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German Pages 514 [515] Year 2015
Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament · 2. Reihe Herausgeber / Editor Jörg Frey (Zürich) Mitherausgeber / Associate Editors Markus Bockmuehl (Oxford) · James A. Kelhoffer (Uppsala) Hans-Josef Klauck (Chicago, IL) · Tobias Nicklas (Regensburg) J. Ross Wagner (Durham, NC)
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Rouven Genz
Jesaja 53 als theologische Mitte der Apostelgeschichte Studien zu ihrer Christologie und Ekklesiologie im Anschluss an Apg 8,26–40
Mohr Siebeck
Rouven Genz, geboren 1981; 2002–08 Studium der Ev. Theologie; 2008 1. Kirchliches Examen; 2009–13 Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Neues Testament und Antike Religionsgeschichte am Institut für Ev. Theologie der Universität Osnabrück; seit 2013 Vikar der Württembergischen Landeskirche in Genkingen; 2014 Promotion.
e-ISBN PDF 978-3-16-153522-2 ISBN 978-3-16-153408-9 ISSN 0340-9570 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 2. Reihe) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2015 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Laupp & Göbel in Nehren auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Für Linda, Lennox und Tomek
Vorwort
Vorwort
Die vorliegende Studie ist die geringfügig überarbeitete Fassung meiner Dissertationsschrift, die 2013 unter dem Titel „Der Knecht und die Knechte. Studien zur Christologie und Ekklesiologie der Apostelgeschichte im Anschluss an Apg 8,26–40“ vom Fachbereich Erziehungs- und Kulturwissenschaften der Universität Osnabrück angenommen wurde. Sehr zu Dank verpflichtet bin ich zunächst meiner Doktormutter Prof. Dr. Ulrike Mittmann. Mit großem Engagement hat sie mich in den letzten Jahren über alle Selbstverständlichkeiten hinaus gefördert und begleitet. Ihr Vertrauensvorschuss und ihre stete Ermutigung, ihre konstruktiven Anregungen und ihre Sorgfalt bei der Lektüre der Entwürfe, ihre fachliche und persönliche Begleitung und Unterstützung haben nicht nur die Entstehung der Arbeit ermöglicht, sondern auch meine eigene Entwicklung maßgeblich befördert. Ihre Lukasstudien haben mich bereits im neutestamentlichen Proseminar inspiriert und ihr Werk „Der Sühnetod des Gottesknechts. Jesaja 53 im Lukasevangelium“ gab den entscheidenden Impuls für meinen eigenen Beitrag zur Lukasforschung. Das dort im Ausblick genannte Vorhaben, in einem zweiten Band die am Evangelientext gewonnenen Erkenntnisse durch eine neuerliche Auslegung der Apostelgeschichte zu bestätigen, ist mit der vorliegenden Studie realisiert. Die von Mittmann skizzierten Fragestellungen sind in dieser Untersuchung aufgenommen, geprüft und in eigenständiger Weise einer Antwort zugeführt. Die beiden Werke bilden daher eine sachliche Einheit und es ist meine Hoffnung, dass der Forschungsdiskurs durch den zweiten Band in ähnlicher Weise bereichert wird wie durch den ersten aus anderer Feder. Für die Erstellung des Zweitgutachtens danke ich Prof. Dr. Judith Gärtner, für die hilfreiche Diskussion meiner Ergebnisse den Teilnehmern der Sozietät des Instituts für evangelische Theologie in Osnabrück, für ihre freundschaftliche Wegbegleitung den Kolleginnen Wiebke-Lena Laufer und HelenKathrin Treutler. Mein Dank gilt weiter Prof. Dr. Jörg Frey für die wohlwollende Aufnahme der Studie in die zweite Reihe der „Wissenschaftlichen Untersuchungen zum Neuen Testament“ sowie Dr. Henning Ziebritzki vom Verlag Mohr Siebeck für die freundliche und kompetente Betreuung bei der Publikation, ferner Dominika Zgolik für die Unterstützung bei der Herstellung der Druckvorlage.
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Vorwort
Grundlegender Dank gebührt meinen Eltern Karin und Friedhelm Genz sowie meiner Schwester Kerstin Völlers für alles Anteilnehmen und für ihre dauerhafte Bestärkung. Von Herzen dankbar bin ich schließlich und vornehmlich meiner Frau Linda. Ohne sie sähe auch mein beruflicher Lebensweg anders aus und wäre diese Arbeit nicht entstanden. Ihre Treue und ihre liebevolle Art, ihre stete Bereitschaft, an meiner Seite zu bleiben und mit mir von Ort zu Ort zu wandern, ihre Hingabe an die Sache, um die es mir in diesem Band geht, beeindrucken mich und machen aus mir einen anderen Menschen. Sie ist für mich Stütze und bester Freund, Korrektur und Ergänzung, Inspiration und Vorbild im Glauben. Ihr bin ich in Liebe mehr verbunden, als Worte zum Ausdruck bringen können. Während der zum Teil schweren Geburt dieser Studie wurden uns zwei Söhne geschenkt. Meinen glorreichen Drei, die mich am Boden und im Leben halten, ist dieses Buch gewidmet. Genkingen, im November 2014
Rouven Genz
Inhaltsverzeichnis Einführung ................................................................................................ 1 1. Tendenzen in der neueren Acta-Forschung ............................................... 1 2. Anliegen der Arbeit .................................................................................16
I. Der Kämmerer und der Knecht: Exegese von Apg 8,26–40 ...21 1. Der Text ..................................................................................................21 2. Übergreifende Analyse ............................................................................22 2.1 Die Stellung der Perikope im Kontext der Apostelgeschichte .................22 2.2 Sprachlich-syntaktische Beobachtungen ................................................29 2.3 Semantische und narrative Aspekte .......................................................32 2.4 Aufbau und Gliederung .........................................................................36 3. Der Text in seinem narrativen Verlauf .....................................................39 3.1 Die Annäherung der Personen ...............................................................39 3.1.1 Philippus: Gehorsamer Gesandter Gottes (Apg 8,26–27a) ............39 Exkurs: Zur Angelologie der Apostelgeschichte ...........................40 Exkurs: Kata. meshmbri,an und die Stunde der Offenbarung ..........43 3.1.2 Der Eunuch als nichtchristlicher Mensch par excellence (Apg 8,27b–28) ............................................................................54 Exkurs: Zur theologischen Bedeutung von Äthiopien und der Kanda,kh ........................................................................................55 Exkurs: Zum Status des Eunuchen ................................................66 3.2 Die folgenreiche Begegnung unter dem Wort ........................................82 3.2.1 Die Hinwendung Gottes zum Eunuchen durch den geistgeleiteten Philippus (Apg 8,29–30a) .............................................82 Exkurs: :Aggeloj und pneu/ma: Die Zusammenführung zweier Traditionslinien ............................................................................83
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Inhaltsverzeichnis
3.2.2 Das Unverständnis des Eunuchen gegenüber dem verbum Dei unter Absehung von Christus (Apg 8,30b–31) ..............................92 3.2.3 Das Wort vom Gottesknecht (Apg 8,32f) ......................................96 3.2.4 Die Ermöglichung der Gottesknechtserkenntnis des Eunuchen durch die schriftbezogene Verkündigung (Apg 8,34f) ................. 109 3.2.5 Die Hinwendung des Eunuchen zu Gott durch die Taufe (Apg 8,36.38) .............................................................................. 118 Exkurs: Die Besprengung der Völker gemäß Jes 52,15 MT ......... 133 3.3 Die Trennung der Personen ................................................................. 142 3.3.1 Die Entrückung des Philippus und der eschatologische Freudenweg des Eunuchen (Apg 8,39) ........................................ 142 Exkurs: Zum Verhältnis von Apg 8,26–40 und Lk 24,13–35 ...... 148 3.3.2 Der weitere Weg des Evangeliums (Apg 8,40) ............................ 161 Exkurs: Die Person des Philippus in historischer Perspektive ..... 166 4. Ergebnis ................................................................................................ 172 4.1 Die hermeneutische Funktion von Jes 53 ............................................. 172 4.2 Apg 8,26–40 als Schlüsseltext der Apostelgeschichte .......................... 180
II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte im Licht der Gottesknechtsthematik ........................................................... 182 A. Christologie ..................................................................................... 182 1. Die pai/j (qeou/)-Belege der Apostelgeschichte ........................................ 184 2. Der verherrlichte und erweckte Knecht: Apg 3,13.26 im Kontext der Petrusrede an das jüdische Volk ............................................................ 191 2.1 Die Struktur der Rede und ihre Einbettung in den Kontext .................. 191 2.2 Apg 3,13 .............................................................................................. 196 2.3 Apg 3,26 .............................................................................................. 200 2.4 Die Zusammenführung der königlichen und prophetischen Traditionslinien in der Person des Gottesknechts als hermeneutischer Schlüssel für die lukanischen Texte ..................................................... 202 2.4.1 Die beiden Traditionslinien in den Gottesknechtstexten .............. 202 2.4.2 Die Verbindung der Traditionen in den synoptischen Himmelsstimmen ........................................................................ 204
Inhaltsverzeichnis
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2.5 Die weiteren christologischen Titel in Apg 3 ....................................... 217 2.5.1 Der Heilige und Gerechte (o` a[gioj kai. di,kaioj) ......................... 217 2.5.2 Der Führer zum Leben (o` avrchgo.j th/j zwh/j ) ............................. 227 2.5.3 Der Gesalbte Gottes (o` cristo,j) ................................................. 234 2.6 Der Bund und der Same: Gen 22 und die Gottesknechtstradition in Apg 3,25f ........................................................................................ 240 3. Der heilige und gesalbte Knecht: Apg 4,27.30 im Kontext des urgemeindlichen Gebets ......................................................................... 244 3.1 Apg 4,24b–26 ...................................................................................... 245 3.2 Apg 4,27f ............................................................................................ 249 Exkurs: Die Königsherrschaft Jesu im lukanischen Werk .................... 252 3.3 Apg 4,29f ............................................................................................ 256 Exkurs: Zur Bedeutung des Namens Jesu nach der Apostelgeschichte ............................................................................................ 257 4. Ergebnis ................................................................................................ 265 5. Ausblick: Die weiteren pai/j (qeou/)-Belege in der frühen Kirche ............ 269
B. Ekklesiologie ................................................................................... 282 1. Die durch Blut erlöste Gemeinde: Apg 20,28 als soteriologisches Grundaxiom der lukanischen Ekklesiologie ........................................... 283 1.1 Apg 20,28 als Kernvers der Abschiedsrede des Paulus ........................ 284 1.2 Apg 20,28a–ba: Die Ältesten und die Gemeinde als Hirten und Herde ................................................................................................... 287 1.3 Apg 20,28bb–c: Textkritische Probleme und theologische Deutungen ........................................................................................... 289 Exkurs: Die Aussagen über das „Blut Gottes“ in Bezug auf Jesus in der frühen Kirche ............................................................................. 295 1.4 Die Bedeutung des Blutes: Traditionsgeschichtliche und redaktionsgeschichtliche Aspekte ........................................................ 301 Exkurs: Die Methode der Vor- und Rückverweise im lukanischen Werk .................................................................................................... 310 1.5 Apg 20,28 und die lukanische Durchdringung des Kreuzesgeschehens .......................................................................................... 312
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Inhaltsverzeichnis
2. Die Knechte des Knechts: Die Darstellung der Gemeinde in der Nachfolge Jesu auf dem Hintergrund der jesajanischen Gottesknechtsthematik ..................................................................................... 316 2.1 Apg 1,8: Geistbegabte Zeugen bis an das Ende der Erde ..................... 316 2.1.1 Die Geistbegabung ...................................................................... 317 2.1.2 Der Zeugenauftrag ...................................................................... 320 2.1.3 „Bis an das Ende der Erde“ ......................................................... 325 2.1.4 Die Jünger als geheilte Knechte .................................................. 332 2.2 Das Pfingstgeschehen als Konstituierung der Knechtsgemeinde .......... 334 2.2.1 Das Pfingstereignis im Licht von Apg 1,5 und Lk 3,16 ............... 334 2.2.2 Die Taufe Jesu und die Taufe der Jünger .................................... 343 2.3 Petrus und die Urgemeinde: Teilhabe am Dienst und Leiden Jesu I ..... 348 2.4 Stephanus und die Sieben: Teilhabe am Dienst und Leiden Jesu II ...... 354 2.5 Paulus, der Knecht des Knechts: Teilhabe am Dienst und Leiden Jesu III ................................................................................................. 367 2.5.1 Die Parallelität der Darstellung ................................................... 368 2.5.2 Die Berufung .............................................................................. 374 2.5.3 Die Verkündigung und das paulinische Selbstverständnis gemäß Apg 13,47 (= Jes 49,6) .................................................... 383 2.5.4 Apg 28: Das Verstockungswort Jes 6,9f und die Frage nach dem eschatologischen Geschick Israels ....................................... 390 2.5.4.1 Die Struktur von Apg 28,17–31 ...................................... 390 2.5.4.2 Die Bedeutung von Jes 6,9f bei Jesaja und bei Lukas ...... 394 2.5.4.3 Die weitere Rezeption und Verarbeitung von Jes 6 im lukanischen Werk ...................................................... 398 2.5.4.4 Die Perspektive in Apg 28 und der Zusammenhang mit dem Beginn der Werkhälften .................................... 402 2.5.4.5 Der innerjesajanische Traditionszusammenhang als hermeneutischer Schlüssel für die Spannung zwischen universaler Heilsperspektive und Ablehnung durch einen Teil Israels ............................................................. 407 3. Ergebnis ................................................................................................ 413
Ausblick ................................................................................................. 417 Literaturverzeichnis ................................................................................... 423 Stellenregister ............................................................................................ 471 Autorenregister .......................................................................................... 493 Sachregister ............................................................................................... 498
Einführung Die Acta-Forschung ist in Bewegung. Seit W. VAN UNNIK das lukanische Doppelwerk als Sturmzentrum der neutestamentlichen Forschung deklarierte,1 hat sich nicht nur in der Wahrnehmung des Lukasevangeliums, sondern auch im Blick auf das zweite Schreiben ad Theophilum viel getan. Dies zeigt einerseits die Fülle der in den letzten Jahren erschienenen Kommentare ganz unterschiedlicher Provenienz. 2 Andererseits dokumentieren die in regelmäßigen Abständen veröffentlichten Forschungsüberblicke das vielfältige Bemühen, dieses innerhalb des Neuen Testaments ganz einzigartige Buch weiter zu durchdringen. 3 Dabei lassen sich verschiedene Tendenzen beobachten und einige Brennpunkte benennen, die zur Einordnung der vorliegenden Studie innerhalb des aktuellen Diskurses verhelfen.4
1. Tendenzen in der neueren Acta-Forschung 1. Tendenzen in der neueren Acta-Forschung
1.) Zum einen sind die Fragen nach dem Geschichtswert des Werkes sowie nach dem literarischen Genre nach wie vor Anlass zur Diskussion. Gegen1
S. VAN UNNIK, Luke-Acts, a Storm Center in Contemporary Scholarship, 16 (1966). S. vor allem ZMIJEWSKI, Apg (1994); BARRETT, Acts (1994/98); LARKIN, Acts (1995); TALBERT, Reading Acts (1997); FITZMYER, Acts (1998); JERVELL, Apg (1998); WITHERINGTON, Acts (1998); ECKEY, Apg (2000); BOCK, Acts (2007); MARGUERAT, Actes (2007); PERVO, Acts (2009); PETERSON, Acts (2009). Wegweisend waren zuvor besonders die deutschen Kommentare von ROLOFF, Apg (1981); SCHNEIDER, Apg (1980/ 82); SCHMITHALS, Apg (1982); und PESCH, Apg (1986). 3 Eine gute Übersicht über die verschiedenen Ansätze und Entwicklungen in der Acta Forschung der letzten Jahre bieten BOVON, Aktuelle Linien lukanischer Forschung (1985); GASQUE, A Fruitful Field (1988); POWELL, What Are They Saying About Acts? (1991); MARSHALL, Acts in Current Study (2003); PARSONS, Art. Acts (2007); und STENSCHKE, Acta-Forschung – Quo vadis? (2011); vgl. auch CARSON – MOO, Einleitung, 376–382, sowie die neu gesammelten Berichte von GRÄSSER, Forschungen zur Apostelgeschichte (2001) und den Forschungsüberblick bei BAUSPIESS, Geschichte und Erkenntnis (s. dazu o. im Folgenden). Am ausführlichsten ist der 2006 erschienene Band von BOVON, Luke the Theologian: Fifty-five Years of Research (1950–2005). 4 Die Beschreibung geschieht daher im Folgenden exemplarisch vor allem anhand der wichtigsten monographischen Untersuchungen und ohne den Anspruch, einen umfassenden Forschungsüberblick zu bieten. S. dazu nochmals BOVON, Luke the Theologian. 2
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Einführung
über einer kritischen Einschätzung der historischen Zuverlässigkeit 5 haben mehrere Autoren unter Berücksichtigung des antiken Kontextes für eine positivere Bewertung des Werkes plädiert. Dies gilt beispielhaft für M. HENGEL, C. HEMER und C.-J. THORNTON.6 Weiterführend ist hier auch die von B. W. W INTER herausgegebene Reihe „The Book of Acts in its First Century Setting“: Die bisher erschienenen Bände beleuchten den literarischen, regionalen, kulturellen, ideologischen sowie den theologischen Kontext der Apostelgeschichte und tragen als Ergebnis interdisziplinärer Forschung wesentlich zur Erhellung der genannten Sachverhalte bei. 7 Dies gilt ebenfalls für den Sammelband „Die Apostelgeschichte im Kontext antiker und frühchristlicher Historiographie“, der in jüngerer Zeit im Anschluss an ein Symposium und unter Federführung von J. FREY, C. K. ROTHSCHILD und J. SCHRÖTER entstanden ist und neben einer Bearbeitung von systematischen und konzeptionellen Fragen eine Einordnung des lukanischen Werks in die Geschichtsschreibung des antiken Judentums und der griechisch-römischen Welt bietet. 8 Diesem Anliegen hat sich auch S. UYTANLET in seiner eben erschienenen Studie „Luke-Acts and Jewish Historiography. A Study on the Theology, Literature, and Ideology of Luke-Acts“ gewidmet 9 – mit dem besonderen Schwerpunkt, die lukanische Theologie nicht nur von der jüdischen Tradition und die literarische Gestalt des lukanischen Werkes nicht nur von der griechisch-römischen Literatur her zu begreifen, sondern gemeinsame Elemente auf beiden Ebenen auszumachen. Die Studie ist – auch aufgrund ihres Aufbaus – gewinnbringend 10 und das Ergebnis einer größeren Nähe zum jüdischen Schrifttum beachtenswert.11
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Vgl. stellvertretend LÜDEMANN, Das frühe Christentum. HENGEL, Der Historiker Lukas und die Geographie Palästinas; DERS., Zur urchristlichen Geschichtsschreibung; HEMER, Book of Acts; THORNTON, Der Zeuge des Zeugen; vgl. auch RIESNER, Die Frühzeit des Apostels Paulus. 7 Band 1: WINTER – CLARKE (Hg.), The Book of Acts in its Ancient Literary Setting; Band 2: GILL – GEMPF (Hg.), The Book of Acts in its Graeco-Roman Setting; Band 3: RAPSKE, The Book of Acts and Paul in Roman Custody; Band 4: BAUCKHAM (Hg.), The Book of Acts in its Palestinian Setting; Band 5: LEVINSKAYA, The Book of Acts in its Diaspora Setting. 8 Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche 162, Berlin u.a. 2009. 9 Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament II/366, Tübingen 2014. 10 UYTANLET vergleicht historische Berichte über göttliches Wirken, sodann die Frage nach literarischen Parallelen in Erzählungen, in denen es um die Nachfolge einer wichtigen Person geht, und schließlich den Bereich „Land, Genealogies, and the Reign of the Gods“ . Stets werden zunächst griechisch-römische Quellen besprochen und anschließend jüdische Traditionen gesichtet, um schließlich die Darstellung im lukanischen Doppelwerk einzuordnen. 11 S. UYTANLET, Luke-Acts and Jewish Historiography, 257.260. 6
1. Tendenzen in der neueren Acta-Forschung
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Ein Beitrag, der ebenfalls mit der Geschichtsthematik verbunden ist, verdient hier besondere Berücksichtigung. Gemeint ist die Untersuchung von M. BAUSPIESS, „Geschichte und Erkenntnis im lukanischen Doppelwerk. Eine exegetische Untersuchung zu einer christlichen Perspektive auf Geschichte“.12 BAUSPIESS möchte mit seiner Dissertationsschrift darlegen, inwiefern die lukanische Theologie als spezifisch christliche Sicht auf Geschichte zu begreifen ist 13 und welche Auswirkungen diese Sicht auf eine generelle theologische Geschichtshermeneutik zeitigt. In detaillierter Weise wird zunächst analysiert, wie in der bisherigen Lukasforschung das Verhältnis von Geschichte und Theologie bzw. die Verwiesenheit von Ereignis- und Bedeutungszusammenhang bestimmt wurden. Dieser ausführliche Abschnitt gibt einen hervorragenden Einblick in die Forschungsgeschichte und eine besondere Stärke besteht darin, dass die verschiedenen Begründungsmuster in ihrer Bezogenheit aufeinander und in ihrer Entwicklung deutlich werden und dass dabei auch der zum Schlagwort gewordene Begriff „Heilsgeschichte“ näher bedacht wird. BAUSPIESS selbst differenziert grundsätzlich zwischen historischer und theologischer Erkenntnis und bietet sodann eine Exegese von Schlüsselstellen, die für ihn das lukanische Anliegen zum Ausdruck bringen. Aus dem Lukasevangelium werden besonders der Prolog (Lk 1,1–4) und die Emmaus-Erzählung (Lk 24,13–35) untersucht. Dabei wird herausgestellt, dass es Lukas nicht um geschichtliche Verifikation, sondern um glaubende Zustimmung geht. 14 Dies wird durch Beobachtungen an weiteren Passagen 15 und sodann im Blick auf die Apostelgeschichte bekräftigt. Entscheidenden Stellenwert haben für BAUSPIESS hier die Erscheinungen Jesu bis zur Himmelfahrt (Apg 1,1–14) sowie die Pfingstpredigt des Petrus (Apg 2,14–41). Erhellt wird die Bedeutung des Zeugenbegriffs und der Verkündigung, die angesichts der bezeugten Ereignisse erst die Glaubenserkenntnis ermöglicht – freilich unter dem Vorzeichen der nachösterlichen Selbsterschließung Jesu und der Neubesinnung des Menschen (meta,noia).16 Auch diese Zusammenhänge werden durch die Auslegung weiterer Stellen unterstrichen.17 Die Heilswirklichkeit geht also für Lukas – so die These – nicht in der historisch zugänglichen Wirklichkeit auf, sondern sie geht darüber hinaus. 18 Geschichtliche Wirklichkeit zu erschließen und den Zugang zur Heilserkenntnis inner12
Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 42, Leipzig 2012. S. BAUSPIESS, Geschichte und Erkenntnis, 17. 14 Vgl. op. cit., 246.248.273. 15 S. ebd., in Kapitel 5, u.a. zur Erkenntnis Simeons im Tempel (Lk 2) und zur Antrittspredigt Jesu in Nazareth samt den folgenden Taten (Lk 4). 16 Vgl. op. cit., 441.457.503f. 17 Dies sind v.a. die Erzählungen über Stephanus (Apg 7,54–60), Philippus (8,4–40), Kornelius (10,1–11,18) und das sog. Apostelkonzil (15,1–35) sowie der „offene“ Schluss der Apostelgeschichte (28,17–31). 18 S. op. cit., 529f. 13
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Einführung
halb der Geschichte zu plausibilisieren, ist laut BAUSPIESS das grundsätzliche movens für die Abfassung der Apostelgeschichte.19 Das lukanische Interesse an Geschichte liegt letztlich darin begründet, „der christlichen Gemeinde ihre innergeschichtliche Existenz als eine solche durchsichtig zu machen, die aufgehoben ist in der Geschichte Jesu, an der sie durch Wort und Glaube schon jetzt Anteil hat, auf deren universal sichtbare Manifestation sie aber bis zum Ende der Geschichte noch wartet.“ 20 Aufgrund der wahrgenommenen Differenzierung zwischen Geschichtswirklichkeit und Heilswirklichkeit, zwischen genuin historischer Erkenntnis und Glaubenserkenntnis ist Lukas daher nicht als Historiograph oder Historiker zu begreifen, sondern in differenziertem Sinn als Theologe einzuschätzen.21 Die Aufarbeitung und die Reflexion der Geschichtsthematik, gleichzeitig die theologische Qualifikation der schriftstellerischen Leistung des Lukas bleiben ein großes Verdienst dieser Studie. Zugleich bedingt die Herangehensweise eine gewisse Einseitigkeit. Gerade in Anbetracht der besprochenen Passagen müsste vor allem der Frage, ob Lukas nicht noch stärker als Schrifttheologe zu verstehen ist, detaillierter nachgegangen werden; und auch die Diskussion etwa im Bereich der soteriologischen Prämissen wird aufgrund der thematischen Gewichtung nicht genügend berücksichtigt. 22 2.) Eine zweite Tendenz ist die verstärkte Wahrnehmung der Apostelgeschichte als literarisches Werk. Als richtungweisend zu gelten hat hierfür der Kommentar von R. T ANNEHILL,23 der die narrative Einheit des lukanischen Gesamtwerkes als integralen Rahmen für die Auslegung der Einzeltexte bestimmt und die lukanischen Erzähltechniken in ihrer Auswirkung auf den Leser herausarbeitet.24 Nicht die Erschließung der historischen Hintergründe oder die geschichtliche Einordnung, nicht die Frage nach überkommener Tradition oder lukanischer Redaktion stehen im Fokus, sondern auf synchroner Ebene wird jede Szene in Beziehung mit der übrigen Erzählung gebracht und
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S. BAUSPIESS, Geschichte und Erkenntnis, 510. Op. cit., 503f. 21 S. ebd., 514.529.531.533. Die oft gebrauchte Kategorisierung „Theologe der Heilsgeschichte“ greift für BAUSPIESS dabei zu kurz: Es gehe nicht um die Einordnung der Geschichte Jesu in die Gesamtgeschichte, sondern um die Art der Präsenz der Heilsgeschichte in der Geschichte (ebd., 511f). 22 So wird beispielsweise das Werk von MITTMANN-RICHERT, Sühnetod, das für ein Verständnis der lukanischen Theologie überaus bedeutend ist, zwar rezipiert, aber dessen forschungsgeschichtliche Tragweite nicht wahrgenommen und es erfolgt keine inhaltliche Auseinandersetzung. S. dazu o. im Folgenden. 23 The Narrative Unity of Luke-Acts, Vol. 2: The Acts of the Apostles. 24 Dies meint konkret etwa die Weise, in der Anfänge gestiftet und Erwartungen eröffnet werden und wie diese dann innerhalb der Erzählung erfüllt, nicht erfüllt oder modifiziert werden. 20
1. Tendenzen in der neueren Acta-Forschung
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es wird stets nach der Funktion innerhalb des Ganzen gefragt. 25 Im deutschsprachigen Raum wurde dieser Ansatz in jüngerer Zeit demonstriert von U. EISEN, „Die Poetik der Apostelgeschichte. Eine narratologische Studie“. 26 Das lukanische Doppelwerk stellt für E ISEN erzählte Theologie dar; die Erzählung selbst ist damit der zu erforschende Inhalt und die Erzählanalyse die geeignete Methode. 27 Die Autorin bietet darum in einem ersten Hauptteil eine grundsätzliche Methodologie: Sie führt in die Erzählanalyse ein, systematisiert pluriforme Ansätze innerhalb der Erzähltheorie und klärt Begrifflichkeiten. Sodann wird in einem zweiten Hauptteil eine narratologische Exegese zentraler Erzählsequenzen vom Anfang (Apg 1,1–14), aus der Mitte (Apg 10,1–11,18 und 15,1–35) und vom Ende der Apostelgeschichte (Apg 28,16– 31) durchgeführt, um schließlich als Ergebnis Grundzüge einer Poetik der Apostelgeschichte zu bestimmen. 28 Bei allen Fragen, die sich mit der Terminologie und mit der Anwendung dieser Betrachtungsweise verbinden, 29 schärft die so angelegte Studie doch einmal mehr den Blick für die durchdachte Komposition des lukanischen Werkes und für die Erzählkunst des Autors ad Theophilum.30 3.) Wenngleich die beiden bisher genannten Tendenzen stets mit der Frage nach der theologischen Bedeutung der Apostelgeschichte verknüpft sind, so sind als dritte Tendenz Untersuchungen auszumachen, deren primärer Fokus die Erhellung bestimmter theologischer Themen und Zusammenhänge ist. Vermehrt in den Blick gerückt ist dabei der Einfluss der alttestamentlichen Tradition auf die lukanische Darstellung. Die Untersuchungen hierzu lassen sich grundsätzlich in zwei Kategorien einteilen: a) diejenigen, die allgemein der Verwendung des Alten Testaments bei Lukas nachgehen – gegebenenfalls unter einem spezifischen thematischen Gesichtspunkt – und b) diejenigen, welche die Prägung durch bestimmte alttestamentliche Schriftcorpora herausarbeiten. a) Nach früheren Überlegungen zur Verwendung des Alten Testaments durch Lukas, wie sie etwa von W. K. L. CLARKE mit Blick auf die Apostelgeschichte angestellt wurden, 31 erschienen Ende der 1960er Jahre zwei bedeutende Studien im deutschsprachigen Bereich: zum einen T. HOLTZ, „Un25 Vgl. auch TALBERT, Reading Acts; MARGUERAT, The First Christian Historian; SOARDS, The Speeches in Acts. 26 Novum Testamentum et Orbis Antiquus/Studien zur Umwelt des Neuen Testaments 58, Göttingen 2006. 27 S. EISEN, Die Poetik der Apostelgeschichte, 13f. 28 Vgl. auch die in der Einleitung entsprechend akzentuierte Zielsetzung (op. cit., 43). 29 S. dazu PARSONS, Art. Acts, 7. 30 Für Details vgl. auch die instruktive Rezension von H. BRAUN. 31 The Use of the Septuagint in Acts, in: F. J. Foakes Jackson – K. Lake (Hg.), The Beginnings of Christianity. Part I: The Acts of the Apostles, Vol. II: Prolegomena II. Criticism, London 1922, 66–105.
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Einführung
tersuchungen über die alttestamentlichen Zitate bei Lukas“,32 zum anderen M. RESE, „Alttestamentliche Motive in der Christologie des Lukas“.33 HOLTZ geht es wesentlich um die textlichen Voraussetzungen, um die ursprünglichen Formen der alttestamentlichen Texte, die Lukas gebraucht hat. RESE dagegen sucht den Einfluss des Alten Testaments auf Lukas darzustellen und die Reinterpretation der Quellentexte im Zuge seiner christologischen Darstellung nachzuzeichnen. 34 Beide erörtern dabei die vielfältigen alttestamentlichen Bezüge im lukanischen Werk. In jüngerer Zeit wurde dies erneut und in detaillierter Weise unternommen von D. RUSAM, der in seinem Band „Das Alte Testament bei Lukas“ 35 zudem die Intertextualitätsforschung einbezieht und die Verwendung von Zitaten in narrativen Texten anderer antiker Autoren beleuchtet, um die Besonderheit der lukanischen Zitierweise herauszustellen. 36 Weitere Einzeluntersuchungen komplettieren das Bild einer breiten Aufnahme und Verarbeitung alttestamentlicher Traditionen durch Lukas. 37 Im Übrigen ist durch den von G. K. BEALE und D. A. CARSON herausgegebenen „Commentary on the New Testament Use of the Old Testament“38 nun ein übergreifender Meilenstein gesetzt.39 Buch für Buch und Kapitel für Kapitel werden hier für alle neutestamentlichen Schriftsteller Bezüge auf das Alte Testament aufgelistet und besprochen. Was die Acta betrifft, so lässt die Darstellung von I. H. M ARSHALL kaum zu wünschen übrig: Es werden nicht nur die Einzelverweise sorgfältig sondiert und die relevante Literatur berücksichtigt, sondern in kompakter Weise werden auch in der Einführung alle wichtigen Aspekte zur Thematik benannt, näherhin die Frage nach den textlichen Quellen (hebräische oder griechische Vorlage, Testimonien, Zitation nach 32
Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur 104, Berlin 1968. 33 Studien zum Neuen Testament 1, Gütersloh 1969; vgl. auch RESE, Funktion. 34 Zu den Unterschieden in Aufbau und Herangehensweise vgl. den Exkurs bei RESE, Funktion, 211–216, in dem er zum Werk von HOLTZ aus seiner Sicht Stellung nimmt. 35 Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche 112, Berlin – New York 2003. 36 Besprochen werden auf jüdischer Seite die Makkabäerbücher und der Bellum Judaicum von Flavius Josephus, auf paganer Seite Herodot, Thukydides, Polybios, Diodorus Si culus, Dionys von Halikarnass, Flavius Arrianus, Plutarch, der Alexanderroman, C. Julius Caesar, Sallust, Titus Livius, Tacitus und die Biographien des Cornelius Nepos. Im lukanischen Werk werden laut RUSAM alttestamentliche Stellen herangezogen, um eine Handlungsanweisung zu begründen, zur Illustration oder als Vorankündigung des Jesus- und Missionsgeschehens (s. RUSAM, Das Alte Testament bei Lukas, 492–495). 37 S. MEISER, Das Alte Testament im lukanischen Doppelwerk, sowie im englischsprachigen Bereich LITWAK, Echoes of Scripture in Luke-Acts; RINGGREN, Luke’s Use of the Old Testament; STEYN, Septuagint Quotations; BARRETT, Luke/Acts; MEEK, Gentile Mission; KOET, Five Studies. Vgl. noch JERVELL, Die Mitte der Schrift. 38 Grand Rapids, Mich. – Nottingham 2007. 39 Vgl. zuvor bereits ARCHER – CHIRICHIGNO, Old Testament Quotations.
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Vorlage oder Gedächtnis), Überlegungen zur Funktionsweise der Zitate (christologisch, apologetisch, hermeneutisch u.a.), die möglichen Klassifizierungen (Zitate mit oder ohne Einleitungsformel, Anspielung, Paraphrase, Echo, Motivgebrauch, schriftgeprägte Sprache) sowie ein Vergleich mit jüdischen Auslegungstraditionen. 40 Aufgrund der umfassenden Berücksichtigung möglichst aller Verweise kann dabei freilich keine systematische und vertiefende Beleuchtung der verschiedenen Bezugnahmen auf eine bestimmte alttestamentliche Schrift erfolgen. Eine systematische Beleuchtung eines bestimmten Themas bieten zwei wietere Arbeiten, die noch im letzten Jahrhundert entstanden und von nachhaltiger Relevanz sind: zum einen D. L. BOCK, „Proclamation from Prophecy and Pattern. Lucan Old Testament Christology“,41 zum anderen M. L. STRAUSS, „The Davidic Messiah in Luke-Acts. The Promise and its Fulfillment in Lukan Christology“. 42 Wie die Titel verdeutlichen, gehen beide Autoren davon aus, dass die lukanische Christologie maßgeblich von alttestamentlichen Traditionen geprägt ist.43 Während BOCK das lukanische Doppelwerk abschnittsweise auf christologische Schriftbezüge hin überprüft und dabei einen Reichtum an Anspielungen vor Augen führt, 44 wählt STRAUSS einen anderen Zugang. Er eruiert zunächst die alttestamentlichen Belege für die Tradition einer davidischen Messiasverheißung und stellt in Grundzügen dar, wie diese Tradition im ersten Jahrhundert auf jüdischer Seite und im frühen Christentum aufgenommen wurde. Sodann wird untersucht, wie die Konzeption eines davidischen Messias in den lukanischen Geburtserzählungen und in der Apostelgeschichte in der Perspektive von Verheißung und Erfüllung ihre christologische Ausformung erhalten hat. Ertrag dieses Hauptteils ist, dass die genannte Konzeption programmatisch und maßgebend für die christologische Darstellung im ganzen Doppelwerk war und Lukas bewusst zu Beginn die Frage aufwirft, inwiefern Jesus dieser davidische Messias sein kann – eine Frage, die laut STRAUSS im Verlauf des lukanischen Werks beantwortet wird.45 Speziell für die Apostelgeschichte wird dabei herausgestellt, dass in den drei großen Reden der drei urchristlichen Hauptcharaktere (Apg 2,14–41: Petrus; Apg 13,16–41.46–47: Paulus; Apg 15,13–21: Jakobus) stets davidisch-messianische Tradition zur Geltung kommt. 46 Zugleich wird betont, dass Lukas auch andere alttestamentliche Motive aufnimmt, insbesondere die 40
S. MARSHALL, Acts (in: BEALE – CARSON [Hg.], Commentary on the New Testament Use of the Old Testament), 513–606, v.a. 513–527. 41 Journal for the Study of the New Testament. Supplement Series 12, Sheffield 1987. 42 Journal for the Study of the New Testament. Supplement Series 110, Sheffield 1995. 43 Der Ansatz von RESE wird dadurch in je eigenständiger Weise weitergeführt. 44 In den Blick kommen die Kindheitserzählungen zu Beginn des Lukasevangeliums und sodann Lk 3–24, in der Apostelgeschichte dagegen nur Apg 2–5 und Apg 6–13. 45 S. STRAUSS, Davidic Messiah, 123–125. 46 S. op. cit., 192f.
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Vorstellung vom jesajanischen Gottesknecht und die mosaisch-prophetische Tradition. Laut STRAUSS stellt Lukas jedoch nicht einfach verschiedene christologische Konzeptionen in unsystematischer und inkonsistenter Manier nebeneinander; vielmehr liegt aufgrund einer Verknüpfung dieser Traditionen durchaus eine stringente Darstellung vor.47 Der Nachweis dafür wird in einem weiteren Hauptteil erbracht, welcher den Weg Jesu ausgehend von der Nazareth-Predigt bis zur Passion nachzeichnet und dabei die Verwobenheit der Traditionsstränge durchsichtig macht. 48 Als Charakteristikum der lukanischen Christologie ergibt sich daraus, dass Jesus zugleich als davidischer Messias, als jesajanischer Gottesknecht und als Prophet wie Mose verstanden wird – eine Synthese, die STRAUSS darauf zurückführt, dass diese Konzepte bereits in der jesajanischen Schrift zusammenlaufen. 49 Auf diese wichtigen Ergebnisse von STRAUSS wird noch zurückzukommen sein. 50 b) Ist die Aufnahme alttestamentlicher Traditionen im lukanischen Doppelwerk an sich unstrittig, so wird immer häufiger die spezielle Prägung durch bestimmte alttestamentliche Schriftcorpora ins Auge gefasst. Dies geschieht etwa in dem Band von K. SCHIFFNER, „Lukas liest Exodus. Eine Untersuchung zur Aufnahme ersttestamentlicher Befreiungsgeschichte im lukanischen Werk als Schrift-Lektüre“.51 SCHIFFNER betrachtet zunächst die Exodus-Erzählung und sammelt greifbare außerbiblische Exodus-Lektüren auf jüdischer Seite, die im Vergleich zum Autor ad Theophilum von zeitgeschichtlicher Bedeutung sind. 52 Vor diesem Hintergrund wird dann das lukanische Doppelwerk auf Bezugnahmen geprüft und herausgearbeitet, dass die Bezüge weit über die als solche gekennzeichneten Zitate hinausgehen und in Stichwortverbindungen und Allusionen, Motivaufnahmen und Strukturparallelen zu greifen sind. 53 Das lukanische Werk wird als messianische ExodusLektüre verstanden und seine Gesamtstruktur in Analogie zur Darstellung in Ex 1 bis Jos 24 beschrieben.54 Mit dem Fokus auf der Exodus-Tradition bildet das Werk von SCHIFFNER, dessen Anliegen zu begrüßen ist, an das aber auch einige Anfragen zu stellen sind, eher die Ausnahme. 55 Stärker im Vorder47
Vgl. STRAUSS, Davidic Messiah, 9.193. Vgl. etwa op. cit., 258.333. 49 S. ebd., 304.334–336.343. 50 S. dazu u., v.a. im Ergebnis von Kapitel II.A. 51 Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament 172 (= Folge 9, H. 12), Stuttgart 2008. 52 Diese werden gefunden im Jubiläenbuch, im Liber Antiquitatum Biblicarum und bei Josephus. 53 S. SCHIFFNER, Lukas liest Exodus, 411. 54 Vgl. op. cit., 395.412. 55 Die Anfragen beziehen sich etwa auf die so betont herausgestellten interfiguralen Bezüge zwischen Mirjam, der Prophetin des Exodus, und der Jesusmutter Maria („Die lukanische Mirjam – eine Prophetin, die ihrem Namen gerecht wird“; op. cit., 295) oder auf die als programmatisch verstandene Nazareth-Szene in Lk 4, für welche eben kein Exodus48
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grund steht das, was in der Untersuchung von STRAUSS bereits zutage getreten ist: die Wahrnehmung der Jesaja-Rezeption durch Lukas. Dass sich dieser Bereich in der Debatte um die Schriftbezüge im lukanischen Werk immer deutlicher als Forschungsschwerpunkt herauskristallisiert, hat nicht zuletzt damit zu tun, dass in den letzten Jahren diesem alttestamentlichen Buch an sich zunehmend Beachtung geschenkt wurde. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage nach der Textgestalt, für welche mit den Funden in und um Qumran ganz neue Vergleichsparameter vorliegen.56 Auch der griechischen Jesaja-Überlieferung wurde angesichts der Auffälligkeiten
Zitat, sondern ein Jesaja-Zitat zentral ist. Ein Verdienst bleibt jedenfalls, die Bedeutung der Befreiungsthematik erkannt zu haben (vgl. ebd., 301f). 56 Außer den beiden bedeutenden Rollen aus Höhle 1 (1QIsa a; 1QIsab; s. die neueste Edition von ULRICH – FLINT, Qumran Cave 1. II: The Isaiah Scrolls, DJD XXXII) fanden sich für die hebräische Jesaja-Überlieferung 18 Handschriften in Höhle 4 (4QIsa a–o [4Q55– 68]; 4QpapIsa p [4Q69]; 4QIsa q–r [4Q69a.69b]; s. SKEHAN – ULRICH, Isaiah, in: Ulrich u.a. [Hg.], Qumran Cave 4. X: The Prophets, DJD XV, 7–143) und eine in Höhle 5 (5QJes [5Q3]; s. MILIK, Isaïe, in: Baillet – Milik – de Vaux [Hg.], Les „Petites Grottes“ de Qumrân, DJD III/1, 173); dazu kommen noch ein Fragment aus Murabbaʽât (MurIsa [Mur 3]; MILIK, Isaïe, in: Benoit – Milik – de Vaux [Hg.], Les Grottes de Murabbaʽât, DJD II/1, 79f; vgl. zu den bis hierher genannten Handschriften auch den Überblick von FLINT, Isaiah Scrolls), fünf Handschriften von verschiedenen Jesaja-Pescharim (4QpJes a–e [4Q161–165]) sowie das exegetische Werk 4QTanh (4Q176; für 4QpJes a–e und 4QTanh s. ALLEGRO, Qumran Cave 4. I, DJD V, 11–30.60–67). Eventuell gehört auch 3QpIsa (3Q4) hierher (s. BAILLET, Commentaire d’Isaïe, in: Baillet – Milik – de Vaux [Hg.], Les „Petites Grottes“ de Qumrân, DJD III/1, 95f); es ist allerdings unsicher, ob das Fragment einem Jesajakommentar entstammt oder ein Zitat von Jes 1,1 in einem anderen Text darstellt. Trotz des weitgehend fragmentarischen Charakters vieler dieser Dokumente aus der Zeit vom späten 2. Jh. v.Chr. bis 68 n.Chr. ergibt ein Vergleich mit dem Masoretischen Text folgendes Bild: 1QIsa b sowie die meisten Manuskripte aus Höhle 4 zeigen nur wenige unbedeutende Abweichungen und können als protomasoretisch klassifiziert werden; 1QIsa a und 4QIsa c weisen zwar deutlichere Unterschiede auf, repräsentieren aber dennoch insgesamt keinen ganz abweichenden, sondern einen dem protomasoretischen Text nahestehenden Texttypus. S. HANNAH, Isaiah within Judaism, 9–11; TOV, The Text of Isaiah, 505–511. Speziell zu 1QIsaa und 1QIsab s. VAN DER KOOIJ, Die alten Textzeugen des Jesajabuches, 74–124; zu 1QIsaa grundlegend KUTSCHER , The Language and Linguistic Background of the Isaiah Scroll, mit der These, dass 1QIsa a von einem mit dem protomasoretischen Text identischen oder zumindest ganz ähnlichen Text zeugt, der wohl etwas später anzusetzen ist (ebd., 3). Bei einer weiteren Differenzierung in proto- und semimasoretische Texttypen fällt zwar die Zuordnung etwas anders aus, das Gesamturteil eines vergleichsweise einheitlichen Bildes der Überlieferung bleibt aber auch hier bestehen. S. LANGE, Handbuch, 257–296. Der Status der Jesaja-Überlieferung ist also generell konstant und um ein Vielfaches homogener als etwa im Fall des Jeremiabuches, wo zwei Texttypen auszumachen sind: ein protomasoretischer Typ und ein davon abweichender Typ, der offenbar als Vorlage für die LXX gedient hat, wo das Jeremiabuch um gut 1/8 kürzer ist (s. HANNAH, Isaiah within Judaism, 10). Vgl. noch ULRICH, Index; BROOKE, Isaiah in the Pesharim; METZENTHIN, Jesaja-Auslegung in Qumran; und DE WAARD, A Comparative Study.
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im Vergleich mit der hebräischen Texttradition seitdem große Beachtung geschenkt.57 In der Folge, und aufgrund des theologischen und wirkungsgeschichtlichen Gewichts der jesajanischen Schrift, erschienen zahlreiche übergreifende Überlegungen zur Jesaja-Rezeption im Neuen Testament. 58 Dass in diesem Zusammenhang auch einzelne neutestamentliche Schriften einer neuerlichen Betrachtung unterzogen werden, liegt in der Konsequenz der Sache. Schon aufgrund seines Umfangs, aber auch angesichts der Vielzahl von direkten Jesaja-Zitaten59 kommt dabei dem lukanischen Doppelwerk ein besonderes Gewicht zu. Und so ist eine Fülle von Untersuchungen entstanden, die sich dieser Thematik widmen. Bislang vollzieht sich der Forschungsdiskurs allerdings vorrangig im englischsprachigen Raum und nur in seltenen Fällen in monographischer Länge. 60 Drei Ausnahmen sind darum hervorzuheben, 57
S. v.a. ORLINSKY, Qumran; ZIEGLER, Die Vorlage der Isaias-Septuaginta; SEELIGThe Septuagint Version of Isaiah; VAN DER KOOIJ, Die alten Textzeugen des Jesajabuches; DERS., “The Servant of the Lord”; DERS., Zur Theologie des Jesajabuches in der Septuaginta; DERS., Isaiah in the Septuagint; PORTER – PEARSON, Isaiah through Greek Eyes; EKBLAD, Isaiah’s Servant Poems According to the Septuagint; SAPP, The LXX, 1QIsa, and MT Versions of Isaiah 53; sowie WILK, „Vision wider Judäa und wider Jerusalem“, 15f Anm. 4 mit weiterer Literatur auch aus der Zeit vor den Qumranfunden. Dabei ist allgemein anerkannt, dass LXX Jes eine sehr freie Übersetzung darstellt, die an vielen Stellen syntaktische und exegetische Unterschiede sowie aktualisierende Deutungen auf weist. Es ist davon auszugehen, dass LXX Jes zwar in ihrer hebräischen Vorlage oftma ls entsprechend dem Masoretischen Text gelesen hat, dass sie aber auch die davon abweichenden Lesarten kannte, die nun durch 1QIsa a belegt sind; darüber hinaus weicht LXX Jes oftmals sowohl vom Masoretischen Text als auch von 1QIsa a ab und in manchen Fällen kann bei zwei verschiedenen Vokabeln im Masoretischen Text und 1QIsa a aufgrund der freien Wiedergabe in LXX Jes nicht mehr entschieden werden, welche Lesart bestimmend war. Dass die Überlieferung von LXX Jes selbst noch weiter zu differenzieren ist, kann hier mit Verweis auf die genannte Literatur nur angedeutet werden. Vgl. dazu auch die übergreifende Studie von DORIVAL – HARL – MUNNICH, La Bible grecque. Einen repräsentativen Überblick über die Forschungen zum Jesajabuch bieten im Übrigen die Sammelbände von VERMEYLEN, The Book of Isaiah, und BROYLES – EVANS, Writing and Reading the Scroll of Isaiah, Bd. 1 und 2; s. daneben noch B LENKINSOPP, Opening the Sealed Book. 58 Dass im Neuen Testament neben Psalter und Tora v.a. das Jesajabuch die Zitate und Anspielungen bestimmt, wurde schon öfter betont; vgl. etwa HANNAH, Isaiah within Judaism of the Second Temple Period, 7 mit Anm. 2, wo die Belege für Zitate nach dem NT Graece27 zusammengetragen sind: Am häufigsten sind demnach Psalmen (110 Zitate), Jesaja (103) und Dtn (54). Übergreifende Überlegungen zur Jesaja-Rezeption im Neuen Testament finden sich bei SONGER, Isaiah and the New Testament; HOOKER, Jesus and the Servant; TORREY, The Influence of Second Isaiah in the Gospels and Acts; EVANS, From Gospel to Gospel; DERS., To See and Not Perceive; LITWAK, The Use of Quotations from Isaiah 52:13–53:12. 59 S. dazu im Ausblick, Anm. 1. 60 Vgl. SECCOMBE, Luke and Isaiah; SANDERS, Isaiah in Luke; DECOCK, The Understanding of Isaiah 53:7–8 in Acts 8:32–33; LESKE, The Influence of Isaiah; JOHNSON, Jesus Against the Idols; KOET, Isaiah in Luke-Acts; LARKIN, Luke’s Use of the Old TesMANN,
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namentlich die Arbeiten von D. W. PAO und P. MALLEN sowie auf deutscher Seite eine Studie von U. MITTMANN-RICHERT. Das Buch von PAO trägt den Titel „Acts and the Isaianic New Exodus“ 61 und widmet sich primär der zweiten Hälfte des lukanischen Doppelwerkes. PAO geht davon aus, dass die Schriftbezüge stets unter Berücksichtigung ihres Ursprungskontextes betrachtet werden müssen und dass sie Verweise auf einen größeren Kontext darstellen, mit welchem die narratio der Apostelgeschichte interagiert. 62 Anders als bei dem oben genannten Band von SCHIFFNER liegt der Schwerpunkt hier nicht auf der Exodus-Tradition als solcher, sondern auf der bei Jesaja (Jes 40–55) zutage tretenden Vorstellung eines „neuen Exodus“, eine Vorstellung, die mitten im Exil ein neuerliches umwälzendes Eingreifen JHWHs in Analogie zur Urerfahrung Israels erhoffen lässt.63 Dieses Paradigma erhellt laut PAO als „hermeneutical framework“ die Darstellung und den Erzählverlauf der Apostelgeschichte.64 Gegenüber einer zu engen Fokussierung auf die christologische Frage 65 bedenkt PAO dabei stärker die ekklesiologische Funktion der Schriftbezüge im Blick auf den Identitätsanspruch der frühen Christen, welcher offenbar vermittels der jesajanischen Tradition konstruiert wird. 66 Bedacht werden neben den vielfältigen Jesaja-Zitaten an Schlüsselstellen der Erzählung auch die in der Erzählung aufscheinenden Anspielungen und jesajanischen Themen. Ausgehend von Jes 40,1–11 als dem Prolog zu Jes 40–55 untersucht PAO zunächst die Rolle des Zitats von Jes 40,3–5 am Anfang des Lukasevangeliums und erkennt darin den hermeneutischen Schlüssel für die weitere Erzählung. Damit in Verbindung gebracht wird die Bedeutung der Weg-Metapher, die in der Apostelgeschichte zur Bezeichnung der christlichen Gemeinde wird. Sodann wird in den Jesaja-Zitaten in Lk 4,16–30; 24,44–49; Apg 1,8; 13,46–47 und 28,25–28 tament; O’TOOLE, How Does Luke Portray; EASTER, ‘Certainly this Man was Righteous’; MOORE, “To the End of the Earth”; PARSONS, Isaiah 53 in Acts 8. Aus dem deutschsprachigen Bereich ist zu nennen: STUHLMACHER, Jes 53 in den Evangelien und in der Apostelgeschichte; ansatzweise noch GRIMM, Die Verkündigung Jesu und Deuterojesaja, der seinen Fokus jedoch nicht auf der Apostelgeschichte hat. Monographisch und nichtenglisch steht nur BASTIAENS, Interpretaties van Jesaja 53, zu Buche. Für weitere Monographien s.o. im Folgenden. Zur Studie von BEERS, The Followers of Jesus as the ‘Servant’, s.u. im Ausblick. 61 Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament II/130, Tübingen 2000. 62 S. PAO, Acts and the Isaianic New Exodus, 4. 63 S. op. cit., 5; zur Abgrenzung gegenüber dem ursprünglichen Exodus-Paradigma s. z.B. ebd., 55 Anm. 1. 64 S. op. cit., 10. 65 Vgl. dazu nochmals die o. in Anm. 60 genannten Studien. Ferner TURNER, Power from on High, der sich vor allem der Pneumatologie widmet. 66 Vgl. PAO, Acts and the Isaianic New Exodus, 100: „Isaiah is not used in a narrow christological sense. Instead, it serves to construct the identity of the early Christian movement“.
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der hermeneutische Rahmen für das Gesamtwerk entdeckt. Anschließend beleuchtet PAO verschiedene Motive aus Jes 40–55, die aus Jes 40,1–11 hervorgehen: a) die Rekonstitution Israels, welche mit dem Entstehen der Urgemeinde als „true extension of the people of God“ verknüpft wird, 67 b) die Kraft des Wortes Gottes in der Gründung der Gemeinschaft des Wortes, c) die Polemik gegen Falschgötter, welche in der Apostelgeschichte hinsichtlich der Herrschaft Jesu aufscheint, und d) die Integration der Heiden in das Heil Israels, eine Vorstellung, die Lukas im Sinn einer soteriologischen Gleichstellung von Juden und Heiden transformiert.68 Obwohl Anfragen bleiben – etwa im Blick auf die tendenzielle Vernachlässigung der christologischen Stellen in den Reden der Apostelgeschichte –, ist der Ansatz von PAO vor allem deshalb als positiv zu bewerten, weil er eine Systematisierung der so herausstechenden Jesaja-Bezüge vornimmt und dabei den Blick über die expliziten Zitate hinaus weitet. Ein solches Unterfangen wirft neues Licht auf die Texte der Apostelgeschichte und bringt die Diskussion um die lukanische Theologie in entscheidender Weise voran.69 Dies gilt entsprechend für die Untersuchung von P. MALLEN, „The Reading and Transformation of Isaiah in Luke-Acts“. 70 MALLEN erkennt angesichts der Häufigkeit, der Genauigkeit, der Verteilung und der Positionierung der Verweisstellen ebenfalls die spezielle Bedeutung der jesajanischen Tradition für die lukanische Darstellung und bietet zu Beginn einen detaillierten Überblick über bisherige Wahrnehmungen in diesem Bereich. 71 MALLEN selbst setzt sich ausdrücklich zum Ziel, eine umfassende Untersuchung der Jesaja-Rezeption im ganzen Doppelwerk zu bieten und zu sondieren, inwiefern Jesaja die Entwicklung der Hauptthemen und Bewegungen in der Erzählung beeinflusst hat; berücksichtigt werden dabei die Rede- wie auch die Erzählpartien, Zitate und Allusionen sowie die theologische und die rhetorische Intention. 72 In einem ersten Hauptteil wird dann der zeitgenössischen jüdischen Interpretation des Jesajabuches nachgegangen – besonders der Überlieferung in der Septuaginta und im Targum sowie bei Josephus –, um Vergleichspunkte für die lukanischen Lesarten vor Augen zu stellen. Danach untersucht MALLEN das Textmaterial in vierfacher Hinsicht: a) im Blick auf Erzählung, d.h. betreffs der Frage, wie Lukas durch Schriftbezüge ein „interpretative framework“ schafft, b) unter dem Gesichtspunkt der Intertextualität, d.h. im Vergleich mit den jüdischen Interpretationen, c) mit Schwerpunkt auf der redaktionellen Bearbeitung, d.h. im Vergleich mit dem Markus- und dem 67
Vgl. PAO, Acts and the Isaianic New Exodus, 143. Vgl. op. cit., 250. 69 Zur genaueren Auseinandersetzung mit der Studie von PAO sowie mit den o. im Folgenden genannten Werken s. im Verlauf der Arbeit und zusammenfassend im Ausblick. 70 Library of New Testament Studies 367, London – New York 2008. 71 S. MALLEN, Reading and Transformation of Isaiah, 1–19. 72 S. op. cit., 19f. 68
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Matthäusevangelium, und d) im Horizont der hellenistischen Rhetorik. Die Ergebnisse von M ALLEN lassen sich folgendermaßen skizzieren: 73 Lukas tritt gezielt in einen Dialog mit der jesajanischen Schrift, um bestimmte theologische Themen zu erhellen und um das Anliegen seiner Erzählung rhetorisch zu unterstreichen. Der Bezug auf Jesaja an Schlüsselstellen seines Werkes dient Lukas dazu, den Auftrag wichtiger Personen einzuführen, und als Vorverweis oder Zusammenfassung der Handlungen, die dadurch erklärt und als dem göttlichen Plan entsprechend legitimiert werden. Charakteristisch ist der Bezug auf Passagen, welche von dem Auftrag sprechen, Heil zu allen Völkern zu bringen, und die Reaktion durch Israel und die Völker illustrieren. Hinsichtlich der Inklusivität des Heils, der Zurückweisung durch Israel, des Leidens Jesu und seiner Portraitierung als desjenigen, durch den der Auftrag der jesajanischen Gottesknechtsfigur erfüllt wird, rekurriert Lukas auf jesajanische Texte und passt sie interpretierend – und abweichend von jüdischen Auslegungen – in seine Darstellung ein. Gegenüber den anderen synoptischen Evangelien kommen im Lukasevangelium verstärkt der inklusive Charakter des Heils und die jesajanische Prägung des Auftrags Jesu zum Ausdruck, mit der Apostelgeschichte zudem die universale Ausrichtung und die ambivalente Antwort auf die Heilsbotschaft. In rhetorischer Sicht dient der Rekurs auf Jesaja unter anderem dazu, die Adressaten zum rechten Hören zu bewegen und selbst an der Mission der Knechtsfigur zu partizipieren, d.h. das Heil zu Israel und den Heiden, bis zum Ende der Erde zu bringen (Jes 49,6). In diesem Auftrag des jesajanischen Knechts erkennt MALLEN das übergreifende Thema, welches Lukas in seiner christologischen und ekklesiologischen Darstellung geleitet hat. 74 MALLEN integriert grundsätzlich das von PAO stark gemachte Paradigma des „neuen Exodus“, schreibt aber der Gottesknechtstradition spezifische Bedeutung zu. Abgesehen von der Herangehensweise der beiden Studien liegt darin ein erkennbarer Unterschied und zugleich ein relevanter Erkenntnisgewinn. Die Reflexion der Gottesknechtsthematik kennzeichnet auch eine weitere Studie, die im gleichen Jahr wie der Band von MALLEN veröffentlicht wurde: die Untersuchung von U. MITTMANN-RICHERT, „Der Sühnetod des Gottesknechts. Jesaja 53 im Lukasevangelium“. 75 Der Schwerpunkt liegt hier auf dem ersten Teil des Doppelwerks, die Ergebnisse sind aber auch für die Betrachtung der Apostelgeschichte von äußerster Brisanz. MITTMANN-RICHERT 73
Vgl. MALLEN, Reading and Transformation of Isaiah, 198–209. Dass gerade die jesajanische Schrift von solcher Bedeutung für Lukas war, liegt laut MALLEN unter anderem daran, dass hier Verheißungen erklingen, welche die Geschehnisse um Jesus und die Jünger in ein glaubwürdiges Licht stellen. Die Ambiguität der Gottesknechtsfigur (kollektiv oder individuell) erlaubt Lukas dabei, den Auftrag des Knechts sowohl auf Jesus als auch auf die Jünger zu übertragen. Und dieser Auftrag erklärt die Ausrichtung auf Israel und die Völkerwelt sowie die partielle Zurückweisung durch Israel. 75 Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 220, Tübingen 2008. 74
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hat zum Ziel, Fragwürdigkeiten im Forschungskonsens insbesondere hinsichtlich der lukanischen Christologie und Soteriologie aufzudecken und eine neue Grundlegung der lukanischen Soteriologie zu präsentieren. In aller Regel teilen sowohl Kritiker als auch Verteidiger des Lukas das Axiom einer fehlenden sühnetheologischen Orientierung und einer geminderten soteriologischen Relevanz des Kreuzesgeschehens bei Lukas.76 Dagegen vertritt M ITTMANN-RICHERT in ihrem „Versuch einer forschungsgeschichtlichen Kehrtwende“ nun die These, dass Lukas als derjenige unter den Evangelisten zu gelten habe, „der den Kreuzestod Jesu als Tod des zur Entsühnung Israels und der Heiden in die Welt gesandten Gottesknechts in paulinischer Tiefe reflektiert und das Geschehen sühnender Stellvertretung in erzählerisch höchster Kunst zur Darstellung bringt“. 77 Gegenüber einer in ihrer Interpretation zumeist „anthropologisierten“ lukanischen Soteriologie – in dem Sinn, dass die Erlösung des Menschen letztlich in der Verantwortung des Menschen selbst liegt, der sich nur zur Buße und Umkehr entschließen muss78 – wird hier in ganz neuer Weise herausgestellt, welcher Stellenwert der den christlichen Glauben konstituierenden „Heilswirksamkeit des Kreuzestodes Jesu als des den Sünder von der Macht der Sünde befreienden Ereignisses der Selbsthingabe Gottes an die Welt“ im lukanischen Werk zukommt. 79 Konstitutiv für diesen Neuansatz ist die Erkenntnis, dass im Lukasevangelium Jesus grundsätzlich und insbesondere bei seinem Gang in den Tod konsequent als der Gottesknecht aus Jes 53 stilisiert ist – als der Gottesknecht also, der stellvertretend „unsere Krankheit und unsere Schmerzen trug und um unserer Sünde willen zerschlagen war, auf dass wir Frieden hätten“ (Jes 53,4f). Jes 53 und die drei anderen sogenannten Gottesknechtslieder aus Jes 42.49 und 50 80 sowie die dazugehörigen Bezugstexte sind laut MITTMANN-RICHERT der Grund für die lukanischen Besonderheiten in der Passionserzählung. 81 Aber auch zu Beginn des Evangeliums sowie beim ersten öffentlichen Auftritt Jesu bilden die Gottesknechtstexte den entscheidenden Bezugspunkt für die Darstellung. Und schließlich ist auch die lukanische Ostererzählung darauf ausgerichtet, die Heilsnotwendigkeit des Leidens Jesu und die Erkenntnis derselben unter Rückgriff auf den besagten Traditionszusammenhang hervorzuhe76 Nicht das Kreuz sei hier das Entscheidende, sondern Jesu Auferstehung und Erhöhung. Vgl. stellvertretend den programmatischen Abschnitt „Vom Kreuz keine Spur“ in dem neueren Werk von SELLNER, Das Heil Gottes. Zur Auseinandersetzung mit SELLNER s. v.a. in Kapitel II.B. Anm. 123. 77 MITTMANN-RICHERT, Sühnetod, im Vorwort (S. VIII). 78 Vgl. stellvertretend TAEGER, Der Mensch und sein Heil, 229, demzufolge in der Sicht des Lukas der Mensch nicht ein „zu Rettender“ ist (salvandus), sondern „ein Zurechtzubringender“ (corrigendus). 79 S. MITTMANN-RICHERT, Sühnetod, 9. 80 Zur Einordnung der sogenannten Gottesknechtslieder s.u. Anm. 96. 81 Vgl. die detaillierte Übersicht op. cit., 178f.
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ben. Die Gottesknechtsthematik mit dem inneren Fluchtpunkt des Todes des Knechts, der das Heil für den Menschen ermöglicht, erscheint demnach als Leitgedanke des lukanischen Werkes. Diese Zusammenhänge entfaltet M ITTMANN-RICHERT nach einem ausführlichen Forschungsüberblick über die Diskussion der lukanischen Soteriologie und der mit Jes 53 verknüpften Fragen 82 in vier Hauptteilen: Der thematischen Ausrichtung der Studie entsprechend wird nicht chronologisch vorgegangen, sondern mit einer Untersuchung der Passionserzählung begonnen (I. Der Tod des Knechts); es folgt eine Auslegung der Emmaus-Erzählung in Lk 24,13–35 (II. Die Erhöhung des Knechts), der Nazareth-Perikope Lk 4,16–30, welche zu Beginn des Lukasevangeliums die Verwerfung Jesu vor Augen stellt (III. Der Weg des Knechts im Zeichen des Kreuzes), und abschließend wird der Blick auf die Geburts- und Kindheitsgeschichten gerichtet, besonders auf die Simeonweissagung in Lk 2,25– 35, welche grundlegend das Ziel der Sendung Jesu als des Gottesknechts beschreibt (IV. Die Geburt des Knechts). Die so ausgerichtete Exegese wird durch thematische Exkurse ergänzt, welche in ihrer Gesamtheit „den Grundstock einer neuen Theologie des Lukasevangeliums“ bilden sollen.83 Die Studie von MITTMANN-RICHERT sondiert und systematisiert die lukanischen Texte im Horizont der Jesaja-Rezeption in bis dahin unerreichter Weise und mit großer Überzeugungskraft. Die minutiöse Dokumentation der Belege ist beachtlich und die Erhellung der traditionsgeschichtlichen Zusammenhänge bestechend; dadurch wird tatsächlich eine neue Wahrnehmung des lukanischen Werks unter veränderten Voraussetzungen ermöglicht. Über die Arbeiten von PAO und MALLEN hinaus werden hier die lukanischen Jesaja-Bezüge auch hinsichtlich ihrer soteriologischen Implikationen in aller Konsequenz bedacht. Und so stellt MITTMANN-RICHERT selbst die Aufgabe, diese Implikationen auch für die zweite Hälfte des Doppelwerks zu bedenken und dadurch die am Evangelientext gewonnenen Erkenntnisse zu bestätigen. 84 Trotz aller Divergenzen in der Anlage und in Teilergebnissen weisen die drei genannten Studien einen Weg, den zu beschreiten sich als äußerst loh-
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S. MITTMANN-RICHERT, Sühnetod, 1–86. Die Dokumentation der Forschungslage sowohl in systematisch-theologischer als auch in geschichtlicher Hinsicht geschieht in bemerkenswert detaillierter und zugleich pointierter Weise. Bei den Fragen zu Jes 53 werden u.a. die moderne Stellvertretungsdebatte und der Einfluss der griechischen Textgestalt von Jes 53 auf die urchristliche Traditionsbildung berücksichtigt. 83 Op. cit., 85. Die Exkursthemen sind: a) basilei,a tou/ qeou/ im Lukasevangelium; b) Lk 22,27 und Mk 10,45; c) Tod und Leben des sündigen Menschen nach Lk 22,43f; d) Auferstehung und Erhöhung in Herrlichkeit; e) Die meta,noia Israels und der Heiden; f) Die Verstockung Israels – Geschichte und Heilsgeschichte. 84 S. ebd., 314. Zur Betrachtung aufgegeben werden eine Untersuchung der Reden der Apostelgeschichte, der Gebrauch des Titels pai/j (qeou/) und eine Analyse von Apg 8,26–40 und Apg 20,28 sowie der Jüngerschafts-Thematik.
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Einführung
nenswertes Arbeitsfeld für die weitere Acta-Forschung darstellt. Vor diesem Hintergrund ist nun das Anliegen der vorliegenden Arbeit zu beschreiben.
2. Anliegen der Arbeit 2. Anliegen der Arbeit
Die Theologie des Lukas kann nur recht begreifen, wer dessen Prägung durch alttestamentliche Traditionen vor Augen und durchdrungen hat. Diese grundlegende und durch die zuletzt genannte Forschungstendenz neu in Erinnerung gerufene Einsicht ermutigt zu einer frischen Analyse insbesondere des zweiten Teils des lukanischen Doppelwerkes. Wenn ein Verständnis der hier greifbaren Schriftbezüge ein vertieftes Verständnis der lukanischen Theologie bedingt, so ist die traditionsgeschichtliche Verwurzelung der Acta-Texte in detaillierterer Weise zu prüfen, als bislang geschehen. Die vorliegende Untersuchung verfolgt daher ein doppeltes Ziel. Zum einen soll sie helfen, einen Text in den exegetischen Fokus zu rücken, der in seiner Bedeutung oft nicht gebührend gewürdigt wird, der jedoch als Musterbeispiel für die lukanische Schriftauslegung zu gelten hat und daher den geeigneten Ausgangspunkt der Reflexion darstellt: die Erzählung über Philippus und den äthiopischen Kämmerer in Apg 8,26–40. Diese Passage ist zweifellos eine der schönsten und faszinierendsten Erzählungen der Apostelgeschichte. 85 Allerdings hat sie seit jeher die Ausleger vor viele Fragen gestellt. Die Präsenz der Perikope innerhalb der narrativen Entwicklung der Gesamtschrift scheint seltsam unklar. 86 Manche werden durch die zahlreichen wunderhaften Fügungen und die geheimnisvolle Person an die Weisen aus Mt 2 erinnert: Wie diese erscheine der Eunuch auf der Bildfläche, mit einer Schrift in der Hand, und verschwinde wieder im Dunkel der Geschichte.87 Auch angesichts neuerer Erklärungsversuche 88 ist die Einschätzung von K. BORNHÄUSER immer noch eine treffende Beschreibung der exegetischen Situation: Was soll die merkwürdige Erzählung vom Kämmerer aus dem Mohrenlande im Ganzen der Apostelgeschichte? Sie liegt wie ein erratischer Block zwischen dem Vorhergehenden und dem Folgenden. Aus dem Dunkel Afrikas taucht der Kämmerer auf, und in ihm verschwindet er wieder. Er hat weder ‚Anfang noch Ende‘ wie Melchisedek. Es ist aber nicht anzunehmen, daß Lukas von ihm lediglich berichtet, um eine merkwürdige Geschichte zu erzählen. Sehen wir doch immer deutlicher, daß
85 Mit YOUNG, “Of Whom Speaketh the Prophet This?”, 133; MARTIN, A Chamberlain’s Journey, 105. 86 Vgl. die Darstellung bei PAO, Acts and the Isaianic New Exodus, 140. 87 S. DE MEESTER, Philippe, 360. 88 Die älteren und neueren Studien zur Kämmerer-Erzählung folgen ganz verschiedenen Fragestellungen und behandeln meist nur Teilaspekte. Literatur und Thesen werden daher je an geeigneter Stelle im Fortgang der Untersuchung genannt.
2. Anliegen der Arbeit
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seine Apostelgeschichte ein Werk mit einem feinen wohldurchdachten Plan und von großer schriftstellerischer Kunst ist.89
Eben dies wird hier vorausgesetzt, dass die Apostelgeschichte ein wohldurchdachtes literarisches Gesamtkunstwerk ist, dem innerhalb der biblischen Überlieferung eine einzigartige Bedeutung zukommt. Sie ist nicht nur geschichtlicher Bericht, sondern aufgrund ihrer Verkündigungsabsicht und ihres theologischen Gehalts auch „Medizin für die kranke Seele“, wie es Hieronymus einmal vermerkt. 90 Mit der Problematik der Einordnung der Perikope ist daher unmittelbar die Frage nach der literarischen Arbeit des Lukas und nach seiner theologischen Motivation verknüpft. 91 Eine sorgfältige Analyse der Kämmerer-Erzählung soll diese Fragen einer Antwort zuführen und Licht in das Dunkel der augenscheinlichen Merkwürdigkeit der Episode bringen. Zugleich wird sie – so viel sei vorweg gesagt – das Reflexionsvermögen des Lukas offenbaren sowie seine Fähigkeit, theologische Sachverhalte narrativ abzubilden, um sie seinen Lesern nahezubringen. Dass er dabei in den alttestamentlichen Traditionen zuhause und in ihnen verwurzelt ist, zeigt die Art und Weise seiner Traditionsverarbeitung auf – und darauf verweist innerhalb der Erzählung besonders das ausführliche Zitat aus Jes 53. Die Frage nach der Bedeutung des für die Erzählung so zentralen und für die urchristliche Traditionsbildung so wichtigen Gottesknechtstextes Jes 53 führt unmittelbar zum zweiten Ziel, dem sich die vorliegende Studie verpflichtet weiß: einer übergreifenden Untersuchung der Rezeption und Verarbeitung der jesajanischen Tradition in der Apostelgeschichte. Eine solchermaßen ausgerichtete Untersuchung ist zum einen deshalb geboten, weil auch über Apg 8 hinaus im Erzählverlauf des lukanischen Werks an entscheidenden Stellen explizite Bezüge auf Jesaja zu finden sind, die in ihrer Gesamtheit einer systematischen Interpretation bedürfen.92 Sie ist zum anderen deshalb 89
BORNHÄUSER, Taufe des Eunuchen, 94. Er sieht die Antwort allerdings schlichtweg in dem Wort „Eunuch“. 90 So in Ep. 53,9 mit Blick auf Lukas, den Hieronymus nach altkirchlicher Tradition mit dem Arzt aus Kol 4,14 identifiziert: omnia verba illius animae languentis esse medicinam. Darauf verweist auch KLIJN, Entstehungsgeschichte, 88. 91 Die Frage nach der Identität des Lukas braucht hier nicht gesondert diskutiert werden. Dass beide Teile des lukanischen Doppelwerks auf denselben Autor zurückgehen und das Gesamtwerk eine narrative Einheit darstellt, ist trotz gelegentlicher Infragestellungen, wie sie in jüngerer Zeit etwa durch PARSONS – PERVO, Rethinking the Unity of Luke and Acts, und WALTERS, The Assumed Authorial Unity of Luke and Acts, erfolgt sind, aufrecht zu erhalten. Mit GREEN, Luke-Acts, or Luke and Acts?, und MARGUERAT, The First Christian Historian, 43–64. Dies wird insbesondere durch Kapitel II bestätigt. Vgl. auch TANNEHILL, Narrative Unity 1 und 2, und zur Sache noch den von J. VERHEYDEN herausgegebenen Sammelband The Unity of Luke-Acts. 92 Dies wird grundsätzlich richtig gesehen von BUSS, Missionspredigt, 91, der mit Recht insbesondere die Bezugnahme auf die jesajanische Gottesknechtstradition unterstreicht. Für eine Übersicht über die expliziten Zitate im lukanischen Doppelwerk s.u. im
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Einführung
vonnöten, weil dem – oben nachgezeichneten – gesteigerten Forschungsinteresse auf diesem Gebiet Rechnung zu tragen ist und die bisher erzielten Ergebnisse einer Prüfung und gegebenenfalls einer Weiterführung bedürfen. 93 Ausgehend von der Kämmerer-Episode wird daher in einem zweiten Hauptteil das Augenmerk auf alle Passagen vom Anfang bis zum Ende der Apostelgeschichte gerichtet, die zur Erhellung der lukanischen Jesaja-Rezeption beitragen. Damit wird nicht nur ein Überblick über die signifikanten Stellen ermöglicht, sondern dadurch werden auch die am Einzeltext gewonnenen Einsichten auf eine breitere Basis und in den Horizont des Gesamtwerkes gestellt. Im Anschluss an Apg 8,26–40 lassen sich dabei zwei theologische loci erkennen, für die bei Lukas mit einem entscheidenden Einfluss der jesajanischen Tradition gerechnet werden muss: die Christologie und die Ekklesiologie. Während die lukanische Christologie ohnehin kontinuierlich umstritten ist,94 stellt die lukanische Ekklesiologie eher ein Forschungsdesiderat dar. 95 In beiden Bereichen sind darum Klarstellungen erforderlich. Und für beide Bereiche – dies ist die These – lässt sich eine maßgebliche Prägung des Lukas durch Jesaja feststellen, welche die lukanische Darstellungsweise begreifen hilft. Es ist darum nicht von ungefähr, dass die Frage des Philippus an den äthiopischen Kämmerer in Apg 8,30, „Verstehst du auch, was du liest?“, auf ein vertieftes Verständnis der jesajanischen Schrift zielt, genauer: auf ein vertieftes Verständnis der jesajanischen Gottesknechtstradition. Wie Lukas diese verstanden und inwiefern sie seine theologische Reflexion bestimmt hat, soll durch die nachfolgenden Ausführungen erhellt werden. 96 Der Schwerpunkt Ausblick Anm. 1. Im Licht der Diskussion um die Textgestalt der jesajanischen Schrift (s.o. Anm. 56f) sei angemerkt, dass Lukas im Fall von expliziten Zitaten in der Regel nahe an einem Text ist, wie er sich in LXX Jes findet. S. KOET, Isaiah in Luke-Acts, 82 Anm. 12; STEYN, Septuagint Quotations, 232. Gleichwohl ist eine Prüfung von Fall zu Fall unerlässlich, zumal ein Einfluss der hebräischen Tradition nicht axiomatisch ausgeschlossen werden sollte. 93 Es sei nochmals angemerkt, dass eine monographische Studie, die sich den genannten Zusammenhängen widmet, im deutschsprachigen Bereich noch nicht vorliegt. 94 S.u. in Kapitel II.A. 95 Studien wie die von LOHFINK, Die Sammlung Israels; HAHN, Christ, Kingdom, and Creation; HAACKER, Das Bild der Kirche; GILES, The Church in the Gospel of Luke; THOMPSON, Gathered at Table; WENDEL, Gemeinde in Kraft; ZETTNER, Amt, Gemeinde und kirchliche Einheit; KAMPLING, Erinnernder Anfang; SWEETLAND, Following Jesus; und insbesondere TWELFTREE, People of the Spirit, sind Ausnahmen. 96 Die Frage nach der Abgrenzung der jesajanischen „Gottesknechtslieder“ als den Gottesknechtstexten im engeren Sinn wird bis heute nicht ganz einheitlich beantwortet. Dabei geht es vor allem um die Verse, die über den von DUHM, Jesaja, herausgearbeiteten Grundbestand der ersten drei Lieder hinausführen. Aufgrund der inneren Bezüge lassen sich grundsätzlich folgende Textpartien ausmachen: Jes 42,1–4(5–9); 49,1–6(7–13); 50,4–9(10– 11) und 52,13–53,12. Zu beachten ist freilich, dass auch im weiteren Kontext der Lieder
2. Anliegen der Arbeit
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dieser neuerlichen Untersuchung der Apostelgeschichte ist also nicht ein historischer, sondern ein traditionsgeschichtlicher. Dies ist angesichts der vielfältigen methodischen Ansätze innerhalb der Acta-Forschung nicht unbedingt selbstverständlich, in Anbetracht der reflektierten Traditionsverarbeitung durch Lukas aber oberstes Gebot. Wenn am Ende zumindest die Notwendigkeit einer dezidiert theologischen Betrachtungsweise dieser neutestamentlichen Schrift erkannt wurde, ist schon viel erreicht. 97 Aufgrund der beschriebenen Anlage und Zielsetzung der Arbeit sind die folgenden Seiten in der begründeten Erwartung geschrieben, dass damit eine Wahrnehmung von E. GRÄSSER widerlegt werden kann – die Wahrnehmung nämlich, in der den Problemen der Apostelgeschichte gewidmeten gegenwärtigen Literaturflut werde vieles nur wiederholt, was längst schon gesagt wurde.98 Und so ist der Blick nun zuerst auf eben jene Episode zu richten, durch welche Lukas seinem Leser die jesajanische Schrift aufrollt und vermittels derer er in programmatischer Weise klarstellt, dass er ihm davon ausgehend Jesus verkündigt (s. Apg 8,35).
die Vorstellung von einem „Knecht Gottes“ eine große Rolle spielt und dass moderne Textabgrenzungen nicht auf die Lektüre der alttestamentlichen Schriften durch die urchristlichen Schriftsteller zurückprojiziert werden dürfen. Bei einer Bezugnahme auf eine jesajanische Passage durch Lukas ist darum der Ursprungskontext grundsätzlich mit zu berücksichtigen. Vorauszusetzen ist daneben auch die Einheit des jesajanischen Schriftkorpus (Jes 1–66); vgl. Lk 3,4; 4,17; Apg 8,30; 28,25. 97 Dadurch wird hoffentlich die durch OVERBECK, Christentum und Kultur, 78, so betonte Auffassung vollends überwunden, die Apostelgeschichte stehe neben dem Lukasevangelium „wie eines der armseligsten und ärmsten Bücher“ und es müsse als „eine Taktlosigkeit von welthistorischen Dimensionen“ gelten, dass Lukas überhaupt auf die Idee kam, neben das Evangelium eine Apostelgeschichte zu stellen. 98 GRÄSSER, Forschungen zur Apostelgeschichte, 47.
I. Der Kämmerer und der Knecht: Exegese von Apg 8,26–40 1. Der Text1 26
Ein Engel aber des Herrn redete zu Philippus folgendermaßen: „Steh auf und geh hin um die Mittagszeit an den Weg, der von Jerusalem nach Gaza hinabführt, welcher öde ist.“ 27 Und aufgestanden, ging er hin. Und siehe, ein äthiopischer Mann, ein Eunuch, ein Mächtiger der Kandake, der Königin der Äthiopier, welcher über allen ihren Schätzen war, welcher gekommen war, um anzubeten in Jerusalem: 28 Er war bei der Rückkehr begriffen als auch sitzend auf seinem Wagen und las den Propheten Jesaja. 29 Es sprach aber der Geist zu Philippus: „Tritt hinzu und schließe dich mit diesem Wagen zusammen.“ 30 Als aber Philippus hinzulief, hörte er ihn lesen Jesaja, den Propheten, und sprach: „Verstehst du auch, was du liest?“ 31 Er aber sprach: „Wie denn könnte ich, wenn nicht einer mich anleitet?“ Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen. 32 Der Abschnitt aber der Schrift, den er las, war dieser: „Wie ein Schaf zur Schlachtung geführt wird und wie ein Lamm vor seinem Scherer stumm ist, ebenso tut er seinen Mund nicht auf. 33 In der Erniedrigung wurde sein Gericht aufgehoben. Sein Geschlecht: Wer wird es beschreiben? Denn hinweggenommen von der Erde wird sein Leben.“ 34 Es antwortete aber der Eunuch Philippus und sprach: „Ich bitte dich, von wem sagt der Prophet dies? Von sich selbst oder von einem anderen?“ 35 Es tat aber Philippus seinen Mund auf und anfangend von dieser Schriftstelle aus verkündigte er ihm Jesus. 36 Als sie aber dahinzogen auf dem Weg, kamen sie an ein Wasser und es spricht der Eunuch: „Siehe, Wasser! Was wehrt, dass ich getauft werde?“ 38 Und er befahl, den Wagen anzuhalten, und sie stiegen beide hinab in das Wasser, Philippus und der Eunuch, und er taufte ihn. 39 Als sie aber heraufstiegen aus dem Wasser, riss der Geist des Herrn Philippus fort und es sah ihn nicht mehr der Eunuch, denn er zog seinen Weg voller Freude. 40 Philippus aber wurde in Aschdod gefunden; und durchziehend verkündigte er Freudenbotschaft allen Städten, bis zu seiner Ankunft in Caesarea.
1
I.2.
Für Hinweise zur Übersetzung sowie zur Textkritik s. die Ausführungen in Abschnitt
22
I. Der Kämmerer und der Knecht: Exegese von Apg 8,26–40
2. Übergreifende Analyse 2. Übergreifende Analyse
2.1 Die Stellung der Perikope im Kontext der Apostelgeschichte Die Erzählung ist im Gesamtaufriss der Apostelgeschichte im Zusammenhang einer entscheidenden Schnittstelle zu finden. In Anknüpfung an das Lukasevangelium schafft zunächst der ausführliche Prolog Apg 1,1–14 unter Einbeziehung des mit der Geistverheißung verbundenen Zeugnis-Auftrages an die Jünger, der Himmelfahrt Jesu und der Sammlung der Jünger in Jerusalem2 die Ausgangsbasis für die weitere Entwicklung. Diese Entwicklung folgt anschließend bekanntermaßen dem geographischen Muster gemäß Apg 1,8: Die Jünger sind Zeugen zuerst in der Zionsstadt (Apg 1–8), dann insbesondere in Judäa und Samarien (Apg 8–12) und schließlich „bis an das Ende der Erde“ (Apg 13–28).3 Der erste Teil lässt sich wiederum gliedern in die Entstehung der Gemeinde in Jerusalem (Apg 1,15–2,47), das dortige Wirken der Apostel (Apg 3–5) und die aufkommende Verfolgung, welche ausführlich am Beispiel des Stephanus nachgezeichnet wird und die Zerstreuung der Jünger bewirkt (Apg 6,1–8,4):4 Sie entweichen nach Judäa und Samarien (Apg 8,1b), allerdings unter Kontinuität der Wortverkündigung (Apg 8,4: dih/lqon euvaggelizo,menoi to.n lo,gon). Die Verfolgung aufgrund der Verkündigung erweist sich somit gerade als movens der weiteren Verkündigung. 5 Der zweite Teil greift diese Entwicklung zunächst mit der Darstellung dreier personenbezogener Zyklen auf, in deren erstem die Kämmerer-Episode steht (Apg 8,5–40: Philippus; 9,1–31: Saulus; 9,32–11,18: Petrus). Danach werden in Apg 11,19–12,23 die weiteren Geschehnisse in und um Jerusalem mit der Etablierung von Antiochien als neuem Zentrum der jungen Kirche geschildert. Der Verweis in Apg 12,24f auf die Ausbreitung des Wortes Gottes einerseits (o` de. lo,goj tou/ qeou/ hu;xanen kai. evplhqu,neto)6 und andererseits auf die Rückkehr von Saulus und Barnabas nach Antiochien hat eine 2
Vgl. Lk 24,46–49; Apg 1,4.8.12. Das letzte Glied (e[wj evsca,tou th/j gh/j ) weist freilich über den Bericht des Lukas hinaus. Die Formulierung in Apg 1,8 ist vor allem jesajanisch und macht den alttestamentlichen Traditionszusammenhang deutlich. S. dazu ausführlich in Abschnitt II.B.2.1 . 4 In Apg 4f berichtet Lukas, dass Petrus und Johannes bzw. die Apostel gefangengenommen und unter Bezeugung ihres Christusglaubens vor dem Synhedrium verhört werden. Die Geschehnisse um Stephanus stellen indes eine Steigerung dar: Er ist als Einzelperson angeklagt, es werden Falschzeugnisse vorgebracht, seine Rede ist bedeutend länger und er wird nicht nur gegeißelt (vgl. Apg 5,40 als Steigerung gegenüber der Drohung in Apg 4,21), sondern hingerichtet; die Jünger zerstreuen sich. Eine Analogie zur Passion Jesu ist mehrfach erkennbar (vgl. Mk 14,55f; Lk 22,69; 23,34.46). Zu diesem Sachverhalt s. ausführlich u. in Abschnitt II.B.2.4. 5 Entsprechend FABIEN, Philippe „l’évangéliste“, 160. 6 So auch in Apg 6,7; 19,20; vgl. 13,49. 3
2. Übergreifende Analyse
23
Scharnierfunktion und leitet zum dritten Teil über, da Antiochien der Ausgangspunkt für die erste Missionsreise dieser beiden Protagonisten ist.7 An diese Reise, von der in Apg 13f berichtet wird, schließt sich das Apostelkonzil als „Zwischenspiel“ an (Apg 15,1–35). Die Botschaft zieht weitere Kreise durch die zweite und dritte Missionsreise, die im Zeichen der systematischen Heidenmission durch das Wirken in den Provinzmetropolen (Apg 15,36–18,22) sowie im Zeichen der Kollekte für die Jerusalemer Gemeinde und von Konflikten stehen (Apg 18,23–21,17). Erneut dreigliedrig schildert Lukas sodann in Apg 21,18–28,31 den Weg des Evangeliums in die Welthauptstadt: Auf die Gefangenschaft des Zeugen Paulus in Jerusalem (Apg 21,18–23,35) folgen seine Verwahrung in Caesarea (Apg 24–26) und die Überführung nach Rom, einschließlich seines dortigen Wirkens (Apg 27f). 8 Während am Ende des ersten Teils des Doppelwerkes die Jünger allezeit im Jerusalemer Tempel als dem Zentrum Israels sind und Gott preisen (Lk 24,52f),9 endet der zweite Teil entsprechend programmatisch mit dem Hinweis auf das offene und ungehinderte Predigen und Lehren des Paulus im Brennpunkt des heidnischen römischen Reiches (Apg 28,31: khru,sswn th.n basilei,an tou/ qeou/ kai. dida,skwn ta. peri. tou/ kuri,ou VIhsou/ Cristou/ ). Diese Gesamtentwicklung wird auch in Apg 8,26–40 thematisiert: Der äthiopische Kämmerer pilgert zwar zum Heiligtum nach Jerusalem, seine entscheidende Gottesbegegnung aber hat er – ein Nichtisraelit – auf dem Weg, der von Jerusalem wegführt. Die Struktur der Apostelgeschichte lebt also von einer inneren Bewegung, die aus dem Wort Jesu in Apg 1,8 entsteht; durch immer neue Spannungsbögen wird kompositorisch die theologische Dynamik des Evangeliums zur Anschauung gebracht. 10 Die Signifikanz des lukanischen Gestaltungswillens wird daher wohl am besten durch ein Prophetenwort verständlich, welches ohne weiteres als thematischer Skopus des zweiten Teils des Doppelwerkes
7
Eine andere Akzentuierung dieses zweiten Teils bietet SMITH, Do You Understand What You Are Reading?, 58f. 8 Für den ganzen Abschnitt ist der Zuspruch des ku,rioj in Apg 23,11 wegweisend und bezeichnend: Wie Paulus in Jerusalem Zeugnis abgelegt hat (diamartu,romai), muss er es auch in Rom tun (dei/ marture,w). Eben dies geschieht laut Apg 28,23 (diamarturo,menoj). 9 Das Tempelmotiv ist im Evangelium insgesamt markant und oft speziell lukanisch, s. Lk 1,9.21f; 2,27.37.46; 4,9; 11,51; 18,10; 19,45.47; 20,1; 21,5.37f; 22,52f; 23,45. Vgl. dazu auch Apg 2,46; 3,1–3.8.10; 4,1; 5,20f.24f.42; 21,26–30; 22,17; 24,6.12.18; 25,8; 26,21; ferner 7,48 und 17,24. 10 Dies gilt unabhängig von der Diskussion darüber, inwieweit Apg 1,8 „jesuanisch“ oder „lukanisch“ ist. Der Leser hört den Satz aus Jesu Mund und soll ihn von daher auch als das verstehen, was er ist: nicht lukanisches Programm, sondern Gotteswort, das die Dinge erst dergestalt in Bewegung bringt, wie Lukas sie nun rückblickend darstellen kann. Dass dies zugleich ein erzählerischer Kunstgriff ist, steht außer Frage.
24
I. Der Kämmerer und der Knecht: Exegese von Apg 8,26–40
gelten kann: „Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des Herrn Wort von Jerusalem“ (Jes 2,3; Mi 4,2). 11 Dieses Wort ist wirksames Wort. Und als solches wirkt es dynamisch. Es nimmt seinen Lauf in der Davidsstadt, aber es drängt weit darüber hinaus; es überschreitet Grenzen und öffnet Horizonte; es hält Einzug in öden Provinzwinkeln ebenso wie in mondänen Metropolen. Mit anderen Worten: Die Apostelgeschichte ist keine Erfolgs-Geschichte der Urkirche. Sie ist Schrift gewordenes Zeugnis (marturi,a) des wirkmächtigen Evangeliums. Eben dadurch entspricht sie selbst dem personalen Auftrag Jesu in Apg 1,8, von ihm Zeugnis zu geben (e;sesqe, mou ma,rturej), und eben darum kommt ihr ein unverzichtbarer Wert für die neutestamentliche Überlieferung zu. 12 Wie später noch zu zeigen sein wird, ist diese Dynamik des göttlichen Wortes, welche die Apostelgeschichte insgesamt bestimmt, auch für den Abschnitt Apg 8,26–40 entscheidend. Strukturskizze: Die Dynamik des Evangeliums nach der Apostelgeschichte Prolog
I
II
III
Apg 1,1–14
Apg 1,15 –8,4
Apg 8,5–12,25
Apg 13–28
V. 8:
evn VIerousalh,
evn pa,sh| th/| VIoudai,a| kai. Samarei,a|
e[wj evsca,tou th/j gh/j
1,12: eivj VIerousalh,m
8,1b: kata. ta.j cw,raj th/j VIoudai,aj kai. Samarei,aj
28,14: (…) (…) 13,4: eiv j th. n ~Rw,mhn eivj Ku,pron
(Jes 2,3; Mi 4,2)
11 Der Zusammenhang zwischen Gottes Wort und Jerusalem kommt speziell in Apg 6,7 und 8,14.25 deutlich zum Ausdruck. 12 Die Zeugenschaft ist abgesehen von den johanneischen Schriften v.a. bei Lukas prominenter Topos (vgl. insbesondere noch Lk 24,48; Apg 1,22; 2,32; 3,15; 5,32; 10,39.41; 22,15; 26,16). STRATHMANN, Art. ma,rtuj ktl., 495–498, macht für den lukanischen Gebrauch der Wortfamilie eine Unterscheidung von „Tatsachenzeugen“ (eigentlich nur die Apostel) und aus Glauben zum Glauben rufenden „Wahrheitszeugen“ (v.a. Paulus) aus; in Apg 22,15 und 26,16 würde in einem nicht besonders glücklichen Versuch die Vorstellung des „Tatsachenzeugen“ auf Paulus übertragen. Die Anwendung auf Stephanus in Apg 22,20 zeige dagegen, dass letztlich das Konzept des „Bekennerzeugen“ übriggeblieben ist. Gegenüber solch einer vermeintlich festen „Konzeptualisierung“ bleibt jedenfalls festzuhalten, dass sich Paulus und Barnabas nach Apg 13,46f explizit in den jesajanischjesuanischen Zeugenauftrag gemäß Apg 1,8 einfügen.
