sätzen zusammengestellt, z. B. von 1 m m a b u m je Vioo m m bis 1,5 m m , d a n n u m 1 / 2 m m bis 25 m m steigend; hinzu k o m m e n noch Stücke von 50, 75 u n d 100 m m . D u r c h Zusammenlegen mehrerer Stücke läßt sich jede a n d e r e Größe bis 200 m m L ä n g e zusammensetzen. Die E n d f l ä c h e n derartiger Stücke müssen auf Hochglanz poliert sein. D r ü c k t m a n zwei Stücke fest aufeinander, so t r e t e n bereits molekulare Anziehungskräfte auf, die zur T r e n n u n g der beiden Stücke K r ä f t e von mehreren K i l o g r a m m erfordern (s. N r . 66). Schließlich sei noch erwähnt, d a ß m a n a u c h m i t jedem Mikroskop genaue Längenbzw. Dickenmessungen a u s f ü h r e n k a n n . Zu diesem Zweck wird das normale Okular durch ein Mikrometerokular ersetzt, bei d e m sich im Gesichtsfeld eine in 1 / 1 0 m m geteilte Skala befindet, oder bei d e m mittels einer Mikrometerschraube ein F a d e n bzw ein F a d e n k r e u z m e ß b a r durch das Gesichtsfeld bewegt werden k a n n (Abb. 8). Diese Mikrometerokulare müssen f ü r jede a m Mikroskop b e n u t z t e Vergrößerung besonders geeicht werden, indem m a n auf den Öbjekttisch eine bek a n n t e Teilung (Objektmikrometer, meist 1 /i 0 0 -mm-Teilung) legt u n d diese mit der Okularskala bzw. der Verschiebung der Marke im Okular vergleicht. An besseren Mikroskopen ist meistens die Feinverschiebung des Mikroskoptubus m i t einer Teilung versehen, so d a ß m a n auch in vertikaler R i c h t u n g Dicken z. B. von in P r ä p a r a t e n eingeschlosseAbb. 8. Mikrometerokular nen Teilchen messen kann, indem m a n nacheinander auf die obere und u n t e r e Begrenzung des betreffenden Teilchens das Mikroskop scharf einstellt u n d die dazu notwendige Vertikalverschiebung abliest. Z u m Abschluß dieses Abschnittes ist noch ein Hilfsmittel zu erwähnen, das dazu dient, a n einer gegebenen Teilung noch Bruchteile eines Teilungsintervalles m i t Sicherheit abzulesen. E s h a n d e l t sich u m den Nonius, einen in 10 Teile geteilten H i l f s m a ß s t a b , dessen Gesamtlänge gleich 9 Teilen des H a u p t m a ß s t a b e s ist (Abb. 9a). I s t der H a u p t m a ß s t a b z. B . in Millimeter geteilt, so ist jeder Teil der Noniusteilung 9 / 1 0 m m lang. S t e h t dieser Nonius a n irgendeiner Stelle der H a u p t s k a l a (Abb. 9b), so liest m a n a m Nullstrich des Nonius die Anzahl der g a n z e n Millimeter a b u n d sucht denjenigen
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2. Winkelmessungen
Noniusteilstrich auf, der mit einem Teilstrich der Hauptskala genau zusammenfällt. Dieser Teilstrich des Nonius gibt dann die Anzahl der x / 10 mm an. Der hier beschriebene Nonius wird als n a c h t r a g e n d e r N o n i u s bezeichnet. Nonien finden sich z. B . auf jeder Schublehre, am Kathetometer, an den Kreuztischen der Mikroskope, den Spektrometerkreisen usw. Es gibt auch Nonien, die als v o r t r a g e n d e bezeichnet werden, bei denen 11 Teile des Nonius auf 10 Teile der Hauptteilung kommen.
O 7 2 3 s = c0t + {gt2.
c
Der Körper bewegt sich also auch hier gleichförmig beschleunigt nach unten. Wird ein Körper unter dem Winkel • • • > Bewegungsgleichungen: =
f m dt7 ( Z
(48)
1
dt
Cb)
~ Jt1
' :
•
Das ist nichts Neues. Neues aber gewinnen wir, wenn wir alle diese Gleichungen addieren. Denn in der links auftretenden Summe a l l e r Kräfte heben sich nach dem dritten Newtonschen Gesetz die i n n e r e n heraus, und es bleibt nur die (nach dem Parallelogrammsatz zu bildende) Resultierende der ä u ß e r e n Kräfte übrig, die wir durch den Index ,,a" auszeichnen. Auf der rechten Seite steht der erste zeitliche Differentialquotient von der Summe sämtlicher Impulse; somit erhalten wir: (49 a)
271
d_ dt
^
Sn • 5*
68
III. Kapitel. Mechanik eines Systems von Massenpunkten
Ersetzen wir nun die äußeren Kräfte durch ihre Resultante ebenso die Summe der Impulse durch den (ebenfalls nach dem Parallelogrammsatz zu bildenden) Gesamtimpuls so können wir Gleichung (49a) schreiben: (49 b) in Worten: Bei einem System von Massenpunkten ist die resultierende äußere Kraft gleich der sekundlichen Änderung des Gesamtimpulses ( E r s t e r I m p u l s s a t z ) . Diese Gleichung ist die direkte Verallgemeinerung der Newtonschen Bewegungsgleichung eines Massenpunktes in der Impulsform (39); denn auch dort ist ja die Kraft, die auf der linken Seite auftritt, die ä u ß e r e Kraft. Diese Verallgemeinerung wird offensichtlich nur dadurch möglich, daß infolge des dritten Axioms die inneren Kräfte sich herausheben. Dies bedingt natürlich eine g r o ß a r t i g e V e r e i n f a c h u n g , da man sich um die i n n e r e n Kräfte nicht zu kümmern braucht; ohne das dritte N e w t o n s c h e Axiom wäre — so kann man ohne Übertreibung sagen — eine „Mechanik der Systeme" gar nicht durchführbar. Wir werden in der nächsten Nummer den 1. Impulssatz in eine noch bequemere und anschaulichere Form bringen, wodurch die Analogie zur Mechanik eines Massenpunktes womöglich noch stärker hervortritt.
Besonders einfach und bedeutsam wird der erste Impulssatz, wenn das betrachtete System f r e i ist. Dann g i b t es k e i n e ä u ß e r e n K r ä f t e , die Summe der inneren anulliert sich wie vorhin, d. h. die auf der linken Seite von (49) stehende resultierende Kraft S ist gleich Null. Somit folgt: (50)
= 0 ,
oder
$ = constant.
In einem freien System bleibt der resultierende Impuls $ (nach Größe und Richtung) erhalten. W a r d e r s e l b e i n s b e s o n d e r e zu i r g e n d e i n e r Z e i t der B e w e g u n g g l e i c h N u l l , so b l e i b t er a u c h w ä h r e n d der g a n z e n B e w e g u n g g l e i c h Null. Experimentell läßt sich der „Satz von der Erhaltung des Impulses" in folgender Weise demonstrieren: Wir knüpfen an den in der vorigen Nummer erwähnten Versuch an, bei dem zwischen zwei Wagen von den Massen mi und m2, die auf einer horizontalen glatten Unterlage beweglich sind, eine zusammengedrückte Feder angebracht ist. Die sich entspannende Feder erteilt den beiden Massen nach dem dritten N e w t o n schen Axiom entgegengesetzt gleiche Kräfte, die Wagen erhalten nach Ablauf der Kraftwirkung Geschwindigkeiten Cx und C2, die einander entgegengesetzt gerichtet sind; die Impulse sind also m ^ bzw. m2C2 und weisen natürlich gleichfalls in entgegengesetzte Richtungen. Da zu Beginn des Versuches (alles in Ruhe!) der Gesamtimpuls jedenfalls Null ist, so muß er es auch nach dem Versuche sein, d.h. es muß gelten: (51)
m1 Cx + m2 C2 = 0 .
Das bedeutet aber, daß die Absolutbeträge der Geschwindigkeiten cl und c2 sich umgekehrt wie die Massen m1 und m2 verhalten, was der Versuch auch wirklich ergibt. Besonders einfach ist der Sonderfall, daß beide Massen gleich sind; dann ist Cj = —C2, d. h. auch die Geschwindigkeiten sind dann entgegengesetzt gleich. D e r S a t z von der E r h a l t u n g des I m p u l s e s s t e l l t im G r u n d e gen o m m e n n u r eine a n d e r e F o r m u l i e r u n g des d r i t t e n Newtonschen A x i o m s vor. Z.B. läßt sich die Wirkung der Rakete, die wir in dei vorigen Nummer als Beispiel für das dritte Axiom erörterten, natürlich auch mit Hilfe des Impulssatzes erklären: Die Pulvergase mit der Masse m1 werden mit einer großen Geschwindigkeit Ct von der Rakete ausgestoßen, erhalten also einen Impuls m1Cl. Da zu Beginn die Rakete in Ruhe war, hatte sie den Gesamtimpuls Null; damit dieser nach dem Anzünden der Rakete erhalten bleibt, muß die Rakete mit ihrer Masse m2 eine ße-
24. Massenmittelpunkt; Schwerpunktsatz
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wegung mit der Geschwindigkeit C2 ausführen, so daß ml Cj -f- m2C2 = 0 ist. Hieraus berechnet sich 1
1
In der Ballistik macht man bei der Bestimmung der Geschoßgeschwindigkeit mit dem sogenannten ballistischen Pendel von dem Satz der Erhaltung des Impulses Gebrauch. Das ballistische Pendel (Abb. 67) besteht aus einer an einer Stange aufgehängten großen Masse M (z. B. Kiste mit Sand). Das Geschoß, dessen Geschwindigkeitsbetrag bestimmt werden soll, und das die Masse m haben möge, wird in den Pendelkörper hineingeschossen, so daß es darin stecken bleibt; auf diese Weise erteilt das Geschoß dem Pendel eine bestimmte Geschwindigkeit \ Cx. Bestimmt man diese (etwa aus der Steighöhe h des \ Pendels) zu C1 = ^ 2 g h (s. hierzu S. 33), so gilt nach \ dem Impulssatz für ein freies System die Gleichung: mc = (M + m)c1; hierin ist mc der Impulsbetrag vor .— 1 .. §|j||| v-;^-^-1--/, und (M + m)c1 sein Wert n a c h dem Eindringen [_/ J ' ^Üi des Geschosses in den Pendelkörper. Für die GeschoßA b b 67 Bailistisches Pendel geschwindigkeit ergibt sich damit der Ausdruck Y j ^* , I ^ i • ^ c = ——— y 2 g h , in dem alle Größen auf der rechten Seite der Messung zugänglich sind. Mißt man statt h, was bequemer ist, den maximalen Ausschlagswinkel cc des Pendels, und die Pendellänge l, so hat man statt h die Größe / (1 — cos = 7Fv
IV. Kapitel. Anwendung auf spezielle Bewegungen
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Die 1. Gleichung, in der ^ SS „ = St die resultierende äußere Kraft, M die Gesamtmasse, t die GeV
schwindigkeit des Schwerpunktes bedeuten, liefert die (translatorische) Bewegung des Schwerpunktes. In der 2. Gleichung ist = 2> das resultierende Drehmoment der äußeren Kräfte; V
U ist der Gesamtdrehimpuls. Ist von dem starren Körper ein Punkt festgehalten, so ist eine translatorische Bewegung desselben nicht mehr möglich; die resultierende Kraft $tv wird durch die Festigkeit des Punktes aufV
gehoben; es bleibt dann nur die zweite der obigen Gleichungen zu erfüllen, wobei man nunmehr natürlich den festen Punkt als Momentenpunkt zu wählen hat. Sind vom starren Körper dagegen zwei Punkte festgehalten, so ist nur noch eine Drehung um die sie verbindende Gerade möglich, die also eine f e s t e Rotationsachse ist; hier ist deshalb das Trägheitsmoment & konstant, und der zweite Impulssatz nimmt die einfachere Gestalt an: U
dt
'
wobei natürlich & und tt auf diese feste Rotationsachse bezogen sind. Im Falle des Gleichgewichtes des festen Körpers haben wir weder eine Schwerpunktsbeschleualso lauten die Gleichgewichtsnigung ^— = oj , noch eine Drehimpulsänderung bedingungen für einen freien starren Körper: 2
V
» r - 0,
V
d. h. sowohl die resultierende äußere Kraft wie das resultierende äußere Drehmoment müssen verschwinden. Bei starren Körpern, die in einem bzw. zwei Punkten festgehalten sind, kommt wie oben nur die zweite dieser Gleichungen zur Verwendung, da die erste von selbst erfüllt ist.
IV.
Kapitel
Anwendungen auf spezielle Bewegungen I n den beiden vorhergehenden Kapiteln wurden für den einzelnen Massenpunkt und für Systeme von solchen die allgemeinen Prinzipien dargelegt, nach denen im Einzelfalle die Bewegung zu bestimmen ist. In diesem Kapitel machen wir Anwendungen der gefundenen Sätze auf spezielle Bewegungen.