25
2. Übergreifende Analyse
Steht die Grundkonzeption der Apostelgeschichte vor Augen, so kann nun Apg 8,26–40 innerhalb des unmittelbaren Kontextes genauer untersucht werden. Wie bereits gesehen, ist die Perikope Teil des Philippus-Zyklus Apg 8,5– 40, welcher wiederum eng verbunden ist mit der Schaltstelle Apg 8,1b–4 und den nachfolgenden Erzählungen über Saulus (Apg 9,1–31) und Petrus (Apg 9,32–11,18). Diese Verknüpfung wird an mehreren Dingen deutlich. Wie Lukas auch sonst Handlungsträger durch die Verbindung „Subjekt + de,“ einführt,13 so wird in Apg 8,1a als Abschluss der Stephanus-Erzählungen (Apg 6,8–7,60) nun der vorher in Apg 7,58 nur nebenbei erwähnte Saulus in den Vordergrund gerückt. In Zusammensicht mit den nachfolgenden Versen Apg 8,1b–4 ergibt sich – zumal V. 1a auf das Vorhergehende bezogen ist und V. 4 entsprechend als Überschrift über dem Folgenden steht14 – in diesem Fall eine parallele Struktur: … 8,1a 8,1b–2 8,3 8,4 …
Sau/loj de, die Zerstreuten (+ Apostel + gottesfürchtige Männer) Sau/loj de, die Zerstreuten
Verfolger Verfolgte Verfolger Verfolgte
Gleichwohl führt Apg 8,5 mit Fi,lippoj de, die Erzählung eigenständig weiter. Er ist für dieses Kapitel nunmehr die Zentralfigur der Geschehnisse, wodurch die allgemeine Aussage von Apg 8,4 über die umherziehenden Verkündiger personalisiert wird. Dem bereits von Apg 6,5 her bekannten Philippus 15 werden in einem ersten Teil (Apg 8,5–13) das samaritanische Volk (V. 6: prosei/con de. oi` o;cloi) wie auch Simon der Magier (V. 9: anh.r de, tij ovno,mati Si,mwn) als Gegenüber zugeordnet. In Apg 8,14–25 bietet Lukas einen Einschub, da hier Petrus und Johannes ins Bild kommen und auf die durch Philippus gläubig Gewordenen sowie auf Simon Magus treffen. In einem weiteren Abschnitt (V. 26–40) mit gänzlich anderem Gepräge als dem der öffentlich-städtischen Wirksamkeit in Samaria rückt dann wiederum Philippus in den Vordergrund – auf den Impuls des Engels bzw. des Geistes hin
13
Vgl. etwa Apg 3,1; 4,32; 5,1 und in Apg 6,8 Stephanus. Vgl. HAENCHEN, Apg, 292. 15 Dort wird er als zweiter der sieben gewählten „Armenpfleger“ genannt, die einen guten Ruf haben und voll heiligen Geistes und Weisheit sind (Apg 6,3). Dieser ist hier gemeint, nicht der Apostel gleichen Namens, welcher in Apg 1,13 erwähnt wurde. Zur Frage der Identität des Philippus s.u. den Exkurs „Die Person des Philippus in historischer Perspektive“. 14
26
I. Der Kämmerer und der Knecht: Exegese von Apg 8,26–40
(V. 26.29) und in einer Einzelbegegnung mit dem äthiopischen Schatzmeister.16 Ist der Philippus-Erzählkranz zunächst ein personalisiertes und programmatisches Beispiel für die Entwicklung der Verfolgten und Zerstreuten, so folgt in Apg 9 der Bericht über die Entwicklung des Verfolgers, abermals eingeführt durch die Konstruktion „Subjekt + de,“ (V. 1). Die in Jerusalem zurückgebliebenen Apostel (Apg 8,1b) rücken nach den Einschüben in Apg 8,14–25 und 9,27 dann ausführlich in den Blick mit dem dritten, um Petrus kreisenden Zyklus Apg 9,32–11,18. Im Anschluss daran wird die Formulierung aus Apg 8,4 (oi` me.n ou=n diaspare,ntej dih/lqon euvaggelizo,menoi to.n lo,gon) in Apg 11,19 wörtlich aufgenommen und weitergeführt (oi` me.n ou=n diaspare,ntej … dih/lqon … lalou/ntej to.n lo,gon), wodurch der gesamte Abschnitt Apg 8,5–11,18 als in sich zusammengehörig ausgewiesen ist. 17 Sichtet man ferner die Abschlüsse der verschiedenen Abschnitte in Apg 8, so fällt ins Auge, dass in V. 4.25.40 jeweils euvaggeli,zomai gebraucht wird,18 und zwar stets verbunden mit einem Bewegungsverb, wodurch das Fortschreiten des Evangeliums in seiner Dynamik angezeigt ist:
16 Die Verse werden außer durch die Person des Philippus auch sachlich zusammengehalten durch die jeweilige Verkündigung an Randgruppen (Samaritaner bzw. Eunuch; mit SCHNEIDER, Apg I, 480). Während bei der Aussendung der Jünger nach Mt 10,5 Jesus diese anweist, nicht in eine Stadt der Samariter bzw. nicht den Weg zu den Heiden zu gehen, tut Philippus nach Apg 8 genau dies: Er geht zu den Samaritern und auf den Weg zu den Heiden (s. BAUERNFEIND, Apg, 122, und ihm folgend HENGEL, Der Historiker Lukas und die Geographie Palästinas, 164). Die Anweisung Jesu wird aber gerade in Lk 9 und 10 nicht geschildert; dort wird vielmehr durch das lukanische Gleichnis vom barmherzigen Samariter bereits der Weg für die Philippus-Erzählungen geebnet. Die Verknüpfung der Philippus-Mission mit dem Besuch von Petrus und Johannes in Samarien wurde vielleicht erst von Lukas vorgenommen. S. HENGEL, Zur urchristlichen Geschichtsschreibung, 69. 17 Auch in dem gliedernden Vers Apg 8,25 findet sich die Formulierung „oi` me.n ou=n + Partizip“. Die weiteren Entsprechungen zwischen Apg 8,5–25 und 11,19–30 (Verkündigung an einem speziellen Ort, über judäische Adressaten hinaus, mengenhafte Bekehrung, legitimierender Besuch aus Jerusalem) sind auffällig, allerdings steht in Apg 8 Philippus als Zentralfigur im Vordergrund, in Apg 11,19–30 bleiben die Verkündiger (Pl.) anonym; im Vordergrund stehen hier die antiochenische Gemeinde, die erneute Zusammenführung von Barnabas und Saulus, das Auftreten des Agabus und die Verbindung mit Jerusalem. 18 Euvaggeli,zomai ist gerne verwendetes lukanisches Wort: Im Evangelium außer für Engel (Lk 1,19; 2,10) und den Täufer (3,18) speziell für Jesu Verkündigung (4,18.43; 7,22; 8,1; 16,16; 20,1) bzw. für die daraus abgeleitete Verkündigung der Jünger (9,6); das Vorkommen in der Apostelgeschichte (Apg 5,42; 8,12.25.35.40; 10,36; 11,20; 13,32; 14,7.15.21; 15,35; 16,10; 17,18) zeigt eine Betonung in Kapitel 8 an, zumal Lukas auch anders formulieren kann.
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2. Übergreifende Analyse Apg 8,4: Apg 8,25: Apg 8,40:
dih/lqon euvaggelizo,menoi (to.n lo,gon) u`pe,strefon … euvhggeli,zonto dierco,menoj euvhggeli,zeto
die Zerstreuten19 Petrus + Johannes Philippus
Ist in Apg 8,4 durch den ingressiven Aorist eher das Einsetzen des Umherziehens und durch das Partizip die Art des Umherziehens angedeutet („verkündigend“), so wird V. 25 durch die Imperfektformen die in mehreren Dörfern wiederholte Verkündigung ausgedrückt; in V. 40 ist dann – in Kontinuität zu V. 25 und in Umkehrung zu V. 4 – die beständige Verkündigung (Impf.) in ihrer Art beschrieben (Partizip: „umherziehend“). Der Zusammenhang der drei Stellen bleibt markant, auch wenn zusätzlich in V. 12 und V. 35 die Verkündigung des Philippus ähnlich geschildert wird (euvaggeli,zomai) und in V. 25 die des Petrus und Johannes vorher mit diamartu,romai und lale,w to.n lo,gon tou/ kuri,ou noch weiter umschrieben ist. 20 Aus alledem wird deutlich, dass die Erzählungen in der Prädominanz des Wortes gründen und primär dessen Wirkkraft aufzeigen. Schließlich strukturieren auch die Ortsangaben den Text. Apg 8,1b verweist allgemein auf Judäa und Samarien als Wirkungsgebiet der Zerstreuten. In V. 5 wird dann nicht nur die Verkündigung personalisiert, sondern auch der Wirkungsort spezifiziert: die Hauptstadt Samariens.21 Ziehen die laut Apg 8,14 aus Jerusalem dorthin gesandten Petrus und Johannes in V. 25 durch Samarien wieder nach Jerusalem, so führt mit V. 26 auch der Weg des Philippus aus Samarien nach Judäa: an den Weg von Jerusalem nach Gaza. Apg 8,40 zeichnet dann sein Wirken über Aschdod und die Küstengegend bis nach Caesarea Maritima nach. Mit dem Neueinsatz der Saulus-Erzählung in Apg 9,1f wird der Blick zunächst nach Jerusalem und Damaskus gewendet, mit 19 Dazu unter Vereinseitigung des Verkündigungsimpulses etwas zu platt HAENCHEN, Apg, 292: „Die Verstreuten machen also aus ihrer Flucht eine Missionsfahrt“. Besser SCHNEIDER, Apg I, 487: Die „aufgezwungene Zerstreuung der Hellenisten bringt das Wort der christlichen Botschaft zur Ausbreitung.“ 20 Dass Lukas in Apg 8,5 in Entsprechung zu V. 4 fortfährt (kate,rcomai + khru,ssw), hat eine Parallele in Apg 11,19f. 21 In einigen Handschriften fehlt der Artikel zu po,lij, was die Stadt unbestimmt ließe. Die etwas gewichtigere Bezeugung bietet die Näherbestimmung als „die (Haupt-)Stadt Samariens“. Plädiert wird meist für Sebaste (früher Samaria, durch Herodes d. Gr. hellenisierte Hauptstadt) oder das religiöse Zentrum Sichem, wo stärker mit samaritanischem Volk zu rechnen war (z.B. SCHILLE, Apg, 201: Sebaste, aber wohl pars pro toto; ROLOFF, Apg, 133: Ortsangabe ungenau, Lukas wird an Sebaste gedacht haben, aber eher Sichem; PESCH, Apg I, 272: vorlukanisch wohl Sichem). Dagegen kommt H ENGEL, Der Historiker Lukas und die Geographie Palästinas, 175–182, aufgrund verschiedener Beobachtungen (Sama,reia ist sonst bei Lukas stets Gebietsbezeichnung; Sebaste galt als überwiegend heidnische Stadt, Sichem war zerstört, u.a.) zu dem Ergebnis: „Man muß wohl an einen samaritanischen ‚Hauptort‘ denken, dessen Name Lukas entweder nicht mehr kannte oder als unwesentlich beiseite ließ“ (op. cit., 181). Aus dem Kontext wird jedenfalls klar: Es geht sowohl um samaritanisches Volk wie auch um heidnischen Einfluss.
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I. Der Kämmerer und der Knecht: Exegese von Apg 8,26–40
V. 26–31 dann aber wieder nach Jerusalem und über Caesarea nach Tarsus. Ab V. 32 folgt daraufhin die Schilderung des Wirkens des Petrus in Lydda, Joppe und wiederum in Caesarea. Insofern ist Apg 8,40 nicht nur Abschluss des Philippus-Zyklus, sondern auch Anknüpfungspunkt für die unmittelbar anschließenden Erzählungen. Dazu kommt noch eine mittelbare Verbindung: Die einzige Stelle außerhalb von Apg 8, an der Philippus später noch erwähnt wird (Apg 21,8f), lokalisiert ihn in ebenfalls in Caesarea und nimmt Bezug auf sein in Kapitel 8 geschildertes Wirken. 22 Es zeigt sich also, dass die Begegnung des Philippus mit dem äthiopischen Eunuchen nicht lose in einem Verbund gesammelter Einzelgeschichten steht und auch ausgelassen werden könnte; sie ist vielmehr eingewoben in einen größeren Zusammenhang, der sich nicht zuletzt auch deshalb als durchdachte Komposition darstellt, weil deutliche Parallelen zwischen Apg 8,26–40 (Bekehrung und Taufe des Eunuchen), 9,1–19 (Bekehrung und Taufe des Saulus) und 10,1–48 (Bekehrung und Taufe des Kornelius) zu erkennen sind. 23 Aus den Beobachtungen ergibt sich folgende Strukturübersicht:
22 Paulus kommt auf seiner letzten Jerusalemreise dort in seinem Hause unter. Philippus wird jetzt charakterisiert als euvaggelisth,j (vgl. Apg 8,12.35.40), nunmehr mit vier jungfräulichen und weissagenden Töchtern, was seine Assoziation mit dem göttlichen Geist noch unterstreicht. Zu weiteren Nachrichten über Philippus und seine Töchter s.u. den Exkurs „Die Person des Philippus in historischer Perspektive“. 23 So richtig gesehen von PETERSON, Acts, 292, und SCHREIBER, „Verstehst du auch, was du liest?“, 46–48.60, der von einer „Bekehrungstriade“ spricht. Für BRUCE, Philip and the Ethiopian, 378, steht die Erzählung dagegen im Kontext isoliert und unverbunden mit allem, was vorausgeht oder nachfolgt, so dass sogar gelte: „[I]f it were removed, there would be nothing to indicate that anything of the kind had ever stood there“. Geht man so schematisch heran, dann müsste dies für eine ganze Reihe von Texten im Neuen Testament gelten und im engeren Kontext z.B. auch für Apg 1,15–26; 8,14–25 oder den PhilippusErzählkranz im Ganzen.
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2. Übergreifende Analyse … 8,1a
Jerusalem
Sau/loj de, 8,1b–2
8,3
Pa,ntej de. diespa,rhsan (plh.n tw/n avposto,lwn) [+ a;ndrej euvlabei/j]
> Judäa + Samarien
Sau/loj de, 8,4
Oi` me.n ou=n diaspare,ntej >> dih/lqon euvaggelizo,menoi to.n lo,gon --------------8,5 Fi,lippoj de, (>> katelqw.n evkh,russen) 8,14–25
Pe,troj kai. VIwa,nnhj Jer./ >> u`pe,strefon Samar./ euvhggeli,zonto Jer. > Weg v. Jer. nach Gaza > Aschdod – Caesarea [= Judäa + Samarien]
8,40
Fi,lippoj de, >> dierco,menoj euvhggeli,zeto --------------9,1ff ~O de. Sau/loj
9,32ff
> Samarien
> Jer. + Damaskus > Jer., Caesarea + Tarsus
Pe,troj
--------------11,19 Oi` me.n ou=n diaspare,ntej >> dih/lqon lalou/ntej to.n lo,gon
> Lydda, Joppe + Caesarea [= Judäa + Samarien]
> Phönizien, Zypern + Antiochia
…
In Apg 11,20–30 kommen alle drei Linien zusammen, in Kapitel 12 wird die apostolische weitergeführt, ab Apg 13 tritt dann wiederum Saulus auf den Plan, allerdings von der mittleren Linie aus: Antiochien, das neue Zentrum der Zerstreuten, ist Startpunkt seiner Missionsreisen. Die Verwobenheit der Erzählstränge geht also weiter und ist literarisches Charakteristikum der Apostelgeschichte. 2.2 Sprachlich-syntaktische Beobachtungen Was nun die Perikope Apg 8,26–40 an sich betrifft, so sind hier gleichermaßen sowohl syntaktische als auch parataktische Satzkonstruktionen zu finden. Dabei wird als Konjunktion kai, ebenso gebraucht wie de, – ersteres insbesondere in V. 27f.38, aber nur selten als Satzeinführung, letzteres stets adversativ
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I. Der Kämmerer und der Knecht: Exegese von Apg 8,26–40
oder zur Hervorhebung eines neuen Sinnabschnittes. 24 Für einen semitisierenden Stil sprechen unter anderem die Redeeinleitungen in V. 26.34, 25 die participia graphica in V. 27.35 bzw. die entsprechende Koordination der Imperative in V. 26.29 26 und die Verbindung von kai, mit ivdou, (V. 27; vgl. V. 36).27 Sprachgewandtheit zeigen ferner die Paronomasie in V. 30 (ginw,skw – avnaginw,skw)28 oder der ungewöhnliche Konditionalsatz mit Optativ in V. 31 auf.29 In die narratio sind direkte (V. 26.29.30.31.34.36) wie auch im weitesten Sinn indirekte Reden eingebettet (V. 31.35.38.40). 30 Auffällig ist dabei, dass nur die beiden ersten, von göttlicher Seite ausgehenden Anreden an Philippus imperativen Charakter haben; die direkten Reden zwischen Philippus und dem Eunuchen bestehen ausschließlich aus Fragen. 31 Dadurch wird nicht nur die Vorrangigkeit und Wirkmächtigkeit des Wortes Gottes akzentuiert, sondern auch das Reflexionsniveau des Textes angedeutet, und zwar auf textinterner wie auch auf textpragmatischer Ebene. Gegenüber allen Reden besticht indes das Zitat aus Jes 53 in V. 32f durch seine Ausführlichkeit, wodurch bereits die Bedeutung dieser Stelle für das Gesamtverständnis der Erzählung hervorgehoben und ihre Relevanz für die lukanische Theologie angedeutet ist.32 Inwieweit dieses Zitat auch das formale Zentrum der Perikope bildet, ist gleich noch genauer zu diskutieren. Der Duktus der Erzählung wird jedenfalls wesentlich von den vielen Verbformen bestimmt. Unter ihnen fallen nicht nur die beiden doppelten Imperative ins Auge (V. 26.29), sondern auch die adäquate Verwendung der Tempora 24
Insgesamt 14x kai,; de, (10x: V. 26.29.30.31.32.34.35.36.39.40) steht meist satzeinführend. 25 Vgl. BLASS – DEBRUNNER – REHKOPF, Grammatik, § 420; HOFFMANN – VON SIEBENTHAL, Grammatik, § 239. 26 Vgl. BLASS – DEBRUNNER – REHKOPF, Grammatik, § 4192.4; HOFFMANN – VON SIEBENTHAL, Grammatik, § 238. 27 Zur Ellipse nach ivdou, s. HOFFMANN – VON SIEBENTHAL, Grammatik, § 256d; B LASS – DEBRUNNER – REHKOPF, Grammatik, § 128 12. 28 Vgl. HOFFMANN – VON SIEBENTHAL, Grammatik, § 294f. 29 Vgl. HOFFMANN – VON SIEBENTHAL, Grammatik, § 283a. 30 Das Zitat der Schriftstelle in V. 32f lässt sich ebenfalls der direkten Rede zuordnen, eben weil es im Erzählzusammenhang laut wird. Die „indirekten Reden“ in V. 35.38.40 sind Zusammenfassungen und geben weniger den Wortlaut wieder. 31 Einzig der elliptische Ausspruch ivdou. u[dwr in V. 36 hat für sich genommen konstatierenden Charakter; allerdings wird er sofort in eine Frage eingebunden. 32 Eine Entsprechung dazu findet sich in Lk 4, wo Jesus in seiner Antrittspredigt in Nazareth die markante Stelle Jes 61,1f vorliest und seinen Auftrag von daher entfaltet. Zur Deutung der ganzen Perikope vgl. MITTMANN-RICHERT, Sühnetod, 256–285. Außerhalb der Stephanusrede, die vor allem auf die Tora rekurriert, finden sich in der Apostelgeschichte als direkte Zitate aus dem Alten Testament insbesondere solche aus zwei Schriftkorpora: aus dem Psalter und aus Jesaja (vgl. die Übersicht im Ausblick Anm. 1). Dadurch wird die Signifikanz des Zitats in Apg 8,32f für die lukanische Theologie noch gesteigert.
2. Übergreifende Analyse
31
bzw. der Aspektivität: Die Reden zwischen Philippus und dem Eunuchen sind präsentisch formuliert, ansonsten dominieren Aorist-Formen, was dem Ereignis-Charakter der Erzählung entspricht; durativem bzw. iterativem Sinn gemäß imperfektisch geprägt sind die Beschreibung des Eunuchen und die Schilderung seiner Lektüre bei der Einführung des Jesaja-Zitats, das Weiterziehen in V. 36.39 und die anschließende Verkündigung des Philippus in der Küsten-Gegend. Ferner finden sich Infinitiv-Konstruktionen in V. 31.36.38, jeweils im Zusammenhang einer Bitte bzw. eines Befehls des Eunuchen, und in V. 40, wo die Ankunft des Philippus in Caesarea substantivisch formuliert wird, was zugleich den Schlusspunkt des Philippus-Zyklus markiert.33 Wer annimmt, die Perikope sei nur um des „exotischen Kolorits“ willen von Lukas aufgenommen oder eingefügt worden, 34 der dürfte eigentlich mehr farbenreiche Ausschmückung erwarten. Zwar wird der Eunuch in V. 27 nominal und durch Relativsätze seiner Funktion und Herkunft nach näher charakterisiert und in V. 28 durch coniugatio periphrastica in seiner momentanen Situation beschrieben, die einzigen Adjektive im gesamten Abschnitt sind aber e;rhmoj in V. 26, bezogen auf den Weg nach Gaza, und a;fwnoj in V. 32 für die Haltung des zur Schlachtung geführten Schafes im Jesaja-Zitat. Die Partizipialformen sind fast ausschließlich auf Bewegungsabläufe bezogen und zeichnen somit eher den Handlungsfortschritt nach, als dass sie die Handlungsumstände ausmalen. Man weiß bis zum Ende nichts über Aussehen und Gefühle der Protagonisten noch darüber, wie genau der Wagen beschaffen war oder der Weg verlief; alles unterliegt einer gewissen deskriptiven Zurückhaltung. Mit anderen Worten: Alles ist konzentriert auf die folgenreiche Begegnung selbst. Emphatisch wirken daher einzig das eingangs auf den Weg bezogene e;rhmoj und das hinsichtlich des Eunuchen abschließende modale participium coniunctum cai,rwn (V. 39). Dieses Wortpaar führt einen schlichten und doch gewichtigen Aspekt der Erzählung vor Augen: Der menschenleere Weg hat sich in einen Weg der Freude gewandelt. 35 Für das Verständnis der Perikope ist sodann eine weitere Beobachtung maßgeblich. Während die Anastrophe in Apg 8,40 mit derjenigen in Apg 8,5 eine inclusio für den ganzen Philippus-Zyklus bildet (je Fi,lippoj de, in Verbindung mit dessen Wortverkündigung) und dadurch die Zusammengehörigkeit der dazwischen liegenden Erzählungen verstärkt, heben die weiteren Anastrophen in Apg 8,26.32.39 die göttliche Interaktion durch Engel und Geist bzw. durch das göttliche Wort hervor. Offenbar ist Lukas daran gele-
33
Vgl. BLASS – DEBRUNNER – REHKOPF, Grammatik, § 403 5. Inhaltlich weniger bedeutsam ist die Beobachtung, dass in Apg 8,26–30, d.h. bis zur einsetzenden Unterhaltung der beiden Protagonisten, Partizipien gehäuft vorkommen und danach nur noch im JesajaZitat und in V. 35.40. 34 Dies gilt nach PLÜMACHER, Art. Apostelgeschichte, 502, zumindest für V. 27. 35 Vgl. SCHREIBER, „Verstehst du auch, was du liest?“, 68.
32
I. Der Kämmerer und der Knecht: Exegese von Apg 8,26–40
gen, auch sprachlich zu betonen, was für ihn theologisches Gewicht besitzt: dass Gott dem Menschen grundsätzlich zuvorkommt. 36 2.3 Semantische und narrative Aspekte Die Perikope Apg 8,26–40 enthält mehrfach sowohl neutestamentliche hapax legomena als auch speziell oder typisch lukanische Begrifflichkeiten. Zu ersteren gehören neben den Lokalangaben Ga,za und :Azwtoj (V. 26.40) vor allem Nomen, welche das Gegenüber des Philippus näher beschreiben und auf die Besonderheit der Begegnung verweisen: euvnou/coj,37 Aivqi,oy und Aivqio,pwn, Kanda,kh und ga,za38 – alle akkumuliert in V. 27. Hinzu kommt die Einführung der Schriftstelle als perioch, (V. 32).39 Speziell lukanisch sind meshmbri,a (V. 26),40 die Präposition evnanti,on (V. 32)41 und Kaisa,reia als weitere Ortsangabe (V. 40).42 Sonst kaum oder mehrheitlich bei Lukas verwendet werden die Verbindung a;ggeloj kuri,ou,43 die Nomen basi,lissa,44 duna,sthj45 und a[rma,46 die Verben u`postre,fw,47 kolla,w,48 prostre,cw,49 o`dhge,w,50 de,omai,51 kwlu,w,52 keleu,w 53 und die,rcomai 54 sowie das Zweizahlpronomen avmfo,teroi.55 36
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Eunuch von sich aus nach Jerusalem gepilgert ist, denn Gott kommt beiden Protagonisten zuvor: Philippus durch sein Eingreifen und sein Wort, dem Eunuchen durch die Schrift und durch Philippus. Gerade darin liegt dann ja auch das Erstaunliche: dass der Eunuch seine Gottesbegegnung nicht in Jerusalem erfährt, wo er sich von selbst hinbegeben hat, sondern in der Ödnis, unerwartet und überraschend, kurz: ab extra se. 37 Sonst nur noch Mt 19,12 im Plural und als Verb. 38 S. BLASS – DEBRUNNER – REHKOPF, Grammatik, § 6 2 zu persischen Lehnwörtern. 39 Dazurechnen könnte man auch den Optativ von du,namai aus V. 31. 40 Nur noch in Apg 22,6. Zur Diskussion um ein temporales bzw. lokales Verständnis s.u. den Exkurs „Kata. meshmbri,an und die Stunde der Offenbarung“. 41 Hier im Zitat entsprechend der LXX, aber auch in Lk 1,6; 20,26; 24,19; Apg 7,10; vgl. BLASS – DEBRUNNER – REHKOPF, Grammatik, § 214 4. 42 Nur in der Apostelgeschichte (15x: Apg 8,40; 9,30; 10,1.24; 11,1; 12,19; 18,22; 21,8.16; 23,23.33; 25,1.4.6.13). Caesarea Philippi wird erwähnt in Mt 16,13 und Mk 8,27. 43 Außer im lukanischen Doppelwerk nur noch Mt 1,20.24; 2,13.19; 28,2 (vgl. Joh 5,4). 44 Nur noch Lk 11,31 par. Mt 12,42 (Königin des Südens: basi,lissa no,tou) und Offb 18,7 (die Hure Babylon). 45 Noch 1Tim 6,15 (auf Gott bezogen) und pluralisch im Magnificat (Lk 1,52). 46 Außer in Apg 8,28.29.38 nur noch in Offb 9,9 beim Vergleich des Rasselns der Heuschreckenflügel mit dem Rasseln von Wagen vieler Rosse (w`j fwnh. a`rma,twn i[ppwn pollw/n). 47 Außer im lukanischen Doppelwerk nur in Gal 1,17; 2Petr 2,21 und Hebr 7,1. 48 Nur noch in Mt 19,5; Röm 12,9; 1Kor 6,16f; Offb 18,5. 49 Nur noch in Mk 9,15; 10,17. 50 Nur noch in Lk 6,39 par. Mt 15,14; Joh 16,13; Offb 7,17. 51 Außer im lukanischen Doppelwerk noch in Mt 9,38; Röm 1,10; 2Kor 5,20; 8,4; 10,2; Gal 4,12; 1Thess 3,10.
2. Übergreifende Analyse
33
Der ganze Abschnitt ist – vor allem in V. 26–31 und V. 36–40 – durchdrungen von Bewegungsmotivik und -vokabular: a) Philippus soll aufstehen und hingehen (avni,sthmi und poreu,omai) an einen Weg (o`do,j), der von Jerusalem wegführt (katabai,nw) – dies wird genau befolgt (avnasta.j evporeu,qh). Der Eunuch war gekommen (e;rcomai), um anzubeten, und kehrt auf einem Wagen sitzend zurück (u`postre,fw, kaqi,zw, a[rma). Philippus soll hinzulaufen und sich mit dem Wagen des Eunuchen zusammenschließen (prose,rcomai und kolla,w), was er wiederum befolgt (prostre,cw). Der Eunuch hat niemanden, der ihn anleitet und führt (so die eigentliche Bedeutung von o`dhge,w), bis Philippus zu ihm aufsteigt (avnabai,nw) und sich zu ihm setzt (kaqi,zw), was einen ersten erzählerischen Höhepunkt darstellt. Da nun beide auf dem Wagen sitzen, entsteht ein zweiter Handlungsstrang. b) Die Hauptakteure ziehen dann beständig weiter auf dem Weg (poreu,omai kata. th.n o`do,n). Die Ankunft an einer Wasserstelle (e;rcomai) und das Anhalten des Wagens (i[sthmi to. a[rma) bereiten einen zweiten Höhepunkt vor, der sich in einer neuen Bewegung vollzieht: im Hinabsteigen und Heraufkommen bei der Taufe (katabai,nw und avnabai,nw).56 c) Nun teilen sich die Wege der Protagonisten wieder: Philippus wird hinweggerissen (a`rpa,zw) und kommt umherziehend bis nach Caesarea (die,rcomai bzw. e;rcomai); der Eunuch zieht weiter seines Weges (poreu,omai th.n o`do,n). Im Schaubild: Philippus
Eunuch
Jes 53 P
E Taufe
Philippus
Eunuch
52 Mehrheitlich im lukanischen Doppelwerk. Für die zu behandelnden Verse ist insbesondere der Zusammenhang mit Apg 10,47f und 11,17 von Bedeutung: Jeweils geht es um die Taufe bzw. um die Frage eines Hinderungsgrundes dafür. 53 Außer in der Apostelgeschichte noch in Lk 18,40; Mt 8,18; 14,9.19.28; 18,25; 27,58.64. 54 HAENCHEN, Apg, 291 Anm. 1, führt den lukanischen Gebrauch auf das Vorbild der LXX zurück. In Apg 10,38 wird damit auch Jesu Wirksamkeit beschrieben. 55 Außer im lukanischen Doppelwerk noch in Mt 9,17; 15,14; Eph 2,14.16.18. 56 Beide Verben werden bereits in V. 26 und V. 31 gebraucht: Der Weg führt von Jerusalem hinab nach Gaza (katabai,nw) und Philippus steigt auf den Wagen (avnabai,nw).
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I. Der Kämmerer und der Knecht: Exegese von Apg 8,26–40
Umgekehrt ist durchgehend – vor allem in V. 32–35 – auch das Wortgeschehen hervorgehoben: a) Am Anfang steht der Auftrag des Engels an Philippus; die Anweisung wird alsdann vom Geist noch präzisiert (lale,w, le,gw). Philippus hört den Eunuchen die Jesaja-Rolle lesen (avnaginw,skw, avkou,w), spricht ihn darauf an (le,gw, ginw,skw – avnaginw,skw) und bekommt eine erste Antwort (le,gw): das Gelesene wird nicht verstanden. Indirekt wird dann die Bitte des Eunuchen geschildert, Philippus solle aufsteigen (parakale,w). b) Die Verse 32–3557 sind geprägt durch das ausführliche Schriftzitat von Jes 53,7f, das für den zweiten Handlungsstrang nachträglich in den Vordergrund rückt, was vorher bereits den Anknüpfungspunkt für den ersten Dialog bot. In der Einführung wird erneut das Lesen der Schrift betont (grafh,, avnaginw,skw). Das Zitat selbst geht dann dreimal auf das Wortgeschehen ein: Wie ein Schaf stumm ist (a;fwnoj), öffnet der Gottesknecht seinen Mund nicht (ouvk avnoi,gei to. sto,ma auvtou/ ); wer aber wird von seinem Geschlecht erzählen (dihge,omai)? Es folgt die Rückfrage des Eunuchen (avpokri,nomai, le,gw) und die Antwort des Philippus (avnoi,gw to. sto,ma auvtou/, euvaggeli,zomai) – in ein Wort gefasst: VIhsou/j. Als Reaktion darauf redet der Eunuch erneut Philippus an (fhmi,) und indirekt wird sein Haltebefehl geschildert (keleu,w). Ab dann scheint alles gesagt; die Taufe kommt – zumindest auf der Textebene – ohne Rede aus. c) Abschließend wird lediglich noch die Verkündigung des Philippus in der Küstenebene beschrieben, die sich nicht mehr an den Eunuchen richtet (euvaggeli,zomai). Als Gegensatz erweist sich in der vorliegenden Perikope das Verhältnis zwischen Stadt und Wüste. Dieses wird gleich in V. 26f thematisiert, indem Philippus in die Ödnis zwischen Jerusalem – dorthin war der Eunuch gekommen – und Gaza geschickt wird; es wird abschließend aufgegriffen in V. 40, wo dem weiteren Weg des Philippus die Koordinaten „Aschdod“ und „alle Städte bis Caesarea“ beigefügt sind. Wie die Lokalitäten also nur im Rahmen der Erzählung genannt sind, so spielt sich die dazwischen geschilderte Begegnung der Protagonisten betont „unstädtisch“ ab. Hierin liegt nicht nur ein Kontrast zur vorausgehenden Episode in der Hauptstadt Samariens – dort ist gerade die Stadt als ganze im Blick –,58 sondern hierin liegt auch eine
57 In diesem Abschnitt ist der einzige explizite Hinweis auf eine Bewegung das zur Schlachtung Geführt-Werden des Schafes im Zitat (a;gw); ansonsten dominiert das Wortgeschehen. 58 Konkret ist hier die Rede vom Volk, von vielen Geheilten, von der Freude in der Stadt, von Männern und Frauen; einzig Simon der Magier wird einzeln hervorgehoben, vor allem aber im Gegenüber zu Petrus und Johannes.
2. Übergreifende Analyse
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beabsichtigte Programmatik: die Gottesbegegnung des Einzelnen durch die Schriftverkündigung, in der Einsamkeit und kultisch ungebunden. 59 Zum anderen entspricht sich kontrastiv, dass nach dem ersten Vorkommen des doppelt gesetzten Aufmerksamkeitswortes ivdou, in V. 27 immer wieder und vorwiegend die Schrift bzw. der Prophet und die Verkündigung im Blick sind, nach dem zweiten ivdou, in V. 36 aus dem Mund des Eunuchen dagegen das Wasser sowie das Getauftwerden. 60 Allerdings liegt gerade in der Verbindung dieser beiden Elemente die theologische Aussageabsicht der Verse: Dem Zum-Menschen-Kommen Gottes durch sein Wort entspricht das ZuGott-Kommen des Menschen im Taufgeschehen. Für den Eunuchen ist der einzig Handelnde Philippus: Er kommt zu ihm, er eröffnet das Gespräch und verkündigt das Entscheidende, er tauft ihn. Genauer betrachtet ergeben sich allerdings verschiedene Konstellationen. Ein erstes Paar bilden der Engel des Herrn, der alles erst in Bewegung bringt, und Philippus. Auf der anderen Seite sieht sich der Eunuch persönlich mit Jesaja konfrontiert. 61 In Analogie zum ersten Paar erscheinen dann der Geist und Philippus, welche die angefangene Bewegung von der göttlichen Seite hin zum Menschen vollenden. Im Folgenden schließen sich Philippus und der Eunuch zusammen; Jesaja bleibt „der Dritte im Bunde“. 62 Ab V. 36 geht es ausschließlich um Täufer und Täufling, bevor in V. 39f einerseits Philippus wieder mit dem Geist verbunden wird und andererseits der Eunuch – mit „seinem Jesaja“ – weiterzieht. 63 Vordergründig gibt es also zwei menschliche Handlungsträger, doch hintergründig sind Engel, Geist und Schrift die eigentlich entscheidenden Aktanten. Daher sind diese bei der Interpretation auch angemessen zu berücksichtigen, was insbesondere hinsichtlich des „Engels des Herrn“ zu wenig ge59 Dies gilt, obgleich gerade der Kreis der „Hellenisten“ verantwortlich zeichnete für die Ausbreitung der Botschaft in die Großstädte, wie dies anhand von Philippus auch deutlich wird. Vgl. HENGEL, Zwischen Jesus und Paulus, 200. Dadurch wird die Besonderheit der Perikope gesteigert. 60 4x u[dwr und 2x bapti,zw innerhalb von 3 Versen. 61 In V. 34 spricht er daher auch vom „Reden des Propheten“ und nicht neutral von „der Schrift“. Die Sicht wird auf den Eunuchen und Jesaja reduziert, obwohl nach V. 38 mindestens noch ein Wagenlenker dabei war. Vgl. HOFMANN, Wirklichkeitsgehalt, 42: Die „totale Konzentration auf die beiden Darsteller, Philippus im Auftrag Gottes und der noch heidnische, aber grundsätzlich fromme Äthiope, verlangt eine sonst leere Bühne“. Dies ist zu betonen gegenüber PERVO, Acts, 225 Anm. 56, der hierin eine „characteristic social snobbery“ der Apostelgeschichte sieht. 62 Evtl. wird auch der Geist als dauerhaft mit Philippus vereint gedacht und ist dann der „Vierte im Bunde“. 63 Die Schriftrolle wird nicht mehr erwähnt, allerdings ist die Annahme, der Kämmerer ziehe nun statt mit der Rolle allein mit der gewonnenen Freude weiter, sicher nicht im Erzählhorizont des Textes. Die Schrift ist gegenüber dem Taufgeschehen nun schlichtweg in den Hintergrund gerückt.
36
I. Der Kämmerer und der Knecht: Exegese von Apg 8,26–40
schieht. Bei aller Diskussion über den Inhalt und die Bedeutung der Schriftstelle bleibt immerhin die Schrift an sich greifbar; beim Geist verweist man in der Regel auf das „Pneumatikertum“ des Philippus. Der Engel des Herrn hingegen wird zumeist nicht näher erläutert oder schlichtweg übergangen, obwohl die Erzählung gerade mit ihm einsetzt. Die Frage ist aber zu stellen: War Lukas mit sich selbst oder mit seiner Quelle uneinig? Hat er schlichtwe g keine systematische Diskrepanz zwischen Engel und Geist erkannt? Oder verbirgt sich hinter der Zuordnung von Engel, Geist und Schrift gar ein theologisches Konzept? 2.4 Aufbau und Gliederung Hinsichtlich der Struktur der Perikope finden sich in der Literatur vielerlei Übereinstimmungen, aber auch einige Differenzen, vor allem was die Rahmung und den Hauptteil betrifft. Beachtung fand insbesondere eine Studie von D. MÍNGUEZ, die vor allem zur beispielhaften Bewährung seines methodischen Vorgehens dienen soll. Er gelangt unter Berücksichtigung der formalen, semantischen und narrativen Textebene für Apg 8,25–40 zu dem Ergebnis einer konzentrischen Struktur. 64 MÍNGUEZ zufolge entsprechen sich V. 25 und V. 40 als kurze Summarien chiastisch (eivj VIeroso,luma – polla.j kw,maj – euvhggeli,zonto / euvhggeli,zeto – po,leij pa,saj – eivj Kaisa,reian); ebenso finden V. 26–28 eine Parallele in V. 39f (Philippus – poreu,ou evpi. th.n o`do.n – Eunuch / Eunuch – evporeu,eto th.n o`do.n auvtou/ – Philippus) und der Zusammenführung der Personen durch den Geist (V. 29) entspricht ihre Trennung durch den Geist (V. 39b). Für den zentralen Teil V. 30–39a eröffnet die Frage des Philippus in V. 30 drei Gegenfragen des Eunuchen, deren erste mit der Schrifterkenntnis und deren letzte mit der Taufe zu tun hat, während die mittlere die zentrale Verständigung über die Bedeutung der Schriftstelle einleitet, welche in dem Kernwort der Perikope ihren Höhepunkt findet: VIhsou/n (V. 35). Bei aller grundsätzlichen Zustimmung weist R. F. O’T OOLE darauf hin, dass auch avnabai,nein (V. 31.39), grafh, (V. 32.35) und avnoi,gein (V. 32.35) in die chiastische Struktur mit einzubeziehen seien. Tue man dies, so ergebe sich als Zentrum der Perikope nicht die zweite Frage des Eunuchen mitsamt ihrer Antwort, sondern das Jesaja-Zitat (V. 32f). Der Hauptabschnitt V. 30– 39 habe allerdings zwei Schwerpunkte: die Jesus-Verkündigung und die Taufe des Eunuchen; zudem müsse dem Wirken des Geistes mehr Gewicht beigemessen werden.65 64
S. MÍNGUEZ, Hechos 8,25–40. Vgl. die graphische Übersicht ebd., 176. S. O’TOOLE, Philip and the Ethiopian Eunuch, 27–29. Diese Sichtweise unterstreicht O’TOOLE durch die Beobachtungen, dass a) Lukas im größeren Kontext Apg 8–12 die göttliche Intervention wie auch die Taufe betont, dass b) die Gesamtbewegung der Perikope auf die Taufe ausgerichtet ist, zur Ausführung derselben es den einzigen Halt auf dem 65
2. Übergreifende Analyse
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Aufgenommen wird die Anordnung von MÍNGUEZ und O’TOOLE ferner von F. S. SPENCER, der ebenfalls V. 25 zur Erzählung rechnet, die kunstvolle lukanische Darstellung betont und als Zentrum der Ringkomposition dann V. 32–35 annimmt, das Jesaja-Zitat und seine Auslegung. 66 Zu einem ähnlichen Ergebnis, mit dem Jesaja-Zitat als Zentrum und V. 25 und V. 40 als Rahmung, kommt schließlich auch J. ZMIJEWSKI.67 Wiewohl hier jeweils wichtige Beobachtungen festgehalten werden, 68 bleibt zu fragen, ob Apg 8,25 dem nachfolgenden Abschnitt wirklich so eng zuzurechnen ist. Denn der Vers ist zwar ein Summarium und ist auch grammatikalisch mit V. 26 verbunden, die Kämmerer-Erzählung setzt aber dezidiert erst mit V. 26 ein, was nicht zuletzt am Wechsel der Protagonisten zwischen V. 25 und V. 26 ersichtlich ist. 69 Ähnliches lässt sich auch beim Übergang von Apg 8,4 nach Apg 8,5 beobachten; es geht jeweils um eine eigenständige Weiterführung, ohne dass der sprachliche und erzählerische Duktus aufgegeben wäre. Andererseits ist Apg 8,40 sehr wohl Teil einer inclusio, aber doch weniger mit Apg 8,25 als mit Apg 8,5: Beide Male wird hier Fi,lippoj de, verkündigend dargestellt. 70 Insofern ist also die Abgrenzung Apg 8,26–40 vorzuziehen und für diese Verse eine detaillierte Gliederung zu erstellen. Wege gibt, dass c) bapti,zein mit Ausnahme von Lk 3 in Apg 8 öfter gebraucht wird als in jedem anderen Kapitel des Doppelwerkes, dass d) die Parallelen Lk 4,16–30 und Apg 13,13–43 die Taufe als adäquate Antwort auf die Erfüllung der Schriftverheißungen erscheinen lassen und dass e) in Zusammensicht mit Lk 24,13–35 Christus für Lukas durch Abendmahl und Taufe gegenwärtig ist (op.cit., 29–33). 66 S. SPENCER, Portrait of Philip, 131–135. 67 S. ZMIJEWSKI, Apg, 359. 68 Vgl. etwa noch MÍNGUEZ, Hechos 8,25–40, 173, der darauf hinweist, dass in der Frage des Eunuchen in V. 31 durch o`dhge,w und kaqi,zw Bezug genommen wird auf o`do,j (V. 26) und kaqh,menoj (V. 28) und ein Kontrast entsteht zwischen duna,sthj (V. 27) und pw/j ga.r a'n dunai,mhn (V. 31). 69 Dass Philippus in V. 25 als mit Petrus und Johannes nach Jerusalem zurückkehrend gedacht wird, ist angesichts der Vertreibung der Hellenisten aus Jerusalem, die nur einige Verse vorher geschildert wird, nicht anzunehmen; zudem spricht der Befehl an Philippus, er solle aufstehen (V. 26), nicht dafür, dass er mit den Aposteln unterwegs ist. Vgl. auch die Argumentation von SCHREIBER, „Verstehst du auch, was du liest?“, 44. Anders VAN UNNIK, Befehl, 332–334, dessen Hinweis auf die grammatische Zusammengehörigkeit von V. 25 und V. 26 (oi` me.n ou=n – a;ggeloj de,) zur Gegenüberstellung der unterschiedlichen Wege der Apostel und des Philippus den inhaltlichen Neueinsatz in V. 26 gerade nicht auf-, sondern hervorhebt, und SPENCER, Portrait of Philip, 131, demzufolge V. 25 als „transitional ‚hinge‘“ die Philippus-Erzählungen in 8,4–25 und 8,25–40 unterteilt bzw. zusammenschließt. 70 Vgl. die Kontext-Strukturskizze o. in Abschnitt 2.1. Inhaltlich ergibt sich zudem eine Steigerung im Dreischritt von Apg 8,5 (eine Stadt Samariens) über 8,25 (viele Dörfer der Samariter) nach 8,40 (alle Städte zwischen Aschdod und Caesarea). Ähnlich FABIEN, Philippe „l’évangéliste“, 158.
38
I. Der Kämmerer und der Knecht: Exegese von Apg 8,26–40
Dies tut etwa P. DE MEESTER, der Apg 8,14–25 als Scharnier zwischen der Samaria- und der Äthiopier-Episode erkennt und für letztere wiederum eine konzentrische Struktur ausmacht, welche vor allem thematische Zusammenhänge berücksichtigt. 71 Demnach entsprechen sich V. 26–28 und V. 39–40 (Einführung bzw. Verabschiedung der Charaktere), V. 29–30a und V. 36–38 (Zusammenführung durch den Geist und Jesaja-Lektüre bzw. Taufe und Trennung durch den Geist) und V. 30b–31 und V. 34–35 (Dialog Philippus – Eunuch); im Zentrum der Perikope steht das Jesaja-Zitat (V. 32f). Entsprechend ordnen auch R. PESCH und D. MARGUERAT die Verse konzentrisch um das alttestamentliche Wort. 72 Bei P. FABIEN bildet dieses, zusammen mit V. 35, ebenfalls die Schaltstelle des Hauptteils V. 29–38 bzw. V. 29–39a, für welchen er zwei thematische Pole ansetzt: die Schrift (V. 29–35) und die Taufe (V. 36–39a). Außer der Inklusion in V. 26.39 sei zudem die Tatsache festzuhalten, dass die einzelnen Teile aufgrund durchgängiger Motive (Weg, gehen, Engel/Geist, sehen, hinab- bzw. hinaufsteigen, Fragen) zusammengehalten werden. 73 S. SCHREIBER sieht dagegen in der Erzählung einen Handlungsverlauf, dessen einzelne Elemente nicht übermäßig betont werden dürfen. So ist weder die Taufe das Ziel der Handlung noch bildet das Jesaja-Zitat den Kern der Erzählung. Vielmehr sind als Strukturschema der Weg der beiden Personen und als Gliederungsmerkmal das Einwirken der göttlichen Macht gegeben, woraus sich als Aufbau schlichtweg eine Dreiteilung ergibt: Einleitung (V. 26–28: Annäherung der Wege), Hauptteil (V. 29–38: Weggemeinschaft) und Schluss (V. 39f: Trennung). 74 Zwischen den letzten beiden Positionen steht W. ECKEY, der ebenfalls eine Dreiteilung ausmacht, das Zitat jedoch als Zentrum beibehält: 75 Auf eine doppelte Exposition der Personen (V. 26–28, unterteilt in V. 26–27a und 27b–28) folgt demnach der Hauptteil V. 29–38, untergliedert in V. 29–31 (Begegnung durch die Leitung des Geistes), V. 32f (Zitat als Zentrum der Erzählung) und V. 34–38 (Predigt, Taufbegehren und Taufe); dem Schluss (V. 39: Entrückung und Weiterreise als Entsprechung zur doppelten Exposition) ist mit V. 40 noch ein summarischer Bericht angefügt. Aufgrund der bisher genannten Beobachtungen und in Aufnahme der skizzierten Vorschläge legt sich für Apg 8,26–40 in der Tat folgende Gliederung nahe:
71
S. DE MEESTER, „Philippe et l’eunuque éthopien“, 361 bzw. 367. S. PESCH, Apg I, 290; MARGUERAT, Actes, 303. 73 FABIEN, Philippe „l’évangéliste“, 165f.241; vgl. auch ebd., 166–174. 74 S. SCHREIBER, „Verstehst du auch, was du liest?“, 43–45. 75 S. ECKEY, Apg I, 201. Für eine Dreiteilung plädieren ferner ROLOFF, Apg, 139, und WEISER, Apg I, 208. 72
3. Der Text in seinem narrativen Verlauf
39
Gliederung Apg 8,26–40 V. 26–28: V. 26–27a V. 27b–28
V. 29–38: V. 29–30a
Expositio: Die Annäherung der Personen Der Gott hörende, von einem Engel gesandte und gehorsame Mensch Philippus Der äthiopische Eunuch als nichtchristlicher Mensch par excellence coram verbo Dei Kernstück: Die folgenreiche Begegnung unter dem Wort Die Hinwendung Gottes zum Eunuchen durch den geistgeleiteten Philippus
V. 30b–31
Dialog I: Das Unverständnis des Eunuchen gegenüber dem verbum Dei unter Absehung von Christus
V. 32f V. 34f
Das Wort vom Gottesknecht: Jes 53,7b–8ba Dialog II: Die Ermöglichung der Gottesknechtserkenntnis des Eunuchen durch die schriftbezogene Verkündigung des verbum Dei in personam
V. 36.38
Die Hinwendung des Eunuchen zu Gott durch die Taufe
V. 39f: V. 39
Conclusio: Die Trennung der Personen Die Entrückung des Philippus durch den Geist und der eschatologische Freudenweg des Eunuchen Der weitere Weg des Evangeliums (= inclusio mit 8,5; Abschluss des Philippus-Zyklus)
V. 40
3. Der Text in seinem narrativen Verlauf 3. Der Text in seinem narrativen Verlauf
3.1 Die Annäherung der Personen 3.1.1 Philippus: Gehorsamer Gesandter Gottes (Apg 8,26–27a) Die Erzählung setzt in Apg 8,26 in mehrerlei Hinsicht überraschend ein und zudem mit einem „pronounced biblical flavor“. 76 Philippus war seit Apg 8,13 in den Hintergrund gerückt. In Apg 8,14–25 wird der Besuch von Petrus und Johannes in Samarien mit dem abschließenden Hinweis auf ihre Rückkehr nach Jerusalem geschildert. Dem oi` me.n ou=n (V. 25) entspricht in V. 26 dann zwar grammatikalisch der Anschluss mit dem kontrastiven de,, inhaltlich jedoch wäre dem Erzählduktus nach nun entweder etwas ganz Neues zu erwarten oder bei einer weiteren Philippus-Episode doch ein Fi,lippoj de,. Das Eingreifen Gottes durch einen Engel (a;ggeloj de. kuri,ou evla,lhsen), zumal
76
S. MATTHEWS, Philip: Apostle and Evangelist, 81.
40
I. Der Kämmerer und der Knecht: Exegese von Apg 8,26–40
anaphorisch formuliert, ist darum umso erstaunlicher. 77 Er ist Subjekt, Philippus zunächst ganz Objekt. Dem entspricht dann in gleicher Weise das Einwirken des Geistes in V. 29 und V. 39. So wird ganz zu Beginn der Erzählung schon ihr Grundcharakter offen gelegt: Was hier geschieht, geschieht aufgrund des Offenbarungswillens Gottes und ist in seinem Zuvorkommen begründet. Exkurs: Zur Angelologie der Apostelgeschichte Engel begegnen im lukanischen Doppelwerk überaus häufig; nur die Offenbarung bietet innerhalb des Neuen Testaments ein häufigeres Vorkommen. 78 Die Verbindung a;ggeloj kuri,ou ist wie a;ggeloj qeou/ allerdings typisch lukanisch79 und zeigt dezidiert die Traditionsverwurzelung in den alttestamentlichen Schriften auf. 80 Abgesehen von den zwei Männern in den weißen Gewändern, welche den Jüngern die Himmelfahrt Jesu auslegen (Apg 1,10f), war bislang in der Apostelgeschichte explizit nur in zwei Zusammenhängen von Engeln die Rede: In Apg 5,19 führt der a;ggeloj kuri,ou die Apostel aus dem Gefängnis und beauftragt sie zur Verkündigung; in Apg 7 rekurriert Stephanus in seiner Rede vor dem Hohen Rat auf die Begegnung des Mose mit einem Engel am Dornbusch (V. 30.35) bzw. auf dem Sinai (V. 38.53) und er selbst wird vorher „mit eines Engels Angesicht“ gezeichnet (Apg 6,15). Nach der Kämmerer-Perikope erscheinen Engel vor allem im Rahmen der Petrus-Cornelius-Erzählung (Apg 10,3.7.22; 11,13) und in Apg 12, wo die Befreiung des Petrus aus dem Gefängnis und der Tod des Herodes Agrippa geschildert werden (V. 7– 11.15.23). Zwei Einzelfälle bilden Apg 23,8f, wo die unterschiedlichen theologischen Positionen der Sadduzäer und Pharisäer hinsichtlich der Engellehre zur Sprache kommen, und Apg 27,23f, die Beistands-Zusage des Engels an Paulus im Seesturm. 81 77
GAVENTA, From Darkness to Light, 101: „Our expectation has been soundly thwart-
ed.“ 78
Die 175 neutestamentlichen Belege verteilen sich wie folgt: Offb: 67x; Lk: 25x; Apg: 20x; Mt: 20x; Hebr: 13x; Mk: 6x; Joh und 1Kor: 4x; sodann nur noch vereinzelt. 79 Ersteres: Lk 1,11; 2,9; Apg 5,19; 8,26; 12,7.23; noch Mt 1,20.24; 2,13.19; 28,2 (vgl. Joh 5,4). Zweiteres: Lk 12,8.9; 15,10; Apg 10,3; 27,23; noch Joh 1,51 (Pl.); Gal 4,14. 80 Der „Engel des Herrn“ ist dort stets die besondere Erscheinungsform Gottes, s. LXX Gen 16,7–11; 22,11.15; 31,11; Ex 3,2; 4,24; Num 22,22–35; Ri 2,1.4; 5,23; 6,11–24; 13,3– 21; 2Reg 24,16; 3Reg 19,7; 4Reg 1,3.15; 19,35 = Jes 37,36; 1Chr 21,12–18.30; Y 33,8; 34,5f; Sach 1,11f; 3,1.5f; 12,8. Auch in den apokryphen Stücken kommt der Ausdruck vor. Nur in Hag 1,13 und Mal 2,7 ist der Prophet bzw. Priester als menschlicher Bote gemeint. Die Bezeichnung „Engel Gottes“ findet sich in LXX Gen 21,17; 31,11; Ex 14,19; Ri 6,20; 13,6.9; 2Reg 14,17.20; 19,28; im Plural noch in Gen 28,12; 32,2; Ijob 1,6; 2,1. 81 Im Evangelium kommen Engel vor allem in den Geburtserzählungen in Lk 1f vor, ferner bei Jesu Versuchung im Schriftzitat (Lk 4,10f < Ps 91,11f), bei Jesu Passion in Gethsemane (Lk 22,43) und bei seiner Auferstehung (Lk 24,23: Deutung der beiden Männer am Grab mit glänzenden Kleidern als Engel); in Lk 9,26 und Lk 12,8f wird das Bekenntnis zum Menschensohn in Zusammenhang gebracht mit dem Bekenntnis des Menschensohns vor den Engeln; in Lk 15,10 wird die Freude vor den Engeln Gottes über einen bußfertigen Sünder genannt und in Lk 16,22 erscheinen Engel als Träger des Lazarus in den Schoß Abrahams. Mit a;ggeloj kann schließlich auch ein menschlicher Bote gemeint sein (Lk 7,24.27; 9,52). Vgl. noch das Adjektiv ivsa,ggeloj in 20,36. Nach AVEMARIE,
3. Der Text in seinem narrativen Verlauf
41
So ist die Erscheinung eines a;ggeloj in Apg 8,26 für die Apostelgeschichte zwar nicht singulär, sie bekommt aber eine besondere Bedeutung durch den vorausgehenden MoseBezug in Kapitel 7:82 Wie einerseits Gott Mose im Dornbusch in Gestalt eines Engels erscheint (Apg 7,30.35) und ihn anschließend nach Ägypten sendet, um die Befreiung Israels aus der Gefangenschaft einzuleiten (7,34: deu/ro avpostei,lw se eivj Ai;gupton), so erscheint Philippus nun ebenfalls ein Engel und er wird „gen Ägypten“ gesandt, um – darin mag ein weiterer Vergleichspunkt liegen – eine Befreiung einzuleiten, die in der Taufe des Eunuchen Gestalt gewinnt. 83 Und wie andererseits Mose bei der Gesetzesoffenbarung zwischen dem beteiligten Engel und den Israeliten steht und Worte des Lebens empfängt, um sie weiterzugeben (7,38: evde,xato lo,gia zw/nta dou/nai h`mi/n , vgl. 7,53), so steht auch Philippus zwischen Engel und Eunuch, um ihm das wahrhaftige Wort des Lebens weiterzugeben, das verbum Dei in personam.84 Die Anwesenheit des Engels ist also nicht einfach einem archaisierenden Stil des Lukas zu verdanken, der seinen Text irgendwie „ursprünglicher“ klingen lassen wollte,85 sondern gründet schlichtweg in der Absicht, die Voraussetzungen für das nachfolgende Geschehen gemäß der alttestamentlichen Traditionslinie aufzuzeigen und sowohl das offenbarende Tauferzählungen, 286f, müsste das Engelmotiv im Werk des Lukas, sofern es auf ihn zurückginge, regelmäßiger verteilt sein und sich nicht im Wesentlichen auf Erzählungen beschränken, die in Judäa spielen. Er vermutet daher für Apg 8 und 10f einen beide Stoffe umfassenden vorlukanischen Traditionskomplex. Man sollte Lukas aber doch zutrauen, dass bei ihm letztlich dasteht, was er vermitteln will, und sollte daher vor allem nach der theologischen Bedeutung des Motivs im Einzelfall fragen. 82 Dies wird ebenfalls festgestellt von JOHNSON, Acts, 154, jedoch schlichtweg nicht ausgewertet. 83 Der Auftrag ist in Apg 8,26 ebenfalls doppelverbig formuliert: avna,sthqi kai. poreu,ou. Der Exodus-Bezug deutet sich schon in der Samaria-Episode an: Wie Mose mit ägyptischen Magiern zu tun hatte (Ex 7), so steht Philippus Simon Magus gegenüber. Mit SPENCER, Portrait of Philip, 127. Die Deutung von Apg 8,26–40 als Befreiungs- bzw. Erlösungserzählung legt sich nahe, auch wenn der Engel von Ex 3,2 in Apg 7 nicht explizit als a;ggeloj kuri,ou beschrieben wird: In der LXX ist dies der Fall (MT: hA'hy> %a;l.m;, bei den Rabbinen z.T. als Michael oder Gabriel gedeutet, s. STRACK – BILLERBECK, Kommentar II, 680). Ferner gebraucht Lukas diese Verbindung in der Apostelgeschichte außer in Apg 8,26 nur noch in Apg 5,19 und Apg 12,7, also dezidiert in Befreiungsepisoden, und in Apg 12,23 im Hinblick auf die Bestrafung des Agrippa, die in ihrer Drastik an die zehn Plagen erinnert. Dieser Gebrauch entspricht ganz der alttestamentlichen Tradition, derzufolge mit dem Auftreten des a;ggeloj kuri,ou zumeist eine Errettung bzw. die Ankündigung einer Errettung sowie bisweilen auch die Vernichtung der Gottlosigkeit verbunden ist. Vgl. FICKER, Art. %a'l.m;, 904–906. Die spannende Frage bleibt, wer in Apg 8 wovon befreit wird. 84 Die Tradition der Mitwirkung eines Engels bei der Gesetzgebung findet sich schon in Dtn 33,2 (LXX diff. MT), ist altjüdisches Gut (s. STRACK – BILLERBECK, Kommentar III, 554–556) und tritt christlicherseits außer in Apg 7,38.53 auch in Gal 3,19 und Hebr 2,2 zutage. Die positive Bewertung in Apg 7 „entspricht ganz der positiven Angelologie des gesamten lukanischen Doppelwerkes (von Lk 1,11ff bis Apg 27,23f)“ (JESKA, Geschichte Israels, 172). Der Verbindung von Engel und Geist ist später nachzugehen; vgl. aber Apg 23,9. 85 Zu den Stichworten „Archaismus“ und „altertümliche Patina“ vgl. PLÜMACHER, Art. Apostelgeschichte, 508, wenngleich dort nicht auf Apg 8 Bezug genommen wird.
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I. Der Kämmerer und der Knecht: Exegese von Apg 8,26–40
Zuvorkommen Gottes adäquat zur Sprache zu bringen als auch die Aktion und Funktion des Philippus theologisch zu qualifizieren. Es dürfte daher diese kontextuelle Deutung sein, die hinsichtlich des Engels in Apg 8 aus der exegetischen Ratlosigkeit und zu einem vertieften Verständnis der Perikope führen kann und die gleich zu Beginn die offenbarungsgeschichtliche und soteriologische Dimension des Textes mitzubedenken rät. 86 Der Kontrast zu Petrus und Johannes in V. 25 wird dadurch umso stärker, denn diese tun als Verkündiger, was man erwarten kann; „Philippus jedoch wird vom göttlichen Boten gelenkt und ausgesandt“.87 ***
Wie an vielen anderen Stellen, so charakterisiert auch in Apg 8,26 den Engel, dass er in seinem Dasein ganz an den zu vermittelnden Wortauftrag gebunden ist: :Aggeloj de. kuri,ou evla,lhsen pro.j Fi,lippon le,gwn …88 An dieser Formulierung, innerhalb derer das pleonastische le,gwn als Entsprechung zum hebräischen rmoale fungiert, wird ebenso schriftgeprägter Sprachstil erkennbar wie an dem nun folgenden Auftrag des Engels an Philippus. Denn dieser Auftrag beginnt mit zwei koordinierten Imperativen (avna,sthqi kai. poreu,ou), deren erster einem semitisierenden participium graphicum gleichsteht, wie es auch in V. 27 vorkommt, 89 und deren Kombination (avni,sthmi + Bewegungsverb) in der Septuaginta häufig anzutreffen ist. 90
86 Die Ratlosigkeit zeigt sich darin, dass fast überall der Engel zwar bemerkt, aber nicht erklärt wird. Eine Ausnahme ist ROLOFF, Apg, 139f, der immerhin erläutert, dass der Engel des Herrn bei Lukas dort erscheint, „wo Menschen zur Verwirklichung des Heilsplanes in Dienst genommen werden sollen“; Gleiches könne aber auch für den Geist gelten. Hier ist weiter zu differenzieren und die offenbarungstheologische Relevanz ist gerade im Gegenüber zum Geist näher zu bedenken. Dies kommt auch zu kurz bei FABIEN, Philippe „l’évangéliste“, 176f, der im Engel lediglich ein verbindendes Element mit der Elia Tradition erkennt. Für einen umfassenden Überblick über die Frage der biblischen Angelologie, ihrer Darstellung, Erforschung und theologischen Relevanz s. DÖRFEL, Engel, v.a. 5–32. 87 VAN UNNIK, Befehl, 333. Ähnlich schon ZAHN, Apg, 310: „Phil. dagegen, den nach der Auflösung der Muttergemeinde keinerlei Berufspflicht mehr an Jerus. band, bedurfte einer göttlichen Weisung, um zu wissen, wohin er sich nunmehr in seinem neuen, sofort mit so großem Erfolg gesegneten Beruf als Prediger des Ev’s an die Nichtjuden wenden solle.“ 88 Vgl. DORMEYER, Acts 8:26–40, 263: „The appearance of the angel is missing; only his message is reported.“ 89 50 î und D ersetzen daher den ersten Imperativ Aorist mit einem Partizip Aorist und lassen dafür das kai, weg (so in V. 27). Einige Textzeugen bieten statt dem Imperativ Präsens poreu,ou den Imperativ Aorist poreu,qhti, was schlichtweg eine Angleichung an den ersten Imperativ avna,sthqi darstellt. Im Falle von poreu,ou kann der Imperativ Präsens für einmalige Handlungen gebraucht werden. S. BLASS – DEBRUNNER – REHKOPF, Grammatik, § 336,3. 90 Für Belege s. VAN UNNIK, Befehl, 335.
3. Der Text in seinem narrativen Verlauf
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Unabhängig von den nach Jerusalem zurückkehrenden Petrus und Johannes (V. 25) wird Philippus also neu in Bewegung gebracht. Ähnlich ergeht es dann auch Saulus, der vor Damaskus vom Himmel her ebenfalls einen solchen Auftrag erhält (Apg 9,6: avna,sthqi kai. ei;selqe; 22,10: avnasta.j poreu,ou; vgl. 26,16), ferner dem zu Paulus gesandten Hananias (Apg 9,11: avnasta.j poreu,qhti) und auch Petrus, der zu Cornelius gehen soll (Apg 10,20: avnasta.j … kai. poreu,ou su.n auvtoi/j).91 In allen Fällen ist das Aufstehen eine selbstverständliche Vorstufe für das Hingehen; auf letzterem liegt die eigentliche Betonung.92 Dies ist in der Kämmerer-Erzählung auch daran ersichtlich, dass poreu,omai noch mehrfach vorkommt (Apg 8,27.36.39). Wohin aber soll Philippus gehen? Neben der Anwesenheit des Engels liegt hierin ein weiteres Überraschungsmoment der expositio. Eine erste Näherbestimmung gibt dafür kata. meshmbri,an an. Diese Wendung wird verschiedentlich entweder temporal („um die Mittagszeit“) oder lokal („nach Süden“) verstanden – beides ist rein grammatisch möglich. 93 Exkurs: Kata. meshmbri,an und die Stunde der Offenbarung Wörtlich meint meshmbri,a (von me,soj, h`me,ra) die Hälfte des Tages; metonymisch zeigt es die Richtung an, wo die Sonne um diese Zeit steht. 94 Die Wendung kata, + Akkusativ ist gleichermaßen ambivalent und kann sowohl zeitlichen als auch räumlichen Sinn haben. Da die Verbindung kata. meshmbri,an im Neuen Testament wie auch in der Septuaginta ohne genaue Entsprechung ist, sind für das Verständnis von Apg 8,26 vor allem die nähesten Bezugstexte ausschlaggebend. Die einzig weitere neutestamentliche Belegstelle für meshmbri,a ist Apg 22,6, wo Paulus dezidiert den Zeitpunkt seines Berufungserlebnisses beschreibt (peri. meshmbri,an; vgl. 26,13: h`me,raj me,shj).95 In der Septuaginta kommt der 91
Die Häufung der Belege in Kap. 8–10 ist ebenso auffällig wie die Tatsache, dass es in den jeweiligen Zusammenhängen um eine Gottesoffenbarung geht, als deren Konsequenz eine Taufe erfolgt. Auf göttlichen Auftrag hin wird also die Ausbreitung des Evangeliums vorangebracht. Die Kombination von avni,sthmi und poreu,omai findet sich auch im Evangelium: in Lk 1,39 (Maria); 15,18 (verlorener Sohn); Lk 17,19 (imperativisch zum geheilten Samariter: avnasta.j poreu,ou). 92 Anders in Apg 9,34.40 und 14,10, wo es um Heilungen geht, bzw. in Apg 10,26, wo Petrus menschlicher Anbetung wehrt. 93 Für ein temporales Verständnis plädieren unter anderem NESTLE, Poreu,ou kata. meshmbri,an, 335–337; WENDT, Apg, 159; VAN UNNIK, Befehl, 334; HENGEL, Der Historiker Lukas und die Geographie Palästinas, 164f („kata. meshmbri,an deutet auf die ungewöhnliche Tageszeit hin und ist keine Richtungsangabe“); BARRETT, Acts I, 423; ECKEY, Apg I, 202; PERVO, Acts, 223f; PETERSON, Acts, 293. Ein lokales Verständnis vertreten z.B. PREUSCHEN, Apg, 52; SCHILLE, Apg, 209f; BLASS – DEBRUNNER – REHKOPF, Grammatik, § 2537 („kaum ‚um die Mittagszeit‘ wie in 22,6“); WITHERINGTON, Acts, 294; aber auch schon CHRYSOSTOMOS, Hom. Act. XIX, 149, der bei seiner Wiedergabe des Textes daher kata, durch pro,j ersetzt. 94 S. LIDDELL – SCOTT, Greek-English Lexicon, 1105, s. v. meshmbri,a. 95 Diese Stelle zeigt ferner, dass allein das Fehlen des Artikels, wie es für die Himmelsgegenden üblich ist, noch kein Argument für ein lokales Verständnis ist.
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Begriff dagegen häufig vor und fast ausschließlich temporal, in der Regel als Äquivalent zu ~yIr;h\c'; so gut wie nie ist eine lokale Bedeutung intendiert. 96 In außerbiblischen Quellen ist indes sowohl die temporale als auch die lokale Bedeutung gleichermaßen nachzuweisen.97 Wo liegen also die Wurzeln für diesen Lukanismus? Da der Verfasser des Doppelwerks sich wiederholt und, wie bereits angedeutet, gerade auch in Apg 8 als äußerst vertraut mit der alttestamentlichen Überlieferung erweist, ist am ehesten deren Einfluss anzunehmen, so dass sich letztlich – wie in Apg 22,6 – eine temporale Übersetzung nahe legt.98 M. SÁNCHEZ DE TOCA sieht denn Sinn der Aussage dagegen nicht darin, dass Philippus am Mittag sein Ziel erreichen soll, sondern dass er sich gen Süden in Bewegung setzen soll. Eine Zeitangabe wäre höchstens zur Bezeichnung der Stunde des Engelauftrags selbst von Bedeutung; die Richtungsangabe weise vielmehr voraus auf den Äthiopier als Bewohner des Südens.99 Dabei wird jedoch nicht bedacht, dass der „Süden“ für Lukas stets o` no,toj ist100 und dass er diesen Ausdruck in Apg 8 gerade nicht gebraucht. Zudem wird übersehen, dass die Mittagsstunde keineswegs für den Engelauftrag, sondern für die Begegnung des Philippus mit dem Äthiopier ausschlaggebend ist: Für diesen wird sie zur Stunde der Offenbarung. Eine solche Deutung wird dadurch gestützt, dass nicht nur Paulus (Apg 22,6), sondern auch Petrus eine göttliche Offenbarung ausgerechnet um die Mittagszeit erfährt (Apg 10,9: „um die sechste Stunde“ / peri. w[ran e[kthn). Es zeigt sich somit insgesamt in der Apostelgeschichte eine offenbarungstheologische Relevanz dieser Tageszeit, 101 die zwei Gründe haben dürfte. Einmal ist die sechste sowie die neunte Stunde Gebetszeit und als solche „geeignet“ für eine besondere Gottesbegegnung. So erscheint Cornelius um die neunte Stunde ein Engel Gottes als Antwort auf seine Gebete (Apg 10,3.30), Petrus erlebt seine Vision, als er um die sechste Stunde auf dem Dach ist, um zu beten (Apg 10,9), und beim Besuch von Petrus und Johannes im Tempel „um die neunte Stunde, zur Gebetszeit“ (Apg 3,1) geschieht die Heilung des Gelähmten. 96 Oft dezidiert für die Zeit, wenn der Tag am heißesten ist: Gen 18,1; 43,16.25; Dtn 28,29; 2Reg 5,4; 3Reg 18,26f; 21,16; 4Reg 4,20; Y 36,6; 54,18; Hld 1,7; Ijob 11,17; Sir 34,16; 43,3; Am 8,9; Zeph 2,4; Jes 18,4; 58,10; 59,10; Jer 6,4; 15,8; 20,16; so auch das Adjektiv meshmbrino,j in Ijob 5,14; Jes 16,3; 1Esr; Ps 90,6. Die Himmelsrichtung ist gemeint in Dan 8,4.9 (für bgmi, 693f. 140 Gemäß Mt 24,24–26 soll falschen Christussen und Propheten nicht in die Wüste gefolgt werden; laut Apg 21,38 wird Paulus für den Ägypter gehalten, der kurz zuvor 4.000 Sikarier in die Wüste geführt hat.
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durch die Wüste in die Heimat jenseits von Ägypten. 141 Dort, in der Einöde wird dann aber nicht nur Philippus auf den Äthiopier treffen, sondern dort wird sich der Auferstandene selbst durch seinen Jünger diesem christusfernen Menschen offenbaren, der dadurch eine neue Identität bekommt. Durch den Engel sowie durch die Hinweise auf Zeitpunkt und Zielpunkt des Auftrages an Philippus wird also die offenbarungstheologische Signifikanz der nachfolgenden Begegnung hervorgehoben. Wie der exilierte Mose seine Herde über die Wüste hinaus treibt (u`po. th.n e;rhmon) und am Gottesberg durch einen Engel seine Berufung gen Ägypten zur Befreiung Israels erfährt (Ex 3), so tritt hier der Engel dem aus Jerusalem vertriebenen Philippus gegenüber und beauftragt ihn, sich gen Ägypten in die Ödnis zu begeben, um eine Erlösung in die Wege zu leiten.142 Wie Elia in der Wüste ist, nachdem er für den Herrn geeifert hat, dort vom a;ggeloj kuri,ou versorgt wird und anschließend am Gottesberg die Offenbarung Gottes erfährt (1Kön 19), so bringt der Engel hier Philippus, den Eiferer für Christus (s. Apg 8,5–13), auf den Weg in die Ödnis, um eine Selbsterschließung Gottes zu ermöglichen – freilich gegenüber dem Eunuchen. Umgekehrt gesagt: Wie die Ägypterin Hagar in die Wüste zieht, dort vom a;ggeloj kuri,ou gefunden wird und an der Wasserquelle am Weg nach Schur eine Gotteserkenntnis samt einer Heilsverheißung erhält (Gen 16),143 so wird für den Äthiopier die Begegnung mit dem vom a;ggeloj kuri,ou gesandten Gottesboten Philippus zum Heilswiderfahrnis durch die Erkenntnis Christi – auf dem menschenleeren Weg, in der Ödnis, wo ebenfalls zum rechten Zeitpunkt Wasser vorhanden ist (s. Apg 8,36). 144 Gott erweist sich in diesen Bezugstexten jeweils als der rettende Gott. Entsprechend wird in Apg 8 nicht zuletzt durch den Engelauftrag ersichtlich, dass die Offenbarung Gottes soteriologische Implikationen birgt. Der menschenleere, öde und verlassene Weg (V. 26) ist am Ende in einen Weg der Freude verwandelt (V. 39). Vom Evangelium her klingt hier also der jesajanische Ruf des Täufers in der Wüste nach (Lk 3,4–6 = Jes 40,3–5), welcher von Lukas gegenüber den anderen Synoptikern betont wird 145 und welcher mit der universalistischen Verheißung endet, dass „alles Fleisch das Heil Gottes sehen wird“ (kai. o;yetai pa/sa sa.rx to. swth,rion tou/ qeou/ ). 141
So auch KERN, Paul’s Conversion, 66. S.o. im Exkurs zur Angelologie. 143 Die Gotteserkenntnis wird in Gen 16,13 festgehalten: „Da nannte sie den Namen JHWHs, des zu ihr Redenden: ‚Du bist ein Gott, der mich sieht‘. Denn sie sprach: ‚Habe ich nicht hier hinter dem hergesehen, der mich sieht?‘“. Verheißen wird Hagar eine große Nachkommenschaft. Mitsamt ihrem Sohn stößt sie später erneut durch den Gottesengel in der Wüste auf Wasser und bekommt die Heilsverheißung bestätigt (Gen 21). 144 Dadurch wird von Lukas das jesajanische Heilsbild vom Wasser in der Wüste (s. v.a. Jes 43,19f; 51,3) in Szene gesetzt. S.u. in Abschnitt I.3.2.5 zu V. 36. 145 In Mt 3,3 und Mk 1,2f wird nur Jes 40,3 geboten (bei Markus in Verbindung mit Mal 3,1). 142
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Apg 8,27a sagt dann schlichtweg, dass Philippus der Aufforderung umgehend nachkommt: kai. avnasta.j evporeu,qhÅ Wie lange nach dem Befehl bzw. wo genau an welcher der Straßen von Jerusalem nach Gaza Philippus angelangt, steht außerhalb des lukanischen Erzählhorizontes; der Schwerpunkt liegt auf der Faktizität des Ereignisses. 146 Gott bekommt seinen Menschen dorthin, wo er ihn haben möchte und wohin er ihn ruft – dies ist das Entscheidende. Die getreue Wiederholung der Verben von V. 26 (avni,sthmi, poreu,omai) zeigt die genaue Übereinstimmung des Handelns des Philippus mit dem Engelbefehl an und ist typisch für die alttestamentlichen Schriften. W. VAN UNNIK nennt als Beispiele Gen 35,1–3; 43,13–15; Ri 9,32–34; 1Kön 17,8–10 (nur von Lukas erzählt in Lk 4,25f); 19,5f; Ez 3,22f; Jona 1,1–3; 3,1–3; und er weist mit Recht darauf hin, dass die direkte Folgsamkeit der von Gott Beauftragten nicht unbedingt selbstverständlich ist, 147 was dann auch an den Vorbehalten von Hananias (Apg 9,13f) und Petrus (Apg 10,14) deutlich wird. Die Formulierung unterstreicht also noch den an Jes 6,8 erinnernden vertrauensvollen Gehorsam des Philippus 148 gegenüber dem eigentlich doppelt widersinnigen Befehl, der das Erstaunliche des Geschehens für ihn und den Leser aber erst in das rechte Licht rückt: Wo kein Mensch zu erwarten ist, tritt nun einer in Erscheinung und es kommt zu einer folgenreichen Begegnung. 149 3.1.2 Der Eunuch als nichtchristlicher Mensch par excellence (Apg 8,27b–28) Der semitisierende Aufmerksamkeitshinweis kai. ivdou, setzt in V. 27b folgerichtig den Überraschungsauftritt des zunächst nur als Ausländer kenntlichen Mannes in Szene und verdeutlicht zugleich die göttliche providentia (vgl. V. 36): Der Weg war nicht leer, wie eigentlich zu erwarten; und der ins Bild kommende Mensch war auch nicht irgendwer. Lukas betont dies durch mehrere Attribute und zeichnet so mit knappen Strichen eine ungewöhnliche 146 Man muss Lukas darum noch keine Ortsunkenntnis vorhalten (vgl. SCHMITHALS, Apg, 84: keine genauen Vorstellungen von den geographischen Verhältnissen in Palästina; HAENCHEN, Apg, 300 Anm. 2: „Von Jerusalem führten zwei Straßen dorthin. Ob Lukas das wußte, ist fraglich; daß es der Leser nicht zu wissen brauchte, ist sicher“; BARRETT, Acts I, 423: „There is no means of determining this problem, of which Luke was probably unaware“). 147 S. VAN UNNIK, Befehl, 335f. 148 Jes 6,8: „Hier bin ich, sende mich!“ Mit SPENCER, Portrait of Philip, 158, der dagegen in Petrus eher den Jona-Typus sieht und zusammenfasst: „Simply put, Philip promptly obeys the puzzling angelic orders without a fuss.“ Schon Chrysostomos, Hom. Act. XIX, 149, bemerkt, dass Philippus nicht nach dem Grund fragt, sondern schlichtweg aufsteht und geht (kai. ouvk hvrw,thse, dia, ti,; avll¾ avnasta.j evporeu,q h). In der doppelten Betonung des Aufstehens einen Hinweis auf die Auferstehung Jesu zu sehen, wie CORBIN, Connaistu ceque tu lis?, 82, meint, ist zu weit hergeholt; hier liegt klar schriftgeprägte Sprache vor. 149 Vgl. VAN UNNIK, Befehl, 332.
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Erscheinung: Der Mann ist seiner Herkunft nach ein avnh.r Aivqi,oy,150 seiner physischen Konstitution nach ein euvnou/coj, seiner Stellung nach ein duna,sthj Kanda,khj basili,sshj Aivqio,pwn( o]j h=n evpi. pa,shj th/j ga,zhj auvth/j( seiner Situation nach einer, o]j evlhlu,qei proskunh,swn eivj VIerousalh,m( h=n te u`postre,fwn kai. kaqh,menoj evpi. tou/ a[rmatoj auvtou/ kai. avnegi,nwsken to.n profh,thn VHsai hT'b.s;w> hl'ywIx]w: ab's. vWk ynEb.W !d"d>W ab'v. hm'[.r: ynEb.W ui`oi. de. Couj Saba kai. Euila kai. Sabaqa kai. Regma kai. Sabakaqa ui`oi. de. Regma Saba kai. Dadan Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner Statt.
^yT,x.T; ab's.W vWK ~yIr:c.mi ^r>p.k' yTit;n" evpoi,hsa, sou a;llagma Ai;gupton kai. Aivqiopi,an kai. Soh,nhn u`pe.r sou/ Der Erwerb Ägyptens und der Handelsgewinn von Kusch und die Sebäer, hochgewachsene Männer …
hD"mi yven>a; ~yaib's.W vWK-rx;s.W ~yIr:c.mi [:ygIy> evkopi,asen Ai;guptoj kai. evmpori,a Aivqio,pwn kai. oi` Sebwin a;ndrej u`yhloi,
Oft wird für die jesajanischen Verse darauf verwiesen, dass mit den drei Termini umfassend der bekannte Teil Afrikas gemeint ist; von Gen 10,7 her ist überdies in den Sebäern
191 Die Verbindung wird auch gesehen von SÁNCHEZ DE TOCA, Poreu,ou kata. meshmbri,an, 114f, sie wird dort aber nicht weiter ausgewertet. 192 S. NOTH, Könige, 224. Anders WÜRTHWEIN, Das erste Buch der Könige, 120f, demzufolge das nordarabische Saba in der volkstümlichen Überlieferung mit dem südlicheren Saba identifiziert wird und zu diesem passende Motive aufgenommen sind. 193 Gerade diese Stelle zeigt die Unsicherheiten in der Bestimmung der beiden Begriffe auf. Vgl. HÖFNER, Art. Saba, 1632f: Volk und Land in Südarabien; DIES., Art. Seba, 1752: nach Gen 10 ein Sohn des Kusch, Ahnherr eines Volkes, das mit den Sabäern verwandt oder identisch ist. KRAUS, Psalmen, 660, stellt ebenso Südarabien und NO-Afrika nebeneinander wie HOSSFELD – ZENGER, Psalmen, 324 (Scheba und Saba: „Äthiopien und Südarabien“). Vgl. zur Beziehung von Äthiopien und Saba bzw. Seba noch REEVES, The Ethiopian Eunuch, 115f.121 Anm. 8, der die gleiche Schreibung von Seba und Saba in Gen 10 LXX für die Überlagerung verantwortlich macht.
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eine Volksgruppe innerhalb Äthiopiens zu vermuten, die ihren Ursprung in Südarabien hatte.194 Vor diesem Hintergrund erklärt sich ein gewisses Deutespektrum in Bezug auf die Königin von Saba, das sich auch in der außerbiblischen Wirkungsgeschichte von 1Kön 10 niedergeschlagen hat. So wird etwa in der Vita Jesajas von dessen Grab in der Nähe der Königsgräber berichtet. Letztere werden dann näher qualifiziert durch die Aussage: „Dort hatte der König das Gold aus Äthiopien und die Spezereien.“ Damit sind die Gaben der Königin von Saba gemeint und es ist anzunehmen, dass hier Äthiopien und Saba von Gen 10,7 und von den genannten Jesajaversen her gleichgesetzt wurden. 195 Im Alexanderroman wird die Begegnung Alexanders des Großen mit der Kandake von Äthiopien in manchen Aspekten analog zur Begegnung Salomos mit der Königin von Saba dargestellt. 196 Josephus setzt diese unter Aufnahme von Nachrichten Herodots mit der ägyptischen Königin Nikaule gleich und nennt die Königin aus 1Kön 10 dann „Königin von Ägypten und Äthiopien“ (Ant. VIII, 158f.165–175).197 Im Testament Salomos erscheint „Seba“ bzw. „Saba“ als Eigenname der „Königin des Südens“ (TestSal 19,3; 21,1). 198 In der äthiopischen Nationalsaga Kebra Nagast kommt es gar zur direkten Identifikation der Königin von Saba mit der Kandake von Apg 8. Die Begegnung zwischen Salomo und der Königin habe einen gemeinsamen Sohn zu Folge gehabt: Menelik, Gründer der äthiopischen Dynastie. Mit diesem sei die Bundeslade – und damit die Präsenz Gottes – von Jerusalem nach Äthiopien übergegangen. Gaza gilt hier als Stadt, die Salomo der Königin gegeben habe, worüber Lukas, der Evangelist, in der Apostelgeschichte geschrieben hätte: Ein Eunuch der Königin Kandake, der zum Glauben kam, ist Herr über das ganze Land Gaza (vgl. Apg 8,27: evpi. pa,shj th/j ga,zhj auvth/j!).199 194
Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 297f; KOOLE, Isaiah III/1, 291; BERGES, Jesaja 40–48, 420f; HIRTH, Die Königin von Saba, 14 Anm. 1. 195 S. SCHWEMER, Vitae Prophetarum I, 8 und dort Anm. a. 196 V.a. hinsichtlich der Geschenke und hinsichtlich des Scharfsinns Alexanders gegenüber dem der Kandake. Der Erzählzusammenhang ist freilich ein anderer und die Rollen sind im Grunde vertauscht: Alexander ist es, der nach Empfang vieler Geschenke von Seiten der Kandake nun seinerseits mit Geschenken die Königin besucht und – vermeintlich inkognito – ihr Land und ihren außergewöhnlichen Reichtum erkundet. Aufgrund einer List weiß diese aber um seine Identität. Alexander schlichtet jedoch durch sein kluges Eingreifen einen Streit unter den beiden Königssöhnen und zieht letztlich erneut beschenkt von dannen (Alexanderroman III, 18–23). Zum nachhaltigen Einfluss Äthiopiens auf die Romanliteratur vgl. die Aethiopica historia von Heliodorus. 197 Nach Ant. II, 249 gilt Saba als königliche Stadt Äthiopiens, die dann von Kambyses in Meroe umbenannt wurde. Andernorts entwickelt sich in der jüdischen Tradition ein vielseitig transformiertes Bild der Königin von Saba als weise Rätselstellerin, als verführerische Lilith und behaarter Dämon oder gar als Mutter Nebukadnezars. S. dazu ausführlich SILBERMAN, The Queen of Sheba in Judaic Tradition, 65–84. 198 Vgl. die Ausgaben von DULING, Testament of Solomon, und BUSCH, Das Testament Salomos. 199 S. ULLENDORF, The Queen of Sheba in Ethiopian Tradition, 104–114, und DERS., Candace, 53–55. ULLENDORF schreibt diese Überlagerung der Traditionen einerseits dem Alexanderroman, andererseits dem Versuch einer nationalen Nobilisierung zu. Er verweist auch noch auf die apokryphen Apostelakten, wo von der Bekehrung des äthiopischen Königs durch Matthäus berichtet wird, den ein Eunuch namens „Candacis“ empfängt (s. LIPSIUS, Apokryphe Apostelgeschichten II/2, 137, und u. in Abschnitt I.3.3.1, S. 159).