29. Zentripetal- und Zentrifugalkraft Wenn sich ein Massenpunkt auf einer krummlinigen B a h n mit ungleichförmiger Geschwindigkeit bewegt, so erfährt er nach Gl. (10) und (11) auf S. 28, zwei Beschleudc
d2a
nigungen, die Tangentialbeschleunigung «, = - — = — , j
dt
dt
und die Zentripetalbeschleu-
nigung an = — c 2 . Nach dem zweiten N e w t o n s c h e n Axiom wirken demnach auf den Massenpunkt zwei Kräfte, die wir entsprechend als Tangential- bzw. Zentripetalkraft bezeichnet haben. F ü r sie gelten die Gleichungen — nach Gl. (32b) auf S. 45: T a n g e n t i a l k r a f t : Kt = m^
dt
(32 b) Zentripetalkraft:
=
T
— mi^
dt
,
95
29. Zentripetal- und Zentrifugalkraft
Während die Kraft Kt nur eine Änderung der Bahngeschwindigkeit bedingt, wirkt Kn stets senkrecht zur Bahn nach dem Zentrum des Krümmungskreises und zwingt den Massenpunkt zur Abweichung von seiner ursprünglich geradlinigen Bahn. In dem besonderen Fall, daß sich der Massenpunkt auf einem Kreise mit konstanter Geschwindigkeit bewegt, ist Kt = 0 und Kn nimmt einen konstanten Wert an. Bezeichnen wir mit n die Zahl der Umläufe des Massenpunktes in der Sekunde, mit T die Dauer eines Umlaufes, mit u die Winkelgeschwindigkeit und mit r den Bahnradius, so können wir die Zentripetalkraft in folgender Weise ausdrücken: (73)
Kn =
= mru2 = márfrn2
=
m^-^-.
In Worten: Die Zentripetalkraft ist dem Quadrat der Bahngeschwindigkeit bzw. dem Quadrat der Winkelgeschwindigkeit direkt proportional. Bei k o n s t a n t e r W i n k e l g e s c h w i n d i g k e i t (oder, was dasselbe ist, bei k o n s t a n t e r U m l a u f s z e i t bzw. U m l a u f s z a h l ) des bewegten Körpers ist sie dem Bahnradius direkt, bei k o n s t a n t e r B a h n g e s c h w i n d i g k e i t jedoch diesem umgekehrt proportional. Drückt man die Winkelgeschwindigkeit durch Umlaufszahl oder Umlaufszeit aus, so ist die Zentripetalkraft dem Quadrat der Umlaufszahl direkt oder dem Quadrat der Umlaufszeit umgekehrt proportional. Yon der Wirkung der Zentripetalkraft überzeugen wir uns durch folgende Versuche: Um einen Stein auf einem Kreis herumzuschleudern, müssen wir ihn an einer Schnur anbinden, deren anderes Ende wir festhalten; die straff gespannte Schnur hält den Stein auf der Kreisbahn, die er sofort verläßt, wenn wir die Schnur loslassen. — Legen wir auf ein um eine vertikale Achse drehbares horizontales Brett eine Kugel und versetzen es in Drehung, so beobachten wir, daß sich die Kugel um so eher von der ihr aufgezwungenen Kreisbahn entfernt, je größer ihr Abstand von der Drehachse ist, je größer ihre Masse ist und je rascher wir das Brett drehen. Damit die Kugel an der Kreisbewegung teilnimmt, müssen wir sie durch eine nach dem Kreismittelpunkt gerichtete Kraft halten, etwa, indem wir sie durch einen Faden mit dem Kreismittelpunkt verbinden. Schreiben wir die Gl. (73) in der Form Kn H
mru2) = 0 ,
so können wir nach den Überlegungen von Nr. 19 die Größe (—mru 2 ) als d'Alemb e r t s c h e T r ä g h e i t s k r a f t a u f f a s s e n , die g l e i c h f a l l s an d e r b e w e g t e n Masse a n g r e i f t , der Zentripetalkraft entgegengerichtet ist und ihr das Gleichgewicht hält; man hat dieser in Richtung des Bahnradius nach außen vom Zentrum wegweisenden Trägheitskraft einen besonderen Namen gegeben: „Zentrifugal"- oder „Flieh"-Kraft. Für die Größe bzw. die Abhängigkeit der Zentrifugalkraft von Masse, Bahnradius, Bahngeschwindigkeit usw. gilt das gleiche wie für die Zentripetalkraft. Da die Zentrifugalkraft nur ein anderer Ausdruck dafür ist, daß die Trägheit sich der Richtungsänderung durch die Zentripetalkraft widersetzt, verschwindet sie gleichzeitig mit der letzteren. Lassen wir z. B. beim herumgeschleuderten Stein die Schnur los, d. h. anullieren wir die Zentripetalkraft, so verschwindet auch die sogenannte Zentrifugalkraft, und der Stein fliegt nach dem Trägheitsgesetz in Richtung der B a h n t a n g e n t e weg. Dieses tangentiale Abfliegen kann man sehr schön an einem funkensprühenden Schleifstein beobachten: Die infolge der Reibung beim Schleifen eines Stahlstückes glühend gewordenen Stahlspäne verlassen den Schleifstein tangential. Wie schon in Nr. 19 ausgeführt, braucht man von d'Alembertschen Trägheitskräften, im besonderen von Zentrifugalkräften, überhaupt nicht zu sprechen, wenn man den Bewegungsvorgang nicht als „dynamisches Gleichgewicht" betrachten will: Wie alle Trägheitskräfte tritt auch die Zentrifugalkraft nur dann auf, wenn man statische Methoden und statische Begriffe verwendet, die eigentlich nicht verwendet werden dürfen; den hierdurch begangenen Fehler kompensiert man
96
IV. Kapitel. Anwendung auf spezielle Bewegungen
durch Einführung der Trägheitskräfte, hier der Zentrifugalkraft. Die Einführung dieses Begriffes ist bequem in der Ausdrucksweise, verlangt aber, daß der Lernende den Sachverhalt gründlich durchschaut; ist dies nicht der Fall, so kann der Begriff Zentrifugalkraft zu Verwirrung Anlaß geben, was in der Geschichte der Physik häufig genug der Fall gewesen ist. Wir wollen das schon benutzte Beispiel betrachten, daß wir einen Stein an einer Schnur herumschwingen, die wir am anderen Ende mit der Hand festhalten; dann g l a u b t man die Zentrifugalkraft in dem nach außen gerichteten Zuge der Schnur an der Hand deutlich zu spüren und drückt sich auch häufig so aus. Dennoch ist dies nicht richtig, und es ist lohnend, an diesem einfachen Beispiele den Sachverhalt zu erläutern (Abb. 96). Damit der Stein seine Kreisbahn beschreiben kann, Zentripetelhraft Gegenkraft muß auf ihn — in irgendeiner Weise — eine Zentripetalkraft nach innen ausgeübt werden; in unserem Beispiele geschieht dies durch die Spannung der (gedehnten) Schnur. In Abb. 96 ist diese Zentripetalkraft als nach innen gerichteter Pfeil an dem S t e i n angebracht. Welche K r a f t g r e i f t n u n a n der H a n d a n ? N i c h t e t w a die Z e n t r i f u g a l k r a f t , sondern die reale Reaktionskraft nach dem dritten Newtonschen Axiom; sie ist durch einen nach außen gerichteten Pfeil an der H a n d markiert; fugai- und Zentripetalkraft Zentripetalkraft und Reaktionskraft sind, wie immer, einander entgegengesetzt gleich, haben aber verschiedene Angriffspunkte. Die Zentrifugalkraft dagegen muß, da sie bei Behandlung der Bewegung als statisches Problem der Zentripetalkraft das Gleichgewicht halten soll, an dem S t e i n selbst angebracht werden, wie es in Abb. 96 auch geschehen ist; die Zentrifugalkraft ist der Zentripetalkraft gleich, aber entgegengesetzt gerichtet, sie ist also gleich und gleich gerichtet mit der an der Hand angreifenden Reaktionskraft, Was man an der Hand als Zug nach außen verspürt, ist also nicht eigentlich die Zentrifugalkraft — diese greift ja gar nicht an der Hand anl —, sondern die ihr nach Größe und Richtung gleiche Reaktionskraft. Man muß sich also ein für allemal folgendes merken: 1. Die Zentrifugalkraft greift an demselben Punkte an wie die Zentripetalkraft. 2. Die R e a k t i o n der Zentripetalkraft greift nach dem dritten Newtonschen Axiom an einem anderen Punkte an wie die Zentripetalkraft, ist aber der Zentrifugalkraft nach Größe und Richtung gleich. 3. Bei den sogenannten Zentrifugalapparaten und Versuchen über Zentrifugalkraft beobachtet man meistens, wie in dem eben besprochenen Falle, nicht die Zentrifugalkraft, sondern die Newtonsche Reaktionskraft. Wenn man sich dies einmal klar gemacht hat, kann man den Begriff der Zentrifugalkraft unbedenklich benutzen, wie es auch im folgenden geschieht.