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Unabhängig vom Quellenwert dieser Nachrichten wird deutlich, dass inner- wie außerbiblisch die Verbindung von 1Kön 10 und Äthiopien von solcher Art ist, dass auch Lukas sie gesehen haben wird.200 Lk 11,31 zeigt, dass ihm 1Kön 10 durchaus präsent war. Und die Bedeutung der Jesajarolle im Erzählzusammenhang verweist auch auf die Bedeutung dieser Schrift für Lukas, das heißt aber doch wohl inklusive der beiden Verse Jes 43,3 und 45,14, deren Verbindung von Äthiopien und Seba für die Verbindung von 1Kön 10 und Äthiopien förderlich war.201 Dass das Gegenüber von Philippus in Apg 8 ein Äthiopier ist, ist das erste, was Lukas für ihn festgehalten wissen will. 202 Wie in Lk 11,31, so kommt auch in Apg 8,27 eine Person „von den Enden der Erde“ ins Bild. Die Provenienz wird doppelt betont durch die Erwähnung der Kandake, der Königin der Äthiopier – ein Titel, den Lukas einerseits von außerhalb der biblischen Schriften eingebracht hat und aufgrund dessen man annehmen kann, dass er Kenntnis von den Gegebenheiten des Fremdlandes hatte, der aber andererseits auch die biblische Tradition von 1Kön 10 evoziert. So steht Lukas einmal mehr als Theologe und Historiker zwischen der biblischen Überlieferung und den geschichtlichen Gegebenheiten seiner Zeit und verbindet beides miteinander. Mit anderen Worten: Die Kandake erscheint als aktuelle Königin von Saba für die neutestamentliche Zeit. Dies hat theologische Implikationen für das Verständnis der Perikope, wie sie V. HIRTH zu Recht skizziert hat. Denn 1Kön 10 ist eine Geschichte über die Weisheit Salomos, „aber vor allem eine Geschichte von der überragenden Weisheit Jahwes, die aufgrund von Salomos Gebet (1.Kön 3,5ff.) nun ‚in ihm‘ ist.“203 Die Königin von Saba kommt, um Salomo mit Rätselfragen zu prüfen, muss aber anerkennen, dass ihre menschliche Weisheit vor Gottes Weisheit an ihr Ende kommt. In Anerkennung dieser Tatsache lässt sie Geschenke in Jerusalem zurück, was sich auf die spätere Heilshoffnung auswirkt, dass die Völker und Könige Gott Geschenke bringen werden (Ps 72,10.15; Jes 45,14; 60,6). Die Königin wird aber auch selbst beschenkt – nicht nur materiell, sondern auch mit Gotteserkenntnis, wie es ihre Akklamation zeigt. Und so kommt hier narrativ zum Ausdruck, was die eschatologische Hoffnung der Völkerwallfahrt von Jes 2,2–4 und Mi 4,1–3 in die Worte fasst, dass „von Zion Weisung ausgeht und des Herrn Wort von Jerusalem“. Der Weg der alttestamentlichen Königin wiederholt sich nun im Weg des Kämmerers als Teil der endzeitlichen
200
Als mögliche Erklärung für ein Zusammenfließen der Traditionen konstatiert MUL1Kings, 510: „It cannot be ruled out that the Sabeans [in SW-Arabien] also possessed trade colonies in ‚the Horn of Africa‘ and elsewhere in Africa and that the stories about Solomon and ‚the queen of Sheba‘ later travelled along these routes to present-day Ethiopia, so that Josephus, for example, could easily associate Sheba with Ethiopia“. Vgl. dazu auch unter Berücksichtigung von Jes 43,3 die Anm. e von Thackeray zu Josephus, Ant. VIII, 165: Demnach könnte auch eine griechische Quelle der Grund für die Traditionsverschmelzung sein. 201 SCOTT, Luke’s Geographical Horizon, 483–544, vertritt zudem die These, dass das lukanische Werk an vielen Stellen von der Völkertafel-Tradition nach Gen 10 geprägt ist; er gliedert die Apostelgeschichte daher entsprechend der Verkündigung an Sem (2,1–8,25), Ham (8,26–40) und Japheth (9,1–28,31). S. dazu u. Anm. 593. 202 So auch MARTIN, A Chamberlain’s Journey, 119: „We would argue that the Ethiopian’s geographical provenance was, like his ethnographical identity, of particular significance for Luke, and not parenthetical minutiae.“ 203 HIRTH, Die Königin von Saba, 13. Das Folgende schließt sich an das ebd., 13–15, Gesagte an. DER,
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Völkerwallfahrt.204 Wenngleich bei ihm nicht direkt die Rede von Geschenken ist, ist er doch über die Königsschätze gesetzt und erwirbt sich offenbar eine teure Schriftrolle, was bedeutet: Er lässt etwas von seinen Schätzen in der Zionsstadt. Durch die Schriftrolle geht in seinem Fall das Wort des Herrn ganz greifbar von Jerusalem aus – es bleibt ihm aber zunächst verschlossen. Wiederum scheitert die menschliche Weisheit an der Weisheit Gottes, wenn dieser sie nicht selbst erschließt. Er tut dies nach Apg 8 dann aber christologisch, ausgehend von Jes 53, auf dem Weg weg von Jerusalem. Dadurch findet eine entscheidende Umprägung statt: Die Zionsbindung wird zur Bindung an die Schrift. Der Ort der Offenbarung verlagert sich in das Wort der Offenbarung. Das heißt ferner: Die Völkerwallfahrt zum Zion, von dem Weisheit ausgeht, wird in ihrer Richtung umgekehrt; die ganz andere Weisheit Gottes kommt als das Evangelium vom Zion zu den Völkern.205 Inwiefern diese Deutung der lukanischen Erzählabsicht entspricht, muss die weitere Auslegung zeigen. ***
Dass Lukas explizit einen Äthiopier erwähnt, der zusätzlich mit der Kandake verbunden ist, steigert also von der alttestamentlichen Überlieferung her die theologische Aussageabsicht der Perikope. Doch Lukas schreibt dem Äthiopier noch weitere Attribute zu. 206 Exkurs: Zum Status des Eunuchen Er ist ein euvnou/coj.207 Dieser Begriff wird neutestamentlich nur noch in Mt 19,12 im Plural und verbal verwendet für die „Verschnittenen um des Himmelreiches willen“. Im Alten Testament erscheint euvnou/coj als Übersetzung des hebräischen syrIs' und kann für zweierlei stehen: Einmal für einen Kämmerer oder Beamten des Königs oder der Königin – oftmals Heerführer, aber auch beispielsweise der verheiratete Potiphar –, zum andern wie in Mt 19 für körperlich Verschnittene. 208 Für das genaue Verständnis in Apg 8 ist die Zusammen-
204
Vgl. HENGEL – SCHWEMER, Paulus, 103 Anm. 418. Vgl. zur Umkehrung der Völkerwallfahrt unter Einbeziehung von Lk 11,31 auch SCHMIDT, Bekehrung zur Zerstreuung, 197–205. SCHMIDT zufolge ist bei Lukas im Gegensatz zur alttestamentlichen Prophetie die Diaspora generell positiv konnotiert. 206 FABIEN, Philippe „l’évangéliste“, 157.191, spricht gar von einem Überangebot an Näherbestimmungen. 207 Die griechische Grundbedeutung ist „der das Bett beaufsichtigt“ (o` th.n euvnh.n e;cwn). S. LIDDELL – SCOTT, Greek-English Lexicon, 724, s. v. euvnou/coj. 208 Ersteres: Gen 39,1; 40,2.7; 1Sam 8,15; 1Kön 22,9 (= 2Chr 18,8); 2Kön 8,6; 20,18; 24,12; 25,19 (= Jer 52,25); Est 1,10,12.15; 2,3.14f.21; 4,4f; 6,2.14; 7,9; Jer 29,2 (LXX: 36,2); 41,16 (LXX: 48,16); letzteres: Jes 56,3f; vermutlich 2Kön 20,18 (= Jes 39,7: spa,dwn); 2Kön 9,32; 23,11; 24,15 (vgl. den äthiopischen Kämmerer in Jer 38,7); noch LXX Est 1,1; 2,23; SapSal 3,14; Sir 20,4; 30,20; Jdt 12,11. An wenigen anderen Stellen ist abweichend übersetzt (z.B. Gen 37,36); in Verbindungen z.B. noch 4Reg 18,17; Dan 1,7– 11.18. Vgl. auch den instruktiven Beitrag von KEDAR-KOPFSTEIN, Art. syrIs', sowie LINDEMANN, Der „äthiopische Eunuch“, 121, der für Gen 39,1; 2Kön 20,17f und Est 2,3.14; 4,4f mit der Möglichkeit rechnet, dass dort mit syrIs' auch eine Aussage über die Zeugungsunfähigkeit intendiert ist. Ähnlich REEVES, The Ethiopian Eunuch, 122 Anm. 22. 205
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stellung mit dem nächsten Attribut entscheidend: duna,sthj. Auch dieser Begriff ist im Neuen Testament selten; alttestamentlich wird er uneinheitlich gebraucht, jedoch ist stets ein Herrscherstatus gemeint. 209 Lukas führt diesen mit einem ersten Relativsatz noch näher aus als „über alle ihre Schätze gesetzt“ (evpi. pa,shj th/j ga,zhj auvth/j ).210 Der Königsdiener ist offenbar nichts weniger als der äthiopische Finanzminister – und der Lukas-Leser mag dadurch sogleich an Jesu Wort erinnert werden, dass eher ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher in das Reich Gottes kommt (Lk 18,25). Von daher ist euvnou/coj also entweder eine Würdebezeichnung entsprechend zu duna,sthj im Sinne eines Hofbeamten oder es zeigt die körperliche Verfasstheit des Äthiopiers als Kastrat an. Auffällig ist, dass Lukas nachfolgend genau dieses Attribut – und kein anderes – zur Beschreibung des Gegenübers des Philippus benutzt; er ist stets der euvnou/coj. Nun waren Kastraten in der Antike äußerst verspottet, galten als minderwertig, zum Teil gar als wollüstig und hinterhältig; als „effeminierte“ Männer bildeten sie eine soziale Randgruppe und wurden aufgrund ihrer androgynen Wesenszüge zum Teil als „Lustknaben“ begehrt.211 Kastration diente speziell im Orient zur Bestrafung, kam aber auch aus
209 Noch 1Tim 6,15 (auf Gott bezogen) und pluralisch im Magnificat (Lk 1,52). In der LXX z.B. Gen 49,24 (Gott); 50,4 (Haus des Pharao als Oberste); 1Chr 28,1 und 29,24 (rABGI); Spr 8,15 und 31,4 (substantiviertes Partizip von !zr); 17,26 (bydIn"); 18,16 (lAdG"); 18,18 und Dan 8,24 (~Wc['); Jes 5,22 (lyIx;-vyai); Dan 9,6.8 (rf;); Nah 3,18 (ryDIa;); Ijob 15,20 (#yrI['); verstärkt verwendet in den Texten, welche die LXX gegenüber dem MT bietet, z.B. Ri 5,9; Oden 9,52; Jer 41,19; Sir 11,6; 2Makk 9,25 (Fürsten); Sir 46,5.16; 2Makk 12,15.28; 15,23.29 (Gott); weiter 3Makk 5,51; 6,4; Jdt 2,14; 9,3 u.ö. 210 Wiederum auffällig ist das neutestamentliche hapax legomenon ga,za, welches auch dadurch eine interessante Betonung erfährt, dass der Ortsname Ga,za direkt vorausgeht. Zu dieser Paronomasie bemerkt ZAHN , Apg, 313 Anm. 78, treffend: „Man kann sich kaum des Gedankens erwehren, daß Lc statt qhsauro,j oder qesauroi, das fremde, wie gesagt, im NT sonst unerhörte Wort wegen des Gleichklangs mit dem Stadtnamen … gewählt hat … Auf dem öden Wege nach Gaza fand Phil unverhofft den Gazophylax der Königin Kandake“ (Hervorhebung im Original). So auch Hieronymus, Ep. 108,11, der den Weg nach Gaza als Weg zu den „Reichtümern Gottes“ deutet. In der LXX findet sich ga,za für Schatzmeister bzw. -kammern in Esr 6,1; 7,21; Est 4,7. Mit HOFMANN, Wirklichkeitsgehalt, 41, kann das Wortspiel noch weiter geführt werden: Der „fremde gaza-Verwalter findet auf dem Weg nach Gaza einen kostbaren gaza in Gestalt des Evangeliums. Dieser aber war wertvoller als alle die Schätze, die bekanntlich die Äthiopen besaßen, bei denen ja selbst die Ketten der Gefangenen aus Gold waren“ (Hervorhebung im Original). Zu alttestamentlichen Belegen und zum Unterschied zu qhsauro,j vgl. auch AVEMARIE, Tauferzählungen, 277 mit Anm. 52. 211 Lucian, Eunuch., berichtet vom Eunuchen Bagoas, einem von zwei Bewerbern für einen Philosophie-Lehrstuhl, der mit einer effeminierten Stimme redet (to. fw,nhma gunaikei/oj). Dessen Konkurrent Diokles ist der Meinung, dass solche Leute nicht nur von der Philosophie ausgeschlossen werden sollten, sondern auch von allen religiösen Stätten und öffentlichen Plätzen, denn Eunuchen wären weder Männer noch Frauen, sondern etwas Zusammegesetztes, Vermischtes und Verwunderliches (ti su,nqeton kai. mikto.n kai. teratw/dej), etwas der menschlichen Physis Fremdes (e;xw th/j avnqrwpei,aj fu,sewj). Einer der Richter bedenkt die Bartlosigkeit und vergleicht den Zustand mit einer Krähe, die weder Taube noch Rabe sei. Ein anderer erwähnt den Hintergrund, dass bei Ehebruch der Schuldige zum Eunuchen degradiert werde. Vgl. zu den weiteren Aspekten KEDAR-
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religiösem Antrieb vor, besonders in kleinasiatischen Fruchtbarkeitskulten. 212 Auch im Judentum konnten Kastraten im Synhedrium und im Kriminalgericht Sitz und Stimme nicht erlangen.213 Andererseits galten Kastraten aber als ergeben und verlässlich und gelangten daher in hohe Positionen an Königshöfen, geeignet vor allem als Diener und Aufseher der Frauen, so dass „Eunuch“ zum Teil Synonym für „Hofbeamter“ sein konnte und manchmal auch Nichtkastraten einschloss. 214 Man kann daher die Erwähnung in Apg 8 schlicht als Unterstreichung des beruflichen Status verstehen. In diesem Fall wäre der eigentliche Titel nicht duna,sthj, sondern euvnou/coj, und duna,sthj wäre attributive Erklärung des Titels, ganz wie bei „Kandake (Titel), Königin der Äthiopier (Attribut)“. Die Wiederholung von euvnou/coj in der Erzählung brächte somit stets die Dignität des Äthiopiers zu Bewusstsein.215 Die andere Möglichkeit, dass Lukas auch die physische Versehrtheit betonen möchte, findet Unterstützung durch Lk 4,27, wo Jesus in seiner programmatischen Antrittspredigt das Reinwerden des auf seine Weise versehrten Naaman hervorhebt, ebenfalls ein ausländischer königlicher Beamter.216 Hätte Lukas ferner nur den Beamtenstatus akzentuieren wollen, hätte er nicht das ambivalente euvnou/coj als Hauptbezeichnung in seiner Erzählung wählen müssen; hierauf liegt aber gegenüber den anderen Termini der Akzent, woraus eine semantische Differenzierung gefolgert werden kann. Und auch die Funktion als Diener der Kandake verweist darauf, dass der Äthiopier gerade als Eunuch in diesem Dienst steht und also nicht nur seine Position, sondern auch seine Verfasstheit hervorgehoben ist. 217 KOPFSTEIN, Art. syrIs', 951; GUYOT, Art. Eunuchen, 257, und ausführlich HUG, Art. Eunuchen, 453f. 212 S. SCHNEIDER, Art. euvnou/coj, 763. Erst Domitian schaffte laut Sueton, Dom. 7, die Kastration als Bestrafung ab. 213 S. PETZKE, Art. euvnou/coj, 202. 214 Plutarch, Demetr. 25,5, erwähnt die gängige Praxis, Eunuchen als Schatzmeister zu haben (euvnou,couj e;cein gazofu,lakaj). Vgl. KEDAR-KOPFSTEIN, Art. syrIs', 951, und ausführlich GUYOT, Art. Eunuchen, 257f, sowie HUG, Art. Eunuchen, 449–455. Leiblich versehrte Eunuchen auf der Ebene der Dienstmädchen erwähnt später auch Hieronymus, Ep. 22,16.32; 54,13; 130,4.13. 215 So DE MEESTER, „Philippe et l’eunuque éthopien“, 363; HAENCHEN, Apg, 300; PESCH, Apg I, 289; SCHNABEL, Urchristliche Mission, 668; SCHOLZ, Frühchristliche Spuren, 299–301; WANDER, Trennungsprozesse, 166. Angeführt wird meist neben dem Unschicklichkeits-Empfinden über die andernfalls implizierte durchgängige Betonung der körperlichen Versehrtheit noch Jer 41,19 (LXX), wo das hebräische syrIs', mit duna,sthj übertragen wird, nicht mit euvnou/coj. Dadurch ist die Gleichsetzung für Apg 8 aber nicht erwiesen. JERVELL, Apg, 271, sieht in duna,sthj eine Eintragung des Lukas, um den Mann nicht als Kastraten zu bezeichnen. 216 Dieser ist nach 2Kön 5 zwar verheiratet und „mächtig an Stärke“ (dunato.j ivscu,i), aber aussätzig (leleprwme,noj). Unter anderem aufgrund dieser Analogie entwickelt BRODIE, Towards Unraveling, die These, dass Lukas in seinen Erzählungen in Apg 8 weitgehend die Naaman-Erzählung verarbeitet. Dabei bilde Gehasi den Antitypus zum Magier Simon, Naaman dagegen den Antitypus zum Eunuchen. S. dazu die Reaktion von FABIEN, Philippe „l’évangéliste“, 180–182. Trotz der Berührungspunkte mit der Elia-ElisaTradition (S. dazu u. S. 147) bleibt für Apg 8,26–40 aber theologisch Jes 53 bestimmend. 217 Vgl. AVEMARIE, Tauferzählungen, 57: „Lukas muss sich darüber im klaren gewesen sein, dass seine Leser den Text nach aller Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne verstehen würden, und wäre ihm das peinlich erschienen, hätten ihm andere, weniger verfängliche
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Nimmt man einmal letzteres an, so ergeben sich daraus Konsequenzen für die Beurteilung des religiösen Status. Denn aus jüdischer Sicht galt nur der unversehrte Körper als sakral vollwertig. Das betraf Opfertiere ebenso wie die Angehörigen der Kultusgemeinschaft, wie aus den „Fehlerlisten“ Lev 21,17–23 und 22,17–25 hervorgeht. Speziell hinsichtlich des geschlechtlichen Ganzseins heißt es in Lev 22,24 mit Blick auf die Tiere: „Und dem die Hoden zerdrückt oder zerschlagen oder zerrissen oder ausgeschnitten sind, sollt ihr JHWH nicht darbringen“. Ebenso werden in Lev 21,20 „zerquetschte Hoden“ (%v,a' x:Arm.; LXX: mo,norcij, „mit einem Hoden“; vgl. Dtn 25,11) als Makel eines Menschen genannt. Unannehmbar sind Entmannte und Verschnittene vor allem nach Dtn 23,2: Nicht soll kommen, wer zerstoßen durch Zermalmung (= dem die Hoden zerstoßen sind) oder dem das Glied zerschnitten, in die Versammlung JHWHs. 218 Dies war neben dem Aspekt der vollkommenen Heiligkeit offenbar dadurch begründet, dass aus der körperlichen Beeinträchtigung notwendig ein Zurückbleiben hinter zwei für die jüdische Identität entscheidenden Dingen folgte: der Fähigkeit zur Fortpflanzung und der Wahrung des Bundeszeichens. Eine Verschneidung machte das Beschnittensein unmöglich. Dieses war aber für die volle Teilhabe an der Bundesgemeinschaft nötig. Im Exil jenseits des Euphrat wurde Israel dann vermutlich in neuer Weise mit dem speziell im Orient beheimateten Problem des Eunuchwesens konfrontiert. Es wird daher kein Zufall sein, dass hier eine Umkehrung der Sichtweise zutage tritt in einem Text, der mit deutlichen Worten von der eschatologischen Integration bisher Ausgeschlossener in die Heilsgemeinde spricht: Jes 56,1–8 – ein Text wohlgemerkt, der auch in der Schriftrolle des Äthiopen enthalten zu denken ist. 219 1
So spricht JHWH: Wahret Recht und übt Gerechtigkeit, denn nahe ist mein Heil, dass es kommt, und meine Gerechtigkeit, dass sie offenbart werde. 2 Selig der Mensch, der dies tut und das Menschenkind, das daran festhält, den Sabbat haltend, ihn nicht zu entweihen, Ausdrücke zur Verfügung gestanden. Er zeichnet den Äthiopier eindeutig als einen Kastraten, und die pejorativen Konnotationen, die sich für ihn als einen Angehörigen griechischrömischen Zivilisation mit dem Begriff des Eunuchen verbunden haben dürften, nimmt er in Kauf.“ Für die Versehrtheit plädieren weiter ZAHN, Apg, 312; CONZELMANN, Apg, 63; DINKLER, Philippus, 92; KOLLMANN, Philippus, 558; SCHREIBER, „Verstehst du auch, was du liest?“, 56f; WEISER, Apg, 212; ROLOFF, Apg, 140; SCHNEIDER, Apg I, 498 Anm. 6; SCHMITHALS, Apg, 84; SCHILLE, Apg, 210; ZMIJEWSKI, Apg, 362; SPENCER, The Ethiopian Eunuch, 156; BOCK, Acts, 341; PETERSON, Acts, 291; KERN, Paul’s Conversion, 65; LINDEMANN, Der „äthiopische Eunuch“, 123; TAEGER, Der Mensch und sein Heil, 209 Anm. 867; WITHERINGTON, Acts, 296. 218 Targum Pseudo-Jonathan überliefert hier statt dem Kommen in die Versammlung, dass einem Kastraten nicht erlaubt sei, eine Frau aus der Versammlung des Gottesvolkes zu nehmen, und hat damit die Fortpflanzung im Blick. Dagegen wird im Targum Onkelos die Unreinheit des Kastraten betont. Targum Neofiti ergänzt „in die Versammlung der Gemeinde des Herrn“. 219 Vgl. auch BARRETT, Acts I, 425: „Luke does not refer to it but (as with Ps. 68) many early Christians will have known it.“
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I. Der Kämmerer und der Knecht: Exegese von Apg 8,26–40 und zurückhaltend seine Hand, zu tun nichts Übles. 3 Und nicht soll sagen der Sohn der Fremde (rk'NEh;-!B, / o` avllogenh,j220), der sich JHWH angeschlossen hat: Gewiss wird mich ausschließen JHWH aus seinem Volk! Und nicht soll sagen der Verschnittene (syrIS'h; / o` euvnou/coj): Siehe, ich bin ein vertrockneter Baum! 4 Denn so spricht JHWH: Den Verschnittenen (~ysiyrIS'l; / toi/j euvnou,coij), die meine Sabbate halten und erwählen, was mir wohlgefällt, und festhalten an meinem Bund: 5 Ich werde ihnen geben in meinem Haus und in meinen Mauern ein Denkmal und einen Namen, besser als Söhne und Töchter; einen ewigen Namen will ich ihm geben, der nicht vergehen wird. 6 Und die Söhne der Fremde (rk'NEh; ynEB. / toi/j avllogene,si), die sich JHWH angeschlossen haben, um ihm zu dienen und zu lieben den Namen JHWHs, damit sie ihm Knechte seien, jeder, der bewahrt den Sabbat, ihn nicht zu entweihen, und die festhalten an meinem Bund: 7 Die will ich bringen zu meinem heiligen Berge und sie erfreuen in meinem Bethaus und ihre Brandopfer und Schlachtopfer sollen ein Wohlgefallen sein auf meinem Altar, denn mein Haus: ein Bethaus soll es genannt werden für alle Völker (~yMi[;h'-lk'l. / pa/sin toi/j e;qnesin). 8 Spruch des Herrn JHWH, der die Vertriebenen Israels sammelt: Noch mehr will ich sammeln zu ihm, zu seinem Gesammelten.
Die Integration in die Heilsgemeinde wird in Aussicht gestellt; sie ist allerdings an die rechte Gottesverehrung gebunden. In der späteren weisheitlichen Literatur erscheint schließlich eine ähnliche Verheißung. SapSal 3 redet von der Gnade Gottes gegenüber seinen Auserwählten und der Auswirkung der Gottlosigkeit auch hinsichtlich der Nachkommen derer, die seine Weisheit nicht achten. Als Kontrast zu letzteren werden zwei Beispiele genannt: die Unfruchtbare und der Eunuch. Von diesem heißt es in SapSal 3,14: Selig ist auch der Verschnittene (euvnou/coj), der nicht mit seiner Hand Unrechtes wirkt und nicht gegen den Herrn Böses erdenkt; es wird ihm für seine Treue besondere Gnade und ein köstliches Los im Tempel des Herrn gegeben werden. Dennoch war auch zu neutestamentlicher Zeit die exkludierende Auffassung aus Dtn 23 prägend. Dies ist unter anderem an Aussagen von Philo und Josephus ersichtlich. 221 Bei 220 In Lk 17,18 wird der zu Jesus zurückkehrende geheilte Samariter so bezeichnet; daher erscheint Apg 8 als Erfüllung von Jes 56 für den avllogenh,j (Samariter) und den euvnou/coj (der Äthiopier). Mit RUSAM, Das Alte Testament bei Lukas, 383. 221 Philo, Leg. alleg. III, 8; Spec. leg. I, 324f; Josephus, Ant. IV, 290f. Allerdings sind bei Josephus auch die Notizen bemerkenswert, dass es am Hof des Herodes drei Eunuchen als Kämmerer gab, von denen einer der Mundschenk, ein zweiter der Speisemeister und der dritte dafür zuständig war, den König zu Bett zu bringen und über wichtige Staatsdinge zu wachen (Bell. I, 488–491; Ant. XVI, 230–234; vgl. noch Ant. XV, 226; XVII, 44f u.ö.); ferner hatte Josephus selbst einen Eunuchen als Erzieher für seinen Sohn (Vita 429). Nach 1QSa 2,3–10 durfte in Qumran kein Mann, der mit irgendeiner Unreinheit des Menschen
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einem Verständnis des Eunuchen als eines körperlich Versehrten beschreibt Apg 8 also im Licht der Traditionslinien die Erfüllung der eschatologischen Verheißungen. 222 Es ist aufgrund der Betonung der Jesaja-Rolle in der Erzählung und der Nähe von Jes 56 zu Jes 53 nicht unwahrscheinlich, dass auch dieses Kapitel Einfluss auf die lukanische Darstellung hatte.223 Philippus geht in Kontrast zu Mt 10,5 in eine Stadt der Samariter und den Weg zu den Heiden. Die Gottesgemeinschaft wird analog zu Jes 56 und SapSal 3 geöffnet für bisher Ausgeschlossene. Dieser Umbruch hat seinen Haftpunkt allerdings nicht in einer neu gewonnenen jüdischen Toleranz, sondern einzig und allein im Christusgeschehen, wie die Kämmerer-Erzählung mit Nachdruck betont. Denn was den Eunuchen am Ende zur Taufe bewegt, ist nicht seine eigene Rechtschaffenheit in der Bewahrung der jüdischen Traditionen, wie dies noch Jes 56 und SapSal 3 fordern, sondern die Tatsache, dass er in Berührung mit Christus kommt. 224 Was ihm Anteil am neu konstituierten Bundesvolk gibt, ist nicht die Beachtung des Sabbats, seine Wallfahrt nach Jerusalem oder seine Treue, sondern die Selbstoffenbarung Gottes durch sein Wort. Seine Inklusion in die Gottesgemeinschaft ist nicht gebunden an die Beschneidung, sondern an die Frohbotschaft von Jesus.225 und Makel am Fleisch geschlagen ist, in die Versammlung Gottes eintreten. Vgl. aber ausführlich AVEMARIE, Tauferzählungen, 57–63, der für die maßgeblichen jüdischen Kreise jener Zeit eine Auslegung von Dtn 23,2 vor allem im Rahmen des Eherechts ausmacht und der in den Quellen keinen Anhalt dafür findet, dass Dtn 23,2 als Übertrittsverbot für Zeugungsunfähige aufgefasst worden sei. 222 SHAUF, Locating the Eunuch, 772f, macht darauf aufmerksam, dass aus der Erzählung keine wahrnehmbare negative Folge einer Versehrtheit, sondern nur ein positives Bild des Eunuchen hervorgehe, und erwägt daher, dass der Begriff doch die amtliche Stellung ausdrücken könne. 223 Dass Lukas mit Jes 56 vertraut war, ergibt sich nicht nur aus der Bedeutung von Jes 40–66 für das lukanische Doppelwerk insgesamt (vgl. u. im Ausblick Anm. 1), sondern auch aus dem Zitat von Jes 56,7 in Lk 19,46. S. TANNEHILL, Narrative Unity 2, 109. PAO, Acts and the Isaianic New Exodus, 140–142, sieht in Jes 56 überhaupt den hermeneutischen Schlüssel zum Verständnis der Perikope, in der aus diesem Grund das Stichwort Eunuch so deutlich betont werde. Das Thema sei demnach die „inclusion of the outcasts in the restoration program“ nach Jesaja, welches als Vorlage für die Apostelgeschichte gedient habe (op. cit., 142). PORTER, What did Philip say?, 54f, vermutet darüber hinaus, dass Philippus dem Eunuchen dann auch von den auf Jes 53 folgenden Versen her das Evangelium verkündet und das zwischen Jes 53 und Jes 56 Stehende nicht übergangen habe; er macht „Tauferklärungen“ aus in Jes 54,9f und 55,1. Kritisch dazu SPENCER, Portrait of Philip, 171 Anm. 2. 224 Etwas undeutlich bei BORNHÄUSER, Taufe des Eunuchen, 97, wenn er sagt: „Nun ist der Messias da … Nun fallen die Schranken“. Für Lukas ist nicht nur das Dasein des Messias entscheidend, sondern der Weg Jesu, der am Kreuz nicht vorbeiführt; dies legt die Verarbeitung von Jes 53 nahe. S. dazu die nachfolgende Auslegung. 225 Insofern liegt hier eine christologisch begründete Überbietung der Traditionen vor. Gegen VON DOBBELER, Der Evangelist Philippus, 116f, demzufolge die Pointe der Erzählung gerade darin liegt, dass hier einem vorbildlich frommen Mann, dem nur aufgrund seines Status als Eunuch der Zugang zur Gemeinde Gottes verwehrt war, dieser Zugang jetzt geöffnet werde und es also um die Aufhebung der in Dtn 23 definierten Schranke entprechend der tritojesajanischen Verheißung gehe, nicht um eine Überbietung von Jes 56. Auch die Beurteilung, dass dem Versuch, der Philippus-Mission ein christliches Pro-
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Noch weitere Attribute umschreiben die Person des Eunuchen. Der äthiopische Staatsbeamte, so wird relativisch ergänzt, war „gekommen, um anzubeten in Jerusalem“ (evlhlu,qei proskunh,swn eivj VIerousalh,m ).226 Dies wird später in Apg 24,11 auch Paulus von sich sagen (avne,bhn proskunh,swn eivj VIerousalh,m ). An beiden Stellen ist proskune,w terminus technicus für den Tempelgottesdienst. 227 Während der Begriff im Matthäusevangelium und in der Johannesoffenbarung Vorzugswort ist, erscheint proskune,w bei Lukas sonst nur bei der zweiten Versuchung Jesu (Lk 4,7f), bei der Erscheinung des Auferstandenen vor den Jüngern, die ihn daraufhin anbeten (Lk 24,52), in der Stephanusrede für Israels Götzenverehrung (Apg 7,43) und beim Niederfallen des Cornelius vor Petrus (Apg 10,25). Auch seiner Herkunft nach bezeichnet der Ausdruck stets ein Sich-Beugen vor einer größeren Majestät. So war also der „Diener ihrer Majestät“ bereit, die Hoheit Gottes anzuerkennen und zum Ausdruck zu bringen. Dafür war er weit, sehr weit gereist. Doch was war er nun in religiöser Hinsicht: Diasporajude, Proselyt, Gottesfürchtiger oder Heide? An dieser vieldiskutierten Frage hängt einerseits die Einschätzung dessen, was Anbetung in Jerusalem für den Eunuchen bedeutete, und andererseits die Bedeutung der Erzählung für die Ausbreitung des Evangeliums. 228 Es wurde schon gemutmaßt, der Eunuch sei hebräischer Abstammung 229 oder gar ein Sohn von Juden, welche die Kandake um 22 v.Chr. im Zuge der Auseinandersetzung mit Rom bei ihrem Einfall in die Thebais gefangennahm.230 Lukas sagt jedoch nichts über eine jüdische Herkunft des Äthiopiers. 231 Im Gegenteil: Alle Attribute in Apg 8 weisen in die entgegengesetzte Richtung. Würde Lukas die Zugehörigkeit zum Judentum voraussetzen, hätte er nicht unkommentiert stehen lassen, was nun da steht: Der Mann ist ein Fremdländer – dies ist das erste, das man erfährt –, im Dienst an einem heidnischen Hof.232 Allerprium gegenüber der jüdischen Öffnung der Gemeinde zu sichern, etwas Bemühtes und Künstliches anhafte, ist kritisch zu sehen. 226 Zur Problematik der Formulierung mit eivj und den unterschiedlichen Übersetzungsmöglichkeiten („nach Jerusalem, um anzubeten“ oder „um in Jerusalem anzubeten“) s. AVEMARIE, Tauferzählungen, 274 Anm. 28. Die Verwendung eines Partizip Futur als Ergänzung des Hauptverbums ist besonders in der Apostelgeschichte ausgeprägt (s. B LASS – DEBRUNNER – REHKOPF, Grammatik, § 351,1. 2). Man muss daraus nicht wie SCHMIDT, Bekehrung zur Zerstreuung, 198 Anm. 17, schließen, dass hierdurch nur die Absicht angezeigt, aber noch nichts über den Erfolg des Vorhabens gesagt werde. SCHMIDTs Deutung geht später gar soweit, dass der Eunuch „enttäuscht“ vom Zion zurückkehre und von Philippus aufgerichtet werden müsse (op. cit., 204). 227 Vgl. GREEVEN, Art. proskune,w, 765f. 228 Vgl. LINDEMANN, Der „äthiopische Eunuch“, 115. 229 S. SQUILLACI, Conversione, 1198f, demzufolge Äthiopien nur der Wohnort ist. 230 Vgl. die Diskussion bei HAENCHEN, Apg, 300 Anm. 4, und ZAHN, Apg, 312. 231 Der Diakon Pontius schreibt dem Eunuchen im dritten Kapitel seiner Darstellung des Lebens Cyprians dennoch unbesehen die Zugehörigkeit zum Judentum zu; Cyprian dagegen sei von den unwissenden Heiden gekommen. 232 Ähnlich SCHMIDT, Bekehrung zur Zerstreuung, 192; TANNEHILL, Narrative Unity 2, 109. Vgl. auch den Hinweis von SHAUF, Locating the Eunuch, 763, dass die Zugehörigkeit zum Judentum keine „natural corollary of being Ethiopian“ darstellt. Anders FITZMYER, Acts, 410.412, der den Eunuchen für einen Juden oder einen jüdischen Proselyten hält, vor allem aufgrund des Problems, dass ein Heidenstatus bedeuten würde, einem „minor character“ ein „major development in the Lucan story“ zuzuschreiben, und da Äthiopisch eine mit dem Hebräischen und Aramäischen verwandte semitische Sprache sei. Letzteres ist
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dings zieht er in die Zionsstadt, „um anzubeten“, also nicht aus geschäftlichem Interesse. 233 Da das Judentum in der ägyptischen Diaspora und darüber hinaus verbreitet war 234 und der Eunuch als Finanzminister der benachbarten Gegend vorgestellt wird, legt sich dem Leser der Gedanke nahe, dass der monotheistische Glaube das Interesse des Äthiopiers geweckt hat.235 Lukas teilt jedenfalls mit, dass er nach Israel kommt, um Gott zu huldigen – dies spricht mindestens für eine Anerkennung des jüdischen Gottes. War er nun Eunuch im Vollsinn, so war ihm aber aufgrund seiner körperlichen Verfassung der Übertritt zum Judentum als Proselyt wegen der ersten der drei Bedingungen – Beschneidung, Taufbad und Opferdarbringung im Tempel – nicht möglich.236 Auch die Tatsache der kultischen Verpflichtungen seines hohen Amtes macht die Annahme eines vollen Übertritts unwahrscheinlich.237 Neben den prosh,lutoi (im Neuen Testament nur in Mt 23,15; Apg 2,11; 6,5; kein gutes Argument und auch die Bedeutung der Erzählung im Kontext der Apostelgeschichte ist anders einzuschätzen (s. dazu u. S. 152). 233 Zum großen Ansehen des Jerusalemer Tempels und zur Attraktion von Festpilgern „von überall her“ zur Anbetung s. Josephus, Ant. XI, 87 (proskune,w, se,bomai to.n qeo,n ); Bell. II, 414 (Opfern und Anbeten durch Fremde); IV, 262 (der Tempel ist bekannt in der ganzen bewohnbaren Welt und wird geehrt sogar von denen, die nur davon hören, bis zu den Enden der Erde, toi/j avpo. pera,twn gh/j avllofu,loij); IV, 324 (die Gottesdienstvorsteher waren bei allen geschätzt, die von der ganzen bewohnten Erde in die Stadt kamen); V, 17f (viele, die vom Ende der Erde [avpo. gh/j pera,twn] kamen, um zu opfern an diesem Ort, der von der ganzen Menschheit als heilig geschätzt wurde, kamen vor ihren eigenen Opfern zu Tode und besprengten den bei allen – Griechen wie Barbaren – ehrwürdigen Altar mit ihrem eigenen Blut); VI, 427 (Fremde, die zur Anbetung gekommen waren). Für die Anbetung durch Würdeträger verbunden mit Weihegeschenken s. die gesammelten Belege bei KRAUTER, Bürgerrecht und Kultteilnahme, 193 Anm. 724. 234 Philo, Flacc. 43, erwähnt, dass nicht weniger als eine Million Juden in Ägypten wohnten, genauer: in Alexandria und im ganzen Land vom Übergang nach Libyen bis an die Grenze Äthiopiens (me,cri tw/n o`ri,wn Aivqiopi,aj). Vgl. SCHÜRER, Geschichte des jüdischen Volkes III, 19–25; IRSIGLER, Zefanja, 381; SCOTT, Luke’s Geographical Horizon, 495–499. 235 Vgl. ZAHN, Apg, 314, zu der Möglichkeit, dass der von den Elephantine-Papyri bezeugte jüdische Gott Jahu (JHWH) an die Stelle eines wenig konkreten Gottes im äthiopischen Polytheismus getreten sein könnte. 236 Vgl. MKeretot II 1 und bKeretot 9a (s. dazu u. Anm. 246). Zur Frage der Proselyten und der verschiedenen Formen des Anschlusses von Heiden an das Judentum ausführlich COHEN, Crossing the Boundary, 13–33, der sieben Formen erläutert, die z.T. aber unterschiedlich interpretiert wurden: 1) Bewunderung einiger Aspekte des Judentums, 2) Anerkennung der Macht des jüdischen Gottes bzw. Integration in den heidnischen Pantheon, 3) Unterstützung der Juden, 4) Ausübung einiger jüdischer Rituale, 5) Verehrung des jüdischen Gottes und Abwendung von paganen Gottheiten, 6) Anschluss an die jüdische Gemeinde, 7) Konversion. Heiden, die im Jerusalemer Tempel anbeteten, seien im Grad ihrer Zuwendung zum Judentum schwer einzuschätzen (op. cit., 23). Vgl. ferner SCHÜRER, Geschichte des jüdischen Volkes III, 122–135; KUHN, Art. prosh,lutoj, 738f.742–745; SAFRAI, Wallfahrt, 106; SPENCER, Portrait of Philip, 160–165. Dass Lukas die Bedeutung der Beschneidung sehr wohl bewusst war, zeigen Apg 11,20; 15,1.5; 16,3. 237 Mit HENGEL – SCHWEMER, Paulus, 103, gegen SANDERS, The Jews in Luke-Acts, 252f, und TAEGER, Der Mensch und sein Heil, 210, die den Proselytenstatus des Eunuchen vertreten wollen. Vgl. zum Konflikt zwischen Glaube und Amt auch das Beispiel
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13,43) gab es jedoch viele Heiden, die der Synagoge, dem jüdischen Glauben und auch den jüdischen Bräuchen zugeneigt waren, die aber den letzten Schritt des vollen Übertritts durch die Beschneidung nicht taten. Speziell die in der Apostelgeschichte gebrauchten formelhaften Wendungen oi` fobou,menoi to.n qeo,n und oi` sebo,menoi (to.n qeo,n) sind oft vermutlich so zu deuten.238 Insbesondere der dem jüdischen Glauben mit Eifer anhängende Naamans, der laut 2Kön 5,17–19 nur noch JHWH opfern will, aber um Nachsicht dafür bittet, dass er sich aus Loyalitätsgründen mit seinem König in den Tempel Rimmons begeben müsse; ferner die Nachricht bei Sueton über die Pflicht der Senatoren, Räucherwerk und Wein dem Gott zu opfern, in dessen Tempel die Senatsversammlung stattfinden sollte (Aug. 35,3). Dass sich die gesamte obere Schicht des äthiopischen Königtums durch ein ausgeprägtes Traditionsbewusstsein auszeichnete (TÖRÖK, Geschichte Meroes, 254), macht die Vorstellung eines meroitischen Hofeunuchen rein historisch dennoch nicht unmöglich. „So gut wie ausgeschlossen scheint nur, dass ein solcher Hofeunuch bewusst eine jüdische Herkunft gepflegt haben könnte, denn üblicherweise wurde die Kastration an Kindern – Opfern von Kriegsgefangenschaft, Menschenraub oder Aussetzung – vorgenommen, die durch die Versklavung den Kontakt mit ihren Familien verloren“ (AVEMARIE, Tauferzählungen, 280, Hervorhebung im Original). 238 Fobou,menoi to.n qeo,n : Apg 10,2.22 (Cornelius); 13,16.26 (Anrede von Juden und Gottesfürchtigen durch Paulus); 10,35 (allgemein von Frommen in jedem Volk); vgl. Lk 1,50 (Gottes Barmherzigkeit währt über denen, die ihn fürchten) sowie Offb 11,18 (Lohn u.a. für die, die den Namen des Herrn fürchten) und 19,5 (Aufruf zum Lob an alle Knechte und die, die den Herrn fürchten). Fobe,omai steht im Sinne der Gottesfurcht außerdem in Mt 10,28 par. Lk 12,5; Lk 18,2.4; 23,40; 1Petr 2,17; Offb 14,7; 15,4. Im Gegensatz zur Formulierung fobou,menoi to.n qeo,n , die auf Apg 10–13 beschränkt ist, kommt die zweite, eher hellenisierte Wendung erst ab der Hinkehr des Paulus zu den Heiden in Apg 13 vor: Sebo,menoi to.n qeo,n sind Lydia und Titius Justus (Apg 16,14; 18,7); absolutes sebo,menoi steht für vornehme Frauen (Apg 13,50), Griechen (Apg 17,4) und für Angehörige der Synagoge neben den Juden (Apg 17,17). Vieldiskutiert ist die Verbindung sebome,nwn proshlu,twn in Apg 13,43. Se,bomai wird ferner allgemein von der Gottesverehrung gebraucht (Apg 18,13), auch von heidnischen Göttern (Apg 19,27), und erscheint außer in der Apostelgeschichte nur noch im Zitat von Jes 29,13 in Mt 15,9 par. Mk 7,7. Vorbild für die Lukas eigentümliche Redeweise sind die alttestamentlichen Formeln „Gott fürchten“ bzw. „Gottesfurcht“ und „Gottesfürchtige“, die sich umfassend auf Frömmigkeit und sittliches Leben Israels beziehen; die rabbinische Bezeichnung jir’ê schāmajim („die den Himmel fürchten“) schloss daran an, um dem Judentum zugeneigte Heiden zu beschreiben. S. BALZ, Art. fobe,omai, 1031 mit Belegen. Der Terminus sebo,menoi to.n qeo,n als Pendant zu den Juden ist auch bei Josephus belegt (Ant. XIV, 110 [s.u. S. 77]; Ant. XX, 41 [s.u. Anm. 244]). Die Möglichkeit, dass jeweils nicht ein terminus technicus zur Abgrenzung einer bestimmten Gruppierung mit klar definiertem Status vorliegt, sondern die lukanischen Wendungen Frömmigkeitsprädikate sind, die sich auf Juden wie Heiden beziehen können, muss aber erwogen werden und legt sich von Lk 1,50; Apg 10,35 und 13,43 her ebenso nahe wie aufgrund der Parallelismen mit anderen die Frömmigkeit bezeichnenden Zuschreibungen in Apg 10,2.22. Dadurch wird indes nicht die auch außerbiblisch bezeugte Tatsache widerlegt, dass es tatsächlich viele „Gottesfürchtige“ und „Sympathisanten“ gegeben hat, auf welche die Begriffe eben auch angewandt wurden. Der Kontext ist also jeweils zu beachten. S. für eine detaillierte Diskussion der Sachlage die grundlegenden Untersuchungen von LAKE, Proselytes and God-fearers, 74–96; ROMANIUK, Die “Gottesfürchtigen” im Neuen Testament, 66–91; SIEGERT, Gottesfürchtige und Sympathisanten,
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Cornelius wird in Apg 10,2.22 als „Gottesfürchtiger“ bezeichnet (euvsebh.j kai. fobou,menoj to.n qeo,n bzw. avnh.r di,kaioj kai. fobou,menoj to.n qeo,n); er ist nach Apg 11,3 aber rechtlich ein Nichtjude, denn ungeachtet aller persönlichen Frömmigkeit blieben solche Gläubige für das jüdische Verständnis Heiden. Nun sind zwei Dinge auffällig. Einerseits, dass Lukas überall in der Apostelgeschi chte zur Einordnung von Gläubigen die genannten Titulierungen gebraucht, 239 in Apg 8 dies aber nicht tut.240 E. HAENCHEN und andere sehen den Grund dafür darin, dass Lukas wegen der Cornelius-Episode, welche offenbar als erste Heidenmission gelten sollte, den Eunuchen nicht eindeutig als Gottesfürchtigen bezeichnen konnte oder wollte und dessen Status absichtlich in der Schwebe gelassen habe. 241 Doch ist dies nicht die einzige Erklärungsmöglichkeit. Denn auch wer von Lukas nicht als Gottesfürchtiger bezeichnet wird, kann für ihn sehr wohl ein solcher sein. Das wird sichtbar beim Hauptmann in Lk 7, der dem Judentum zugetan ist (V. 5: „Er hat unser Volk lieb und die Synagoge hat er uns erbaut“) und somit dem „Gottesfürchtigen“ Cornelius entspricht (Apg 10,22: „ein gerechter und gottesfürchtiger Mann mit gutem Ruf bei dem ganzen Volk der Juden“), oder bei Naaman, der nach 2Kön 5,15 Gott fürchtet, was aber in Lk 4,27 nicht explizit erwähnt wird. 242 Der Terminus wird zwar oft für bestimmte Einzelpersonen verwendet (vgl. außer Cornelius z.B. Lydia und Titius Justus, Apg 16,14; 18,7), aber auch in einem breiteren Sinn für alle, die Gott fürchten (Lk 1,50; 23,40; Apg 10,35), so dass man in der Tat folgern kann: „[O]ne 109–164; SIMON, Art. Gottesfürchtiger, 1060–1070; sowie WASSERBERG, Aus Israels Mitte, 44–57; WILCOX, “God-Fearers”, 102–122; WANDER, Gottesfürchtige und Sympathisanten; DERS., Trennungsprozesse, 173–185; FELDMAN, Omnipresence, 58–69; und KRAUTER, Bürgerrecht und Kultteilnahme, 214–228. Zu den Gottesfürchtigen und zur Diskussion über eine jüdische Werbung um die Hinkehr von Heiden zum Judentum vgl. auch HENGEL – SCHWEMER, Paulus, 101–132, Exkurs II: Das Problem der „Sympathisanten“ und der jüdischen Propaganda, mit Literatur in Anm. 416. 239 Weitere Begrifflichkeiten zur Einordnung der Frömmigkeit bei Lukas sind {Ellhnej (Apg 14,1; 16,1.3; 17,4; 18,4; 19,10.17; 20,21; 21,28; vgl. 17,12 und Joh 7,35; 12,20, bei Paulus als Gegenüber zu Juden); ~Ellhnisth,j (Apg 6,1; 9,29; 11,20); euvlabh,j (Lk 2,25; Apg 2,5; 8,2; 22,12); euvsebh,j (Apg 10,2.7); euvsebei,a (Apg 3,12), euvsebe,w (Apg 17,23); di,kaioj (Lk 1,6.17; 2,25; 5,32; 14,14; 15,7; 18,9; 20,20; 23,50; Apg 10,22; 24,15). 240 Mit SPENCER, Portrait of Philip, 163. 241 S. HAENCHEN, Apg, 304: „So bleibt es undeutlich, was der Eunuch eigentlich ist, und gerade dieses geheimnisvolle Dunkel um seine Person ist dem Stadium der christlichen Missionsgeschichte in diesem Augenblick am besten angepasst“; WEISER, Apg, 212: Die Taufe des Eunuchen steht „zwischen der Juden- und Samariter-Mission einerseits und der Heidenmission andererseits. Sie bedeutet Expansion des Evangeliums über alle vorher erreichten Stadien hinaus, ohne jedoch unsachgemäß der Heidenmission vorzugreifen“ (vgl. ebd., 209). Entsprechend CONZELMANN, Apg, 63; SCHNEIDER, Apg I, 498–500; TAEGER, Der Mensch und sein Heil, 208–210. HENGEL – SCHWEMER, Paulus, 103, sehen im Eunuchen wohl einen mit dem Judentum sympathisierenden Heiden, aber Lukas könne den Eunuchen noch nicht expressis verbis als „Heiden“ bezeichnen, „weil ein solcher erst durch Petrus Apg 10 gewonnen werden darf. Die erste Taufe eines Heiden wäre der Ehre zuviel für die Nebenfigur Philippus gewesen“. 242 Vgl. auch die Bemerkung von SIEGERT im Zusammenhang der Untersuchung rabbinischer Quellen, dass die jüdischen Autoritäten der neutestamentlichen Zeit in Naaman ohne Weiteres das biblische Vorbild eines Gottesfürchtigen erblicken konnten (Gottesfürchtige und Sympathisanten, 122).
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does not have to be called a ‚God-fearer‘ in Luke-Acts to be a ‚God-fearer‘, as defined by modern scholarship.“ 243 Die andere Auffälligkeit besteht in den außerbiblisch bezeugten Parallelen zur Situation des Eunuchen. So schildert Josephus an einer Stelle die Bekehrung des heidnischen Kronprinzen Izates zum jüdischen Glauben, dem zunächst der Gottesfürchtigen-Status – d.h. die Verehrung des jüdischen Gottes mit Befolgung einiger der jüdischen Gebote, aber ohne Beschneidung –, dann jedoch der völlige Übertritt durch Beschneidung, und damit die Pflicht, alle Gebote zu halten, empfohlen wird. 244 An anderer Stelle berichtet Josephus über gottesfürchtige Pilger, die von jenseits des Euphrat vier Monate lang unter großen Gefahren und Kosten nach Jerusalem reisen und dort zum Teil auch Opfer darbringen, von der vollen Teilnahme am Kultgeschehen aber ausgeschlossen bleiben. 245 Die hohe Stellung des Eunuchen und sein Interesse am jüdischen Gott sind also der Stellung und dem Interesse des Izates vergleichbar, sein Kommen, um anzubeten, der Praxis anderer Wallfahrer. Für viele von ihnen war die Pilgerfahrt die Gelegenheit, die letzte der drei Bedingungen für den Übertritt zum Judentum zu erfüllen – das Opfer im Tempel, mit dem der Übertritt erst voll gültig war.246 Aber es gibt auch genügend Nachrichten über Wallfahrten von Heiden 243
SPENCER, Portrait of Philip, 164. Dort S. 164f auch die voranstehenden Beobachtun-
gen. 244
Ant. XX, 34–50: Helena, Königin von Adiabene, und ihr Sohn Izates (gest. ca. 55 n.Chr.) konvertieren beide zum jüdischen Glauben. Während Izates in Charax Spasinu weilt, werden die Frauen seiner Umgebung durch den jüdischen Händler Hananias bekehrt, welcher sodann auch Izates selbst überzeugt; Helena konvertiert unterdessen durch einen anderen Juden. Izates ist – jetzt als König – willens, sich beschneiden zu lassen, Helena rät aber davon ab und auch Hananias sagt, Izates könne Gott verehren (to. qei/on se,bein), ohne beschnitten zu sein, denn die Hingebung zähle mehr als die Beschneidung; außerdem habe Gott Verständnis angesichts seiner Situation als König im Blick auf die Untertanen, die einen jüdischen König schwer dulden würden. Eleazar, ein gesetzestreuer Jude aus Galiläa, drängt Izates dann aber dazu: Er findet ihn bei der Tora-Lektüre auf und hält ihm vor, dass auch zu tun sei, was geschrieben steht, alles andere sei Gottlosigkeit (avse,beia). Izates befolgt dies dann umgehend und bleibt in seiner Herrschaft doch wunderbar bewahrt. Helena pilgert später noch nach Jerusalem, um anzubeten. Vgl. zur Einschätzung dieser Erzählung KRAUTER, Bürgerrecht und Kultteilnahme, 219–223. Zum adiabenischen Königshaus und zu den verschiedenen Stufen des Anschlusses an das Judentum unter Berücksichtigung der Unterschiede zwischen Mutterland und Diaspora s. auch HENGEL – SCHWEMER, Paulus, 108f mit Anm. 439. 245 Ant. III, 318f. Vgl. HENGEL – SCHWEMER, Paulus, 110f; SPENCER, Portrait of Philip, 162f. KRAUTER, Bürgerrecht und Kultteilnahme, 204f, bzw. DERS., Die Beteiligung von Nichtjuden am Jerusalemer Tempelkult, 70–73, macht allerdings darauf aufmerksam, dass hier wohl Diasporajuden gemeint sind, die aus Gehorsam gegenüber den mosaischen Geboten das Opfer abbrechen oder unterlassen, sobald sie auf eine Unreinheit aufmerksam gemacht werden. Der Vergleichspunkt im Blick auf den Eunuchen – die nur eingeschränkte Partizipation am Tempelkult trotz weiter Anreise – bleibt dennoch bestehen und wird auch durch Bell. VI, 426f unterstrichen, wonach Fremde, die zur Verehrung gekommen sind, ebenso wenig am Passamahl teilnehmen dürfen wie Leprakranke und andere körperlich Unreine. 246 Vgl. MKeretot II 1 und bKeretot 9a (Stichworte Beschneidung, Untertauchen und Blutbesänftigung sowie die Frage nach der Aufnahme von Proselyten in der Jetzt-Zeit, wo es keine Opfer mehr gebe); bPessachim 91b (für das Passaopfer bilde man keine Gesell-
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und deren (indirekten) Opfern im Tempel mit dem Hinweis darauf, dass ihr Zutritt begrenzt war und sie nicht am Verzehr des Opfers teilnahmen. 247 Dazu fügt sich – die Rede ist ja vom äthiopischen Schatzmeister – die Bemerkung des Josephus im Zusammenhang der Plünderung der Tempelschätze durch Crassus, dass der ungeheuere Reichtum des Tempels nicht verwunderlich sei, da er von allen Juden und Gottesfürchtigen aus der ganzen Welt (pa,ntwn tw/n kata. th.n oivkoume,nhn VIoudai,wn kai. sebome,nwn to.n qeo,n ), sogar aus Asien und Europa, seit sehr alter Zeit zusammengetragen worden war (Ant. XIV, 110).248 Für S. SAFRAI, der diese Zusammenhänge näher untersucht hat, ist der Eunuch aus Apg 8 daher letztlich ein – wenn auch frommer – Heide.249 Angesichts aller Beobachtungen kommt für den Äthiopier in Apg 8 in der Tat am ehesten dies in Betracht: dass Lukas in ihm einen mit dem jüdischen Glauben sympathisierenden Heiden gesehen hat.250 Abgesehen von historischen Wahrscheinlichkeiten erhellt dies schaft nur aus Proselyten, „denn sie könnten es damit allzu genau nehmen und es untauglich machen“); bPessachim 92a (der Proselyt, der sich am Vorabend des Passafestes bekehrt, darf laut der Schule Schammais untertauchen und abends vom Passaopfer essen; nach der Schule Hillels gilt dagegen: Wer sich von der Vorhaut trennt, sei wie wenn er sich von einem Grabe trennen würde, d.h. sieben Tage unrein); ebenso jPessachim VIII (36a). Vgl. auch SCHÜRER, Geschichte des jüdischen Volkes III, 129f mit Anm. 75. 247 „Die Wallfahrer zum Hause des Herrn konnten zum Tempelberg hinaufsteigen und bis an die Schranke treten, die von außen um die Ummauerung lief; dort waren steinerne Tafeln angebracht, welche die Heiden davor warnten, weiter in den heiligen Bezirk vorzudringen“; sie „durften ihre Opfer am Tempel darbringen, waren aber von deren Verzehr ausgeschlossen“ (SAFRAI, Wallfahrt, 109f). S. nochmals Josephus, Ant. III, 318f, außerdem Bell. II, 408–16 (Plädoyer für das Opfern und Anbeten durch Nichtjuden); Ap. II, 103 (in den ersten von vier Vorhöfen durften auch die Fremdstämmigen). Vgl. BACHMANN, Jerusalem und der Tempel, 292 Anm. 345, und KRAUTER, Bürgerrecht und Kultteilnahme, 143–229, der S. 209f zu Recht darauf verweist, dass die eigentliche Opferung weder Juden noch Fremden zukam, sondern stets den Priestern selbst vorbehalten war und man im äußeren Vorhof wie im inneren – nur eben mit größerem Abstand – daran „teilnehmen“ konnte. Dadurch wird folgender Einwand von JERVELL, Apg, 271, entkräftet: Der Eunuch könne kein Gottesfürchtiger sein, da er sich sonst nicht im Tempel aufhalten könnte, wie Lukas den Tempel verstehe, nämlich nur für Juden offen, wie das an Apg 21,28 zu sehen sei. Apg 21,28f zeigt vielmehr, wie leicht hier Missverständnisse entstehen konnten und wie bewusst Lukas die geltenden Regelungen waren: Das Mithineinführen eines Heiden in den inneren, nur den Juden zugänglichen Bereich des Tempels wäre in der Tat ein Überschreiten der Linien gewesen. Vgl. die {Ellhnej in Joh 12,20, die nach Jerusalem kommen, i`na proskunh,swsin (zur Deutung der Stelle mit Bezug auf die Heiden und von der jesajanischen Gottesknechtsthematik her s. FREY, Heiden, 257–259). AVEMARIE, Tauferzählungen, 63–65, weist darauf hin, dass proskune,w weniger auf das Opfer als vielmehr auf die Anbetung zu beziehen sei und somit nur an ein Niederfallen außerhalb des für Heiden gesperrten Bereiches zu denken wäre; er hält aber die Zugehörigkeit des Eunuchen zum Judentum an dieser Stelle für wahrscheinlicher. 248 Vgl. HENGEL – SCHWEMER, Paulus, 111. 249 S. SAFRAI, Wallfahrt, 133. 250 Ähnlich LINDEMANN, Der „äthiopische Eunuch“, 127f.131–133. Anders VAN WANROY, Eunuchus Aethiops, 287–293: Der erste Heidenchrist ist Cornelius, der Eunuch ist Proselyt; dies sei trotz einer möglichen körperlichen Versehrtheit in der liberaleren Diaspora möglich gewesen; SCHOLZ, Frühchristliche Spuren, 307: Jerusalemreise, um vollwerti-
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in theologischer Hinsicht sogleich noch aus dem Jesaja-Zitat, welches dazu anhält, hier nicht nur missionsgeschichtliche Entwicklungen zu kategorisieren, sondern vor allem die lukanische Indienstnahme der Geschichte zur Hervorhebung eines theologischen Kerngedankens wahrzunehmen. Dennoch ist festzuhalten, dass in der von Lukas gezeichneten Figur mehrere Aspekte zusammenkommen. Er ist ein hochgestellter Beamter majestätischen Rangs und evoziert durch seine Provenienz heilsgeschichtliche Traditionslinien: In ihm kommen die Enden der Erde zeichenhaft zum Zion. 251 Er ist Heide und doch verbunden mit dem jüdischen Glauben; seine Zwischenstellung wird dadurch abgebildet, dass die Begegnung mit Philippus auf dem Weg in die heidnische Heimat, aber auf jüdischem Gebiet stattfindet. Er ist Cornelius vergleichbar und doch hat er als Kastrat nicht wie jener die Möglichkeit, ganz in die Bundesgemeinschaft einzutreten. 252 Eben diese Unmöglichkeit ist es, die in der Erzählung dann eine unerwartete Wendung erfährt.
ger Proselyt zu werden; JERVELL, Apg, 271: „Es ist ganz klar, dass Lukas ihn als beschnitten ansieht, das dürfte aus der Erzählung Apg 10–11 klar hervorgehen: Kornelius ist der erste Unbeschnittene in der Kirche“. Das dürfte aber dem Ersthörer, der noch nicht um Kapitel 10f wusste, so klar nicht gewesen sein. Laut SCHNABEL, Urchristliche Mission, 669, hätte Lukas eine Heidenmission ausdrücklich vermerkt; als missionsstrategische Abfolge ergebe sich demnach: Juden – Samaritaner – Proselyten (der Äthiopier) – gottesfürchtige Heiden (Cornelius) – Heiden (Antiochia). In dieses Muster fügt sich aber nicht Apg 9, d.h. weder Saulus noch die durch Petrus in Lydda und Joppe zum Glauben Kommenden. So auch FABIEN, Philippe „l’évangéliste“, 194. FABIEN will allerdings im Eunuchen einen äthiopischen Juden erkennen, der aufgrund seiner Hautfarbe in Jerusalem ein ausgeschlossener Jude bleibt; „Eunuch“ stehe hier somit metaphorisch für die „Schwarzheit“. In griechisch-römischer Perspektive wäre die Figur zwar ein kastrierter Heide, in jüdischer Perspektive aber eben kein wahrer Jude. Letztlich symbolisiere er daher alle sozial, religiös und ethnisch Ausgeschlossenen (op. cit., 198–210). 251 Vgl. dazu oben den Abschnitt „Zur theologischen Bedeutung von Äthiopien und der Kanda,kh“. SMITH, Do You Understand What You Are Reading?, 67f, betont insgesamt, dass die Leserschaft des Lukas durch die Person des Eunuchen an den Wohlstand, die Weisheit und die Militärmacht Äthiopiens gedacht haben wird. Nach HOFMANN, Wirklichkeitsgehalt, 42.44f, und DIES., Die meroitische Religion, 2859, ist die Episode nicht historisch zu verstehen. Sie habe ihren Sinn gerade darin, dass der Eunuch Äthiopier ist, denn die Äthiopier hätten auch nach der biblischen Überlieferung als allgemein gottesfürchtig gegolten und seien daher besonders auserwählt, als erste Heiden das Heil zu erhalten. So auch PERVO, Acts, 222f. Hier werden von den biblischen Belegen aber nur Jer 38; Num 12,1 und Ps 68,32 angeführt, weshalb das Bild unvollständig bleibt. S. dagegen nochmals o. im Exkurs zur Bedeutung von Äthiopien. Lukas hebt jedenfalls weniger die Frö mmigkeit des Äthiopiers an sich hervor, sondern betont die Überwindung der Gottesferne durch die Christusoffenbarung. 252 BARRETT, Acts I, 420f, sieht daher in der Bekehrung des Eunuchen eine „more radical stage in the rise of the gentile mission“ als in den Ereignissen um Petrus und Cornelius. Der Unterschied bestehe allerdings darin, dass in Caesarea eine Gemeinde entstand, was wiederum eine „definite advance on the story of the Ethiopian“ darstelle. An anderer Stelle merkt er pointiert an: „One must ask whether a man could be found of whom all these predicates are true … He was certainly a rare bird“ (op. cit., 426). Zur Symbolik der Gestalt vgl. auch GAVENTA, From Darkness to Light, 173.
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Nun kehrt der Äthiopier also zurück von Jerusalem, sitzt auf seinem Wagen und liest. ~Upostre,fw ist keine Septuaginta-Vokabel, sondern lukanisches Vorzugswort und kommt im Neuen Testament lediglich noch in Gal 1,17; Hebr 7,1 und 2Petr 2,21 vor, allerdings nur in Apg 8 in periphrastischer Konjugation (h=n te u`postre,fwn).253 Abgesehen von 2Petr 2,21, wo der Begriff die Abwendung von der Gerechtigkeit beschreibt, wird damit immer ausgedrückt, dass sich eine Person realiter zu einem ihr vorher bereits vertrauten Ort begibt.254 Auch wenn die Reise auf einem Wagen für manche Pilger nicht ungewöhnlich war, unterstreicht dies im vorliegenden Fall doch die hohe Stellung des Eunuchen, zumal er laut V. 38 mindestens einen Wagenlenker hat.255 Und von daher ist es auch nicht verwunderlich, dass er im Besitz einer nicht leicht zu erwerbenden, wertvollen Schriftrolle war.256 Dass Lukas Interesse an hochgestellten Persönlichkeiten hat, zeigt sich in seinem Doppelwerk an vielen Stellen (s. Lk 7,1–10; 8,3; 23,47; Apg 10f; 13,1.7; 17,4.12; 19,31; 28,7). 257 Ebenso lukanisch ist aber auch die Betonung der Umwälzung der sozialen Strukturen, wie sie programmatisch im Magnificat, genauer: in Lk 1,52 deklariert wird: Gott stößt die Gewaltigen (duna,stai) vom Thron und erhebt die Niedrigen (tapeinoi,).258 Dies ist im Blick zu behalten für das Verständnis des Eunuchen als duna,sthj wie auch des Jes 53-Zitats, denn dort geht es um die Erniedrigung (tapei,nwsij) des Knechts (V. 33).259
253 254
Zur Diskussion um einen Aramaismus s. WILCOX, Semitisms, 124. Zu den möglichen Reiserouten des Hinweges s. SCHNABEL, Urchristliche Mission,
667f. 255 S. SAFRAI, Wallfahrt, 132f; STAMBAUGH – BALCH, Umfeld, 33f; CASSON, Travel in the Ancient World, 178–182. 256 Zur Diskussion um die Möglichkeiten des Erwerbs s. BACHMANN, Jerusalem und der Tempel, 290 Anm. 341. SAFRAI, Wallfahrt, 262, geht davon aus, dass Wallfahrer ihre Schriftrollen mit nach Jerusalem brachten, um sie im Tempel anhand des Buches vom Vorhof korrigieren zu lassen. Zustimmend HENGEL, Die Septuaginta als „christliche Schriftensammlung“, 250 Anm 199, der für den Eunuchen aber einen Kauf der Rolle in Jerusalem annimmt. Nach 4Makk 18,10–19, wo eine ideale Unterweisung der jüdischen Familie aus der Schrift durch den Hausvater beschrieben wird, sollte dabei auch das Buch Jesaja vorkommen. 257 Vgl. ESLER, Community and Gospel, 184f, der daher solche Personen im Hörerkreis des Lukas vermutet. Außerdem portraitiert er Lukas und seine Adressaten als vormalig mit der Synagoge verbunden; darum gebe es in der Apostelgeschichte keinen Bericht über eine Bekehrung eines „heidnischen“ Heiden, nur von gottesfürchtigen Heiden (op. cit., 42.45). 258 Das Ziel der so beschriebenen Umwälzung ist die Schaffung einer Gerechtigkeit, die den alleinigen Herrschaftsanspruch Gottes hervorhebt, nicht etwa eine neue Herrschaftsstruktur, welche den ehemals Unterdrückten Macht verschafft. Mit MITTMANN-RICHERT, Magnifikat und Benediktus, 210. 259 Mit SPENCER, Portrait of Philip, 159f.
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Von daher gewinnt auch an Bedeutung, dass der Eunuch auf seinem Wagen sitzt (kaqh,menoj evpi. tou/ a[rmatoj auvtou/ ). Das wiederum in periphrastischer Konjugation erscheinende ka,qhmai wird von Lukas sonst in ganz verschiedenen Zusammenhängen verwendet. 260 Im vorliegenden Fall ist damit zwar vor allem die Art der Fortbewegung ausgedrückt, aber es entsteht auch ein Gegenbild zum laufenden Philippus (V. 26f: poreu,omai; V. 29: prostre,cw), der sich dann allerdings ganz auf den Wallfahrer einlässt und sich zu ihm setzt (V. 31: kaqi,zw su.n auvtw/|). {Arma ist neutestamentlich außer in Offb 9,9 – beim Vergleich des Rasselns der Heuschreckenflügel mit dem Rasseln von Wagen vieler Rosse (w`j fwnh. a`rma,twn i[ppwn pollw/n ) – nur belegt in Apg 8,28.29.38 und akzentuiert daher die Besonderheit des Geschehens. Alttestamentlich bezeichnet der Begriff meist Kriegswagen oder Wagen zur Hervorhebung der Erhabenheit einer Persönlichkeit. 261 So zieht etwa Serach, der Kuschiter, mit Wagen gegen Juda (2Chr 14,8) und auch der Feldhauptmann Naaman kommt nach 2Kön (4Reg) 5,9.21.26 auf einem Wagen, worin ein weiterer Vergleichspunkt dieser Erzählung mit Apg 8 liegt. Transzendente Bedeutung eignet dem Ausdruck in 2Kön(4Reg) 2,11f (vgl. Sir 48,9) bei der Entrückung Elias im feurigen Wagen mit feurigen Rossen (a[rma puro.j kai. i[ppoi puro,j ); im anschließenden Ausruf Elisas wird a[rma dann übertragen gebraucht („Mein Vater, mein Vater, Du Wagen Israels und sein Gespann“). 262 Transzendierend erscheint a[rma nochmals, als Elisa sich nicht nur von Ross und Wagen Arams (2Kön[4Reg] 6,14f: i[ppoj kai. a[rma), sondern auch von einem noch größeren Heer feuriger Rosse und Wagen umgeben sieht (2Kön[4Reg] 6,17: i[ppoi kai. a[rma puro,j ). Speziell bei Jesaja finden sich Worte gegen die Wagenmacht Ägypten, auf die man sich nicht verlassen soll (Jes 31,1). 263 Als Begründung dafür erscheint in der Ansage des neuen Exodus der Hinweis auf die Vernich-
260
Das Spektrum reicht vom metaphorischen Sitzen im Finstern (Lk 1,79) über das Verharren am Zoll (Lk 5,27), zu Jesu Füßen (Lk 8,35), in Sack und Asche (Lk 10,13), als Gelähmter (Apg 3,10; 14,8), oder ganz allgemein (Lk 5,17; 7,32; 21,34; 22,55f; Apg 2,2; 23,3), bis hin zum Thronen (Lk 22,30; Apg 2,30) und dem Sitzen des Menschensohns zur Rechten Gottes (Lk 22,69; in Lk 20,42 und Apg 2,34 im Zitat von Ps 110,1: „Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten“). 261 Vgl. auch AVEMARIE, Tauferzählungen, 277 mit Anm. 50f. 262 Später wird Elisa selbst von König Joasch so genannt (2Kön 13,14). HAENCHEN, Apg, 300, nimmt aufgrund der weiteren Parallelen zu 2Kön 2 (vgl. u. in Abschnitt I.3.3.1) an, dass das Wort vielleicht wegen der Beziehung zu diesem Text gewählt wurde. 263 Jes 31,1: „Wehe denen, die nach Ägypten hinabziehen um Hilfe, sich auf Rosse stützen und die ihr Vertrauen auf Wagen setzen, weil es viele sind, und auf Reiter, weil sie zahlreich sind; die aber auf den Heiligen Israels nicht schauen und nach JHWH nicht fragen!“
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tung der Wagen Ägyptens am Schilfmeer durch Gott (Jes 43,16f). 264 Und schließlich ergeht ganz am Ende des Buches die eschatologische Verheißung, dass Gott seine Herrlichkeit auch den fernen Völkern zeigen will und dafür ein Zeichen aufrichtet sowie Errettete zu ihnen sendet: Und sie werden herbringen alle eure Brüder aus allen Völkern dem Herrn als Opfergabe auf Rossen und auf Wagen (LXX: a[rmata), in Sänften, auf Maultieren und Dromedaren zu meinem heiligen Berge Jerusalem, spricht der Herr, gleichwie die Söhne Israels die Opfergaben in reinem Gefäße zum Hause des Herrn bringen. (Jes 66,20)265
In diesem Sinn – so kann man übertragen – wird nach der Aufrichtung des Kreuzeszeichens auf Golgatha und der Entsendung des erretteten Philippus der Äthiopier nach Apg 8 Gott „geweiht“, allerdings – und hier ist ein Unterschied aufgrund der Erweiterung der Völkerwallfahrts-Perspektive zu erkennen –, nachdem er im Hause des Herrn war. Der Wagen des Eunuchen ist freilich vor allem narratives Strukturelement. Denn dadurch wird nicht nur zum Ausdruck gebracht, dass mit dem Nachfolgenden etwas in Bewegung kommt, sondern die Erzählung wird dadurch auch gegliedert: Die beiden Charaktere treffen zunächst in ihrer Unterschiedlichkeit aufeinander – einer auf dem Wagen, der andere nicht; sie legen dann auf dem Wagen miteinander eine Wegstrecke zurück und schließlich wird der Wagen für das Taufgeschehen angehalten und die beiden Hauptpersonen steigen ab. Während sich also zuerst Philippus ganz auf die Situation des Eunuchen einlässt, indem er sich zu ihm setzt und sich seinen Fragen stellt, lässt dieser sich dann wiederum ganz auf eine Änderung seiner Position ein, indem er sich vom Wagen ins Taufwasser begibt. Um es mit dem Magnificat zu sagen: Hier wird ein Mächtiger von seinem „Thron“ gebracht. Doch zunächst wird von ihm erzählt, dass er beständig den Propheten Jesaja liest (avnegi,nwsken to.n profh,thn VHsai xQ'lu jP'v.MimiW rc,[ome x:xeAfy> ymi ArAD-ta,w> ~yYIx; #rnI yKi
7bg 8aa 8ab 8ba
Wie das Jungschaf zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Mutterschaf vor seinen Scherern stumm ist, tat er seinen Mund nicht auf. Aus Drangsal und Gericht wurde er hinweggerafft. Und sein Geschlecht: Wer sinnt darüber nach? Denn er wurde abgeschnitten vom Land der Lebenden.
7ba
Wie ein Schaf zur Schlachtung geführt wird
7bb
und wie ein Lamm vor seinem Scherer stumm ist, ebenso tut er seinen Mund nicht auf. In der Erniedrigung wurde sein Gericht aufgehoben. (…) Sein Geschlecht: Wer wird es beschreiben? Denn hinweggenommen von der Erde wird sein Leben.
7bg 8aa 8ab 8ba
kai. w`j avmno.j evnanti,on tou/ kei,rantoj (*1) auvto.n a;fwnoj( ou[twj ouvk avnoi,gei to. sto,ma auvtou/Å VEn th/| tapeinw,sei (*2) h` kri,sij auvtou/ h;rqh\ th.n(*3) genea.n auvtou/ ti,j dihgh,setaiÈ o[ti ai;retai avpo. th/j gh/j h` zwh. auvtou/Å
Es zeigt sich also, dass der LXX-Text vom Masoretischen Text nicht unerheblich abweicht und Lukas ihm darin weitestgehend folgt. So gibt er mit der Septuaginta in V. 7 das Jungschaf unbestimmt und das hebräische lxer" mit avmno,j wieder, führt den Scherenden statt im Plural im Singular an und verstärkt den Vergleich durch die Partikel ou[twj. Dass in V. 7bg für das hebräische Imperfekt xT;p.yI präsentisch formuliert wird 342 und in V. 8ab das w> keine direkte Entsprechung hat, fällt weniger ins Gewicht als die Tatsache, dass in V. 8 zwei der drei Stichoi bedeutende inhaltliche Änderungen aufweisen. Gerade diese Formulierungen erscheinen jedoch mehrdeutig. So kann zum einen der Zusammenhang von tapei,nwsij343 und kri,sij 344 dahingehend verstanden werden, dass das Gericht aufgrund einer Erniedrigung aufgehoben von manchen Textzeugen das Pronomen auvtou/ mit angeführt. (*3) In V. 8ab fügen entgegen der LXX folgende Textzeugen ein de, ein: î74, E, Y ähnlich, 33, 1739, Û, lateinische Handschriften, Einzelhandschriften der Vulgata und die lateinische Übersetzung des Irenäus. Wie die LXX lesen dagegen die gewichtigeren a, A, B, C und wenige andere, die Vulgata und die Harklensis. 342 Der Zeitaspekt ergibt sich freilich im hebräischen Text auch erst aus dem Kontext und in avnoi,gei kann auch ein Präsens historicum gesehen werden. 343 Der Terminus erscheint im Neuen Testament außer in Apg 8,33 nur noch in Lk 1,48; Phil 3,21; Jak 1,10; verbal noch Mt 18,14; Lk 3,5 (Zitat von Jes 40,4); 14,11; 18,14 (par. Mt 23,12); 2Kor 11,7; 12,21; Phil 2,8; 4,12; Jak 4,10; 1Petr 5,6. 344 Kri,sij bezeichnet bei Lukas sonst stets das göttliche Gericht (Lk 10,14; 11,31f) bzw. Recht (Lk 11,42).
3. Der Text in seinem narrativen Verlauf
99
wird und die Erniedrigung also Ersatz für das dem Gottesknecht geltende Gericht oder Ausdruck desselben ist. 345 Teilweise wird im Vorgang der Erniedrigung aber auch ein Anzeichen dafür gesehen, dass dem Knecht das „Recht“ verwehrt wird und er einen ungerechten Tod stirbt,346 oder es wird die tapei,nwsij vom lukanischen Kontext her direkt auf den Tod Jesu und die Aufhebung der kri,sij auf seine Auferstehung bezogen. 347 Für die Beurteilung insbesondere der letztgenannten Denkmöglichkeit ist allerdings entscheidend, den zweifachen Gebrauch von ai;rw in V. 8 richtig einzuordnen. Denn wenngleich in V. 8aa „aufheben“ als adäquate Übersetzung erscheint, bezieht sich die Wendung hier nicht auf die Person, die erhöht würde, sondern auf das Gericht.348 Ein Verständnis von ai;retai avpo. th/j gh/j h` zwh. auvtou/ (V. 8ba) als Hoheitsaussage – in dem Sinn also, dass der tapei,nwsij des Knechts nun seine Erhöhung gegenübergestellt würde 349 – ist ferner aufgrund von zwei Beobachtungen schwer aufrecht zu halten. Denn zum einen gibt es bei Jesaja keine andere Stelle, die auf eine solche Verwendung des Verbs schließen ließe. Im Gegenteil: Es entspricht vielmehr dem Sprachgebrauch des griechischen Jesaja-Textes, das Dahinraffen durch ai;rw auszudrücken.350 Zum andern liegt gerade in diesem letzten Stichos des Zitats offenbar der Grund für die speziell lukanische Formulierung der Todesforderung gegen Jesus in Lk 23,18 (ai=re tou/ton) und gegen Paulus in Apg 21,36 (ai=re auvto,n) und Apg 22,22 (ai=re avpo. th/j gh/j to.n toiou/ton( ouv ga.r kaqh/ken auvto.n zh/n ).351 Ist
345
Vgl. z.B. PERVO, Acts, 217.225f. S. stellvertretend BOCK, Acts, 343f. JOHNSON, Acts, 156, diskutiert beide der genannten Denkmöglichkeiten. 347 S. SCHNEIDER, Apg I, 504f; PESCH, Apg I, 293; ZMIJEWSKI, Apg, 364. 348 Freilich kann die Auferstehung Jesu als Aufhebung und Überwindung des am Kreuz ergehenden Gerichtes verstanden werden; nur spricht der Jesaja-Text davon nicht und es ist zu fragen, ob Lukas ihn in diesem Sinn verstanden haben wollte. 349 Vgl. EULER, Die Verkündigung vom leidenden Gottesknecht, 25f.71f und 128f mit Anm. 1, der die Aussage wie das ganze Lied von der Himmelfahrt Jesajas (AscJes) her deutet und für die LXX eine Identifikation des Knechts mit Jesaja vorschlägt; ferner SPENCER, Portrait of Philip, 177f, und SCHMITHALS, Apg, 85, demzufolge Lukas die Aufhebung des Gerichts „zweifellos“ auf die Auferstehung und das Hinwegnehmen von der Erde wohl auf die Himmelfahrt bezogen wissen wollte. Entsprechend RUSAM, Das Alte Testament bei Lukas, 387f. Ablehnend KOOLE, Isaiah III/2, 303f, und PETERSON, Acts, 295 Anm. 85. 350 S. Jes 15,9; 16,4; 17,1; 26,10.14; 48,14; 51,13; 57,1f. 351 S. dazu u. S. 128. Gegen BAARLINK, Bedeutung des Zitats aus Jesaja 53, 233, der trotz seiner Beobachtung, dass Lukas in den eigenen Formulierungen des Erhöhungsvorgangs gerade nicht ai;rw gebraucht, daran festhält, dass Lukas in Apg 8 gleichsam zwangsläufig an die LXX gebunden sei. VON DOBBELER, Der Evangelist Philippus, 147– 150.154.174, ist eher die Ausnahme, wenn er – freilich ohne die obigen Begründungen, sondern von der jüdischen und christlichen Auslegungsgeschichte her – darauf hinweist, dass durch das Zitat nicht die Erhöhung, sondern der Tod im Blick sei. Allerdings führt er 346
100
I. Der Kämmerer und der Knecht: Exegese von Apg 8,26–40
Lukas aber dergestalt von dem jesajanischen Text geprägt, dann erweist sich die Deutung der Aussage in Apg 8,33 auf eine Erhöhung als zu vorschnell und als bestimmt von der allgemeinen Tendenz, Lukas eine Hoheitschristologie zuzuschreiben oder bei ihm ein bestimmendes „humiliation-exaltation pattern“ auszumachen. 352 Der hebräische Text, der in V. 8aa und 8ba eindeutig ein Todesgeschick beschreibt, 353 scheint also weder in der Septuaginta 354 noch bei Lukas glorifizierend verstanden, sondern dem Sinn nach beibehalten, wenn auch mithilfe eines Verbums, das an sich durchaus bei einem Erhöhungsvorgang stehen kann. 355
das Zitat nicht auf Lukas, sondern auf einen Tradentenkreis zurück, der Jesu Tod nicht als Sühnetod verstanden habe. 352 Vgl. SPENCER, Portrait of Philip, 178; ROLOFF, Apg, 141; WITHERINGTON, Acts, 299. 353 Der Sinn ist hier, dass der Knecht aus feindseliger Bedrängung und gerichtlicher Verfolgung sterbend hinweggenommen wird. Dies wird auch daraus ersichtlich, dass in Jes 53,7 das Leiden des Knechts beschrieben ist, welches zum Tod führt (V. 8), und dass V. 9 auf sein Begräbnis zurückblickt. Vgl. DELITZSCH, Jesaja, 547.549; BALTZER, DeuteroJesaja, 523. KUTSCH, Sein Leiden und Tod – unser Heil, 26f, deutet die Hinwegnahme in V. 8aa direkt auf das Abführen aus Haft und Gericht zur Hinrichtung und unterstreicht im Blick auf V. 8ba zu Recht die Vorstellung eines gewaltsamen Todes. DRIVER, Isaiah 5213– 5312, 104f, lehnt dagegen einen Todesbezug überhaupt ab; vielmehr werde hier das Schicksal eines unbekannten Juden beschrieben, der im Unrecht schien, dafür Leid erlitt und schließlich wieder gerechtfertigt werde. Ähnlich SOGGIN, Tod und Auferstehung des leidenden Gottesknechtes, demzufolge Jes 53,8–10 zwar eine buchstäbliche Deutung auf den Tod des Knechts erlauben, wie sie sich in der LXX und im Neuen Testament niedergeschlagen hat, der aber für eine hyperbolische Deutung der Stelle plädiert: Der beschriebene Tod sei wie im Klagelied des Einzelnen als Grenzerfahrung aufzufassen, aus welcher Gott retten kann, bevor sie letzgültige Wirklichkeit wird. Ablehnend BLENKINSOPP, Isaiah 40– 55, 353f, der die Faktizität des Todes unterstreicht. 354 Zu ai;retai avpo. th/j gh/j h` zwh. auvtou/ (V. 8ba) bemerkt SOGGIN, Tod und Auferstehung des leidenden Gottesknechtes, 348, treffend, dass die LXX von einer Hinrichtung ausgeht. Hier folgt in V. 8bb zudem eine Aussage, die das Todesgeschick eindeutig unterstreicht (s.u. S. 105 mit Anm. 379). Vgl. auch EKBLAD, Isaiah’s Servant Poems According to the Septuagint, 234. Anders SAPP, The LXX, 1QIsa, and MT Versions of Isaiah 53, 177.182, der hier eine Abschwächung gegenüber dem hebräischen Text sieht und insgesamt für die LXX die Deutung herausarbeitet, dass der Knecht von Gott vor dem Tod gerettet werde. Vgl. zur LXX-Version von Jes 53 auch BETZ, Die Übersetzungen von Jes 53 (LXX, Targum), 198. 355 Vgl. etwa im Zusammenhang der Himmelfahrt Jesu die erweiterte Passivform evph,rqh (Apg 1,9). Zur biblischen Erhöhungs- bzw. Entrückungstradition insgesamt s.u. in Abschnitt I.3.3.1. Vgl. noch den Hinweis bei PARSONS, Isaiah 53 in Acts 8, 114f, dass Lukas den Tod Jesu und seine Erhöhung als verschiedene Aspekte eines Geschehens gesehen habe und daher das Wort in beiden Sinnrichtungen verstanden haben könnte.
3. Der Text in seinem narrativen Verlauf
101
Ambivalent ist schließlich noch das Stichwort genea,. Mit der Frage, wer die genea, des Knechts beschreiben wird, 356 können einerseits die Zeitgenossen des Knechts gemeint sein, 357 andererseits ist auch eine Deutung auf dessen Nachkommenschaft möglich, die es entweder aufgrund seines Todes nicht gibt – weshalb niemand sie beschreiben kann –358 oder die im übertragenen Sinn gerade durch den heilvollen Tod des Knechts entsteht und so zahlreich ist, dass niemand sie zu zählen vermag. 359 Für ein angemessenes Verständnis des Zitats ist darüber hinaus auch die Schafmetaphorik bedeutsam. In doppelter Weise wird damit die Wehrlosigkeit und das klaglose Erdulden des Knechts veranschaulicht – hierin liegt das tertium comparationis. Das Bild vom Schaf (hf, / pro,baton), das zur Schlachtung geführt wird, lässt hinsichtlich des Knechts an eine öffentliche Hinrichtung denken. 360 In Jer 11,19 wird dieselbe Metapher gebraucht, um auf die Arglosigkeit Jeremias denen gegenüber hinzuweisen, die einen Anschlag gegen ihn planten: Er sei wie ein zutrauliches Lamm zur Schlachtung geführt worden (x:Abj.li lb;Wy @WLa; fb,k,K. / w`j avrni,on a;kakon avgo,menon tou/ qu,esqai). In Entsprechung zu Jes 53,8ba (~yYIx; #rT,a,w> / e;dwka, se eivj diaqh,khn ge,nouj; vgl. Jes 49,6 LXX.8).88 2.4.2 Die Verbindung der Traditionen in den synoptischen Himmelsstimmen Die Kulmination von königlich-messianischer und mosaisch-prophetischer Tradition in der Figur des Gottesknechts ist auf Seiten des Neuen Testaments eindrücklich veranschaulicht in den himmlischen Offenbarungsworten bei der Taufe und im Zuge der Verklärung Jesu, wobei im einen Fall der erste, im andern Fall der zweite Aspekt stärker im Vordergrund steht. So lautet die göttliche Taufzusage gemäß Lk 3,22 (= Mk 1,11):
85 Vgl. die Übersicht bei STRAUSS, Davidic Messiah, 286, und zu den genannten Aspekten BENTZEN, King and Messiah, 66–72, der darum gegenüber den königlichen Zügen den Einfluss des traditionellen Mosebildes auf die Gottesknechtslieder hervorhebt und dem Gottesknecht, den er freilich mit dem Propheten Deuterojesaja identifiziert, die Rolle des „neuen Mose“ zuschreibt. 86 Mit MITTMANN-RICHERT, Sühnetod, 290f. Ähnlich DESCAMPS, Les Justes et la Justice, 73f. 87 Zu Jes 42,4c LXX s.u. den Exkurs zur Bedeutung des Namens Jesu in der Apostelgeschichte. 88 Vgl. dazu MITTMANN-RICHERT, Sühnetod, 125–128, und MITTMANN – GENZ, The Term and Concept of New Testament, 314f, sowie o. in Kapitel I, S. 140f. Zu den Konsequenzen der bei Jesaja modifizierten Bundesvorstellung für das Verständnis von Apg 3,25f s.u. in Abschnitt II.A.2.6.
2. Der verherrlichte und erweckte Knecht: Apg 3,13.26
205
Du bist mein Sohn, der Geliebte, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden. su. ei= o` ui`o,j mou o` avgaphto,j( evn soi. euvdo,khsaÅ 89
Es ist opinio communis,90 dass diese Formulierung die im Zuge der Königsinthronisation erfolgende Deklaration ui`o,j mou ei= su, aus Ps 2,7 aufnimmt 91 und mit dem Gedanken aus Jes 42,1 MT (diff. LXX) verbindet, dass Gott Wohlgefallen an seinem auserwählten Knecht hat (yvip.n: ht'c.r" yrIyxiB.).92 Dass hier Ps 2,7 im Blick ist, erhellt nicht nur aus der varia lectio in Lk 3,22, nach welcher ausschließlich die Psalmstelle erklingt – in verlängerter Form und gemäß der LXX (ui`o,j mou ei= su,( evgw. sh,meron gege,nnhka, se) –,93 sondern auch aus der Tatsache, dass kein anderer alttestamentlicher Text eine gleichartige Sohnesdeklaration in direkter Anrede bietet. Dazu kommt, dass im Rahmen der göttlichen Verheißung über das beständige Königtum des Davididen nach 2Sam(2Reg) 7,14 ähnlich formuliert wird, wenn es dort heißt: „Ich will ihm Vater sein, und er soll mir Sohn sein (kai. auvto.j e;stai moi eivj ui`o,n)“. Auf diese Verheißung wird außer in Ps 2 auch in Ps 89(88),27f rekurriert, wo der Sohnestitel zwar nicht explizit verwendet ist, wo aber eine Anrede Gottes als Vater eingebracht und David als „Erstgeborener“ bezeichnet wird (rAkB. / prwto,tokoj). Dennoch ist die auf diesem Hintergrund zu verstehende Deklaration in Ps 2,7 ursprünglich keine Aussage über das Wesen des Königs, sondern über sein Amt als Stellvertreter und Repräsentant Gottes auf In Mt 3,17 (ou-to,j evstin o` ui`o,j mou o` avgaphto,j( evn w-| euvdo,khsa) ist die Sprechrichtung eine andere. Ansonsten wird der Wortlaut der Taufstimme von allen Synoptikern gleichlautend überliefert. 90 S. stellvertretend KLEIN, Lukasevangelium, 171; WOLTER, Lukasevangelium, 171; BOVON, Lukas III/1, 181f. 91 Dies gilt trotz der Umstellung der Worte, durch welche der Adressat stärker betont ist als die Sohnesbezeichnung („Du bist mein Sohn“ statt „Mein Sohn bist du“). 92 Aufgrund der direkten Anrede bei Markus und Lukas wird die jesajanische Formulierung freilich umgeformt. Zu den alternativen Deutungen, dass nur Ps 2,7 – mit Ergänzung durch 2Reg 22,20 – bzw. allein Jes 42,1 die Himmelsstimme geprägt haben sollten, s. ausführlich MARSHALL, Son of God or Servant of Jahweh?, sowie o. im Folgenden. 93 So Codex D, die altlateinischen Handschriften und einige Kirchenväter. RESE, Alttestamentliche Motive, 193–195, verweist besonders auf Justin, Dial. 88,8, wo die Taufstimme ebenfalls das ausführliche Zitat von Ps 2,7 umfasst. Dieses wird hier eingeleitet mit den Worten: „… und zugleich kam eine Stimme vom Himmel, welche auch David erwähnt, wenn er im Namen Christi die Worte, von welchen dieser wollte, dass der Vater sie an ihn richte, spricht“ (Übers. P. Haeuser). Wenn RESE trotz der spärlichen Bezeugung dafür votiert, in der varia lectio die Hand des Lukas anzunehmen, so ist dies auch deshalb abzulehnen, weil Lukas an der parallelen Stelle Lk 9,35 (vgl. 23,35) dezidiert auf Jes 42,1 Bezug nimmt und der Gottesknechtsbezug in beiden Himmelsstimmen somit Zeichen einer stringenten theologischen Reflexion ist. S.o. das Folgende. JANSE, “You are My Son”, 135f, macht indes darauf aufmerksam, dass die Taufstimme im Ebionitenevangelium ebenfalls Ps 2,7 LXX bietet. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass wenige unbedeutende Handschriften in Lk 3,22 in der dritten Person lesen („Dieser ist …, an dem …“), was wohl eine Angleichung an Mt 3,17 ist. 89
206
II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
Erden, in welches er mit der Thronbesteigung eingesetzt wird. Dies ist der Sinn der Wendung „Mein Sohn bist du; ich habe dich heute geboren“, die in besonderer Weise die Ausstattung mit herrscherlicher Vollmacht ins Bild setzt.94 Innerhalb der messianologischen Entwicklung, die in den genannten Texten ihren Ausgang nimmt, wurde dieser Gedanke der „Geburt“ des Zionskönigs am Tag der Inthronisation dann um die Vorstellung einer realen, physischen Geburt des zu erwartenden Messias ergänzt, der aber seinem Wesen nach ganz dem menschlichen Bereich zugehört, auch wenn er in außerordentlichem Maße an Gott herangerückt wird. Dies belegen besonders die Verheißungen des Immanuel-Kindes in Jes 7,14 und des herrschaftlichen und mit Gottes-Epitheta ausgestatteten Sohnes bzw. davidischen Sprosses in Jes 9,5f und 11,1–5.10.95 Daran schließt – freilich in ganz neuartiger Weise – die lukanische Kindheitserzählung an, wenn Jesus laut der Ankündigung Gabriels aufgrund des geheimnisvollen Eingreifens durch den Geist von Geburt an als „Sohn des Höchsten“ (Lk 1,32) bzw. „Gottes Sohn“ (Lk 1,35) gilt. Das Neuartige liegt im Wesen Jesu begründet, wodurch die jesajanischen Verheißungen übertroffen werden, welche die Wesenseinheit von Gott und seinem Messias noch nicht ausgesagt hatten. Für die Taufstimme bedeutet dies insofern eine Transformation der ursprünglichen Aussage von Ps 2,7, als im Licht der Geburtserzählungen die Anrede Jesu als Sohn Gottes zwar auch im Sinne einer öffentlichen Amtseinsetzung, zugleich aber als Wesensaussage verstanden werden muss, genauer: als Bestätigung der bereits bestehenden Wesenseinheit Gottes und Jesu. 96 Und so dient der Sohnesbegriff bei Lukas überhaupt der Beschreibung des einzigartigen Wesens Jesu gemäß seinem exklusiven Gottesverhältnis und gemäß seiner göttlichen Provenienz. Dies wird dadurch unterstrichen, dass der Titel grundsätzlich nur im Munde des göttlichen Boten (Lk 1,32.35), im Munde Gottes (Lk 3,22; 9,35) und im Munde Jesu vorkommt (Lk 10,21f; 94 Das Geborenwerden zielt auf das öffentliche, mit der Amtsübernahme verbundene Hervortreten des Königs, was durch die Übersetzungsvariante „ich habe dich heute gezeugt“ verschleiert würde. Die Beschreibung der Königsinthronisation als Akt der Adop tion stellt zudem ein Missverständnis dar: Der König ist Sohn Gottes allein qua seines Amtes und qua seiner Funktion, nicht etwa, weil ein neues Seinsverhältnis konstituiert wäre. Vgl. Ps 110(109),3 und zum Begründungszusammenhang besonders GESE, Natus ex Virgine, 137f; DERS., Der Messias, 130; sowie MITTMANN, Die neutestamentliche Rezeption von Ps 2 und Ps 110 (109 LXX), 199–202. 95 S. außerdem Jer 23,5; 33,15; Mi 5,1–3; Sach 3,8; 6,12. 96 Entsprechend TURNER, Power from on High, 199, der von einer Bevollmächtigung für die messianische Aufgabe desjenigen spricht, der bereits der Sohn ist. Vgl. insgesamt die Diskussion ebd., 198–201. In diese Richtung tendiert WOLTER, Lukasevangelium, 171, wenn er sich gegen die Meinung wendet, in der Taufe würde die Gottessohnschaft erst hergestellt, und wenn er das Entscheidende darin sieht, dass Jesus selbst von seiner Identität in Kenntnis gesetzt wird. Ähnlich BOVON, Lukas III/1, 181, der von der Enthüllung eines Geheimnisses spricht.
2. Der verherrlichte und erweckte Knecht: Apg 3,13.26
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s. 22,70)97 und dass die somit von göttlicher Seite her offenbarte Sohnschaft Jesu selbst von der widergöttlichen Macht anerkannt wird (Lk 4,3.9.41; 8,28). Demgegenüber ist bezeichnend, dass der Titel ein einziges Mal auf Seiten der Menschen Verwendung findet – dann nämlich, wenn das göttliche Wesen Jesu in Frage gestellt wird, für die jüdische Elite zum entscheidenden Stein des Anstoßes wird und den Todesbeschluss besiegelt. Ja, es ist gerade das Verhör vor dem Synhedrium mit den parallelen Fragen „Bist du der Christus?“ (Lk 22,67) und „Bist du Gottes Sohn?“ (Lk 22,70) gleichsam eine Erläuterung der aufgezeigten Begriffsentwicklung: Die Erwartung eines königlich-messianischen Amtsträgers wird übertroffen; der Christus ist nunmehr der mit Gott wesenseine Sohn. 98 Diese Erkenntnis durchzieht das Evangelium von der Krippe bis zum Kreuz. Und es ist eben diese Erkenntnis nach Lukas auch charakteristisch für die erste Verkündigung des Paulus in Damaskus, der predigt, „dass Jesus Gottes Sohn sei“ (Apg 9,20), und beweist, „dass Jesus der Christus ist“ (Apg 9,22).99 In der Taufstimme wird die Sohnesbezeichnung gemäß Ps 2,7 allerdings ausdrücklich mit Jes 42,1 verbunden, wodurch sie eine weitere Näherbestimmung erfährt.100 Für die Aufnahme von Jes 42,1 wiederum ist entscheidend, dass diese nur aufgrund der Rezeption des hebräischen Textes möglich war,
97 Vgl. die Stellen, an welchen Jesu Sohnschaft durch die Anrede oder Rede über Gott als „Vater“ zum Ausdruck kommt: Lk 2,49; 9,26; 11,2; 22,29.42; 23,34.46; 24,49. 98 Dass zwischen Christus- und Sohnestitel in Lk 22,69 zudem die Selbstbezeichnung Jesu als zur Rechten Gottes inthronisierter Menschensohn mit ins Bild kommt, entspricht der Entwicklung der Messianologie, innerhalb derer Dan 7,13f die Wandlung von der irdischen Endzeiterwartung hin zur himmlischen Endzeiterwartung belegt. Gleichzeitig ist eine Integration weisheitlicher Vorstellungen in die Menschensohntradition zu erkennen (vgl. etwa 1Hen 42,1f; 46,1–4; 47,3f), welche den neutestamentlichen Gedanken der Wesenseinheit von Vater und Sohn erst ermöglichte. Vgl. dazu nochmals ausführlich GESE, Der Messias, sowie MITTMANN-RICHERT, Thesen zur offenbarungsgeschichtlichen Grundlegung der Christologie. 99 Ansonsten fällt der Sohnestitel in der Apostelgeschichte nur noch im Zitat von Ps 2,7 in Apg 13,33, das im Wortlaut der LXX entspricht. Somit ist die alttestamentliche Stelle als Referenztext für Lukas bestätigt, wenngleich die Gottessohnschaft Jesu in Apg 13 als durch seine Auferstehung erwiesen vor Augen gestellt wird. Zur Bedeutung von Ps 2 für Lukas s. außerdem das Zitat von Ps 2,1f in Apg 4,25f. 100 SCHWEIZER, Art. ui`o,j, 369f, plädiert dagegen dafür, dass das Wort aus Ps 2,7 hier nicht durch Jes 42,1, sondern von 2Reg 22,20 her ergänzt sei, wo es heißt, dass Gott Wohlgefallen an David hatte (o[ti euvdo,khsen evn evmoi, ). Dies würde die königliche Vorstellung weiter unterstreichen. Allerdings ist 2Reg 22,20 eine Aussage über die Errettung Davids vor seinen Feinden und daher ein fraglicher Bezugsrahmen für die Taufstimme. Dazu kommen die o. im Folgenden genannten Argumente, die für Jes 42,1 als Bezugstext sprechen. Zudem ist im Blick zu behalten, dass Jes 42,1 selbst im Sinn einer Königsdesignation zu verstehen ist.
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
da die LXX in diesem Fall nicht nur terminologisch etwas abweicht,101 sondern überhaupt Jes 42,1 kollektiv deutet und auf Jakob bzw. Israel bezieht. 102 Dass die Prägekraft des hebräischen Textes von Jes 42,1 vorauszusetzen ist, wird auch ersichtlich aus dem Zitat von Jes 42,1–4 in Mt 12,18–21, wo der Text erneut im individuellen Sinn auf Jesus angewendet wird und wo die Formulierung bezüglich des Verbs (eivj o]n euvdo,khsen) dem Masoretischen Text näher steht. 103 Wichtig ist der matthäische Beleg aber auch deshalb, weil hier das hebräische ryxiB' mit avgaphto,j wiedergegeben ist, eine Wiedergabe, die zwar nicht mit der LXX (evklekto,j), wohl aber mit Mk 1,11 bzw. Lk 3,22 übereinstimmt. 104 Zu erwägen ist daher, ob mit avgaphto,j eine von der LXX unabhängige Übersetzungsvariante von ryxiB' vorliegt. Man wird dabei zumindest im Auge behalten müssen, dass ryxiB' im Singular sonst ausgesprochen selten vorkommt und durchaus in Verbindung mit dem Knechtsterminus stehen kann, dass der Begriff in der LXX aber durchgängig mit evklekto,j wiedergegeben wird, was dem Wortsinn („Auserwählter“) genau entspricht. 105 Auch Theodotion folgt zwar dem hebräischen Text und folgt daher nicht der kollektiven Deutung der LXX; er setzt zudem wie Mt 12 das dem Masoretischen Text mehr entsprechende Verb euvdoke,w, liest aber für ryxiB' nicht avgaphto,j, sondern – wie die LXX – evklekto,j.106 Darum ist weiter zu überlegen, ob avgaphto,j aus einer anderen Bezugsstelle eingeflossen ist. In Betracht kommen hier zunächst die Jes 42,1 LXX verwandte Stelle Jes 44,2, welche den Knechtsterminus mit der Vorstellung des Geliebtseins verbindet (pai/j mou Iakwb kai. o` hvgaphme,noj Israhl), sowie mit Jes 43,4 eine Stelle, deren Einfluss auf die Lösegeldsentenz und auf die Abendmahlsworte bereits erwähnt wurde 107 und welche ebenfalls die Zuneigung Gottes hervorhebt (avfV ou- e;ntimoj evge,nou evnanti,on mou evdoxa,sqhj kavgw, se hvga,phsa). In beiden Fällen läge ursprünglich ein Bezug auf Israel vor. Für den gelegentlich 101 „… mein Auserwählter, angenommen hat ihn meine Seele“ (o` evklekto,j mou prosede,xato auvto.n h` yuch, mou). 102 Dies unterstreicht die in Kapitel I bedachte zweisprachige Traditionsverarbeitung. 103 Zur weiteren Charakterisierung des Zitats vgl. o. in Abschnitt II.A.1. Anm. 7. 104 Freilich könnte in Mt 12 auch eine Assimilation an die Taufstimme vorliegen. In diesem Fall ist aber bedeutsam, dass der Sohnes- und der Knechtstitel nicht angeglichen wurden. Vgl. STRAUSS, Davidic Messiah, 207 Anm. 2; MARSHALL, Son of God or Servant of Jahweh?, 332. 105 Die Referenzstellen sind Ps 106(105),23 (Mose), Ps 89,4 MT (David) und Jes 43,20; 45,4 (Israel). In Y 88,4 wird pluralisch übersetzt. Der Knechtsterminus wird synonym verwendet in Ps 89,4 MT und in Jes 45,4. 106 Der Text lautet gemäß der Hexapla-Ausgabe von FIELD: ivdou. o` pai/j mou( avntilh,yomai auvtou/\ o` evklekto,j mou( o[n huvdo,khsen h` yuch, mou; gemäß PG 16B:1858: VIdou. o` pai/j mou avntilh,yetai auvto.n( kai. evklekto,j mou( o[n huvdo,khsen h` yuch, mou. Die Übersetzungen von Aquila und Symmachus zu Jes 42,1 sind demnach nicht erhalten. 107 S.o. in Kapitel I, S. 138f.
2. Der verherrlichte und erweckte Knecht: Apg 3,13.26
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ebenfalls bedachten Vers Jes 41,8 ist dies nicht direkt gegeben, da hier die Zuwendung, welche im hebräischen Text durch ybih]ao ausgedrückt wird, vorrangig auf Abraham bezogen ist (su. de, Israhl pai/j mou Iakwb o]n evxelexa,mhn spe,rma Abraam o]n hvga,phsa). Dies ist im Blick zu behalten, wenngleich Aquila – anders als Symmachus (tou/ fi,lou mou) – die Übertragung mit avgaphtou/ mou bietet, was ja der Version von Jes 42,1 in Mt 12,18 entspricht. Immerhin kommt aber das Geliebtsein neben dem Knechtsbegriff und der Erwählung zum Ausdruck. 108 Die Erklärung liebevoller Zuneigung speziell in Kombination mit dem Sohnestitel findet sich indessen in Gen 22,2, wo Isaak gegenüber Abraham näher bezeichnet wird als „einziger Sohn, den du liebhast“ (T'b.h;a'-rv,a] ^d>yxiy>-ta, ^n>Bi-ta,). Aufgrund der Übertragung von dyxiy" mit avgaphto,j auf Seiten der LXX (s. auch Gen 22,12.16) ist die Liebe hier doppelt betont (labe. to.n ui`o,n sou to.n avgaphto,n o]n hvga,phsaj to.n Isaak). Wie mit Blick auf Apg 3,25 noch gezeigt wird, ist Gen 22 ein unmittelbarer Bezugstext für Lukas und eng mit der Gottesknechtsthematik verknüpft; 109 dazu wäre die hier zum Ausdruck kommende innige Beziehung zwischen Vater und Sohn ein sinnvoller Anknüpfungspunkt zur Explikation des Gottesverhältnisses Jesu. 110 Unwahrscheinlicher ist, dass Ex 4,22f zugrunde liegt, da Israel dort lediglich als erstgeborener Sohn gekennzeichnet wird, ohne dass avgaphto,j fällt.111 Für die Annahme schließlich, dass avgaphto,j aus der Königstradition selbst einfloss, lassen sich im Grunde nur die marginalen Stellen Y 44,1; 67,13 anführen, wo der Terminus mit David bzw. mit dem König assoziiert wird. 112 Die Verbindung von avgaphto,j mit einer spezifischen alttestamentlichen Stelle bleibt insofern mit gewissen Unsicherheiten behaftet. 113 108
Für BOCK, Luke, 344f, bleibt Jes 41,8 darum der wichtigste Referenztext; der Abrahambezug wird jedoch nicht diskutiert. Vgl. dazu und zu den textlichen Einzelheiten ELLIGER, Deuterojesaja, 132.138. 109 S.u. in Abschnitt II.A.2.6. 110 Vgl. MARSHALL, Son of God or Servant of Jahweh?, 336, und JUST, Luke, 161, der daher „sacrificial overtones in Jesus’ baptism“ erkennt. Allerdings ist zu bedenken, dass die Ersetzung von avgaphto,j durch evklelegme,noj in Lk 9,35, welche als Erläuterung zu Lk 3,22 zu verstehen ist, den Bezug auf Gen 22 erschwert. Vgl. BOCK, Luke, 342. MARSHALL, op. cit., 334, verweist indes auf die Darstellung der Taufe mittels Isaak-Typologie in TestLevi 18,6f (vgl. TestJud 24,3f), wo jedoch die Taufstimme selbst nicht erwähnt wird. Die Stelle ist zudem als christlicher Nachtrag einzuschätzen. Mit JANSE, “You are My Son”, 107 Anm. 91, der aber unabhängig davon einen Einfluss von Gen 22 auf die synoptische Taufstimme für möglich hält. 111 Diese Ansicht wird dennoch mit Nachdruck vertreten von BRETSCHER, Exodus 4:22–23, der eine Ersetzung von prwto,tokoj (Ex 4,22) durch avgaphto,j annimmt und Jesus von Ex 4 her als idealisiertes Israel versteht. Sein Hinweis, dass Jes 42,1 terminologisch mit Ex 4,22f zusammenhängt, ist indessen beachtenswert. 112 Es sei denn, man rekurriert auf den Targum zu Ps 2,7, wo der Vers – wohl aufgrund der Auseinandersetzung mit dem Christentum – in relativierender Weise mit „Du bist mir so lieb wie ein Sohn einem Vater“ übertragen wird und daher eine Entsprechung zu
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
Dass in der Taufstimme aber Jes 42,1 im Blick ist, wird jedenfalls durch die Wendung evn soi. euvdo,khsa (Mt: evn w-| euvdo,khsa) unterstrichen, die ihre Entsprechung in Jes 42,1 MT hat. Zudem erläutert das göttliche Wort ja das Herabkommen des Geistes auf Jesus (s. Lk 3,22, katabh/nai to. pneu/ma to. a[gion … evpV auvto,n; vgl. Mk 1,10; Mt 3,16), während für die Präsentation des Knechts in Jes 42,1 außer dem göttlichen Wohlgefallen eben die Geistbegabung konstitutiv ist (wyl'[' yxiWr yTit;n" / e;dwka to. pneu/ma, mou evpV auvto,n ).114 Von daher erklärt sich auch die mitunter als ursprünglich angesehene varia lectio in Joh 1,34, welche in dem Bekenntnis des Täufers nach der Herabkunft des Geistes auf Jesus (ou-to,j evstin o` ui`o.j tou/ qeou/ ) statt der Sohnesbezeichnung den Terminus o` evklekto,j aus Jes 42,1 bietet.115 Rein textgeschichtlich bleibt auch hier die Verschmelzung der Sohnes- und der Knechtsvorstellung festzuhalten, die sich im Fall von Joh 1 bereits aus der Verbindung des Sohnestitels mit der zweifachen Kennzeichnung Jesu als „Lamm Gottes“ erkennen lässt (Joh 1,29.34), einer Kennzeichnung, die ihren Bezugspunkt insbesondere in Jes 53 hat.116 Die philologische Untersuchung der Zusammenhänge fördert also eine bestimmende Einsicht zutage, die durch die göttliche Stimme zum Ausdruck kommt: Jesus ist der Sohn, insofern er der Knecht ist, und er ist der Knecht, insofern er der Sohn ist. 117 Dies ist der entscheidende christologische Konnex avgaphto,j vorliegt. So zumindest SCHWEIZER, Art. ui`o,j, 369, der jedoch ebd., Anm. 341, zugleich auf einen Midrasch aufmerksam macht, wo Ps 2,7 mit Jes 42,1 sowie mit Ex 4,22; Ps 110,1 und Dan 7,13 kombiniert ist. Vgl. außerdem noch die Titulierung Ephraims als geliebter Sohn in Jer 31(38),20 MT (diff. LXX). Auf jüdischer Seite ist der Ausdruck ui`o.j avgaphto,j ferner als Anrede Jeremias im Brief an Baruch belegt (ParJer 7,23: ui`e, mou avgaphte,). Zu hellenistischen Belegen s. WOLTER, Lukasevangelium, 171. 113 Bedeutend ist freilich, dass Lukas in der Verklärungsstimme einen anderen Terminus bietet. S.o. das Folgende. Zur Wendung „geliebter Sohn“ vgl. zudem im Gleichnis Mt 21,37; Mk 12,6; Lk 20,13 sowie Lk 15,24. 114 Vermittels Jes 61,1 wird die Geistsalbung auch in Lk 4,18 hervorgehoben. Einen Rückbezug auf die Taufe stellt ferner Apg 10,38 dar. S. dazu u. in Abschnitt II.A.3 bei der Besprechung von Apg 4,27. 115 Die Lesart wird trotz der relativ spärlichen Bezeugung (a *, b, e, ff2*, sys.c) von vielen deshalb als ursprünglich angenommen, weil sie eine frühe Verbreitung im griechischen, lateinischen und syrischen Sprachraum voraussetzt und gegenüber dem für die johanneische Christologie zentralen Sohn-Gottes-Titel singulär ist. Vgl. JEREMIAS, Art. pai/j qeou/, 687; CULLMANN, Christologie, 65; SCHNACKENBURG, Joh I, 305; CARSON, John, 152. Anders z.B. SCHNELLE, Johannes, 56, der neben der äußeren Bezeugung die zentrale Funktion des Sohn-Gottes-Titels in der johanneischen Christologie umgekehrt als maßgeblich für die Ursprünglichkeit des Titels in Joh 1,34 erachtet. 116 S.o. in Kapitel I, S. 103f Anm. 374 zur Zusammenführung von Passalamm- und Gottesknechtstradition im christologischen Lamm-Titel. 117 Zur Verbindung von messianischer Sohnes- und Gottesknechtsvorstellung vgl. außerdem den Abschnitt „Die Berufung des Knechts von Mutterleibe an“ bei MITTMANNRICHERT, Sühnetod, 298–305, wo die Verknüpfung der Gottesknechtsüberlieferung mit der
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der Tauferzählung, welcher im Fall der Synoptiker besonders durch die Verknüpfung von Ps 2 und Jes 42 evident wird. 118 Und es ist eben dieser Konnex, der in der zweiten Himmelsstimme weitergeführt wird und noch eine Präzisierung erfährt. Die im Zuge der Verklärung 119 erfolgende erneute Offenbarung des Persongeheimnisses Jesu ist zweifellos im Rückbezug auf das Taufgeschehen und darum als kompositorischer Kunstgriff zu verstehen. Dabei ist von Bedeutung, dass hier Mose und Elia als Repräsentanten der Propheten und der jeweils auf dem Gottesberg erfahrenen Selbsterschließung Gottes 120 Jesus gegenübergestellt sind. Der Berg, die Wolke und die Betonung des Wortcharakters der Offenbarung 121 sowie im Fall der lukanischen Erzählung zudem die Rede vom „Exodus“, den Jesus in Jerusalem erfüllen soll, manifestieren die traditionsgeschichtliche Kontinuität. Umgekehrt zeigt sich eine Diskontinuität darin, dass Jesus, anders als Mose und Elia, nicht selbst Offenbarungsempfänger ist, sondern den Jüngern das wahre Wesen Jesu enthüllt wird, was aus der gegenüber der Taufstimme veränderten Sprechrichtung erhellt.122 Zudem ist Jesus gemäß der Stimme aus der Wolke weit mehr als ein Prophet, wenn es heißt: Mt 17,5: Dieser ist mein Sohn, der Geliebte, an dem ich Wohlgefallen habe. Hört ihn! ou-to,j evstin o` ui`o,j mou o` avgaphto,j( evn w-| euvdo,khsa\ avkou,ete auvtou/Å123 Mk 9,7: ou-to,j evstin o` ui`o,j mou o` avgaphto,j( Lk 9,35: Dieser ist mein Sohn, der Auserwählte, ou-to,j evstin o` ui`o,j mou o` evklelegme,noj(
– –
avkou,ete auvtou/Å ihn hört! auvtou/ avkou,ete)
Ankündigung des davidischen Heilskönigs nach Jes 7, Jes 9 und Jes 11 minutiös dokumentiert ist. 118 Zu diesem Ergebnis kommen nach detaillierter Untersuchung auch JANSE, “You are My Son”, 107; MARSHALL, Son of God or Servant of Jahweh?, 335f, sowie STRAUSS, Davidic Messiah, 203–207, wenngleich mit gewisser Vorsicht. Vgl. ferner TURNER, Power from on High, 201.211; WEREN, Psalm 2 in Luke-Acts, 199; LESKE, The Influence of Isaiah, 248–251. 119 S. Mt 17,1–8; Mk 9,2–8; Lk 9,28–36. 120 S. Ex 19,10–18; 24,12–18; 31,18; 34,29; 1Kön 19. 121 Vgl. die in 1Kön 19 gegenüber dem Sinaigeschehen noch stärker ins Bild gesetzte Verlagerung der Offenbarung in das Wort. Zum Zusammenhang der Texte und zu den Details der traditionsgeschichtlichen Entwicklung s. MITTMANN-RICHERT, Erinnerung und Heilserkenntnis im Lukasevangelium, 246–250. 122 Nur bei Matthäus war auch die Offenbarung bei der Taufe als Aussage über Jesus gestaltet. 123 In 2Petr 1,17, wo auf die Verklärung Bezug genommen wird, deckt sich der Wortlaut der Stimme weitgehend mit der matthäischen Version, der Höraufruf allerdings entfällt (o` ui`o,j mou o` avgaphto,j mou ou-to,j evstin eivj o]n evgw. euvdo,khsa).
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
Hier liegt offenbar eine Kombination aus drei Bezugsstellen vor, die jeder Evangelist mit eigenen Nuancen zur Darstellung bringt. Referenztext für die Sohnesbezeichnung ist in allen Fällen abermals Ps 2,7, was nach den bisherigen Ausführungen keiner weiteren Erläuterung bedarf. Matthäus übernimmt den Wortlaut der Taufstimme außerdem in der Bezeichnung Jesu als dem „Geliebten, an dem Gott Wohlgefallen hat“, während Markus das Wohlgefallen nicht eigens erwähnt. Da die erneute Himmelsstimme aber einen Rekurs auf die Taufstimme darstellt, welche auch bei Markus den jesajanischen Wortlaut mit umfasst, ist der dort deutlich gewordene Zusammenhang von Ps 2,7 und Jes 42,1 hier ebenfalls mitzuhören. 124 Lukas indessen betont gegenüber Matthäus und Markus sowie gegenüber Lk 3,22 das „Auserwähltsein“ des Sohnes durch das hapax legomenon o` evklelegme,noj.125 Da dieser Begriff wiederum in der Präsentation des Gottesknechts nach Jes 42,1 LXX als o` evklekto,j mou wurzelt, verschiebt sich der Gesamtbefund trotz des veränderten Wortlauts nicht, sondern wird im Gegenteil noch unterstrichen.126 Dass in Lk 9,35 das bedeutungsgleiche Partizip evklelegme,noj verwendet ist, fällt dabei weniger ins Gewicht als das Faktum, dass nach Lk 23,35 Jesus auch am Kreuz als „Auserwählter“ (evklekto,j) bezeichnet wird und der Gebrauch dieser Vokabeln, und somit die Charakterisierung Jesu als Gottesknecht, der den Weg ins Leiden geht, typisch lukanisch ist.127 Die terminologische Reflexion in der Rezeption von Jes 42,1 kommt also bei Lukas in beiden Gottesstimmen in je verschiedener Weise zum Ausdruck und geschieht auf der Grundlage sowohl des hebräischen 128 als auch des griechischen Textes. 129 Christologisch bedeutsam ist ferner, dass 124
Ein Grund für die Auslassung könnte die Konzentration auf die nachfolgende Höraufforderung sein. Für Markus besitzt der Gottessohntitel entscheidendes theologisches Gewicht; vgl. die kompositorische Linie von Mk 1,1.11 über Mk 9,7 zu Mk 15,39. 125 Die variae lectiones in Lk 9,35 bieten stattdessen avgaphto,j oder evklekto,j, sind jedoch nicht als ursprünglich zu bewerten, sondern stellen Angleichungen an Lk 3,22 bzw. Jes 42,1 dar. 126 Weder die LXX noch Josephus gebrauchen evklelegme,noj. VElekto,j steht auch in Jes 49,2 im Zusammenhang mit dem Gottesknecht. Überhaupt erscheint der Gedanke der Erwählung bei Jesaja im Verbund mit der Knechtsvorstellung sowohl innerhalb der Gottesknechtslieder (s. noch Jes 49,7) als auch außerhalb der Lieder in Bezug auf den Knecht Israel (s. Jes 41,8f; 43,10). Zur Frage, ob die in der Verklärungsstimme verwendeten Termini o` avgaphto,j und o` evklelegme,noj beide auf das hebräische ryxiB' in Jes 42,1 zurückgehen, s.o. zur Taufstimme. 127 In den Evangelien wird evklekto,j sonst nur pluralisch verwendet: s. Mt 22,14; 24,22.24.31; Mk 13,20.22.27; Lk 18,7. Dagegen ist im äthiopischen Henochbuch „der Erwählte“ messianische Vorzugsbezeichnung. Für Belege s.u. Anm. 130 und 142. 128 S.o. zur Taufstimme. 129 Die auch von MARSHALL, Son of God or Servant of Jahweh?, 334, angenommene zweisprachige Traditionsverarbeitung ist den Zweifeln entgegenzuhalten, die WOLTER, Lukasevangelium, 354f, aufgrund des Axioms einer ausschließlich der LXX verpflichteten
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Lukas in Lk 23 den Titel „Auserwählter“ sowohl mit dem Christustitel (V. 35.39) als auch mit dem Königstitel assoziiert (V. 37f; vgl. V. 42) und damit wie in Lk 9,35 die königlich-messianische mit der Gottesknechtsvorstellung zusammenbindet. Überdies ist zu bedenken, dass in der Septuaginta evklekto,j, wo es sich nicht auf Israel bezieht, nur für Mose, David und den Gottesknecht gebraucht wird 130 – ein weiterer Hinweis auf die Verschmelzung von königlich-messianischer und mosaisch-prophetischer Tradition in der Person des Knechts. 131 Und es ist eben diese Verschmelzung, welche durch die Erweiterung gegenüber der Taufstimme illustriert wird. Denn die göttliche Proklamation verbindet die Gottesknechtsvorstellung nicht nur mit der davidischen Tradition nach Ps 2, sondern durch den in Anlehnung an Dtn 18,15 formulierten abschließenden Höraufruf an die Jünger auch mit der mosaischen Tradition. Die Aufnahme von Dtn 18,15 ist bei Lukas noch erkennbarer als bei Markus und Matthäus, da die lukanische Wortstellung (auvtou/ avkou,ete statt avkou,ete auvtou/) der alttestamentlichen entspricht (LXX: auvtou/ avkou,sesqe).132 Rezeption der jesajanischen Texte anmeldet. Bei Kenntnis des hebräischen Textes ist die Tatsache nicht mehr allein entscheidend, dass Jes 42,1 LXX (vgl. 44,1f) ursprünglich auf Israel bezogen ist. Zudem ist an der von WOLTER ebenfalls bedachten Stelle Jes 49,7 der Israelbezug nicht gegeben, sondern es ist der Knecht im Blick. Vgl. KLEIN, Lukasevangelium, 348, mit dem Hinweis, dass Lk 9,35 aufgrund der oben dargestellten Beobachtungen Jes 42,1 genauer entspricht als Mk 9,7; sowie B OVON, Lukas III/1, 501, der Lukas die Kenntnis von Jes 42 ebenfalls belässt. 130 Außer den o. in Anm. 105 genannten Stellen s. noch Num 11,28 (Mose) sowie Ps Y 88,20; Sir 47,24(22) (David). Anders liegt der Fall in den pseudepigraphen Texten. Hier werden neben Mose (VitProph 2,11: evklekto.j tou/ qeou/ ) und dem auf Paulus hin zu verstehenden Auserwählten aus Benjamin (TestBenj 11,4, Handschrift b) besonders Esra (Apok Esr 1,8; 3,3) und Jeremia so charakterisiert (ParJer 1,1.4.7; 3,5; 7,15), Letzterer wohl in Anlehnung an Jer 1,5. Daneben ist der „Erwählte“ durchgängiger messianischer Titel im äthiopischen Henochbuch (s. 1Hen 40,5; 45,3; 49,2.4; 51,3.5; 52,6.9; 53,6; 55,4; 61,5.8.10; 62,1). Vgl. dazu u. Anm. 142. 131 Ähnlich STRAUSS, Davidic Messiah, 264–267, der dem Erwählungsgedanken im Alten Testament und in Qumran nachgeht und das Nebeneinander von Königs- und Knechtsvorstellung zu Recht von Ps 89,19–21 her expliziert. Der Gottessohntitel wurde freilich – im Gegensatz zu evklekto,j – weder für Mose noch für den Gottesknecht, sondern nur für den davidischen König gebraucht, weshalb die lukanische Zuordnung der Termini in Lk 9 und Lk 23 die Erweiterung der messianischen Tradition um die Gottesknechtsvorstellung anzeigt. 132 RESE, Alttestamentliche Motive, 196, tendiert daher zu der Annahme, dass erst Lukas den Anklang an Dtn 18,15 herausgehört und ihn verdeutlicht habe, weshalb der Bezug nicht auf Mk 9 und Mt 17 übertragen werden dürfe. Es sollte mit bedacht werden, dass Lukas in ähnlichem Zusammenhang auch umgekehrt formulieren kann. Gemeint ist die Weisung in Lk 16,29, auf Mose und die Propheten zu hören (avkousa,twsan auvtw/n), die ihrerseits im Sinn von Dtn 18,15 zu verstehen ist. Für Lukas ist jedenfalls der Bezug auf die alttestamentliche Stelle sicher. S.o. das Folgende.
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Dass ein Bezug auf Dtn 18 vorliegt, wird nicht nur durch den Mangel an anderen möglichen Bezugsstellen erwiesen, 133 sondern insbesondere durch die Präsenz Moses in der Erzählung selbst. Dazu fügt sich, dass die mit dem Höraufruf verbundene mosaische Verheißung eines Propheten „gleich mir“ in Apg 3,22 sowie in Apg 7,37 umfassend zitiert wird und Dtn 18,15 somit eindeutig als Referenztext für Lukas ausgewiesen ist. 134 Zugleich ist zu bedenken, dass die mosaische Tradition bereits in der Darstellung des Gottesknechts nach Jes 50,10 aufgenommen wurde, wonach der Stimme des Knechts Gehör zu schenken ist (avkousa,tw th/j fwnh/j tou/ paido.j auvtou/ ).135 Aufgrund der vorangegangenen Betrachtungen ist folglich zu konstatieren, dass in der Urchristenheit die königlich-messianische Vorstellung nach Ps 2 ebenso wie die Erwartung eines Propheten „gleich Mose“ mit der Figur des Knechts verbunden und auf Jesus übertragen wurde. 136 Führt man sich vor Augen, dass in den Gottesknechtstexten diese Traditionsverschmelzung bereits erfolgt war, erscheint dieses Vorgehen nur konsequent. Dies bedeutet aber, dass die Gottesknechtstradition die hermeneutische Mitte der beiden Himmelsstimmen ist, welche – bei Lukas in reflektiertester Weise – die Erkenntnis vermitteln, dass Jesus der Sohn ist, insofern er der Knecht ist, und dass er als der Knecht der verheißene eschatologisch-mosaische Prophet ist.137 Dieser innere Bezug ist festzuhalten, auch wenn mitunter die These vertreten wird, dass für die Tauf- und Verklärungsstimme ausschließlich Jes 42,1 im Hintergrund stehe.138 Ja, es ist dieser Bezug umso dringlicher hervor133 In Frage kommen nur der Aufruf zum Gehorsam gegenüber Gottes Stimme in Dtn 13,5 (auvtou/ avkou,sesqe) sowie 1Makk 2,65, wo Simon als weiser Vater qualifiziert wird, dem Gehör geschenkt werden soll (auvtou/ avkou,ete). 134 In Apg 7,37 fehlt freilich die für Lk 9,35 entscheidende Höraufforderung. Dennoch ist Dtn 18,15 als entscheidender Referenztext bestätigt. 135 Vgl. TORREY, The Influence of Second Isaiah in the Gospels and Acts, 32, der jedoch den Bezug auf Dtn 18,15 übergeht. 136 Das Nebeneinander von Gottesknechtstradition und Dtn 18 in Lk 9 und Apg 3 und 7 wird auch betont von MÉNARD, Pais Theou as Messianic Title in the Book of Acts, 87–89. 137 So auch ELLIS, Luke, 143, und STRAUSS, Davidic Messiah, 271f. Von daher ist BOVON, Lukas III/1, 181f, zuzustimmen, wenn er eine Unterscheidung zwischen der Taufe Jesu als messianischer Inauguration und der Antrittspredigt in Nazareth als prophetischer Amtseinsetzung kritisch bewertet und hier wie da sowohl messianische als auch prophetische Elemente erkennt. Dennoch wird die vermittelnde Rolle der Gottesknechtstradition verkannt. Dies gilt auch für LAMPE, The Lucan Portrait of Christ, 168–170, der immerhin die Verbindung des prophetischen, des königlichen und des Gottesknechtsaspekts in der Darstellung Jesu erwähnt. 138 Bei Befürwortung dieser These wird einerseits darauf verwiesen, dass die Taufstimme ja im Zuge der Geistverleihung erfolgt und somit die Geistbegabung nach Jes 42,1 auslegt. Dies wurde oben bestätigt. Andererseits werden die Bezeichnungen Jesu als avgaphto,j und evklelegme,noj als Übersetzungsvarianten des hebräischen ryxiB' verstanden, was zwar möglich ist, aber weiterer Begründung bedarf. Drittens wird die varia lectio für Joh 1,34 als ursprünglicher Text angenommen, was zumindest zweifelhaft ist. Vorausge-
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zuheben, als er doch das Charakteristikum der zweifachen Gottesrede darstellt, durch welche das Wesen Jesu in herausgehobener Weise offenbart wird (vgl. die zusammenfassende Übersicht auf der nächsten Seite).139 Das christologische Grundmuster der göttlichen Offenbarungsstimmen ist nun aber auch der hermeneutische Schlüssel zum Verständnis derjenigen Texte, welche hier eigentlich zur Debatte stehen. Denn im Licht dieses Musters erscheint das bereits herausgearbeitete Nebeneinander von Knechts- und Mosetradition in Apg 3 und das noch näher zu untersuchende Nebeneinander von Knechts- und Davidstradition in Apg 4 nicht länger als Beweis einer unreflektierten Übernahme divergierender christologischer Traditionen, sondern erweist sich dieses Nebeneinander als konsequente Entfaltung der beiden Himmelsstimmen. Dass dabei wiederum Dtn 18 (Apg 3) und Ps 2 (Apg 4) zur Sprache kommen, kann kaum mehr überraschen. Bevor aber das Gemeindegebet in Apg 4 näher untersucht wird, soll die hier zutage geförderte Erkenntnis zuerst noch hinsichtlich der weiteren christologischen Titel in Apg 3 ausgeführt und jene in das christologische Gesamtbild der Petrusrede integriert werden. Und um ein Gesamtbild handelt es sich in der Tat. Es erschließt sich, wenn man den komplementären Charakter der Traditionen in der lukanischen Verarbeitung anerkennt und die christologischen Termini sachgemäß zueinander ins Verhältnis setzt.
setzt wird schließlich, dass das an sich doppeldeutige pai/j mou („mein Kind“ bzw. „mein Knecht“) auf hellenistischem Gebiet noch vor Markus zu ui`o,j mou verdeutlicht worden sei. Dieser letzte Aspekt bleibt jedoch hypothetisch und es fehlt zudem jede Reflexion über die Integration von Dtn 18,15 in das Gesamtbild. Vgl. besonders JEREMIAS, Pai/j (qeou/) im Neuen Testament, 192–194, und CULLMANN, Christologie, 65, der immerhin die Möglichkeit einräumt, dass der Wortlaut von Ps 2,7 in die eigentlich aus Jes 42,1 stammende Wendung eingeflossen ist. Zur Kritik vgl. nochmals MARSHALL, Son of God or Servant of Jahweh?, sowie den Hinweis bei STRAUSS, Davidic Messiah, 205 Anm. 2, dass unter der Prämisse, dass Lukas das Markusevangelium gekannt hat, ihm der Sohnestitel ja bereits vorgegeben war, weshalb nicht allein Jes 42 in den Blick kommen konnte. 139 Es ist bezeichnend, dass die beiden Himmelsstimmen je eine Initialfunktion haben für das Wirken Jesu in Galiläa (Lk 3,22) und für seinen Weg nach Jerusalem (Lk 9,35). Mit ERNST, Lukas, 118.
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AB-%m't.a, yDIb.[; !he yvip.n: ht'c.r" yrIyxiB. wyl'[' yxiWr yTit;n"
profh,thn evk tw/n avdelfw/n sou w`j evme. avnasth,sei soi ku,rioj o` qeo,j sou auvtou/ avkou,sesqe
Dtn 18,15
(s. auch Jes 41,8f; 43,4.10; 49,7)
Vgl. Jes 44,2 pai/j mou Iakwb kai. o` hvgaphme,noj Israhl o]n evxelexa,mhn
Iakwb o` pai/j mou avntilh,myomai auvtou/ Israhl o` evklekto,j mou prosede,xato auvto.n h` yuch, mou e;dwka to. pneu/ma, mou evpV auvto,n
Jes 42,1
Vgl. Gen 22,2 labe. to.n ui`o,n sou to.n avgaphto,n o]n hvga,phsaj to.n Isaak (s. 22,12.16 LXX)
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Vgl. 2Sam 7,14 evgw. e;somai auvtw/| eivj pate,ra kai. auv a to.j e;stai moi eivj ui`o,n (s. Ps 89,27f)
ui`o,j mou ei= su, evgw. sh,meron gege,nnhka, se (= Apg 13,33)
Ps 2,7
(folgt Jes 42,2-4)
ivdou. o` pai/j mou o]n h`|re,tisa( o` avgaphto,j mou eivj o]n euvdo,khsen h` yuch, mou\ qh,sw to. pneu/ma, mou evpV auvto,n
Mt 12,18 (= Jes 42,1)
Taufe Jesu
kai. fwnh. evge,neto evk tw/n ouvranw/n\ su. ei= o` ui`o,j mou o` avgaphto,j( evn soi. euvdo,khsaÅ
kai. to. pneu/ma w`j peristera.n katabai/non eivj auvto,n\
Mk 1,10f
kai. fwnh.n evx ouvranou/ gene,sqai\ su. ei= o` ui`o,j mou o` avgaphto,j( evn soi. euvdo,khsaÅ
kai. katabh/nai to. pneu/ma to. a[gion swmatikw/| ei;dei w`j peristera.n evpV auvto,n(
Lk 3,22
kai. evge,neto fwnh. evk th/j nefe,lhj\ ou-to,j evstin o` ui`o,j mou o` avgaphto,j(
kai. ivdou. fwnh. evk th/j nefe,lhj le,gousa\ ou-to,j evstin o` ui`o,j mou o` avgaphto,j( evn w-| euvdo,khsa\ avkou,ete auvtou/Å
Lk 9,35
auvtou/ avkou,eteÅ
Apg 3,13.26; 4,27.30: Jesus als pai/j
Lk 23,35: evklekto,j
kai. fwnh. evge,neto evk th/j nefe,lhj le,gousa\ ou-to,j evstin o` ui`o,j mou o` evklelegme,noj(
(Vgl. 2Petr 1,17: o` ui`o,j mou o` avgaphto,j mou ou-to,j evstin eivj o]n evgw. euvdo,khsa)
avkou,ete auvtou/Å
Mk 9,7
Mt 17,5
Verklärung Jesu
(Vgl. Joh 1,34: ou-to,j evstin o` ui`oj. tou/ qeou/; v.l.: ou-to,j evstin o` evklekto.j tou/ qeou/)
kai. ei=den Îto.Ð pneu/ma Îtou/Ð qeou/ katabai/non w`sei. peristera.n Îkai.Ð evrco,menon evpV auvto,n\ kai. ivdou. fwnh. evk tw/n ouvranw/n le,gousa\ ou-to,j evstin o` ui`o,j mou o` avgaphto,j( evn w-| euvdo,khsaÅ
Mt 3,16f
Die himmlischen Gottesstimmen der Synoptiker und ihre Bezugstexte
216 II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
2. Der verherrlichte und erweckte Knecht: Apg 3,13.26
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2.5 Die weiteren christologischen Titel in Apg 3 Vor der näheren Betrachtung des Christustitels ausgehend von Apg 3,18.20 (s.u. in Abschnitt 2.5.3) muss der Blick zunächst auf den Anfang der Rede fallen, wo eine Akkumulation christologischer Titel anzutreffen ist. Innerhalb der Darstellung der Passion Jesu in Apg 3,13–15 zeichnet Lukas Jesus nicht nur als Knecht, sondern zudem als „Heiligen und Gerechten“ (a[gioj kai. di,kaioj) sowie als „Führer zum Leben“ (avrchgo.j th/j zwh/j ). Markant ist dabei, dass in einem Atemzug mit den christologischen Titulaturen jeweils das schuldhafte Handeln der Juden genannt wird (V. 14f): Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet und gebeten, dass euch ein Mörder geschenkt würde; den Führer zum Leben aber habt ihr getötet, den Gott aus den Toten auferweckt hat, wovon wir Zeugen sind.
Dass hier eine graduelle Steigerung vorliegt, ergibt sich aus dem Gesamtduktus der Verse 13–15: Der Knecht wurde überliefert und verleugnet, obwohl Pilatus ihn für unschuldig befand; er wurde verleugnet und statt seiner ein Mörder erhandelt, obwohl er heilig und gerecht war; und schließlich wurden die Juden selbst zu den Mördern dessen, der sie doch zum Leben führen sollte.140 Die inhaltliche Steigerung wird also durch die Kumulation der Titel noch verstärkt. 2.5.1 Der Heilige und Gerechte (o` a[gioj kai. di,kaioj) Was die einzelnen Bezeichnungen betrifft, so ist zunächst im Blick zu behalten, dass die „Verherrlichung des Knechts“ in V. 13 auf Jes 52,13 zurückgeht und somit das vierte Gottesknechtslied als erster Interpretationsrahmen vorgegeben ist. Wenn der Knecht nun kraft der Wendung o` a[gioj kai. di,kaioj noch als „Gerechter“ bestimmt wird, 141 so ist die naheliegendste Erklärung dafür, dass auch diese Bezeichnung auf Jes 53 zurückgeht, da dort die Beschreibung des Knechts ebenfalls vermittels dieses Terminus erfolgt, und zwar sowohl in der hebräischen als auch in der griechischen Überlieferung: Jes 53,11 MT:
Es wird gerecht machen der Gerechte, mein Knecht, die Vielen und ihre Sünden wird er selbst tragen.
~yBir:l' yDIb.[; qyDIc; qyDIc.y: lBos.yI aWh ~t'nOwO[]w:
140 Zum gesteigerten Kontrastschema in Apg 3,13–15 vgl. auch HAGENE, Zeiten der Wiederherstellung, 118f. 141 Zu a[gioj s. im Folgenden.
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
Jes 53,11 LXX: … gerecht zu machen den Gerechten, der vielen gut dient, und ihre Sünden wird er selbst auf sich nehmen. dikaiw/sai di,kaion eu= douleu,onta polloi/j kai. ta.j a`marti,aj auvtw/n auvto.j avnoi,sei)
Trotz der Bedeutungsverschiebung in der LXX ist der Knecht auf beiden Seiten unmissverständlich als „Gerechter“ deklariert. So eindeutig ist dieses Attribut mit der Person des Knechts verbunden, dass „der Gerechte“ in der von den Gottesknechtstexten beeinflussten Kennzeichnung des Messias im äthiopischen Henochbuch ebenfalls Verwendung findet. 142 Auch in der Sapientia Salomonis ist der Titel di,kaioj aufgegriffen, genauer: innerhalb der Beispielerzählung vom Geschick des Gerechten (SapSal 2,1–20; 5,1–14), und damit in einem Passus, welcher seinerseits in traditionsgeschichtlicher Kontinuität mit Jes 53 steht. 143 Theologisch entscheidend ist, dass der Begriff in Jes 53,11 zur Beschreibung des zur Erlösung der Menschen in den Tod gehenden Knechts gebraucht wird und auch in Apg 3 im Kontext der Passion des Knechts Jesus erscheint. Ja, es ist gerade der Höhepunkt der Passion, an dem der Titel innerhalb des lukanischen Werkes zum ersten Mal im christologischen Sinn verwendet wird, weshalb Apg 3,14 zugleich als Rückverweis auf das Bekenntnis des heidnischen Hauptmanns unter dem Kreuz gelten muss, der angesichts des Sterbens Jesu Gott preist und spricht: Lk 23,47:
Wahrlich, dieser Mensch war ein Gerechter. o;ntwj o` a;nqrwpoj ou-toj di,kaioj h=nÅ
Dass dieses Bekenntnis keine Abschwächung gegenüber der GottessohnBezeichnung in der Akklamation des Hauptmanns nach Mk 15,39 bzw. Mt 27,54 darstellt, sondern vielmehr die vorangehenden messianischen Bezeichnungen hinsichtlich der Bedeutung des Todes Jesu als des Knechts zusammenfasst, braucht an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt zu werden. Es genügt der Hinweis, dass das Wesen Jesu als Gottessohn auch bei Lukas nicht zweifelhaft ist, da Jesus in der lukanischen Darstellung Gott gleich zweifach 142 S. 1Hen 38,2, wo ein Teil der Handschriften „der Gerechte“ statt „die Gerechtigkeit“ bietet; ferner 53,6 („der Gerechte und Erwählte“) und 39,6 („der Erwählte der Gerechtigkeit und Treue“). Vgl. außerdem 46,3; 47,1.4; 71,14. Gegenüber „Messias“ (48,10; 52,4) und „Menschensohn“ (46,1–4; 48,2) ist „der Erwählte“ (s. Jes 42,1) überhaupt messianische Vorzugsbezeichnung (s. 1Hen 40,5; 45,3; 49,2.4; 51,3.5; 52,6.9; 53,6; 55,4; 61,5.8.10; 62,1). Zu weiteren Bezügen zwischen Jes 53 und 1Hen s.o. S. 199f. Das Gesamtbild der Bezüge ist der Kritik entgegenzuhalten, in 1Hen läge kein messianisches Verständnis von Jes 53 vor. Vgl. MICHEL, Art. pai/j qeou/, 1151f. 143 S. vor allem SapSal 2,18–20 und 5,1. Zur Prägung der genannten Abschnitte durch Jes 52,13–53,12 s. bei GEORGI, Weisheit Salomos, die Anmerkung auf S. 405 sowie 394 Anm. 10 und 408 Anm. 13c; ferner die detaillierte Auflistung der Parallelen bei JEREMIAS, Art. pai/j qeou/, 682. Zum Einfluss von SapSal 2,18–20 auf die lukanische Kreuzeserzählung s. MITTMANN-RICHERT, Sühnetod, 104f.
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als „Vater“ anredet (Lk 23,34.46). Zudem stirbt Jesus nach Lukas mit Ps 31 auf den Lippen, und das heißt: mit einem Psalm, in dem die Titel „Knecht“ und „Gerechter“ in gleicher Weise wie in Jes 52f synonym verwendet werden (s. Ps 31[30],17.19); darum hat di,kaioj nicht als reine Unschuldsaussage zu gelten, sondern ist der Begriff im Zeichen der von Lukas hervorgehobenen Gottesknechtschaft Jesu zu verstehen. 144 Vor dem Hintergrund der kreuzestheologischen Verankerung dieses christologischen Titels sind auch die beiden weiteren Belege im lukanischen Werk zu bewerten.145 Dies ist zum einen der Vorwurf des Stephanus gegenüber den Juden in Apg 7,52, dass ihre Väter die Propheten getötet haben, „welche die Ankunft des Gerechten (tou/ dikai,ou) vorher verkündigten, dessen Verräter und Mörder ihr jetzt geworden seid“. Wenngleich die Stoßrichtung der Stephanusrede der Ungehorsam Israels seit Moses Zeiten ist und der Vers die Aussage „wie eure Väter, so auch ihr“ (Apg 7,51) expliziert, ist der Terminus – und dies ist entscheidend – wie in Lk 23 und Apg 3 durch die Passion definiert. Jesus ist der Gerechte als derjenige, der den Tod erlitten hat. Da ferner sowohl Lk 23 als auch Apg 3 auf die Knechtstradition als Ursprung des Titels weisen, ist Apg 7 ebenfalls in diesem Licht zu sehen. 146 Zum anderen wird der Titel in der Verteidigungsrede des Paulus vor dem Volk in Apg 22 er144 So auch GREEN, God’s Servant, 20f, und MITTMANN-RICHERT, Sühnetod, 93– 97.101f. Entsprechend EASTER, ‘Certainly this Man was Righteous’, demzufolge fünf Gesichtspunkte auf ein christologisches Verständnis von Lk 23,47 weisen: Der exemplarische Glaube auch anderer Hauptmänner im lukanischen Werk (s. Lk 7,1–10; Apg 10f); die Verwendung von di,kaioj in Apg 3,13–15; 7,52; 22,14 (s.o. im Folgenden); die Parallelen zwischen der lukanischen Erzählung und den jesajanischen Gottesknechtstexten; die Zentralität der Frage nach der messianischen Identität Jesu in der lukanischen Kreuzigungsperikope sowie die Tatsache, dass der Centurio nicht nur Jesus als di,kaioj proklamiert, sondern angesichts des Sterbens Jesu auch Gott preist. Vgl. ferner GLÖCKNER, Verkündigung des Heils, 187–194, der ebenfalls den Zusammenhang der verschiedenen Prädikate in Apg 3 berücksichtigt. KARRIS, Luke 23:47, bedenkt den traditionsgeschichtlichen Bezug nicht. 145 Gegen HAGENE, Zeiten der Wiederherstellung, 220, die sich im Blick auf Lk 23,47 dafür ausspricht, hier keine Vorwegnahme des christologischen di,kaioj-Titels in der Apostelgeschichte anzunehmen, da die Erzähllogik eine solche Stoßrichtung verbiete. Dies ist aber ebenso zu hinterfragen wie die Hypothese, dass der Begriff aufgrund seiner interreligiösen Konsensfähigkeit in der griechischen Welt gewählt sei. Fraglich ist schließlich auch, weshalb der Beleg Apg 22,14 hier nicht in die Überlegungen mit einbezogen wird. 146 Ähnlich LAMPE, The Lucan Portrait of Christ, 166, der di,kaioj in Apg 7 in Bezug auf die Knechtstradition versteht und auf die Verbindung von Propheten- und Gottesknechtsvorstellung verweist: „[I]t would seem that we have here a pointer to an identification of the ‚prophet like Moses‘ with the Servant, such as we shall find implicit in much that Luke wrote.“ Dem ist im Licht des in Abschnitt II.A.2.4.2 Gesagten zuzustimmen. Im Blick auf Apg 7,52 bleibt auch zu beachten, dass das „Kommen“ Jesu bei Lukas ein christologisches Thema ist (s. Lk 7,19f; 19,38); daher ist der Begriff di,kaioj in Apg 7,52 unbedingt im messianischen Horizont zu begreifen. Mit EASTER, ‘Certainly this Man was Righteous’, 44. Für Details zur Stephanusrede s.u. in Abschnitt II.B.2.4.
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wähnt, genauer: in der Darstellung der Botschaft des Hananias an Paulus im Zuge des Damaskuserlebnisses. Demzufolge hat der Gott der Väter – man beachte die Parallele der Gottesbezeichnung zu Apg 3,13 (o` qeo.j tw/n pate,rwn h`mw/n)147 – Paulus dazu erwählt, „den Gerechten zu sehen und eine Stimme aus seinem Mund zu hören (ivdei/n to.n di,kaion kai. avkou/sai fwnh.n evk tou/ sto,matoj auvtou/ )“ (Apg 22,14). Von allem Gesehenen und Gehörten aber soll Paulus Zeuge sein (V. 15), weshalb hier insgesamt die Autorisierung des Paulus durch die Selbsterschließung Jesu betont wird. Dies geschieht allerdings nicht ohne den Verweis auf das mit der Anrufung des Namens Jesu verbundene „Abwaschen der Sünden“ in der Taufe (V. 16). Die Begegnung mit Jesus, dem Gerechten, bringt also für den Christusverfolger die Erkenntnis der überwundenen Schuld mit sich. Dies stimmt mit dem Gedanken von Jes 53,11 überein, wonach das Gerechtmachen der Vielen durch den Knecht, den Gerechten, mit der Übernahme der Sünden einhergeht. 148 Insofern erscheint auch die paulinische Verkündigung in Apg 13,38f als Reflex dieser Erkenntnis, wenn hier die Vergebung der Sünden durch Christus mit der Vorstellung verbunden wird, dass diejenigen als „Gerechtfertigte“ gelten, die an Christus glauben (evn tou,tw| pa/j o` pisteu,wn dikaiou/tai). So dient das christologische Prädikat di,kaioj in Apg 3,14 zwar dazu, Jesus möglichst deutlich gegenüber dem Mörder Barabbas (a;ndra fone,a) abzuheben; es darf aber nicht im rein moralischen Sinn verstanden werden. 149 Ebenso unangemessen wäre es, den Titel doch als messianische Bezeichnung zu begreifen, ihn aber lediglich in allgemeinem Sinn auf frühjüdische Erwartungen zurückzuführen. 150 Das lukanische Gesamtbild rechtfertigt vielmehr ebenso wie der unmittelbare Kontext von Apg 3,14, di,kaioj zuerst und zuvorderst aus Jes 53 und von der Übernahme dieser Tradition durch Lukas her
147
Vgl. noch Apg 5,30; 7,32. Zu bedenken ist ferner, dass die in Apg 22 erkennbare Betonung des „Sehens“ und „Hörens“ in Jes 52,15 vorgebildet und der Mund des Knechts nach Jes 49,2 gesondert hervorgehoben ist. 149 Gegen CONZELMANN, Apg, 39, demzufolge Lukas die messianologischen Begriffe „Heiliger“ und „Gerechter“ „ins Moralische verschoben“ hat und mit ihrer Hilfe die Unschuld Jesu betont. Entsprechend SCHNEIDER, Apg I, 319 Anm. 47. Vgl. auch die Tendenz bei BARRETT, Acts I, 195f, der zwar von Apg 7,52 und 22,14 her auf den messianischen Charakter verweist und auch Jes 53,11 heranzieht, der den Titel aber eher deskriptiv und als Kontrastbegriff gegenüber Barabbas versteht. 150 Die mitunter angeführten Stellen Jes 11,5; 32,1; Jer 23,5; 33,15; Sach 9,9; PsSal 17,32 zielen auf den Gedanken der Gerechtigkeit des Heilskönigs, bieten di,kaioj aber nicht im absoluten titularen Sinn. Vgl. PETERSON, Acts, 175, sowie SCHNEIDER, Art. di,kaioj, 783, der auch 1Hen 38,2; 53,6 und SapSal 2,5 erwähnt, den Bezug dieser Passagen auf Jes 53 aber ausblendet. Ähnlich RESE, Alttestamentliche Motive, 132, der es aufgrund der genannten Belege ablehnt, die Bezeichnung in Apg 3,14 im Sinne des Gottesknechtsprädikats aufzufassen. 148
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zu deuten.151 In diese Richtung weisen noch zwei weitere Aspekte: zum einen die Betonung der Freilassungsabsicht des Pilatus in Apg 3,13 und zum anderen, dass laut Apg 3,17 das Handeln der Juden samt ihren Oberen „gemäß ihrer Unkenntnis“ erfolgte (kata. a;gnoian). Ersteres fasst nicht nur die bei Lukas gleich mehrfach akzentuierte Erklärung des Pilatus über die Unschuld Jesu zusammen (s. Lk 23,4.14–16.20.22),152 sondern stimmt auch mit der Schuldlosigkeit des Knechts nach Jes 53,9 überein, der „kein Unrecht getan“ hat und „in dessen Mund kein Trug“ war. Der zweite Aspekt dagegen setzt einerseits die Erkenntnis der „Wir“ aus Jes 53,2–4 ins Bild, dass man das wahre Wesen des Knechts bisher verkannte, 153 und ist andererseits von Jes 53,10 her zu begreifen, von der Vorstellung also, dass der Knecht sein Leben als „Schuldopfer“ (~v'a') dahingibt. Denn das Schuldopfer ist nach Lev 5,17– 19 eben dasjenige Opfer, das die unwissentlich begangenen Sünden sühnt. Dass diese Deutung des Todes Jesu nach Jes 53,10 für Lukas vorauszusetzen ist, beweist auch die Vergebungsbitte Jesu in Lk 23,34 „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, durch welche zugleich das Eintreten des Knechts für die Sünder nach Jes 53,12 erfüllt wird. 154 Während der übrige Gebrauch von di,kaioj bei Lukas eindeutig von der christologischen Verwendung zu unterscheiden ist, 155 manifestiert innerhalb des Neuen Testaments insbesondere 1Petr 3,18 ein entsprechendes Verständnis des Terminus auf dem Hintergrund von Jes 53, wenn es hier heißt „Denn es hat auch Christus einmal für Sünden gelitten, der Gerechte für die Unge-
151
Ähnlich WITHERINGTON, Acts, 181; WIKENHAUSER, Apg, 132. Der Schwerpunkt liegt auf der Unschuld Jesu, nicht auf der Unschuld des Pilatus am Tod Jesu, wie die Integration des Pilatus in die Reihe der am Tod Schuldigen in Apg 4,27 aufzeigt. Mit JERVELL, Apg, 165. 153 Vgl. auch den in Jes 53,1 beschriebenen Unglauben angesichts der Verkündigung des Knechtsschicksals. 154 Von Apg 3,17 her ist somit ein inneres Argument für die Ursprünglichkeit dieses Kreuzeswortes gewonnen, für welches die äußere Bezeugung ambivalent bleibt. S. dazu u. in Abschnitt II.B.2.4. Apg 3,17 erklärt ebenfalls, dass die Vergebungsbitte in Lk 23 nicht nur auf die kreuzigenden Soldaten zielt, sondern auch auf die Juden, die Jesus ans Kreuz lieferten, weshalb der Gang Jesu in den Tod als Juden wie Heiden einschließendes Heilsgeschehen gelten muss. Für den Gedanken der universalen menschlichen „Unwissenheit“ sind sodann Apg 13,27 und 17,30 weitere Belege. 155 S. die Beschreibung „frommer“ Menschen in Lk 1,6.17; 2,25; 15,7; 23,50; Apg 10,22 (vgl. Lk 12,57; 18,9; 20,20) sowie einerseits das Wort Jesu in Lk 5,32, dass er nicht gekommen ist, die Gerechten zu rufen, sondern die Sünder, und andererseits die Rede von der Auferstehung der Gerechten (Lk 14,14) bzw. der Gerechten und Ungerechten (Apg 24,15). Vgl. außerdem DOBLE, The paradox of salvation, 93–160, der jedoch für die christologischen Stellen einen Bezug zu den Gottesknechtstexten abstreitet und eine Herleitung von weisheitlichen Vorstellungen nachweisen will. Dies ist auch die Tendenz von B ECK, ‘Imitatio Christi’ and the Lucan Passion narrative, 42–44. 152
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rechten (di,kaioj u`pe.r avdi,kwn)“, zumal die Verarbeitung von Jes 53 in 1Petr 2,21–25 unbestritten ist.156 Die Prädikation Jesu als des Gerechten – und damit wird die Untersuchung der einzelnen Titel in Apg 3 nun weitergeführt – ist durch den Gebrauch nur eines Artikels in der Wendung o` a[gioj kai. di,kaioj eng mit der Bezeichnung „Heiliger“ zusammengeschlossen. 157 Dieser Sachverhalt macht es eher unwahrscheinlich, dass nach zwei verschiedenen christologischen Traditionen gesucht werden muss. 158 Die Wendung als Ganze ist allerdings im Neuen Testament sonst nicht belegt 159 und als messianisches Prädikat erscheint o` a[gioj vergleichsweise selten, nämlich nur in Offb 3,7 und in 1Joh 2,20160 sowie in dem Epitheton „der Heilige Gottes“ (o` a[gioj tou/ qeou/), welches Jesus von dämonischer Seite (Lk 4,34 par. Mk 1,24) sowie von Seiten der Jünger beigemessen wird (Joh 6,69). 161 Was Lukas betrifft, so lässt sich jedoch insgesamt ein ausgeprägtes Interesse an der Heiligkeit Jesu erkennen. Ja, es ist diese Vorstellung bereits in der Geburtsverheißung an Maria verankert, gemäß welcher Jesus nicht nur als Gottessohn und als Erbe des Davidthrones proklamiert wird (Lk 1,31–33), sondern wo zudem gesagt ist: Der heilige Geist wird über dich kommen (evpeleu,setai evpi. se, ) und Kraft des Höchsten wird dich überschatten (evpiskia,sei); darum wird auch das Heilige, das geboren werden wird (to. gennw,menon a[gion), Sohn Gottes genannt werden. (Lk 1,35) 162
156
Vgl. außerdem Mt 27,19; 1Joh 2,1.29; 3,7; Jak 5,6 sowie 2Tim 4,8. Zur Verbindung beider Prädikate vgl. auch die Überlegungen bei DESCAMPS, Les Justes et la Justice, 76–79. 158 S. BARRETT, Acts I, 195. 159 Dort, wo die beiden Termini zusammen stehen, handelt es sich um attributiven Gebrauch – so in der Beschreibung des Täufers nach Mk 6,20 (avnh.r di,kaioj kai. a[gioj) – oder um prädikative Verwendung – so in der Qualifikation des Gesetzes als „heilig, gerecht und gut“ in Röm 7,12. Vgl. noch Offb 22,11. 160 Hier scheint grundsätzlich möglich, im Geber der „Salbung“, d.h. des Geistes, sowohl Gott als auch Christus zu sehen. Vom Kontext her legt sich Letzteres nahe. Vgl. KLAUCK, Erster Johannesbrief, 159. 161 In der Regel wird der Begriff von den Evangelisten herangezogen zur Charakterisierung Jerusalems, der Engel und des heiligen Geistes. Lukas kann zudem vom heiligen Bund (Lk 1,72), vom heiligen Boden am brennenden Dornbusch (Apg 7,33), von den heiligen Propheten (Lk 1,70; Apg 3,21) sowie von den Heiligen der urchristlichen Gemeinde sprechen (Apg 9,13.32.41; 26,10). Letzteres ist gut paulinisch (vgl. Röm 1,2; 8,27; 12,13; 15,25f u.ö.). Für Matthäus vgl. noch die Mahnung Jesu, das Heilige nicht vor die Hunde zu werfen (Mt 7,6) sowie die Auferstehung der entschlafenen Heiligen bei Jesu Tod (Mt 27,52). 162 {Agion ist als Substantiv und mit to. gennw,menon als Subjekt aufzufassen, ui`o.j qeou/ dagegen als Prädikat. Mit PROKSCH, Art. a[gioj, 102, gegen BOVON, Lukas III/1, 76f, der a[gion als prädikatives Adjektiv verstehen will („Dieses Kind wird heilig geheißen“) und dementsprechend vor ui`o.j qeou/ ein Komma einfügen muss. 157
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Die so beschriebene Einflussnahme des heiligen Geistes prägt später auch die Ausrüstung der Jünger zu Zeugen Jesu in Apg 1,8 (evpe,rcomai evfV u`ma/j). Wird dadurch schon der sakrale Charakter des Geschehens betont, so weist auch der zweite Aspekt in diese Richtung. Maria wird von göttlicher Kraft „überschattet“ wie einst das Wüstenheiligtum von der Wolke (s. Ex 40,35: evpiskia,zw), ein Vorgang, der die Erfüllung des Zeltes mit der Herrlichkeit Gottes anzeigte und es erst zu dem machte, was es war: ein Ort der Gegenwart des Heiligen Israels. Auf dem Hintergrund dieser Tradition besagt die neutrische Prädikation Jesu als a[gion darum, dass er selbst Anteil hat an der Heiligkeit Gottes, dass er die Manifestation der Gegenwart des Heiligen unter den Menschen ist. 163 Es wird ferner kein Zufall sein, dass Lukas bei der Offenbarung des Wesens Jesu innerhalb der Verklärungserzählung das entsprechende Verb zur „Überschattung“ durch die Wolke und somit für die Betonung des Sinaibezuges verwendet (Lk 9,34: evpiskia,zw).164 Tritt dort Jesus als Gottessohn aus der Wolke, der zugleich als Gottesknecht und eschatologischmosaischer Prophet ausgewiesen ist, so wird dieses sein Wesen bereits in der Geburtsverheißung enthüllt: Er ist der Sohn, der dem Heiligkeitsbereich Gottes entstammt. Dass der christologische Terminus der kultischen Sprache zuzuordnen ist, zeigt sodann die Begründung für die Darstellung Jesu im Tempel in Lk 2,23, welche eine Zusammenfassung des Gebots über die Erstgeburt nach Ex 13,2.12.15 ist, welche aber den Schwerpunkt bei der Belehnung Jesu mit dem Attribut „heilig“ setzt und insofern an Lk 1,35 (to. gennw,menon a[gion … klhqh,setai) anknüpft: Alle männliche Erstgeburt soll dem Herrn heilig heißen. pa/n a;rsen dianoi/gon mh,tran a[gion tw/| kuri,w| klhqh,setai) 165
Bedeutend ist freilich, dass für Lukas das Entscheidende an der Darstellung Jesu im Tempel die Begegnung Simeons mit dem Gotteskind ist – eine Begegnung, die den Unterschied zwischen Jesus und „allen Erstgeburten“ titular hervortreten lässt (Lk 2,26: o` cristo.j kuri,ou; V. 30: to. swth,rio,n sou; V. 32: fw/j).166 In ähnlicher Weise wird dann auch in Lk 4 das Prädikat o` a[gioj tou/ qeou/ (V. 34) durch „Sohn Gottes“ und „Christus“ (V. 41) näher bestimmt. Diese Darstellungsweise setzt sich in Apg 3 durch die Zuordnung von 163
Ähnlich WOLTER, Lukasevangelium, 93. Ablehnend VOSS, Christologie der lukanischen Schriften, 74. 164 Der Schwerpunkt liegt hier freilich auf die Selbsterschließung Gottes auf dem Sinai selbst. Der einzig weitere Beleg für evpiskia,zw bei Lukas ist Apg 5,15, wo der Schatten des Petrus als heilsam dargestellt wird. S. dazu u. in Abschnitt II.B.2.3. 165 Für Details zum Zitat s. RESE, Alttestamentliche Motive, 140–142. 166 Es sollte nicht übersehen werden, dass das Nunc dimittis (Lk 2,29–32) durchweg von jesajanischen Motiven geprägt ist. Vgl. zum Stichwort „Heil“ Jes 40,5 LXX; 46,13 und 52,10; zum Stichwort „Licht für die Heiden“ Jes 42,6; 49,6.
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a[gioj und di,kaioj sowie durch die komplementären Titulaturen „Knecht“ (V. 13.26), „Führer zum Leben“ (V. 15) und sodann „Christus“ (V. 18.20) und „Prophet“ (V. 22f) fort. Und sie setzt sich ebenso in Apg 4,27.30 fort, wo a[gioj dem Knechtstitel beigefügt ist. Der Titel steht also an keiner Stelle isoliert, sondern erhellt das Persongeheimnis Jesu im Verbund mit den weiteren christologischen Prädikaten. Und er erhellt es insofern, als er in besonderer Weise – und in kultischer Terminologie – die Zugehörigkeit Jesu zum Heiligkeitsbereich Gottes, und damit zu Gott selbst, ins Bild setzt. Die wesensmäßige Zusammengehörigkeit mit Gott ist somit der entscheidende Unterschied zu den alttestamentlichen Texten, gemäß denen bestimmte Menschen ebenfalls als heilig gelten. 167 Gerade für Lk 4,34 (o` a[gioj tou/ qeou/) wird häufig die Verheißung der Geburt Simsons in Ri 13,7 LXX ( o[ti a[gion qeou/ e;stai to. paida,rion; vgl. Ri 16,17 LXX) als möglicher Hintergrund angeführt und damit eine Stelle, die auch Parallelen zur Geburtsverheißung in Lk 1,35 aufweist. Für den letztgenannten Vers hat sich jedoch vornehmlich die Exodustradition als prägend erwiesen und es ist sowohl für Lk 1,35 als auch für Lk 4,34 zweifelhaft, dass Jesus lediglich als „Geweihter“ wie Simson gezeichnet werden soll. 168 Vielmehr geht es je um eine grundsätzliche Wesensaussage von Seiten des göttlichen Boten bzw. von Seiten der dämonischen Macht. 169 Dieser Unterschied liegt auch vor gegenüber der funktionalen Heiligung Jeremias bereits im Mutterleib (Jer 1,5: h`gi,aka, se), welche die Bestimmung zum prophetischen Amt unterstreicht und ihren Grund darin hat, dass der heilige Gott sein Wort in den Mund des Propheten legt (s. Jer 1,9). Entsprechendes wird in Sir 45 von Mose behauptet, den Gott mit Treue und Milde „heiligte“ (V. 4: auvto.n h`gi,asen), um ihn seine Stimme hören zu lassen und ihn zur Lehre zu befähigen (V. 5f). Als „der Heilige des Herrn“ (o` a[gioj kuri,ou) gilt gemäß Ps 106(105),16 schließlich noch Aaron, der aufgrund seines Hohepriesteramtes aus dem Volk herausgehoben und ganz dem Heiligkeitsbereich Gottes zugeordnet wird, eine Zuordnung, die auch Sir 45,6(7) verdeutlicht, wonach Aaron wie Mose von Gott als „Heiliger
167
Abgesehen werden kann hier von den Engeln und der Bezeichnung Israels als heilig (v.a. Ex 19,5f.10; Lev 19,2) sowie von der Heiligung von Männern für den Kriegsdienst (1Sam 21,5f; vgl. Jos 3,5; 7,13). 168 Simson war Geistträger (Ri 13,25) und durfte sein Haupthaar nicht scheren (Ri 13,5; vgl. zur Sache noch das Nasiräat gemäß Num 6). Freilich war er für die Überwindung der israelfeindlichen Mächte auserkoren, während Jesus in Lk 4 in ähnlicher Weise der dämonischen Macht gegenübersteht. 169 Vgl. in Lk 4,34 die mit der Proklamation Jesu als „Heiliger Gottes“ einhergehende Aussage „Ich kenne dich, wer du bist“. Auch im parallelen Vers Lk 4,41 werden eindeutig Wesensaussagen getroffen. PROKSCH, Art. a[gioj, 102, bestimmt von Lk 1,35 her für Lk 4,35 das Wesen Jesu als „Erstling und Anfänger des pneumatischen Zeitalters, das dem Reiche der Dämonen den Untergang bringt“.
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erhöht“ wurde (u[ywsen a[gion).170 Diese Beschreibung kommt der lukanischen Darstellung durch den kultischen Kontext am nächsten, die Wesensdifferenz bleibt jedoch erhalten. 171 So ist umgekehrt noch einmal das Theologumenon der Heiligkeit Gottes in den Blick zu nehmen. Dabei fällt einerseits auf, dass a[gioj als selbständiges titulares Gottesepitheton in der Septuaginta nicht besonders häufig vorkommt. 172 Andererseits zeigt sich, dass der Heiligkeitsbegriff außerhalb der Tora in gesteigertem Maße für das Jesajabuch von Bedeutung ist. Dies erhellt nicht nur aus der singulären dreifältigen Doxologie in Jes 6,3 (a[gioj a[gioj a[gioj ku,rioj sabawq plh,rhj pa/sa h` gh/ th/j do,xhj auvtou/ ),173 sondern auch aus der charakteristischen Bezeichnung Gottes als des „Heiligen Israels“ (o` a[gioj tou/ Israhl), welche im ersten Teil des Buches speziell in Gerichtsworten174 und im zweiten Teil vorrangig in Heilsansagen erscheint 175 und welche wohl auf Jesaja selbst zurückgeht. 176 Insbesondere Jes 49,7 markiert aber eine direkte Verbindung des heiligen Gottes mit seinem Knecht und da bei Lukas nicht nur eine breite Jesaja-Rezeption zu erkennen ist, 177 sondern auch Jes 49,6 in Apg 13,47 direkt zitiert wird, sollte eine Adaption dieses Sachverhalts in dem Sinne, dass die Heiligkeit Gottes auch seinem Knecht zukommt, nicht ausgeschlossen werden. 178 Darüber hinaus ist daran zu erinnern, dass für die 170 Vgl. zur Sache auch die Heiligkeitsbestimmungen für die Priester in Lev 21. Das hohepriesterliche Amt wurde bekanntlich bestimmend für die christologische Darstellung des Hebräerbriefes. 171 Dass in Dan 3,35 LXX (= Od 7,35) neben „Abraham, dem von dir Geliebten“, und „Isaak, deinem Knecht“, noch „Israel, dein Heiliger“ als Bürge für die fortwährende Barmherzigkeit Gottes genannt wird (diV Abraam to.n hvgaphme,non u`po. sou/ kai. dia. Isaak to.n dou/lo,n sou kai. Israhl to.n a[gio,n sou), erinnert an die geprägte Wendung aus Ex 3,6 (u.ö.) sowie an Jes 41,8, ist aber traditionsgeschichtlich nicht weiterführend. Die Einfügung des personalen Heiligkeitsattributs bleibt immerhin auffällig. 172 S. Lev 22,32; 2Makk 14,36; 3Makk 2,2.21; Sir 23,9; 43,10; 48,20; Hos 11,9; Hab 1,12; 3,3 (par. Od 4,3); Jes 40,25; 43,15; 57,15; Jer 3,21; Bar 4,22.37; 5,5; vgl. 1Reg 6,20; Ez 39,7; Tob 12,12 sowie u. Anm. 176 zu Belegen im Psalter. 173 So im biblischen Horizont nur noch in Offb 4,8, wo Jes 6,3 aufgenommen ist. 174 S. Jes 1,4; 5,19.24; 10,20; 12,6; 17,7; 30,11f.15; 31,1; 37,23. Vgl. Jes 5,16; 14,27 (o` qeo.j o` a[gioj); 29,23 (o` a[gioj Iakwb kai. o` qeo.j tou/ Israhl); 33,5 (a[gioj o` qeo.j). 175 S. Jes 41,16 MT.20; 43,3.14; 45,11; 47,4; 48,17; 49,7; 54,5 MT. Vgl. Jes 40,25; 43,15 (o` a[gioj). In Jes 56–66, wo der Schwerpunkt eher auf dem Zion als heiliger Stätte liegt, vgl. 57,15; 60,9.14; 63,10f. 176 Vgl. SITZMANN, Art. Heilig, Heiligkeit, 526. Zur Wendung o` a[gioj tou/ Israhl vgl. ferner 4Reg 19,22; Y 70,22; 77,41; 88,19; 98,3.5.9; LXX Jer 3,16; 27,29. 177 Vgl. die aufgelisteten Bezüge bei STRAUSS, Davidic Messiah, 235–239; KOET, Isaiah in Luke-Acts; SANDERS, Isaiah in Luke, 80; DUPONT, L’utilisation apologétique, 258–265; sowie die Übersicht über die expliziten Zitate im Ausblick, Anm. 1. 178 Mit STEYN, Septuagint Quotations, 133 Anm. 23. Gegen RESE, Alttestamentliche Motive, 132, demzufolge a;gioj nicht in der Gottesknechtvorstellung beheimatet sein kann, und BARRETT, Acts I, 196, der zwar zu Recht konstatiert, dass a;gioj nach Jesaja keine
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
Vorstellung der Lebenshingabe des Knechts als „Schuldopfer“ (Jes 53,10) die Bestimmung aus Lev 5,17–19 über das Opfer für unwissentlich begangene Schuld im Hintergrund steht, ein Zusammenhang, dessen Kenntnis für Lukas von Apg 3,17f und Lk 23,34 her vorauszusetzen ist. 179 Das Schuldopfer sühnt aber nach Lev 5 nicht nur durch Unwissenheit entstandene Schuld, sondern, so sagt es Lev 5,15f LXX ausdrücklich, es sühnt auch die Verletzung von „Heiligem“ (ta. a[gia kuri,ou), von dem also, was ganz dem Bereich Gottes zugehört. Die lukanischen Aussagen über Jesu Heiligkeit, die im kultischen Horizont und zugleich als Wesensaussagen zu verstehen sind, führen in ihrer Gesamtheit demzufolge eine Steigerung vor Augen, die Steigerung nämlich, dass in der Tötung Jesu als des Gottesknechts die letztmögliche Verletzung des heiligen Gottes selbst stattfindet, eine Verletzung, die jedoch zugleich durch die sühnende Wirkung dieses Todes aufgehoben ist. 180 Lässt sich das Doppelattribut o` a[gioj kai. di,kaioj in Apg 3,14 also nach beiden Seiten sinnvoll von der Gottesknechtstradition her begreifen, so bleiben dennoch drei weitere Aspekte zu erwähnen. Zum einen fällt in der Durchsicht der alttestamentlichen Bezugsstellen noch der Lobgesang der Hanna ins Auge (1Sam 2,1–10), der in 1Sam 2,2 LXX die terminologische Entsprechung zum Nebeneinander der beiden Prädikate bietet, wenn es dort heißt: Denn es gibt niemanden, der heilig ist wie der Herr, und keiner ist gerecht wie unser Gott, keiner ist heilig außer dir.
o[ti ouvk e;stin a[gioj w`j ku,rioj kai. ouvk e;stin di,kaioj w`j o` qeo.j h`mw/n ouvk e;stin a[gioj plh.n sou/)181
Freilich liegt hier kein absoluter Gebrauch vor. Da der Lobgesang aber insgesamt das alttestamentliche Gegenstück zum Magnificat darstellt (Lk 1,46–55) und darum als direkter Referenztext für Lukas anzusehen ist, lässt sich die Proklamation der Heiligkeit des Gottesnamens in Lk 1,49 darauf zurückführen und ist es auch vorstellbar, dass die hier genannten Eigenschaften Gottes in die Reflexion über das Wesen Jesu eingeflossen sind. Zum anderen ist bedirekte Bezeichnung für den Knecht, sondern nur für Gott ist, der aber zu schnell folgert, dass es sich dann wohl um einen christlichen Begriff handeln muss, der auf den moralischen Charakter Jesu zurückgeht und auf die Überzeugung, dass Jesus insofern von Gott ausgezeichnet war, als Knecht zu agieren. 179 S.o. S. 221. 180 Vgl. MITTMANN-RICHERT, Sühnetod, 99.205. Ähnlich PROKSCH, Art. a[gioj, 103, der den christologischen Titel für Apg 3f ebenfalls von Jes 53,10 her und im kultischen Horizont versteht: „Als der Gottesknecht ist Jesus das heilige Opfer, das, selbst unschuldig, für die Schuld des Gottesvolkes stellvertretend dargebracht ist … um den Zugang zum Heiligtum zu erschließen.“ 181 Der hebräische Text liest hier: „Keiner ist so heilig wie JHWH, denn außer dir ist keiner. Und kein Fels ist wie unser Gott.“ Vgl. ferner 1Sam 2,10 LXX (diff. MT) und die Wiedergabe der LXX-Verse in Od 3,2.10.
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merkenswert, dass es zwei weitere Stellen bei Lukas gibt, die – wenn auch terminologisch differierend – von der Heiligkeit Jesu sprechen. So wird innerhalb der Argumentation von Apg 2,25–31 die ursprünglich auf David bezogene Aussage aus Ps 16(15),10, dass „dein Heiliger (to.n o[sio,n sou) die Verwesung nicht sehe“ christologisch gedeutet und dadurch die Auferweckung Jesu schrifttheologisch verankert (Apg 2,31: „… hat er voraussehend von der Auferstehung des Christus geredet“). Und auch in Apg 13,34–37 dient diese alttestamentliche Stelle der Erläuterung der Auferweckung Jesu, 182 weshalb von einem festen, innerhalb des Neuen Testaments nur hier zutage tretenden Deuteschema auszugehen ist. Für die grundsätzliche Bestimmung der christologischen Heiligkeitsaussagen bei Lukas kommt Ps 16(15),10 jedoch keine entscheidende Rolle zu, da die anderweitigen Verbindungen deutlicher sind und eben nicht o` o[sioj, sondern o` a[gioj (bzw. to. a[gion) den Sprachgebrauch geprägt hat. Schließlich ist zu bedenken, dass a[gioj in Apg 3 noch ein zweites Mal verwendet wird, genauer: in Apg 3,21 zur Hervorhebung des Redens Gottes durch den Mund seiner heiligen Propheten (evla,lhsen o` qeo.j dia. sto,matoj tw/n a`gi,wn auvtou/ profhtw/n ),183 von denen Mose in V. 22 als erster genannt wird. Wenngleich speziell für Mose mit Sir 45,4 184 sowie mit der Aussage in SapSal 11,1, dass die Weisheit den Israeliten beim Exodus „vermittelt durch einen heiligen Propheten“ (evn ceiri. profh,tou a`gi,ou) alles gelingen ließ, ein traditionsgeschichtliches Deutungsmuster vorliegt, weist die absolute christologische Aussage in Apg 3,14 doch über das generalisierende Attribut von Apg 3,21 hinaus und verweist sie durch die Verbindung mit di,kaioj primär auf den jesajanischen Bezugsrahmen. Die Vermutung, dass für Apg 3,14 nicht nach zwei divergierenden christologischen Traditionen gesucht werden muss, hat sich also prinzipiell bestätigt. 2.5.2 Der Führer zum Leben (o` avrchgo.j th/j zwh/j ) Ist für den christologischen Doppeltitel o` a[gioj kai. di,kaioj die traditionsgeschichtliche Einordnung soweit vollzogen, zeigt sich für die Prädikation o` avrchgo.j th/j zwh/j (Apg 3,15) das Problem der traditionsgeschichtlichen Ableitung bereits in der Übersetzung. Die Vorschläge reichen von „Urheber des Lebens“ über „Fürst des Lebens“ und „Anführer des Lebens“ bis hin zu „Führer zum Leben“. 185 Die dadurch angezeigte Vielfalt im Verständnis der Wendung spiegelt sich in der Fülle der Forschungspositionen zum Begriff avrchgo,j wider, welcher im Neuen Testament nur in Apg 3,15; 5,31 und in Hebr 2,10; 182
Hier in Verbindung mit Jes 55,3. Die Wendung ist wortgetreuer Reflex von Lk 1,70. 184 S.o. S. 224. 185 Im angelsächsischen Bereich meist „Lord of life“, „Prince of life“ oder „author of life“. Vgl. PETERSON, Acts, 175f, sowie die Übersicht der Übersetzungen von 22 Kommentaren zu den neutestamentlichen Belegen bei MÜLLER, CRISTOS ARCHGOS, 108f. 183
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
12,2 und je als christologischer Titel erscheint. In Aufnahme der religionsgeschichtlichen Perspektive wurden der hellenistische Herrscherkult,186 die griechische Heroenverehrung 187 oder der Herakles-Mythos als entscheidender Deutungsrahmen veranschlagt; 188 auch die sogenannte Gnosis wurde herangezogen.189 Auf der anderen Seite versteht man die Wendung innerbiblisch im Sinn einer Mosetypologie,190 deutet sie in Verbindung mit der Herrschaftsvorstellung aus Ps 110191 oder kommt zu dem Ergebnis, dass der Titel aus der alttestamentlich-frühjüdischen Heilsführererwartung stammt und verschiedene Züge dieser Erwartung zum Ausdruck bringen kann.192 Rein etymologisch ist zunächst festzuhalten, dass avrchgo,j sowohl das Voranstehen einer hochrangigen Persönlichkeit als auch einen dynamischen Führungsvorgang zum Ausdruck bringt. 193 Wo der Terminus in der LXX verwendet wird, hat er ein breites Bedeutungsspektrum, meint aber in der Regel ein Oberhaupt. 194 In der Formulierung o` avrchgo.j th/j zwh/j liegt jedoch eine Verbindung mit einem Genitiv der Richtung vor, wie die Parallele in Apg 2,28 verdeutlicht, wo mit den „Wegen des Lebens“ (o`doi. zwh/j ) eben diejenigen Wege gemeint sind, die zum Leben führen. 195 Darum ist für Apg 186
S. BOUSSET, Kyrios Christos, 243. Zur Sache vgl. grundsätzlich auch LOHMEYER, Christuskult und Kaiserkult. 187 S. DELLING, Art. a;rcw, 485f. 188 S. GRUNDMANN, Das Problem des hellenistischen Christentums, 69f. 189 S. KÄSEMANN, Das wandernde Gottesvolk, 79–82. 190 Vgl. DESCAMPS, Les Justes et la Justice, 70–72; ZEHNLE, Peter’s Pentecost Discourse, 75–89. 191 So G. A. GALITIS in seiner nicht weiter zugänglichen Dissertation „Der Gebrauch des Ausdrucks avrchgo,j in dem Neuen Testament“ (H CRHSIS TOU OROU ARCHGOS EN TH KAINH DIAQHKH, Athen 1960): Er führt den Gebrauch nicht auf hellenistischen, sondern auf judaistischen Einfluss, und hier vor allem auf Ps 110 zurück. Vgl. die Rezension von NEUHÄUSLER. 192 S. MÜLLER, CRISTOS ARCHGOS, 145–148, wo zusammenfassend die Erwartung eines königlichen Messias, eines prophetenähnlichen Gottesknechts, des endzeitlichen Menschensohns und eines Propheten wie Mose als konkrete Ausprägungen der Heilsführererwartung genannt sind. Gemeinsam sei diesen Zukunftsgestalten, dass sie Repräsentanten der Führung Gottes sind. Zwischen alttestamentlichem und christologischem Führungsmotiv könne zudem von einer typologischen Affinität gesprochen werden. Die genannte Arbeit stellt insgesamt den wichtigsten Beitrag zur Diskussion dar. 193 Im Hintergrund stehen die Wurzel avrc- sowie h`ge,omai bzw. a;gw. Vgl. MÜLLER, CRISTOS ARCHGOS, 68–72. 194 Vgl. die Oberhäupter, Hauptleute und Fürsten in Ex 6,14; Num 10,4; 13,2f; 14,4; Ri 11,6; 1Chr 26,26; Jes 3,6f; 30,4. Ausführlich zu allen Belegen und der jeweiligen Bedeutung MÜLLER, CRISTOS ARCHGOS, 82–91. 195 S. BLASS – DEBRUNNER – REHKOPF, Grammatik, § 166; HOFFMANN – VON SIEBENTHAL, Grammatik, § 164; vgl. ferner Joh 5,29 (avna,stasij zwh/j ) mit 2Makk 7,14 (avna,stasij eivj zwh,n). Die Wendung avrchgo.j a`marti,aj („Anfang zur Sünde“ bzw. „Anführer zur Sünde“) in Mi 1,13 ist insofern als inhaltlicher Kontrast zu Apg 3,15 zu verstehen.
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3,15 die Übersetzung „Führer zum Leben“ zu bevorzugen, 196 zumal der Genitiv th/j zwh/j seinen Kommentar im Relativsatz o]n o` qeo.j h;geiren hat, welcher das Leben Jesu post resurrectionem hervorhebt.197 Gleichzeitig ist zu bedenken, dass der Lebensbegriff bei Lukas zwar eher selten Verwendung findet, dass aber in der Regel das Leben im Vollsinn, mit Ewigkeitscharakter, gemeint ist. 198 Diese Vorstellung ist nun wiederum mit der Gottesknechtsthematik verknüpft: Während in Apg 8,33 die Rede ist von der Hinwegnahme des Lebens des Gottesknechts von der Erde (= Jes 53,8ba), wird in Apg 13,46–48 das Zitat des Gottesknechtsverses Jes 49,6 gerahmt von der Aussage, dass die auf dem Hintergrund der jesajanischen Thematik zu verstehende Botschaft der Vergebung der Sünden und „Rechtfertigung“ durch den Glauben (Apg 13,38f) mit der Anteilgabe am ewigen Leben korreliert. 199 Mit anderen Worten: Mit dem Tod Jesu als des Knechts und seiner herrscherlichen Erhöhung (s. Apg 3,13) ist der Durchbruch zu einem Leben in unverbrüchlicher Gottesgemeinschaft erfolgt. 200 Insofern ist die Prädikation Jesu als „Führer zum Leben“ sachgemäß, wenngleich sie nur bedingt eine terminologische Vorlage in den Gottesknechtstexten hat, näherhin in dem Auftrag, die Gefangenen aus dem Gefängnis (Jes 42,7: evxa,gw) und Israel zu Gott zurückzuführen (Jes 49,5: suna,gw).201 Die Vorstellung, dass Jesus durch Tod und Auferstehung zum Leben führt, kommt sodann in Apg 26,23 zur Sprache, wenn Paulus dort als zentrale Botschaft der alttestamentlichen Schriften herausstellt, … dass der Christus leiden sollte, dass er als erster aus der Auferstehung der Toten (prw/toj evx avnasta,sewj nekrw/n ) Licht verkündigen sollte sowohl dem Volk als auch den Heiden.
„Als erster“ bedeutet nichts weniger, als dass er andere nach sich zieht. 202 Genau dies aber dürfte der Sinn der Wendung o` avrchgo.j th/j zwh/j in Apg
196
Vgl. HAENCHEN, Apg, 205 Anm. 4; SCHNEIDER, Apg I, 319; ähnlich WITHERINGActs, 181. S. auch MÜLLER , CRISTOS ARCHGOS, 256, sowie den Hinweis ebd., 250f, dass möglicherweise in Apg 3,17 für die Oberen der Juden (oi` a;rcontej) bewusst ein Terminus gewählt wurde, welcher sie in Opposition zum avrchgo,j stellt. 197 So auch MÜLLER, CRISTOS ARCHGOS, 256. 198 Vgl. Lk 10,25; 12,15; 16,25; 18,18.30 Apg 5,20; 17,25. 199 Zu Apg 13,38f s. auch o. S. 175. Vgl. noch in Apg 11,18 die Formulierung meta,noia eivj zwh,n, welche ebenfalls auf die Vergebung der Sünden bezogen ist; ähnlich Apg 10,43. 200 In diese Richtung weist bereits LAMPE, The Lucan Portrait of Christ, 167. 201 Vgl. ferner Jes 49,10, wo der Auftrag des Knechts parallelisiert wird mit der Führung durch Gott selbst (a;gw). 202 Zur Bezeichnung Jesu als dem „Ersten aus der Auferstehung“ vgl. 1Kor 15,20.23; Kol 1,18; Offb 1,5. TON,
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
3,15 sein, da sie explizit zur Beschreibung des Sterbens und der Auferweckung Jesu, und damit in soteriologischer Funktion, gebraucht wird. 203 Weiter ist zu beachten, dass in Apg 3,22f.26 eine ausdrückliche Mosetypologie vorliegt. Jesus gilt als Prophet wie Mose, dem Gehör zu schenken und Folge zu leisten ist (Dtn 18,15). Dieser Gedanke wird in Apg 7,37 erneut aufgenommen und in Apg 7,35f mit der Auffassung verbunden, dass Mose von Gott „als Oberster und Retter“ (a;rconta kai. lutrwth,n) gesandt wurde und Israel aus Ägypten herausführte (evxh,gagen).204 Hier sind somit die beiden etymologischen Aspekte des Begriffs avrchgo,j expliziert.205 Bedenkt man ferner, dass in den Gottesknechtstexten die Mosetradition mit eingeflossen ist,206 fügt sich die Bezeichnung avrchgo.j th/j zwh/j durchaus sinnvoll in das Nebeneinander von Knechts- und Prophetentitel in Apg 3 ein.207 Für die Beurteilung der anderen Stelle, an welcher das christologische Prädikat avrchgo,j bei Lukas erscheint, ist die Erkenntnis wegweisend, dass in Apg 5,30–32 dasselbe Argumentationsmuster zutage tritt wie in Apg 3, weshalb grundsätzlich ein ähnlicher Bedeutungszusammenhang zu erwarten ist. In ihrer Verteidigung gegenüber dem Synhedrium erläutern die Apostel: 30
Der Gott unserer Väter hat Jesus auferweckt, den ihr ermordet habt, indem ihr ihn ans Holz hängtet. 31 Diesen hat Gott durch seine Rechte zum Führer und Heiland erhöht (avrchgo.n kai. swth/ra u[ywsen),
vgl. Apg 3,13a vgl. Apg 3,15b vgl. Apg 3,15a vgl. Apg 3,15a; 3,13a208
203 Insofern ist der Ansicht von SCHNEIDER, Apg I, 319, zuzustimmen, dass die Titel in Apg 3,13–15 nicht gleichwertig oder in einem abgeblassten Sinn zu verstehen sind, sondern jeder eine bestimmte christologische Komponente zur Anschauung bringt. 204 Vgl. dazu Apg 13,17, wo die Führung wie in Num 14,13 Gott selbst zugeschrieben wird, sowie die Überlegung der Israeliten gemäß Num 14,4, statt Mose einen anderen Anführer (avrchgo,j) zu wählen. 205 S.o. Anm. 193. Vgl. auch die Überlegung von MICHEL, Der Brief an die Hebräer, 144, dass avrchgo,j und a;rcwn auf den selben hebräischen Wortstamm ( rf;) zurückgehen könnten. 206 S.o. in Abschnitt II.A.2.4.1. 207 Vgl. noch die Feststellung von BARRETT, Acts I, 198, dass Mose als einer, der in das neue Leben im verheißenen Land führte, mit Recht als avrchgo.j th/j zwh/j angesehen werden konnte. MÜLLER, CRISTOS ARCHGOS, 255–258, versteht die Wendung in Apg 3,15 im Zusammenhang der alttestamentlich-jüdischen Heilsführererwartung im Sinne der endzeitlichen Führung ins Verheißungsland, lehnt jedoch eine einfache Mosetypologie ab, da der christologische Titel etwas Typisches und Einmaliges hat und von der Auferstehung bestimmt wird. Diese Begründung ist zwar zutreffend und es sind auch die Zusammenhänge mit der Figur des Mose in Apg 3 und 7 nicht allein maßgeblich für die Deutung von Apg 3,15, sie sind aber in das Gesamtbild zu integrieren und im Licht der Gottesknechtsthematik zu begreifen. 208 Zur Erhöhung durch die Rechte bzw. zur Rechten Gottes s.o. in Abschnitt II.A.2.2.