Ä ö irr xi
'
die wiederum das genaue Analogon von Gl. (52b) für den Schwerpunkt ist. Nachdem so der Mittelpunkt für zwei parallele Kräfte festgestellt ist, können wir eine dritte parallele Kraft @ 3 an einem beliebigen Punkte E des starren Körpers hinzufügen und nach dem gleichen Verfahren den Mittelpunkt für die bereits vereinigten Kräfte Sfx + ®2 am Punkte I) und am Punkte E bilden. Das liefert in genau der gleichen Weise für den Lagevektor des Mittelpunktes dieser drei parallelen Kräfte: /Qß„\
i _ K 1 r t + K 2 r2 + X 3 1 3
(
1
8
b
c
)
-
K
1
K ,
+
+
K ,
'
und so hat man schließlich für beliebig viele Kräfte: 2
K
x
v
v
V
Projiziert man die Lagevektoren r und t„ auf die Koordinatenachsen, so erhält man die kartesischen Koordinaten des gesuchten Punktes: (87 a)
2 2
K
v
'
y
K £
v
y K
2 :
v
v
'
£
K
v
z
K
v
v
Würde man in (87) und (87a) Kv durch mv ersetzen, so erhielte man die entsprechenden Gleichungen des Schwerpunktes, wie sie bereits in Nr. 24 angegeben sind. Der durch Gl. (87) bestimmte Punkt ist derjenige, an dem man die resultierende Kraft = 2 anzubringen hat; durch eine hier angebrachte Einzelkraft —
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IV. Kapitel. Anwendung auf spezielle Bewegungen
hält man also allen wirklich angreifenden parallelen Kräften das G l e i c h g e w i c h t . Hier haben wir eben einen ausgezeichneten Fall vor uns, in dem die Kräfte am starren Körper e i n e R e s u l t i e r e n d e b e s i t z e n , a b e r k e i n K r ä f t e p a a r a u f t r i t t . Der Mittelpunkt der parallelen Kräfte ist natürlich im allgemeinen vom Schwerpunkte vollkommen verschieden; es handelt sich ja hier um den Mittelpunkt von K r ä f t e n und nicht von M a s s e n . Nur in einem Spezialfälle, wenn nämlich alle Parallelkräfte Kv proportional den Massen mv sind, an denen sie angreifen, würde nach (87) oder (87a) der K r a f t m i t t e l p u n k t in den M a s s e n m i t t e l p u n k t übergehen, d. h. in den S c h w e r p u n k t . Aber eben dieser Spezialfall ist von besonderer Wichtigkeit : Denn massenproportionale parallele Kräfte kommen in der Natur bei der Schwere vor. Befindet sich ein vollkommen frei beweglicher Körper im Schwerefeld der Erde, so wirkt auf jedes seiner Massenelemente dm eine vertikal nach unten gerichtete Kraft vom Betrage dm-g, wenn g die Fallbeschleunigung bedeutet. Alle diese Kräfte weisen nach dem Erdmittelpunkt und sind bei der großen Entfernung dieses Punktes als parallel anzusehen. Wir können also diese parallelen Kräfte zu einer Resultierenden zusammensetzen, deren Größe nach den Ausführungen des vorigen Abschnittes K = gdm = dm = gM ist, wenn M die Gesamtmasse des betrachteten Körpers darstellt. Die resultierende Kraft greift im Mittelpunkt paralleler Kräfte an, der h i e r mit dem Massenmittelpunkt identisch ist, und der deshalb auch Schwerpunkt genannt ist. Dieser Ausdruck „Schwerpunkt" wird also jetzt verständlich, wenn auch die Bedeutung des Massenmittelpunktes dadurch nicht erschöpft wird. Unterstützen wir den Körper in diesem Schwerpunkt, so muß er im Gleichgewicht bleiben. Wir können dies z. B. in sehr einfacher Weise bei einer runden gleichmäßig dicken Holz- oder Metallscheibe zeigen. Ihr Schwerpunkt liegt, wie leicht verständlich, in der Mitte der Scheibe, und zwar in halber Höhe ihrer Dicke. Bohrt man daher die Scheibe bis zur halben Dicke genau in der Mitte an, und setzt man die Scheibe mit dieser Bohrung auf eine Spitze, so bleibt sie im Gleichgewicht, während sie, an jeder anderen Stelle unterstützt, sofort umkippt. Kann sich der betrachtete starre Körper um eine waagerechte Achse drehen, so üben die einzelnen Massenelemente dm Drehmomente auf den Körper in bezug auf die betreffende Achse aus, deren Betrage gleich dm-ga sind, wenn wir unter a den Arm des jeweiligen Drehmomentes verstehen; wir erhalten diesen Arm, indem wir von der Achse auf die vertikale Kraftrichtung das Lot fällen. In Abb. 125 sind für den Körper K , der sich um die zur Papierebene senkrechte Achse A drehen kann, für zwei MassenAbb. 125. Gleichgewicht elemente die Kraftrichtungen und die Arme a ihrer paralleler Kräfte Drehmomente eingezeichnet. Die Drehmomente sämtlicher Massenelemente setzen sich zu einem resultierenden Drehmoment %r zusammen, dessen Betrag gleich der Summe der Beträge der einzelnen Momente ist. Es ist also Dr = dm -a, oder in der Schreibweise der Integralrechnung Dr = g J adm. Geht nun die A c h s e l , durch den Schwerpunkt des Körpers, so befindet sich der Körper in jeder Lage im Gleichgewicht, d. h. das von der Schwerkraft auf ihn ausgeübte resultierende Drehmoment ist Null. Wir können also als Bedingung für dieses Gleichgewicht schreiben: (88)
£dm-a = 0
und somit den Satz aussprechen:
oder
J a d m = 0,
33. Mittelpunkt paralleler Kräfte; Schwerpunkt
123
Ist die Summe der durch die Schwere erzeugten Drehmomente aller Massenelemente eines um eine Achse drehbaren starren Körpers für jede Stellung des Körpers gleich Null, so geht die Achse durch den Schwerpunkt des Körpers. Der Körper befindet sich dann in jeder Stellung im Gleichgewicht. Geht nun die Achse A des Körpers nicht durch den Schwerpunkt S (Abb. 126), so können wir uns die gesamte Masse M im Schwerpunkt vereinigt denken, wo sie mit einer Kraft Mg vertikal nach unten wirkt und ein Drehmoment Mgs ausübt, wenn s den senkrechten Abstand der Achse von der Angriffslinie der Kraft M g bedeutet. Das resultierende Drehmoment hat dann den Betrag: Dr = Mgs . Unter der Wirkung dieses Drehmomentes muß der Körper eine Drehung ausführen und kann erst dann im Gleichgewicht sein, wenn Dr verschwindet. Dies ist aber nur möglich, wenn s = 0, d. h. die Angriffslinie der im Schwerpunkt des Körpers angreifenden Schwerkraft durch die Achse hindurchgeht. Dies ist der Fall, wenn der Schwerpunkt senkrecht unter der Achse 1 ) liegt.