2. Der verherrlichte und erweckte Knecht: Apg 3,13.26 um Israel Buße und Vergebung der Sünden zu geben. Und wir sind Zeugen von diesen Dingen …
32
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vgl. Apg 3,19.26 vgl. Apg 3,15c
Im Gegensatz zu Apg 3,15 ist avrchgo,j nun nicht durch eine Genitivverbindung näher bestimmt, sondern es wird der Terminus durch explikatives kai, mit einem weiteren Titel zusammengebunden, der zwar nicht in Apg 3, wohl aber in Lk 2,11 und Apg 13,23 vorkommt. Dabei unterstreicht swth,r jeweils die Herkunft Jesu aus dem Hause Davids und vermittelt zugleich die Perspektive der Erlösung Israels. 209 Diesem königlich-messianischen Gedanken entspricht in Apg 5,31 die Vorstellung von der Erhöhung Jesu, die terminologisch ebenso wie die Verherrlichung des Knechts gemäß Apg 3,13 in Verbindung mit Jes 52,13 zu bringen ist. 210 Dieser Sachverhalt sowie die Ergänzung durch swth,r sprechen dafür, dass avrchgo,j an dieser Stelle nicht nur eine herrschaftliche Vorrangstellung vermittelt, sondern – wie in Apg 3,15 – primär die soteriologische Funktion Jesu offenbart. Dies erhellt auch aus dem Gesamtduktus in Apg 5,30–32: Als derjenige, dessen Leben in den Tod gegeben wurde, ist Jesus erhöht, um Israel in ein neues, von der Sünde befreites Leben zu führen. Dass die engste Parallele zu der Doppeltitulierung avrchgo.j kai. swth,r die Kennzeichnung Moses als a;rcwn kai. lutrwth,j211 in Apg 7,35 ist, bestätigt schließlich den grundsätzlichen Einfluss der Mosetradition auf die lukanische Darstellung, obschon keine einfache Typologie vorliegt. 212 Was die beiden übrigen neutestamentlichen Belege für den Titel avrchgo,j im Hebräerbrief betrifft, so zeigt besonders Hebr 2,10 eine große Nähe zur Vorstellung in Apg 3 und 5: Denn es ziemte sich für den, um dessentwillen alle Dinge sind und durch den alle sind, indem er viele Söhne zur Herrlichkeit führte, den Anführer in ihr Heil ( to.n avrchgo.n th/j swthri,aj auv tw/n) durch Leiden zu vollenden.
Vgl. die durch u`mi/n (Lk 2,11) und tw/| VIsrah,l (Apg 13,23) beschriebene Zielrichtung des Kommens Jesu. Für Gott steht swth,r in Lk 1,47. Vgl. zudem das verwandte und speziell lukanische swth,rion in Lk 2,30; 3,6 (= Jes 40,5 LXX); Apg 28,28. 210 S. dazu nochmals o. in Abschnitt II.A.2.2. 211 Lutrwth,j ist neutestamentliches hapax legomenon und wird in der LXX nur in Y 18,15; 77,35 und jeweils als Gottesbezeichnung verwendet. 212 Dahingehend ist der Einschätzung von MÜLLER, CRISTOS ARCHGOS, 276, Recht zu geben, dass alle alttestamentlichen Führererwartungen mit Jesus aufgrund der Auferstehung, Erhöhung und Vollmacht zur Sündenvergebung übertroffen werden. Die Rezeption der Mosetradition für die Umschreibung des Persongeheimnisses Christi ist freilich vorauszusetzen. Die Differenzierung von MÜLLER zwischen der Funktion des Auferstandenen als Führer ins Leben (Apg 3,15) und der Erhöhung als Führer zur Metanoia und Sündenvergebung (Apg 5,31) hebt zwar die Nuancen der Texte hervor, konstruiert aber einen unnötigen Gegensatz: Es ist gerade die Beseitigung der Sünde, die das neue Leben in ungebrochener Gottesgemeinschaft ermöglicht. 209
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
Der Titel wird hier ebenfalls mit der Passion Jesu assoziiert; wie in Apg 3,15 liegt zudem eine Genitivverbindung vor und ähnlich wie in Apg 5,31 ( swth,r) wird der Terminus swthri,a beigeordnet. Trotz der Tatsache, dass Jesus gemäß Hebr 5,9 auch als „Urheber des ewigen Heils“ (ai;tioj swthri,aj aivwni,ou) bezeichnet werden kann, ist in Hebr 2,10 wiederum die Übersetzung mit „Führer“ bzw. „Anführer“ zu bevorzugen, da avrchgo,j mit der voranstehenden Aussage korrespondiert, dass Gott viele Söhne zur Herrlichkeit führte (eivj do,xan avgago,nta).213 Überdies ist es sinnvoll, in Hebr 2,10 den Genitiv th/j swthri,aj als Genitivus directionis aufzufassen und im Heil das Ziel der Führung zu begreifen. 214 Die Vorstellung ist also die, dass Gottes „Heimführung“ des Menschen zu sich selbst dem Anführer Jesus übertragen wird, was auch aus der Bezeichnung Jesu als „Vorläufer“ (pro,dromoj) in das Allerheiligste (Hebr 6,20) sowie aus der Schlüsselbedeutung der Wegmetaphorik im Hebräerbrief erhellt.215 Dabei ist das Führertum Jesu Konsequenz des Kreuzes und der Auferweckung, wie Hebr 13,20 abschließend festschreibt, wonach Jesus als der von Gott aus den Toten durch das Blut des ewigen Bundes heraufgeführte große Hirte gilt (o` de. qeo.j … o` avnagagw.n evk nekrw/n to.n poime,na tw/n proba,twn to.n me,gan evn ai[mati diaqh,khj aivwni,ou( to.n ku,rion h`mw/n VIhsou/n). Ist in Hebr 2,10 folglich eine große Nähe zu der Führervorstellung der Apostelgeschichte gegeben, so wird diese dadurch noch unterstrichen, dass auch hier im Kontext, genauer: in der typologischen Gegenüberstellung von Mose und Christus in Hebr 3,2–6 sowie in der Feststellung des Auszuges aus Ägypten unter Mose in Hebr 3,16, der Einfluss der Mosetradition direkt greifbar ist. In Hebr 12,2 schließlich liegen erneut ein Bezug auf Passion und Erhöhung sowie eine Genitivverbindung vor. Die Gläubigen werden aufgefordert, in dem Kampf, der ihnen bestimmt ist (s. V. 1), hinzusehen „auf Jesus, den Anführer und Vollender des Glaubens“ (eivj to.n th/j pi,stewj avrchgo.n kai. teleiwth.n VIhsou/n), der das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. Dass avrchgo,j hier als „Anführer“, nicht als „Urheber“, zu verstehen ist, ergibt sich aus der in V. 1 vorausgehenden Selbstaufforderung „lasst uns laufen“ (tre,cwmen), die das Bild des Weges evoziert. 216 Trotz 213 Zur Begründung des Bezuges von avgago,nta nicht auf Jesus, sondern auf Gott, s. MÜLLER, CRISTOS ARCHGOS, 284f. 214 So richtig gesehen von MÜLLER, CRISTOS ARCHGOS, 291. 215 Mit BACKHAUS, Hebräerbrief, 121–123. Die Annahme, dass die mit dem Begriff avrchgo,j einhergehenden Assoziationen der Adressaten eher im Herakles-Mythos und nicht in der Mose-Exodus-Tradition oder im gnostischen Seelenführer gelegen hätten, bleibt freilich rein spekulativ und es ist gerade auf Seiten des erwiesenermaßen schriftgelehrten Verfassers des Briefes primär mit dem Einfluss der alttestamentliche Tradition zu rechnen. 216 Mit MÜLLER, CRISTOS ARCHGOS, 310, der daraus folgert: „Jesus führt die Glaubenden an ihr Ziel, weil er den Glauben in seiner Auferstehung ans Ziel gebracht hat.“ Vgl. auch GRÄSSER, An die Hebräer, Bd. 3, 235–238.
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des paränetischen Kontextes (vgl. V. 3) geht es dabei nicht nur um eine Vorbildfunktion, sondern auch um christologische und soteriologische Züge: Der Anführer und Vollender des Glaubens 217 ist gegenüber der Wolke der Glaubenszeugen (s. Hebr 11,4–12,1) deutlich abgehoben und ist ja bereits als der Anführer in das Heil präsentiert worden (Hebr 2,10), der mit seiner Menschwerdung und Erhöhung den Weg in die Vollendung der Gottesgemeinschaft erst ermöglichte. 218 Für alle neutestamentlichen Stellen, an welchen Jesus als avrchgo,j gezeichnet wird, ist also die Bindung an den Namen Jesus und die Verklammerung mit Passions- und Erhöhungsaussagen charakteristisch. 219 Jesus ist der avrchgo,j, weil er den Menschen in ein heilvolles Leben jenseits von Schuld und Tod führt. Gerade im Blick auf Apg 3,15 erschließt sich dieser Gedanke aber am besten in Zusammensicht der Mose- und der Gottesknechtstradition, welche beide den Gesamtduktus der Petrusrede prägen. 220 Die Besonderheit des 217 Zu grammatischen Fragen zu dieser Doppelwendung vgl. MÜLLER, CRISTOS ARCHGOS, 308. 218 Vgl. BACKHAUS, Hebräerbrief, 414. 219 So auch GRÄSSER, An die Hebräer, Bd. 3, 239, und MÜLLER, CRISTOS ARCHGOS, 312, der noch darauf hinweist, dass in der Apostelgeschichte Israel als Objekt des Geführtwerdens im Blick ist und im Hebräerbrief die Paränese für die Gemeinde vorherrscht. 220 Bisweilen wird auch die These vertreten, dass avrchgo,j als Äquivalent zum hebräischen ayfin" und daher als „Prinz“ zu verstehen sei. Ausgehend von den messianischen Stellen Ez 34,24; 37,25; 44,3 wird dann eine frühchristliche Sicht auf Jesus als Erfüllung dieser davidisch-messianischen Erwartung konstruiert und für den Verfasser des Hebräerbriefes angenommen, dass Jesus für ihn deshalb als avrchgo,j gelte, weil er als der wahre Messias die Rollen Davids, Moses und Aarons in sich vereine. S. J OHNSTON, Christ as Archegos. Für den letzten Aspekt ließe sich auch die Bezeichnung des Hohepriesters als h`gemo,na th/j ivdi,aj swthri,aj anführen (Josephus, Bell. IV, 318). So wenig diese These von den neutestamentlichen Texten her im Einzelnen begründet wird, so sehr ist dem Anliegen beizupflichten, den christologischen Titel aus der alttestamentlich-frühjüdischen Tradition heraus zu erklären. Vgl. MICHEL, Der Brief an die Hebräer, 142–146, gegen GRÄSSER, An die Hebräer, Bd. 1, 130–133; DERS., An die Hebräer, Bd. 3, 289–241, der an einer gnostischen Provenienz festhält. Insofern ist dem Ansatz von MÜLLER, CRISTOS ARCHGOS, in dem Titel die Fortführung des Themas der heilsgeschichtlichen Führung durch Gott zu erkennen und den erhöhten Jesus als eschatologischen Anführer des neuen Gottesvolkes auf dem „Exodus“ in die Herrlichkeit des Auferstehungslebens zu begreifen, grundsätzlich zuzustimmen. Gleichwohl sind für Apg 3 und 5 die innertextlichen Verbindungen spezi ell mit der Mose- und der Knechtstradition stärker zu betonen und sind sie für die Deutung des Begriffs fruchtbar zu machen. Dies gilt auch gegenüber HAGENE, Zeiten der Wiederherstellung, 239–259, die aufgrund ihres vorrangigen Vergleichs mit ähnlichen Wendungen im außerbiblischen hellenistischen Bereich den „Anführer zum Leben“ als „Archetyp des Wissenden“ stilisiert: Hier wie dort gehe es um die Begründung einer Erkenntnistradition. So sterbe Jesus als exemplarischer Gerechter am Kreuz, aber nicht sein Tod, sondern einzig die Auferweckung und die Bereitung des Wissens um den Zusammenhang zwischen Gottes rehabilitierendem Handeln an Jesus und seinem rettenden Handeln in der Geschichte Israels seien heilsrelevant. Theologisches Resultat dieser „Sapientialisierung der Chris-
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
Terminus aber bleibt bestehen. Ihr entspricht, dass avrchgo,j in der frühen Kirche lediglich an einer einzigen Stelle im christologischen Sinn tradiert wird und dies in dem hier herausgearbeiteten Sinn: So ist in der Schlussdoxologie des zweiten Clemensbriefes in Adaption von Apg 3,15 und 5,31 die Rede davon, dass Gott „uns gesandt hat den Retter und Führer zur Unvergänglichkeit (to.n swth/ra kai. avrchgo.n th/j avfqarsi,aj), durch den er uns auch kundgetan hat die Wahrheit und das himmlische Leben (th.n evpoura,nion zwh,n)“ (2Clem 20,5).221 In das christologische Gesamtbild der Petrusrede in Apg 3 bleibt noch die Bezeichnung Jesu als cristo,j zu integrieren, die auch in Apg 4 – und dort in hervorgehobener Weise – neben dem Knechtstitel zu stehen kommt. 222 2.5.3 Der Gesalbte Gottes (o` cristo,j) Der messianische Terminus 223 erscheint in Apg 3 zunächst innerhalb der Argumentation von V. 17f: Gott hat durch alle menschliche Schuld am Tod Jesu hindurch die vermittels der Propheten ergangene Vorhersage des Lei-
tologie“ ist, dass die nachösterliche Ära von dem Wissen lebe, welches der Hermeneut und Archeget Jesus aus einer Synthese von Schriftwissen und endzeitlichem Offenbarungswissen als Erbe und Auftrag hinterlassen habe (op. cit., 259). In diesem Entwurf eines – angeblich lukanischen – soteriologischen Modells des „rettenden Wissens“ (op. cit., 326) wird die Heilsgewissheit durchweg von kultischen Paradigmen gelöst und bleibt das Kreuz „ausschließlich destruktive Erfahrung“, welcher das Bekenntnis zum rehabilitierten Auferstandenen gegenübersteht (op. cit., 325). Grundlegend übersehen wird hier, dass die Rezeption des Gottesknechtmotivs durch Lukas sich nicht in dem Aspekt des „leidenden Gerechten und Märtyrers“ (ebd.) erschöpft, sondern im umfassenden Sinn geschieht: Die Tradition wird zum christologischen und soteriologischen Leitmotiv seiner Darstellung. Zur Kritik an HAGENE vgl. auch MITTMANN-RICHERT, Sühnetod, 28–30. 221 In 1Clem 14,1; 51,1 sind dagegen menschliche Anführer gemeint. Zur weiteren Verwendung ab dem 2. Jh. n.Chr. s. MÜLLER, CRISTOS ARCHGOS, 96–102. Demnach findet sich das erste Zitat des neutestamentlichen Christusprädikats gemäß Apg 3,15 bei Hippolyt von Rom. Zur Vorstellung des durch Christus ermöglichten Lebens vgl. noch Did 9,3 (neben pai/j); Barn 1,4.6; 12,5; IgnMagn 9,1f; IgnTrall 9,2. 222 Wenngleich also auch die Besprechung von Apg 4 ein geeigneter Darstellungsrahmen wäre, wird der Titel bereits hier untersucht, um das Gesamtbild der Petrusrede abzurunden. 223 In der LXX kann cristo,j Attribut für den Priester (Lev 4,5.16; 6,15; 21,10.12; vgl. 2Makk 1,10) und Israel sein (1Chr 16,22; vgl. Hab 3,13), wird aber hauptsächlich für den vorfindlichen oder erwarteten königlichen Gesalbten verwendet (s. v.a. 1Reg 2,10; 12,3.5; 16,6; 24,27.11; 26,9.11.16.23; 2Reg 1,14.16; 2,5; 19,22; 22,51; 23,1; 2Chr 6,42; Y 2,2; 17,51; 19,7; 131,17; PsSal 17,32; 18,1.5.7). Die Salbung des Propheten nach 3Reg 19,16 (cri,w) ist dagegen die Ausnahme. Vgl. FOAKES JACKSON – LAKE, Primitive Christianity, 346–362, sowie die umfangreiche Studie von KARRER, Der Gesalbte. Zur Entwicklung der messianischen Erwartung s. nochmals o. in Abschnitt II.A.2.4.2.
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dens seines Gesalbten erfüllt (V. 18: paqei/n to.n cristo.n auvtou/ ).224 Entsprechend weist Paulus in Apg 17,2f aus der Schrift nach, „dass der Christus leiden musste (o[ti to.n cristo.n e;dei paqei/n ) … und dass dieser Jesus … der Christus ist“. Und auch laut Apg 26,22f wurde von Mose und den Propheten dies vorausgesagt: dass der Christus leiden sollte (paqhto.j o` cristo,j ). Wie bereits gezeigt, steht diese Bestimmung des Christustitels durch die Passion in Zusammensicht mit der Verherrlichung nach Apg 3,13 in traditionsgeschichtlicher Beziehung zum vierten Gottesknechtslied und schließt direkt an Lk 24,25–27.44–46 an.225 Auch die Kreuzigungsszene weist durch die Verbindung von Christus- und Königstitel mit dem aus Jes 42,1 eingeflossenen Prädikat o` evklekto,j auf diesen Zusammenhang (s. Lk 23,35–39).226 Mit anderen Worten: Der Christustitel ist für Lukas entscheidend durch die Gottesknechtsvorstellung bestimmt. Dies zeigen auch die beiden ersten Belege im lukanischen Werk: Laut der Engelbotschaft ist mit Jesus „der Heiland geboren, der ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids“ (Lk 2,11), und dieser „Gesalbte des Herrn“ (Lk 2,26) wird sodann im Simeonlied unter Rückgriff auf jesajanische Terminologie bejubelt (Lk 2,29–32).227 Ferner wird an herausgehobener Stelle, beim ersten öffentlichen Auftreten Jesu in Lk 4, expliziert, dass und inwiefern Jesus der Gesalbte ist (s. V. 18: e;crise,n me), nämlich als der Gottesknecht nach Jes 61,1f228 und damit das königliche und prophetische Amt in sich vereinend. Diese Salbung bringt einerseits die Geistbegabung mit sich und hat andererseits den messianischen Auftrag der Befreiung der Gefangenen zur Folge. Dass diese Offenbarung des Wesens Jesu den Widerspruch in Form eines ersten Tötungsversuches nach sich zieht, ist nicht nur Erfüllung der Verheißung Simeons gemäß Lk 2,34, sondern ist auch Präfiguration des Kreuzesgeschehens. 229 Während die übrigen Belege im Evangelium die königliche Grundbedeutung des Begriffs oder die allgemeine mes-
224 Es ist bedeutsam für die Gesamtinterpretation von Apg 3 und 4, dass die Wendung „der Gesalbte Gottes“ (o` cristo,j auvtou/) außer in Apg 3,18 noch in Apg 4,26 im Zitat von Ps 2,2 verwendet wird. Vgl. ferner Lk 2,26 (o` cristo.j kuri,ou) und Lk 9,20; 23,35 (o` cristo.j tou/ qeou/ ). 225 S.o. in Kapitel II.A.2.2. Zum Leidensgedanken s. auch noch Lk 9,22; 17,25; 22,15; Apg 1,3. 226 S.o. in Kapitel II.A.2.4.2. 227 S.o. Anm. 166. 228 Zur Verbindung von Jes 61 mit Jes 42 s.o. in Abschnitt II.A.2.4.1. Vgl. auch ECKEY, Lukas 1, 223f, mit weiteren traditionsgeschichtlichen Bezügen zur Vorstellung des „Gesalbten“. Dass der Titel „Gesalbter“ in der Nazarethperikope nicht fällt, dürfte daran liegen, dass der rechte Gebrauch das Wissen um das Leiden voraussetzt, wie es Lk 24 demonstriert. S. MITTMANN-RICHERT, Sühnetod, 286. 229 Vgl. auch die verbindenden Elemente „heute“ (Lk 4,21; 23,43), die Integration der Heiden in das Heilsgeschehen (Lk 4,24–27; 23,47) sowie das Hinausführen aus der Stadt zum Berghang (Lk 4,29; 23,26.32).
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sianische Erwartung vor Augen führen,230 zeigt insbesondere der Sachverhalt, dass dem Christusbekenntnis des Petrus (Lk 9,20) ein Schweigegebot und die erste Leidensankündigung folgen (Lk 9,21f), dass Lukas Jesu Messianität vom Kreuz her definiert. 231 Der Gottessohn ist der Gesalbte 232 nur als derjenige, der in die Passion schreitet, der auf diese Weise in seine Herrlichkeit eingeht und der dem Menschen dadurch die Vergebung der Sünden ermöglicht (Lk 24,26.46f).233 Vor diesem Hintergrund ist nun der zweite Beleg des Christustitels in Apg 3 in den Blick zu nehmen, welcher nach dem doppelten Umkehrruf mit dem Ziel der Sündenvergebung (V. 19) 234 innerhalb einer eschatologischer Perspektive zu greifen ist: Die Umkehr hat neben der Vergebung sowohl Zeiten der Erquickung zur Folge als auch die Sendung Jesu, des „euch vorherbestimmten Christus“ (to.n prokeceirisme,non u`mi/n cristo,n ), der im Himmel aufgenommen sein muss bis zur Wiederherstellung all dessen, wovon Gott geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten von jeher (V. 20f). 235 Wie in V. 18 wird der Begriff in V. 20 ebenfalls als messianisches Prädikat, nicht als Eigenname Jesu verwendet. 236 Da in Apg 3,20f die endgültige Heils230
S. Lk 3,15; 18,38f; 22,67; 23,2 und besonders Lk 20,41–44, wo Jesus die Davidsohnschaft des Christus im Gegenüber zu dessen Herrschaft nach Ps 110,1 thematisiert. Vgl. auch Lk 24,19.21. 231 Darum ist das petrinische Christusbekenntnis in Lk 9,20 Ausdruck einer mangelnden Erkenntnis der Leidensnotwendigkeit und wird der Titel hier noch nicht im eigentlichen Sinn gebraucht. Vgl. MITTMANN-RICHERT, Sühnetod, 286. Laut MOULE, Christology, 168, geht die Wendung paqei/n to.n cristo,n möglicherweise auf Lukas selbst zurück. 232 Zum Nebeneinander dieser beiden Titel s. Lk 4,41; 22,67–69. 233 Es bleibt darum markant, dass der Christustitel erst in Lk 24, d.h. nach Tod und Auferstehung, im Munde Jesu erscheint, wodurch der volle Bedeutungsgehalt angezeigt ist. In diesem Sachverhalt das Rudiment einer „zweistufigen Messianologie“ zu erkennen, wie HAGENE, Zeiten der Wiederherstellung, 188.213, es tut, geht indes an der Gesamtdarstellung vorbei. Auch vor Ostern stehen die verschiedenen Christustitel nicht getrennt nebeneinander und liegt keine konstante Trennung verschiedener „messianischer Prototypen“ vor (op. cit., 199). S.o. unter II.A.2.4.2. 234 Dieser doppelte Umkehrruf zielt auf den Sinneswandel (metanoe,w) und die Lebenspraxis (evpistre,fw). Vgl. ECKEY, Apg I, 109. Zum Vorkommen und der Bedeutung der beiden typisch lukanischen Verben s. auch SCHNEIDER, Apg I, 323 Anm. 81. Zur Sündentilgung (evxalei,fw) vgl. die durch Gott selbst vollzogene Auslöschung der Sünden gemäß Jes 43,25: „Ich bin, ich bin es, der deine Gesetzlosigkeiten tilgt (o` evxalei,fwn ta.j avnomi,aj sou) und werde ihrer nicht mehr gedenken.“ Dies ist im Kontext der jesajanischen Schrift im Verbund mit dem stellvertretenden Sühnetod des Gottesknechts nach Jes 53 zu verstehen. Entsprechend ist das zu Apg 3,18 Gesagte für Apg 3,19 mitzuhören. Ähnlich P ETERSON, Acts, 180. 235 Apg 3,19–21 bilden grammatikalisch einen geschlossenen Satz. Vgl. SCHNEIDER, Apg I, 323f. 236 So auch in Apg 2,31.36; 4,26; 5,42; 9,22; 17,3; 18,5.28; 26,23. Als Eigenname erscheint cristo,j dagegen in den Wendungen in Apg 2,38; 3,6; 4,10; 8,5.12; 9,34; 10,36.48;
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zeit im Blick ist, stellt sich nun aber die Frage nach der Verbindung von irdischem und himmlischem Christus, zumal in V. 22.26 wiederum ein Rückblick auf die irdische Sendung folgt. Die vermeintliche Diskrepanz in der Anschauung wurde verschiedentlich aufzulösen versucht. So nahm man auf der Grundlage von Mal 3,23f und Sir 48,10 für Apg 3,20f an, dass Lukas hier einen Satz über den wiederkommenden und bis zur Wiederkunft in den Himmel aufgenommenen Elia auf Jesus übertragen habe. 237 Andere plädierten schlichtweg für zwei divergierende Quellen, die von der eschatologischen Sendung des Messias (V. 19–21.24f) bzw. von der bereits erfolgten Sendung Jesu als Knecht und Prophet handelten (V. 18.22f.26). 238 Zum Teil wurde auch Apg 3,18 als lukanische Zufügung ausgeschieden und aus V. 19–21 erhoben, dass Jesus hier lediglich als zukünftiger Christus des endzeitlichen messianischen Zeitalters gezeichnet werde; er habe darum als Vorläufer des Christus zu gelten, der er selbst sein werde. Gegenüber der programmatischen Pfingstrede, die mit der Identifikation des irdischen Jesus als des Christus (s. Apg 2,31) eine spätere Entwicklung darstelle, sei die genannte Vorstellung daher ein „fossil of a by-gone age“.239 Gegenüber allen diachron ausgerichteten Auflösungsversuchen sollte man die Verse jedoch im Gesamtkontext von Apg 3 240 und damit vor dem Hintergrund der Aussagen über den zum irdischen Dienst erweckten (V. 26), leidenden (V. 14f) und nunmehr verherrlichten Knecht verstehen (V. 13). Dies ist umso mehr geboten, als laut Evangelium Jesus gerade als der in den Tod und dadurch in seine Herrlichkeit eingehende Knecht der Christus ist (Lk 24,26). Allein von dieser Erkenntnis her erweist sich die zweifache Verwendung auch des Christustitels in Apg 3 als äußerst stringent. 241 Zudem ist schon in der Pfingstrede eine entsprechende Argumentationslinie zu erkennen: Der getötete (Apg 2,23.36) ist der auferweckte (V. 24–32) und zur Rechten Gottes erhöhte Christus (V. 33–36).242 Und angesichts der bereits in der 11,17; 15,26; 16,18; 24,24; 28,31. MOULE, Christology, 175, und JONES, The Title Christos in Luke-Acts, 69f, schlagen vor, den unterschiedlichen Gebrauch weniger an den redenden Personen (Petrus bzw. Paulus), sondern an den Redeanlässen festzumachen, wobei die Verwendung als messianisches Prädikat einem apologetischen Kontext zuzuordnen sei. Bereits das Nebeneinander in Apg 2,31.36.38 zeigt jedoch die Grenzen einer solchen Systematisierung auf. 237 S. BAUERNFEIND, Apg, 65–69. 238 Vgl. FOAKES JACKSON – LAKE, Primitive Christianity, 407f. 239 S. ROBINSON, Most Primitive Christology, besonders 181–183, das Zitat ebd., 188. 240 Vgl. auch den Hinweis bei JONES, The Title Christos in Luke-Acts, 73, dass die Reden als Ganzes zu verstehen und zu interpretieren sind. 241 Man sollte darum besser nicht mit CONZELMANN, Apg, 40f, von einer gewissen „Unbeholfenheit“ in der Darstellung sprechen. 242 Die in Apg 2,36; 3,13.20f greifbare Verherrlichungslinie sieht auch HAHN, Das Problem alter christologischer Überlieferungen, 139, dessen Interesse freilich ganz der Unterscheidung und Verbindung von Tradition und Redaktion in Apg 3,19–21 gilt.
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Kindheitserzählung eingebetteten Präsentation Jesu als des Gesalbten Gottes ist Lukas nicht zuzutrauen, dass er eine Tradition über Jesus als den erst zukünftigen Christus unreflektiert übernommen hätte. 243 Vielmehr spricht die Philologie von V. 20b sowie die in V. 21 betonte Aufnahme Jesu als des Gesalbten in den Himmel entschieden gegen die Annahme, er sei erst dort dazu eingesetzt worden oder würde dazu erst noch eingesetzt, 244 und entspringt aus der Frage nach der Bedeutung von Tod und Auferstehung Jesu ja notwendig die Frage nach der Gegenwart und Zukunft des Erhöhten. In dieser Hinsicht geht Apg 3 durch den eschatologischen Ausblick nun über Apg 2 hinaus. Es lässt sich freilich darüber streiten, ob die „Zeiten der Erquickung“ (V. 20: kairoi. avnayu,xewj) in Parallelität zur Sendung des Christus und zu den „Zeiten der Wiederherstellung von allem“ (V. 21: cro,nwn avpokatasta,sewj pa,ntwn)245 und darum im eschatologischen Vollsinn zu verstehen sind, oder ob damit Atempausen in der eschatologischen Drangsal bzw. wie in Apg 2,38 bereits gegenwärtige eschatologische Segnungen gemeint sind. 246 Umgekehrt werden auch die cro,noi avpokatasta,sewj entweder als Ausdruck der eschatologischen Vollendung oder als Beschreibung des gegenwärtig bis zur Parusie sich vollziehenden Prozesses der Erfüllung aller Schriftverheißungen gedeutet, wobei sich Letzteres durch die grammatische Struktur nahelegt.247 In jedem Fall ist hier ein Intervall zwischen den beiden Erscheinungen des Messias beschrieben, wie es auch aus der Frage nach der Aufrichtung der basilei,a für Israel (Apg 1,6f)248 und aus der Verheißung bei der Himmelfahrt erkennbar ist, dass der in den Transzendenzbereich Aufgenommene so wiederkommen wird, wie ihn die Jünger weggehen sahen (Apg 1,11). 249 Die Zwischenzeit aber ist dadurch ausgezeichnet, dass die Jünger als Zeugen Jesu 243 Zur Kritik an der These von ROBINSON vgl. auch JONES, The Title Christos in LukeActs, 72f; SECCOMBE, Luke and Isaiah, 257; sowie PETERSON, Acts, 181 Anm. 55. 244 Mit KARRER, Der Gesalbte, 301. 245 Im Gegensatz zur Verbform erscheint das Substantiv avpokata,stasij nur in Apg 3,21. Vgl. die gute Übersicht zur Begriffsgeschichte und zu den Belegstellen sowie die Ausführungen zur Apokatastasis-Lehre, die sich auf Apg 3,21 beruft, bei LINK – BREYTENBACH, Art. avpokaqi,sthmi. 246 Ersteres vertreten z.B. CONZELMANN, Apg, 40; ECKEY, Apg I, 109; tendenziell auch PERVO, Acts, 107f. Für Atempausen bzw. die Analogie zu Apg 2,38 votieren etwa BAUERNFEIND, Apg, 68, und PETERSON, Acts, 180–182. 247 In Apg 3,21 ist w-n evla,lhsen nicht von cro,nwn, sondern von pa,ntwn als dem nächsten Referenten abhängig. Anders BARRETT, Acts I, 206. Vgl. insgesamt die Diskussion der Zusammenhänge bei RUSAM, Das Alte Testament bei Lukas, 346–350, sowie zur Sache die Ausführungen von HAGENE, Zeiten der Wiederherstellung, 299–323. 248 Wie in Apg 3,20f ist in Apg 1,6f das Nebeneinander von cro,noj und kairo,j zu beobachten. 249 Vgl. bereits Lk 17,22–37; 18,8; 21,27 sowie die Vorstellung Jesu als Richter über die Lebenden und die Toten gemäß Apg 10,42; 17,31.
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die Botschaft der Sündenvergebung durch Jesu Tod unter allen Völkern verkündigen, wodurch bereits die Gegenwart eschatologisch und als Heilszeit qualifiziert ist (Lk 24,47f; Apg 1,8). 250 Dies entspricht faktisch der Aussage von Jes 52,15, dass die auf das Heil zielende Botschaft des Knechtsschicksals denjenigen verkündigt werden muss, die noch nicht davon gehört haben. Darum stellt auch die Aufnahme Jesu in die göttliche Seinssphäre eine Notwendigkeit im Heilsplan dar, wie durch das göttliche „Muss“ (Apg 3,21: dei/) angezeigt ist 251 und wie es bereits die herrscherliche Erhöhung des Knechts gemäß Jes 52,13 sowie die Beschreibung in Jes 53,10 MT andeutet, wonach die „Verlängerung“ des Lebens des Knechts nach seinem Tod mit der Erfüllung des Planes Gottes korrespondiert.252 Die Sendung Jesu als des Christus offenbart sodann nurmehr seine Vorausbestimmung zum Gesalbten für Israel (Apg 3,20b: avpostei,lh| to.n prokeceirisme,non u`mi/n cristo.n VIhsou/n ).253 Und so bleibt entscheidend, dass der hier in eschatologischer Perspektive formulierten Sendung Jesu als des Gesalbten im Abschluss der Rede die bereits erfolgte und die Abwendung der Sünde erst ermöglichende Sendung des Knechts „für euch“ gegenübergestellt wird (V. 26: u`mi/n prw/ton … o` qeo.j to.n pai/da auvtou/ avpe,steilen auvto,n).254 Dass diese Sendung des Knechts in 250 Vgl. auch JERVELL, Apg, 168, mit dem Hinweis, dass Lukas hier nicht das Problem der Parusieverzögerung durch Schematisierung bewältigt (so etwa JONES, The Title Christos in Luke-Acts, 71), sondern dass für Lukas die Heilszeit schlichtweg schon angebrochen ist und die Parusie eben noch aussteht. 251 Beim Gebrauch von dei/ beherrscht im Fall des christologischen Bezuges das notwendige Leiden Jesu das Bild (Lk 9,22; 13,33; 17,25; 22,37; 24,7.26.44), es kann dadurch aber auch die Zugehörigkeit Jesu zu Gott (Lk 2,49) oder der dringliche Fortgang der Wirksamkeit Jesu unterstrichen werden (Lk 4,43; 19,5). Vgl. die weitere Verwendung in Lk 11,42; 12,12; 13,14.16; 15,32; 18,1; 21,9; 22,7. In der Apostelgeschichte steht dei/ für die Schrifterfüllung (Apg 1,16.21), die Notwendigkeit des Leidens Christi (Apg 17,3) und der Errettung durch Jesus (Apg 4,12; 16,30) sowie für die Berufung und den christlichen Lebenswandel (Apg 5,29; 9,6.16; 14,22; 19,21.36; 20,35; 23,11; 25,10; 26,9; 27,24.26); vgl. noch Apg 15,5; 24,19; 25,24; 27,21. Ausführlich dazu COSGROVE, The Divine DEI in Luke-Acts. MCRAE, “Whom Heaven Must Receive Until The Time”, stellt ausgehend von der Formulierung in Apg 3,21 überhaupt die Frage nach der Christologie der Apostelgeschichte. Das Charakteristische wird dann einerseits in der Abwesenheit Jesu gesehen (vgl. MOULE, Christology, 180: „absentee Christology“) und andererseits in der vierfältigen Weise der Präsenz Jesu in der Kirche durch den heiligen Geist, seinen Namen, die verkündigte Wirklichkeit Jesu als Teil der Geschichte und durch das Leben der Jünger. Auf den letzten Aspekt ist später zurückzukommen. S.u. im Kapitel zur Ekklesiologie. 252 Von einer „Verlängerung“ des Lebens ist insofern zu sprechen, als der Knecht gemäß Jes 53,10 MT sein Leben als Schuldopfer eingesetzt hat und daraus folgt, dass er Nachkommen sehen und seine Tage verlängern wird (~ymiy" %yrIa]y:). 253 Zum spezifisch lukanischen Begriff proceiri,zomai vgl. noch die Erwählung des Paulus nach Apg 22,14; 26,16. 254 Auch wenn der Sendungsgedanke von Apg 3,26 im Licht von Dtn 18,15 und Ex 3 zu sehen ist, bleibt der genannte Kontrast bestehen und wird dadurch die stringente Weiter-
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
der Gottesknechtstradition wurzelt, erweist die programmatische Aufnahme von Jes 61,1 in Lk 4,18, durch welche das Gesandtsein Jesu eindeutig in diesem Sinn charakterisiert ist (avpe,stalke,n me). Zudem findet sich in Lk 4,18 bzw. Jes 61,1 auch ein Verweis auf die göttliche Salbung Jesu (e;crise,n me), wodurch die Korrelation von Christus- und Knechtsvorstellung in Apg 3 weiter erhellt. 255 Das Nebeneinander von Apg 3,20 und 3,26 manifestiert demnach eine unmittelbare und absichtsvolle Verknüpfung von Christus- und Knechtstitel. 256 Inwiefern für diese Verknüpfung auch Ps 2 von Bedeutung ist, wird bei der Untersuchung des Gemeindegebets in Apg 4 noch zu zeigen sein. Zuvor aber ist der letzte Vers der Petrusrede noch einmal auf dem Hintergrund der Gottesknechtstradition zu beleuchten, um weitere mögliche Einflüsse derselben zu ermitteln. 2.6 Der Bund und der Same: Gen 22 und die Gottesknechtstradition in Apg 3,25f An dieser Stelle ist noch einmal aufzunehmen, was oben zur Rezeption und Modifikation der Bundesvorstellung im Rahmen der Gottesknechtstexte gesagt wurde – die Tatsache nämlich, dass gemäß den jesajanischen Texten nunmehr der Gottesknecht in Person zum Bund gemacht ist. Denn von diesem im Rahmen des Alten Testaments ganz ungewöhnlichen personalen Verständnis des Bundesbegriffs her fällt neues Licht auf die eigentümliche Formulierung in Apg 3,25, wonach die Juden als „Kinder der Propheten und des Bundes“ (ui`oi. tw/n profhtw/n kai. th/j diaqh,k hj) angesprochen sind. 257 Hier führung der Gedanken unterstrichen. Zur Einheitlichkeit des Gedankengangs in Apg 3,19– 21 s. auch SCHNEIDER, Apg I, 324–327, der hervorhebt, dass die messianische Sendung Jesu weder mit dem Erdenwirken noch mit der Aufnahme in den Himmel schon vollendet ist. Insofern ist in Apg 3 eine präsentische mit einer futurischen Eschatologie verwoben. 255 Die Verknüpfung von Lk 4,18 und Apg 3,26 erkennt auch GLÖCKNER, Verkündigung des Heils, 192 Anm. 118. Zum Einfluss von Lk 4 bzw. Jes 61 auf Apg 4 s.u. in Abschnitt II.A.3.2. 256 KARRER, Der Gesalbte, 312f, macht daher zu Recht darauf aufmerksam, dass für Lukas das Gesalbtsein Jesu vor der Orientierung an den Heiden zunächst und zuerst Heil für Israel bedeutet und dass Jesu Königtum entgegen der jüdischen Messiaserwartung an sein Leiden und an seinen Eingang in die Herrlichkeit durch das Leiden hindurch gebunden ist. Zum weiteren Gebrauch von cristo,j in der Apostelgeschichte s. die Übersicht am Anfang des Kapitels II.A sowie Anm. 236. 257 Eine vergleichbare Wendung findet sich nur noch an zwei Stellen. Im Rahmen eines Gerichtswortes gegen Ägypten und seine Hilfstruppen in Ez 30,5 setzt die LXX „und die Söhne meines Bundes“ (kai. tw/n ui`w/n th/j diaqh,khj mou) und verdeutlicht dadurch den Bezug auf Israel, der im hebräischen Text nicht per se gegeben ist, wo allgemein von den „Söhnen des Bundeslandes“ die Rede ist ( tyrIB.h; #rb.nI („gesegnet werden“ bzw. „sich segnen“) s. WESTERMANN, Genesis, 175f. Über die LXX ist jedoch eindeutig das passive Verständnis in das Neue Testament gelangt, wonach alle Geschlechter (Apg 3,25) bzw. alle Heiden (Gal 3,8) gesegnet werden. 262 Diese universale Perspektive wird auch gesehen von ROBERTS, Paij qeou and o uioj tou qeou in Acts 1–13, 247f, der dazu mit Recht auch auf Jes 52,15 verweist. Vgl. zur Wendung „Licht für die Heiden“ auch u. in Abschnitt II.B.2.5.3 die Ausführungen zu Apg 13,47. 263 Ähnlich PETERSON, Acts, 185, der daher zu Recht mit einem Einfluss der jesajanischen Gottesknechtsthematik auch auf Apg 3,26 rechnet.
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
Die durch Gen 22,18 in Erinnerung gerufene Segnung aller Geschlechter im Samen Abrahams (evn tw/| spe,rmati, sou ÎevnÐeuloghqh,sontai)264 wird abschließend in Apg 3,26 direkt aufgenommen und auf Jesus übertragen (o` qeo.j … avpe,steilen auvto.n euvlogou/nta).265 Somit tritt hier dasselbe Argumentationsmuster zutage wie bei Paulus in Gal 3,16: In beiden Fällen wird evn tw/| spe,rmati, sou wörtlich, das heißt im nichtkollektiven singularischen Sinn, verstanden und dadurch die Übertragung auf Jesus als den einen Samen ermöglicht. 266 Zugleich bleibt theologisch bezeichnend, dass dieser Same in Apg 3,26 als Gottes Knecht ausgewiesen ist. 267 Dies wird verständlich, wenn man im Blick behält, dass die Verheißung von Gen 22,18 im Kontext der „Opferung“ Isaaks erfolgt, ein Kontext, dessen Stellvertretungskonzept – wenn auch in ganz einzigartiger Weise – in der stellvertretenden Lebenshingabe des Knechts nach Jes 53,4–6.10–12 aufgegriffen ist. 268 Diese Lebenshingabe des Knechts aber hat nichts anderes zum Ziel als die Erlösung des Menschen: Der Knecht ist um der Vergehen willen und um der Sünden willen zerschlagen (Jes 53,5), ist für alle Schuld und alles Vergehen des Vol264 Textkritisch ist anzumerken, dass B, A* und einige andere das Simplex evuloghqh,sontai bieten, das indes keine inhaltliche Änderung bewirkt. Vgl. auch C, wonach evpeuloghqh,sontai zu lesen wäre. Vgl. dazu o. S. 194 Anm. 44. 265 Die programmatische Segnung der Jünger durch Jesus in Lk 24,50f wird nun durch die universale Segensaussage eingeholt. Mit HAGENE, Zeiten der Wiederherstellung, 128f, die auch auf die ebenfalls mit evuloge,w formulierte Reaktion der Jünger in Lk 24,53 verweist. 266 So auch RESE, Alttestamentliche Motive, 75f; ROLOFF, Apg, 78; SCHNEIDER, Apg I, 330 Anm. 132; sowie BOCK, Proclamation, 195 und 358 Anm. 127, der für Apg 3 angesichts der vorausgehenden Anrede der Juden als „Söhne“ auf ein Wortspiel mit dem ambivalenten Terminus spe,rma schließt. Gegen BARRETT, Acts I, 212f, der zwar vorschlägt, für die Übertragung der alttestamentlichen Stelle auf Christus entweder eine Lukas und Paulus bereits vorausliegende Tradition anzunehmen oder in Lk 3,25f einen Paulinismus der Apostelgeschichte zu sehen, der aber im Blick auf Apg 3,25f für die Deutung plädiert, dass schlichtweg auf den Heilsvorzug Israels abgezielt sei. In Gal 3,16 ist die Argumentation um so auffälliger, als vorher in Gal 3,8 als Zitat evneuloghqh,sontai evn soi. pa,nta ta. e;qnh gebraucht ist, d.h. der Abrahamsegen in einer Form, die mit keiner der o. S. 194 Anm. 44 genannten Referenzstellen ganz deckungsgleich ist – weshalb auf eigene Formulierung zu schließen ist –, und welche die für Gal 3,16 entscheidende Wendung evn tw/| spe,rmati, sou gerade nicht enthält. Wenngleich also in Gal 3,8 und Gal 3,16 je ein anderer theologischer Schwerpunkt gesetzt wird – hier der Einschluss der Heiden in die Verheißung, dort die christologische Deutung des spe,rma –, ist die kumulative Rezeption der verschiedenen Genesis-Stellen klar erkennbar. Vgl. BETZ, Galaterbrief, 259.281–284; ECKEY, Galaterbrief, 194.203. Im Licht dieser Beobachtungen ist daher zu überlegen, ob die hymnische Erwähnung von VAbraa.m kai. to. spe,rma auvtou/ in Lk 1,55 ähnlich zu verstehen ist. Vgl. SCHILLE, Apg, 130; JUST, Luke, 86f. Für traditionsgeschichtliche Details der Formulierung in Lk 1,55 s. außerdem MITTMANN-RICHERT, Magnifikat und Benediktus, 24f. 267 Dieser Aspekt wird in der Untersuchung von VAN DEN EYNDE, Children of the Promise, leider gänzlich ausgeblendet. 268 Vgl. BOCK, Proclamation, 196f.
2. Der verherrlichte und erweckte Knecht: Apg 3,13.26
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kes getroffen (V. 6.8) und trägt die Sünden der Vielen (V. 11f). Dieser Vorstellung ist offenbar Rechnung getragen, wenn laut Apg 3,26 Jesus als der Knecht von Gott gesandt ist, „euch zu segnen, indem er einen jeden von seinen Bosheiten abwendet“ (evn tw/| avpostre,fein e[kaston avpo. tw/n ponhriw/n u`mw/n). Diese transitive Übersetzung ist gegenüber der intransitiven („damit ein jeder sich von seinen Bosheiten abwende“) sprachlich zu bevorzugen und ist innerhalb des Satzduktus überaus folgerichtig: 269 In Entsprechung zur Bundesverheißung an Abraham hebt die daraus resultierende Segnung durch Jesus allein das Handeln Gottes am Menschen hervor und erweist sie einerseits den Knecht als Subjekt der Erlösung sowie andererseits die in V. 19 geforderte menschliche Umkehr zur Tilgung der Sünden (metanoh,sate ou=n kai. evpistre,yate eivj to. evxaleifqh/nai u`mw/n ta.j a`marti,aj) als Folge der Erkenntnis über die durch den Knecht schon erledigte Schuldfrage. 270 Der pai/j-Beleg Apg 3,26 – dies bleibt nach allen Beobachtungen festzuhalten – ist also nicht nur von der Moseparallele her zu verstehen, 271 sondern er zeugt durch die Verbindung mit Apg 3,22f und 3,13, das heißt: durch die Zusammenführung von Gen 22, Dtn 18 und jesajanischer Gottesknechtstradition, von einer systematischen und stringenten Verarbeitung der Überlieferungen durch Lukas. 272 Diese stringente Verarbeitung der Traditionen mit der Knechtstradition als Leitkategorie kann zugleich als Fazit der Erhebung des christologischen Gesamtbildes der Petrusrede gelten. 273 Vor diesem Hinter269 Vgl. BARRETT, Acts I, 214; BOCK, Acts, 181f. Gegen HAENCHEN, Apg, 208; SCHNEIDER, Apg I, 329 Anm. 124; und mit BLASS – DEBRUNNER – REHKOPF, Grammatik, § 404,2, gegen BLASS – DEBRUNNER – REHKOPF, Grammatik, § 308 3. 270 In Kontrast zum Handeln der Juden gemäß ihrer „Unkenntnis“ (Apg 3,17) zielt die Petrusrede auf die Ermöglichung der Erkenntnis über das Heil bringende Knechtschicksal Jesu. Ähnlich PETERSON, Acts, 179f. 271 Vgl. o. in Abschnitt II.A.2.3. 272 Wenn RESE, Alttestamentliche Motive, 128, hervorhebt, dass sowohl das dem Christus geltende avpostei,lh| von Apg 3,20 als auch das von dem Propheten wie Mose gesagte avnasth,sei von V. 22 als im Gottesknecht geschehen hingestellt werden (V. 26: avnasth,saj; avpe,steilen), ist dies genau richtig gesehen. Dadurch wird aber der Gottesknechtsbezug nicht obsolet, wie RESE meint, sondern es wird dadurch gerade die schon in der Tauf- und Verklärungsstimme nachgewiesene Zusammenführung von davidisch-messianischer und prophetisch-mosaischer Tradition in der Person des Knechts unterstrichen. 273 Vgl. PETERSON, Atonement Theology in Luke-Acts, 68f: „This sermon as a whole shows a well-considered, integrated biblical theology. Servant Christology is at its heart“. Ist die Gottesknechtstradition als Leitkategorie erkannt, so ist zu überlegen, ob noch ein weitergreifender Einfluss auf Apg 3 auszumachen ist, näherhin in der Heilung des Gelähmten, die von der „Heilung durch seine Wunden“ (Jes 53,5) her verstanden werden kann, und im Sehen und Staunen über diese Heilung (vgl. Apg 3,12: ti, qauma,zete mit Jes 52,15 LXX: qauma,sontai). Positiv ROBERTS, Paij qeou and o uioj tou qeou in Acts 1–13, 247– 250. Jes 52,15 ist freilich primär auf die Heiden bezogen. Dass das Stellvertretungskonzept von Jes 53 den Gedankengang in Apg 3 grundsätzlich mitbestimme, ist jedoch bei ROBERTS zu Recht hervorgehoben.
II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
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grund sind nun die beiden weiteren Belege für den Knechtstitel in Apg 4 zu untersuchen.
3. Der heilige und gesalbte Knecht: Apg 4,27.30 im Kontext des urgemeindlichen Gebets 3. Der heilige und gesalbte Knecht: Apg 4,27.30
Musste die Untersuchung der Petrusrede vergleichsweise ausführlich ausfallen, um die pai/j-Belege innerhalb des christologischen Gesamtbildes einordnen zu können, so lassen sich im Licht der bisherigen Ergebnisse die Zusammenhänge im Blick auf das Gemeindegebet Apg 4,24–30 komprimierter darstellen. Gleichwohl sind auch hier übergreifende Themen mit in die Überlegungen einzubeziehen. Das Gebet selbst ist inhaltlich dreigeteilt: V. 24b–26: Anrede Gottes als Schöpfer gemäß Ps 146(145),6 und sein Reden durch den Geist bzw. durch seinen Knecht David (pai/j) gemäß dem Wort aus Ps 2,1f über den Gesalbten des Herrn V. 27f:
Die schriftgemäße Erfüllung des Psalmwortes in den Geschehnissen um den heiligen und gesalbten Knecht Jesus (to.n a[gion pai/da, sou VIhsou/n o]n e;crisaj)
V. 29f:
Bitte der „Knechte“ (dou,loij) um Freimut zur Verkündigung und um Zeichen und Wunder durch den Namen des heiligen Knechts Jesus (dia. tou/ ovno,matoj tou/ a`gi,ou paido,j sou VIhsou/ )
Wenngleich der Abschnitt aufgrund des hymnischen Charakters ein ganz anderes Gepräge aufweist als die Petrusrede, hat die Kontextanalyse bereits gezeigt, dass die beiden Passagen in unmittelbarer Verbindung miteinander stehen und als Teile eines großen Kompositionsbogens zu begreifen sind. 274 Daher bildet Apg 4,31 nicht nur die Folge des Gebets ab, sondern ist die hier beschriebene Erfüllung der Jünger mit dem Geist auch als Entsprechung zum Pfingstereignis zu verstehen. Das Gebet ist außerdem deutlich als lukanische Komposition ausgewiesen: Die Eröffnung mit der seltenen Gottesanrede de,spota (V. 24) erinnert ebenso an das Nunc dimittis (s. Lk 2,29)275 wie die direkte Assoziation des Volkes Israel mit den Heiden (V. 27; s. Lk 2,31f) 276; die gegenseitige Zuordnung von Herodes und Pilatus (V. 27) unterstreicht ein Spezifikum der lukanischen Passionsgeschichte (s. Lk 23,6–12); die Bitte um 274 S.o. unter II.A.2.1. Gegen MOULE, Christology, 169f, der aufgrund des liturgischen Charakters dafür plädiert, die Knechtsbelege in Apg 4 ausschließlich von der Parallele zu David her zu verstehen. 275 Sonst erscheint despo,thj nur noch in 2Petr 2,1; Jud 4; Offb 6,4 in christologischer bzw. theologischer Verwendung. In 1Tim 6,1f; 2Tim 2,21; Tit 2,9 sind damit die Sklavenherren gemeint. 276 Vgl. noch Apg 26,17.23.
3. Der heilige und gesalbte Knecht: Apg 4,27.30
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den Freimut zur Verkündigung (V. 29: meta. parrhsi,aj pa,shj lalei/n to.n lo,gon sou) stellt eine Verbindung zu dem in V. 13 konstatierten Freimut von Petrus und Johannes her, wird in der narratio direkt aufgenommen (V. 31: evla,loun to.n lo,gon tou/ qeou/ meta. parrhsi,aj) und ist mit dem Buchschluss zu korrelieren (s. Apg 28,31); das „Drohen“ der Oberen (V. 29: ta.j avpeila.j auvtw/n) geht auf V. 17.21 zurück (avpeile,w bzw. prosapeile,w), wie auch die Bitte um Heilung (V. 29: eivj i;asin) mit der Heilung des Gelähmten verknüpft ist (V. 22: to. shmei/on tou/to th/j iva,sewj); die „Wunder und Zeichen“ greifen ebenso früher Gesagtes auf (s. Apg 2,19.22.43; 4,16.22) wie die Hervorhebung des Namens Jesu (s. Apg 4,7.10.12); 277 und schließlich ist die Bezeichnung Jesu als „heiliger Knecht“ durch Apg 3,13f.26 vorbereitet. 278 Inwiefern das Gebet Hiskias um Errettung vor den Assyrern (s. Jes 37,16– 20; 2Kön 19,15–19) als Vorlage für das Gemeindegebet diente, ist hier nicht weiter zu diskutieren. 279 Inhaltlich entscheidend ist, dass die Prädikation pai/j nicht nur zweifach für Jesus, sondern daneben auch für David gebraucht wird. Dass der Knechtstitel das Leitmotiv dieses Hymnus ist, wird vollends durch die Selbstbezeichnung der Jünger als dou/loi unterstrichen. Daher ist zu fragen, in welchem Verhältnis die verschiedenen Verwendungen stehen und ob ein Einfluss der Gottesknechtsvorstellung auszumachen ist. 3.1 Apg 4,24b–26 Der theologische Grundgedanke von Apg 4,24b–26 ist der Ausweis, dass in Ps 2,1f Gott durch den Mund Davids redet. Dabei wird zunächst die schöpferische Vollmacht des Wortes hervorgehoben durch die Aussage, dass Gott Himmel und Erde sowie das Meer und alles darinnen gemacht hat (V. 24b: o` poih,saj to.n ouvrano.n kai. th.n gh/n kai. th.n qa,lassan kai. pa,nta ta. evn auvtoi/j), denn das schöpferische Handeln erfolgt nach Gen 1 (s. Gen 1,1 LXX: evn avrch/| evpoi,hsen o` qeo.j to.n ouvrano.n kai. th.n gh/n ) bekanntlich durch das performative Gotteswort. Und es ist dieses schöpferische Handeln Gottes, welches ihn gegenüber den Falschgöttern als den einzigen und wahren Gott auszeichnet, wie es Paulus in dem Aufruf in Apg 14,15 formuliert, man solle sich abwenden vom Nichtigen und hinwenden zu dem lebendigen Gott, „der den Himmel und die Erde und das Meer gemacht hat und alles, was in ihnen ist“ (evpoi,hsen to.n ouvrano.n kai. th.n gh/n kai. th.n qa,lassan kai. pa,nta ta. evn auvtoi/j). Beide lukanischen Stellen entsprechen im Wortlaut der auf Gen 1 277
S. dazu u. den Exkurs zur Bedeutung des Namens Jesu in der Apostelgeschichte. Vgl. JONES, The Title Christos in Luke-Acts, 74 Anm. 32, im Anschluss an ROBINSON, Most Primitive Christology, 179; sowie SCHNEIDER , Apg I, 354. 279 Vgl. SCHNEIDER, Apg I, 355. Der Unterschied liegt vor allem darin, dass das Gebet Hiskias eine Bitte um Erlösung von den Feinden ist, während die Gemeinde um Freimut zur Verkündigung in der bestehenden Bedrohungssituation bittet. Mit PETERSON, Acts, 197. 278
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
beruhenden Begründung des Sabbatgebots in Ex 20,11 (evpoi,hsen ku,rioj to.n ouvrano.n kai. th.n gh/n kai. th.n qa,lassan kai. pa,nta ta. evn auvtoi/j ) und der hymnischen Verarbeitung in Ps 146(145),6 (poih,santa to.n ouvrano.n kai. th.n gh/n th.n qa,lassan kai. pa,nta ta. evn auvtoi/j ). Hier liegt der traditionsgeschichtliche Hintergrund der geprägten Formel, die auch sonst im lukanischen Werk noch anklingt. 280 Gerade Ps 146(145) hat aber das Gegenüber von weltlichen Fürsten (V. 3: a;rcontej kai. ui`oi. avnqrw,pwn) und Gott als dem wahren, Heil schaffenden Zionskönig zum Inhalt (V. 5–10) und fügt sich daher kontextgemäß zu der in Apg 4 nachfolgenden und auf Ps 2,1f gründenden Argumentation. Außerdem darf nicht übersehen werden, dass die Konkretion des Heilshandelns Gottes nach Ps 146(145),7–9 zum Großteil dem Auftrag des Gottesknechts nach Jes 42,7; 49,9f; 61,1 gleichkommt. 281 Das Reden des Schöpfergottes erfolgt laut Apg 4,25 nun aber auch durch Ps 2 und erfolgt durch den heiligen Geist sowie durch den Mund Davids. 282 Letzteres ist weniger am Inhalt festzumachen, da der Psalm an sich keinen expliziten Hinweis auf David birgt, 283 sondern beruht auf der Qualifizierung des ganzen Psalters als Buch Davids, welche auch an anderen Stellen greifbar ist. So leitet Jesus in Lk 20,42 seine Problematisierung von Ps 110,1 ein mit den Worten: „Denn David selbst sagt im Buch der Psalmen …“ (auvto.j ga.r Daui.d le,gei evn bi,blw| yalmw/n ). Entsprechend wird dieses Schriftwort in Apg 2,34 von Petrus eingeführt (Daui.d … le,gei de. auvto,j ) und auch die Passage Ps 16,8–11 gilt als direkte Rede Davids (Apg 2,25), wobei eine christologische Adaption der Stelle deshalb möglich ist, weil David als Prophet verstanden wird (Apg 2,30). Darum redet letztlich der heilige Geist selbst durch Davids Mund – so auch bei der Vorhersage über das Schicksal des Judas gemäß Apg 1,16 (proei/pen to. pneu/ma to. a[gion dia. sto,matoj Daui.d ) und Apg 1,20 (Zitat von Ps 69,26 und Ps 109,8). 284 Im Gegensatz zu Ps 2 sind freilich alle anderen genannten Psalmen je als Davidpsalmen ausgewiesen.
280 Vgl. Apg 17,24 (o` qeo.j o` poih,saj to.n ko,smon kai. pa,nta ta. evn auvtw/|( ou-toj ouvranou/ kai. gh/j u`pa,rcwn ku,rioj); ferner Lk 10,21; Apg 2,19; 7,49. Am nächsten zu Apg 4,24; 14,15 steht Offb 14,7. 281 Die Gemeinsamkeiten sind die Befreiung der Gefangenen, die Öffnung der Augen der Blinden und die Aufrichtung der Gebeugten. Zu den weiteren Aspekten vgl. Jes 1,17.23; 10,2; 58,7. 282 Für textkritische Details zu dieser Stelle s. SCHNEIDER, Apg I, 353. Ebd., 357, auch der richtige Hinweis, dass die zweigestaltige Aktivität Gottes als des Schaffenden und Redenden in Apg 4,31 wieder aufgenommen wird, wenn es um das Erbeben der Erde und die Ausbreitung des Wortes geht. 283 Dies gilt trotz der mit 2Sam 7,14 verwandten Stelle Ps 2,7. Eine Überschrift, die den Psalm mit David in Verbindung bringt, fehlt in diesem Fall. 284 Zur Frage des Bezuges auf die in Apg 1,20 zitierten Stellen Ps 69,26 bzw. Ps 109,8 s. SCHNEIDER, Apg I, 216 mit Anm. 31, und PETERSON, Acts, 122f.
3. Der heilige und gesalbte Knecht: Apg 4,27.30
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Dennoch gilt Ps 16,10 in Apg 13,35 zugleich als Wort Gottes, 285 wodurch das hermeneutische Muster von Apg 4,25 bestätigt wird, dass es letztlich Gott selbst ist, der unter Inanspruchnahme Davids im Raum der Geschichte spricht. David wird in doppelter Weise noch näher bestimmt: auf Seiten der Beter als „ihr“ Vater (path.r h`mw/n), nach der göttlichen Seite hin als Gottes Knecht (pai/j sou). Die erste Bestimmung ist umso auffälliger, als das Epitheton „Vater“ für David im Alten Testament lediglich in den Könige- und Chronikbüchern sowie in Jes 38,5 zur Bezeichnung der Erbfolge bzw. zur Beurteilung der nachfolgenden Könige erscheint, während als „Väter“ Israels eigentlich nur die Patriarchen gelten.286 Der Ps 118,25f ergänzende Jubelruf bei Jesu Einzug in Jerusalem nach Mk 11,10 – „Gepriesen sei das kommende Reich unseres Vaters David!“ – verweist indes auf den Gedanken der Restauration der davidischen Verhältnisse durch den Messias und hat die Erkenntnis der messianischen Davidssohnschaft Jesu zur Voraussetzung. 287 Dies wird auch bei Lukas zur Anschauung gebracht, wenn in Lk 1,32 die „Vaterschaft Davids“ mit der Proklamation der göttlichen Sohnschaft Jesu verbunden wird: „Dieser wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und der Herr, Gott, wird ihm den Thron seines Vaters David geben.“ 288 Insofern weisen sich die Beter in Apg 4 primär als Zugehörige zum messianischen Reich aus. Die Bezeichnung Davids als „Knecht Gottes“ wiederum korrespondiert mit der ebenfalls im Zuge eines Hymnus erklingenden Aussage in Lk 1,69, dass Gott „ein Horn des Heils aufgerichtet hat im Hause Davids, seines Knechtes (evn oi;kw| Daui.d paido.j auvtou/ )“. Da auch die andere nicht christologische – und auf Israel bezogene – Referenzstelle Lk 1,54 Teil einer hymnischen Passage ist, ergibt sich für diese theologische Verwendung des pai/j-Titels insgesamt ein liturgischer Rahmen. Wie bereits gezeigt, ist die Bezeichnung Davids als Knecht traditionell. 289 Zugleich ist aber daran zu erinnern, dass gegenüber der regelmäßigen Verwendung von dou/loj der ungewöhnliche Gebrauch von pai/j gerade im Kontext des Jesajabuches vorliegt, 290 und damit in einem Kontext, der das Nebeneinander der Knechte David, Israel und Jesus im lukanischen Werk terminologisch vorbereitet. 291 Ferner ist zu betonen, dass das lukanische Sterbewort Jesu von der Übergabe seines Geistes (Lk 23,46 = Ps 31,6) einem Davidpsalm entstammt, der nicht nur die ebenfalls am 285
Auch Ps 2,7 wird in Apg 13,32 zitiert, aber mit einer passivischen Wendung eingeführt („wie im zweiten Psalm geschrieben steht …“). 286 Vgl. auch STRACK – BILLERBECK, Kommentar I, 918f, und II, 26. 287 Vgl. GNILKA, Markus II/2, 118. 288 Vgl. noch die Herleitung der menschlichen Abstammungslinie im Stammbaum (Lk 3,31), sowie die Anrede Jesu als „Sohn Davids“ durch den Blinden in Lk 18,39f. 289 S.o. S. 188. 290 Neben Jes 37,35 nur noch in 1Chr 17,4; 2Chr 6,15–17; Ps 18(17),1. 291 S.o. S. 188f.
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
Kreuz erklingende Bezeichnung „Gerechter“ beinhaltet (Lk 23,47; s. Ps 31,19), sondern eben auch den Knechtstitulus (Ps 31,17). Und angesichts der ohnehin deutlich gewordenen Prägung der Gottesknechtstradition durch die davidisch-königliche Tradition 292 ist der Knechtsterminus in Apg 4 zwar zunächst als Ehrentitel für David, zugleich aber als Hinweis auf die nachfolgenden christologischen Ausführungen zu verstehen. Weiter bleibt auffällig, dass der Titel gerade im Zusammenhang des geistbegabten Redens Davids erklingt und damit ein Element illustriert, welches beide Traditionen verbindet. Als Beispiel auf Seiten der Davidtradition sind im Licht von Apg 4,25 darum noch die letzten Worte Davids nach 2Sam 23,1–7 hervorzuheben, die wie folgt eingeleitet werden: Spruch Davids, des Sohnes Isais, Spruch des Mannes, der hochgestellt ist (l[' ~q;hu), des Gesalbten ( x:yvim.) des Gottes Jakobs, des Lieblings der Gesänge Israels: „Der Geist JHWHs hat durch mich geredet; sein Wort war auf meiner Zunge (ynIAvl.-l[; AtL'miW yBi -rB,DI hw"hy> x:Wr) …“ (2Sam 23,1b–2)293
Die hohe Stellung entspricht der herrscherlichen Erhöhung des Knechts nach Jes 52,13; das Gesalbtsein ist samt der Geistbegabung in Jes 42,1; 61,1 aufgenommen und auch die Betonung der Zunge als Instrument der Gottesrede findet sich in der Gottesknechtstradition (Jes 50,4). 294 Was das Zitat von Ps 2,1f in Apg 4,25b–26 betrifft, so ist zunächst die wörtliche Übereinstimmung mit der LXX zu konstatieren. Zudem endet das Zitat dort, wo die Septuaginta gegenüber dem hebräischen Text eine musikalische Pause einträgt (dia,yalma). Dass Ps 2 für die Ausbildung der frühkirchlichen Christologie von großer Wichtigkeit war, bedarf angesichts der hier greifbaren Titel cristo,j (V. 2), basileu,j (V. 6) und ui`o,j (V. 7) keiner weiteren Begründung. Während bei Lukas die Königstitulatur vor allem in der Geburtsankündigung (s. Lk 1,33), beim Einzug nach Jerusalem (Lk 19,38) sowie im Kontext der Passion erklingt (Lk 23,2f.37f), 295 erfolgt die Sohnesdeklaration in der Tauf- und Verklärungsstimme (Lk 3,22; 9,35) sowie in Apg 13,33 unmissverständlich im Rückgriff auf Ps 2,7. 296 Auch der synonym formulierte Nachweis durch Paulus, dass Jesus der Sohn Gottes (Apg 9,20) bzw. der Gesalbte ist (Apg 9,22), entspricht dem Nebeneinander der Titel in 292
S.o. den Abschnitt II.A.2.4.1. Zum hohen Alter des davidischen Hymnus 2Sam 23,1–7 vgl. FIRTH, 1 & 2 Samuel, 30f.595. 294 Der prophetische Zug im davidischen Königsbild wurde bereits in Apg 2,30 aufgenommen. Im Licht der Personalisierung der Bundeskonzeption in den Gottesknechtsliedern (s.o. unter II.A.2.6) ist möglicherweise auch der Bund Gottes mit David nach 2Sam 23,5 ein verbindendes Element. 295 S. dazu u. den Exkurs „Die Königsherrschaft Jesu im lukanischen Werk“. 296 In Apg 13,33 wird Ps 2,7 zitiert. Zur Tauf- und Verklärungsstimme s.o. unter II.A.2.4.2. 293
3. Der heilige und gesalbte Knecht: Apg 4,27.30
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Ps 2.297 In Apg 4 werden nun die beiden einleitenden Psalmverse angeführt, die den Widerstand von Heiden und Völkern sowie Königen und Herrschern gegen Gott und seinen Gesalbten beschreiben, woraufhin sich eine christologische (Apg 4,27f) und eine ekklesiologische Applikation anschließen (Apg 4,29f). 3.2 Apg 4,27f In christologischer Hinsicht ist hier eine spiegelbildliche Reformulierung der zitierten Psalmworte mit exegetischem Charakter zu erkennen. Übersicht: Die Struktur von Apg 4,25b–28 Apg 4,25b–26 = Ps 2,1f:
Heiden und Völker (e;qnh kai. laoi,) Könige und Herrscher (oi` basilei/j / oi` a;rcontej) haben sich versammelt gegen den Herrn und seinen Gesalbten (sunh,cqhsan … kata. tou/ kuri,ou kai. kata. tou/ cristou/ auvtou/ )
Apg 4,27f:
haben sich versammelt gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast (sunh,cqhsan ga.r … evpi. to.n a[gion pai/da, sou VIhsou/n o]n e;crisaj)298 Herodes und Pontius Pilatus mit den Heiden und Völkern Israels (su.n e;qnesin kai. laoi/j VIsrah,l)
Die Wortwahl in Apg 4,27f ist dabei unübersehbar von Ps 2,1f beeinflusst: Israel wird sonst als lao.j VIsrah,l bezeichnet (s. Lk 1,68; 2,32; Apg 4,10; 13,17.24), während der Plural laoi, in Lk 2,31 die sowohl Heiden als auch Israel umfassende Gesamtheit der Völker angibt (s. Lk 2,32). Dass Herodes Antipas als Typus der Könige gilt, ist ungewöhnlich, da er – anders als Herodes der Große (Lk 1,5), Herodes Agrippa I. (Apg 12,1) und Agrippa II. (Apg 25,13) – sonst nicht ausdrücklich basileu,j ist, sondern das Attribut „Tetrarch“ erhält (Lk 3,1.19; 9,7; Apg 13,1). Gleichwohl bestätigt dieser Überblick die herodianische als königliche Linie. Pilatus ist für Lukas eigentlich h`gemw,n 297 Dabei ist für Lukas die Sohnesbezeichnung freilich zur Wesensaussage geworden. S.o. unter II.A.2.4.2. 298 Das emphatische ga,r verstärkt den Anschluss an das vorausgehende Zitat.
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
(s. Lk 3,1; 20,20), während mit a;rcontej für gewöhnlich jüdische Autoritäten gemeint sind und eben dieser Begriff bei der Mitwirkung der Oberen beim Tod Jesu fällt (s. Lk 23,13.34; 24,20; Apg 3,17; 13,27). 299 Dennoch ist diese Zuordnung sachlich sinnvoll, da Pilatus, der zunächst die Unschuld Jesu betont (Lk 23,4.13–16.20.22), einerseits als Freund des Herodes gilt (Lk 23,12) und andererseits der Todesforderung nachgibt und das entscheidende Urteil fällt (Lk 23,24f).300 Das feindliche Versammeln (sunh,cqhsan) greift indes zugleich den Prozess gegen Jesus (Lk 22,66) und gegen die Apostel auf (Apg 4,5).301 Während also in Ps 2 verallgemeinernd die Rede ist vom Widerstand heidnischer Völker und Herrscher gegen den Zionskönig, ist laut Apg 4 Israel selbst Teil der Opposition und werden mit Herodes und Pilatus Individuen hervorgehoben.302 Während in Ps 2 der Widerstand zunächst nur als Vorhaben erscheint, ist der Plan nach Apg 4 ausgeführt (V. 28: poih/sai … gene,sqai) und ausschließlich gegen Jesus gerichtet.303 Der Christustitel aus Ps 2,2 – und dies ist nun entscheidend – wird in Apg 4,27 verbal expliziert (o]n e;crisaj) und mit dem christologischen Knechtsterminus assoziiert. Dabei greift diese Zuordnung zweifellos auf die königliche Erhöhung des Knechts nach Jes 52,13 zurück304 und rekurriert die Beschreibung der Salbung Jesu deutlich auf die Präsentation Jesu als des gesalbten Gottesknechts gemäß Jes 61,1 in Lk 4,18 (e;crise,n me). Lk 4,18 ist aber in direktem Bezug auf die Taufe Jesu einschließlich der göttlichen Taufstimme zu verstehen, für welche sich die Verknüpfung von davidisch-messianischer Tradition (Ps 2,7) mit der Gottesknechtstradition (Jes 42,1) als grundlegend 299
Vgl. noch Lk 8,41; 14,1; 18,18; Apg 4,5.8; 14,5. Dass im Blick auf Lk 23 immer wieder auf die Unschuld des Pilatus abgehoben wird (s. CONZELMANN, Apg, 43), entspricht nicht der Darstellungsabsicht des Lukas, dem es dabei um die Betonung der Unschuld Jesu geht. Vgl. dazu o. in Abschnitt II.A.2.5.1. 301 Dem steht die Versammlung der Gemeinde gegenüber: s. Apg 4,31; 11,26; 14,27; 15,6.30; 20,7f. Vgl. ferner Apg 13,44. Zu den vorangehenden Beobachtungen vgl. auch WEREN, Psalm 2 in Luke-Acts, 197, sowie LARKIN, Acts, 79. 302 Vgl. dazu STENSCHKE, Luke’s Portrait of Gentiles, 141–143. 303 Bedeutsam ist weiter, dass neben dem expliziten Zitat auch die Aufnahme von anderen Elementen des Psalms zu erkennen ist: So entspricht die Hervorhebung Jerusalems in Apg 4,27 (evn th/| po,lei tau,th|) der Betonung des Zion in Ps 2,6 (Siwn o;roj to. a[gion); der Vokativ ku,rie in Apg 4,29 steht in Analogie zur durchgängigen Bezeichnung Gottes als ku,rioj in Ps 2; die Formulierung in Apg 4,29 (kai. ta. nu/n + Vokativ + Imperative) stimmt mit Ps 2,10 überein (kai. nu/n + Vokativ + Imperative) und schließlich wird laut Apg 4,29.31 die Bitte der Beter erhört, während in Ps 2,8 die Erhörung des Königs von Gott selbst verheißen ist. Da ferner Ps 2,7 als eindeutiger Referenztext für Lukas ausgewiesen ist, kann das Zitat von Ps 2,1f als pars pro toto für den ganzen Psalm gelten. Mit WEREN, Psalm 2 in Luke-Acts, 196–198. Gleichwohl werden die angeführten Verse – wie im Fall von Jes 53,7f in Apg 8 – direkt verarbeitet. 304 Die Zusammenführung der Davidstradition nach Ps 2 mit der Knechtstradition nach Jes 52,13 wird auch erkannt von MITTMANN-RICHERT, Sühnetod, 213f. 300
3. Der heilige und gesalbte Knecht: Apg 4,27.30
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erwiesen hat. 305 Der Bezug von Lk 4,18 auf Lk 3,22 erklärt auch eine Besonderheit in der lukanischen Taufdarstellung: Diese ist nicht auf das Wasser, sondern auf das himmlische Geschehen konzentriert und blendet die Person des Täufers aus, so dass – wie in Jes 61,1 – Gott selbst als der mit dem Geist Salbende erscheint. 306 In diesem Sinn, als Salbung mit dem Geist, ist die Taufe Jesu auch in Apg 10,38 beschrieben (w`j e;crisen auvto.n o` qeo.j pneu, mati a`gi,w| kai. duna,mei).307 Das aus Lukas 3 und 4 resultierende hermeneutische Muster wird also in Apg 4 bestätigt: Jesus ist insofern der Christus, als er der gesalbte Knecht ist. 308 Das zusätzliche Attribut „heilig“ erfüllt dabei mehrere Funktionen. Es unterscheidet den Knecht Jesus in überbietender Weise vom Knecht David und ordnet Jesus noch unmittelbarer dem Heiligkeitsbereich Gottes zu: David hat nur insofern daran Anteil, als der heilige Geist durch ihn redet. Zudem ist dadurch auf den Zusammenhang mit der in Apg 3,13f erfolgten Prädikation Jesu als des heiligen und gerechten Knechts verwiesen. 309 Dass der Christustitel in der Petrusrede ebenfalls durch die Gottesknechtstradition näher bestimmt wird (s. Apg 3,18.20 neben V. 13.26), vervollständigt den Eindruck einer reflektierten Verarbeitung der Traditionen in Apg 3 und 4. Dass die beiden Passagen aufeinander bezogen sind, wird weiter durch die übereinstimmende Formulierung „sein (= Gottes) Gesalbter“ (o` cristo.j auvtou/) in Apg 3,18 und 4,26 bestätigt 310 sowie dadurch, dass der 305
S.o. in Abschnitt II.A.2.4.2. STRAUSS, Davidic Messiah, 207, spricht in diesem Zusammenhang zu Recht von einem etymologischen Interesse des Lukas am Christustitel und weist ebd. in Anm. 3 zugleich die Vorstellung zurück, der auf die Taufe bezogene Salbungsvorgang nach Apg 4,27 habe nichts mit dem Christustitel nach Ps 2,2 bzw. Apg 4,26 zu tun. 306 Vgl. STRAUSS, Davidic Messiah, 203f Anm. 4, sowie zur Sache noch die trinitarische Deutung des Christustitels bei Irenäus, Haer. 3,18,3: Demnach sei von Jes 61,1 her deutlich, dass der Vater salbt, der Sohn gesalbt ist und der Geist die Salbung ist. 307 Jesu öffentliche Geistsalbung widerspricht dabei nicht der Tatsache, dass er seinem Wesen nach schon immer der Messias ist: Nach Lk 1,35 gilt der heilige Geist als Existenzgrund Jesu; die Herabkunft des Geistes bei der Taufe manifestiert sodann den dauernden Geistbesitz des „Sohnes Gottes“. Mit LARKIN, Acts, 79, und SCHNEIDER, Apg I, 258. 308 Dies erkennt auch WIKENHAUSER , Apg, 131f, der ebenfalls auf die jesajanische Tradition verweist und im Nebeneinander des Knechtstitels für David und Jesus eine sinnvolle Absicht erkennt: „David ist ja der Anfänger und der Messias [= der messianische Gottesknecht] der Vollender des von Gott gestifteten Königtums in Israel“ (op. cit., 132). Der Gesamtduktus des Gemeindegebets macht es im Übrigen unmöglich, das auf Jesus bezogene pai/j nicht mit „Knecht“, sondern aufgrund des (hier nicht zitierten!) Verses Ps 2,7 mit „Sohn“ zu übersetzen, wie es etwa CONZELMANN, Apg, 43, will. Die Knechtsbedeutung ist schon für Apg 3,13.26 gesichert und erhellt zudem aus dem Nebeneinander mit dem pai/j David. Dass in Apg 4 der Knecht mit dem „Gesalbten“ von Ps 2,2, und dadurch zugleich mit dem „Sohn“ nach Ps 2,7 identifiziert wird, heißt nicht, dass der Titel seine ursprüngliche Bedeutung verliert. Mit MARSHALL, Son of God or Servant of Jahweh?, 331. 309 S. dazu o. die Ausführungen in Abschnitt II.A.2.5.1. 310 In Lk 9,20; 23,35 steht dagegen o` cristo.j tou/ qeou/, in Lk 2,26 o` cristo.j kuri,ou.
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
christologische Knechtstitel je in Verbindung mit der Passion Jesu gebraucht ist. Zudem wird der im Passionsgeschehen zur Erfüllung kommende Ratschluss Gottes jeweils eigens betont (Apg 3,18; 4,28) und schließlich korrespondiert die Zitateinleitung in Apg 4,25 (dia. pneu,matoj a`gi,ou sto,matoj Daui.d paido,j sou) mit den Wendungen in Apg 3,18 (dia. sto,matoj pa,ntwn tw/n profhtw/n) und Apg 3,21 (dia. sto,matoj tw/n a`gi,wn avpV aivw/noj auvtou/ profhtw/n). Die Parallelisierung von Christus- und Knechtstitel und die Gegenüberstellung von weltlichen Herrschern und Königen macht an dieser Stelle eine Skizze des lukanischen Verständnisses der Königsherrschaft Jesu nötig, bevor die Anwendung von Ps 2,1f in Apg 4 weiter betrachtet wird. 311 Exkurs: Die Königsherrschaft Jesu im lukanischen Werk Als König wird Jesus in der Apostelgeschichte explizit an zwei Stellen gezeichnet: in Apg 1,6–8 sowie in Apg 17,7. Im Zuge des letzten Gesprächs Jesu mit seinen Jüngern geht es wie bei den vorausgehenden Erscheinungen des Auferstandenen um die Königsherrschaft Gottes (s. Apg 1,3: le,gwn ta. peri. th/j basilei,aj tou/ qeou/ ). Mit der Erwartung der Aufrichtung des Reiches für Israel durch Jesus (Apg 1,6: h` basilei,a tw/| VIsrah,l) bringen die Jünger zur Sprache, dass das Gottesreich durch Jesu Königtum realisiert wird; die hoheitliche Charakterisierung wird zudem durch die Anrede Jesu als Kyrios hervorgehoben. Die Erwartung hängt nach Lukas damit zusammen, dass Jesus den Jüngern nicht nur Anteil an seinem Reich zugesagt hat, sondern auch die Beteiligung an seiner Regentschaft (Lk 22,29f). Die Antwort Jesu weist freilich jede chronologische Fixierung zurück. Stattdessen wird einerseits seine Willenseinheit mit dem Vater betont, der allein um die Stunde weiß, und andererseits Jesu Königsherrschaft bestätigt, allerdings unter Ausweitung der Perspektive über Israel hinaus, „bis an das Ende der Erde“ (Apg 1,8). Die Aufrichtung des Reiches für Israel ist demnach gebunden an die weltweite Verkündigung des Evangeliums. Dies ist für Lukas die Art und Weise, in der Jesu Königsherrschaft Gestalt gewinnt (vgl. Lk 24,46f). Die direkt folgende, sichtbare Entrückung Jesu gen Himmel setzt darum in Korrelation dazu die ihm zukommende Hoheit anschaulich in Szene. 312 Jesus ist der König des Gottesreichs, das für die Heiden ebenso angebrochen ist wie für die Juden. Die zweite Stelle, an der von Jesu Herrscherstatus die Rede ist, handelt vom Widerstand gegen die Christusbotschaft in Thessalonich. Nach Apg 17,7 wird der Gruppe um Paulus vorgeworfen, (a) den Weltkreis zu erregen und (b) gegen des Kaisers Gebot zu handeln, indem sie (c) verkünden, dass ein anderer König sei, nämlich Jesus (basile,a e[teron
311 Anzumerken ist noch, dass der auf David bezogene pai/j-Beleg Jes 37,35 in einem Kontext erfolgt, welcher von der Zurückweisung des assyrischen Königs durch Gott zur Bewahrung Jerusalems handelt. Insofern liegt eine Entsprechung zum Thema von Ps 2 vor, wonach Gott seinen Gesalbten vor dem feindlichen Angriff bewahrt. Dieser Zusammenhang mag die Verschmelzung von Ps 2 mit der Gottesknechtstradition noch gefördert haben. 312 Vgl. die Betonung der Sichtbarkeit in Apg 1,9 („vor ihren Blicken“; „vor ihren Augen weg“), 1,10 („als sie ihm nachsahen“) und 1,11 („Was seht ihr zum Himmel?“).
3. Der heilige und gesalbte Knecht: Apg 4,27.30
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le,gontej ei=nai VIhsou/n ).313 Diese Vorwürfe haben im Evangelium eine genaue Parallele und die Königsherrschaft war auch dort der bis ans Kreuz mehrheitlich abgelehnte Anspruch Jesu: Lk 23,2f:
Sie fingen aber an, ihn zu verklagen, und sagten: „Diesen haben wir befunden als einen, der (a) unsere Nation verführt und (b) sie davon abhält, dem Kaiser Steuer zu geben, indem er (c) sagt, dass er selbst Christus, ein König, sei (le,gonta e`auto.n cristo.n basile,a ei=nai).“ Pilatus aber fragte ihn und sprach: „Bist du der Juden König?“ Er antwortete ihm und sprach: „Du sagst es.“
Lk 23,37f:
„Wenn du der König der Juden bist, so rette dich selbst!“ Es war aber über ihm auch eine Aufschrift: „Dies ist der Juden König“.
Lk 23,42:
Und er [= der reuige Schächer] sprach: „Jesus, gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst!“
Wenngleich also dieser Titel in der Apostelgeschichte nicht häufig gebraucht wird, so zeigt die Episode in Thessalonich doch seine Relevanz für die urchristliche Verkündigung sowie sein inhaltliches Gewicht in christologischer Hinsicht an. Im Blick auf die lukanische Darstellung der Königsherrschaft Jesu ist noch ein weiterer Aspekt festzuhalten, die Tatsache nämlich, dass Lukas in seinem ganzen Werk ein vergleichsweise verstärktes Interesse an Königen und Herrschern zeigt. Bei Markus ist das Königsmotiv beschränkt auf Herodes Antipas (Mk 6; vgl. zum Herodianer-Motiv Mk 3,6; 8,15; 12,13) und auf Jesus in seiner Passion (Mk 15); einzig Mk 13,9 weist darüber hinaus – mit dem Hinweis, dass die Jünger um Jesu willen vor Statthalter und Könige geführt werden (evpi. h`gemo,nwn kai. basile,wn). Bei Johannes ist bis auf Joh 19,15, wo in der Verhandlung um Jesus der Kaiser als einziger König der Juden ausgerufen wird, durchgehend Jesus als König dargestellt – dies ist gerade in der Passion der prononcierte christologische Kerngedanke.314 Matthäus dagegen differenziert in verschiedener Hinsicht: Neben Herodes bzw. Archelaos (Mt 2; 14,1–12; vgl. 22,16) und Jesus (Mt 2,2; 21,5; 27,11.29.37.42) werden auch David (Mt 1,6) und Gott (Mt 5,35) König genannt; ferner entspricht Mt 10,18 der Ankündigung in Mk 13,9, dass die Jünger zum Zeugnis vor Statthaltern und Königen stehen werden, und die allgemeine Nennung von Königen wird auch in Mt 11,8 und 17,25 fortgeführt. Eine Besonderheit ist hier der Vergleich des Reichs der Himmel ( h` basilei,a tw/n ouvranw/n) mit dem Handeln eines Königs (Mt 18,23–35; 22,1–14) und die Gleichsetzung des Menschensohns mit einem thronenden König beim Weltgericht (Mt 25,31–46).315 Wie bei Matthäus ist auch bei Lukas zu Beginn Herodes als König ausgewiesen – im ersten Synchronismus Lk 1,5. Und wie Matthäus durch die Magier Jesus als den neugeborenen König der Juden proklamiert, geschieht dies bei Lukas entsprechend programmatisch durch Gabriel in der Geburtsankündigung an Maria:
313 Basileu,j steht für die reale Königswürde und kann ferner den Abkömmling einer königlichen Familie sowie allgemein einen politischen Herren meinen. S. LIDDELL – SCOTT, Greek-English Lexicon, 309. 314 S. Joh 1,49; 6,15; 12,13.15; 18,33.37.39; 19,3.12.14.15.19.21. 315 Im übrigen Neuen Testament werden bestimmte Könige genannt (2Kor 11,32; Hebr 7,1f; 11,23.27; Offb 9,11) oder Könige und Obrigkeit allgemein (1Tim 2,2; 1Petr 2,13.17; Offb 6,15; 10,11; 16,12.14; 17,2.9.12.18; 18,3.9; 19,18f; 21,24); ferner werden Gott (1Tim 1,17; 6,15; Offb 15,3) und Jesus als König beschrieben (Offb 17,14; 19,16).
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
… und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben und er wird die Königsherrschaft ausüben (basileu,sei) über das Haus Jakob in Ewigkeit, und seines Königtums (th/j basilei,aj auvtou/) wird kein Ende sein. (Lk 1,32f) Demnach konstruiert Lukas von Anfang an eine Spannung zwischen den weltlichen Königen und Herrschern (s. Lk 1,5; 2,1; 3,1; 9,7–9; 13,31; 20,22–25) und dem in die Weltgeschichte eintretenden Gotteskönig – eine Spannung, die sich bis ans Ende seines Werkes durchhält.316 Dem matthäischen Gebrauch der allgemeinen Königsvorstellung ähnlich wird in Lk 14,31 dann gleichnishaft das Bild eines in den Krieg ziehenden Königs verwendet. Jesus ist wiederum selbst als König beschrieben beim Einzug in Jerusalem durch das Zitat von Ps 118,26, welches Lukas um den Königstitel erweitert (Lk 19,38: „Gelobt sei, der da kommt, der König, im Namen des Herrn!“).317 Sodann steht Jesus den typischen Königen und Machthabern von Lk 22,25 als dienender Herrscher eines ganz anderen Reiches gegenüber, in welchem auch seine Jünger Anteil an seiner Vollmacht bekommen (Lk 22,29f). Schließlich ist Lukas bei der Passion das Königtum Jesu nicht weniger wichtig als den anderen Evangelisten318 und es wird zudem die erwähnte Spannung zu weltlichen Herren dadurch noch unterstrichen, dass allein Lukas zusätzlich ein Verhör vor Herodes Antipas schildert (Lk 23,6–12.15). Zwei weitere Aspekte sind noch markant. Nach Lk 10,24 offenbart Jesus den Jüngern, dass viele Propheten und Könige (polloi. profh/tai kai. basilei/j) das sehen wollten, was die Jünger sehen dürfen, während in der matthäischen Parallele polloi. profh/tai kai. di,kaioi steht (Mt 13,17). Es ist also wiederum Lukas, der hier den Königstatus betont. Indessen ist in Lk 21,12, bei der Ankündigung Jesu, dass die Jünger zum Zeugnis vor Herr schern stehen werden, gegenüber den synoptischen Parallelen die Reihenfolge der Worte umgekehrt, wodurch die Könige erneut besonders hervorgehoben werden (evpi. basilei/j kai. h`gemo,naj; vgl. Mk 13,9: evpi. h`gemo,nwn kai. basile,wn; Mt 10,18: kai. evpi. h`gemo,naj de. kai. basilei/j). Und es ist die Apostelgeschichte, in der diese Ankündigung Jesu in ihrer geschichtlichen Erfüllung nachgezeichnet wird. Denn hier werden nicht nur retrospektiv Könige vergangener Zeiten erwähnt – in Apg 7,10.18 der Pharao bzw. dessen Nachfolger; in Apg 13,21f Saul und David –, sondern es werden auch in Entsprechung zu Lk 1,5; 2,1; 3,1 aktuelle Herrscher genannt, vor denen die Jünger stehen: in Apg 12,1.20 König Herodes Agrippa I. und in Apg 25f König Herodes Agrippa II.; dazu kommen die Statthalter Felix (Apg 23,23–24,26) und Festus (Apg 24,27–26,32) sowie der Kaiser, vor den Paulus geführt werden soll.319 Lukas akzentuiert also insgesamt die basilei,a Jesu auf zweierlei Weise. Einerseits dadurch, dass er den Königsstatus allgemein hervorhebt: Jesus ist der messianische König, dem der Thron Davids gehört, dessen Reich kein Ende hat (Lk 1,32f) und der in Jerusalem eingezogen ist (Lk 19,38). Seine Herrschaft hat Dienstcharakter (Lk 22,25–30) und sie ist in der eigenen Lebenshingabe begründet (Lk 23,38). Sein Wirkungsbereich umfasst nicht 316
Dies gilt es trotz der immer wieder verlautenden Bemerkung festzuhalten, Lukas sei in seiner Darstellung besonders romfreundlich gesinnt. Ähnlich HAGENE, Zeiten der Wiederherstellung, 199–212, die von Jesu Königtum als von einem Gegenentwurf zu den herrschenden Mächten spricht. 317 Der Zusatz findet sich weder im MT noch in der LXX. Bei Matthäus wird dies inhaltlich durch das Erfüllungszitat von Sach 9,9 und durch die Wendung „Sohn Davids“ ausgedrückt. 318 S.o. S. 253. 319 S. Apg 25,8.10–12.21.25; 26,32; 27,24; 28,19; vgl. 17,7.