drehbar aufgehängten starren Körper
Hierauf beruht ein einfaches Verfahren zur experimentellen Ermittlung des Schwerpunktes. Hängt man den betreffenden Körper etwa an einer Schnur auf, so wird er eine solche Lage einnehmen, daß sein Schwerpunkt unter seinen Aufhängepunkt zu liegen kommt. Die Verlängerung des Aufhängefadens muß also durch den Schwerpunkt gehen und ist somit e i n g e o m e t r i s c h e r O r t f ü r den S c h w e r p u n k t . Hängt man den Körper noch an einem zweiten Punkt auf, so geht auch jetzt wieder die Verlängerung des Aufhängefadens durch den Schwerpunkt, somit einen z w e i t e n g e o m e t r i s c h e n O r t liefernd; der Schnittpunkt beider ergibt die Lage des Schwerpunktes. Abb. 127 zeigt als Beispiel die Schwerpunktsbestimmung bei einem viereckigen Brett, das zunächst an der Ecke a und dann an der Ecke b an einem Faden aufgehängt wurde. E s sei noch erwähnt, daß der Schwerpunkt eines starren Körpers nicht immer im Körper selbst zu liegen braucht, vielmehr kommt häufig der Fall vor, daß sich der Schwerpunkt außerhalb des Körpers befindet. So liegt z. B . bei einem ringförmigen Körper (Holzreifen) der Schwerpunkt im Mittelpunkt des Ringes und bei einer Hohlkugel im Kugelmittelpunkt. Für eine homogene, überall gleichdicke dreieckige Platte ist die Lage des Schwerpunktes durch den Schnittpunkt zweier Mittellinien gegeben. Zerlegt man nämlich das Dreieck entsprechend Abb. 128 in lauter schmale Streifen, die parallel zu einer Seite ( A B in Abb. 128) verlaufen, so liegt bei jedem dieser Streifen der Schwerpunkt l)
oder über der Achse: dieser Fall liefert aber kein stabiles Gleichgewicht, vgl. Nr. 34.
124
IV. Kapitel. Anwendung auf spezielle Bewegungen
in d e r M i t t e , d. h. der S c h w e r p u n k t des g a n z e n D r e i e c k s m u ß e b e n f a l l s a u f der M i t t e l linie CD liegen. D a d a s g l e i c h e f ü r j e d e d e r d r e i M i t t e l l i n i e n g e l t e n m u ß , l i e f e r t d e r S c h n i t t p u n k t d e r M i t t e l l i n i e n den g e s u c h t e n S c h w e r p u n k t . F ü r ein V i e r e c k f i n d e t m a n d e n O r t d e s S c h w e r p u n k t e s , i n d e m m a n d a s V i e r e c k in D r e i e c k e z e r l e g t u n d f ü r jedes Dreieck den Schwerpunkt nach dem eben angegebenen Verfahren ermittelt. B e s t i m m t m a n n o c h die M a s s e d e r e i n z e l n e n D r e i e c k e , so k a n n m a n d e n g e m e i n s a m e n S c h w e r p u n k t aller Dreiecksschwerpunkte n a c h dem auf S. 70 beschriebenen Verfahren angeben. Die rechnerische Bestimmung des Schwerpunktes räumlich ausgedehnter Körper ist nur für solche Körper möglich, die eine regelmäßige Gestalt haben und erfordert im allgemeinen die Hilfe der Integralrechnung. Man geht dabei von dem auf S. 122, Gl. (88), abgeleiteten Satz aus, daß das resultierende Drehmoment der Schwerkraft
Abb. 129. Berechnung des Schwerpunktes eines geraden Kreiskegels
Abb. 128. Bestimmung des Schwerpunktes eines Dreiecks
aller Massenelemente des Körpers in bezug auf den Schwerpunkt den Wert Null haben muß. Als Beispiel sei die Berechnung des Schwerpunktes eines homogenen geraden K r e i s k e g e l s angeführt. Wir machen die Achse des Kegels, dessen Höhe h sei, zur x-Achse eines rechtwinkligen Koordinatensystems (xy) (Abb. 129) und zerlegen den Kegel in eine Anzahl dünner, zur Grundfläche paralleler Scheiben der Dichte dx. Die im Abstand x von der Kegelspitze gelegene Scheibe hat die Masse dm = gny2dx, wenn g die Dichte und y den Radius der Scheibe bedeuten. Der Schwerpunkt S, der auf der Achse des Kegels liegen muß, habe von der Spitze 0 den Abstand f . Die betrachtete Kreisscheibe übt dann in bezug auf den Schwerpunkt das Drehmoment ggny^dx (f— x) aus, wo { — x der Arm des Momentes ist. Das Integral dieses Ausdruckes, erstreckt über den ganzen Kegel, liefert uns dann die Summe der Drehmomente aller Kreisscheiben, die wir nach (88) gleich Null zu setzen haben; dies liefert: Qug J y2dxd~x)
= 0
oder
f ¡¡y2dx
— f xy2dx
= 0.
Nun ist beim Kegel y = Const. :r, und damit wird: h | f x*dx o
h — f x*dx o
= 0,
oder nach Ausführung der Integration: „ k3 _ h* "3" ~ T '
i
woraus folgt:
f =
ih,
d. h. der Schwerpunkt des Kreiskegels liegt auf der Achse in ein Viertel der Höhe über der Grundfläche. Dieses Ergebnis gilt auch für den Schwerpunkt einer geraden Pyramide der Höhe h. In derselben Weise findet man, daß der Schwerpunkt einer Halbkugel um drei Achtel des Radius vom Kugelmittelpunkt entfernt ist.
34. Arten des Gleichgewichts; Standfestigkeit
125
34. Verschiedene Arten des Gleichgewichts; Standfestigkeit Ein n u r der Schwerkraft unterliegender Körper befindet sich dann im Gleichgewicht, wenn sein Schwerpunkt unterstützt und damit die in diesem P u n k t e angreifende Schwerkraft wirkungslos wird. Die verschiedenen Möglichkeiten wollen wir an dem einfachen Beispiele eines um eine feste Achse drehbaren Quaders betrachten. Der Schwerpunkt eines homogenen Quaders liegt in der Mitte desselben. Lassen wir die Achse durch den Schwerpunkt S hindurchgehen, so bleibt der Quader, wie wir aus der vorhergehenden N u m m e r wissen, in jeder der in Abb. 130a gezeichneten Stellungen im Gleichgewicht. Wir sprechen in diesem Fall von indifferentem Gleichgewicht. Geht die Achse durch irgendeinen anderen P u n k t des Quaders, so sind nach Nr. 32 zwei Fälle möglich, in denen der Körper keine Drehbewegung ausführt, d. h. sich im Gleichgewicht befindet. I n Abb. 130b liegt der S c h w e r p u n k t s vertikal u n t e r dein
Abb. 130. Indifferentes (a), stabiles (b) und labiles (c) Gleichgewicht
D r e h p u n k t . Die Angriffslinie der Schwerkraft geht somit durch die Achse, und folglich ist kein Drehmoment vorhanden. Wird der Körper aus dieser Lage in eine andere, z. B. die in der Figur gestrichelte, gedreht, so übt die im Schwerpunkt angreifende Schwerkraft ein Drehmoment auf den Körper aus, durch das er in die Gleichgewichtslage zurückgedreht wird. Ein solches Gleichgewicht heißt stabil oder beständig. Schließlich ist noch ein dritter Fall möglich (Abb. 130c), daß der Schwerpunkt vertikal ü b e r der Drehachse liegt, so daß wiederum die Angriffslinie der Schwerkraft durch die Achse geht. Wir haben dann unbeständiges oder labiles Gleichgewicht. Wird nämlich jetzt der Körper noch so wenig aus der Gleichgewichtslage herausgebracht (gestrichelte Lage in Abb. 130c), so ü b t die im Schwerpunkt angreifende Schwerkraft nunmehr ein Drehmoment aus, das den Körper weiter aus der labilen Gleichgewichtslage herausdreht, u n d zwar so lange, bis er in die Lage des stabilen Gleichgewichts gelangt. Das Wesentliche bei diesen drei Arten von Gleichgewicht ist das Folgende: Der, s t a b i l e Z u s t a n d ist dadurch charakterisiert, daß der in ihm befindliche Körper wenn er durch einen kleinen Stoß aus der Gleichgewichtslage entfernt wird, unter leichtem Hin- und Herschwingen w i e d e r i n s e i n e a l t e L a g e z u r ü c k k e h r t ; (die kleinen Schwingungen, die er um die Gleichgewichtslage ausführt, werden natürlich allmählich durch Reibung vernichtet). Das l a b i l e G l e i c h g e w i c h t ist dadurch gekennzeichnet, daß ein beliebig kleiner Stoß genügt, um den Körper, der sich in einem solchen Zustande befindet, mit wachsender Geschwindigkeit a u s d i e s e r L a g e d a u e r f t d zu e n t f e r n e n u n d ihn in eine a n d e r e — s t a b i l e — L a g e ü b e r z u f ü h r e n . Beim i n d i f f e r e n t e n G l e i c h g e w i c h t endlich ist jede Lage, in die ein kleiner Stoß den Körper überführt, w i e d e r e i n e G l e i c h g e w i c h t s l a g e .
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IV. Kapitel. Anwendung auf spezielle Bewegungen
Ans dieser Definition der verschiedenen Arten des Gleichgewichtes folgt ein w i c h t i g e r S a t z v o n D i r i c h l e t ü b e r die G r ö ß e d e r p o t e n t i e l l e n E n e r g i e in einer Gleichgewichtslage: In einer stabilen Gleichgewichtslage ist die potentielle Energie ein Minimum, während sie in einer labilen Gleichgewichtslage ein Maximum ist. Wir wollen den Satz nicht allgemein beweisen, sondern seine Richtigkeit an Abb. 130 erläutern. In 130b haben wir eine s t a b i l e L a g e , und man erkennt, daß der S c h w e r p u n k t 5 in d i e s e r so tief a l s m ö g l i c h l i e g t ; da die p o t e n t i e l l e E n e r g i e proportional der Höhe des Schwerpunktes über der Erdoberfläche ist, ist sie in der Tat ein M i n i m u m . Umgekehrt ist es in Abb. 130c: Dort liegt der Schwerpunkt so h o c h als möglich, die p o t e n t i e l l e E n e r g i e ist also ein M a x i m u m . In der indifferenten Lage (Abb. 130a) ist die potentielle Energie von der Lage des Körpers unabhängig. Daraus ergibt sich nun ein praktisches Kriterium zur Entscheidung, welche Art von Gleichgewicht in einem gegebenen Falle vorliegt:
Abb. 131. Stabilisierung eines instabilen Körpers
Abb. 132. Zur Stabilisierung eines instabilen Körpers
Der Zustand ist stabil, wenn bei jeder kleinen Verrückung aus der Gleichgewichtslage der Schwerpunkt gehoben wird (d. h. die potentielle Energie größer wird), labil, wenn der Schwerpunkt sich bei jeder Yerrückung senkt (d. h. die potentielle Energie kleiner wird), indifferent, wenn die Schwerpunktslage (damit die potentielle Energie) unverändert bleibt. Wir wollen die Kriterien auf die im folgenden angeführten Beispiele anwenden. Bekanntlich gelingt es praktisch nicht, einen Bleistift auf seine Spitze zu stellen, weil sein Schwerpunkt dann die höchstmögliche Lage hat: er befindet sich im labilen Gleichgewicht und wird durch die geringste Erschütterung zum Umfallen gebracht. Bringt man aber (Abb. 131) zwei hinreichend große Hilfsmassen K1 und K2 an dem Bleistift an, so daß sie sich seitlich unterhalb der Spitze befinden, so bleibt der Stift auf seiner Spitze stehen. Jetzt befindet sich die Anordnung im stabilen Gleichgewicht, weil nunmehr der gemeinsame Schwerpunkt S so tief gelagert ist, daß er sich bei jeder Verrückung h e b e n muß. Dieser Versuch gelingt aber nur, wenn die Hilfsmassen s t a r r mit dem Bleistift verbunden sind. Ändert man den Versuch so ab, daß entsprechend Abb. 132 die beiden Kugeln K1 und K2 mittels der beiden Stangen s x und -s2 an den Enden einer am Bleistift angebrachten Querstange d r e h b a r aufgehängt sind, so befindet sich der Bleistift wieder im labilen Gleichgewicht. Denn obwohl der gemeinsame Schwerpunkt 8 des Systems, absolut genommen, jetzt ebenso tief liegt, wie vorher in Abb. 131, s e n k t e r s i c h n o c h t i e f e r , wenn man den Stift aus der vertikalen Lage ein wenig herausbringt. Sobald man aber durch Peststellen der Gelenke G1 und 02 die Anordnung starr macht, d. h. wieder zu dem Fall der Abb. 131 zurückgeht, h e b t sich der Schwerpunkt wieder, wenn man aus der Vertikalen ein wenig herausgeht, und das System befindet sich im s t a b i l e n Gleichgewicht.