3. Der heilige und gesalbte Knecht: Apg 4,27.30
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weniger als die ganze Ökumene (Apg 1,8) und als dergestalt qualifizierter König ist er Inhalt der urchristlichen Verkündigung (Apg 17,7). 320 Andererseits bringt Lukas als Kontrastfolie zu Jesu Königsherrschaft andere Könige und Herrscher ins Gespräch, die mit Christus bzw. mit dem Evangelium von Christus konfrontiert werden. Letzteres ist eine Erfüllung von Jesu Ankündigung in Lk 21,12 und so ist auch der Auftrag für Paulus, Jesu Namen vor Königen zu tragen (Apg 9,15), in dieser Sinnlinie einzuordnen. Die traditionsgeschichtliche Bedeutung der Gottesknechtstradition für die Vorstellung des Königtums Jesu wurde bereits mehrfach deutlich: Die Erhöhung des Knechts in den herrschaftlichen Status (Jes 52,13 LXX: u`ywqh,setai kai. doxasqh,setai sfo,dra) entspricht dem bei Lukas betonten Herrscherstatus Jesu; andererseits besteht der Erfolg des Gottesknechts in der heilvollen Auswirkung seines Todes nicht nur auf Israel, sondern auch auf Heiden und Könige (Jes 52,15).321 Das Motiv des in den Tod gegangenen und herrschaftlich erhöhten Jesus im Gegenüber zu Juden, Heiden und Königen durchzieht das lukanische Werk und hat seinen traditionsgeschichtlichen Haftpunkt insbesondere im vierten Gottesknechtslied. Dazu fügt sich die Verschmelzung der davidisch-messianischen mit der Gottesknechtstradition, wie sie besonders in der Tauf- und Verklärungsstimme, in der Nazarethperikope, in der Kreuzes- sowie in der Emmauserzählung und eben in Apg 3 und 4 zutage tritt. Dieses Bild wird dadurch noch ergänzt, dass die königliche Sohnesproklamation nach Ps 2,7 nicht nur für Lk 3,22 und Lk 9,35 von Bedeutung ist, sondern auch in Apg 13,33 zitiert wird. Außer mit Ps 2,7 wird hier auch mittels Jes 55,3 und Ps 16,10 (s. Apg 13,34–37) der Nachweis geführt, dass Jesu Auferweckung 322 die Verheißungen an die Väter erfüllt und er gegenüber David als der wahre König Gottes anzuerkennen ist. Nun zählt Apg 13,33 zu den Texten, welche des Öfteren für die Hypothese einer „primitiven“ Christologie herangezogen werden. Unter der Annahme, dass das zitierte Wort aus Ps 2,7 auf eine adoptianische Aussage ziele, schreibt man Lukas darum die unreflektierte Übernahme einer alten Tradition zu, der zufolge die Gottessohnschaft Jesu erst mit der Auferweckung beginne. 323 Wird jedoch die ursprüngliche Bedeutung von Ps 2,7 als Einsetzung in das herrschaftliche Amt anerkannt,324 ist Apg 13,33 nicht im Sinn einer Erhebung des 320
Mit Lk 1,32f und Apg 1,6–8 wird das Thema jeweils am Anfang beider Werkhälften betont. 321 Für Lk 23,6–12, das Verhör vor Herodes Antipas, wird dieser Bezug erkannt von MITTMANN-RICHERT, Sühnetod, 177, die in Anm. 271 auch auf die Anknüpfungspunkte für eine „heidnische Interpretation“ des Herodes Antipas verweist, näherhin seine idumäische Abstammung väterlicherseits und seine Assimilation an die griechische Kultur. In dieser Richtung sind auch Agrippa I. (Verknüpfung mit Tyrus und Sidon) und Agrippa II. einzuordnen (Koordination mit dem römischen Prokurator Festus). 322 Ob avnasth,saj VIhsou/n in Apg 13,33 im Sinne der Auferstehung bzw. Erhöhung oder im Sinne der Erweckung zum irdischen Wirken zu verstehen ist, wird diskutiert, da der Kontext für beides Anhaltspunkte bietet und die alternierende Verwendung von evgei,rw und avni,sthmi ohnehin ein eigenes Problem darstellt (s.o. in Abschnitt II.A.2.3). Während in V. 22 zunächst von der Erhöhung Davids zum König die Rede ist (h;geiren to.n Daui.d), wird im unmittelbaren Kontext jedoch die Auferweckung deutlich betont (V. 30: h;geiren auvto.n evk nekrw/n; V. 34: avne,sthsen auvto.n evk nekrw/n; V. 37: o]n de. o` qeo.j h;geiren), weshalb dieser Sinn auch für V. 33 anzunehmen ist. Vgl. zur Diskussion LAKE – CADBURY, Beginnings I/IV, 154f; PESCH, Apg II, 38; JANSE, “You are My Son”, 97–99; sowie STEYN, Septuagint Quotations, 172–176. 323 S. stellvertretend BAUERNFEIND, Apg, 176. 324 S. dazu o. in Abschnitt II.A.2.4.2 im Zusammenhang der Erklärung des Sohnestitels.
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
Auferweckten „zum Sohn“ zu begreifen, sondern als Demonstration der Einsetzung Jesu, des mit Gott wesenseinen Sohnes (s. Lk 1,31–33.35), in das Amt der universalen Weltherrschaft.325 ***
3.3 Apg 4,29f Nach der christologischen Applikation von Ps 2,1f in Apg 4,27f folgt in einem zweiten Schritt nun eine ekkesiologische Applikation in Apg 4,29f. 326 Diese ist auf das Verhör von Petrus und Johannes durch das Synhedrium bezogen, näherhin auf die Versammlung der Oberen, Ältesten, Schriftgelehrten und Hohepriester (Apg 4,5f), auf den Freimut der Apostel zur Verkündigung (Apg 4,13), auf die anschließenden Drohungen von Seiten der Oberen (Apg 4,17.21) sowie auf das Zeichen der Heilung des Gelähmten (Apg 4,22). Die Konspiration gegen Jesus setzt sich folglich in den äußeren Anfeindungen gegen die christliche Gemeinde fort – ein Topos, der noch eigens aufzugreifen ist. 327 Schon von hier aus wird aber deutlich, dass es gerade die Gottesknechtsexistenz Jesu ist, welche die Existenz seiner Nachfolger prägt: An diese binden sich die Beter durch die in V. 30 erklingende und an die Mosetradition erinnernde Bitte, dass Gott seine Hand zur Heilung ausstrecken und Zeichen und Wunder geschehen lassen möge328 „durch den Namen deines heiligen Knechtes Jesus“ (dia. tou/ ovno,matoj tou/ a`gi,ou paido,j sou VIhsou/ ), durch den Namen des Knechtes also, der zum Heil und zur Heilung des Men-
325 Mit CONZELMANN, Apg 85, und MITTMANN, Die neutestamentliche Rezeption von Ps 2 und Ps 110 (109 LXX), 215. Es ist daran zu erinnern, dass die Wendung „ich habe dich geboren“ (gege,nnhka, se) das Hervortreten zum Herrschaftsantritt bezeichnet, welches im Licht der Auferstehung aus dem Todesbereich einen vertieften Sinn erhält. Dass in Apg 13 auch implizite Bezüge auf den ganzen zweiten Psalm ausgemacht werden können, weshalb nicht von einer atomistischen Exegese auszugehen sei, betont mit Recht W EREN, Psalm 2 in Luke-Acts, 198f; ähnlich STEYN, Septuagint Quotations, 176. Ps 2,7 wird im Neuen Testament noch in Hebr 1,5; 5,5 zitiert, während Ps 2,9 im Hintergrund von Offb 2,27; 12,5; 19,15 steht. 326 Zur Verarbeitung von Ps 2 in Apg 4 vgl. JANSE, “You are My Son”, 90–95, der auch 4Q174 (4QFlor) berücksichtigt, wo Ps 2,2 ebenfalls rezipiert ist. Es fehlt freilich für Apg 4 jedwede Überlegung zur Korrelation mit dem christologischen Knechtsterminus. Umgekehrt ist hervorzuheben, dass JANSE im genannten Werk der Rezeption von Ps 2 im Frühjudentum, etwa in PsSal 17, sowie den Zusammenhängen von Ps 2 mit verwandten Texten nachgeht. Seine Annahme von Testimoniensammlungen ist hier nicht weiter zu diskutieren. 327 S.u. in Kapitel II.B. die Abschnitte 2.3 bis 2.5. 328 Vgl. etwa Ex 3,20; 4,17.21; 6,6; 7,3.5. Grundsätzlich richtig gesehen von P ETERSON, Acts, 202.
3. Der heilige und gesalbte Knecht: Apg 4,27.30
257
schen den Weg in den Tod und zur Verherrlichung ging. 329 Als Nachfolger des Knechts sind die Jünger ebenfalls Gottes „Knechte“ (V. 29). Dass für diese Selbstbezeichnung der Terminus dou/loi – und nicht pai/dej – gebraucht wird (vgl. Lk 2,29; Apg 16,17), ist Hinweis auf die systematische Verwendung des Knechtstermini durch Lukas und hängt, wie bereits dargelegt, insbesondere mit der Rezeption von Joel 3,2 zusammen. 330 Die in V. 31 dargestellte göttliche Reaktion auf das Gebet im Beben der Erde und in der Erfüllung mit dem Geist unterstreicht sodann die Erhörung der Bitte um Freimut. Zugleich wird dadurch der Bogen zum Pfingstereignis, und damit zum Grunddatum der urchristlichen Verkündigung geschlagen und findet die durchdachte Komposition ihren adäquaten Abschluss. Ausgehend vom christologischen pai/j-Beleg Apg 4,30 ist schließlich noch einem Aspekt nachzugehen, der für Apg 3 und 4 insgesamt als Leitmotiv dient: der Betonung des Namens Jesu (s. Apg 3,6.16; 4,7.10.12.17f.30). An dieser Eigenheit der Apostelgeschichte kann schon aufgrund ihres grundsätzlichen Charakters nicht vorbeigegangen werden – und speziell deshalb nicht, weil sich hierin einmal mehr der Einfluss der Gottesknechtstradition zeigt. Der folgende Exkurs schließt darum die Betrachtung des Gemeindegebets ab. Exkurs: Zur Bedeutung des Namens Jesu nach der Apostelgeschichte Die Betonung des Namens Jesu ist ein Charakteristikum der Apostelgeschichte. Am häufigsten findet sich dabei als Genitiv zu to. o;noma schlicht tou/ VIhsou/, aber auch die Verbindung mit zusätzlichen Epitheta ist nicht ungewöhnlich.331 Dass Lukas mit dieser Eigenart grundlegend an die alttestamentliche Tradition anschließt, wird bereits in der Pfingstpredigt des Petrus deutlich. Diese Rede umfasst – unter Einbeziehung der Antwort des Petrus auf die erste Reaktion der Hörer – insgesamt Apg 2,14b–40. Sie ist durchdacht komponiert und untergliedert sich in vier Teile, von denen jeder mit einem Aufmerksamkeitsruf beginnt: I.
2,14b–21 A: 14b B: 15–21
II.
2,22–28 A: 22a
Der wahrnehmbare Anbruch der Heilszeit Aufmerksamkeitsruf („Ihr jüdischen Männer und ihr alle, die ihr zu Jerusalem wohnt“) Explikation des Geistgeschehens als Erfüllung von Joel 3,1–5a (V. 20f: Der Name Gottes, des Kyrios, verbürgt die Errettung) Der Grund des Heils (I) Aufmerksamkeitsruf („Ihr Männer von Israel“)
Vgl. dazu nochmals ROBERTS, Paij qeou and o uioj tou qeou in Acts 1–13, 252, der die Heilung des Gelähmten als sichtbare Realisierung der Tatsache ansieht, dass der Mensch aufgrund des Werkes Jesu als des Knechts zum Heil gelangt. 330 S.o. in Abschnitt II.A.1 sowie u. im Exkurs zur Bedeutung des Namens Jesu in der Apostelgeschichte. 331 Vgl. die Übersicht o. S. 182f. 329
258
III.
II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie B: 22b–28
Explikation des Christusgeschehens als Erfüllung von Ps 16,8– 11b (V. 25: Gott als Kyrios)
2,29–36 A: 29a
Der Grund des Heils (II) Aufmerksamkeitsruf („Ihr Männer, Brüder“)
B: 29b–35
Weitere Explikation des Christusgeschehens als Erfüllung von Ps 16,8–11b Explikation des mit der Auferweckung und der Erhöhung einhergehenden Geistempfangs Jesu und der Ausgießung des Geistes als Erfüllung von Ps 110,1 (V. 33f: Gott als Vater und Kyrios; V. 31.34: Jesus als Christus und Kyrios) Deklaration: Jesus, der Gekreuzigte, als Kyrios und Christus (Klimax)
C: 36 IV.
2,37–40 A: 37 B: 38–40
Die Anteilgabe am Heil Aufmerksamkeitsruf der Menge („Ihr Männer, Brüder“) und Betroffenheit Doppelte Aufforderung zur Taufe zur Erfüllung der Verheißung an Israel und an alle Berufenen von ferne (V. 39: Gott als Kyrios; V. 38.40: der Name Jesu verbürgt die Errettung)
Inhaltlich spannt die Rede einen Bogen von dem durch das Geistwirken wahrnehmbar gewordenen Anbruch der Heilszeit bis hin zur möglichen Anteilgabe am Heil, welches dazwischen in mehreren Schritten begründet wird. Im ersten Teil, der das geistgewirkte Geschehen als schriftgemäßes Ereignis erklärt, lässt Lukas Petrus Joel 3,1–5a zitieren und endet in Apg 2,21 mit der positiven eschatologischen Aussage: Und es wird geschehen: Jeder, der den Namen des Kyrios (to. o;noma kuri,ou) anrufen wird, wird errettet werden (swqh,setai).332 Dies bezieht sich inhaltlich zunächst auf Gott und die von ihm zu erwartende Rettung. 333 Nachdem Petrus dann in zwei Durchgängen mit Hilfe von zwei weiteren alttestamentlichen Zitaten das Christusgeschehen als schriftgemäßes Geschehen und als Grund des Heils dargestellt und dabei Gott als Kyrios und Vater vorgestellt hat, endet er in Apg 2,36 mit der Proklamation Jesu, des Gekreuzigten und Auferstandenen, als Kyrios und Christus. Gott als dem Kyrios wird somit der Kyrios Christus an die Seite gestellt – ein Vorgang, dessen Grund in Gott selbst liegt, ist er doch Subjekt des Satzes. 334 Darum kann auch die 332
Zum Vergleich des Zitats mit dem Text der LXX, wo die Zählung Joel 2,28–32 lautet, s. RESE, Alttestamentliche Motive, 46–55, und HOLTZ, Untersuchungen, 5–14. 333 Manche Exegeten sehen in Apg 2,21 bereits einen Bezug auf Jesus. Vgl. HAENCHEN, Apg, 181; SCHNEIDER, Apg I, 270 Anm. 56; BARRETT, Acts I, 139. Dies entspricht grundsätzlich dem Gesamtduktus der Rede; vom Zitat selbst her ist jedoch zuerst der Ursprungsbezug festzuhalten. BOCK, Acts, 118, differenziert daher richtig, wenn er erst in Zusammensicht von V. 21 und V. 38 die christologische Frage stellt. S.o. das Folgende. 334 An dieser Stelle entzündet sich immer wieder die Diskussion um ein „adoptianisches“ Verständnis, gemäß dem Jesus erst durch seine Erhöhung zum Herrn und Christus
3. Der heilige und gesalbte Knecht: Apg 4,27.30
259
durch Joel 3 gedeutete Geistausgießung christologisch eingeordnet werden: Es ist Jesus selbst, der den Geist vom Vater empfangen und ihn ausgegossen hat (V. 33). 335 In einem letzten Schritt wird dann die zu Beginn beschriebene eschatologische Errettung durc h Anrufung des Namens Gottes gleichgesetzt mit der Taufe auf den Namen Jesu zur Vergebung der Sünden. Referenzpunkt ist auf beiden Seiten nicht nur die Betonung des Namens, welche die Rede rahmt (s. V. 38: evpi. tw/| ovno,mati VIhsou/ Cristou/ ), sondern die zweite gemacht sei. So sieht ROLOFF, Apg, 60, in Apg 2,36 eine alte Formel erhalten, die eigentlich im Widerspruch zur lukanischen Christologie stehe; er plädiert aber dafür, nicht den Begriff „adoptianisch“ zu gebrauchen, sondern von einer Zwei-Stufen-Christologie zu sprechen. Ähnlich HAENCHEN, Apg, 189, und BAUERNFEIND, Apg, 51, der von einer quasi-adoptianischen Vorgeschichte ausgeht. Dagegen ist der Vers für SCHNEIDER, Apg I, 276f, kein alter adoptianischer Bekenntnissatz, sondern lukanische Formulierung und schlichtweg Ergebnis der Beweisführung in Apg 2; evpoi,hsen sei daher nicht adoptianisch zu verstehen. PESCH, Apg I, 124, wiederum räumt diese Möglichkeit zumindest ein. Demgegenüber ist darauf zu verweisen, dass die beiden Titel primär mit den Zitaten aus Ps 16 und Ps 110 zusammenhängen (s. Apg 2,31.34) und nicht notwendig ein chronologisches Schema hinsichtlich der Titulierung im Blick ist; ferner gilt nach Apg 10,38 und Lk 2,11; 4,18 ausdrücklich der irdische Jesus als Gesalbter und auch der Kyrios-Titel – dies ist ein lukanisches Spezifikum – wird in besonderer Weise für Jesus bereits in seinem irdischen Wirken gebraucht, und zwar von Mutterleibe an (Lk 1,43: ku,rioj; 2,11: cristo.j ku,rioj). Mit dem Ostergeschehen setzt freilich verstärkt das Bekenntnis zu Jesus als dem Kyrios ein: Erklingt der Titel bis dahin, abgesehen vom Vokativ und von Lk 1,43 (vgl. 1,76), nur im Munde Jesu (Lk 19,31.34; vgl. 20,42.44) bzw. eines Engels (Lk 2,11) und von Seiten des Erzählers, bekommt er anschließend zentrale Bedeutung für die Reden der Jünger (s. Lk 24,34; Apg 2,38; 9,17; 10,36; 11,16f; 15,11.26; 16,31; 20,21.24.35; 21,13; 26,15); die christologische Bedeutung des Vokativs darf jedoch nicht unterschätzt werden, zumal oft ein Nebeneinander von Vokativ und absoluter Form auszumachen ist. Angesichts dieser Beobachtungen ist Apg 2,36 doch am ehesten so zu verstehen, dass die bestehende Identität Jesu als ku,rioj kai. cristo,j , die durch seinen Tod in Frage gestellt scheint, als von Gott her bestätigt proklamiert wird (vgl. Lk 24,3.34). Demnach liegt in Apg 2,36 keine ontologische Transformation vor, sondern wird im Blick auf die Adressaten („So wisse das ganze Haus Israel gewiss“) und in Bezug auf Kreuz und Auferstehung das längst Gültige letztgültig evident gemacht. Dem entspricht, dass nach Ps 110,1 bzw. Apg 2,34 der zur Rechten Gottes inthronisierte ku,rioj schon vor dem Akt der Inthronisation ku,rioj ist. Mit JONES, The Title Kyrios in Luke-Acts, 93; ROWE, Acts 2.36 and the Continuity of Lukan Christology, v.a. 51–55; BALLA, Does Acts 2:36 Represent an Adoptionist Christology?; BOCK, Acts, 136; und PETERSON, Acts, 153. Vgl. SCHNEIDER, Apg I, 277 Anm. 126 und 333 mit Anm. 15, sowie CONZELMANN, Apg, 36. Es sei noch angemerkt, dass nach Lk 20,41–44 Jesus selbst den Kyrios-Titel aus Ps 110,1 messianisch und im Sinne der Davidsohnschaft versteht. Von daher fällt weiteres Licht auf das Nebeneinander von ku,rioj und cristo,j in Apg 2,36. Für eine ausführliche Besprechung des Kyrios-Titels im lukanischen Werk s. neben JONES, op. cit., und ROWE, op. cit., besonders DE LA POTTERIE, Le titre KURIOS appliqué a Jésus dans l’Évangile de Luc; KILPATRICK, “Kurios” in the Gospels; DERS., Kyrios again; O’NEILL, The Use of KURIOS in the Book of Acts; FRANKLIN, Christ the Lord, 49–55; SCHNEIDER, Gott und Christus als ku,rioj nach der Apostelgeschichte; DUNN, KURIOS in Acts; außerdem FITZMYER, Der semitische Hintergrund des neutestamentlichen Kyriostitels. 335 Dieser Aspekt wird auch betont von RESE, Alttestamentliche Motive, 55.
260
II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
Aufforderung, sich aus dem verkehrten Geschlecht erretten zu lassen (V. 40), unterstreicht den vorangehenden Taufaufruf auch dergestalt, dass nun ebenfalls das in Joel 3,5a gebrauchte Stichwort sw,|zw aufgenommen ist. Der Heilscharakter der Taufe ist also in doppelter Weise als Konsequenz der alttestamentlichen Verheißung erwiesen. 336 Hinzu kommt, dass nach Joel 3,1f die Gabe des Geistes Kennzeichen der Gottzugehörigkeit ist und dies nach Apg 2,38 entsprechend für die Getauften gilt: Wer Christus angehört, hat geschenkweise Anteil am heiligen Geist. 337 Joel 3,1f.5a/ Apg 2,17f.21:
Name des Kyrios [= JHWH] (to. o;noma kuri,ou)
(a) Gabe des Geistes als Kennzeichen der Gottzugehörigkeit (b) Heil = Errettung am Tag des Kyrios (sw,|zw)
Apg 2,38.40:
Name Jesu (to. o;noma VIhsou/ Cristou/)
(b’) Heil = Errettung aus dem verkehrten Geschlecht durch die Vergebung der Sünden in der Taufe (sw,|zw) (a’) Gabe des Geistes als Kennzeichen der Christuszugehörigkeit
Dass Lukas Apg 2,38–40 von Joel 3 her versteht, ergibt sich ferner aus dem Hinweis in V. 39, der bis in den Wortlaut hinein Joel 3,5c entspricht: Apg 2,39:
Denn euch ist die Zusage und euren Kindern und allen in der Ferne, so viele der Herr, unser Gott, herbeirufen wird. u`mi/n ga,r evstin h` evpaggeli,a kai. toi/j te,knoij u`mw/n kai. pa/sin toi/j eivj makra,n( o[souj a'n proskale,shtai ku,rioj o` qeo.j h`mw/nÅ
Joel 3,5bc:
Denn auf dem Berg Zion und in Jerusalem wird der Errettete sein, wie der Herr gesagt hat, und es werden frohe Botschaft erhalten 338 die, die der Herr herbeigerufen hat. o[ti evn tw/| o;rei Siwn kai. evn Ierousalhm e;stai avnasw|zo,menoj kaqo,ti ei=pen ku,rioj kai. euvaggelizo,menoi ou]j ku,rioj proske,klhtaiÅ
336
Ähnlich O’TOOLE, Luke’s Presentation of Jesus, 187f. Abgesehen von der Qualifikation der Taufe durch den Namen Jesu – und damit durch das in seinem Sterben und Auferstehen begründete Heil – ist auch in der Geistverleihung ein deutlicher Unterschied gegenüber der Johannestaufe zu erkennen, die nach Lk 3,3 ja auch zur Vergebung der Sünden geschah (ba,ptisma metanoi,aj eivj a;fesin a`martiw/n ; vgl. Apg 13,24; 19,4: ba,ptisma metanoi,aj). Im Blick auf das Verhältnis von Taufe und Geistempfang ist davon auszugehen, dass Apg 2,38 als programmatischer Grundsatz verstanden werden soll. Dass Lukas später die beiden Aspekte verschieden koordiniert, liegt jeweils an der besonderen Nuancierung der Erzählungen. Mit PESCH, Apg I, 125 sowie ebd., 281–285, im Exkurs zum Thema. Zum Zusammenhang der Geistverleihung und des Status als dou/loj qeou/ ausgehend von Joel 3 s. auch o. S. 190f. 338 Möglich ist auch die Übersetzung „es werden frohe Botschaft verkünden“. 337
3. Der heilige und gesalbte Knecht: Apg 4,27.30
261
Darum ist die Bezugnahme unzweifelhaft,339 auch wenn diese Stichoi vorher im Rahmen des Joelzitats nicht mehr angeführt werden und für die Wendung toi/j eivj makra,n eine Verbindung mit Jes 57,19 anzunehmen ist. 340 Dies zeigt einmal mehr, dass Lukas die Schriftstellen nicht atomistisch rezipiert, sondern den Gesamtkontext sehr wohl im Blick hat und reflektiert verarbeitet. 341 Das Ende der Rede ist also in direktem Bezug auf ihren Anfang zu begreifen. Die Wurzel für die Betonung des Namens Jesu liegt nach Apg 2 in der Übertragung alttestamentlicher Hoheits- und Heilsvorstellungen auf Christus. Der Name des Kyrios von Joel 3 wird nun durch Christus präzisiert und die gemäß den Schriften von Gott her zu erwartende Rettung ist nunmehr in Jesus verbürgt. Die Gottesgemeinschaft ist für den Menschen nur durch ihn möglich.342 Was den Namen Jesu auszeichnet, ist das von Petrus in Apg 2,22–36 Dargelegte: sein Sterben und Auferstehen. So ist die Heilszeit im Geschehen auf Golgatha und durch das leere Grab angebrochen, sie wird aber an Pfingsten im Blick auf die Jünger wahrnehmbar. Die Anteilgabe an dem durch Jesus eröffneten Heil vollzieht sich fortan in der Taufe, die als eschatologisches und in Tod und Auferstehung Jesu gründendes Geschehen zu verstehen ist. 343 Die Betonung des Namens Jesu in der Apostelgeschichte rührt folglich daher, dass dadurch einerseits Jesu Herr-Sein analog zum Herr-Sein Gottes ausgedrückt ist und andererseits in seinem Namen – und nur hier! – für den Menschen neues Leben in ungebrochener Gottesgemeinschaft zu finden ist: Dem sind die Sünden vergeben, 339 So auch SCHNEIDER, Apg I, 277 Anm. 126. An dieser Stelle ist ferner LITWAK, Echoes of Scripture in Luke-Acts, zu nennen, der S. 155–173 die Bedeutung von Joel 3,1– 5 für die ganze Pfingstpredigt sowie für die Apostelgeschichte insgesamt herausarbeitet und die vielfältigen Bezugnahmen auf diesen Text betont. Vgl. auch WILLMES, Lukas als Interpret von Joël 3,1–5. 340 So auch WOLFF, Joel und Amos, 84, der eine Universalisierung des Joelverses durch die Kombination mit Jes 57,15 ausmacht. Auch die Sendung des Paulus erfolgt laut Apg 22,21 eivj e;qnh makra,n . 341 Dass Joel 3,5bc in Apg 2,21 nicht zitiert werden und in V. 39 ebenfalls nur unvollständig aufgenommen sind, dürfte am Bezug auf den Zion liegen. Die Ausführungen des Petrus wollen ja gerade dies aufzeigen: Dass das Heil zwar in Jerusalem seinen Haftpunkt hat – dies wird narrativ dargestellt, da die Rede in Jerusalem stattfindet und das Geschehen in Jerusalem zum Inhalt hat –, dass das Heil aber grundsätzlich an die Person Jesu, nicht an die Erwählung Israels gebunden ist. Somit findet hier eine Universalisierung und personale Zuspitzung der Joelworte statt. Vgl. RESE, Alttestamentliche Motive, 50 mit Anm. 30. Möglicherweise ist auch die Präposition evpi, in der Wendung evpi. tw/| ovno,mati VIhsou/ Cristou/ (Apg 2,38) von Apg 2,21 bzw. Joel 3,5a her zu verstehen, wo die Anrufung des Namens des Herrn mit evpikale,omai formuliert ist. Vgl. SCHNEIDER, Apg I, 277 Anm. 133. Manche Textzeugen, darunter auch der Codex Vaticanus, bieten in Apg 2,38 freilich evn. Zu den verschiedenen Taufformeln in der Apostelgeschichte s.u. Anm. 345. 342 Dem widerspricht nicht Apg 15,14, wonach es Gott ist, der die Heiden heimsucht, um aus ihnen ein Volk für seinen Namen zu gewinnen. Ähnlich wie in Apg 2 wird im Kontext ein alttestamentliches Zitat zur Begründung geboten (Am 9,11f in Apg 15,16–18), welches die Heiden als solche herausstellt, „über die mein Name genannt ist“ (evfV ou[j evpike,klhtai to. o;noma, mou evpV auvtou,j ). Da vorher auch die Errettung durch die Gnade Jesu betont wird (Apg 15,11), ist das Nebeneinander von Gott und Christus wie in Apg 2 gewährleistet. 343 Dies liegt ganz auf der Linie von Apg 8,26–40, wo die Taufe des Äthiopiers als Einbeziehung in das von Jes 53 her zu verstehende Todesgeschehen beschrieben wird.
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
der sich Jesus überschreibt. Der ist errettet, über dem dieser Name genannt ist. In diesem Namen ist die ganze Kraft des Evangeliums konzentriert. 344 In Apg 3,6 geschieht daher auch die Heilung des Gelähmten in eben diesem Namen, „im Namen Jesu Christi, des Nazareners“ (evn tw/| ovno,mati VIhsou/ Cristou/ tou/ Nazwrai,ou), was in Apg 4,10 bestätigt wird, wo die Wendung zudem um Jesu Tod und Auferstehung erweitert ist. In Apg 4,12 wird sodann der aus Apg 2 deutlich gewordene Sachverhalt für die ganze Apostelgeschichte noch einmal programmatisch zusammengefasst, wenn Petrus vor dem Hohen Rat erläutert: Und es ist in keinem andern die Rettung (h` swthri,a), denn es ist auch kein anderer Name (ouvde. ga.r o;noma, evstin e[teron) unter dem Himmel den Menschen gegeben, in dem wir gerettet werden sollen (dei/ swqh/nai). Diese Aussage liegt ganz auf der Linie von Joel 3,5a und Apg 2,38–40 und ist durch die Stichworte o;noma und sw,|zw bzw. swthri,a damit verbunden. Der Name Jesu wird erneut mit dem nach alttestamentlicher Tradition einzigartigen Gottesnamen gleichgesetzt; nunmehr liegt allein in diesem Namen das Heil des Menschen. Und der Mensch – dies ist die anthropologische Pointe – ist darauf angewiesen, denn er ist erlösungsbedürftig. Umso drastischer wirkt es daher, wenn anschließend den Jüngern die Lehre im Namen Jesu zweifach untersagt wird (Apg 4,18; 5,40). Sichtet man die weiteren Referenzstellen, so wird deutlich, dass der Name Jesu in mehreren Zusammenhängen besonders hervorgehoben ist: Einerseits bei der Taufe, die auf den Namen Jesu bzw. in seinem Namen erfolgt (Apg 2,38; 8,16; 10,48; 19,5), 345 zum anderen bei der Verkündigung, die nicht nur Jesus zum Inhalt hat, sondern auch im Namen Jesu geschieht (Apg 4,12.18; 5,40; 8,12; 9,27), ferner bezogen auf Heilungen und Wunder (Apg 3,6.16; 4,10.30; 19,13; vgl. 19,17) und schließlich verbunden mit dem Leiden für den Namen Jesu (Apg 15,26; 21,13; vgl. 26,9). Leben, Reden und Handeln der Jünger stehen demnach unter dem Vorzeichen des rettenden Namens Jesu, und so verwundert es nicht, dass die Anrufung seines Namens auch das markante Kennzeichen seiner Nachfolger ist (Apg 9,14).346 Dem Gewicht, das dem Namen Jesu beigemessen wird, entspricht, dass dieser gleich zu Beginn des Doppelwerkes ausdrücklich auf Gott selbst zurückgeführt wird (Lk 1,31; 2,21). 344
Die Nähe der Argumentationslinie der Pfingstpredigt zu Röm 10,9–13 ist bemerkenswert. In diesen Versen ruft Paulus ins Gedächtnis, dass das Bekenntnis zu Jesus als dem Kyrios und der Glaube an seine Auferstehung die Rettung (sw,|zw; swthri,a) zur Folge haben. Neben Jes 28,16 wird wiederum Joel 3,5a zitiert und wird die Rettung sowohl von Juden als auch Heiden an die Anrufung des Namens des Kyrios (= Jesus) gebunden. 345 Verschieden formuliert mit evpi, + Dativ (Apg 2,38; 19,5), eivj + Akkusativ (Apg 8,16) oder evn + Dativ (Apg 10,48). Zum Problem der Herkunft der Formel aus dem hebräisch-aramäischen oder griechisch-hellenistischen Sprachbereich sowie zur Frage, ob dadurch die Taufe als Akt der Herrschaftsübergabe oder als Akt der Einfügung in das an den Namen Jesu gebundene Heilsgeschehen zu verstehen ist oder ob lediglich eine Abgrenzung zur Johannestaufe und zu den Tauchbädern von Qumran vorliegt, s. die in ihren Ergebnissen verschiedenen, aber grundlegenden Studien von HEITMÜLLER, „Im Namen Jesu“, v.a. 1–127, und DELLING, Die Zueignung des Heils in der Taufe, sowie STRACK – BILLERBECK, Kommentar I, 590f.1054f; HARTMANN, ‘Into the Name of Jesus’; und ZIESLER, The Name of Jesus in the Acts of the Apostles, 29–32. 346 Dies führte historisch bekanntlich zu der Bezeichnung der Jünger als Cristianou,j (Apg 11,26; vgl. 26,28).
3. Der heilige und gesalbte Knecht: Apg 4,27.30
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Die Ausgestaltung der Apostelgeschichte in der beschriebenen Weise hat aber noch weitere Haftpunkte im Evangelium. So ist die Verkündigung der Umkehr zur Vergebung der Sünden in Jesu Namen gemäß Apg 2,38 (metanoh,sate, kai. baptisqh,tw e[kastoj u`mw/n evpi. tw/| ovno,mati VIhsou/ Cristou/ eivj a;fesin tw/n a`martiw/n ) bis in den Wortlaut hinein Erfüllung des Auftrages Jesu nach Lk 24,47 (khrucqh/nai evpi. tw/| ovno,mati auvtou/ [= tou/ cristou/] meta,noian eivj a;fesin a`martiw/n ) und die damit einhergehende Taufe auf seinen Namen ist die entsprechende Konsequenz. 347 Die Heilungen durch die Jünger sind in Lk 10,17 vorgebildet, wonach die bösen Geister den von Jesus Ausgesandten in seinem Namen untertan sind,348 und schließlich werden auch die Verfolgung sowie das Leiden um des Namens Jesu willen bereits von Jesus selbst thematisiert (Lk 21,12.17). So zieht Lukas in der Apostelgeschichte durch die Betonung des Namens Jesu in den genannten Zusammenhängen die im Evangelium vorgezeichneten Linien konsequent aus. 349 Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Betonung des „Namens“ auch ein Merkmal des Jesajabuches ist. 350 Demnach gilt der Name Gottes als hoch und preiswürdig (Jes 12,4; 24,15; 25,1), man sehnt sich danach (Jes 26,8) und gedenkt seiner (Jes 26,13); der Name des Heiligen Jakobs ist zu heiligen (Jes 29,23) und in seinem Namen wohnt Gott selbst auf dem Zion (Jes 18,7) oder kommt er zum Gericht (Jes 30,27). Besonders deutlich werden die Exklusivität und das Gewicht des Gottesnamens aber im zweiten Teil des Buches, gerade in der Umgebung der Gottesknechtslieder. So lautet die göttliche Selbstaussage in Jes 42,8: Ich bin JHWH, das ist mein Name. Und meine Ehre gebe ich keinem andern noch meinen Ruhm den Götzen. An anderen Stellen wird der Name weiter definiert als „JHWH Zebaoth“ und „Heiliger Israels“ (Jes 47,4; 48,2; 51,15; 54,5). Gott hält um seines Namens willen seinen Zorn zurück (Jes 48,9) und ist in seinem Namen Hoffnungsgrund für alle, die in der Finsternis wandeln (Jes 50,10). Seinen Namen preist man (Jes 41,25) und bei ihm schwört man (Jes 48,1), er ist aber auch Ziel der Lästerung (Jes 52,5). Gottes Name soll letztlich erkannt werden, wo dieser sich als heilvoll erweist (Jes 52,6), und auch gemäß dem letzten Teil des Buches bleibt der Name des Hohen und Erhabenen heilig (Jes 57,15): 351 Er ist Ziel der 347
Zur Verbindung mit und Steigerung gegenüber Lk 3,3 s.o. Anm. 337. Zu Apg 19,13 vgl. auch Lk 9,49. 349 Vgl. im Evangelium noch Lk 9,48; 21,8. 350 So auch STANLEY, The Theme of the Servant of Jahweh, 388 Anm. 10. Damit ist freilich keine Exklusivität in der Verwendung des Motivs für diese Schrift beansprucht. Der Gedanke des Gottesnamens ist zweifellos alttestamentliches Gemeingut und erscheint am häufigsten in den Psalmen. Gerade im Vergleich mit den anderen prophetischen Schriften fällt allerdings der vielfältige Gebrauch bei Jesaja auf (s.o. im Folgenden). Bei Jeremia dagegen liegt der Schwerpunkt eindeutig auf der „Prophetie im Namen Gottes“ und auf dem Haus, „da Gottes Name wohnt“ (s. Jer 3,17; 7 passim; 10,6.25; 11,21; 12,16; 14,7.9. 14f.21; 15,16; 20,9; 23,25.27; 25,29; 26,9.16.20; 27,15; 29,9.21.23; 31,35; 32,18.20; 32,34; 33,2; 34,15f; 44,16.26); bei Ezechiel dominiert die Vorstellung von der Entweihung des Gottesnamens (s. Ez 3,17; 20,9.14.22.39.44; 33,7; 36,20–23; 39,7.25; 43,7f) und ansonsten ist der Befund vergleichsweise überschaubar. Vgl. Dan 2,20; 9,6.15.18f; Hos 12,6; Joel 2,26; 3,5; Am 2,7; 6,10; 9,12; Mi 4,5; 5,3; 6,9; Zeph 3,9.12; Sach 5,4; 10,12; 13,3.9; 14,9; Mal 1,6.11.14; 2,2.5; 3,16.20. 351 Im Licht des auch anderweitig festgestellten Einflusses von Jesaja auf das lukanische Werk ist nicht auszuschließen, dass gerade Jes 57,15 durch die Wendung ku,rioj o` u[yistoj 348
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
Sammlung Israels (Jes 60,9), erinnert an Gottes geschichtliches Eingreifen (Jes 63,12.14), wird mit „Erlöser“ näher beschrieben (Jes 63,16) und den Heiden kundgetan (Jes 64,1). Die Anrufung des Namens unterbleibt bisweilen, wo Gott sein Angesicht verbirgt (Jes 64,6), und doch lässt er sich eben von denen finden, die nicht nach ihm fragen (Jes 65,1). Auffällig ist ferner die von Gott vollzogene Nennung Israels mit Namen, die eine unverbrüchliche Verbindung mit ihm bewirkt (Jes 43,1.7; vgl. 48,1.19 sowie 56,5f; 63,19). Und speziell vom Gottesknecht gilt nicht nur, dass seines Namens bereits im Mutterleib von Gott gedacht wird (Jes 49,1), sondern es ist gemäß der Septuaginta auch der Name des Knechts – nicht der Name Gottes! –, auf dem die eschatologische Hoffnung der Völker ruht: Jes 42,4c LXX: kai. evpi. tw/| ovno,mati auvtou/ e;qnh evlpiou/sin) 352 Hier ist somit grundgelegt, was in Apg 2 mit Hilfe von Joel 3 und überhaupt im lukanischen Werk zum Ausdruck kommt: die Übertragung der „Namensgewalt“ Gottes auf seinen Knecht.353 Insofern ergänzt der jesajanische Traditionshintergrund den lukanischen Bezug auf die Joelworte und lässt er sowohl die Betonung des Namens Jesu im Zusammenhang mit der christologischen Verwendung des Knechtstitels in Apg 3 und 4 als auch umgekehrt die Verwendung des Knechtstitels neben der Hervorhebung des Namens Jesu in neuem Licht erscheinen – im Licht der jesajanischen Lieder. Diese Sicht wird bestätigt durch den Auftrag Jesu an Paulus nach Apg 9,15f, dessen Bezüge zu den Gottesknechtstexten schon angesprochen wurden, 354 für den an dieser Stelle aber ein weiterer Aspekt zu ergänzen ist: Wenn Paulus den Namen Jesu tragen soll vor Heiden, Königen und Israel, so entspricht dies nicht nur der universalen Perspektive von Jes 42,1–6 und 49,1 sowie dem o` evn u`yhloi/j katoikw/n mit verantwortlich ist für die besonders bei Lukas gebrauchte Bezeichnung Gottes als des „Höchsten“ (u[yistoj). Zu den lukanischen Belegen s.o. Anm. 31. In der LXX dominiert der Titel freilich bei Sirach, Daniel und in den Psalmen. Vgl. BERTRAM, Art. u[yistoj. 352 Der MT liest „und seiner Tora harren die Inseln“ (Wlyxey:y> ~yYIai Atr"Atl.W). Vgl. dazu grundsätzlich EKBLAD, Isaiah’s Servant Poems According to the Septuagint, 68–70. Die Hoffnung der Heiden ruht auch nach Jes 11,10 LXX auf dem von Gott Verheißenen (evpV auvtw/| e;qnh evlpiou/sin), wodurch die messianische Erwartung mit der Gottesknechtsvorstellung verknüpft ist. So auch STRAUSS, Davidic Messiah, 243. In Jes 51,5 findet sich die ähnliche, aber auf Gott bezogene Aussage, dass „auf seinen Arm die Heiden hoffen“ (eivj to.n braci,ona, mou e;qnh evlpiou/sin). Im Anschluss an ZIEGLER, Isaias, verweist JEREMIAS, Pai/j (qeou/) im Neuen Testament, 192 Anm. 346, für Jes 42,4c darauf, dass der hebräische Text in der LXX verschrieben sein muss und eigentlich evpi. tw/| no,mw| auvtou/ zu lesen sei. Weder die Qumranschriften, die einstimmig den hebräischen Text bezeugen (s. 4QIsa h [4Q62] und mit geringer Abweichung 1QIsaa [wytrwtlw]), noch die griechische Textüberlieferung bieten jedoch eine Variante, weshalb textgeschichtlich kein Anlass zur Konjektur besteht. Zudem ist Jes 42,4c im Rahmen des Zitats von Jes 42,1–4 in Mt 12,18–21 gemäß der LXX wiedergegeben – ein Beleg dafür, dass die Stelle im Urchristentum im oben beschriebenen Sinn rezipiert wurde und mit einem theologischen Einfluss zu rechnen ist. Für die nachneutestamentliche Zeit ist dies etwa durch Justin erwiesen, wenn er Jes 42,1–4 in Dial. 123,8 und Dial. 135,2 je gemäß der LXX zitiert, die kollektive Deutung in Jes 42,1 LXX aber christologisch wendet. Irenäus wiederum folgt in Haer. 3,11,6 dem Zitat von Jes 42 gemäß Mt 12. 353 Vgl. dazu auch Lk 9,48 sowie Lk 13,35 und 19,38. 354 S.o. in Kapitel I, S. 127.
4. Ergebnis
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Adressatenkreis nach Jes 42,7; 49,6; 52,15; 53,12, sondern durch die Betonung des Namens eben auch Jes 42,4c LXX. Es sei noch angemerkt, dass sich das Nebeneinander von Joel 3,1–5 und jesajanischem Traditionsbereich, welches oben bereits hinsichtlich des lukanischen Gebrauchs der griechischen Knechtstermini festgestellt wurde, 355 auch dadurch erklärt, dass Joel 3 gerade durch das Motiv der Ausgießung des Geistes mit Jesaja verbunden ist. So hat Gott nach Jes 29,10 einen Geist des Schlafes auf das Volk ausgegossen, der zum Unverständnis gegenüber seinen Offenbarungen führt. Dagegen erfolgt die Restauration Israels laut Jes 32,15 dann, wenn der Geist aus der Höhe ausgegossen werden wird. Und ganz entsprechend ist innerhalb von Jes 44,1–5, einem Abschnitt, in welchem Israel als Gottesknecht bezeichnet wird und der weitgehende Parallelen zu den ersten beiden Gottesknechtsliedern aufweist, 356 davon die Rede, dass Gott seinen Geist auf die Kinder Israels gießen will (V. 3) – eine Vorstellung, die sich sonst im Alten Testament ausgesprochen selten findet. 357 ***
4. Ergebnis 4. Ergebnis
Das aus Apg 3 und 4 erhobene christologische Bild lässt erkennen, dass die Untersuchung des pai/j-Titels in der Apostelgeschichte mitten hinein in das Zentrum der lukanischen Christologie führt. Dabei zeigt sich – dies ist die zusammenfassende These – ein maßgeblicher und zugleich vielschichtiger Einfluss der jesajanischen Gottesknechtstradition, von der her der Titel an allen Stellen seines Vorkommens (Apg 3,13.26; 4,27.30) letztlich zu verstehen ist. Aufgrund des kompositorischen Zusammenhangs der entscheidenden Passagen hat der am deutlichsten auf die jesajanischen Texte bezogene Vers Apg 3,13 als Vorzeichen auch für die anderen Referenzstellen zu gelten. 358 Zudem erweist die Einbeziehung des Nebeneinanders der verschiedenen Titel innerhalb der besprochenen Texte die Gottesknechtsvorstellung als diejenige 355
S.o. unter II.A.1. Vgl. die Benennung mit „mein Knecht“ (Jes 44,1; vgl. 42,1; 49,3.5f), die Erwählung von Mutterleib an (Jes 44,1f; vgl. 42,1; 49,1.5.7), die Bewahrung (Jes 44,2; vgl. 42,1.6) und Betonung des Namens (Jes 44,5; vgl. 42,4c LXX; 49,1) sowie die Gabe des Geistes (Jes 44,3; vgl. 42,1). 357 Ausdrücklich nur noch in Ez 39,29 MT (vgl. Ez 36,26f) und Sach 12,10. Die Verbindung aller genannten Stellen wird auch gesehen und hinsichtlich der sprachlichen Nuancen diskutiert von BEUKEN, Jesaja 28–39, 239.249; KOOLE, Isaiah III/1, 361f; WILDBERGER, Jesaja 28–39, 1277f; und WOLFF, Joel und Amos, 71.78f. Zum Hintergrund vgl. noch Num 11,29. Zur Diskussion der jesajanischen Stellen in Bezug auf Apg 1,8 s.u. in Abschnitt II.B.2.1. 358 Vgl. auch den Hinweis von STUHLMACHER, Jes 53 in den Evangelien und in der Apostelgeschichte, 100f, dass die Prädikation in Bezug auf die Passionsgeschichte zu verstehen sei und eine ganzheitliche Vorstellung vom Gottesknecht in Jesu Gestalt zugrunde liege. 356
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
christologische Kategorie, vermittels derer Lukas die Bedeutung der Person Jesu in bestimmender Weise zur Darstellung bringt und welche das Nebeneinander der Titel erhellt. Ja, es ist das bei Lukas auch im übrigen Werk nachweisbare Verständnis Jesu als des Gottesknechts als hermeneutischer Schlüssel für die Verschmelzung insbesondere der davidisch-messianischen und der mosaisch-prophetischen Traditionslinien in der Person Jesu zu begreifen, da diese Verschmelzung bereits im jesajanischen Vorstellungsbereich erfolgt ist. Das ansonsten nur schwer zu vermittelnde Gegenüber von Mose- und Messiastradition findet hier seine innere Mitte. Jesus ist für Lukas beides, königlicher Gesalbter und Prophet wie Mose, insofern er der Gottesknecht ist. 359 Dieses hermeneutische Muster, das insbesondere bei der Taufe und im Zuge der Verklärung durch die göttlichen Himmelsstimmen zum Ausdruck kommt, wird in Apg 3 und 4 nach beiden Seiten expliziert. Wird bei der Taufe zunächst die Verbindung von königlicher Tradition und Knechtstradition vor Augen gestellt und bei der Verklärung dieser Zusammenhang um den mosaisch-prophetischen Aspekt erweitert, so liegt im Gemeindegebet der Schwerpunkt ebenfalls auf der ersten Verbindung, 360 während in Apg 3 wiederum das umfassendere Bild gezeichnet wird. Für das christologische Prädikat pai/j in Apg 3 allein den Mosebezug hervorzuheben bzw. in Apg 4 darin nur einen Ehrentitel zu erkennen, der Jesus in eine Reihe mit den großen Gestalten des Alten Testaments stellt, und aufgrund der Parallele mit David eine Verbindung mit der jesajanischen Tradition abzulehnen, hieße darum, die Zusammenhänge missverstehen. 361 Vielmehr ist es umgekehrt die Gottesknechtstradition, welche inhaltlich näher bestimmt, worin der prophetische und messianische Auftrag Jesu liegt: in seiner Passion und Verherrlichung und in der dadurch ermöglichten Heimführung des Menschen in eine von der Sünde ungebrochene Gottesbeziehung (s. Lk 24,26; Apg 3,13–15). Das Gottesknechtskonzept ist darum die umfassende und vertiefte Weise, die Bedeutung Jesu und das durch ihn erfolgte göttliche Heilshandeln darzustellen. 362 Mit 359 Es bleibt daher ein Rätsel, weshalb in der Untersuchung von MANSON, The ServantMessiah, nur ein marginaler Verweis auf eine messianische Auslegung von Dtn 18,15 im Zuge der Verklärung und in Apg 3 zu finden ist (op. cit., 75) und die jesajanischen Gottesknechtstexte überhaupt nicht bedacht werden. 360 Zu erinnern ist aber an die mit der Mosetradition verbundene Bitte um Zeichen und Wunder durch die Hand Gottes. Vgl. o. in Abschnitt II.A.3.3. 361 Gegen KRÄNKL, Jesus der Knecht Gottes, 125–129.211, und JONES, The Title “Servant” in Luke-Acts, 153–157, der zudem im Blick auf Apg 4,27 fälschlicherweise die Verbindung von Jes 61 mit der Gottesknechtsvorstellung ablehnt. 362 Im Ansatz erkennt dies auch FRANKLIN, Christ the Lord, 61–64, der von dem Knechtstitel als einem „umbrella title“ spricht, „which makes a link with the Old Testament Servant figures as a whole and, more especially, throws some kind of a bridge between the Servant of Isaiah and the messianic, Davidic Servant“ (op. cit., 61). Ähnlich LOHMEYER, Gottesknecht und Davidsohn, 98f.106f.109, der die Verbindung von Messiasund Gottesknechtsvorstellung bei Jesaja und die Aufnahme derselben bei Lukas wahr-
4. Ergebnis
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anderen Worten: Für die lukanischen Texte ist von einer diachronen Aufspaltung der Zusammenhänge abzusehen; es ist vielmehr die reflektierte Verarbeitung der Traditionen durch Lukas anzuerkennen. 363 Was diese Traditionsverarbeitung anbelangt, so bestätigt auch die detaillierte Untersuchung zur lukanischen Christologie von M. L. STRAUSS die hier vorgetragenen Ergebnisse. 364 Nach STRAUSS ist davon auszugehen, dass Lukas das ganze Jesajabuch als Einheit und die Gottesknechtslieder als Teil des jesajanischen Gesamtporträts des eschatologischen Heils gelesen hat, was aus der Aufnahme verschiedener jesajanischer Motive im lukanischen Werk erhellt. In diesem Fall aber – in Zusammensicht vor allem von Jes 9 und 11 und den Texten aus dem zweiten Teil der jesajanischen Schrift – musste der eschatologische Erlöser zugleich als davidischer König, leidender Gottesknecht und mosaischer Prophet beim neuen Exodus erscheinen. Insofern sind in der aus Apg 3f deutlich gewordenen lukanischen Synthese nicht Traditionen von verschiedenen, voneinander unabhängigen messianischen Figuren verschmolzen, sondern bindet die lukanische „prophet-servant-king Christology“ diese konvergierenden Beschreibungen des einen Erlösers sachgemäß zusammen.365 nimmt. Ihm zufolge heißt darum vom Christus zu sprechen, sich zu dem zu bekennen, durch den die Gottesknechtsverheißung wahr gemacht wurde. Jesus sei nur darum der Gesalbte, weil er der Knecht ist, wobei pai/j als umfassenderer Name zu gelten habe. Vgl. noch ROBERTS, Paij qeou and o uioj tou qeou in Acts 1–13, 258, der freilich die Komplementarität der Titel „Sohn“ und „Knecht“ hervorhebt, für den aber der Knechtsterminus den Sachverhalt zur Anschauung bringt, dass die Erhöhung Jesu durch das Leiden erreicht wurde, welches nach Jes 52f als stellvertretendes Leiden zur Befreiung von Sünde zu qualifizieren sei. Wohin eine Auslegung führt, die von dem aufgezeigten Traditionszusammenhang absieht, offenbart sich in der Bemerkung von H AGENE, Zeiten der Wiederherstellung, 238, die Titel pai/j und di,kaioj stünden ursprünglich außerhalb jeder messianischen Denotation und umschrieben auf abstrakter Ebene einen „Idealtypus gelingenden Menschseins“. Dies wird auch dadurch nicht eingeholt, dass die Verfasserin einen christologischen Konnex der verschiedenen Titel in Apg 3 anerkennt, denn es bleibt unbestimmt, worin die Verwobenheit der Prophetenvorstellung mit der messianischen Vorstellung besteht (op. cit., 198). Wo von einer christologischen Synthese von davidischem Messiaskönig und leidendem jesajanischen Gottesknecht gesprochen wird (op. cit., 188), unterliegt dies sogleich dem Verdacht, Ausweis einer „zweistufigen Messianologie“ zu sein. 363 Vgl. SCHÜTZ, Der leidende Christus, 102–105, der den Hinweis auf den Gottesknecht zu Recht der lukanischen Konzeption zuordnet. Gegen ZEHNLE, Peter’s Pentecost Discourse, 94, der die Petrusrede in Apg 3 für „the most primitive and undeveloped christological statement in the New Testament“ hält. 364 STRAUSS, Davidic Messiah. Diese Untersuchung nimmt ihren Ausgang bei der Vorstellung des davidischen Messias, kommt jedoch zum selben Ergebnis wie die hier vorgenommene Beschreibung der lukanischen Christologie ausgehend von der Gottesknechtstradition. Vgl. dazu nochmals o. in der Einführung in Abschnitt 1. 365 S. STRAUSS, Davidic Messiah, 244–249.333–342. Kritisch dazu TUCKETT, The Christology of Luke-Acts, 158–161, der ebenfalls der Frage nach einer übergeordneten
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
Es bleibt die Frage, weshalb der christologische Knechtstitel bei Lukas ausgerechnet und ausschließlich in Apg 3 und 4 Verwendung findet. Dazu ist zunächst zu sagen, dass für das theologische Gewicht nicht allein der quantitative Befund ausschlaggebend ist – zumal dann nicht, wenn, wie im Fall der Gottesknechtsvorstellung, die mit dem Titel verbundene Konzeption vielfältige und programmatische Verwendung findet. 366 Daher ist die Prädikation Jesu als pai/j in Apg 3f nicht Kennzeichen für die Bedeutungslosigkeit der Knechtsvorstellung, sondern es wird dadurch die im ganzen lukanischen Werk greifbare Bedeutung der Vorstellung auch noch titular ins Bild gesetzt und verfestigt – ein innerhalb des Neuen Testaments einmaliger Vorgang! 367 Hinzu kommt ein hermeneutisches Moment. Im Rahmen der Gottesknechtslieder erscheint der Titel primär in der göttlichen Proklamation des Knechts (s. Jes 42,1; 49,3.5f; 52,13) 368 und gerade dem Duktus des vierten Liedes zufolge erklingt er sachgemäß erst nach dem Tod des Knechts bei der Verkündigung des durch ihn gewirkten Heils (s. Jes 52,13–15). Es entspricht also dem jesajanischen Gedankengang, wenn das Prädikat bei Lukas erst nach Jesu Sterben und Auferstehen Verwendung findet, genauer: innerhalb der Verkündigung des Lebens und Leidens Jesu als Ausdruck der Erkenntnis des durch Jesus gewirkten Heils.369 Dazu fügt sich der Kontext der Heilung des Gelähmten, die als sichtbare Realisierung der Tatsache angesehen werden kann, dass der Mensch aufgrund des Werkes Jesu als des Knechts zum Heil gelangt (s. Jes 53,4f). 370
lukanischen Christologie nachgeht, insgesamt jedoch dafür plädiert, dass lediglich der Christustitel die spezifisch lukanische Konzeption beschreibe; typischer sei indes die Variation der christologischen Titel, die darauf schließen lasse, dass Lukas schlichtweg seinen Quellen folge. Dies ist im Licht des Ergebnisses einer reflektierten Verarbeitung der Traditionen aber zu revidieren. Die Verschmelzung von mosaisch-prophetischer Tradition, davidisch-königlicher Tradition und jesajanischer Gottesknechtstradition in der lukanischen Christologie erkennt dagegen auch TURNER, Power from on High, 428f. 366 Es sei stellvertretend an Taufe und Verklärung, die erste öffentliche Predigt in Nazareth, die Passions- und Auferstehungsberichte sowie an die Kämmerer-Perikope in Apg 8 erinnert. 367 Das Vorkommen im Zitat von Jes 42 in Mt 12 ist demgegenüber kein gleichrangiger Ausdruck eigener Verarbeitung. 368 Vgl. dagegen Jes 49,7; 50,10. 369 So auch MITTMANN-RICHERT, Sühnetod, 293f. 370 Vgl. WOLFF, Jesaja 53, 87. Darum ist der Titel hier passender als etwa in der Pfingstrede, die das Phänomen der Geistbegabung zum Ausgang hat. Überhaupt ist die Petrusrede in Apg 3 neben der kurzen und anders ausgerichteten Paulusrede Apg 14,14–17 die einzige ausführliche Verkündigung im Anschluss an eine Heilung. SECCOMBE, Luke and Isaiah, 256, macht mit Recht darauf aufmerksam, dass die Beschreibung in Apg 3,2.8 (cwlo,j; a[llomai bzw. evxa,llomai) eine Parallele in dem mit den Gottesknechtsliedern verwandten Text Jes 35,6 hat (cwlo,j; a[llomai). Vgl. außerdem die Wendung „Denn es ist uns unmöglich, von dem, was wir gesehen und gehört haben, nicht zu reden“ (Apg 4,20),
5. Ausblick: Die weiteren pai/j (qeou/) -Belege in der frühen Kirche
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Dass eine Verbindung des Knechtstitels mit der Person des Petrus vorliegt – ihm ist der Titel in Apg 3 in den Mund gelegt und seine Präsenz wird für das Gemeindegebet vorausgesetzt –, ist möglicherweise ebenso ein Reflex der historischen Überlieferungswege der Vorstellung371 wie die Einbettung in die frühkirchliche „Liturgie“ in Apg 4. 372 Entscheidend ist jedoch die Erkenntnis, dass Lukas hier nicht etwa eine alte Überlieferung abbildet, die ihrer theologischen Bedeutung entkleidet wäre, sondern dass die Texte von einer systematisierenden und reflektierten Traditionsverarbeitung durch Lukas selbst zeugen und als Teil seiner Gesamtkomposition zu begreifen sind, welche durchweg von der Gottesknechtsthematik geprägt ist.373 Weshalb der Titel im weiteren Verlauf der Apostelgeschichte keine Verwendung mehr findet, bleibt in gewisser Hinsicht das Geheimnis des Lukas. Dieser Befund verliert jedoch an Gewicht, wenn man wahrnimmt, dass die Gottesknechtsthematik weiterhin das Bild bestimmt und sich diese Bestimmung in ekklesiologischer Perspektive vollzieht, wie das nachfolgende Kapitel zeigt. Zuvor aber soll ein Ausblick auf die außerneutestamentlichen pai/j-Belege die Untersuchung des Titels beschließen.
5. Ausblick: Die weiteren pai/j (qeou/)-Belege in der frühen Kirche 5. Ausblick: Die weiteren pai/j (qeou/)-Belege in der frühen Kirche
Die frühkirchlichen Referenzstellen für den christologischen Terminus pai/j wurden schon mehrfach in grundlegender Weise zusammengestellt und ausgewertet, weshalb die Beschreibung der Zusammengänge hier in konzentrier-
welche die aufgrund der Heilung und der Petrusrede notwendige Verantwortung der Apostel vor dem Synhedrium abschließt und auf Jes 52,15 weist. 371 Unabhängig von der Verfasserfrage könnte auch 1Petr 2,22–25 mit der Aufnahme von Jes 53 ein Hinweis auf den petrinischen Charakter sein. So etwa CULLMANN, Christologie, 73f. 372 Vgl. RYAN, The Church as the Servant of God, 111. Dieser Besonderheit der Zuordnung des Titels zu Petrus entspricht umgekehrt die exklusive Verwendung des Sohnestitels in Bezug auf Paulus (Apg 9,20; 13,33). Die varia lectio in Apg 8,37 bietet den Titel zwar auch, ist aber als sekundär zu beurteilen. Vgl. SCHNEIDER, Apg I, 334. 373 Dass Lukas einen Impuls zur Aufnahme der Gottesknechtsvorstellung erhalten hat, ist unbestreitbar. Man sollte aber besser nicht von einer „Paidologie“ als ältester Lösung des christologischen Problems sprechen, wie es CULLMANN, Christologie, 72f, tut. Es geht weniger um die Selbständigkeit einer christologischen Tradition in Konkurrenz zu anderen Deutungen als vielmehr um die Verschmelzung der Traditionen auf dem Hintergrund der Gottesknechtsthematik, wie sie bei Lukas greifbar ist. Als historischen Haftpunkt für die christologische Gottesknechtsadaption die Abendmahlssituation anzunehmen (so CULLMANN, Christologie, 75), ist freilich nicht abwegig, sondern durchaus plausibel. S. dazu MITTMANN-RICHERT, Sühnetod, 199–204.
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
terer Form erfolgen kann. 374 Dabei soll speziell die mögliche Nachwirkung der lukanischen Darstellung bedacht werden, da der Titel innerhalb des Neuen Testaments ja gerade in der Apostelgeschichte in christologischer Verwendung erscheint und somit ein mutmaßliches Vorbild für die nachfolgenden Erwähnungen vorliegt. Außer in Mt 12,18 (= Jes 42,1) und in Apg 3,13.26; 4,27.30 findet sich ein christologischer Gebrauch von pai/j bis ca. 160 n.Chr. an zwölf Stellen in den Apostolischen Vätern, näherhin in 1Clem 59,2–4; Did 9,2f; 10,2f; Barn 6,1; 9,2; MartPol 14,1.3; 20,2. Im ersten Clemensbrief wird innerhalb des großen Gebets gegen Ende des Briefes (1Clem 59–61) – und nur hier – Jesus einleitend gleich dreifach als pai/j bezeichnet. Zunächst wird darum gebeten, dass Gott seine Auserwählten in der ganzen Welt vollständig bewahren möge „durch seinen geliebten Knecht Jesus Christus (dia. tou/ hvgaphme,nou paido.j auvtou/ VIhsou/ Cristou/ )“ (1Clem 59,2). Der liturgische Kontext sowie die Formulierung (dia, + Adjektiv + pai/j [qeou/] + Name Jesu) entsprechen grundsätzlich Apg 4,30 und auch die Weiterführung „durch welchen er uns berufen hat von der Finsternis zum Licht“ (diV ou- evka,lesen h`ma/j avpo. sko,touj eivj fw/j ) ist von der lukanischen Schrift her zu verstehen: Sie ist Reminiszenz an die paulinische Berufungsaussage von Apg 26,18 (evpistre,yai avpo. sko,touj eivj fw/j).375 Dass in 1Clem 59,2 pai/j und hvgaphme,noj verbunden sind, veranlasst manche Ausleger zu einer Deutung von pai/j als „Sohn“.376 Dadurch ginge jedoch die Eigenart des Begriffs verloren 377 und es ist zudem an die göttlichen Himmelsstimme bei Jesu Taufe und Verklärung zu erinnern, welche die Sohnesbezeichnung einschließlich des Geliebtenattributs mit Jes 42,1 verbindet, sowie an die Zitation von Jes 42,1 gemäß Mt 12,18 (o` pai/j mou … o` avgaphto,j mou).378 Umge374 Umfassend und wegweisend bereits 1926 VON HARNACK, Die Bezeichnung Jesu als „Knecht Gottes“. Aus der neueren Forschung ist der Exkurs „Jesus Christus als pai/j Gottes“ bei LÖHR, Studien zum frühchristlichen und frühjüdischen Gebet, 308–334, zu nennen, wo die Belege ebenfalls in detaillierter Weise gesammelt und besprochen werden. 375 Vgl. noch Jes 42,16 (poih,sw auvtoi/j to. sko,toj eivj fw/j ) und 1Petr 2,9 (evk sko,touj u`ma/j kale,santoj eivj to. qaumasto.n auvtou/ fw/j) sowie die parallele Formulierung „der du die Augen unseres Herzens geöffnet hast, um dich zu erkennen“ (avnoi,xaj tou.j ovfqalmou.j th/j kardi,aj h`mw/n eivj to. ginw,skein se) in 1Clem 59,3, welche ihrerseits an die EmmausErzählung erinnert (vgl. Lk 24,31f: auvtw/n de. dihnoi,cqhsan oi` ovfqalmoi. kai. evpe,gnwsan auvto,n; … ouvci. h` kardi,a h`mw/n kaiome,nh). 376 Vgl. die Übersetzung bei LINDEMANN – PAULSEN, Die Apostolischen Väter, 143. Die lateinische Übersetzung weist freilich in diese Richtung. S. dazu LÖHR, Studien zum frühchristlichen und frühjüdischen Gebet, 309 Anm. 813. 377 So auch LONA, Clemensbrief, 590 Anm. 3. 378 Als christologisches Prädikat erscheint hvgaphme,noj auch in Eph 1,6; Barn 3,6; 4,3.8; Herm sim IX, 12,5 (89,5); Justin, Dial. 137,2 (vgl. Dial. 93,2: a;ggelon … to.n avgapw,menon u`pV auvtou/). Zur Verbindung mit pai/j vgl. TradApost 3; ConstAp I, inscr.; VIII, 5,5; 39,4; 48,3. Zur Verbindung von pai/j mit avgaphto,j s. MartPol 14,1.3; Diogn 8,11; Acta Pauli et
5. Ausblick: Die weiteren pai/j (qeou/) -Belege in der frühen Kirche
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kehrt ist außerdem markant, dass der Titel ui`o,j nur in 1Clem 36,4 erscheint und dort von Ps 2,7 bzw. Hebr 1,5 her eingeflossen ist. Eine ausgeprägte Sohneschristologie liegt also nicht vor. In 1Clem 59,3 wird sodann in ähnlicher Weise wie in V. 2 die Erwählung dia. VIhsou/ Cristou/ tou/ hvgaphme,nou paido,j sou betont, während nach V. 4 alle Völker erkennen sollen, „dass du allein Gott bist und Jesus Christus dein Knecht und wir dein Volk und Schafe deiner Weide“ (o[ti su. ei= o` qeo.j mo,noj kai. VIhsou/j Cristo.j o` pai/j sou kai. h`mei/j lao,j sou kai. pro,bata th/j nomh/j sou). An allen Stellen ist pai/j folglich kein völlig selbständiger Titel, sondern Näherbestimmung von VIhsou/j Cristo,j.379 Neben der hymnischen Sprache 380 ist für 1Clem 59,4 indes zu bedenken, dass die Gemeinde auch in 1Clem 16,1 als Herde gezeichnet wird, 381 worauf das in der frühchristlichen Literatur bis dahin ausführlichste Zitat von Jes 53 folgt (Jes 53,1–12 in V. 3–14). Insofern ist auch hier eine Entsprechung zu Lukas zu erkennen, der innerhalb des Neuen Testaments neben der Knechtsbezeichnung ja das ausführlichste Zitat aus Jes 53 bietet (Apg 8,32f) und die Gemeinde ebenfalls als Herde charakterisieren kann (s. Lk 12,32; Apg 20,28f).382 Was die Didache betrifft, so erscheint der pai/j-Titel vierfach innerhalb der Unterweisung zur Eucharistie (Did 9,1–10,7) und ausschließlich in der WenTheclae 24; ConstAp VIII, 41,8. Der Titel „Geliebter“ spielt als eigenständiges christologisches Prädikat v.a. in der Himmelfahrt Jesajas eine herausragende Rolle, genauer: in AscJes 3,13–4,18; 6–11 und damit in denjenigen Passagen, die als christliche Erweiterungen anzusehen sind. S. im Einzelnen AscJes 3,13.17f; 4,3.6.9.18.21; 7,17.23; 8,18.25; 9,12. Von daher sind wohl auch die Belege AscJes 1,4f.7.13; 5,15 der christlichen Redaktion zuzuschreiben. Vgl. KNIBB, Martyrdom and Ascension of Isaiah, 156 Anm. k. Auf Seiten der griechischen Überlieferung dieser Schrift dokumentiert der Papyrus Amherst 1 den Gebrauch von o` avgaphto,j für AscJes 3,13; dazu kommen die Belege in der Legenda Graeca, die das Material freilich in einer anderen Anordnung bietet: s. die Zeilen 9.30.48.66. 80.252 in der Ausgabe von NORELLI, wobei in Z. 30.80.252 eine Verbindung von avgaphto,j mit o` ui`o.j qeou/ und in Z. 66 mit ui`o,j vorliegt. Für den Hinweis sei A. M. SCHWEMER gedankt. Im Blick auf die o. in Abschnitt II.A.2.4.2 besprochene Verankerung des Titels in der Tauf- und Verklärungsstimme ist zudem bemerkenswert, dass Jesus in AscJes 8,7 wie in Lk 9,35 (vgl. Jes 42,1) auch als „Erwählter“ bezeichnet wird und dass gemäß AscJes 8,25 „Sohn“ als irdischer Name des „Geliebten“ gilt. Als „Geliebter Gottes“ werden daneben auch Esra (ApokEsr 1,1; 5,12; 6,3.16 [hier neben Jesus als „Gottes liebem Sohn“]; 7,1.13; vgl. 4,35) und Sedrach (ApokSedr 3,1; 13,6; 16,43) qualifiziert. Außerdem ist die Wendung „Geliebter des Herrn“ in TestBenj 11,1f belegt, wobei in den verschiedenen Handschriften eine christlich-messianische Deutung sowie eine Deutung auf Paulus vorliegt. 379 Mit LÖHR, Studien zum frühchristlichen und frühjüdischen Gebet, 309. 380 Vgl. Y 78,13: h`mei/j de. lao,j sou kai. pro,bata th/j nomh/j sou. 381 Vgl. noch 1Clem 44,3; 54,2; 57,2. 382 LOHMEYER, Gottesknecht und Davidssohn, 35f, hebt ferner nicht zu Unrecht die Übereinstimmung des universalen Gedankens in 1Clem 59,2–4 mit Jes 42,1 hervor. Vgl. auch Jes 42,4 MT/LXX.
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
dung dia. VIhsou/ tou/ paido,j sou, die wortgetreu wiederholt wird. 383 Den Kelch und das Brot betreffend soll gemäß Did 9,2f gesagt werden: 2
… Wir danken dir, unser Vater, für den heiligen Weinstock Davids, deines Knechts (u`pe.r th/j a`gi,aj avmpe,lou Dauei.d tou/ paido,j sou), den du uns kundgemacht hast durch Jesus, deinen Knecht (dia. VIhsou/ tou/ paido,j sou). Dir sei die Herrlichkeit in Ewigkeit. 3 … Wir danken dir, unser Vater, für das Leben und die Erkenntnis, die du uns kundgemacht hast durch Jesus, deinen Knecht (dia. VIhsou/ tou/ paido,j sou). Dir sei die Herrlichkeit in Ewigkeit.384
Der Ausdruck „der heilige Weinstock Davids“ ist Symbolsprache und Metapher für das Heil selbst, wie aus der Parallele in V. 3 hervorgeht. Die Aussage ist demnach: Gott hat das eschatologische Heil, das David verheißen war,385 durch Jesus als den Knecht geoffenbart. In den irdischen Gaben wird also das überirdische Gut erkannt. 386 Dies wird vollends deutlich durch die Anweisung zur Danksagung nach dem Mahl in Did 10,2f, welche den Hinweis darauf enthält, dass Gott durch seinen Knecht (dia. VIhsou/ tou/ paido,j sou bzw. dia. tou/ paido,j sou) die Unsterblichkeit kundgetan und geistliche Speise und Trank und ewiges Leben geschenkt hat.387 Der exklusive Gebrauch im Kontext des Mahles ist auffällig, zumal in der trinitarischen Taufformel in Did 7,1.3 ui`o,j steht und die Taufe auf den Namen des Herrn wiederum Voraussetzung zur Teilnahme am Mahl ist (Did 9,5). 388 Wie in Apg 4,30 sind also ein formelhafter Charakter und der Kontext des gemeinschaftlichen Gebets zu konstatieren, wenngleich dieses je anders ausgerichtet ist. Dazu kommt, dass in Analogie zu Apg 4 neben Jesus ebenfalls David als pai/j
383 In Did 10,3 entfällt VIhsou/, weshalb pai/j hier noch eindeutiger als Titel erscheint. Gegenüber den Belegen in 1Clem 59, wo der Begriff stets VIhsou/j Cristo,j näher bestimmt, ist in der Didache lediglich VIhsou/j gebraucht, was der lukanischen Verwendung entspricht. 384 Zum Vergleich mit der jüdischen Kelch- bzw. Brotbenediktion s. NIEDERWIMMER, Didache, 182f.186. 385 Vgl. etwa Jes 55,3. 386 Mit NIEDERWIMMER, Didache, 183f. 387 Die koptische Überlieferung bietet den Knechtsbegriff zusätzlich in Did 10,8 in Bezug auf das Salböl. Die Wendungen aus Did 9f sind in ConstApost VII, 25,2 und 26,2 aufgenommen. S. dazu LÖHR, Studien zum frühchristlichen und frühjüdischen Gebet, 314 Anm. 834–836. Zu den Belegen der Didache vgl. außerdem LOHMEYER, Gottesknecht und Davidssohn, 26–34. 388 Die Taufformel in Did 7 (eivj to. o;noma tou/ patro.j kai. tou/ ui`ou/ kai. tou/ a`gi,ou pneu,matoj) geht auf Mt 28,19 zurück (eivj to. o;noma tou/ patro.j kai. tou/ ui`ou/ kai. tou/ a`gi,ou pneu,matoj). Die verkürzte Wendung in Did 9,5 (baptisqe,ntej eivj o;noma kuri,ou) steht aber Apg 8,16 nahe (bebaptisme,noi eivj to. o;noma tou/ kuri,ou VIhsou/ ).
5. Ausblick: Die weiteren pai/j (qeou/) -Belege in der frühen Kirche
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gilt und das Attribut a[gioj erscheint.389 Wenn schließlich laut Did 9,4 das gemeinsame Mahl Abbild der Tatsache ist, dass die Kirche von den Enden der Erde zusammengebracht werden soll (avpo. tw/n pera,twn th/j gh/j ), so erinnert dies deutlich an Apg 1,8.390 Im Martyrium des Polykarp erscheint der pai/j-Titel wiederum in einem Gebet, genauer: zu Beginn und zum Abschluss des Sterbegebets MartPol 14,1–3.391 Dabei ist in V. 1 erneut die Verbindung von pai/j sowohl mit dem Gedanken des Geliebtseins Jesu (s. Mt 12,18; 1Clem 59,2) als auch mit der durch Jesus vermittelten Gotteserkenntnis anzutreffen (s. Did 9,3; 10,2), wenn es hier einleitend heißt: Herr Gott, Allmächtiger, Vater deines geliebten und gelobten Knechtes Jesus Christus (o` tou/ avgaphtou/ kai. euvloghtou/ paido,j sou VIhsou/ Cristou/ path,r ), durch den wir die Erkenntnis deiner empfangen haben …
Das Gebet, welches inhaltlich eine Bitte des Märtyrers um die Annahme als wohlgefälliges Opfer darstellt, wird in V. 3 beschlossen durch ein Gotteslob, das „durch den ewigen, himmlischen Hohepriester Jesus Christus, deinen geliebten Knecht“ ermöglicht wird (se. doxa,zw dia. tou/ aivwni,ou kai, evpourani,ou avrciere,wj VIhsou/ Cristou/( avgaphtou/ sou paido,j ), „durch den dir mit ihm und dem heiligen Geist Ehre sei jetzt und in alle Ewigkeiten“. Demnach setzt Jesus selbst den Menschen zu Gott in Beziehung. Zugleich überlappen sich die Bilder: Jesus ist himmlischer Hohepriester, 392 er ist Gottes Knecht und doch ist Gott auch sein Vater (s. MartPol 17,3: ui`o,j tou/ qeou/). Es liegt folglich eine kumulative Christologie vor. Wenngleich traditionell, ist der pai/j-Titel dabei bewusst gewählt, da er – von Apg 4 her – besonders in die Leidenssituation der Nachfolger spricht und zudem offenbar noch ei n messianischer Klang mitschwingt. 393 Die bewusste Aufnahme des Titels wird sodann durch die Schlussdoxologie des Briefes in MartPol 20,2 bestätigt. Demnach gebührt Gott als demjenigen der Lobpreis, welcher „uns alle durch seine Gnade und Gabe in sein ewiges Reich führen kann durch seinen Knecht, den Eingeborenen, Jesus Christus (dia. tou/ paido.j tou/ monogenou/j 389 Hier gegen NIEDERWIMMER, Didache, 184 Anm. 23, der für Apg 3 und 4 das christologische pai/j mit ui`o,j gleichsetzt und für Did 9f eine Anspielung auf den jesajanischen Gottesknecht ablehnt. Zum Heiligkeitsattribut vgl. auch Did 10,1. 390 In Apg 1,8 wird freilich anders formuliert. Vgl. aber Lk 11,31 sowie Y 2,8; 21,28; 97,3. VON HARNACK, Die Bezeichnung Jesu als „Knecht Gottes“, 220, weist außerdem zu Recht darauf hin, dass die Anrede Gottes mit „unser Vater“ (Did 9,2f) sowie der Gebrauch von pai/j auch für David dagegen sprechen, das christologische pai/j hier mit „Sohn“ zu übersetzen. 391 Zur Frage der eucharistischen Prägung des Gebets s. B USCHMANN, Martyrium des Polykarp, 260. 392 Diese Vorstellung geht auf den Hebräerbrief zurück. Vgl. Hebr 2,17; 4,14f; 5,5.10 u.ö. 393 Vgl. BUSCHMANN, Martyrium des Polykarp, 263.275.
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
auvtou/ VIhsou/ Cristou/ ) …“. Die Bezeichnung monogenh,j stammt aus dem johanneischen Schrifttum und ist im Neuen Testament als christologisches Prädikat sonst nicht belegt. 394 Das Motiv der Führung in den Lebensbereich Gottes durch den Knecht dagegen stimmt mit der Kennzeichnung Jesu als Knecht und „Führer zum Leben“ in Apg 3,13.15 und Apg 5,31 überein. 395 Dazu fügt sich, dass die in MartPol 20,1 voranstehende Bitte um Weiterleitung des Briefes an andere Brüder als Motivation die Auswahl Gottes unter seinen Knechten (dou/loi) hat, denn die dadurch vollzogene Zuordnung vom pai/j Jesus und den dou/loi Gottes ist ebenfalls in der Apostelgeschichte vorgebildet (Apg 4,27.29.30). Gerade Polykarp selbst gilt als „Knecht“ des Herrn (s. MartPol 9,3: douleu,w), wie der Herr pai/j Gottes ist.396 Diese Zusammenhänge sind der Meinung entgegenzuhalten, pai/j müsse im Kontext des Polykarpmartyriums notwendig als Sohn verstanden werden, da der Begriff an allen drei Stellen seines Vorkommens determiniert ist, und es sei nur aufgrund des liturgischen Zwanges keine Ersetzung durch ui`o,j vorgenommen worden.397 Eine Annäherung ist jedoch zu erkennen. Im Unterschied zu allen genannten Belegen tritt der Titel im Barnabasbrief nicht in liturgischen Abschnitten, sondern im Rahmen des Schriftbeweises zutage. So werden in Barn 6,1f die Gottesknechtsworte aus Jes 50,8f zitiert, wobei gegenüber dem Text der Septuaginta in Jes 50,8 das Personalpronomen durch die Knechtsbezeichnung ersetzt wird (evggisa,tw tw|/ paidi. kuri,ou statt evggisa,tw moi).398 Ist dies im Blick auf den Ursprungskontext eine Verdeutlichung – der Knechtstitel erscheint ja in Jes 50,10 –, so ist es im Kontext des Barnabasbriefes zugleich eine markante christologische Nuance, da die jesajanischen Worte als Worte Jesu vorgestellt werden. 399 Dass die Einfügung
394 S. Joh 1,14.18; 3,16.18; 1Joh 4,9. Kein christologischer Gebrauch liegt vor in Lk 7,12; 8,42; 9,38; Hebr 11,17. Zur Aufnahme in Diogn 10,2; ActJoh 11; ConstApost VIII, 40,2 s.o. im Folgenden. 395 LÖHR, Studien zum frühchristlichen und frühjüdischen Gebet, 322f, macht indes darauf aufmerksam, dass die Formulierung dia. tou/ paido.j tou/ monogenou/j auvtou/ VIhsou/ Cristou/ in MartPol 20,2 auch auf die Doxologie bezogen verstanden werden kann. Letztere wäre somit durch Christus vermittelt. 396 So auch BUSCHMANN, Martyrium des Polykarp, 263.360. 397 So VON HARNACK, Die Bezeichnung Jesu als „Knecht Gottes“, 221f; ähnlich JEREMIAS, Pai/j (qeou/) im Neuen Testament, 197f. 398 Die weiteren textlichen Abweichungen sind hier zu vernachlässigen. 399 Die in Barn 5,13f zitierten Worte des „Propheten“ sind nach V. 13b unmissverständlich in Bezug auf Jesus gesagt (le,gei ga.r o` profhteu,wn evpV auvtw|/ ) und erklären die Bereitschaft des Gottessohnes zum Gang in das Leiden (s. V. 12–13a). Dieser Gedanke wird in Barn 6,1 weitergeführt und laut Barn 6,3 sind die in Barn 5,14 zitierten Worte aus Jes 50,7 nochmals als Worte Jesu ausgewiesen, wenn es dort heißt: „Vielmehr, weil der Herr [= Jesus] sein Fleisch hingestellt hat in Kraft. Denn er sagt: ‚Und er stellte mich hin wie einen harten Felsen.‘“ Vgl. aber PROSTMEIER, Barnabasbrief, 252, demzufolge in Barn 6,1f
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ganz im Sinn des Gottesknechtstextes begriffen werden muss, erhellt zudem aus dem Faktum, dass die jesajanische Tradition überhaupt von großer Bedeutung ist für die christologische Argumentation des Briefes. Auf alle Gottesknechtslieder – inklusive Jes 61,1f – wird explizit rekurriert: Barn 5,2: Barn 5,14: Barn 6,1f: Barn 6,3:
Jes 53,5.7 (vgl. Apg 8,32) Jes 50,6f Jes 50,8f Jes 50,7 (vgl. Lk 9,51)
Barn 14,7: Barn 14,8: Barn 14,9:
Jes 42,6f (vgl. Lk 7,22; Apg 13,47) Jes 49,6f (vgl. Apg 1,8; 13,47) Jes 61,1f (vgl. Lk 4,18f)
Angesichts des umfassenden Einflusses der Gottesknechtstexte 400 – und insbesondere von Jes 50,6–9 in Barn 5f – ist die Einfügung von pai/j in Barn 6,1 darum zwar auffällig, aber zugleich konsequent. 401 Und so ist es auch die Wendung avkousa,tw th/j fwnh/j tou/ paido.j auvtou/ aus Jes 50,10, die in Barn 9,2 im Zuge eines Mischzitates mit eingeflossen ist und Worte aus Ps 33(34),13 und Ex 15,26 ergänzt. 402 Die Kompilation dieser Stellen ist nicht verwunderlich in Anbetracht der Tatsache, dass in Barn 9,1–3 verschiedene alttestamentliche Worte in äußerst dichter Weise nebeneinander gestellt sind und dem Nachweis dienen, dass die Christen aufgrund der „Herzensbeschneidung“ Gottes Wort recht hören können. Auch für Barn 9,2 – dies bleibt festzuhalten – ist also eine eindeutige Verwurzelung des christologischen pai/jTitels in der jesajanischen Gottesknechtstradition zu erkennen. Bis hierher zeigt sich, dass die christologische Verwendung von pai/j in den ganz unterschiedlichen Schriften 403 insbesondere im liturgischen Kontext erfolgt. Während der oratorische bzw. doxologische Gebrauch – auch in formaler Hinsicht – sein Vorbild in Apg 4,27.30 hat, belegt der Barnabasbrief nicht der Auferstandene spricht, sondern der jesajanische Gottesknecht unter dem Vorzeichen von Verheißung und Erfüllung. 400 Jesaja ist auch darüber hinaus der primäre alttestamentliche Bezugstext für den Verfasser, gefolgt von den Psalmen. 401 Man muss darum nicht mit einer dem Verfasser vorausliegenden christlichen Interpolation im LXX-Text rechnen, wie es VON HARNACK, Die Bezeichnung Jesu als „Knecht Gottes“, 222, erwägt. 402 Aus Y 34,13 (ti,j evstin a;nqrwpoj o` qe,lwn zwh.n avgapw/n h`me,raj ivdei/n avgaqa,j ) stammt die Frage ti,j evstin o` qe,lwn zh/saiÈ, freilich nicht die Qualifizierung eivj to.n aivw/na, die eher auf Jes 48,12 zurückgeht. Ex 15,26 dürfte verantwortlich sein für den Instrumentalis avkoh/|, während die Weiterführung avkousa,tw th/j fwnh/j tou/ paido,j mou trotz der Berührungen mit Ex 15,26 (avkou,sh|j th/j fwnh/j kuri,ou tou/ qeou/ sou) eindeutig Aufnahme von Jes 50,10b ist; nur das Pronomen wird für die Charakterisierung der Worte als direkte Gottesrede angeglichen (paido,j mou statt paido.j auvtou/). Vgl. PROSTMEIER, Barnabasbrief, 355 Anm. 14. 403 1Clem und MartPol sind Briefe von einer christlichen Gemeinde an eine andere, die Didache ist eine katechetische Schrift, der Barnabasbrief im Kern eine theologische Abhandlung.
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
seinerseits nicht nur die Verwendung auch außerhalb eines solchen Kontextes, sondern zudem die Verwurzelung des Terminus in der Gottesknechtstradition Jesajas; somit ist gleichfalls eine Kontinuität zur lukanischen Darstellung sowie zu Mt 12 gegeben. Darüber hinaus ist im Martyrium Polykarps eine Tendenz zur Annäherung an den Sohnestitel zu erkennen. Diese drei Charakteristika sind dann – in je unterschiedlicher Weise – auch an den weiteren Belegstellen zu greifen, welche in aller Kürze noch skizziert werden sollen.404 Bei den Apologeten, wo naturgemäß kein liturgischer Kontext zu erwarten ist, findet sich der Titel zunächst im Diognetbrief zur Bezeichnung des Handelns Gottes durch und mit seinem Knecht. Demnach teilte Gott einen erhabenen und unsagbaren Gedanken allein seinem pai/j mit (Diogn 8,9), ordnete er alles mit ihm (Diogn 9,1) und machte er dia. tou/ avgaphtou/ paido,j das von Anfang an Bereitete offenbar (Diogn 8,11). Die Parallelisierung mit dem ui`o,j-Titel (s. Diogn 9,2.4) spricht für eine Synonymität der Begriffe, obwohl auch der Einfluss von Jes 53,4.11 in Diogn 9,2 zu bedenken ist. Bei Athenagoras wird pai/j jedenfalls im Sinne von ui`o,j verstanden.405 Justin dagegen lässt insgesamt eine profilierte Aufnahme der Gottesknechtstexte erkennen406 und gebraucht pai/j mehrfach im Zuge eines Jesajazitats. 407 Dane404 Zum Folgenden vgl. VON HARNACK, Die Bezeichnung Jesu als „Knecht Gottes“, 224–233, und LÖHR, Studien zum frühchristlichen und frühjüdischen Gebet, 317–328. 405 In Leg. 12,2 stehen beide Termini unmittelbar nebeneinander (ti,j h` tou/ paido.j pro.j to.n pate,ra e`no,thj( ti,j h` tou/ patro.j pro.j to.n ui`o.n koinwni,a ); ebenso in Leg. 10,2f, wo innerhalb der Ausführungen zur göttlichen Sohnschaft Jesu die rhetorische Rückfrage nach der Bedeutung des Sohnestitels mit Hilfe von pai/j formuliert ist. 406 Dies gilt insbesondere für das vierte Gottesknechtslied, wie die folgende Übersicht zeigt: Jes 52,10–54,6: Dial. 13,2–9 Jes 53,2–9: Dial. 32,2 Jes 52,13–53,8: Apol. 1,50,3–11 Jes 53,3: Dial. 89,3; Apol. 1,52,3 Jes 52,15–53,1: Dial. 118,4 Jes 53,4: Dial. 89,3 Jes 53,1: Dial. 114,2 Jes 53,5: Dial. 17,1; 43,3; 95,3; 137,1 Jes 53,1f: Dial. 42,2 Jes 53,7: Dial. 72,3; 89,3; 90,1; 111,3; 114,2 Jes 53,2: Dial. 42,3 Jes 53,8–12: Apol. 1,51,1–5 Jes 53,2f: Dial. 14,8; 32,1; Jes 53,8: Dial. 43,3; 63,2; 68,4; 76,2; 36,6; 49,2; 85,1; 89,3; 126,1 88,8; 100,2; Jes 53,9: Dial. 97,2; 102,7 110,2; 121,3 Jes 53,12: Dial. 89,3; Apol. 1,50,2
Aber auch die weiteren Gottesknechtstexte sind aufgenommen: Jes 42,1–4: Dial. 123,8; 135,2 Jes 49,8: Dial. 122,5 Jes 42,6f: Dial. 26,2; 122,3 Jes 50,4: Dial. 102,5 Jes 42,8: Dial. 65,1 Jes 50,6: Dial. 89,3 Jes 42,5–13: Dial. 65,4–6 Jes 50,6–8: Apol. 1,38,2f Jes 49,6: Dial. 121,4 Jes 61,1: Dial. 12,2
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ben findet auch das verwandte und gleichermaßen auf Jesaja zurückgehende paidi,on (s. Jes 7,16; 9,5; 53,2) eine christologische Verwendung. 408 Eine weiterführende eigenständige Handhabung des pai/j-Titels ist jedoch nicht ersichtlich. 409 Im Kontext der Märtyrererzählungen und in den apokryphen Apostelakten wird der Titel ähnlich wie im Polykarpmartyrium verwendet: In den Akten Justins und seiner Gefährten ist innerhalb des Bekenntnisses eine Synonymität zu ui`o,j gegeben, wenn Justin hier den Glauben an Gott sowie an den ku,rion VIhsou/n Cristo.n pai/da qeou/ erklärt und im selben Atemzug den Sohnesbegriff daneben stellt (Mart. Just. et soc. 2); 410 in den Acta Pauli et Theclae wird von Paulus gegenüber dem Prokonsul die Sendung des Gott eigenen pai/j hervorgehoben (Abschnitt 17: e;pemyen o` qeo.j to.n e`autou/ pai/da) und im Gebet der Thekla Gott als Vater des avgaphto.j pai/j gezeichnet (Abschnitt 24); in ActJoh 11 schließlich erfolgt eine Totenerweckung unter Anrufung Gottes und im Namen Jesu Christi tou/ paido,j sou tou/ monogenou/j .411 In der Traditio Apostolica412 erscheint im Gebet zur Ordination des Bischofs in TradApost 3 die in diesem Fall auf die Geistbegabung bezogene Wendung dia. tou/ hvgaphme,nou sou paido.j VIhsou/ Cristou/ und im Gebetsschluss wird ähnlich formuliert (dia. tou/ paido,j sou VIhsou/ Cristou/ tou/ kuri,ou h`mw/n).413 Wenngleich die lateinische Version an dieser Stelle je filius bietet, steht der pai/j-Titel offenbar auch hinter der Formulierung mit puer, die in weiteren Gebeten zu finden ist. 414 Dabei ist markant, dass gemäß Dial. 123,8 und Dial. 135,2 Gott bei Jesaja von Jesus spricht und ihn im Gleichnis „Jakob“ und „Israel“ nennt. Hier wird die Bindung an den LXX-Text von Jes 42,1 offensichtlich, der gegenüber dem Masoretischen Text eine kollektive Deutung des Knechtsterminus bietet. Der griechische Text verhinderte jedoch offenbar nicht die christologische Adaption. Vgl. dagegen nochmals das Zitat von Jes 42,1–4 in Mt 12, das näher am hebräischen Text steht (s.o. in Abschnitt II.A.1). 407 S. Apol. 1,50,3 (= Jes 52,13); Dial. 13,2 (= Jes 52,13); Dial. 121,4 (= Jes 49,6); Dial. 122,1 (= Jes 43,10 mit Jes 42,16); Dial. 123,8 und 135,2 (= je Jes 42,1). 408 S. die Aufnahme von Jes 7,16 in Dial. 43,6; 66,3; 77,2f; 84,2; von Jes 9,5 in Apol. 1,35,2; Dial. 34,2; 126,1; und von Jes 53,2 in Dial. 13,3 (im Rahmen des Zitats von Jes 52,10–54,6 in Dial. 13,2–9); in Dial. 42,2f wird die letzte Stelle dagegen ekklesiologisch gedeutet. 409 Vgl. aber Dial. 134,5, wo Jesu Dienst bis zum Kreuz vermittels des an Jes 53,11 erinnernden Verbs douleu,w beschrieben wird (evdou,leuse kai. th.n me,cri staurou/ doulei,an). Beim Rekurs auf Apg 4,27 in Apol. 1,40,6 ist der Knechtstitel indes nicht erwähnt. 410 Dies gilt für Rezension A. Zur textkritischen Lage S. LÖHR, Studien zum frühchristlichen und frühjüdischen Gebet, 317 Anm. 851. 411 S. JUNOD – KAESTLI, Acta Johannis II, 877. 412 Diese Schrift wird in der Regel Hippolyt zugeschrieben. Zur Frage der Verfasserschaft vgl. aber GEERLINGS, Traditio Apostolica, 147–149. 413 So gemäß der Epitome. 414 Im Eucharistiegebet (TradApost 4), im Presbyterweihegebet (TradApost 7) und im Gebet über die Erstlingsgaben (TradApost 31) steht gemäß der lateinischen Übersetzung
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
Besonders häufig ist der Titel in den Apostolischen Konstitutionen anzutreffen, und zwar – sieht man vom Präskript415 und der Schlussmahnung betreffs der Canones Apostolorum ab416 – stets in Gebeten oder Doxologien. 417 Dabei ist die Formulierung mit dia, vorherrschend418 und die Qualifizierung Gottes als Vater des pai/j Jesus ebenso üblich419 wie die Verbindung von pai/j mit weiteren Attributen, näherhin mit hvgaphme,noj (ConstAp I, inscr.; VIII, 5,5; 39,4; 48,3) bzw. avgaphto,j (VIII, 41,8), mit a[gioj (VIII, 5,7; 12,27; 13,10), mit euvloghme,noj (VIII, 15,2) sowie mit monogenh,j (VIII, 40,2); dazu kommt die Näherbestimmung des pai/j als erhabener Hohepriester (VII, 38,3).420 Man ist also mittlerweile weit über Apg 4,27.30 hinausgeschritten, wenngleich der Zusammenhang durch das Heiligkeitsattribut sowie die übliche dia,-Formel noch ersichtlich ist. In der späteren liturgischen Überlieferung wird pai/j dann weitgehend durch ui`o,j ersetzt.421 Abschließend sind noch einige wenige Beobachtungen auf Seiten der bedeutenden Theologen des ausgehenden zweiten Jahrhunderts zu nennen. So hallt im Kommentar des Irenäus zum Gemeindegebet aus Apg 4 (Haer. 3,12,5) der Terminus pai/j von Apg 4,27 her nach, wenn es laut einem griechischen Fragment heißt: Sie rufen Gott an, der den Himmel gemacht hat und die Erde und das Meer und der durch die Propheten verkündet wurde, und dessen Knecht, den Gott gesalbt hat (kai. to.n tou,tou pai/da( o[n e;crisen o` qeo,j ).