34. Arten des Gleichgewichts; Standfestigkeit
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Dies Ergebnis ist im ersten Augenblick überraschend. Aber man kann sich leicht klarmachen, daß der Schwerpunkt 8' der beiden Hilfsmassen K 1 und K 2 allein in Abb. 132, d. h. bei lockeren Gelenken, bei einer Verrückung im g l e i c h e n Niveau bleibt, sich w e d e r h e b t n o c h s e n k t , während der Schwerpunkt S" des Stiftes allein bei einer Verrückung sich s e n k e n muß; folglich muß sich auch der gemeinsame Schwerpunkt S s e n k e n , d. h. das nichtstarre System der Abb. 132 ist tatsächlich l a b i l . Man kann sich dies auch in folgender Weise anschaulich machen: Solange die beiden Massen und K2 nicht starr mit dem übrigen System verbunden sind, stellen sie Kräfte dar, die wegen ihrer Linienflüchtigkeit in ihrer Richtung beliebig verschoben werden können; man kann die Massen K1 und K2 sc^hoch oder so tief anbringen, wie man will. E s kann daher auf die Lage des Schwerpunktes 8' dieser Massen gar nicht ankommen; es kommt immer nur auf das Verhalten des Schwerpunktes 8" des Stiftes an. Eine ähnliche Anordnung haben wir z. B . bei einer Waage: 0102 ist der Hebelarm, K1 und K2 die daran hängenden Waagschalen nebst Gewichten. A u c h b e i d e r W a a g e k o m m t es n u r a u f d e n S c h w e r p u n k t 8 " des H e b e l a r m e s an — ohne Rücksicht auf die Waagschalen und ihre Belastung! •—; allerdings ist zum Unterschiede gegen Abb. 132 bei der Waage 8" so gelagert, daß der Hebelarm schon für sich allein stabil ist. Sehr schön kann man die Richtigkeit der Gleichgewichtskriterien an den RuheAbb. 133. Indifferentes (a), stabiles (b) und labiles (c) lagen erkennen, die eine Kugel annimmt, Gleichgewicht einer Kugel wenn sie entweder auf einer waagerechten Ebene oder in einer konkaven Kugelschale oder auf der konvexen Fläche einer Kugelschale ruht. Im ersten Fall (Abb. 133a) befindet sich die Kugel im indifferenten Gleichgewicht; denn bei einer Lagenänderung der Kugel bleibt ihr Schwerpunkt in derselben Höhe. Im zweiten Fall (Abb. 133b) haben wir stabiles Gleichgewicht; denn bei jeder Lagenänderung wird der Schwerpunkt gehoben, und die Kugel rollt daher von selbst wieder in die tiefste Lage zurück. Im letzten Fall (Abb. 133 c) nimmt der Schwerpunkt der Kugel die höchstmögliche Lage ein, kann also nur sinken: Die Kugel befindet sich im labilen Gleichgewicht. — I n den eben betrachteten drei Lagen der Kugel befindet sich in j e d e m F a l l e d e r S c h w e r p u n k t o b e r h a l b d e s U n t e r s t ü t z u n g s p u n k t e s . Häufig findet man die Behauptung, das Gleichgewicht sei s t a b i l , wenn der Schwerpunkt u n t e r dem Unterstützungspunkte, l a b i l , wenn der Schwerpunkt ü b e r dem Unterstützungspunkte liege, i n d i f f e r e n t , wenn beide Punkte zusammenfielen. Wäre diese Behauptung richtig, so müßte die Kugel in allen drei Fällen im labilen Gleichgewicht sein, was offenbar unrichtig ist. Daher genügt dieses Beispiel, um zu zeigen, daß die oben wiedergegebene Behauptung nicht allgemein zutreffen kann. I n gewissen speziellen Fällen, z. B . dem der Abb. 130, ist sie zulässig; aber auch in diesem Falle gilt natürlich unsere Charakterisierung des Gleichgewichtes, die auf jeden Fall paßt.
Wir haben bisher nur die Gleichgewichtslagen bei solchen Körpern betrachtet, die entweder um eine Achse drehbar (Abb. 130) oder nur in einem Punkt unterstützt waren (Abb. 131—133). Im allgemeinen wird jedoch ein Körper mit einer mehr oder weniger großen Fläche auf einer Unterlage ruhen. Damit er sich im Gleichgewichtszustand befindet, muß das von seinem Schwerpunkt gefällte Lot durch das Innere der Standfläche gehen, denn nur so wird die Wirkung der a b am Schwerpunkt angreifenden Schwerkraft Abb. 134. durch die Auflagefläche aufgehoben. Abb. Standfestigkeit eines schiefen Zylinders. 134a zeigt dies für einen schiefen Zylinder. Besitzt dagegen der schiefe Zylinder die in Abb. 134b dargestellte Gestalt, so fällt er um; da die Angriffslinie der Schwerkraft jetzt nicht durch die Unterstützungsfläche des Körpers hindurchgeht, ruft die Schwerkraft am Körper ein Drehmoment hervor, das ihn um den Punkt a im Sinne des Uhrzeigers dreht und zum Umkippen bringt. Liegt ein Körper nicht mit seiner ganzen Fläche auf der Unterlage auf, sondern berührt er diese nur an einzelnen Punkten (Stuhlbeine), so gilt als Unterstützungsfläche diejenige Fläche, die man erhält, wenn man die am weitesten außen liegenden Unterstützungspunkte durch gerade Linien miteinander verbindet. Man überlegt sich leicht, daß der Körper die Unterlage in mindestens drei Punkten berühren muß,
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IV. Kapitel. Anwendung auf spezielle Bewegungen
die nicht in einer Geraden liegen, wenn überhaupt ein stabiles Gleichgewicht möglich sein soll. Als M a ß f ü r d i e S t a b i l i t ä t d e r G l e i c h g e w i c h t s l a g e gibt man die Größe der Standfestigkeit an. U m ein Maß f ü r diese zu finden, machen wir folgenden Versuch. Wir stellen eine Zigarrenkiste nacheinander auf ihre drei Flächen und versuchen sie durch eine an ihrem S c h w e r p u n k t s , der in der Mitte der Kiste liegt, angreifende waagerechte K r a f t K u m eine K a n t e a ihrer Standfläche zu kippen (Abb. 135). Wir stellen bei diesem Versuch fest, daß die K r a f t K um so größer sein muß, je kleiner die Höhe h des Schwerpunktes über der Grundfläche ist. Verändern wir auch noch das G e w i c h t e derZigarrenkiste, indem wir sie mit Sand oder Bleischrot füllen, so finden wir weiter, daß K auch mit dein Gewicht G des umzukippenden Körpers wächst. Abb. 135. Dynamisches Maß der Befestigen wir ein Brett unter dem Boden der Standfestigkeit Kiste, das größer oder auch kleiner als dieser ist, so daß die Standfläche der Kiste vergrößert oder verkleinert wird, so wird damit auch die K r a f t K größer bzw. kleiner. Wir können zusammenfassend sagen: Die Standfestigkeit eines Körpers ist um so größer, je größer die Unterstützungsfläche des Körpers, je schwerer der Körper ist und je tiefer sein Schwerpunkt liegt. Damit also ein Körper sicher steht, m u ß man seine Bodenfläche möglichst groß machen und seinen Schwerpunkt (zum Beispiel durch Ausgießen des Bodens mit Blei) so tief wie möglich legen. Dieses Ergebnis wollen wir noch in Form einer Gleichung darstellen. Die K r a f t K ü b t auf den Körper in bezug auf die Drehachse a ein Drehmoment Kh aus. Diesem wirkt das DrehY//////////////ml//mmmm moment Gb entgegen, das die Schwere des Körpers Abb. 136. Geometrisches Maß der bei einer Kippung um die gleiche Achse a ausübt. Standfestigkeit N u r wenn Kh Gb ist, kann der Körper umGb kippen. Wir nehmen daher K = — als M a ß d e r S t a n d f e s t i g k e i t . Neben diesem „dynamischen" Maß der Standfestigkeit gibt m a n gelegentlich als „geometrisches" Maß den Winkel a an, um den der betreffende Körper gekippt werden muß, damit er aus der stabilen in die labile Gleichgewichtslage kommt, die dann erreicht wird, wenn sein Schwerpunkt gerade über der Kippungskante liegt (Abb. 136). Bei einer stehenden Person bilden nicht nur die beiden Fußsohlen, sondern auch die dazwischenliegende Fläche die Standfläche. Durch diese m u ß die Wirkungslinie der am Schwerpunkt des Körpers angreifenden Schwerkraft hindurchgehen Abb. 137. Berganlaufender Zylinder damit die betreffende Person nicht umkippt. Man steht daher mit auseinandergespreizten F ü ß e n sicherer, als wenn man die Füße dicht zusammensetzt. E s gelingt z. B. nicht, sich mit der linken oder rechten Körperseite dicht an eine vertikale W a n d zu stellen, wenn beide Füße neben- oder hintereinander parallel zur W a n d und dicht an dieser stehen. Da der Schwerpunkt des Körpers in diesem Fall außerhalb der sehr schmalen Unterstützungsfläche liegt, kippt man unweigerlich u m .
35. Prinzip der virtuellen Verrückungen; einfache Maschinen
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Eine Person, die auf dem Rücken eine schwere Last trägt, m u ß sich nach vorne beugen, damit der gemeinsame Schwerpunkt von Last u n d Körper über die von den Füßen begrenzte Unterstützungsfläche zu liegen kommt. Damit ein beladener Wagen möglichst sicher fährt, bringt m a n die schweren Lasten möglichst tief im Wagen unter. H a t ein Körper keine homogene Massenverteilung, so kann er unter dem Einfluß der Schwere Bewegungen ausführen, die zunächst unnatürlich u n d unmöglich erscheinen. Hierher gehören die bekannten „Stehaufmännchen", die in ihrem unteren Teil mit Blei ausgefüllt sind, sowie der berganlaufende Zylinder. Bei dem letzteren befindet sich nahe dem U m f a n g ein Bleigewicht, während die übrige Masse aus Holz besteht. Der Schwerpunkt S liegt dann in der Bleimasse außerhalb der Zylinderachse. Infolgedessen k a n n ein solcher Zylinder auf einer schiefen Ebene (Abb. 137) die Stellung 1 nicht beibehalten, sondern rollt die schiefe Ebene so lange hinauf, bis sein Schwerpunkt S in der Stellung 2 die tiefste Lage erreicht hat.
35. Prinzip der virtuellen Verrückungen; die einfachen Maschinen Nach Nr. 20, Gl. (42), ist die Größe der Arbeit durch das Produkt aus der wirkenden K r a f t u n d der Wegstrecke, längs der sie wirkt, gegeben. Die sogenannten einfachen Maschinen der Mechanik dienen dazu, d i e b e i d e n F a k t o r e n d e s d i e A r b e i t d a r s t e l l e n d e n P r o d u k t e s zu ä n d e r n , o h n e d a ß d a s P r o d u k t selbst eine Ä n d e r u n g e r f ä h r t . Da wir es beim Gleichgewicht — die Maschinen werden im Gleichgewichtszustande betrachtet — nicht mit kinetischer, sondern nur mit potentieller Energie zu t u n haben, könnte diese nur geändert werden, wenn Arbeit von den Maschinen gewonnen oder verloren würde. Letzteres ist bei den wirklichen Ausführungsformen tatsächlich der Fall, weil wir Reibung niemals ausschließen können; nur im Idealfalle wird nichts verloren. Auf keinen Fall wird Arbeit gewonnen, sonst käme m a n in Gegensatz zum Energieprinzip. F ü r d i e M a s c h i n e n m u ß a l s o d i e A u s s a g e g e l t e n , d a ß d i e g e s a m t e A r b e i t d e r a n i h r a n g r e i f e n d e n K r ä f t e g l e i c h N u l l i s t . U m diese Aussage mathematisch zu formulieren, denken wir uns, daß die im Gleichgewicht befindliche Maschine eine kleine Bewegung a u s f ü h r t ; dadurch verschieben sich die Angriffspunkte der K r ä f t e ® um gewisse kleine Strecken, die wir = 180°; c) Aq> = 90° nach verschiedenen Seiten (Abb. 169b). Dazwischen sind alle anderen Fälle möglich; Abb. 169c zeigt den Fall, daß A