Dies ist deshalb auffällig, weil die lateinische Version die Sohnschaft Jesu betont und für den Text von Apg 4,27 sowie für den Kommentar filius bietet,
jeweils per dilectum puerum tuum Ie(su)m Chr(istu)m bzw. per puerum tuum Iesum Christum. An den ersten beiden Stellen formuliert die Version E stattdessen mit filius; für die letzte Stelle ist wiederum die griechische Form dia. tou/ paido,j sou VIhsou/ Cristou/ tou/ kuri,ou h`mw/n belegt. 415 In ConstAp I, inscr. ist das Präskript der Didascalia apostolorum aufgenommen, näherhin die Kennzeichnung der Adressaten als Miterwählte und Miterben Jesu, des geliebten pai/j (sugklhrono,moi kai. summe,tocoi tou/ hvgaphme,nou paido.j auvtou/ ). 416 In ConstAp VIII, 48,3 wird als Überleitung zur Doxologie gesagt, dass Gott die Gläubigen des ewigen Lebens würdigen wird durch Vermittlung seines geliebten pai/j Jesus Christus, „unseres Gottes und Erlösers“ (kataxiw,sei te th/j aivwni,ou zwh/j su.n h`mi/n dia. th/j mesitei,aj tou/ hvgaphme,nou paido.j auvtou/ VIhsou/ Cristou/( tou/ qeou/ kai. swth/roj h`mw/n). 417 S. ConstAp VII, 38,3; VIII, 5,5; 5,7; 12,27; 13,10; 15,2; 15,9; 39,4; 40,2; 41,8. 418 ConstAp VII, 38,3; VIII, 5,7; 15,9; 40,2; 41,8; 48,3. 419 ConstAp VIII, 13,10; 15,2. 420 Zum Bezug auf die Gottesknechtslieder vgl. ConstAp II, 25,10 (Jes 53,4.12); III, 19,1.5 (Jes 53,11); V, 14,15 und 19,1 (Jes 53,12); 16,4 (Jes 53,1). Hier fällt der Titel jeweils nicht. 421 Vgl. LÖHR, Studien zum frühchristlichen und frühjüdischen Gebet, 321.
5. Ausblick: Die weiteren pai/j (qeou/) -Belege in der frühen Kirche
279
was offenbar gängig war. 422 Irenäus ist sich aber des Gottesknechtsbezuges generell bewusst, wie etwa das Zitat von Jes 52,13–53,5 in Epid. 68423 sowie überhaupt die Rezeption der jesajanischen Texte zeigt. 424 Bei Clemens von Alexandrien erscheint der Knechtstitel im Vergleich zum Sohnestitel äußerst selten; er steht allerdings in der Verbindung mit dem Prädikat monogenh,j (Strom. 7,4,3) sowie innerhalb einer Doxologie in der Wendung dia. tou/ paido.j VIhsou/ Cristou/( tou/ kuri,ou zw,ntwn kai. nekrw/n (Quis div. 42,20).425 422 So auch bei Tertullian im Zitat von Apg 4,27 in Bapt. 7,1 und Prax. 28,2 (je adversus sanctum filium tuum). Tertullian ist im Übrigen neben Justin und Irenäus (s.u. Anm. 424) derjenige frühchristliche Autor mit den meisten Verweisen auf die Gottesknechtstexte. Vgl. die 41 Belege für die ersten drei Gottesknechtslieder, die 40 Referenzen für das vierte Lied sowie die zwei weiteren für Jes 61,1f in BIBLIA PATRISTICA I, 147–159. Aufschlussreich ist insbesondere die Darstellung in Prax. 11,5f: Hier wird als „Äußerung des Vaters über den Sohn aus dem Munde Jesajas“ Jes 42,1 im Verbund mit Jes 49,6 angeführt (jeweils mit filius) und sodann Jes 61,1 als Äußerung des Sohnes über den Vater verstanden – ein Hinweis auf den inneren Zusammenhang der Texte und wohl auch auf die Prägung durch die lukanischen Schriften (vgl. Lk 3,22; 9,35; 4,18f; Apg 13,47). 423 TER-MEKERTTSCHIAN – TER-MINASSIANTZ, übersetzen die armenische Vorlage bei Jes 52,13 mit „Sohn“, nicht mit „Knecht“. Das Jesajazitat wird indes durch Jes 50,6 weitergeführt und in Epid. 69 folgt Jes 53,7f zur Betonung des freiwilligen Ganges Jesu in den Tod; in Epid. 70 schließlich wird die Frage nach der Verkündigung des Knechtsgeschicks aus Jes 53,8 angeschlossen. Die Knechtstradition ist darum reflektiert verarbeitet. 424 Die folgende Übersicht beschränkt sich auf die beiden großen Werke und lässt die Belege aus den armenischen Fragmenten unberücksichtigt: Jes 42,1–4: Haer. 3,11,6 Jes 53,4: Epid. 67; Haer. 4,33,11 Jes 42,3: Haer. 4,20,10 Jes 53,5f: Epid. 69 Jes 42,5: Haer. 4,2,1f; 5,12,2 Jes 53,7f: Haer. 3,12,8; 4,23,2 Jes 49,5f: Epid. 50 Jes 53,7: Epid. 69; Haer. 3,12,8; 4,33,1.12 Jes 49,5: Epid. 51 Jes 49,6: Epid. 51 Jes 53,8: Epid. 69f; Haer. 2,28,5; 3,19,2; 4,33.11; vgl. 3,11,8 Jes 50,6: Epid. 34; 68; Haer. 4,33,12 Jes 53,9: Haer. 3,5,1; 4,20,2; 5,14,3 Jes 50,8f: Epid. 88 Jes 61,1f: Haer. 3,9,3 Jes 50,8–10: Epid. 4,33,13 Jes 61,1: Epid. 53; Haer. 3,9,3; 3,17,1; 3,18,3; 4,23,1 Jes 52,13–53,5: Epid. 68 Jes 53,2f: Haer. 3,19,2 Jes 61,2: Haer. 2,22,1.5 Jes 53,3: Haer. 4,33,1.12 425
Der Beleg aus dem Schlusshymnus des Paedagogos (Paed. 3,101,3) ist schwerer einzuordnen. Jesus, der pai/j kratero,j, wird hier als Erzieher der Kinder (pai/dej), d.h. der Gemeinde, gezeichnet. Vgl. VON HARNACK, Die Bezeichnung Jesu als „Knecht Gottes“, 229. Wo Clemens die Gottesknechtslieder aufnimmt, ist der pai/j-Titel jeweils nicht im Grundtext enthalten: s. Strom. 1,145,3 (= Jes 61,1f/Lk 4,18f); 2,22,8 (= Jes 53,3; vgl. Protr. 110,1); 2,25,1 (= Jes 53,1); 2,64,4 (= Jes 53,5); 3,86,3 (= Jes 50,9); 3,103,3 und 6,151,3 (= Jes 53,2); 5,37,4 (= Jes 61,2); 6,44,2 (= Jes 49,7–9); 6,116,3 (= Jes 50,4f); ferner Paed. 1,67,3 (= Jes 53,6); 2,74,3 (= Jes 53,4f); 2,110,2 (= Jes 53,9); 3,3,3 (= Jes 53,2f); vgl. 2,73,6 (= Jes 53,3.6.12).
280
II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: A. Christologie
Origenes schließlich nimmt die Formulierungen aus Apg 4,27.30 in Ep. ad Africanum fast wörtlich auf, wenn er die Anrede an „Africanus, einen geliebten Bruder in Gott, dem Vater, durch Jesus Christus, seinen heiligen pai/j“ richtet.426 Dagegen hebt er in seiner Besprechung der Namen Jesu (Comm. in Joh I, 21f)427 pai/j weniger deutlich hervor: Als Beispiele für christologische Bezeichnungen aus den Propheten nennt er hier vorab den „geschärften Pfeil“ (be,loj evklekto,n) sowie den „Knecht Gottes“ (dou/loj tou/ qeou/) und das „Licht für die Heiden“ (fw/j tw/n e;qnw/n) – alles Termini aus dem zweiten Gottesknechtslied (s. Jes 49,2f.6). Zum Beleg zitiert Origenes dann auch Jes 49,1–3 und Jes 49,5f, wodurch für den Knechtsbegriff sowohl dou/loj (Jes 49,3) als auch pai/j im Raum stehen (Jes 49,6). Der erstgenannte Terminus wird jedoch gegenüber dem letztgenannten als Leitbegriff gewählt. 428 Nach diesem Durchgang durch die Überlieferung bleibt festzuhalten, dass die drei für die frühchristliche Zeit greifbaren Grundcharakteristika des christologischen Gebrauchs von pai/j – oratorischer bzw. doxologischer und bekenntnishafter Kontext, Verwurzelung in der Gottesknechtstradition, Annäherung an den Sohnestitel – auch weiterhin das Bild bestimmen. Die im Vergleich zu anderen Christusprädikationen recht spärliche Anwendung des Titels entspricht dabei dem neutestamentlichen Befund. Dennoch erweisen insbesondere die mit Variation erklingende Formel dia. VIhsou/ tou/ paido,j sou und der wiederkehrende explizite Bezug auf die jesajanischen Texte einen sachlichen Zusammenhang mit Apg 3 und 4 sowie mit Mt 12. Berücksichtigt man außerdem die in den göttlichen Tauf- und Verklärungsstimmen vollzogene Zusammenführung von Sohnes- und Knechtsvorstellung, so ist letztlich auch verständlich, dass dem Knechtstitel solche christologischen Attribute beigefügt wurden, durch welche der Begriff in die Nähe von ui`o,j rückte. Dazu trug nicht zuletzt auch die Ambivalenz von pai/j („Knecht“/„Sohn“) bei.429 Vorsichtiger sollte man indessen dabei sein, schon für die Darstellung des Lukas ausschließlich eine Gebetsformel als Quelle anzunehmen, aus der heraus sich der Titel bei ihm selbständig gemacht hätte. 430 Selbst wenn hier der ausschlaggebende Impuls für die Aufnahme des Titels gelegen haben Im Wortlaut: VAfrikanw|/ avgaphtw/| avdelfw/| evn qew/| Patri. dia. VIhsou/ Cristou/ tou/ a`gi,ou paido.j auvtou/ eu= pra,ttein. 427 Hier werden zunächst die Bezeichnungen Jesu im Johannesevangelium aufgeführt, sodann deren zwei aus der Offenbarung. Es folgen prophetische Stellen. 428 Vgl. VON HARNACK, Die Bezeichnung Jesu als „Knecht Gottes“, 229, sowie ebd., 230–233, die Auflistung von einigen weiteren frühkirchlichen Belegen. 429 Vgl. JONES, The Title “Servant” in Luke-Acts, 156. Es ist in diesem Zusammenhang noch einmal daran zu erinnern, dass es nicht um eine „alte Gottesknechtschristologie“ geht, welche einer späteren Hoheits- und Sohneschristologie hätte weichen müssen. Die lukanischen Texte weisen vielmehr auf die frühe Verbindung beider Aspekte zur Darstellung der Person Jesu. 430 So VON HARNACK, Die Bezeichnung Jesu als „Knecht Gottes“, 234. 426
5. Ausblick: Die weiteren pai/j (qeou/) -Belege in der frühen Kirche
281
sollte, so ist doch das von den jesajanischen Texten her geprägte Gesamtbild zweifellos ein Hinweis darauf, dass Lukas sich nicht auf die modifizierte Wiedergabe einer erstarrten Formel beschränkte, sondern in seiner Darstellung von systematischer Schriftreflexion geleitet war. Außerdem ist umgekehrt mit einem grundlegenden Einfluss gerade des Gemeindegebets aus Apg 4 auf die spätere Überlieferung zu rechnen. 431 Auch in überlieferungsgeschichtlicher Hinsicht führt also kein Weg an der Verarbeitung der Gottesknechtstradition durch Lukas vorbei. Dieser Verarbeitung ist nun in ekklesiologischer Perspektive weiter nachzugehen.
431 Wenn LÖHR, Studien zum frühchristlichen und frühjüdischen Gebet, 334, davon spricht, dass keine gerade traditionsgeschichtliche Linie von den jesajanischen Gottesknechtstexten zu einer in den pai/j-Belegen greifbaren frühen Christologie führe, so mag dies für einen Teil der Stellen zutreffen. Die Aufnahme der Gottesknechtstradition bei Lukas und – in der Perspektive der späteren Texte gesprochen – die Brechung der traditionsgeschichtlichen Linie durch die lukanischen Schriften selbst sind hier jedoch nicht ausreichend bedacht.
II.B. Ekklesiologie Das Wirken Jesu findet eine Fortsetzung im Wirken seiner Nachfolger. So unbestreitbar diese Aussage im Blick auf das lukanische Doppelwerk ist und so schlicht sie klingt, so sehr ist sie in Anbetracht des christologischen Befundes doch zu durchdenken. Die bestimmende Einsicht dafür lautet: Wenn Lukas Jesus in profilierter Weise als den Gottesknecht zeichnet, so dürfte dem eben genannten Grundsatz zufolge diese Kennzeichnung auch die Darstellung der Gemeinde prägen. Eine Untersuchung der lukanischen Ekklesiologie in dieser Perspektive ist umso angebrachter, als schon mehrfach auf die Parallelen zwischen Jesus und den Hauptcharakteren der Apostelgeschichte aufmerksam gemacht wurde. 1 Es ist folglich zu zeigen – und damit wird die Anfangsthese zugleich präzisiert –, ob und inwiefern das Wirken Jesu als des Gottesknechts eine Fortsetzung im Wirken seiner Nachfolger als der Knechte des Knechts findet.2 Um es mit den Worten aus Jes 53,8 zu sagen, die bereits in der Kämmerererzählung erklangen: Es geht darum, ob in der lukanischen Gesamtdarstellung die Frage nach dem „Geschlecht“ (genea,) des Knechts einer spezifischen Antwort zugeführt wird. Diese Antwort – so viel ist vom Erzählstil des Lukas her bereits zu erahnen – wird sich weniger als dogmatische Aussage präsentieren, sondern in der narratio selbst äußern.3 Dass die so ausgerichtete Untersuchung der Ekklesiologie ihren Ausgang bei Apg 20,28 nimmt, hängt zum einen mit der theologischen Brisanz dieser Stelle zusammen, zum anderen mit ihrem grundsätzlichen Charakter: Es handelt sich um den einzigen Vers der Apostelgeschichte, in dem die gottgewollte Existenz der evkklhsi,a hervorgehoben und näher begründet wird.
1
Vgl. v.a. die Dissertation von RADL, Paulus und Jesus, sowie die Studien von MATThe Jesus-Paul Parallels; MOESSNER, ‘The Christ Must Suffer’; und O’TOOLE, Parallels. Ausführlich dazu u. in Abschnitt II.B.2.3–5. 2 Präzisiert wird dadurch auch die generalisierende Bemerkung von B URCHARD, Paulus in der Apostelgeschichte, 892, dass die lukanische Ekklesiologie noch der Klärung bedürfe. 3 Vgl. dazu den Hinweis von RYAN , The Church as the Servant of God, 111: „Nowhere in Acts do we find a formulation of the doctrine that the Church is the Suffering Servant continuing Jesus’ work among men. But there are incidents which seem to point to a consciousness among the first Christians that the Church itself is the Suffering Servant carrying on the mission of Jesus.“ TILL,
1. Die durch Blut erlöste Gemeinde: Apg 20,28
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1. Die durch Blut erlöste Gemeinde: Apg 20,28 als soteriologisches Grundaxiom der lukanischen Ekklesiologie 1. Die durch Blut erlöste Gemeinde: Apg 20,28
Führt man sich die Entstehung der Urgemeinde zu Beginn der Apostelgeschichte vor Augen, so ist auffällig, dass die Schilderung zunächst ohne den Begriff evkklhsi,a auskommt. Erst in Apg 5,11 – und eher nebenbei – wird der paulinische terminus technicus zur Bezeichnung der Gemeinde eingeführt; von da an findet er selbstverständliche Verwendung bis zu seinem letzten Vorkommen in Apg 20,28.4 Dieser Vers ist daher schon strukturell von Bedeutung und er ist es umso mehr, als hier, in der Vermächtnisrede an die Ältesten einer spezifischen Ortsgemeinde, ein theologischer Grundgedanke über die Existenz der Gemeinde geäußert wird, der in universaler Perspektive über den konkreten Redeanlass hinausreicht. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass der Terminus evkklhsi,a nur an dieser Stelle mit dem Genitivus pertinentiae tou/ qeou/ versehen wird,5 was gut paulinisch ist.6 Dass die Frage nach der Bedeutung des paulinischen Gedankenguts für das Verständnis von Apg 20,28 bei den folgenden Überlegungen im Blick zu behalten ist, legt sich auch vom Kontext des Verses her nahe, denn es handelt sich um eine Rede mit weiteren paulinischen Charakteristika. 7
4 Neben der Jerusalemer Gemeinde (Apg 5,11; 8,1.3; 11,22; 12,1.5; 15,4.22) werden die Gemeinden in Antiochia (Apg 11,26; 13,1; 14,26; 15,3), Caesarea (Apg 18,22) und Ephesus gesondert genannt (Apg 20,17.28), während sich daneben auch ein übergreifender Gebrauch etabliert (vgl. Apg 9,31: Judäa, Galiläa und Samarien; Apg 14,23; 15,41; 16,5: bei den Missionsreisen entstandene Gemeinden). In Apg 7,38 sind die Israeliten gemeint, in Apg 19,32.39f eine nichtkirchliche Versammlung. Auf Seiten des Paulus ist der Begriff besonders in den Korintherbriefen vorherrschend: s. 1Kor 1,2; 4,17; 6,4; 7,17; 10,32; 11,16.18.22; 12,28; 14,4f.12.19.23.28.33–35; 15,9; 16,1.19; 2Kor 1,1; 8,1.18f.23f; 11,8.28; 12,13; im Corpus Paulinum ferner Röm 16,1.4f.16.23; Gal 1,2.13.22; Eph 1,22; 3,10.22; 5,23–25.27.29.32; Phil 3,6; 4,15; Kol 1,18.24; 4,15f; 1Thess 1,1; 2,14; 2Thess 1,1.4; 1Tim 3,5.15; 5,16; Phlm 2. Im übrigen Neuen Testament bietet lediglich der Rahmen der Offenbarung einen vergleichbaren Gebrauch (19x in Offb 1–3; 1x in Offb 22); sonst findet sich der Begriff nur noch in Mt 16,18; 18,17; 3Joh 6.9f; Hebr 2,12; 12,23; Jak 5,14. 5 Bedeutende Handschriften bieten hier freilich kuri,ou statt qeou/. Auch in diesem Fall liegt aber ein singulärer Genitivus pertinentiae vor. Zu den textkritischen Details s. ausführlich im Folgenden. 6 S. 1Kor 1,2; 10,32; 11,22; 15,9; 2Kor 1,1; Gal 1,13 (evkklhsi,a tou/ qeou/); 1Kor 11,16; 1Thess 2,14 (evkklhsi,ai tou/ qeou/); 1Tim 3,5 (evkklhsi,ai qeou/); 1Tim 3,15 (evkklhsi,a qeou/); vgl. 2Thess 1,4. ZETTNER, Amt, Gemeinde und kirchliche Einheit, 339f, vermutet mit Recht sowohl eine bewusste Verwendung des evkklhsi,a-Begriffs durch Lukas als auch eine theologische Motivation der Verbindung mit tou/ qeou/ in Apg 20,28. Zur Verwurzelung des Begriffs evkklhsi,a in der LXX und dem Kontrast zu sunagwgh, vgl. TREBILCO, Why Did the Early Christians Call Themselves h` evkklhsi,a?. 7 S. dazu die nachstehenden Erläuterungen.
284
II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: B. Ekklesiologie
1.1 Apg 20,28 als Kernvers der Abschiedsrede des Paulus Die Rede in Apg 20,18b–35, innerhalb welcher sich Apg 20,28 findet, ist in der Apostelgeschichte die einzige Paulusrede an eine christliche Adressatenschaft. 8 Sie hat ihren Grund darin, dass Paulus gegen Ende der dritten Missionsreise, auf seinem Weg nach Jerusalem und in die Gefangenschaft, die Ältesten von Ephesus nach Milet beordert (Apg 20,17–18a), um sich persönlich von ihnen zu verabschieden und ihnen Weisung zu geben. 9 Insofern wird hier der Umschwung vom freien paulinischen Wirken zur Phase des Wirkens in Gefangenschaft vorbereitet und hat die Rede testamentarischen Charakter.10 Was die Struktur betrifft, so finden sich dafür unterschiedliche Erklärungsmodelle. Häufig wird – nicht zu Unrecht – eine grundsätzliche Zweiteilung in V. 18b–27 und V. 28–35 vorgeschlagen. 11 Der erste Teil dient demnach der Selbstverteidigung und Verkündigung und ist zu untergliedern in die Beschreibung des vormaligen Verhaltens (V. 18b–21; V. 26f)12 und die dazwischen stehende Ankündigung der Abreise und des zukünftigen Leidens (V. 22–25).13 Der zweite Teil umfasst sodann Ermahnungen und Abschied und ist wiederum zu untergliedern in die Mahnung zur Wachsamkeit gegen8
S. dagegen die Synagogenrede in Apg 13,16–41 (vgl. Apg 28,25–28), die Verkündigung gegenüber Heiden in Apg 14,14–17; 17,22–31 sowie die Verteidigungsreden in Apg 22,1–21; 24,10–21; 26,2–23.25–27.29. 9 Paulus kommt bereits am Ende der zweiten Missionsreise nach Ephesus (Apg 18,19– 21); die Stadt wird sodann das Zentrum der dritten Missionsphase (s. Apg 19,1–20,1). Die Dauer des Aufenthalts wird in Apg 20,31 mit drei Jahren angegeben, was mit der lukanischen Darstellung grundsätzlich übereinstimmt (vgl. Apg 19,8: „drei Monate“; 19,10: zwei weitere Jahre; 19,22: „noch eine Weile“). In Apg 20 hat Ephesus offenbar eine repräsentative Funktion, zumal das beschriebene Verhalten des Paulus (s. im Folgenden) sich nicht vollständig mit der Darstellung in Apg 19 deckt; sein Wirken wird wohl in umfänglicher Weise zusammengefasst. Mit LAMBRECHT, Paul’s Farewell-Address at Miletus, 332.335. 10 Die Rede hat darum hier ihren Platz und erfolgt nicht erst am Ende der Apostelgeschichte, welches Lukas freilich nicht weniger programmatisch gestaltet. Der testamentarische Charakter der Miletrede wird besonders dadurch unterstrichen, dass das persönliche Beispiel des Paulus wiederkehrendes Motiv ist. Für eine Zusammenstellung und Diskussion von alttestamentlichen, frühjüdischen und neutestamentlichen Parallelen des Typus Abschiedsrede s. MICHEL, Abschiedsrede des Paulus, 35–72. 11 S. z.B. LAMBRECHT, Paul’s Farewell-Address at Miletus, 316–318. 12 In V. 18b–21 beschreibt Paulus seinen Dienst in Ephesus als Dienst in aller Demut und mit Tränen und Versuchungen durch die Anfeindung von Seiten der Juden; er erklärt, dass er keine nützliche Lehre verschwiegen, sondern Juden wie Heiden die Umkehr zu Gott und den Glauben an Jesus bezeugt habe. In V. 26f wird in ähnlicher Weise gesagt, dass Paulus rein sei vom Blut aller, da er nicht unterlassen hat, den ganzen Ratschluss Gottes zu verkündigen. 13 Das Leiden wird Paulus durch den Geist „in jeder Stadt bezeugt“, fällt für ihn jedoch nicht ins Gewicht gegenüber dem Ziel, seinen Dienst der Evangeliumsverkündigung zu vollenden. V. 25 stellt unmissverständlich heraus, dass die Adressaten das Angesicht des Paulus nicht wiedersehen werden.
1. Die durch Blut erlöste Gemeinde: Apg 20,28
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über hereinbrechenden Gefahren (V. 28–31)14 bzw. zur Beachtung der Hilfe für die Schwachen (V. 33–35)15 und den Abschied selbst (V. 32). 16 Bisweilen wird zwischen den beiden Hauptteilen auch ein vierfältiger Parallelismus ausgemacht aufgrund der Beschreibung des Dienstes an der Gemeinde (V. 18f und V. 28), des Zeugnisses des Wortes (V. 20f und V. 29–31), des unverfügbaren Willens Gottes und seiner Führung (V. 22f und V. 32) sowie der Uneigennützigkeit (V. 24 und V. 33–35); die Verse 25–27 wären somit als Ergänzung und zugleich als Kulminationspunkt des ersten Teils anzusehen. 17 Bezieht man neben den sprachlichen Faktoren18 insbesondere den Redeanlass mit in die Analyse ein, so lassen sich jedenfalls V. 25 und V. 28 als Kernaussagen erkennen, zu denen sich die anderen Verse fügen: V. 25 nennt den endgültigen Weggang des Paulus als Grund für das anberaumte Treffen; V. 28 ist der bestimmende paränetische Appell. 19 Auch die Struktur der Rede unterstreicht folglich die Bedeutung des letztgenannten Verses. 20
14 Als Gefahr von außen werden „reißende Wölfe“ genannt, als Gefährdung von innen häretische Lehre. 15 Hier wird an das Beispiel der Arbeit des Paulus mit den eigenen Händen erinnert und an das in den Evangelien nicht überlieferte Wort Jesu „Geben ist seliger als nehmen“. S. dazu HOFIUS, „Unbekannte Jesusworte“, 170. 16 Die Ältesten werden hier Gott und dem Wort seiner Gnade befohlen, das auferbauen kann und Anteil am „Erbe der Geheiligten“ gibt. 17 S. MICHEL, Abschiedsrede des Paulus, 26f. ZETTNER, Amt, Gemeinde und kirchliche Einheit, 361f, nimmt ebenfalls eine Zweiteilung mit einigen Parallelen an: Ihm gelten V. 18b–24 als erster Teil mit dem Thema „Gestalt und Dienst des Paulus“, während V. 25– 32 die Situation der Kirche nach seinem Weggang und die Aufgabe der Presbyter beschrieben; V. 33–35 seien ein angehängter Schluss. 18 Außer der syntaktischen Struktur sind hier besonders die repetitiven Signale zu nennen: die Formulierungen kai. nu/n ivdou, (V. 22.25) bzw. kai. ta. nu/n (V. 32), u`pesteila,mhn tou/ mh. avnaggei/lai (V. 20.27), die Verbindung von einem Verb des Wissens mit der emphatischen 2. Person Plural (V. 18: u`mei/j evpi,stasqe; V. 34: auvtoi. ginw,skete) sowie die biographischen Notizen. Vgl. LAMBRECHT, Paul’s Farewell-Address at Miletus, 314–316. 19 S. KILGALLEN, Paul’s Speech to the Ephesian Elders, demzufolge V. 18b–21 mit V. 22–24 als Hinführung zu V. 25 dienen; V. 25 werde durch V. 26 und V. 26 durch V. 27 weitergeführt und V. 29f seien dem Kernvers 28 untergeordnet. V. 31 sei Umschreibung von V. 28; V. 32 stehe nahe an V. 25.28 und ziehe V. 33–35 nach sich. Vgl. zur Diskussion um die Struktur der Rede auch BALLHORN, Miletrede, 39–41; LINDEMANN, Paulus und die Rede in Milet, 179–181. 20 Vgl. BARRETT, Acts II, 974, demzufolge V. 28 „both the practical and the theological centre of the speech“ ist, sowie DUPONT, Le discours de Milet, 156, der von V. 28 als dem Kulminationspunkt der Rede spricht. Vgl. außerdem DUPONTS ergänzende Studie „La construction du discours de Milet“, wo seine Unterteilung der Rede in V. 18b–21, V. 22– 24, V. 25–28 und V. 29–31 sowie in V. 32 und V. 33–35 als Abschluss begründet wird. Zur Frage der Struktur s. außerdem WALTON, Leadership and Lifestyle, 66–75, der die vielfältigen Gliederungsvorschläge diskutiert und selbst V. 28 als Kernvers der Rede erkennt.
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: B. Ekklesiologie
Dass die Miletrede einen paulinischen Charakter aufweist, ist mehrheitlich anerkannt, wenngleich die Frage nach Tradition und Redaktion unterschiedlich beantwortet 21 und neben den Paulinismen 22 mit Recht auch die lukanische Prägung hervorgehoben wird. 23 Zweifellos soll die Rede den Kerngehalt des Denkens des Apostels vermitteln, wird aber mindestens in ihrer Ausführung auf Lukas zurückgehen. 24 Umso dringlicher ist darum der Bedeutung
21 Einige Beispiele seien genannt: Laut CONZELMANN, Apg, 126, und RADL, Paulus und Jesus, 127, sind die Einzelheiten sowie die Rede insgesamt von Lukas geschaffen. Dagegen setzt WIKENHAUSER, Apg, 233, aufgrund der „Wir-Passagen“ die Identität des Lukas als Paulusbegleiter voraus und erkennt hier Anzeichen für eine akkurate Berichterstattung von einer echten Paulusrede („Lukas [hat] sie mit angehört und aus persönlicher Erinnerung aufgezeichnet“). Entsprechend BRUCE, Acts of the Apostles, 377, und DERS., The Speeches in Acts, 63, der an direkte Notizen denkt. Nach MICHEL, Abschiedsrede des Paulus, 33.91, kann jedoch eine direkte Abhängigkeit von Paulus nicht zwingend nachgewiesen werden; überhaupt sei keine zugrundeliegende einheitliche Vorlage festzustellen. BURCHARD, Paulus in der Apostelgeschichte, 889f, verweist indes darauf, dass aufgrund der bewusst verwendeten Paulinismen eine Kenntnis von paulinischen Theologumena auf Seiten des Lukas anzunehmen ist. 22 Als solche sind zu nennen: in V. 19 douleu,w (noch Lk 15,29; 16,13; Apg 7,7; s. dagegen Röm 6,6; 7,6.25; 9,12; 12,11; 14,18; 16,18; Gal 4,8f.25; 5,13; Phil 2,22; 1Thess 1,9; vgl. Eph 6,7; Kol 3,24; 1Tim 6,2; Tit 3,3); in V. 21 die Verbindung VIoudai,oij te kai. {Ellhsin (s. Apg 14,1; 18,4; 19,10.17; vgl. Röm 1,16; 2,9f; 3,9; 10,12; 1Kor 1,24; 10,32; 12,13; Gal 3,28; s. Kol 3,11) sowie pi,stij (26x im Doppelwerk; vgl. dagegen allein 39x im Römer- und 22x im Galaterbrief); in V. 23 qli,yeij (noch Apg 7,10f; 11,19; 14,22; vgl. Röm 2,9; 5,3; 8,35; 12,12; 1Kor 7,28; 1Thess 1,6; 3,3.7 u.ö.); in V. 24 das Bild des Laufes bzw. seiner Vollendung (s. Apg 13,25; vgl. Röm 9,16; 1Kor 9,24–27; Gal 2,2; 5,7; Phil 2,16; 3,14; s. 2Tim 4,7) sowie euvagge,lion (nur noch Apg 15,7; dagegen über 50x in den paulinischen Briefen); in V. 28 evkklhsi,a tou/ qeou/ (s.o. S. 283 Anm. 6); in V. 31 nouqete,w (nur noch Röm 15,14; 1Kor 4,14; 1Thess 5,12.14; vgl. Kol 1,28; 3,16; 2Thess 3,15); in V. 33f die Betonung der Selbstversorgung (s. 1Kor 4,12; 9,4.6.12–15; 2Kor 11,7–11; 1Thess 2,9–12; s. 2Thess 3,7f). Vgl. MICHEL, Abschiedsrede des Paulus, 28–32; HEMER, Book of Acts, 425; PORTER, The Paul of Acts, 117; WITHERINGTON, Acts, 610. 23 Vgl. die Übersichten bei MICHEL, Abschiedsrede des Paulus, 28–32, und LAMBRECHT, Paul’s Farewell-Address at Miletus, 325f, sowie die sprachliche Analyse von ZETTNER, Amt, Gemeinde und kirchliche Einheit, 329–349. 24 Mit DUPONT, Le discours de Milet, 29. LAMPE, The Lucan Portrait of Christ, 161, verweist hinsichtlich der Reden der Apostelgeschichte nicht zu Unrecht darauf, dass unabhängig davon, ob die Reden lukanische Komposition sind, authentisches Zeugnis der Charaktere wiedergeben oder dem frühen Kerygma entsprechen, vor allem die lukanische Präsentation und Verkündigungsabsicht zu beachten sind. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang noch auf die Untersuchung von WALTON, Leadership and Lifestyle, der einerseits durch einen Vergleich mit Reden Jesu im Lukasevangelium den lukanischen Charakter der Miletrede aufzeigt und der andererseits durch einen Vergleich mit dem ersten Thessalonicherbrief die paulinischen Züge der Rede vor Augen stellt, mit dem Fazit: „Luke’s Paul, when he speaks to Christians as a pastor, sounds like Paul writing as a pastor“ ( op. cit., 213). Angesichts der innerbiblischen Bezüge scheint die These von M ACDONALD,
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von Apg 20,28 nachzugehen, da nach Meinung vieler dieser Vers eigentlich so gar nicht zum Denken des Lukas passt. 25 Wenn dabei wiederholt das Gedankengut des Paulus als interpretatorischer Referenzrahmen herangezogen wird, so ist dies den eben genannten Beobachtungen geschuldet und soll dadurch gerade die lukanische Aussageabsicht profiliert werden. Die Worte lauten wie folgt: 26 V. 28a V. 28ba V. 28bb V. 28c
prose,cete e`autoi/j kai. panti. tw/| poimni,w|( evn w-| u`ma/j to. pneu/ma to. a[gion e;qeto evpisko,pouj poimai,nein th.n evkklhsi,an tou/ qeou/( h]n periepoih,sato dia. tou/ ai[matoj tou/ ivdi,ouÅ
Achtet auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der heilige Geist gesetzt hat zu Aufsehern, zu weiden die Gemeinde Gottes, welche er sich erworben hat durch das Blut des eigenen (Sohnes).
1.2 Apg 20,28a–ba: Die Ältesten und die Gemeinde als Hirten und Herde Hinsichtlich V. 28a bis V. 28ba ist zunächst auffällig, dass die Ältesten (s. V. 17: presbu,teroi) als Aufseher eingesetzt sind (V. 28ba: evpi,skopoi).27 Während die Ältestenwahl auch beim Abschluss der ersten Missionsreise berichtet (Apg 14,23) und schon für die Jerusalemer Gemeinde vorausgesetzt wird (s. Apg 11,30; 15,2.4.6.22f; 16,4; 21,18), 28 ist die Bezeichnung evpi,skopoi bei
Paul’s Farewell to the Ephesian Elders, die Rede in Apg 20 sei als Überarbeitung einer Passage aus Homers Ilias durch Lukas zu verstehen, fraglich. 25 S. stellvertretend CONZELMANN, Apg, 128, und KRÄNKL, Jesus der Knecht Gottes, 123. GILES, Luke’s Use of the Term ‘EKKLHSIA’, 136f, nennt drei Deutungsmöglichkeiten: Apg 20,28 spiegele entweder die Vorstellung des Lukas, gehe auf authentische Paulusrede zurück oder sei eine Tradition, die Lukas aufnehme, um Paulus wie Paulus klingen zu lassen. Das Fazit lautet: „If it is not a record of what Paul actually said, then it is the sort of thing that he would have said.“ Dabei wird jedoch jeder notwendigen Reflexion darüber, inwiefern der Vers auch die Sicht des Lukas vermittelt, vorschnell der Riegel vorgeschoben. Dass Apg 20,28 aufgrund des „unlukanischen Charakters“ nicht als Ausgangspunkt für eine Untersuchung der lukanischen Ekklesiologie genommen werden dürfe, ist darum zu hinterfragen, zumal es sich um eine entscheidende Stelle in der lukanischen Gesamtdarstellung handelt. 26 Zu den textkritischen Problemen s. im Folgenden. 27 CONZELMANN, Apg, 127, sieht darin verfassungsgeschichtlich eine Verschmelzung des paulinischen Gemeindetyps (Episkopen und Diakone) mit der Ältestenverfassung widergespiegelt. BARRETT, Acts II, 975, betont dagegen mit Recht, dass evpi,skopoi hier nicht als Amts-, sondern als Funktionsbezeichnung zu verstehen ist. Vgl. ebd., 975f, zu Parallelen in Qumran. 28 Sonst gelten Lukas insbesondere die Ältesten der Juden als presbu,teroi: s. Lk 7,3; 9,22; 20,1; 22,52; Apg 4,5.8.23; 6,12; 23,14; 24,1; 25,15. Vgl. außerdem die Verheißung im Joelzitat in Apg 2,17.
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Lukas singulär. 29 Doch geht es offenbar nicht um die Frage der konkreten Amtssukzession, da die Einsetzung nicht durch Paulus erfolgt, sondern – so heißt es ausdrücklich – durch den heiligen Geist bereits erfolgt ist. Vielmehr ist der Begriff im Blick auf die Aufgabe gewählt, auf die Gemeinde zu achten und sie zu weiden (V. 28bb: poimai,nein).30 Damit ist zugleich die zweite Auffälligkeit benannt: die durch das Wortspiel poi,mnion – poimai,nw unterstrichene Beschreibung der Gemeinde als Herde (V. 28a.29). 31 Diese Beschreibung hat innerhalb des lukanischen Werks eine Entsprechung in Lk 12,32, wo Jesus den Jüngern zusagt: „Fürchte dich nicht, kleine Herde, denn es gefiel eurem Vater, euch das Königtum zu geben.“32 Einzuordnen ist hier ferner der Auftrag Jesu, das Verlorene zu suchen und selig zu machen (Lk 19,10: zhth/sai kai. sw/sai to. avpolwlo,j ; vgl. Lk 15,1–7), ein Auftrag, welcher im großen Hirtenbild in Ez 34 gründet (s. Ez 34,16: to. avpolwlo.j zhth,sw). Angesichts der alttestamentlich überhaupt sehr verbreiteten Vorstellung Israels als der Herde Gottes33 ist es einigermaßen überraschend, dass dieses Bild neutestamentlicherseits nicht in stärkerem Maße zur Kennzeichnung der christlichen Heilsgemeinde dient. Wo es aber gebraucht wird – außer bei Lukas noch in Mt 26,31 (= Sach 13,7); Mk 6,34; Joh 10; 21,15–18 und 1Petr 2,25; 5,2f –,34 ist die traditionsgeschichtliche Kontinuität zur alttestamentlichen Vorstellung gegeben. 35 Insbesondere 1Petr 5,1–3 muss als direkte Parallele zu Apg 20,28 gelten: Hier werden die Ältesten (V. 1: presbu,teroi) ermahnt, die Herde Gottes zu weiden, die ihnen anbefohlen ist (V. 2: poima,nate to. evn u`mi/n poi,mnion tou/ qeou/ ).36 Dass sie Älteste der Gemeinde derer sind, 29
Im Neuen Testament sonst noch in Phil 1,1; 1Tim 3,2; Tit 1,7 als innergemeindliche Amtsbezeichnung; nach 1Petr 2,25 gilt Christus selbst als „Aufseher über die Seelen“ (evpi,skopoj tw/n yucw/n u`mw/n ). Bei Lukas steht nur noch das verwandte evpiskoph, innerhalb des Zitats von Y 108,8 in Apg 1,20. 30 So auch SCHNEIDER, Apg II, 296; WITHERINGTON, Acts, 623. 31 Das Wortspiel wird auch erkannt von SELLNER, Das Heil Gottes, 469. 32 Nicht ins Gewicht fallen demgegenüber die Beschreibung der Hirten auf dem Feld in Lk 2,8 sowie die im Griechischen anders bezeichnete Schweineherde in Lk 8,32f. 33 Das Bild ist meist Ausdruck der Fürsorge Gottes, der Kritik an den eingesetzten Führern oder der Verheißung eines endzeitlichen Hirten: s. Ps 77(76),21; Ps 78(77),52; Jes 13,14; 40,11; 63,11; Jer 10,21; 13,17.20; 23,1–3; 25,34–36; 31,10; 50,6; Ez 34,2.8.10– 12.17.22.31; 36,37f; Mi 2,12; 4,8; 5,3; Sach 9,16; 10,2f; 11,17; 13,7; Sir 18,13; Bar 4,26. Vgl. in der LXX noch 3Reg 21,27; 22,17; Jes 65,10; Mi 7,14; PsSal 17,40. Der Terminus poi,mnion findet sich dabei in 3Reg 22,17; Y 77,52; Jes 40,11; Jer 13,17.20; 38,10; Ez 34,12.31; Mi 2,12; 4,8; 5,3; Sach 10,3; Sir 18,13; Bar 4,26; PsSal 17,40. 34 Vgl. auch Eph 4,11; Offb 12,5. 35 Vgl. sodann 1Clem 16,1; 44,3; 54,2; 57,2, wo es je um die Aufseher bzw. Ältesten der Herde Christi geht (poi,mnion tou/ Cristou/ ); ferner IgnRöm 9,1, wonach die Kirche von Syrien Gott zum Hirten und Christus zum Aufseher hat; außerdem IgnPhld 2,1; MartPol 14,1; Herm sim IX, 31,5f. 36 In einigen Handschriften (î72, a2, A et al.) findet sich die Weiterführung mit evpiskopou/ntej, die eine Parallele zu 1Petr 2,25 herstellen würde. S. dazu METZGER, Textual
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die Gott ausersehen hat durch die „Heiligung des Geistes zum Gehorsam und zur Besprengung mit dem Blut Jesu Christi“ (1Petr 1,2), unterstreicht die Nähe zu Apg 20,28 ebenso wie die Kennzeichnung Jesu als „Hirte und Aufseher über die Seelen“ in 1Petr 2,25 (poimh,n kai. evpi,skopoj tw/n yucw/n u`mw/n). Diese Kennzeichnung aber ist es, die auf einen wichtigen Zusammenhang verweist, denn sie steht in Verbindung mit der Gottesknechtstradition, genauer: mit der Aussage im Anschluss an Jes 53,6, dass die Herde Jesu aus denen besteht, die ehemals wie Schafe in die Irre gingen (1Petr 2,25: w`j pro,bata planw,menoi; s. Jes 53,6: pa,ntej w`j pro,bata evplanh,qhmen).37 Dieser traditionsgeschichtliche Bezug ist grundsätzlich auch für Lukas vorauszusetzen, da er die bei Jesaja direkt folgenden Worte (Jes 53,7f) in Apg 8,32f zitiert und alles dafür spricht, dass er den Ursprungskontext gut im Blick hat. 38 Ferner ist zu berücksichtigen, dass in Jes 40,11 eine gleich dreifache Beschreibung des göttlichen Hirtendienstes für seine Herde vorliegt 39 und dieser Vers im Rahmen der Lukas wohlbekannten Eröffnung des großen jesajanischen Heilsbildes steht, 40 welches durch die Gottesknechtslieder mit konstituiert wird. Darum ist nicht auszuschließen, dass neben Ez 34 besonders die beiden genannten jesajanischen Passagen für die lukanische Darstellung im Hintergrund stehen. 41 Die Schwierigkeit und die theologische Brisanz von Apg 20,28 liegen jedoch in V. 28bb und V. 28c, genauer: in der Wendung evkklhsi,an tou/ qeou/ sowie in der Näherbestimmung des Erwerbs der Gemeinde dia. tou/ ai[matoj tou/ ivdi,ou. 1.3 Apg 20,28bb–c: Textkritische Probleme und theologische Deutungen Die Schwierigkeit beruht zunächst darauf, dass die Textüberlieferung hier in recht ausgewogenem Maß auseinander geht. Während die genannte Lesart evkklhsi,an tou/ qeou/ von a und B, einigen Minuskeln, der Vulgata, der syrischen Überlieferung, einer bohairischen Handschrift sowie Cyrill geboten wird, ist auch die Lesart evkklhsi,an tou/ kuri,ou gut bezeugt: durch î74, A, C*, Commentary, 625; BROX, Der erste Petrusbrief, 230. Die Nähe der beiden Passagen wird auch betont von HERZER, Petrus oder Paulus?, 180f.192f. 37 Zur Aufnahme von Jes 53 in 1Petr 5 vgl. HERZER, Petrus oder Paulus?, 191f mit Anm. 156. 38 Vgl. dazu grundsätzlich Kapitel I. 39 Gott gilt hier als derjenige, der seine Herde wie ein Hirte weiden (LXX: w`j poimh.n poimanei/ to. poi,mnion auvtou/ ), die Lämmer in seinen Arm sammeln und die Mutterschafe führen bzw. trösten wird. 40 Vgl. das gegenüber Mk 1,3 und Mt 3,3 (= Jes 40,3) in umfassenderer Weise dargebotene Zitat von Jes 40,3–5 in Lk 3,4–6. 41 In diese Richtung weist jedenfalls der Befund im ersten Clemensbrief, wo das Bild der Herde u.a. mit dem Knechtstitel (1Clem 59,4) bzw. mit dem Zitat von Jes 53 verbunden ist (1Clem 16). S. dazu o. in Abschnitt II.A.5.
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D, E, Y, viele Minuskeln (u.a. 33 und 1739), zwei lateinische Handschriften, eine Marginallesart der Harklensis, die koptische Überlieferung und Irenäuslat. Das Verhältnis der beiden Lesarten ist daher im Zuge der Auslegung zu ermitteln. Weniger Gewicht hat die ebenfalls anzutreffende Konflation evkklhsi,an tou/ kuri,ou kai, tou/ qeou/ (C3, Û). Die Näherbestimmung dia. tou/ ai[matoj tou/ ivdi,ou ist dagegen breiter belegt und die hierfür anzutreffenden Varianten sind als Verdeutlichungen zu verstehen. 42 Folgt man der Textform th.n evkklhsi,an tou/ qeou/( h]n periepoih,sato dia. tou/ ai[matoj tou/ ivdi,ou, so sind grundsätzlich mehrere Aussagegehalte möglich. 1.) Nach einer ersten Deutung ist die Gemeinde „Gemeinde Gottes, welche er sich durch sein eigenes Blut erworben hat“. In diesem Fall läge einerseits eine terminologische Übereinstimmung mit dem paulinischen Gebrauch von evkklhsi,a tou/ qeou/ vor43 und es wäre andererseits i;dioj als nachgestelltes Adjektiv zu betrachten. Letzteres ist rein grammatisch natürlich nicht unbegründet und es findet sich mit to. pneu/ma to. a[gion sogar ein unmittelbarer Präzedenzfall für diese Konstruktion im selben Vers. Auffällig ist aber, dass das adjektivische i;dioj bei Lukas bis auf eine Ausnahme immer dem Substantiv vorausgeht44 und dasselbe für das Corpus Paulinum gesagt werden muss.45 Der Fall ist also nicht so eindeutig wie bei den christologischen Stel42
Den Text haben î41.74, a, A, B, C, D, E, Y, einige Minuskeln sowie Cyrill. Dagegen bietet Irenäus lat nach der vorangehenden Lesart mit kuri,ou die Wendung ai[matoj auvtou/ (Haer. 3,14,2: regere ecclesiam Domini quam sibi constituit per sanguinem suum) und der Mehrheitstext die Umstellung tou/ ivdi,ou ai[matoj. Zu vernachlässigen ist die Einfügung von e`autw/| (î41vid, D, Irlat), welche lediglich die Sinnrichtung unterstreicht. 43 S. nochmals 1Kor 1,2; 10,32; 11,16.22; 15,9; 2Kor 1,1; Gal 1,13; 1Thess 2,14; 1Tim 3,5.15; vgl. 2Thess 1,4. 44 S. Lk 6,41.44; 10,34; Apg 1,7.19; 2,6.8; 3,12; 13,36; 24,24; 25,19; 28,30. Die Ausnahme ist Apg 1,25. Ansonsten wird i;dioj bei Lukas prädikativ gebraucht (s. Apg 4,32: e;legen i;dion ei=nai), erscheint es in der adverbialen Wendung katV ivdi,an (Lk 9,10; 10,23; Apg 23,19) oder ist es substantivisch und pluralisch verwendet (Lk 18,28; Apg 21,6: ta. i;dia; Apg 4,23; 24,23: oi` i;dioi). 45 S. Röm 8,32; 10,3; 11,24; 14,4f; 1Kor 3,8; 6,18; 7,2.4.7.37; 11,21; 15,23.38; Gal 6,5; vgl. 1Tim 3,4f; 4,2; 5,4; 2Tim 1,9; Tit 1,12; pluralisch: 1Kor 4,12; 9,7; 14,35; 1Thess 2,14; 4,11; vgl. Eph 4,28; 5,22; 1Tim 3,12; 6,1; 2Tim 4,3; Tit 2,5.9. Ausnahme ist hier die artikellose Wendung kai,roj i;dioj in Gal 6,9 bzw. kairoi/j ivdi,oij in 1Tim 2,6; 6,15; Tit 1,3. Vgl. ferner den adverbialen Gebrauch in 1Kor 12,11 und in der Wendung katV ivdi,an in Gal 2,2 sowie die substantivische Verwendung des Plurals in 1Thess 4,11 (ta. i;dia) und 1Tim 5,8 (oi` i;dioi). Die genannte Gemeinsamkeit zwischen Lukas und Paulus ist im Hinblick auf eine „paulinische Stilisierung“ der Rede durch Lukas umso auffälliger. Auch im übrigen Neuen Testament wird das adjektivische i;dioj in aller Regel dem Substantiv vorangestellt: s. Mt 9,1; 22,5; 25,15; 2Petr 1,3.20; 2,22; 3,16f; Jak 1,14; Jud 1,6; pluralisch: Mt 25,14; Mk 4,34; Joh 4,44; Joh 10,3; 1Petr 3,1.5; 2Petr 2,16; 3,3; Hebr 7,27. Die Nachstellung tritt lediglich im Johannesevangelium deutlicher zutage (Joh 1,41; 5,18.43; 7,18), wo neben dem prädikativen Gebrauch (Joh 10,12) insbesondere die substantivische Verwendung breit belegt ist (ta. i;dia: Joh 1,11; 8,44; 10,4; 15,19; 16,32; 19,27; oi` i;dioi: Joh 1,11;
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len Hebr 9,12 und 13,12, welche formal die nächsten Parallelen zu Apg 20,28 darstellen (je dia. tou/ ivdi,ou ai[matoj). Das theologische Problem ist indes, dass nach diesem Verständnis eine innerhalb des Neuen Testaments ganz einzigartige „patripassianisch“ anmutende Feststellung getroffen würde. 46 Lediglich die varia lectio in 1Petr 5,1, derzufolge Petrus nicht Zeuge der Leiden Christi, sondern der „Leiden Gottes“ ist (ma,rtuj tw/n tou/ qeou/ paqhma,twn [î72]), geht in diese Richtung, ist aber wohl eher als Aussage über die Göttlichkeit Jesu zu begreifen und einem dogmatischen Interesse im Rahmen der späteren christologischen Fragestellung zuzuschreiben.47 Sinnvoll erscheint diese Deutung von Apg 20,28 folglich nur, sofern qeo,j in inklusivem Sinn gemeint wäre, in dem Sinn also, dass der Gottesbegriff zunächst für GottVater stünde und sodann unausgesprochen durch Jesus konkretisiert würde. Das hieße, Vater und Sohn so eng verbunden zu begreifen, dass der Gedanke ohne eigentlichen Übergang von der einen zur anderen Person hinübergleiten könnte.48 Dies ist für Lukas immerhin durch Apg 16,34 belegt, wo mit dem Glauben an Gott (pepisteukw.j tw/| qew/|) konkret der Glaube an Jesus gemeint ist (s. Apg 16,31: pi,steuson evpi. to.n ku,rion VIhsou/n ).49 Gerade diese Stelle dokumentiert, dass auch dort, wo die Nomenklatur „Jesus ist Gott“ nicht direkt gebraucht wird, die Vorstellung von der Wesenseinheit Jesu mit Gott durchaus im Hintergrund steht. In Apg 20,28 ist das Problem jedoch ein philologisches, zumal sich noch weitere Möglichkeiten bieten, die Wendung zu verstehen.
13,1). Zur Wendung katV ivdi,an s. noch Mt 14,13.23; 17,1.19; 20,17; 24,3; Mk 4,34; 6,31f; 7,33; 9,2.28; 13,3. Zu Hebr 4,10 vgl. u. in Anm. 79. 46 Vgl. KNÖPPLER, Sühne im Neuen Testament, 292: „eine für das Neue Testament fremde Vorstellung“. BAUERNFEIND, Apg, 239, beurteilt darum den Schluss von V. 28 als vorlukanisch: Von sich aus hätte Lukas eine solche theologische Formulierung nicht geprägt. Zudem wird nichtpaulinischer Ursprung vermutet. 47 S. BROX, Der erste Petrusbrief, 229 Anm. 722, gegenüber B EARE, Some Remarks, 264, der hier einen „unconscious Patripassianism“ wiedergespiegelt sieht. 48 Vgl. WIKENHAUSER, Apg, 235; GEORGE, Le sens de la mort de Jésus pour Luc, 211; sowie DUPONT, Le discours de Milet, 152, der als Vergleich noch Röm 8,31–39 heranzieht, wo die Liebe Gottes in Jesus (V. 39) synonym zur Liebe Jesu steht (V. 35). Auf Röm 8 ist sogleich noch zurückzukommen. 49 Auf einer anderen Ebene einzuordnen ist der wiederholte Hinweis, dass angesichts von Wunderhandlungen Jesu die Menschen Gott preisen. S. Lk 9,43; 13,13; 17,15.18; 18,43; 19,37; 24,52f. Zu beachten bleibt aber Lk 8,39, wo eine stärkere Identifizierung vor liegt (o[sa soi evpoi,hsen o` qeo,j / o[sa evpoi,hsen auvtw/| o` VIhsou/j ) und wo die christologische Pointe eben darin besteht, dass im Wirken Jesu niemand anderes als Gott selbst präsent ist. Mit WOLTER, Lukasevangelium, 322. Zum Teil wird für die genannte Sicht auch auf Röm 5,8 rekurriert, wonach Gott seine Liebe darin erweist, dass Christus „für uns“ starb (suni,sthsin de. th.n e`autou/ avga,phn eivj h`ma/j o` qeo,j … Cristo.j u`pe.r h`mw/n avpe,qanen). Die Liebe ist hier jedoch die Liebe Gottes und der Tod ist der Tod Jesu. Das Problem in Apg 20,28 bleibt also i;dioj. Vgl. dazu HARRIS, Jesus as God, 138.
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2.) Alternativ wird vorgeschlagen, als Subjekt des Nebensatzes nicht qeo,j, sondern Christus anzunehmen. 50 Diese Annahme gründet auf der These, dass hier zwei ursprünglich voneinander unabhängige Formeln verbunden worden seien: „die Gemeinde Gottes“ und „Christus hat sein Volk durch Blut erworben“.51 Damit wird Lukas freilich angelastet, eher sorglos zu formulieren, die syntaktischen Zusammenhänge nicht zu überprüfen oder den Subjektwechsel in die Wahrnehmung des Lesers zu verlagern. 52 3.) Eine dritte Option ist darum das Verständnis der Gemeinde als Gemeinde Jesu, der sie „durch sein eigenes Blut erworben hat“. In diesem Fall wäre mit qeo,j explizit die Divinität Christi ausgesagt und i;dioj wiederum als Adjektiv zu begreifen. 53 Auf dieses christologische Verständnis dürfte auch die Alternativlesart evkklhsi,an tou/ kuri,ou zielen, sofern sie die Problematik einer Aussage über das Blut Gottes, des Vaters, vermeiden wollte. 54 Umgekehrt wäre es freilich auch möglich, dass ein ursprüngliches kuri,ou in Angleichung an paulinischen Sprachgebrauch durch typischeres qeou/ ersetzt wurde;55 qeou/ dürfte aber die lectio difficilior sein.56 Zu bedenken ist bei alledem, dass im Zuge der abkürzenden Schreibweise der Unterschied zwischen den Lesarten nur in einem Buchstaben bestand (qu® bzw. ku®).57 In jedem Fall ist die Wendung evkklhsi,a tou/ kuri,ou, deren Äquivalent in der Septuaginta stets die Zugehörigkeit Israels zu Gott unterstreicht, 58 gleichermaßen ein Hinweis auf 50
S. LOHSE, Märtyrer und Gottesknecht, 188 Anm. 6. S. ROLOFF, Apg, 306; CONZELMANN, Apg, 128f. 52 Vgl. KNÖPPLER, Sühne im Neuen Testament, 292 Anm. 138; MICHEL, Abschiedsrede des Paulus, 25. 53 So mit Nachdruck DEVINE, The “Blood of God” in Acts 20:28, der nach eingehender Untersuchung auch der Rezeptionsgeschichte des Verses die Lesart mit qeou/ für ursprünglich hält und zugleich in Apg 20,28 einen frühen Beleg für die Vorstellung von der Göttlichkeit Jesu erkennt. Ähnlich WIKENHAUSER, Apg, 235. 54 Vgl. dazu auch die o. S. 290 Anm. 42 genannten Textvarianten, welche den christologischen Bezug verdeutlichen. 55 Vgl. SCHMID, Eklektische Textkonstitution, 584 Anm. 16. 56 Dazu kommt der Bezug auf Jes 43,21 und eventuell auf Y 73,1f, wo jeweils qeo,j Subjekt ist. S. dazu in Abschnitt II.B.1.4. Für ursprüngliches qeou/ votieren etwa GEORGE, Le sens de la mort de Jésus pour Luc, 210f; BARRETT, Acts II, 976f; FITZMYER, Acts, 679f; PETERSON, Acts, 569f; WALTON, Leadership and Lifestyle, 94f. 57 Stellvertretend seien hier der Codex Sinaiticus auf der einen und der Codex Alexandrinus auf der anderen Seite genannt. Auf den Sachverhalt machen DEVINE, The “Blood of God” in Acts 20:28, 383 Anm. 5, und METZGER, Textual Commentary, 425, zu Recht aufmerksam. 58 Die evkklhsi,a Israel (evkklhsi,a [tou/] laou/: Jdt 14,6; Y 106,32; PsSal 10,6; evkklhsi,a Israhl: Dtn 31,30; Jos 9,2; 3Reg 8,14.22.55; 1Chr 13,2; 2Chr 6,3.12f; 10,3; Esr 10,1; 1Makk 4,59; Sir 50,13.20; evkklhsi,a Iouda: 2Chr 20,5; 23,3; 30,25) wird in der LXX verschiedentlich Gott zugeordnet als evkklhsi,a kuri,ou (Dtn 23,2–4.9; 1Chr 28,8; Mi 2,5), evkklhsi,a qeou/ (Neh 13,1), evkklhsi,a tou/ laou/ tou/ qeou/ (Ri 20,2) oder als evkklhsi,a u`yi,stou (Sir 24,2). Im Unterschied zur genannten Lesart in Apg 20,28 fehlt also in aller 51
1. Die durch Blut erlöste Gemeinde: Apg 20,28
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den göttlichen Status Jesu, da der ku,rioj-Titel dem Gottesnamen entspricht und nach dem Zeugnis der Apostelgeschichte Gott und Christus so sehr in eins gesehen werden können, dass an einigen Stellen nicht unmittelbar klar ist, wer von beiden damit gemeint ist. 59 Für Paulus wiederum ist die Gottheit Jesu nicht fraglich, beschreibt er doch in Röm 9,5 nicht nur die Herkunft Jesu „nach dem Fleisch“ aus Israel, sondern prädiziert er Christus zugleich als „Gott über allem“ und steigert er die Aussage noch zur Doxologie (evx w-n o` Cristo.j to. kata. sa, rka( o` w'n evpi. pa,ntwn qeo.j euvloghto.j eivj tou.j aivw/naj( avmh,n).60 Wenn sich daneben – in Abweichung von der eigentlichen pauliniRegel der determinierende Artikel. Daneben finden sich noch Attribute im Blick auf die Zugehörigen zur Gemeinde: evkklhsi,a th/j avpoiki,aj (Esr 10,8), evkklhsi,a a`gi,wn (Y 88,6), evkklhsi,a o`si,wn (Y 149,1), evkklhsi,a pistw/n (1Makk 3,13). Am häufigsten ist indes der Gebrauch von evkklhsi,a ohne Näherbestimmung. 59 S.o. in Kapitel II.A., S. 182f mit Anm. 2 und S. 258f mit Anm. 334 sowie insgesamt den Exkurs zur Bedeutung des Namens Jesu in der Apostelgeschichte, wo die Entsprechung des JHWH-Namens und des christologischen Kyrios-Titels am Beispiel der Pfingstrede erläutert wird. 60 Diese Stelle ist freilich ähnlich umstritten wie Apg 20,28. Sie ist es allerdings nicht aufgrund der Textüberlieferung – diese ist hier völlig einheitlich –, sondern aus theologischen Gründen. Auch hier steht zur Debatte, inwieweit Paulus Jesus explizit als Gott bezeichnen kann, wo er es in dieser Weise sonst nicht tue. Zudem wird auf den jüdischen Hintergrund und auf den Kontext rekurriert: Eine Aussage über die Gottheit Jesu füge sich schwer in das Ringen um das Geschick Israels. Darum wird von manchen als Konjektur vorgeschlagen, w-n o` statt o` w;n zu lesen und damit die nachfolgende Gottesaussage nicht auf Christus zu beziehen, sondern theologisch in die Argumentationsreihe über die Erwählungskennzeichen Israels zu integrieren (Röm 9,4f), wo dreifach mit w-n formuliert ist. So etwa HAACKER, Römer, 210–212. Dagegen spricht aber stilistisch der Gebrauch von kai. vor evx w-n, wodurch die Aussage über die Abstammung Jesu nach dem Fleisch bereits als letztes Glied in der Kette ausgezeichnet wird, und dagegen spricht vor allem, dass der Satz auch ohne die Konjektur einen guten Sinn ergibt, weshalb der Textüberlieferung zu folgen ist. Ein anderer Lösungsansatz besteht darin, die Doxologie schlichtweg durch einen Punkt nach sa,rka vom Vorhergehenden – und damit von Christus – abzusetzen. S. WILCKENS, Römer 2, 189, und STUHLMACHER, Römer, 131f, sowie überhaupt die Auflistung der acht verschiedenen Punktierungsmöglichkeiten bei METZGER, The Punctuation of Rom. 9: 5, 95f. Nun ist richtig, dass Doxologien mit euvloghto,j im Neuen Testament für gewöhnlich auf Gott bezogen sind (s. Lk 1,68; Röm 1,25; 2Kor 1,3; 11,31; Eph 1,3; 1Petr 1,3), auch dort, wo Jesus mit im Blick ist (2Kor 1,3; 11,31; Eph 1,3; 1Petr 1,3). Es fällt jedoch stärker ins Gewicht, dass Doxologien in aller Regel rückbezogen sind – vgl. neben Röm 1,25; 11,36; Gal 1,5; 2Tim 4,18 besonders 2Kor 11,31, wo ganz entsprechend zu Röm 9,5 formuliert ist (…, o` w;n euvloghto.j eivj tou.j aivw/naj) – und dass selbständige Doxologien anders konstruiert werden und mit euvloghto,j einsetzen (s. Lk 1,68; 2Kor 1,3; Eph 1,3; 1Petr 1,3; vgl. Phil 4,20; 1Tim 1,17). Zudem wäre im Fall einer asyndetischen Doxologie die Formulierung mit w;n eher unnötig; es reichte o` evpi. pa,ntwn qeo,j. Die Beschreibung Jesu „nach dem Fleisch“ legt ferner eine antithetische Fortsetzung nahe, wie sie mit der Hoheitsaussage „Gott über allem“ gegeben ist (vgl. Röm 1,3f). Ein relativischer Bezug auf das vorhergehende Subjekt (o` Cristo,j) ist darum die natürlichste Lesart für Röm 9,5. Darüber hinaus ist zu konstatieren, dass auch sonst im Corpus Paulinum ein klares Zeugnis
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: B. Ekklesiologie
schen Gepflogenheit – auch der einzige weitere neutestamentliche Beleg für die ausdrückliche Zuschreibung der Gemeinde zu Jesus bei Paulus findet (Röm 16,16: ai` evkklhsi,ai pa/sai tou/ Cristou/ ),61 so scheint die angedeutete Sicht weder von paulinischer noch von lukanischer Seite her unmöglich. 62 Die sich nachfolgend in der frühchristlichen Literatur etablierende Rede vom „Blut Gottes“ bzw. vom „Tod Gottes“ ist dann auch im Blick auf die Gottheit Jesu bzw. das Handeln Gottes in Jesus gemeint und zeigt, dass dieser Gedanke sich verfestigte.
über die Gottheit Jesu vorliegt, wenngleich in aller Regel umschreibender formuliert wird: s. Röm 14,9 (kai. nekrw/n kai. zw,ntwn kurieu,sh| ); 1Kor 2,8 (ku,rioj th/j do,xhj); 8,6 (ei-j ku,rioj VIhsou/j Cristo.j diV ou- ta. pa,nta kai. h`mei/j diV auvtou/ ); 2Kor 4,4 (fwtismo.n tou/ euvaggeli,ou th/j do,xhj tou/ Cristou/( o[j evstin eivkw.n tou/ qeou/ ); 2Kor 4,6 (gnw,sewj th/j do,xhj tou/ qeou/ evn prosw,pw| ÎVIhsou/Ð Cristou/ ); Phil 2,6 (o]j evn morfh/| qeou/ u`pa,rcwn ouvc a`rpagmo.n h`gh,sato to. ei=nai i;sa qew/| ); sowie Kol 1,15 (o[j evstin eivkw.n tou/ qeou/ tou/ avora,tou); Kol 2,9 (evn auvtw/| katoikei/ pa/n to. plh,rwma th/j qeo,thtoj swmatikw/j ) und Tit 2,13, sofern die parallele Formulierung (evpifa,neian th/j do,xhj tou/ mega,lou qeou/ kai. swth/roj h`mw/n VIhsou/ Cristou/) auf eine Kennzeichnung Christi als „großer Gott“ und „Retter“ zielt, wofür der Gebrauch nur eines Artikels spricht. S. dazu die Diskussion bei MERKEL, Pastoralbriefe, 99; HOLTZ, Pastoralbriefe, 227f; OBERLINNER, Titusbrief, 136f; HARRIS, Jesus as God, 173–185. Vgl. außerdem Röm 10,9–13; 1Kor 1,24; 2Kor 8,9; Gal 4,4; Phil 2,9f; ferner 1Tim 3,16 sowie die Beschreibung von Aktivitäten Jesu, die nur Gott eigen sind (z.B. Schöpfung: Kol 1,16; Austeilung von Gnade und Frieden: Röm 1,7; Sündenvergebung: Kol 3,13; Gericht: 1Kor 4,4f; 2Kor 5,10; 2Thess 1,7–9). Auch das den Kontext betreffende Argument ist zu einseitig gefasst, geht es Paulus doch gerade um den Anstoß Israels durch die Erkenntnis Jesu als desjenigen, der seiner menschlichen Seite nach von jüdischer Abstammung ist und insofern den größten Vorzug des Gottesvolkes manifestiert. Mit MOO, Romans, 568, bleibt ein Verständnis von Röm 9,5 als Aussage über die Gottheit Jesu darum insgesamt „exegetically preferable, theologically unobjectionable, and contextually appropriate.“ Befürwortend auch SCHLIER, Römerbrief, 288, und JEWETT, Romans, 567f. Diese Sicht wird schließlich dadurch noch unterstrichen, dass sowohl die Kirchenväter als auch die frühen Übersetzungen die Stelle praktisch ausnahmslos in diesem Sinn auffassten. Vgl. dazu die detaillierte Darstellung bei DURAND, Rom ix, 5, 552– 562, und METZGER, The Punctuation of Rom. 9: 5, 100–103. Beide Autoren kommen nach eingehender Untersuchung ebenfalls zu dem genannten Ergebnis. Für eine umfassende Diskussion von Röm 9,5 sei außerdem verwiesen auf HARRIS, Jesus as God, 143–172, und CARRAWAY, Christ is God, die selbst dem hier gefällten Urteil zustimmen. 61 Vgl. daneben noch Gal 1,22 (tai/j evkklhsi,aij th/j VIoudai,aj tai/j evn Cristw/| ) und 1Thess 2,14 (tw/n evkklhsiw/n tou/ qeou/ tw/n ouvsw/n evn th/| VIoudai,a| evn Cristw/| VIhsou/ ). 62 Vgl. nochmals Apg 16,31.34.
1. Die durch Blut erlöste Gemeinde: Apg 20,28
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Exkurs: Die Aussagen über das „Blut Gottes“ in Bezug auf Jesus in der frühen Kirche Ignatius spricht die Gläubigen in Ephesus als „Nachahmer Gottes“ an, die „durch Gottes Blut“ wiederbelebt sind (mimhtai. o;ntej qeou/( avnazwpurh,santej evn ai[mati qeou/; IgnEph 1,1),63 und sieht sich selbst als „Nachahmer der Passion meines Gottes“ (evpitre,yate, moi mimhth.n ei=nai tou/ pa,qouj tou/ qeou/ mou; IgnRöm 6,3).64 Tertullian erinnert in Ad uxorem 2,3 daran, dass die Gläubigen nicht sich selbst gehören, sondern um einen Kaufpr eis erworben sind, nämlich um das Blut Gottes (Quod sciam, non sumus nostri, sed pretio empti. Et quali pretio! Sanguine dei!). Und Clemens Alexandrinus kommt im Zuge seiner Ausführungen gegen die Geringschätzung des Körpers darauf zu sprechen, dass der große Schatz, der „in irdenen Gefäßen“ getragen wird, durch die Kraft Gottes, des Vaters, und das Blut Gottes, des Sohnes, und den Tau des Heiligen Geistes umschirmt ist (duna,mei qeou/ patro.j kai. ai[mati qeou/ paido.j kai. dro,sw| pneu,matoj a`gi,ou periteteichisme,non; Quis div. 34,1). Die Lehre vom „gekreuzigten Gott“ (deum crucifixum) verteidigt Tertullian in De carne Christi 5 unter anderem durch die Frage an Marcion, ob der „Herr“ nicht wirklich gekreuzigt worden sei (nonne vere crucifixus est dominus?). Hier ist die christologische Gleichsetzung von ku,rioj und qeo,j unverkennbar. Dies gilt auch für Justin, der in Analogie zu Apg 20,28 davon spricht, dass Christus bis zum Kreuzestode für die ganze bunte und vielgestaltige Menschenwelt diente, die er sich durch sein Blut und das Geheimnis des Kreuzes als Eigentum erworben hat (evdou,leuse kai. th.n me,cri staurou/ doulei,an o` Cristo.j u`pe.r tw/n evk panto.j ge,nouj poiki,lwn kai. polueidw/n avnqrw,pwn( diV ai[matoj kai. musthri,ou tou/ staurou/ kthsa,menoj auvtou,j; Dial. 134,5). Melito von Sardes schließlich stellt in seiner Passahomilie nachdrücklich vor Augen, dass Israel seinen Herrn getötet hat (avpe,ktei,naj sou to.n ku,rion evn me,sw| VIhrousalh,m ; § 93), weshalb an alle Völker die Botschaft von diesem ungeheuerlichen Geschehen ergeht, dass Gott ermordet wurde (o` qeo,j pefoneu,tai; § 96). In dieselbe Richtung weist im Übrigen auch TestLev 4,1, wo im Kontext der Beschreibung der kosmischen Auswirkungen des Gerichts über alle Menschensöhne die Aussage ergeht, dass der Hades beraubt wird bei dem „Leiden des Höchsten“. 65 ***
Angesichts dieses Befundes ist nochmals festzuhalten, dass die Verwendung von qeo,j für Jesus schon bei Paulus nachzuweisen und auch von lukanischer Seite her nicht undenkbar ist. In Apg 20,28 bleibt dies aber deshalb unwahrscheinlich, weil von Jesus in der Miletrede sonst nur in Verbindung mit dem Titel ku,rioj gesprochen wird (s. V. 21: o` ku,rioj h`mw/n VIhsou/j ; V. 24 und V. 35: o` ku,rioj VIhsou/j), während qeo,j unzweifelhaft Gott-Vater bezeichnet
63 Dass der Gedanke wie in der Miletrede mit der ephesinischen Gemeinde verbunden ist, dürfte dabei kaum zufällig sein. 64 Auch an anderen Stellen wird Christus bei Ignatius „Gott“ genannt: s. IgnEph 7,2; 18,2; 19,3; IgnRöm Präskript; 3,3; IgnSmyrn 1,1; IgnPol 8,3. 65 Dies ist offenbar ebenso der christlichen Überarbeitung zuzuschreiben wie die Aussage im selben Abschnitt, dass sich Felsen spalten und die Sonne sich verfinstert (vgl. Mt 27,45.52). Der „Höchste“ ist in TestLev sonst ausschließlich Gottesprädikat – auch dort, wo christliche Perspektive vorliegt: s. TestLev 5,1; 16,3; 18,7.
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: B. Ekklesiologie
(s. V. 21.24.27.32).66 Gerade die Nennung Gottes in V. 27, und damit im direkt vorausgehenden Vers, lässt ein christologisches Verständnis von qeo,j in V. 28 wenig plausibel erscheinen. 67 4.) Darum ist noch eine vierte Möglichkeit für das Verständnis von Apg 20,28 zu erwägen: das Verständnis der Gemeinde als Gemeinde Gottes, der sie durch das Blut „seines Eigenen“ erworben hat.68 In diesem Fall wäre die Nachstellung von ivdi,ou als Betonung aufgefasst69 und i;dioj substantivisch und als christologisches Attribut verstanden. Der substantivische Plural von i;dioj ist neutestamentlich – und auch bei Lukas – durchaus bezeugt; 70 für den substantivierten Singular liegt indes mit Joh 15,19 (to. i;dion) nur ein neutrischer Referenzbeleg vor.71 Lediglich bei Josephus 72 und in den antiken Papyri findet sich die substantivierte maskuline Singularform von i;dioj, im letzten Fall innerhalb der brieflichen Anrede als Ausdruck inniger Verbundenheit. 73 Gegenüber den meisten anderen derartigen christologischen Attributen bei Lukas74 bleibt der Unterschied bestehen, dass nur in Apg 20,28 eine sprachliche Ambivalenz gegeben ist und das ergänzende ui`o,j fehlt. 75 Umgekehrt 66 In Röm 9,1–5 wird qeo,j dagegen nur in Röm 9,5 erwähnt. Erst nach dem doxologischen Abschluss des Gedankenganges kommt Gott-Vater ins Spiel, während Christus erst wieder in Röm 10 genannt ist. 67 HARRIS, Jesus as God, ordnet in seiner überaus hilfreichen und überzeugenden Studie Apg 20,28 darum mit Recht nicht den eindeutigen neutestamentlichen Belegen für die explizite Bezeichnung Jesu als qeo,j zu. Als solche haben nur Joh 1,1.18; 20,28; Röm 9,5; Tit 2,13; 2Petr 1,1 und Hebr 1,8 zu gelten, freilich mit unterschiedlichem Grad an Wahrscheinlichkeit. Vgl. die Übersicht op. cit., 272. 68 Vgl. BENGEL, Gnomon, 501: Est enim sanguis Filii DEI. Er verweist zudem auf 1Joh 1,7 (to. ai[ma VIhsou/ tou/ ui`ou/ auvtou/ ). 69 Vgl. HORT in WESTCOTT – HORT, The New Testament II, 99. 70 Vgl. Apg 4,23; 24,23; Joh 1,11; 13,1; 1Tim 5,8 (oi` i;dioi); Lk 18,28; Apg 21,6; Joh 1,11; 8,44; 10,4; 16,32; 19,27; 1Thess 4,11 (ta. i;dia). 71 Lediglich î66 und die Minuskel 1241 bieten hier als varia lectio to.n i;dion. In den zwischentestamentlichen Texten findet sich einzig die Wendung o` i;dioj ui`o,j in der gleichnishaften Darstellung eines Königs, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtet (ApokrEz, Fragment 1). Entsprechend kann auch Josephus einen „eigenen Sohn“ als o` i;dioj ui`o,j bezeichnen: s. Ant. I, 215. 72 Ant. XIII, 40: „Er gab den Eltern einem jeden den Eigenen [im Sinn von ‚das eigene Kind‘] zurück“: o` de. toi/j goneu/sin e`ka,stw| to.n i;dion avpe,dwken. Darauf verweist auch WOLTER, Jesu Tod, 19 Anm. 17. 73 S. MOULTON, Notes from the Papyri, 277: „Letters are sometimes addressed to soand-so tw/| ivdi,w|, which implies near relationship“. Es handelt sich dabei offenbar um einen Neffen. Für pluralische nominale Belege außerhalb der biblischen Literatur vgl. SPICQ, Theological Lexicon 2, 210f. 74 Vgl. avgaphto,j (Lk 3,22) und evklelegme,noj bzw. evklekto,j (Lk 9,35; 23,35). 75 S. aber o` di,kaioj in Apg 3,14; 7,52; 22,14. Vgl. außerhalb des lukanischen Werkes hvgaphme,noj in Eph 1,6 und im johanneischen Schrifttum das christologische monogenh,j (Joh 1,14.18), das jedoch auch mit ui`o,j verbunden ist (Joh 3,16.18; 1Joh 4,9).
1. Die durch Blut erlöste Gemeinde: Apg 20,28
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spräche freilich umso mehr dafür, dieses Verständnis als lectio difficilior anzunehmen. 76 In diese Richtung weist auch die Beobachtung, dass mit Röm 8,32 ein bedeutender paulinischer Referenzvers existiert. Er ist deshalb von Bedeutung, weil Christus hier als Gottes eigener Sohn (o` i;dioj ui`o,j) gekennzeichnet wird, den dieser nicht verschont, sondern „für uns alle dahingegeben“ hat (tou/ ivdi,ou ui`ou/ ouvk evfei,sato avlla. u`pe.r h`mw/n pa,ntwn pare,dwken auvto,n). Da diese Formulierung in ihrem ersten Teil eindeutig auf die Erzählung von der „Opferung“ Isaaks in Gen 22 rekurriert (s. Gen 22,16: ouvk evfei,sw tou/ ui`ou/ sou tou/ avgaphtou/ ),77 ist i;dioj als Äquivalent zur Bezeichnung Isaaks als avgaphto,j erwiesen. Dieses Entsprechungsverhältnis wäre aber auch bei Lukas gegeben, der avgaphto,j ja an exponierter Stelle in christologischem Sinn gebraucht (s. Lk 3,22). Vor diesem Hintergrund wurde verschiedentlich der Vorschlag gemacht, für Apg 20,28 eine ursprüngliche Ergänzung durch ui`o,j anzunehmen. Eine solche Konjektur hat jedoch keinen Anhaltspunkt in der Textüberlieferung und bleibt ein argumentum e silentio.78 Demgegenüber scheint aber die Annahme einer elliptischen Formulierung (= „durch das Blut seines eigenen [Sohnes]“), und damit die Auffassung von tou/ ivdi,ou als Äquivalent für tou/ ivdi,ou ui`ou/ , durchaus sinnvoll. 79 Auf diese 76 So etwa LAKE – CADBURY, Beginnings I/IV, 261f; CONZELMANN, Apg, 128; HAENCHEN, Apg, 564; SCHNEIDER, Apg II, 297; BRUCE, Acts, 381; METZGER, Textual Commentary, 426; JERVELL, Apg, 512; PETERSON, Acts, 569f. Kritisch dagegen ROLOFF, Apg, 306. 77 Für den Gedanken der rückhaltlosen und stellvertretenden Hingabe Jesu für die Vielen im zweiten Teil des Satzes (u`pe.r h`mw/n pa,ntwn pare,dwken auvto,n ) ist freilich Jes 53 entscheidend. 78 Für die Konjektur aufgrund einer frühen Haplographie, die in alle existierenden Handschriften eingegangen sei (Wegfall von UIOU bei IDIOUUIOU), plädiert bereits HORT (WESTCOTT – HORT, The New Testament I, 575, und The New Testament II, 99f). Ähnlich MICHEL, Abschiedsrede des Paulus, 25, sowie BOISMARD, Rez. zu Garriga, La palabra Ekklesia, 300 Anm. 2. Wenngleich BOISMARD zu Recht außer auf Röm 8,32 auf den Sachverhalt verweist, dass i;dioj für gewöhnlich zwischen Artikel und Substantiv steht (s.o. S. 290 mit Anm. 44f) und dass gemäß dieser Textrekonstruktion eine ausgezeichnete trinitarische Formel vorläge, fehlt doch jeder handschriftliche Beleg und es bleibt ein argumentum e silentio. Vgl. DUPONT, Le discours de Milet, 151. 79 Gegen die weiter nicht begründete Bemerkung von HORT (WESTCOTT – HORT, The New Testament II, 99), dass dies nach griechischem Gebrauch nicht haltbar sei. Ellipsen von Substantiven in Verbindung mit adjektivischen Attributen sind im lukanischen Werk häufig bei Zeitangaben anzutreffen: s. Apg 20,15 (th/| evpiou,sh|, th/| e`te,ra|, th/| evcome,nh|) und 21,18 (th/| evpiou,sh|) gegenüber Apg 7,28 (th/| evpiou,sh| h`me,ra|) und 21,26 (th/| evcome,nh| h`me,ra|); weiter Lk 13,32 und Apg 27,19 (th/| tri,th| [h`me,ra|]); Lk 7,45 (avfV h-j [w[raj]). Aber auch andere Beispiele sind vorhanden: s. Lk 3,5 (ai` tracei/ai [o`doi,]); Lk 12,47 (darh,setai polla,j bzw. ovli,gaj [plhga,j]); Apg 19,19 (avrguri,ou muria,daj pe,nte [dracmw/n]); Apg 19,35 (to. diopete,j [a;galma]); sowie die erstarrten Formen poi,aj (Lk 5,19); evkei,nhj (Lk 19,4); dhmosi,a| (Apg 16,37); e;rhmoj (z.B. Lk 3,2). Für Ellipsen ohne adjektivisches Attribut s. Lk 2,49 (evn toi/j tou/ patro,j mou); Lk 17,24 (evk th/j u`po. to.n ouvrano.n eivj th.n u`pV
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Weise wird der Text in seiner vorliegenden Gestalt ernst genommen und zugleich der Sinn des Verses sachgemäß erfasst. Des Weiteren ist zu bedenken, dass diese Lösung ein trinitarisches Gesamtbild vor Augen stellt: Die Ältesten sind vom Geist eingesetzt in der Gemeinde Gottes, die er sich durch Jesus erworben hat.80 Auf diese Dreipersonenvorstellung weisen aber nicht nur zahlreiche andere Passagen im lukanischen Werk, 81 sondern es ist dies auch die Perspektive der gesamten Miletrede, wie die nachfolgende Übersicht zeigt: Übersicht: Die trinitarische Struktur der Miletrede V. 21
V. 22f
Umkehr zu Gott … (h` eivj qeo.n meta,noia)
… und Glauben an unseren Herrn Jesus Christus (h` pi,stij eivj to.n ku,rion h`mw/n VIhsou/n) Bindung und Zeugnis durch den heiligen Geist (to. pneu/ma [to. a[gion])
ouvrano,n; zu ergänzen: h` meri,j); Apg 2,14 (Pe,troj su.n toi/j e[ndeka [avposto,loij]). Das Subjekt fehlt auch in Lk 24,21 (tri,thn tau,thn h`me,ran a;gei), sofern hier gemeint ist: „er [= Jesus] bringt den dritten Tag zu“ (s. BLASS – DEBRUNNER – REHKOPF, Grammatik, § 1293). Vgl. noch Lk 14,18 (avpo. mia/j [evtl. gnw,mhj o.ä.]) und insgesamt BLASS – DEBRUNNER – REHKOPF, Grammatik, § 241. Typisch ist indes die Auslassung von ui`o,j bei Namens- und Herkunftsangaben: s. Lk 6,15f; Apg 1,13 (VIa,kwboj ~Alfai,ou und VIou,daj VIakw,bou, wobei unsicher bleibt, ob bei Letzterem „Sohn“ oder „Bruder“ zu ergänzen ist); 13,22 (Daui.d o` tou/ VIessai,); 20,4 (Sw,patroj Pu,rrou Beroiai/oj). Semitisch ist wiederum der Zusatz von ui`o,j in Lk 3,2 (VIwa,nnhj o` Zacari,ou ui`o,j ); 5,10 (VIa,kwboj kai. VIwa,nnhj ui`oi. Zebedai,ou). Die o. S. 296 mit Anm. 70 genannten feststehenden Wendungen oi` i;dioi, to. i;dion und ta. i;dia stellen keine eigentlichen Ellipsen dar; eine Ellipse in Verbindung mit i;dioj ist im Neuen Testament somit nur noch durch Hebr 4,10 belegt, wonach der in seine Ruhe Eingehende von seinen Werken ruht „wie Gott von den seinen“ (kate,pausen avpo. tw/n e;rgwn auvtou/ w[sper avpo. tw/n ivdi,wn o` qeo,j ). Für eine Ellipse in Apg 20,28 votiert auch A. M. SCHWEMER (nach eigener Auskunft im Zuge einer privaten Korrespondenz). Ähnlich WALTON, Leadership and Lifestyle, 91–98, und HARRIS, Jesus as God, 131–141, der nach eingehender Diskussion von Apg 20,28 dafür plädiert, i;dioj als substantiviertes christologisches Attribut bzw. tou/ ivdi,ou als abgekürzte Form von tou/ ivdi,ou ui`ou/ zu begreifen. Vgl. nochmals Josephus, Ant. XIII, 40 (o. Anm. 72). 80 Vgl. FITZMYER, Acts, 680, der von einer „triadic nuance“ bzw. einer „trinitarian dimension“ spricht, da in jedem Fall das Blut für Jesus stehe. Der Terminus ist in diesem Zusammenhang freilich nicht im Sinne des späteren trinitarischen Dogmas gemeint. 81 S. Lk 1,30–35; 2,25–30; 3,21f; 10,21f; 24,49; Apg 1,2–5.7f; 2,33; 7,55f; 10,38–44; 11,15–17; 15,8–11; vgl. Lk 4,18; 11,13; 23,46; Apg 2,38f; 4,29–31; 5,30–32; 8,14–17; 13,2–5; 28,23–31.
1. Die durch Blut erlöste Gemeinde: Apg 20,28 V. 24
V. 27
299
„den Dienst, den ich vom Herrn Jesus empfangen habe, …“ (th.n diakoni,an h]n e;labon para. tou/ kuri,ou VIhsou/ ) „… das Evangelium von der Gnade Gottes zu bezeugen“ (diamartu,rasqai to. euvagge,lion th/j ca,ritoj tou/ qeou/) der Ratschluss Gottes (h` boulh. tou/ qeou/ )
V. 28
Einsetzung der Ältesten durch den Geist (u`ma/j to. pneu/ma to. a[gion e;qeto …) die Gemeinde Gottes (h` evkklhsi,a tou/ qeou/ ) Erwerb durch das Blut Jesu (dia. tou/ ai[matoj tou/ ivdi,ou)
V. 32
V. 35
„befehle ich euch Gott“ (parati,qemai u`ma/j tw/| qew/|) Erinnerung an die Worte des Herrn Jesus (oi` lo,goi tou/ kuri,ou VIhsou/ )
V. 28 fügt sich also stringent in den Duktus der Rede ein. Hinzu kommt, dass die trinitarische Perspektive gerade in der Paulusrede einen adäquaten Platz hat, da sie nicht nur gut lukanisch, sondern auch gut paulinisch ist. 82 So ermahnt Paulus in Röm 15,30 „durch unseren Herrn Jesus Christus und durch die Liebe des Geistes, mit mir zu kämpfen in den Gebeten für mich zu Gott“.83 Nach Gal 4,6 „sandte Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen, der da ruft: Abba, Vater!“ und ähnlich klingt 2Kor 1,21f, wonach Gott „uns mit euch festigt in Christus und uns gesalbt hat …, der uns auch versiegelt und das Unterpfand des Geistes in unsere Herzen gegeben hat“. Überhaupt wird besonders in den Korintherbriefen von Gott mittels personaler Differenzierung gesprochen. Bestes Beispiel ist 1Kor 12,4–6, wo die Verschiedenheit von Gnadengaben, Diensten und Wirkungen dreifach von Gott her begründet wird: Es ist derselbe Geist (to. auvto. pneu/ma), derselbe Herr (o` auvto.j ku,rioj), 82 83
Darauf verweist auch DUPONT, Le discours de Milet, 153. Vgl. auch Röm 8,9.11.
300
II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: B. Ekklesiologie
derselbe Gott (o` de. auvto.j qeo, j), der alles in allen wirkt. 84 Entsprechend lautet der Schlussgruß in 2Kor 13,13: Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen.
~H ca,rij tou/ kuri,ou VIhsou/ Cristou/ kai. h` avga,ph tou/ qeou/ kai. h` koinwni,a tou/ a`gi,ou pneu,matoj meta. pa,ntwn u`mw/nÅ
Diese Vorstellung prägt auch 1Kor 2,7–16, wo Jesus, der „Herr der Herrlichkeit“ (V. 8: ku,rioj th/j do,xhj), und der den Gläubigen gespendete Geist Gottes bzw. der „Geist aus Gott“ (V. 12: to. pneu/ma to. evk tou/ qeou/ ) Gott beigesellt werden. Darüber hinaus wurden die Korinther gemäß 1Kor 6,11 „gerechtfertigt im Namen des Herrn Jesus Christus und im Geist unseres Gottes“ (evdikaiw,qhte evn tw/| ovno,mati tou/ kuri,ou VIhsou/ Cristou/ kai. evn tw/| pneu,mati tou/ qeou/ h`mw/n) und sollen sie laut 1Kor 6,19f wissen, dass ihr Leib ein Tempel des heiligen Geistes ist, den sie von Gott haben; sie gehören nicht mehr sich selbst, sondern sind um einen Preis erkauft worden (h' ouvk oi;date o[ti to. sw/ma u`mw/n nao.j tou/ evn u`mi/n a`gi,ou pneu,mato,j evstin ou- e;cete avpo. qeou/ kai. ouvk evste. e`autw/nÈ hvgora,sqhte ga.r timh/j ). Da der Kaufpreis zweifellos auf die Dahingabe Jesu anspielt, steht hier wiederum ein dreifältiges Wesen Gottes vor Augen. Zudem liegt eine große Nähe zu Apg 20,28 vor, wo der Name Jesu ebenfalls nicht explizit fällt.85 Schließlich stimmt Lukas mit Paulus darin überein, dass der heilige Geist auch als „Geist Jesu“ bezeichnet werden kann, wie Apg 16,6f (to. a[gion pneu/ma neben to. pneu/ma VIhsou/ )86 sowie Röm 8,9 (pneu/ma qeou/ neben pneu/ma Cristou/), Gal 4,6 (to. pneu/ma tou/ ui`ou/ auvtou/) und Phil 1,19 (to. pneu/ma VIhsou/ Cristou/) dokumentieren. 87 84
Vgl. 1Kor 8,6. Vgl. im Corpus Paulinum noch Eph 1,3–14; 2,18–22; 4,4–6; Tit 3,4–6; sowie 2Thess 2,13f, wo gesagt wird: „Wir aber müssen Gott allezeit für euch danken, vom Herrn geliebte Brüder, dass Gott euch von Anfang an erwählt hat zur Rettung in Heiligung des Geistes und im Glauben an die Wahrheit, wozu er euch auch berufen hat durch unser Evangelium, zur Erlangung der Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus.“ Hier ist in der Wendung evn a`giasmw/| pneu,matoj der Geist als Genitivus subiectivus aufzufassen: Es geht um die Heiligung, die der Geist Gottes bewirkt. Mit TRILLING, Der zweite Brief an die Thessalonicher, 121. Entsprechend gilt dies dann für 1Petr 1,2. Vgl. außerdem noch Mt 28,19; Hebr 9,14. 86 Vgl. auch die Ausgießung des Geistes durch Jesus in Apg 2,33. 87 S. auch 2Kor 3,17f (o` ku,rioj to. pneu/ma, evstin bzw. avpo. kuri,ou pneu,matoj), wo mit SCHMELLER, Der zweite Brief an die Korinther, 222f, der Bezug auf Christus zu favorisieren ist. Vgl. ferner 1Kor 15,45 und Röm 8,26f.34, wonach dem Geist dieselbe Fürsprecherfunktion eigen ist wie Christus. Die Wendung „Geist Jesu“ findet sich im Neuen Testament sonst nur noch in 1Petr 1,11 (pneu/ma Cristou/). Die Vorstellung wird indes auch an anderen Stellen vorausgesetzt. So werden die Sendschreiben in Offb 2f als Worte Jesu präsentiert, schließen aber jeweils mit dem Hinweis, dass auf das zu hören ist, was der Geist den Gemeinden sagt. Zudem stehen die sieben Geister Gottes in Offb 4,5 in Parallele zu den sieben Geistern Gottes auf dem Lamm in Offb 5,6 und ist das Zeugnis Jesu laut Offb 19,10 der Geist der Weissagung. Vgl. außerdem Joh 15,26; 1Joh 3,24; 4,13. 85
1. Die durch Blut erlöste Gemeinde: Apg 20,28
301
1.4 Die Bedeutung des Blutes: Traditionsgeschichtliche und redaktionsgeschichtliche Aspekte Bei allen Verständnismöglichkeiten von Apg 20,28 bleibt eines jedenfalls deutlich: ai-ma ist nicht vordergründig im Sinne von „Fleisch und Blut“ als Anzeige des Verwandtschaftsverhältnisses zu verstehen 88 oder gar auf Paulus zu beziehen,89 sondern dadurch kommt das Kreuzesgeschehen in den Blick. 90 Der Vers betont, dass in Jesu Sterben Gott selbst am Werk ist. 91 Dadurch, dass Gott sich in Jesus dahingab, hat er sich die Gemeinde „erworben“ – dies ist der Kerngedanke, der auf der Erzählebene den Ältesten den Wert ihrer „Herde“ vor Augen führen soll. An den meisten anderen Belegstellen für ai-ma im lukanischen Werk herrscht der Gedanke der Blutschuld vor, der Gedanke also, dass eine Person Schuld am Tod bzw. am Verlorensein eines anderen Menschen trägt. 92 Dies 88 So die These von DOLFE, The Greek Word of ‘Blood’, der die Stelle praktisch nur im Vergleich mit der hellenistischen Literatur einordnet und im „Blut“ nicht den Kreuzestod erkennt, sondern eine Metapher für eine Person. Als Übersetzung schlägt er daher vor: „the congregation of God, the existence of which he preserved by means of the one nearest to him.“ Zu Recht kritisch SELLNER, Das Heil Gottes, 473. 89 Für diese Sicht verwendet sich SCHMEICHEL, Soteriological Statement. Er möchte die Interpretation der Stelle von aller Vorfixierung auf ein soteriologisches Verständnis befreien, plädiert für ein Verständnis von i;dioj in neutralem Sinn („one who is his own“) und sieht darin eine Chiffre für Paulus. Er sei ja der eigentliche Inhalt der apologetischen Rede. Mit dem „Märtyrerblut“ werde der im Eingang der Rede betonte paulinische Dienst im Blick auf das zukünftige Schicksal zusammengefasst und bewusst eine verschleiernde Sprache gewählt. Ablehnend auch FERGUSON, Church of Christ, 84 Anm. 19. 90 Vgl. MICHEL, Abschiedsrede des Paulus, 88: „Der Sinn ist eindeutig: Das Blut Christi (= Kreuzestod) ist der Preis für den Loskauf der Gemeinde, die somit Gottes Eigent um wird.“ 91 Vgl. BARRETT, Acts II, 976f, demzufolge Lukas meint, dass „when Jesus Christ shed his blood on the cross he was acting as the representative of God: he was God’s way of giving life, blood, for the world.“ 92 Vgl. Lk 11,50f; Apg 1,19; 5,28; 18,6; 22,20 und zum alttestamentlichen Hintergrund des Gedankens Jos 2,19; Ez 3,18.20 sowie DUPONT, Le discours de Milet, 91–95. Zu vernachlässigen sind in diesem Zusammenhang die Krankheit des Blutflusses in Lk 8,43f, das Blut der Galiläer in Lk 13,1, das Verbot des Blutgenusses in Apg 15,20.29; 21,25 sowie Apg 2,19f, wo innerhalb des Zitats von Joel 3,1–5 als kosmische Phänomene der Endzeit u.a. Blut und Feuer bzw. die Verwandlung des Mondes in Blut genannt sind. Auf das „Blut des neuen Bundes“ in Lk 22,20 ist sogleich noch näher einzugehen. Darauf zu beziehen ist die Verwandlung von Schweiß in Blut beim Gebet Jesu in Gethsemane (Lk 22,44): In Aufnahme der Paradieserzählung steht hier der Schweiß für die Todesverfallenheit des Menschen, das Blut dagegen in positivem Sinn für Wandlung vom Tod zum Leben, d.h. für die Rücknahme der in Gen 3 über den Menschen verhängten Strafe der Gottesferne. Die Blutstropfen nehmen vorweg, was am Kreuz Realität wird: „die Entmachtung Satans durch die Ausschüttung des Blutes Jesu (Lk 22,20)“ (MITTMANN-RICHERT, Sühnetod, 181–185, das Zitat ebd., 184).
302
II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: B. Ekklesiologie
gilt auch für den engeren Kontext der Miletrede, wo Paulus die Verantwortung für die Nichtannahme der durch ihn verkündigten Botschaft ablehnt mit den Worten „Darum bezeuge ich euch am heutigen Tag, dass ich rein bin vom Blut aller“ (kaqaro,j eivmi avpo. tou/ ai[matoj pa,ntwn; V. 26). Apg 20,28 evoziert dagegen die Vorstellung des Loskaufs, 93 bei dem das Blut Jesu als Mittel zum Kauf dient.94 Diese Vorstellung ist grundsätzlich neutestamentliches Allgemeingut, obschon sie terminologisch in verschiedener Weise zum Ausdruck gebracht wird; daher stellt sich die Frage, ob und inwiefern bei Lukas eine Besonderheit vorliegt. Verwiesen wurde bereits auf 1Kor 6,20, wonach die Korinther „teuer erkauft“ sind (hvgora,sqhte ga.r timh/j ), was in 1Kor 7,23 erneut unterstrichen wird (timh/j hvgora,sqhte). Nach Tit 2,14 gab sich Jesus „für uns“ dahin, um von aller Gesetzlosigkeit loszukaufen und sich ein Volk zum Eigentum zu reinigen (o]j e;dwken e`auto.n u`pe.r h`mw/n( i[na lutrw,shtai h`ma/j avpo. pa,shj avnomi,aj kai. kaqari,sh| e`autw/| lao.n periou,sion). In Eph 1,7 wird der Loskauf der Gläubigen wiederum deutlicher mit dem Blut Jesu begründet (e;comen th.n avpolu,trwsin dia. tou/ ai[matoj auvtou/ ) und auch laut 1Petr 1,18f sind sie nicht durch Silber und Gold, sondern durch das wertvolle Blut Jesu losgekauft (avrguri,w| h' crusi,w|( evlutrw,qhte evk th/j matai,aj u`mw/n avnastrofh/j patroparado,tou avlla. timi,w| ai[mati w`j avmnou/ avmw,mou kai. avspi,lou Cristou/ ). Schließlich wird in Offb 5,9f die Erwerbung von Menschen aus allen Stämmen und Völkern für Gott durch Jesu Blut erwähnt (evsfa,ghj kai. hvgo,rasaj tw/| qew/| evn tw/| ai[mati, sou evk pa,shj fulh/j kai. glw,sshj kai. laou/ kai. e;qnouj kai. evpoi,hsaj auvtou.j tw/| qew/| h`mw/n basilei,an kai. i`erei/j).95 Ist die Vorstellung des Loskaufs durch Jesu Blut also an sich 93
Peripoie,w findet sich im Neuen Testament nur noch in Lk 17,33 und 1Tim 3,13 und kann neben dem Erwerb (1Tim 3,13; vgl. 1Clem 54,3) auch die Errettung bzw. Bewahrung meinen (Lk 17,33). Dies gilt ebenfalls für das zugehörige Substantiv peripoi,hsij (vgl. Hebr 10,39 neben Eph 1,14; 1Thess 5,9; 2Thess 2,14; 1Petr 2,9) und entspricht dem Sprachgebrauch der LXX (s.u. S. 304 Anm. 100). Nicht zu Unrecht deutet BARRETT, Acts II, 976, daher Apg 20,28 im umfassenden Sinn: „God acquired a people by saving them“. 94 Vgl. HARRIS, Jesus as God, 141 Anm. 51, sowie KRÄNKL, Jesus der Knecht Gottes, 122f, der darin jedoch eine Anspielung auf die paulinische Kreuzestheologie sieht und darum die Vorstellung vom Blut Jesu als Kaufpreis nicht als genuinen Ausdruck lukanischer Christologie wertet. Zur Auseinandersetzung mit dieser Sicht s. im Folgenden. 95 Ähnlich Offb 1,5f (lu,santi h`ma/j evk tw/n a`martiw/n h`mw/n evn tw/| ai[mati auvtou/ kai. evpoi,hsen h`ma/j basilei,an( i`erei/j tw/| qew/| ). Zur Erlösung bzw. Reinigung durch das Blut Jesu vgl. noch Röm 3,24f; 5,9; 1Kor 10,16; Eph 2,13; Kol 1,20; 1Joh 1,7; 5,6.8; Offb 7,14; 12,11. Im Hebräerbrief ist die kultische Vorstellung vorherrschend: s. Hebr 9,12.14; 10,19.29; 12,24; 13,12.20. Vgl. in Kapitel I, S. 141 Anm. 516 mit frühkirchlichen Belegen und S. 141f Anm. 520 speziell zur Besprengung mit Blut. Erwähnenswert ist sodann der vielfältige Einfluss des Motivs vom Blut Jesu in den Apostolischen Konstitutionen. Der deutlichste Bezug auf Apg 20,28 liegt vor in der Bitte in ConstApost VII, 26,4, Gött möge sich an die heilige Kirche erinnern, die er durch das wertvolle Blut Christi erworben hat
1. Die durch Blut erlöste Gemeinde: Apg 20,28
303
nicht ungewöhnlich, so ist doch unter allen genannten Stellen, welche das Loskauf-Motiv bieten, Apg 20,28 die einzige, an der mit peripoie,w formuliert ist – ein Sachverhalt, der auf den sogleich zu besprechenden traditionsgeschichtlichen Hintergrund des Verses zurückzuführen ist. Die Formulierung ist aber auch deshalb besonders markant, weil sich die Lösegeld-Sentenz Mk 10,45 (par. Mt 20,28), welche inhaltlich in eine ähnliche Richtung weist, bei Lukas nicht bzw. nur in anderer Form findet: Mk 10,45:
Der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele. 96 o` ui`o.j tou/ avnqrw,pou ouvk h=lqen diakonhqh/nai avlla. diakonh/sai kai. dou/nai th.n yuch.n auvtou/ lu,tron avnti. pollw/n)
Lk 22,27:
Wer ist denn größer: der zu Tisch Liegende oder der Dienende? Nicht der zu Tisch Liegende? Ich aber bin unter euch wie ein Dienender. ti,j ga.r mei,zwn( o` avnakei,menoj h' o` diakonw/n* ouvci. o` avnakei,menoj* evgw. de. evn me,sw| u`mw/n eivmi w`j o` diakonw/n)
Diese Auffälligkeit wird Lukas regelmäßig zur Last gelegt und einem scheinbaren soteriologischen Desinteresse zugeschrieben. 97 Gegen diese Deutung sprechen aber einerseits kompositorische Überlegungen zur Aufnahme bzw. Auslassung der ganzen Passage Mk 10,35–45 im Rahmen der lukanischen Darstellung, 98 und es ist andererseits von Apg 20 her zu sagen: Auch Lukas
(mnh,sqhti th/j a`gi,aj sou evkklesi,aj tau,thj( h]n periepoih,sw tw/| timi,w| ai[mati tou/ Cristou/ sou), sowie in der Bitte in ConstApost VIII, 41,8, Gott möge sein Volk retten und sein Erbe segnen, welches er sich durch das wertvolle Blut seines Christus erworben hat (… th.n klhronomi,an sou( h]n periepoih,sw tw/| timi,w| ai[mati tou/ Cristou/ sou). An mehreren Stellen steht zudem das Blut Jesu neben der Kennzeichnung Jesu als pai/j: s. ConstApost I, inscr.; VII, 25,2.4; vgl. VIII, 5,7. S. dazu aber in Abschnitt II.A.5. Im Blick auf die Vorstellung vom Loskauf ist für das Corpus Paulinum noch zu ergänzen, dass Christus nach Gal 3,13; 4,4f vom Gesetz losgekauft hat (evxagora,zw), dass er laut 1Kor 1,30 zur Erlösung geworden ist (avpolu,trwsij) und dass der Loskauf durch Christus gemäß Kol 1,14 als Erlass der Sünden definiert wird (evn w-| e;comen th.n avpolu,trwsin( th.n a;fesin tw/n a`martiw/n). Im eschatologischen Sinn steht avpolu,trwsij außerdem in Röm 8,23; Eph 1,14; 4,30. Zu den Belegen im Corpus Paulinum ausführlich HAUBECK, Loskauf durch Christus, 136–225. 96 Die hier zugrunde liegende Tradition ist in 1Tim 2,6 aufgenommen, wonach Christus sich als Lösegeld für viele gab (o` dou.j e`auto.n avnti,lutron u`pe.r pa,ntwn). Zum Zusammenhang mit Mk 10,45 s. HAUBECK, Loskauf durch Christus, 218–220. 97 S. stellvertretend RESE, Alttestamentliche Motive, 161–164. Vgl. ferner die Auflistung der Vertreter dieser Ansicht bei MITTMANN-RICHERT, Sühnetod, 3–5. 98 Vgl. MITTMANN-RICHERT, Sühnetod, 52f.89.103.160–164; BAARLINK, Lukas 22,17 oder Markus 10,45?; FULLER, Luke and the Theologia Crucis, 215f. Daher sollte der Vor-
304
II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: B. Ekklesiologie
bietet ein Lösegeldwort und es besteht kein Zweifel daran, dass hier ein sühnetheologisches Verständnis des Todes Jesu zugrunde liegt.99 Der Zusammenhang von Mk 10,45 und Apg 20,28 wird in traditionsgeschichtlicher Hinsicht dadurch unterstrichen, dass für die Formulierung in Apg 20,28 (evkklhsi,an tou/ qeou/( h]n periepoih,sato) insbesondere Jes 43,21 im Hintergrund steht. Hier ist gemäß der LXX die Rede vom auserwählten Gottesvolk, das Gott sich „erworben“ hat (peripoie,w), um seinen Ruhm zu verkündigen (lao,n mou o]n periepoihsa,mhn ta.j avreta,j mou dihgei/sqai).100 Im jesajanischen Kontext ist dieser Erwerb aber auf den Loskauf Israels aus dem Exil durch die Dahingabe von anderen Völkern als Lösegeld gemäß Jes 43,3f bezogen101 und steht damit in unmittelbarer Verbindung gerade mit derjenigen Stelle, welche neben Jes 53,11f den traditionsgeschichtlichen Haftpunkt für das Lösegeldwort Mk 10,45 darstellt. 102 Der Einfluss von Jes 43,21 LXX gang nicht als Verdrängung der Rede über Versöhnung durch Stellvertretung und Sühne bewertet werden. 99 Vgl. den Hinweis bei BAARLINK, Die Bedeutung des Zitats aus Jesaja 53 in Apostelgeschichte 8,32–33, 248, dass sich Apg 20,28 inhaltlich nicht von Mk 10,45 unterscheidet, sowie insgesamt die Diskussion bei MARSHALL, The Place of Acts 20:28 in Luke’s Theology, demzufolge Apg 20,28 ebenfalls als Äquivalent zu Mk 10,45 zu begreifen ist (op. cit., 170). Einer der wenigen, die einen sühnetheologischen Charakter von Apg 20,28 anzweifeln, ist SELLNER, Das Heil Gottes, 467–476. Die Ablehnung ist hier vor allem Resultat eines bestimmten Verständnisses der lukanischen Abendmahlsworte. S. dazu u. S. 308f Anm. 123. Bei Anerkennung des Sühnebezuges besteht mitunter freilich Zweifel daran, ob tatsächlich eine Einsicht in die Bedeutung des Gesagten auf Seiten des Lukas vorauszusetzen ist – eine Sicht, die im Folgenden zu prüfen ist. Vgl. MICHEL, Abschiedsrede des Paulus, 88f. 100 In der LXX wird peripoie,w in unterschiedlichen Zusammenhängen gebraucht und kann neben dem Erwerb (Gen 31,18; 36,6; 1Chr 29,3; 1Makk 6,44; 2Makk 15,21; Spr 6,32; 7,4; 22,9; Ijob 27,17; Sir Prol. V. 11; Jer 31,36; vgl. Hag 2,9; Mal 3,17: peripoi,hsij) auch die Errettung bzw. Bewahrung vor dem Tod vermitteln (Gen 12,12; Ex 1,16; 22,17; Num 22,33; Jos 6,17; 9,20; Ri 21,11; 1Reg 15,3.9.15; 25,39; 3Reg 18,5; Jdt 11,9; 2Makk 3,35; Y 78,11; Jes 31,5; Ez 13,18f; vgl. 2Chr 14,12: peripoi,hsij). Zum Nebeneinander beider Akzente vgl. 4Reg 12,3. Jes 43,21 bleibt der nächste Referenztext für Apg 20,28, da Y 73,2 terminologisch stärker abweicht (mnh,sqhti th/j sunagwgh/j sou h-j evkth,sw avpV avrch/j evlutrw,sw r`a,bdon klhronomi,aj sou). Zu betonen ist an dieser Stelle nochmals die Tatsache, dass unter allen oben genannten neutestamentlichen Stellen, welche das LoskaufMotiv bieten, allein in Apg 20,28 mit peripoie,w formuliert ist. Der jesajanische Bezug für die lukanische Stelle ist darum überdeutlich. Für möglich gehalten wird dieser Bezug immerhin von WOLTER, Jesu Tod, 22 Anm. 25. 101 Dieser Loskauf wird in Parallele zur Befreiung Israels aus der ägyptischen Sklaverei verstanden, wie sie speziell im Schilfmeerlied besungen wird. Vgl. Ex 15,13 (o` lao,j sou tou/ton o]n evlutrw,sw) und 15,16 (o` lao,j sou ou-toj o]n evkth,sw). Die Bezugnahme von Jes 43,21 auf Ex 15 wird auch gesehen von BERGES, Jesaja 40–48, 306. Jes 43,21 MT betont indes, dass JHWH Israel „geformt“ hat. Dadurch wird u.a. Jes 43,1 aufgenommen. 102 Für die einzelnen Bezüge s. Kapitel I, S. 138f. Vgl. außerdem HAUBECK, Loskauf durch Christus, 240–245, unter Berücksichtigung der jüdischen Interpretation von Jes 43,3f
1. Die durch Blut erlöste Gemeinde: Apg 20,28
305
auf die frühchristliche Überlieferung wird dadurch bestätigt, dass auch in 1Petr 2,9 darauf angespielt wird (lao.j eivj peripoi,hsin( o[pwj ta.j avreta.j evxaggei,lhte).103 Bedeutsam ist ferner, dass laut Jes 43,24f der Erwerb des Volkes ganz im Heilswillen Gottes begründet ist. Dies erweist terminologisch der Kontrast, dass ihm, der Israel um ein Lösegeld loskauft, dieses sein Volk nicht einmal Gewürzrohr zur kultischen Verehrung gekauft hat (ouvde. evkth,sw moi avrguri,ou qumi,ama). Im Gegenteil: Israel hat Gott zum Diener gemacht und kann nur dadurch erlöst werden, dass Gott selbst alle Verfehlungen um seinetwillen wegwischt und aller Sünden nicht mehr gedenkt. Diese Perspektive von Jes 43 wird sodann in der Verheißung in Jes 52,3 aufgegriffen, dass Israel ohne Geld ausgelöst werden soll (dwrea.n evpra,qhte kai. ouv meta. avrguri,ou lutrwqh,sesqe).104 Und die Deutung folgt auf dem Fuße: Die Übernahme der Sünden und der Erwerb Israels durch Gott vollziehen sich laut Jes 53 eben durch den Dienst des Gottesknechts: Er nimmt die Schuld auf sich (Jes 53,11: ta.j a`marti,aj auvtw/n auvto.j avnoi,sei) und gibt sein Leben zur Erlösung der Menschen in den Tod (Jes 53,12: paredo,qh eivj qa,naton h` yuch. auvtou/), ja, er schüttet sein Leben, d.h. sein Blut, aus (Jes 53,12 MT: Avp.n: tw tAyh.li auch mit „damit mein Heil reiche bis zum Ende der Erde“ übersetzt werden kann. Zu den textlichen Unterschieden s. ausführlich EKBLAD, Isaiah’s Servant Poems According to the Septuagint, 107–113. Mit Recht hebt EKBLAD dabei hervor, dass Jes 49,6 LXX den Knecht als Verkörperung, ja gleichsam als Inkarnation des Heils Gottes vorstellt (op. cit., 112). Auf Jes 49,6 LXX (eivj fw/j evqnw/n; swthri,a) wird auch angespielt in der Weissagung Simeons in Lk 2,30–32 (swth,rion; fw/j eivj avpoka,luyin evqnw/n). S. dazu MITTMANN-RICHERT, Sühnetod, 307, die außerdem Jes 40,5; 42,6; 52,10 als Bezugstexte identifiziert. Zum weiteren Einfluss von Jes 49,6 s.u. in Abschnitt II.B.2.5.3.
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II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: B. Ekklesiologie
fung möglicher alttestamentlicher Bezugstexte, dass die Formulierung überhaupt typisch jesajanisch ist und dass sie sich fast ausschließlich bei Jesaja findet. So ist in Jes 8,9 die Rede davon, dass die Völker, wenngleich sie sich rüsten, doch von der überwältigenden Gegenwart Gottes in seinem Volk erfahren werden: Alle, bis an das Ende der Erde, sollen aufhorchen (evpakou,sate e[wj evsca,tou th/j gh/j ; MT: #r tr ~v' ry[ez> wq'l' wq; wq'l' wq; wc'l' wc; wc'l' wc; in Jes 28,10 MT gibt es vielfältige Übersetzungsvorschläge. S. OSWALT, Jesaja 1–39, 512. In Jes 28,13 wird die Formulierung nochmals aufgegriffen. Die LXX überträgt die Bedeutung (qli/yin evpi. qli/yin prosde,cou evlpi,da evpV evlpi,di e;ti mikro.n e;ti mikro,n ). 270 Vgl. BEUKEN, Jesaja 28–39, 68. 271 S. Dtn 28,49 (e;qnoj o] ouvk avkou,sh| th/j fwnh/j auvtou/ ); Jer 5,15 (ouvk avkou,sh| th/j fwnh/j th/j glw,sshj auvtou/); Ez 3,5 (lao.n baqu,ceilon kai. baru,glwsson). Gegen PESCH, Apg I, 104, und KREMER, Pfingstbericht, 256–258, die den Bezug von Apg 2,4 auf Jes 28,11 für zweifelhaft halten. 272 Was die Frage nach der Beziehung zwischen der geistgewirkten Rede in Apg 2 und der Glossolalie nach 1Kor 12.14 angeht, sind mehrere Beobachtungen festzuhalten. Zum einen ist das Reden in Zungen bzw. Sprachen als Konsequenz der Geistausgießung auch noch für Apg 10,46 und 19,6 belegt. Lukas erläutert das Geschehen aber je durch ein zweites Verb, das den Anbetungscharakter bzw. den prophetischen Aspekt unterstreicht (Apg 10,46: lalou,ntwn glw,ssaij kai. megaluno,ntwn to.n qeo,n ; 19,6: evla,loun te glw,ssaij kai. evprofh,teuon); insofern zielt das geistbegabte Reden für Lukas stets auf das Zeugnis und geht es ihm nicht um ein ekstatisches Erlebnis. Anders liegt der Fall in 1Kor 12.14, wo Paulus zwischen Zungenrede und Interpretation derselben unterscheidet und das Erste nicht ohne das Zweite haben will. Die Terminologie ist dabei durchaus variabel. S. 1Kor 12,10.28 (ge,nh glwssw/n( a;llw| de. e`rmhnei,a glwssw/n ); 12,30; 14,5.6.18.23.39 (lale,w glw,ssaij); 14,2.4.13.27 (lale,w glw,ssh|); ferner 14,14 (proseu,cwmai glw,ssh|); 14,26 (glw/ssan e;cei); vgl. außerdem 1Kor 14,9.19.22 sowie 13,1 (tai/j glw,ssaij tw/n avnqrw,pwn lalw/ kai. tw/n avgge,lwn) und 13,8 (glw/ssai). Auch Paulus geht in seiner Argumentation
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Der innere Zusammenhang der Ankündigung der Geisttaufe durch Jesus in Apg 1,5 mit dem Pfingstgeschehen zeigt sich schließlich auch in der Formulierung „nicht lange nach diesen Tagen“ (ouv meta. polla.j tau,taj h`me,raj). Diese Wendung aus Apg 1,5 fehlt in allen Vergleichstexten der Evangelien;273 sie weist jedoch direkt voraus auf das Auftreten des Petrus mit dem Ziel der Rekonstituierung des Zwölferkreises (Apg 1,15: kai. evn tai/j h`me,raij tau,taij) und sie unterstreicht insbesondere die Charakterisierung des Pfingstereignisses als Geschehen der „letzten Tage“ (Apg 2,17: kai. e;stai evn tai/j evsca,taij h`me,raij …).274 Durch diese Erweiterung innerhalb des Zitats von Joel 3,1 LXX275 stellt Lukas mit Nachdruck heraus, dass die geistbegabte Gemeinde sichtbares Kennzeichen des mit Jesu Wirken, Sterben und Auferstehen angebrochenen Eschaton ist. 2.2.2 Die Taufe Jesu und die Taufe der Jünger Dass Jesu Taufe in sinnvoller Weise als Referenz zum Pfingstereignis bedacht wird, hängt also einerseits mit der von Lukas verwendeten Terminologie zusammen. Andererseits weist auch die lukanische Darstellung der Taufe Jesu selbst in diese Richtung. Wie bereits erwähnt, 276 ist hier markant, dass in Lk 3,21f das Wasser und der Täufer ausgeblendet werden und das Geschehen ganz auf die Verleihung des Geistes durch Gott selbst konzentriert ist: 277 21
Es geschah aber, als das ganze Volk getauft wurde und als Jesus getauft wurde und betete, öffnete sich der Himmel, 22 und herabstieg der heilige Geist in leiblicher Gestalt wie eine Taube auf ihn (evpV auvto,n) und eine Stimme kam aus dem Himmel: „Du bist mein Sohn, der Geliebte, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“
auf Jes 28 ein und zitiert in 1Kor 14,21 sogar V. 11f, bietet jedoch einen etwas anderen Wortlaut als die LXX (evn e`teroglw,ssoij … lalh,sw) und versteht den Text eschatologisch. Ansonsten ist Mk 16,17 die einzige weitere neutestamentliche Stelle, die von der Rede in Zungen spricht, allerdings in etwas anderer Begrifflichkeit (glw,ssaij lalh,sousin kainai/j). Zur Rezeption von Jes 28,11 in Qumran und im Prophetentargum sowie überhaupt zur Diskussion um die Zungenrede s. BETZ, Zungenreden und süßer Wein, und WOLFF, Lalei/n glw,ssaij in the Acts of the Apostles. 273 S.o. S. 335 Anm. 234. 274 Diese narrative Verknüpfung wird auch erkannt von PETERSON, Acts, 108. 275 In Joel 3,1 LXX lautet der Text kai. e;stai meta. tau/ta, was dem hebräischen Text entspricht (!ke-yrEx]a; hy"h'w>). 276 S.o. in Abschnitt II.A.3.2. 277 Ähnlich GREEN, Luke, 185, und BAARLINK, Bedeutung der Prophetenzitate, 485, der betont, dass in Lk 3,21f nicht direkt über Jesu Taufe, sondern von Geschehnissen danach berichtet wird; die Taufe werde dadurch zur temporalen Bestimmung und Erklärung, bei welcher Gelegenheit der Geist auf Jesus kam. Vgl. auch B RUCE, Luke’s Presentation of the Spirit, 16: „The outpouring of the Spirit was coincident with his baptism in water, but distinct from it.“
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Diese Form der Darstellung hat mit der Deutung der Taufe in Lk 4 zu tun, genauer: mit dem Zitat von Jes 61,1 im Munde Jesu, durch welches er als der von Gott mit dem Geist gesalbte Gottesknecht präsentiert wird: Der Geist des Herrn ist auf mir (evpV evme,), weil er mich gesalbt hat (e;crise,n me), zu verkündigen das Evangelium den Armen … 278 (Lk 4,18)
Es ist also sowohl bei Jesus als auch im Blick auf die Jünger eine grundlegende Wesensbestimmung zu greifen: Beide werden zu Beginn ihres öffentlichen Wirkens aufgrund eines außergewöhnlichen Ereignisses und mit Hilfe eines ausführlichen Zitats (Jes 61,1f/58,6 in Lk 4,18f; 279 Joel 3,1–5a in Apg 2,17–21) als Geistbegabte Gottes charakterisiert.280 Wie Jesus sind die Jünger nur durch den Geist Verkündiger des Evangeliums. Auffällig ist, dass die beiden Zitate inhaltlich dreigliedrig sind: Der Hervorhebung der Geistverleihung (Jes 61,1a bzw. Joel 3,1) folgt die Umschreibung des Dienstes (Jes 61,1f bzw. Joel 3,2–4) und schließlich wird die „Endzeit“ angekündigt (Jes 61,2a: das Gnadenjahr des Herrn; Joel 3,4f: Rettung am Tag des Herrn). Gemeinsam ist Lk 4 und Apg 2 außerdem, dass das Zitat durch Jesus bzw. durch Petrus, und damit durch die Geistbegabten selbst, erklärt wird (Lk 4,21; Apg 2,15f). Aber auch darüber hinaus lassen sich vielfältige Parallelen erkennen.281 So ist bei der Taufe Jesu nach Lukas entscheidend, dass Jesus sich im Gebet befindet (kai. VIhsou/ baptisqe,ntoj kai. proseucome,nou); auf der anderen Seite werden die Jünger ebenfalls als Betende gezeichnet (Apg 1,14: pa,ntej h=san proskarterou/ntej; vgl. 1,24: proseuxa,menoi).282 Nach Lk 3,22 kommt der Geist sichtbar herab „in leiblicher Gestalt wie eine Taube“ (swmatikw/| 278
Zur Beziehung zwischen Jes 61,1 und Jes 42,1 und der Bedeutung der jesajanischen Verse für die Himmelsstimme bei der Taufe s.o. in Abschnitt II.A.2.4.1 und 2.4.2. Die über Lk 3,21f und Lk 4,18 bzw. Jes 61,1 vermittelte Assoziation von Taufe, Salbung und Geistverleihung wird auch erkannt von SCHREIBER, Gesalbter und König, 450. Angesichts der Tatsache, dass Jesus sich der Bußtaufe des Johannes unterzieht, ist durchaus zu überlegen, ob diese Assoziation Jesu mit „allem Volk“ (Lk 3,21) nicht in der Gleichrechnung des Gottesknechts mit den Übeltätern gründet (s. Jes 53,12 und Lk 22,37 im Verbund mit Lk 12,50). Vgl. ERNST, Lukas, 119: „Jesus nahm die Schuld aller Menschen auf sich und machte in der Bußtaufe deutlich, daß er wie der Gottesknecht für alle einstehen will“. Kritisch dagegen FITZMYER, Luke, 482. 279 Zum Charakter des Zitats als Resultat einer midraschartigen Technik, für die a;fesij als Brückenwort der beiden jesajanischen Stellen diente, s. KOET, Isaiah in Luke-Acts, 83 Anm. 16. 280 Vgl. FITZMYER, The Role of the Spirit, 180. 281 Die bisher genannten sowie viele der nachfolgend genannten Aspekte werden gesehen von BAARLINK, Bedeutung der Prophetenzitate, 484–486. 282 Wenngleich in Apg 2,1 eine Zeitangabe eingefügt ist, welche das Pfingstereignis vom Vorangehenden etwas absetzt, kommt der Bezug zum Gebet dadurch zum Ausdruck, dass sowohl laut Apg 1,14 als auch laut Apg 2,1 die Jünger „einmütig“ bzw. „an einem Ort“ beisammen sind (o`moqumado,n bzw. h=san pa,ntej o`mou/ evpi. to. auvto, ).
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ei;dei w`j peristera,n)283 und es erklingt eine Stimme aus dem Himmel (fwnh.n evx ouvranou/ gene,sqai); laut Apg 2,2f ist der Geist wiederum sichtbar in Gestalt von „Zungen wie Feuer“ (glw/ssai w`sei. puro, j) und es ist ein Tosen bzw. eine Stimme vom Himmel her hörbar (evge,neto evk tou/ ouvranou/ h=coj; V. 6: fwnh,).284 Die Taufe Jesu führt laut Lk 4,1 zur Erfüllung Jesu mit dem heiligen Geist (plh,rhj pneu,matoj a`gi,ou); er ist der Kraft des Geistes teilhaftig (Lk 4,14: evn th/| duna,mei tou/ pneu,matoj). Ebenso werden die Jünger mit der Kraft des Geistes ausgestattet (Apg 1,8: du,namin evpelqo,ntoj tou/ a`gi,ou pneu,matoj) und von ihm erfüllt (Apg 2,4: evplh,sqhsan pa,ntej pneu,matoj a`gi,ou). Nach Lk 4,20f sind aller Augen auf Jesus gerichtet (pa,ntwn oi` ovfqalmoi, … h=san avteni,zontej auvtw/| ) und geht es um die Offenbarung vor den Ohren der Hörer (evn toi/j wvsi.n u`mw/n); bei den Jüngern ist desgleichen das Hören und Sehen der Offenbarung betont durch den Aufruf des Petrus, seine Worte „zu Ohren zu nehmen“ (Apg 2,14: evnwti,sasqe ta. r`h,mata, mou), durch die Aussage „wie ihr hier hört und seht“ (Apg 2,33: tou/to o] u`mei/j 283 Laut WOLTER, Lukasevangelium, 170f, bleibt die Taube (vgl. Mk 1,10; Mt 3,16; Joh 1,32) eine „notorische Crux interpretum“ und zielt wohl im Wesentlichen auf die Substanzhaftigkeit des Geistes, wie die spezifisch lukanische Wendung swmatikw/| ei;dei anzeigt. Man mag an Gen 1,2 denken, wonach der Geist Gottes „über den Wassern schwebt“, weshalb die Taube Symbol für die Neuschöpfung wäre. Auch eine Analogie zur Noaherzählung ist in Betracht zu ziehen (s. Gen 8,8–12), wobei die Taube als Symbol des Neubeginns bzw. als Botschafterin der Erlösung gälte (vgl. 1Petr 3,20). Im ersten Referenztext fehlt freilich jeder Bezug zur Taube, im zweiten liegt kein Hinweis auf den Geist vor. Während der Geist Gottes in der späteren rabbinischen Literatur zum Teil mit der Turteltaube verknüpft wurde (s. im Targum zu Hld 2,12), lassen sich schlichtweg keine vorchristlichen Belege finden, die eine solche Gleichsetzung enthalten. Auch der Verweis auf religionsgeschichtliche Parallelen, die Annahme eines Übersetzungsfehlers oder Konjekturen helfen hier nicht wirklich weiter. Vgl. zur Diskussion die umfassende und instruktive Studie von KECK, The Spirit and the Dove, sowie FITZMYER, Luke, 483f; GERO, The Spirit as a Dove; SCHWARZ, „Wie eine Taube“?; DÖRRFUSS, „Wie eine Taube“, für den die Taube als Botin letztlich die besondere Beziehung zwischen Gott und Jesus zum Ausdruck bringt; und TURNER, Power from on High, 191: „[S]eeing the Spirit descend in the form of a dove (= bearer of tidings …) to Jesus probably signalled that the Spirit’s action t hrough him will make him the bearer of ‚good news‘ to Israel.“ Selbst wenn bei Lukas kein adjektivischer, sondern ein adverbialer Gebrauch vorliegen sollte und w`j peristera,n auf das „Herabkommen“ und nicht auf die „Gestalt“ des Geistes zu beziehen ist, bleibt durch swmatikw/| ei;dei jedenfalls die Sichtbarkeit der Geistmanifestation akzentuiert. Dies ist im Vergleich mit Apg 2 das tertium comparationis. Die Taube scheint später in MartPol 16,1 ebenfalls Bild für den Geist zu sein, wenn nach einem Dolchstoß zusätzlich zum Blut eine Taube aus dem Leib Polykarps hervorkommt. 284 Vgl. LAMPE, The Holy Spirit, 168, der die Besonderheit der „leiblichen Gestalt“ des Geistes bei Jesu Taufe gegenüber jeder prophetischen Geistinspiration betont und folgert, „that the descent of the dove at the baptism denotes a Messianic anointing with the particular divine power necessary for his mission, that is, with the same energy of the Spirit which his followers were to receive at Pentecost for the missionary task to which they had been appointed.“
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ble,pete kai. avkou,ete) sowie durch das dreifach unterstrichene Hörwunder (Apg 2,6.8.11: je avkou,w). Gemäß Lk 4,22f hören die Menschen „Worte der Gnade“ aus Jesu Mund (lo,goi th/j ca,ritoj) und hören sie vieles über seine Taten in Kapernaum; bei den Jüngern sind es die großen Taten Gottes (Apg 2,11: ta. megalei/a tou/ qeou/ ) bzw. die Taten Jesu und seine Auferweckung durch Gott (Apg 2,22–24). In beiden Episoden geht es um die Erlösung des zerschlagenen bzw. sündigen Menschen (Lk 4,18: a;fesij; Apg 2,38: a;fesij tw/n a`martiw/n). Das Thema „Israel und die Völker“ wird sowohl in Lk 4,25– 27 durch die Beispiele der Witwe in Sarepta und des Naaman aus Syrien angesprochen als auch in Apg 2,39 benannt durch die Aussage, dass die Verheißung den anwesenden Juden, ihren Kindern und all denen aus der Ferne gilt, die Gott herzurufen wird (vgl. Apg 2,5.9–11). Ein Kontrast ist schließlich darin zu erkennen, dass Jesus Widerspruch erfährt, welcher zum ersten Tötungsversuch führt (Lk 4,28f, dabei in V. 28: evplh,sqhsan pa,ntej qumou/ avkou,ontej tau/ta), während laut Apg 2,37–41 eine Offenheit gegenüber der Botschaft und eine persönliche Betroffenheit existiert, die zur Taufe auf den Namen Jesu zur Vergebung der Sünden führt (s. V. 37: avkou,santej de. katenu,ghsan th.n kardi,an).285 Dabei verheißen die Jünger den Hörern die gleiche Geistesgabe, die sie durch die Geisttaufe empfangen haben. 286 Angesichts dieses Befundes ist dem Fazit von R. TANNEHILL unbedingt beizupflichten, dass die Anhäufung so vieler gleicher und je akzentuierter Motive ein signifikantes Muster ergibt. Dieses Muster aber besagt nichts weniger, als dass die Darstellung der Taufe bzw. Geistsalbung Jesu ein Paradigma für den Geistempfang der Zeugen Jesu ist. 287 In diesem Sinn kann das 285
Freilich treffen dann ab Apg 4 auch die Jünger um Petrus auf Widerspruch und Verfolgung. 286 So auch SCHNEIDER, Apg I, 257. 287 S. TANNEHILL, Narrative Unity 2, 29. Gegen KREMER, Pfingstbericht, 204–211, der eher die Differenzen zwischen der Taufe Jesu und dem Pfingstgeschehen hervorhebt und hier kaum eine bewusste oder betonte Parallele sieht. Die Parallelen werden grundsätzlich auch gesehen von PETERSON, Acts, 130; O’TOOLE, Parallels, 195; LAMPE, The Holy Spirit, 159.168.193; und WITHERINGTON, Acts, 128f. Vgl. außerdem TURNER, Power from on High, 344 mit Anm. 70, wo weitere Forscher aufgelistet werden, die der Parallelisierung Bedeutung beimessen. Ausführlicher wird der Befund gedeutet von TANNEHILL, op. cit., 29–31, der dabei hervorhebt, dass die Verheißung der Geistausgießung auf „alles Fleisch“ (Apg 2,17/Joel 3,1) mit dem Pfingstereignis noch nicht erfüllt ist und die weitere Darstellung der Apostelgeschichte prägt. BAARLINK, Bedeutung der Prophetenzitate, 486– 490, stellt außerdem heraus, dass die beiden Zitate in Lk 4 und Apg 2 nicht nur thematisch über je einem Teil des Doppelwerkes stehen, sondern auch Licht auf die Art werfen, wie Lukas über Geschehnisse berichtet und Zusammenhänge herstellt. Konkret erkennt BAARLINK in dem „Programm“ aus Jes 61,1f die Leitidee für die „kleinen Einschaltung“ Lk 6,20–8,3: Hier lasse sich der Verkündigung des Evangeliums gegenüber den Armen der Abschnitt Lk 6,20–49 zuordnen, welcher mit einer Seligpreisung der Armen beginnt. Dass Jesus den Gefangenen und Leidenden zu Hilfe kommt, werde sodann in Lk 7,1–17 am
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Pfingstgeschehen daher als Taufe der Jünger gelten und damit als Taufe, durch welche die Gemeinde konstituiert wird; zugleich bildet das Pfingstgeschehen das sich fortan je neu wiederholende Geistwirken in grundlegender Weise ab.288 Damit ist freilich keine theologische Gleichsetzung beabsichtigt, sondern es bleibt der Unterschied bestehen, dass Jesus die Geistsalbung als der messianische und prophetische Gottesknecht empfängt, wohingegen die Jünger trotz ihrer Einbindung in die Weiterführung der Aufgabe Jesu eben auch die Empfänger des durch Jesus gewirkten Heils sind. 289 Als solche aber werden sie entzündet mit dem Geist und geheiligt als Knechtsgemeinde, die gerufen ist, das Wirken Jesu als des Gottesknechts weiterzuführen. 290 Knecht des Hauptmanns und am Jüngling zu Nain illustriert. Die Verkündigung des gnädigen Jahres des Herrn werfe schließlich Licht auf die Anfrage des Täufers und die Salbung Jesu durch die Sünderin in Lk 7,18–35. Darüber hinaus lasse sich das partnerschaftliche Nebeneinander von Männern und Frauen in Lk 8,1–3 sowie überhaupt in Lk 6,20–8,3 (Hauptmann/Witwe, Täufer/Sünderin, Jünger/Frauen) von Joel 3 her verstehen, zumal das Prinzip bei Lukas allenthalben deutlich wird. Vgl. etwa in Lk 1f Maria/Zacharias, Simeon/Hanna; in Lk 23,26–31 Simon von Kyrene/die weinenden Frauen; in Lk 23,49 alle Bekannten/die Frauen; in der Apostelgeschichte 5x Männer/Frauen (Apg 5,14; 8,3.12; 17,4.12); dazu Hannanias/Saphira (5,1–11); Aeneas/Tabitha (9,32–43); Lydia/der Kerkermeister (16,14f.23–34); Dionysos/Damaris (17,34); Aquila/Priscilla (18,2.18.26); die Töchter des Philippus/Agabus (21,9f). 288 BRUCE, Luke’s Presentation of the Spirit, 19f, betont zu Recht, dass an Pfingsten nicht nur die Apostel des Geistes teilhaftig wurden und dass die Darstellung des Lukas grundsätzlich den Sinn der Aussage in 1Kor 12,13 trifft, wonach alle Gläubigen in einem Geist in einen Leib getauft sind. Die Wassertaufe wird indes durch die Geisttaufe nicht obsolet, sondern sie wird der Darstellung des Lukas zufolge von der Geisttaufe begleitet. Dabei gibt es verschiedene Akzentuierungen: Der Geistempfang geschieht im Zusammenhang von Umkehr und Taufe (Apg 2,38), durch apostolische Handauflegung eine gewisse Zeit nach der Taufe (Apg 8,12f.14–17), im Hören auf das Evangelium noch vor der Taufe und ohne Handauflegung (Apg 10,44–48), durch Handauflegung und vor der Taufe (Apg 9,17f) oder im Zusammenhang von Taufe und Handauflegung (Apg 19,5f). Wichtig ist offenbar nicht die Reihenfolge der Komponenten, sondern ihr Vorhandensein: Alle, die an Jesus glauben und getauft werden auf seinen Namen, empfangen den Geist. Vgl. BRUCE, op. cit., 20.27. Der Unterschied zwischen der Johannestaufe, die eine eschatologische Erwartung symbolisiert, und der Taufe Jesu kann darin gesehen werden, dass sich in letzterer die eschatologische Erwartung durch die Herabkunft des Geistes erfüllt. Da die christliche Taufe auf den Namen Jesu aber in Korrelation zu Jesu Taufe steht, bringt sie ebenfalls den Empfang des Geistes mit sich. Vgl. LAMPE, The Holy Spirit, 197–199, der andernfalls keinen guten Grund für die Übernahme der Wassertaufe durch die Gemeinde findet. 289 S. TURNER, Power from on High, 434. 290 S. RYAN, The Church as the Servant of God, 113. Entsprechend LAMPE, The Holy Spirit, 179: „The apostles also share in the character of the Servant through the transference to them of the Spirit that operated in Jesus.“ Dass Lukas für das „Herabkommen des Geistes“ nur in Lk 3,22 den Begriff katabai,nw verwendet, zeigt gerade aufgrund der Parallelisierung eine qualitative Unterscheidung der Art an, wie der Geist zu Jesus kommt. Vgl. CONZELMANN, Apg, 31.
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2.3 Petrus und die Urgemeinde: Teilhabe am Dienst und Leiden Jesu I Die Weiterführung des Wirkens Jesu durch die Jünger wird von Lukas nach dem Pfingstgeschehen zunächst mit der Person des Petrus verknüpft. Trat bereits im Blick auf die Pfingstpredigt die Analogie zum Wirken Jesu zutage, so wird diese auch sonst in vielfältiger Weise deutlich; dabei ist immer wieder die Prägung durch die jesajanische Tradition zu erkennen. Wie Jesus einen Gelähmten heilt (Lk 5,17–26; V. 23: e;geire kai. peripa,tei; V. 24: e;geire kai. a;raj to. klini,dio,n sou poreu,ou eivj to.n oi=ko,n sou; vgl. Lk 13,10–13: hier mit der Angabe „seit 18 Jahren“), so geschieht dies auch durch Petrus in Begleitung von Johannes, freilich „im Namen Jesu“ (Apg 3,1–11; V. 6: Îe;geire kai.Ð peripa,tei;291 V. 7: h;geiren auvto,n; vgl. Apg 4,22: „über vierzig Jahre“). 292 Der Zusammenhang der Handlung mit der Gottesknechtsthematik wurde anhand der anschließenden Rede bereits deutlich.293 In Apg 9,32–35 ist es ebenfalls Petrus, der den seit acht Jahren gelähmten und ans Bett gefesselten Aeneas aufrichtet und dabei der Sache nach dasselbe sagt wie Jesus (V. 34: avna,sthqi kai. strw/son seautw/| ); wiederum wird betont, dass die Heilung das Werk Jesu ist.294 Eine weitere Parallele bilden die Totenauferweckungen. Auf Seiten Jesu ist hier neben dem Jüngling zu Nain (Lk 7,11–17) die Tochter des Jairus zu nennen (Lk 8,40–42.49–56); Petrus indessen erweckt die Jüngerin Tabitha (Apg 9,36–42).295 Auffällig ist, dass jeweils eine Berührung erfolgt (Lk 7,14: h[yato th/j sorou/; Lk 8,54: auvto.j de. krath,saj th/j ceiro.j auvth/j ; Apg 9,41: dou.j de. auvth/| cei/ra) und der „Auferstehungsbefehl“ ähnlich formuliert wird (Lk 7,14: neani,ske( soi. le,gw( evge,rqhti; Lk 8,54: h` pai/j( e;geire; Apg 9,40: Tabiqa,( avna,sthqi); zudem werden sowohl Jesus als auch Petrus ausdrücklich gebeten, zu Hilfe zu kommen (Lk 8,41: pareka,lei auvto.n eivselqei/n eivj to.n oi=kon auvtou/ ; Apg 9,38:
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Viele Handschriften bieten e;geire kai,; die Wendung fehlt jedoch in a, B, D und in der sahidischen Überlieferung. 292 Neben den genannten Analogien zwischen Lk 5,17–26 und Apg 3,1–11 lassen sich viele weitere parallele Elemente anführen: ei=pen (Lk 5,20/Apg 3,4); paracrh/ma (Lk 5,25/Apg 3,7); i[sthmi bzw. avni,sthmi (Lk 5,25/Apg 3,8); avpe,rcomai eivj bzw. eivse,rcomai eivj (Lk 5,25/Apg 3,8); doxa,zwn to.n qeo,n bzw. aivnw/n to.n qeo,n (Lk 5,25/ Apg 3,8); ei;domen bzw. ei=den (Lk 5,26/Apg 3,9); a[pantaj bzw. pa/j o` lao,j (Lk 5,26/Apg 3,9); evdo,xazon to.n qeo,n bzw. aivnou/nta to.n qeo,n (Lk 5,26/Apg 3,9); e;kstasij + evplh,sqhsan fo,bou bzw. evplh,sqhsan qa,mbouj + e;kstasij (Lk 5,26/Apg 3,10). Vgl. SCHNEIDER , Apg I, 307f. 293 S. dazu Abschnitt II.A.2. 294 Auch durch Philippus geschieht die Heilung von Gelähmten und Verkrüppelten: s. Apg 8,7. Paulus wiederum heilt einen „Gelähmten von Mutterleib an“ (Apg 14,8–10; vgl. Apg 3,2). 295 Die Auferweckung eines „Jünglings“ ist in der Apostelgeschichte mit Paulus verbunden: s. Apg 20,7–12.
2. Die Knechte des Knechts: Die Darstellung der Gemeinde
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parakalou/ntej\ mh. ovknh,sh|j dielqei/n e[wj h`mw/n ).296 Durch die beiden genannten Parallelen wird die Beschreibung des Wirkens Jesu in Lk 7,22 in Erinnerung gerufen, wo Jesus in eindeutig jesajanischer Terminologie und im Anschluss an Lk 4,18f (= Jes 61,1f/58,6) unter anderem die Heilung von Gelähmten und die Auferweckung von Toten als Kennzeichen der Heilszeit nennt (cwloi. peripatou/sin … nekroi. evgei,rontai).297 Wie Jesus (Lk 22,66–71) wird Petrus außerdem zusammen mit Johannes (Apg 4,1–22) bzw. mit den Aposteln (Apg 5,26–41) vor dem Synhedrium verhört; sowohl Jesus als auch Petrus und Johannes werden davor am Abend bzw. in der Nacht verhaftet und bis zum Morgen gefangen gesetzt (Lk 22,47– 54.63f; Apg 4,3.5). Petrus wird gar ein drittes Mal ins Gefängnis geworfen (Apg 12,3–5), und zwar – wie Jesus – in den Tagen der ungesäuerten Brote (Apg 12,3: h`me,rai tw/n avzu,mwn; s. Lk 22,1: h` e`orth. tw/n avzu,mwn h` legome,nh pa,sca; V. 7: h` h`me,ra tw/n avzu,mwn).298 Wie bei Jesus die Tötungsabsicht der Schriftgelehrten und Hohepriester betont wird (Lk 20,19; 22,2), so wird sie auch gegen Petrus und die Apostel laut (Apg 5,33). Jeweils gebraucht Lukas zudem die Wendung „Hand anlegen an“ (evpiba,llw ta.j cei/raj evpi,; s. Lk 20,19; 22,53; Apg 4,3; 5,18; vgl. 12,1), wodurch die Schilderung in der Apostelgeschichte auch eine Erfüllung der entsprechenden Ankündigung Jesu in Lk 21,12 darstellt.299 Umgekehrt wird in beiden Fällen auch ein Wille zur Freilassung deutlich und wird mit der Unschuld ein Merkmal des Gottesknechts betont (vgl. Lk 23,4.14–16.20.22.41; Apg 3,13; 13,28 mit Apg 4,21.23; 5,38.40 und Jes 53,9). Ferner steht die Aussage von Petrus und den Aposteln gegenüber dem Synhedrium, man müsse Gott mehr gehorchen als Menschen (Apg 5,29: dei/), in Analogie zu dem göttlichen „Muss“ (dei/), welches durchweg die lukanische Jesusdarstellung prägt: 300 Es handelt sich in Apg 5 nicht um einen allgemeingültigen Ausspruch, sondern im vorliegenden Kontext begründen die Worte den unbedingten Gehorsam gegenüber dem 296 Wie Jesus nur eine begrenzte Zahl von Personen seine Interaktion mit der Jairustochter wahrnehmen lässt (Lk 8,51), so sorgt Petrus dafür, dass er mit Tabitha alleine ist (Apg 9,40). 297 Zu Lk 7,22 („Blinde sehen wieder, Lahme gehen umher, Aussätzige werden gereinigt und Taube hören, Tote werden erweckt, Armen wird gute Botschaft verkündet“) vgl. neben Jes 61,1 („Armen wird gute Botschaft verkündet“) noch Jes 26,19 („Deine Toten werden lebendig“); 29,18 („Die Tauben werden … hören und die Augen der Blinden werden … sehen“); 35,5–6 („Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet. Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch“) und 42,18 („Hört, ihr Tauben! Und ihr Blinden, schaut her, um zu sehen“). 298 Die Wendung h`me,rai tw/n avzu,mwn wird nochmals in Apg 20,6 gebraucht. 299 Lk 21,12: „Vor diesem allem aber werden sie ihre Hand an euch legen und sie werden euch verfolgen …“. Auf beiden Seiten kann das Herantreten der Hohepriester und Schriftgelehrten zudem gleich formuliert werden: s. evfi,sthmi in Lk 20,1 und Apg 4,1. 300 S. Lk 2,49; 4,43; 9,22; 13,33; 17,25; 19,5; 22,37; 24,7.26.44; Apg 3,21; 4,12; 17,3; vgl. Lk 13,16; Apg 16,30. Vgl. dazu o. in Abschnitt II.A.2.5.3 Anm. 251.
350
II. Das theologische Profil der Apostelgeschichte: B. Ekklesiologie
Gott, der durch Jesus in die Nachfolge gerufen hat (s. V. 30–32) und nach dessen Heilsplan das Sterben Jesu als des Gottesknechts notwendig war, wie die Verbindung von dei/ mit dem Zitat von Jes 53,12 in Lk 22,37 erweist. 301 Im Blick auf den Leidensaspekt ist besonders bedeutsam, dass Petrus und die Apostel die ihnen widerfahrende Verfolgung als Teilhabe am Leiden Jesu verstehen. Nachdem man Petrus und Johannes bereits beim ersten Verhör gedroht hat (Apg 4,17.21.29), werden die Apostel laut Apg 5,40 nach dem Vorbild Jesu „geschlagen“ (de,rw; vgl. Lk 22,63),302 erhalten sie Verkündigungsverbot (vgl. Apg 4,17), welches sie freilich nicht beachten, und gehen sie fröhlich fort, … weil sie gewürdigt worden waren, um des Namens [erg. Jesu] willen verachtet zu werden (avtimasqh/nai). (Apg 5,41)
Das Verachtetwerden aber ist wiederum ein Charakteristikum des Gottesknechts, wie Jes 53,3 MT gleich zweifach unterstreicht: a b
Er war verachtet und von Menschen verlassen … er war verachtet und nicht haben wir ihn geachtet.
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Stellenregister (in Auswahl; kursiv gesetzte Seitenzahlen beziehen sich auf die Fußnoten)
1. Altes Testament Genesis 1,1 LXX 2,13 5,24 10 10,6–8 10,6f 10,7 11,6–9 12,3 16 16,7–11 16,21 22,2 22,12 22,16 22,18 35,1–3 43,13–15
245 55 144, 161 341 58 55 63f 341 194f (194), 241 53 174 51 209, 216 209, 216 209, 216, 297 194f (194), 241f 54 54
Exodus 2,15–3,1 3 3,2 3,6 3,10 3,12–15 3,15f 4,12 4,22f 12,3–6 13,17f 15,13 15,23–25 16
51 53, 174 41, 174 201 174, 201 201 201 113 (113) 209 103 51 94 51 51
20,11 24,1–8 24,6–8 24,6 24,8 30,30–32 34,29–35 40,35
246 140, 204 140 141, 175 141, 175, 307 135 357 223
Leviticus 4,6 4,17 5,15f LXX 5,17–19 14,10 16 17,11 21,17–23 21,20 22,17–25 22,24 23,29
135 135 226 221, 226, 313 103 51 305 69 69 69 69 193 (193), 195
Numeri 12,1 16,46f
55 89
Deuteronomium 1,37 8,15 12,23 18,15
18,16
203 51 305 193 (193), 195, 200f, 204, 213f, 216, 359 193 (193), 195
Stellenregister
472 18,18 18,19 23,2 25,11 32,10 33,2
113 (113) 193 (193), 195 69, 71, 174 69 51 41, 174
Josua 3,4 LXX 13,3 15,47
119 49, 162, 174 49, 174
Richter 9,32–34 13,7
54 224
1. Samuel (LXX: 1Reg) 2,2 LXX 226 9,17 202 13,14 384 16,13 202 2. Samuel (LXX: 2Reg) 7,14 205 18,19–32 56, 58 23,1b–2 248 1. Könige (LXX: 3Reg) 10 62–65, 174 17,8–10 54, 174 17,9 89 18–21 89 18,12 89, 145, 175 18,46 89, 174 19 53 19,3f 51 19,5f 54 19,5 89, 174 19,7 89, 174 2. Könige (LXX: 4Reg) 2,1 144 2,3 144 2,5 144 2,6–8 147 2,9f 144 2,11f 80 2,11 89, 144, 147 2,12 147, 175
2,16 2,17 3,15–20 5 5,9 5,14 5,15 5,17–19 5,21 5,26 6,14f 6,17 10,15 14,25 19,9
145 161 51 68, 174f 80 131, 175 75 74 80, 95 80, 95 80 80 95 162 56
1. Chronik 1,8f
55
2. Chronik 9 14,8 35,7f 35,13
62, 174 56, 80 103, 104 89
Esther 1,5
161
Hiob 28,19
55
Psalmen 2,1f 2,2 2,7
16,8–11b 16,10 23,3 31,6 31,17 31,19 44,23 51,13 51,17 63,1 68,32 72,10
244–246, 248f 250 205–207 (207), 212, 216, 248, 250, 255, 384 258 227, 247, 255, 385 94 247, 363 (363) 219, 248 219, 248 101 89 113 (113) 51 56, 174 63, 65
Stellenregister 78 89,27f 106,16 110,1 110,3 117,16 LXX 119,176 146,6 Jesaja 1,7 2,2–4 2,2f 2,3 5,24 MT 6,1–13 6,3 6,8 6,9f
6,9 6,10 6,13 7,4 7,14 8,9 9,1–6 9,1 9,5f 9,6 11,1–10 11,1–5 11,2 11,4f 11,10 11,11f 13,21f 18,1f 18,7 24,23 26,10 26,19 28,7–13 28,7 28,11 29,9f 29,10
52 205, 216 224 198, 258 206 199 102 244, 246
52 65 174 24 337 399, 407 225 54 (54), 409 45, 312, 359, 378, 391, 394–396, 398, 402, 407–411, 417f 395f, 404 395–398, 402, 407f, 411 397, 407 397f 206, 407 326 407 380 206 203 407 206 203, 355 203 206 57 51 56 56, 174 45 (45) 128 349, 398 341 342 342 408 265
29,18 30,27 MT 31,1 32,3–4 32,15f 32,15 34,11 34,14 35,1–10 35,1f 35,1 35,5f 35,6f 35,6 35,8 35,10 37,9 37,35 40,1–11 40,3–5 40,3 40,5 40,9 40,11 40,31 41,8f 41,8 41,18f 42,1–4
42,1
42,2 42,4 42,4c LXX 42,5–9 42,6f 42,6
473 349 337 80 (80) 408 52 265, 319 51 51 126f, 150 175 52 116, 349 52, 175 268 51, 174 175 56 189, 252 11f 11, 53, 174, 289, 403, 417f 174 223, 310, 403, 410 115, 116, 175, 382 289 89 188f, 216 209 52, 175 18, 116, 184, 185, 202, 208, 216, 264, 410 109, 124, 169, 174, 188, 199, 202, 205, 207f, 210, 212, 214, 216, 235, 248, 250, 268, 270, 318f, 366, 376 185 124, 199, 204, 366 264f, 314, 318 18 116, 203, 275, 375, 379, 381, 409 125, 140 (140), 174f, 198, 199, 204, 223, 241, 307, 366, 382, 386
474 42,7 42,8 42,15 42,18–20 42,18 42,19 43,2f 43,3f 43,3 43,4 43,5 LXX 43,6 43,8 43,10 43,12 43,16f 43,19f 43,19 43,21 43,22–25 43,23 43,24f 43,25 44,1–5 44,1f 44,2 44,3 44,8 44,18 44,21 45,4 45,14 45,22 LXX 46,13 48,20f 48,20 49,1–6 49,1 49,2 49,3 49,5–7 49,5f
Stellenregister 127, 203, 229, 246, 333, 375 263 52 332, 375, 409 (409) 349 188 120 138f (139), 175, 305, 307, 312, 314 57, 63, 65, 174 208, 216, 312 380 120 333, 375, 409 188, 216, 323f 323 81 (81) 52, 175 51, 174 304 (304), 309, 312, 314 177 103 138f, 305 236 265 188 208, 216 265, 319, 336 324 408 (408) 188 188 57, 63, 65, 139 (139), 174 326 223 52 188, 326 18, 87, 116 124, 174, 199, 203, 264, 382, 410 113, 199, 203, 212, 220 188, 268, 389, 410 188 204, 241, 268, 280, 389, 410
49,5 49,6–9 49,6f 49,6
49,6 LXX 49,7–13 49,7f 49,7 49,8f 49,8 49,9f 49,9 49,13 50,2 50,4–9 50,4f 50,4 50,5–9 50,5–7 50,6 50,8f 50,10–11 50,10 51,3 52,1–12 52,3 52,7–12 52,7 52,10 52,13–53,12 52,13–15 52,13
52,14 52,15
203, 229, 382 380 275 13, 125, 127 (127), 155, 174f, 198, 199, 203, 223, 225, 229, 241, 307, 325, 327, 330f, 351, 366, 381, 383, 385f (386), 388f, 391, 414, 416–418 140 (140), 204 18, 125 203 174, 200, 216, 225, 350f, 376 116 140 (140), 175, 204, 241, 307, 383, 386 246 127, 203, 381 175 52 18 127, 203 248 410 203 109 274 18 188, 204, 214, 274f 52, 175 204 305 (305) 52 115, 116 (116), 122, 175, 382f 116, 223 18, 105 132, 203, 268 124, 129, 188, 196, 198f (198), 204, 217, 230, 239, 248, 250, 255, 268 133, 198 108, 114, 116, 123f (123f), 132, 133f (133), 136, 137
Stellenregister
53 53,1–12 53,1–11a 53,1–6 53,1 53,2 53,3 53,4–6 53,4f 53,4 53,5f 53,5 53,6 53,7f
53,7b–8b MT 53,7b–8b LXX 53,7 53,7b 53,8
53,8b 53,9 53,10–12 53,10 53,11f 53,11b–12 53,11
53,12
54,17 MT
(137), 138, 140f, (141), 172–176, 198, 200, 220, 239, 255, 314, 366, 383, 410f 17, 30, 107, 150, 172, 203, 414 271 132 173 108, 116, 122, 383, 410 198f, 415 350 103 14, 268, 312, 410 108, 186 137, 242f 398 102, 186, 199, 289, 371 34, 100, 108f, 169, 173f, 176, 289, 311f, 366, 417f 98 98 103, 105, 109, 113, 124, 175, 275, 372 102f 51, 103, 128, 137, 243, 282, 373, 378, 410 101, 173, 229, 312 100, 109, 113, 161, 221, 313, 349, 373 103, 135 102, 177, 221, 226, 239, 313 137f, 243, 304, 307, 312, 410 132 109, 141, 188, 217f, 220, 305, 313, 365, 377 108f, 127, 141, 175, 198f, 221, 305, 311–314, 350, 365, 371, 373, 417 188
55,3 56,1–8 56,7 57,1f 57,15 57,19 58,6 58,12 59,21 60,3–6 60,6
475
62,2 62,11 63,9 63,10f 63,14 63,17 64,9 66,1f 66,3 66,15f 66,18 66,20
255, 384, 417f 69f, 124, 174 71, 417f 128 263 261, 398 114, 117, 344, 417 52 241 126, 174 65, 115, 116, 175, 382 126, 174 126, 174 45 (45) 116, 202 30, 85, 114, 117, 235, 275, 312, 416– 418 115, 116 (116), 127, 174f, 202f, 210, 240, 246, 248, 250f, 311, 318f, 344, 375, 381f, 398 126, 174 326 89, 174 89 87 408 (408) 51, 52 358, 417f 103 340 340 81, 174
Jeremia 1,4f 1,5 1,9 2,2 9,1 11,19 23,21 31,31–34 31,31 38,7–13 39,15–19
382 224 113 (113) 52 51 101 89 307 140 56 56
60,9–12 60,16 60,19 61,1–3 61,1f
61,1
Stellenregister
476 41,19 LXX 51,40
68 101
3,1 LXX 3,2 3,5
Ezechiel 2,1 3,12 3,14 3,22f 8,3 11,1 11,24 20,13–15 34,16 36,25–27 43,5
343 (343) 190 260, 261f, 319
379 145 145 54 145 145 145 52 288 336 145
Jona 1,1–3 3,1–3
54 54
Micha 4,1–3 4,2
65 24
Habakuk 1,5
385, 401
Zephanja 3,9f 3,10
56 174
Haggai 1,9
89
Sacharja 13,9
340 (340)
Maleachi 3,2f 3,23f
340 (340) 144, 237
Daniel 11,43
55
Hosea 2,16f 9,10 11,1
52 52 52
Joel 3 3,1–5 3,1f
85 257f, 265, 344 260
2. Außerkanonische Schriften neben dem Alten Testament Äthiopischer Henoch (1Hen) 14,9f 338 14,15 338 40,5 213 41,1f 207 45,3 213 48,1–10 199 48,4 388 48,10 199 53,6 218 70f 145 71,5 338 71,11 358 Apokalypse Abrahams 15 145
Apokalypse Elias 34,7,1–35,15 42,10–15
144 144
Apokalypse Esras 1,1 1,7 1,8 3,3 5,7 5,12 6,16
271 145 213 213 146 271 271
Apokryphon Ezechiel Frg. 1 296
Stellenregister Ascensio Jesaiae 3,13–4,18 6–11 Bel et Draco 34–39 36
271 271 146 145
Joseph und Aseneth 8,9 380 12,8 146 Jubiläen 4,23 14,1–20
146 339
1. Makkabäer 2,58 3,9 10,84 11,4
144 326 162 162
4. Makkabäer 18,10–19
79
Paralipomena Jeremiou 1,1 213 3,5 213 7,15 213 9,21–32 362 Psalmen Salomos 1,4 8,3 8,15
326 101 327f
Sapientia Salomonis 2,1–20 218 3,14 70, 174 4,11 144 5,1–14 218 8,21 111 9,11 94
477
9,17 11,1
89 227
Sirach 44,16 45,4–6 45,4 48,9–12 48,9 48,10 48,13 49,14
144 224 227 144 80, 144 237 144 144
Slavischer Henoch (2Hen) 3,1 145 Testament Salomos 19,3 64 21,1 64 Testamente der zwölf Patriarchen TestBenj 11,1f
271
TestLevi 4,1 18,6f 19,1
295 209 380
Vita Adae et Evae 25 145 37,3 146 Vitae Prophetarum Jesaja-Vita
64
Jeremia-Vita 2,1 2,11
362 213
Ezechiel-Vita 3,15
146
Stellenregister
478
3. Qumranisches Schrifttum 1QIsaa 42,4c 43,3 43,4b 49,7 52,14f
9f 264 139 138 350 135 (135), 136, 339
1QIsab 43,4b 52,14f
9 138 135 (135)
1QS III, 4–9 III, 7–9 III, 19–26 IV 21
336 336 380 337 (337)
4QIsac
9
4QpapIsap = 4Q69
9
4QIsaq–r = 4Q69a.69b
9
4QpJesa–e = 4Q161–165
9
4Q174 = 4QFlor
256
4QTanh = 4Q176
9
4Q376 Frg. 1 ii
338
1QSa 2,3–10
70
5QJes = 5Q3
9
1Q29 Frg. 1
338
11Q10 XXXVI viii
338
3QpIsa = 3Q4
9
MurIsa = Mur 3
9
4QIsa a–o = 4Q55–68
9
4. Jüdische Schriftsteller Artapanus Fragment 3,7–10
59
Josephus Antiquitates Judaicae I, 282 119, 156 II, 249 64 II, 252f 56 II, 257 44 II, 263 56 II, 277 56 III, 79f 338 III, 90 338
III, 144 III, 146 III, 318f IV, 290f V, 317 VIII, 40 VIII, 158f VIII, 165–175 VIII, 165 IX, 133f IX, 206 XI, 2 XI, 87 XI, 155
44 44 76f 70 128 296 64 64 65 95 44 81 73 44
Stellenregister XII, 172 XIII, 92f XIII, 313 XIV, 54–76 XIV, 74 XIV, 88 XIV, 110 XV, 54 XV, 226 XV, 411 XVI, 51 XVI, 230–234 XVII, 44f XX, 34–50 XX, 41 XX, 173
95 162 162 327 128 50 74, 77 44 70 44 122 70 70 76 74 163
Contra Apionem II, 103
77
De Bello Judaico I, 77 I, 79f I, 166 I, 488–491 II, 98 II, 266 II, 395 II, 408–416 II, 414 II, 457 II, 460 II, 570f III, 37
162 162 162 70 162 163 122 77 73 163 50 355 44
479
III, 409 IV, 130 IV, 262 IV, 324 V, 17f V, 84 V, 542 VI, 426f VI, 427 VII, 199
163 162 73 73 73 44 128 76 73 128
Vita 429
70
Philo De decalogus 32–36 44–49 46
338 338 338
De specialibus legibus I, 324f 70 II, 188f 338 De virtutibus 217
357
In Flaccum 43 144
73 128
Legum allegoriae III, 8
70
5. Neues Testament Matthäus 3,16f 3,17 8,17 10,5 11,5 11,7 12,17–21 12,18–21 12,18
216 205 108, 186 71 116 52 184, 185 208, 264 184, 270
12,42 13,14f 17,5 19,12 23,38 26,28 26,61 26,63 27,12 27,14
62 398 (398), 399 211, 216 66 52 140f 357 104 104 104
Stellenregister
480 27,22f 27,54 Markus 1,3f 1,10f 1,11 1,12f 1,35 1,45 4,12 6,31f 6,35 9,7 10,45
128 218
14,22 14,24 14,58 14,61 15,5 15,13f 15,39
52 216 204, 208 52 52 52 398 52 52 211, 216 15, 138, 177, 303– 305 307 138, 140f, 307 357 104 104 128 141, 218
Lukas 1,1–4 1,3 1,9 1,32f 1,32 1,35 1,46–55 1,49 1,50 1,52 1,54 1,64 1,69 1,80 2,11 2,23 2,25–35 2,25–27 2,29–32 2,29 2,30–32 2,30 2,31f 2,32
3, 177 170 49 254 206 206, 222, 224, 318 226 226 75 79, 130 184, 189, 247 112 184, 247 52 235 223 15 190 223, 235, 376 190 410, 418 402f 402 197, 386f
2,34f 2,34 2,38 3,4–6 3,6 3,16 3,21f 3,22
4,1 4,7f 4,16–30 4,16–20 4,16 4,17 4,18f 4,18
4,21 4,22 4,24–27 4,25–27 4,25f 4,27 4,34 6,17–19 7,5 7,21f 7,22 8,8 8,10 9,20f 9,34 9,35 9,44 9,45 9,51f 9,51 9,57 10,1 10,23f 11,10
399 235, 359, 377, 406 156 53, 174, 289, 403, 410, 417f 310, 403 85, 334, 336, 339– 341 343 204, 206, 208, 210, 212, 216, 248, 251, 255, 318, 344, 415 87 72 11, 15, 37, 172 96 93 96, 174 117, 312, 313, 416– 418 85f, 174f, 210, 235, 240, 250f, 311, 318, 344, 346, 381, 399, 415 114, 116, 175, 359 113 384 147 54 68, 75, 174 222, 224 352 75 127 116, 349 (349) 399 310, 312, 399, 418 236 223 205, 206, 211–213, 216, 248, 255, 357 400 400 371 410 119, 156 171 400 111
Stellenregister 11,31 12,49f 12,50 14,35 15,4 18,8 18,25 18,34 19,42 19,46 21,12 21,15 21,22 22,19f 22,20 22,27 22,37 22,42 22,43f 22,43 22,57 22,66–71 22,69 23,2 23,9 23,18 23,21 23,34 23,35 23,37f 23,40 23,42 23,43–45 23,44f 23,44 23,45 23,46 23,47 24,13–35 24,16 24,23 24,25–27 24,26 24,27 24,31
62, 65, 174 340 142 400 52 92 67 400 400 71, 417f 254f 113, 355 312 150 (150), 306f (306), 308, 313 137f, 140f, 312, 414 15, 177, 303 96, 107f, 108, 127, 311, 313, 350, 417f 372 15 87 200 349 361 253 104, 114, 174 99, 128, 174, 372 128 221, 226, 313, 363– 365 205, 212, 216 253 75 198, 253 45 174 192 49 247, 318, 363, 365 141, 218, 248, 313, 359, 365, 377 3, 15, 37, 148 110, 174, 332, 400 171 107, 235 197f, 236, 313 114, 160, 175, 197 110, 174f
24,44–49 24,44–46 24,46–49 24,46f 24,47–49 24,47
481
24,48 24,49 24,52f 24,52
11 107, 197, 235 332 252 317f 49, 263, 330, 353, 373, 381, 388 320, 324 85, 335 23, 49 72, 155
Johannes 1,1 1,18 1,29 1,34 1,36 1,43–51 3,14 6,5–7 6,31 6,39 11,54 12,20–22 12,20 12,32 12,38 12,39–41 14,8–11 19,6 19,9 19,15 19,36 20,28
296 296 103, 210 210, 216 103 165 52 165 52 52 51 165, 171 77 129 108 398 165 128 104 128, 129 103 296
Apostelgeschichte 1,1–14 1,4f 1,4 1,5 1,6–8 1,6f 1,8
3, 5, 22 317f, 334 49 84f, 334, 338, 341, 343 252 238 11, 22, 23, 24 (24), 85, 125, 127, 159, 174, 181, 190, 223, 239, 252, 316–320, 324f, 327–332, 336,
482
1,10f 1,11 1,12 1,13f 1,13 1,20 2,2–4 2,4 2,13 2,14–41 2,14b–40 2,17–21 2,17f 2,18 2,21 2,32 2,33 2,36 2,38 2,39 2,40 2,46 3,1 3,6 3,8 3,12–26 3,13–16 3,13
3,14f 3,14 3,15 3,17f 3,17 3,18 3,19–21 3,20f 3,20 3,21 3,22f 3,22 3,25f
Stellenregister 373, 386, 388, 406, 414, 418 40 238 24 165 166, 171 52 335 190, 342 342 3 257f 344 260 190 258, 260 320 85, 129, 198f, 259, 318, 335 258 (258f) 137, 238, 260, 261f, 263, 346 260 260 155 44, 192 262 46 192–196 46 107, 183f, 186, 196, 199, 216, 221, 231, 235, 265, 270, 274, 313 217 220, 226f, 313, 359, 377 227, 229f, 274, 320 199, 226, 234 221, 364 197, 252 236 237 239f 227, 239, 252 230 214 240
3,25 3,26
4,12 4,24–30 4,24–26 4,25 4,25b–26 4,27f 4,27
4,29f 4,29 4,30 4,31 5,3 5,4 5,9 5,15f 5,19 5,30–32 5,31 5,41 6,1–7 6,1–6 6,1 6,3 6,5 6,14 6,15 7 7,30 7,34 7,35f 7,35 7,36–44 7,37 7,38 7,43 7,47–50 7,49f 7,51 7,52 7,53
240f 183f, 200, 216, 239–243, 265, 270, 313 117, 262 244 245 184, 246f, 252 248f 249, 314 116, 183f, 216, 250, 265, 270, 275, 278, 311, 313, 318, 415 256 190, 394 183f, 216, 265, 270, 272, 275, 313f, 351 190, 244 86 86 86 351f 40, 41 230f, 320 129, 198f, 231, 274 155, 350 177, 354 164f, 171 177 25, 82, 86, 117, 174, 354f (355) 25, 86, 117, 167, 174, 355 (355) 356 40, 357 52 40f, 174, 338 41, 174 230 40f, 174, 201, 231 52 214, 230 40f, 174 72 49 417f 86, 219, 359, 401 219, 313, 359, 377 40f, 174, 359
Stellenregister 7,55f 7,58 7,59f 7,59 7,60 8,1 8,2 8,4 8,5–13 8,5 8,14–25 8,14 8,16 8,25 8,25–40 8,26–40
8,26 8,27 8,29 8,30f 8,30 8,31 8,32–35 8,32f
8,32 8,33 8,34f 8,34 8,35 8,36 8,37 8,38f 8,38 8,39 8,40 9,1–19 9,1 9,2 9,4f
360 25 362 363, 365 363f 24f, 29 171 22, 25–27, 29, 115, 175 82 29, 31, 89, 366 25, 29 171 262, 272 26f (26), 47, 115, 175 36 15, 16, 18, 21, 39, 137, 148, 172, 261, 311f, 365f, 414, 417 30, 39, 41 (41), 42f, 47, 89, 154 35, 54, 64f 30, 82 401 18, 89, 110 94, 151 34 30 (30), 96, 98, 108 (108), 271, 289, 311, 314, 417f 103 100, 105, 128, 152, 229, 373 109 95 19, 112f 35, 95, 118 121f 137 91, 118, 129, 131, 147 84, 142, 146, 154 26–29, 31, 89, 115, 161f, 175 28, 374 26 47 381
9,6 9,8f 9,8 9,11 9,13f 9,15f 9,15 9,17f 9,30 9,31 10,1–11,18 10,1–48 10,2 10,3 10,7 10,9 10,11 10,14 10,16 10,20 10,21 10,22 10,25 10,28 10,34 10,35 10,36 10,38 10,39–41 10,43 10,44–48 10,46 10,47f 10,47 10,48 11,3 11,13 11,15f 11,16 11,17 11,19 12,7–11 12,7 12,15 12,19–23 12,23 12,24f
483 43, 174 45 401 43, 174 54 264, 373, 376, 378 127, 152, 174, 255, 411 45, 375, 401 164, 175 86 5 28 75 40, 174 40, 174 44 45 54 45 43, 174 174 40, 75 72 83, 174 112f, 175 75, 353 116 84, 210, 251, 311, 318, 415 321 353 45 342 33 121, 175 153, 262 75 40 336 84 33, 121, 175 26, 29 40 41 40 162 40, 41 22
484 13,1 13,4 13,13–43 13,25 13,31 13,33 13,34–37 13,34 13,35 13,38f 13,40f 13,43 13,44 13,46–48 13,46f 13,46 13,47
13,48 13,52 14,15 15,1–35 15,3 15,7 15,8f 16,6f 16,9f 16,10–17 16,14 16,15 16,17 17,2f 17,7 18,6 18,7 18,9f 18,14 19,5 19,6 19,9f 19,21f 19,21 20,5–15 20,18b–35 20,21–35 20,24
Stellenregister 62 24 37 89 321 207, 216, 248, 255, 384 227 384, 417f 385 220, 229 402 74 52 229, 384 11, 24, 373, 385, 410 393, 404 125, 127, 174, 181, 225, 325, 328, 331, 383, 391, 417f 155f, 175 156 245 5, 23 156 113, 175 401 95, 300 95 178 75 153 190 114, 175 252 393, 404 75 380 112f, 175 262 342 393 371 370 178 284 298f 89
20,25 20,28
21,1–18 21,1–17 21,8–14 21,8f 21,8 21,28f 21,32 21,36 22,1–16 22,3 22,6 22,10 22,13f 22,14f 22,14 22,15 22,16 22,17–21 22,18 22,20 22,21 22,22 23,2 23,8f 23,11 24,11 25,10 26,1–18 26,13 26,16–18 26,16 26,17f 26,17 26,18 26,22f 26,23 27,1–28,16 27,23f 27,24
285 15, 86, 137, 140, 181, 183, 283–285, 287, 289, 291, 295– 297, 298, 300–304 (304), 306, 308, 308f, 312, 314, 414, 418, 420 178 48 164f 28, 166 115, 164, 170, 171 (171), 175, 179 77 89 99, 128, 174, 372 374 177 43–45, 174, 375 43 45 378 113, 220, 313 377 375 399, 409 377, 399 357 378, 399 99, 128 (128), 174, 372f, 378 113, 175 40, 88 370 72 370 374 43, 45, 174, 375 379, 409, 418 43 386, 401, 412 409 45, 381 235, 380 229, 373, 381, 386f 178 40 370
Stellenregister 28,14 28,16–31 28,17–31 28,23 28,24 28,25–28 28,25–27 28,25 28,26f 28,26 28,27 28,28 28,30f 28,30 28,31 Römer 6,3f 8,9 8,32 9,5 10,14–17 10,15f 10,15 10,16 10,17 15,21 15,24 15,28 15,30 16,16 1. Korinther 2,7–16 5,7 6,11 6,19f 6,20 7,23 9,24 9,26 10,5 11,23–25 11,25 12,4–6 2. Korinther 1,13 1,21f
24 5 390 115, 175 405 11, 139, 373, 410 359, 391 405 45, 312, 417f 395, 404 395, 412 310, 391, 403, 405 391, 404 393 23, 120, 393f 137, 142 300 297 293, 293f, 296 122 383 116 108 122 108, 124, 383 328 (328) 328 (328) 299 294
300 103 300 300 302 302 89 89 52 307 140 299
92 299
485
3,2 6,2 12,2 12,4 13,13
92 383 146 146 300
Galater 1,15f 1,17 2,2 2,17 3,16 3,19 4,6
382 (382) 79 89f 92 242 (242) 41 299f
Epheser 1,6 1,7 2,11–13 2,17 4,11
270 302 141 116 164
Philipper 1,19
300
Kolosser 4,14
178
1. Thessalonicher 4,17
146
2. Thessalonicher 3,1
89
2. Timotheus 4,5 4,11
164 178
Titus 2,13 2,14
296 302
Philemon 24
178
1. Petrus 1,2 1,18f 1,19
142, 289 302 103f
Stellenregister
486 2,9 2,21–25 2,25 3,18 5,1–3 5,1
305, 380 222 289 221 288 289
2. Petrus 1,1 1,17 2,21
296 211, 216 79
Hebräer 1,8 2,2 2,10 3,8 3,17 7,1
296 41 231f 52 52 79
9,12–14 9,12 9,18–20 10,29 11,5 12,2 12,24 13,12 13,20
142 291 141 141 144 232 142 291 141
Offenbarung 3,7 5,9f 9,9 12,5 12,6 12,14 17,3
222 302 80 146 52 52 52
6. Außerkanonische Schriften neben dem Neuen Testament und Apostolische Väter Acta Joannis 11
277
Acta Pauli et Theclae 3 357 17 277 24 270f, 277 Acta Philippi III, 1 III, 3f III, 10 III, 15–19 IV VI, 14
169 169 169 169 169 169
Barnabasbrief 3,6 5,1 5,2 5,7 6,1f 6,1 8,1–4
270 142 97, 275 315 274 270 142
9,2 12,5 14,6–9 14,7 14,8 14,9
270 234 389 275 275 275
Brief des Petrus an Philippus 169 1. Clemensbrief 5,6f 9,3 12,4 16,1 16,3–14 16,7 59,2–4 59,2 59,3f 59,4
328 144, 161 156 271, 288 271 97 270 270, 380 271 289
2. Clemensbrief 20,5
234
Stellenregister Didache 7,1–3 9,2f 9,3 9,5 10,2f Diognetbrief 8,9 8,11 9,1 Hebräerevangelium
119 270, 272 234 272 270, 272
315 234
Martyrium Iustini et sociorum 2 277 Martyrium Philippi 38 358
276 270, 276 276
145f
Hirt des Hermas sim IX, 1,4 sim IX, 12,5 sim IX, 13,2 sim IX, 31,5f
146 270 161 288
vis I, 1,3 vis II, 1,1
146 146
Ignatiusbriefe Eph 1,1 Magn 9,1f Phld 2,1 Röm 6,3 Röm 9,1
Smyrn 1,2 Trall 9,2
487
Martyrium Polycarpi 3,2 129 9,2 129 14,1–3 273 14,1 270 (270), 273, 288 14,3 270 (270), 273 16,1 345 17,3 273 20,2 270, 273 Philippusevangelium . 169 Pistis Sophia 22 42–44 82 136
295 234 288 295 288
169 169 169 169
Sophia Jesu Christi 170
7. Altkirchliche Zeugnisse XII
Apollinaris Fragmente zu Ez.
337
Athanasius
122
De unitate ecclesiae 11,30 163
Expositiones in Psalmos LXVII 56
In Ioh. euangelium tractatus VI, 18 168
Orationes adversus Arianos I 54 111
Basilius Porphyrogenitus Imperator
Augustinus De fide et operibus IX 117, 122
Menologium I, 111
169
Stellenregister
488 Chrysostomos
Vita
In Acta Apostolorum Homiliae XIX 43, 50, 54, 93f
Cyrill von Jerusalem
Clemens Alexandrinus Paidagogos 1,67,3 2,64,7 2,73,6
279 279 279
Protrepticos 110,1
279
Catecheses XVI, 14 XVII, 25
72
82 158
Ephräm der Syrer Hymnen auf die Perle De fide LXXXIII, 3–5 158 Epiphanius
Quis dives salvetur 34,1 295 42,20 279 Stromateis 1,145,3 2,22,8 3,4,25,3 3,6,52,5 4,9,71,2f 7,4,3
279 279 166 166 166 279
Constitutiones Apostolorum I inscr. 270 VI, 7,2 168 VI, 14,1 168 VII, 26,4 302 VIII, 2,9 168 VIII, 5,5 270, 278 VIII, 5,7 278 VIII, 15,2 278 VIII, 17,1 168 VIII, 39,4 270, 278 VIII, 40,2 278 VIII, 41,8 278, 303 VIII, 46,17 168 VIII, 48,3 270, 278 Cyprian Ad Quirinium III, 43
122
Epistulae 73,9
167
Anacephalaeosis
167
Panarion adversus haereses 78,16 168 Eusebius Historia ecclesiastica II, 1,10 166 II, 1,13 61, 157 III, 4,6 178 III, 30,1 166 III, 31,3 166 III, 31,4 166 III, 31,5 166 III, 37,1 167 III, 39,4 167 III, 39,9 166f V, 8,3 178 V, 17,2f 167 V, 24,2 166 Hieronymus Commentaria in Isaiam 53,7f 142, 158 63,14 87 Epistulae 3,1 22,1 22,6 22,16 22,32 41,2
153 58 58 68 68 168
Stellenregister 53,5 53,9 54,13 108,8 108,11 130,4 130,13
158 17 68 164, 168 67, 164 68, 168 68
Hippolyt Commentarii in Danielem III 7 357 Irenäus Adversus haereses 3,1,1 3,9,3 3,11,6 3,12,5 3,12,8 3,14,1 3,14,2 3,18,3 4,23,2
178 279 264, 279 278 157, 279 178 290 251 157, 279
Epideixis 50 51 68 69 88
389 279 279 279 279
276 276 276 276
Dialogus cum Tryphone 12,2 276 13f 142 13,2–9 276 26,2f 326 32,2 109 42,2f 415 72,2f 109 88,3 341
205 109, 276 109 109 276, 389 264, 276 295 264, 276 270
Macarius Aegyptus Homilia XV 10
168
Melito von Sardes Passahomilie § 93 § 96
295 295
Origenes Ep. ad Africanum
280 (280)
Commentarius in Iohannem I, 21f 280 Commentarius in Matthaeum I 178 Tertullian Ad uxorem 2,3
Justin Apologie 1,38,2f 1,50,2 1,50,3–11 1,51,1–5
88,8 89,3 90,1 114,2 121,4 123,8 134,5 135,2 137,2
489
295
Adversus Marcionem 4,11,1 389 4,25,5 389 5,2,5 389 Adversus Praxean 11,5f 279 11,5 389 28,2 279 De baptismo 4,3 7,1 18,2
120 279 167
Stellenregister
490 De carne Christi 5 De paenitentia 2,5
Theodoret von Cyrus 295
389
Historia ecclesiastica V, 25 166 Traditio Apostolica 3 270, 277
8. Rabbinische Texte bKeretot 9a
73, 76
bPessachim 91b 92a
76 77
jPessachim VIII (36a)
77
MKeretot II 1
73, 76
Midrasch Shemot Rabba Ex 20,18 338f
9. Targumim Targum Neofiti Dtn 23,2 Targum Onkelos Dtn 23,2
69 69
Targum Pseudo-Jonathan Ex 20,2 338
Dtn 23,2
69
Prophetentargum Jes 42,1 Jes 53,7f
203 104
Psalmtargum Ps 2,7
209
10. Pagane antike Literatur Alexanderroman III, 18–23 III, 18
Arrian 64 60
Apollodorus Bibliotheke I, 5,1 II, 4,2
Anabasis II, 26
49
Bion von Soloi 145f 145
Aethiopica
60
Stellenregister Pausanias
Cassius Dio Historia Romana LIV, 5,4f
491
59
Graeciae descriptio I, 33,3–5 58
Diodorus Siculus
Philostratus
Bibliotheca historica III, 2 59 III, 5–7 60 III, 8 59 XIX, 85,1 162
Vita Apollonii IV, 10 VI, 1 VI, 2 VIII, 8 VIII, 10
145 58 58 145 145
Herodot Historiae II, 29–32 II, 57 III, 17–26 III, 20 III, 25 III, 30 III, 114 IV, 183 IV, 197
Plinius 58 162 58 59f 58, 329 58 58f 58 58
Homer Ilias I, 423f III, 380f V, 344f XVI, 436f XX, 443f XXI, 596f XXIII, 205–207
58 145 145 145 145 145 58
Odyssee I, 22–25 IV, 83 XV, 250f
57f 58 146
162 58 62 59 60, 61
Plutarch Demetrios 25,5
68
Sallust De bello Catilinae 16,5 328 Seneca Naturales quaestiones VI, 8,3 62 Strabo
Lucian Eunuchus
Naturalis historiae V, 14,68f VI, 35,178–97 VI, 35,181 VI, 35,182 VI, 35,186
67
Nikolaos von Damaskos 60
Geographika I, 1,8 I, 2,24 I, 2,25 I, 2,27f II, 2,2 III, 1,8 XVI, 2,27 XVI, 2,30
329 58 60 58 60 328, 329 162 50
Stellenregister
492 XVII, 1,53–2,3 XVII, 1,54 XVII, 2,1 XVII, 2,2f XVII, 2,3
58 59 58 60 59
Sueton De vita Caesarum Augustus 35,3
74
Domitian 7
68
Tacitus Historiae II, 78
162
Autorenregister (in Auswahl; kursiv gesetzte Seitenzahlen beziehen sich auf die Fußnoten) Alexander, L. C. A. 392 Archer, G. L. 6, 386 Avemarie, F. 40, 46, 57, 60f, 67f, 71f, 74, 77, 80, 86, 97, 109 (109), 118, 120–122, 130f, 144, 146f, 149, 158, 161, 163 Baarlink, H. 99, 104, 109, 303f, 310 (310), 312, 314, 343f, 346 Bachmann, M. 48 (48), 77, 79 Balla, P. 259 Baltzer, K. 100, 133f, 177 Barrett, C. K. 1, 6, 43, 54, 62, 69, 78, 88, 96, 103, 112, 122, 128f, 146, 154, 187, 199f, 220, 222, 225, 230, 238, 242f, 258, 285, 287, 292, 301f, 306, 315, 340, 354, 364, 375, 379, 386, 392, 394f Barth, G. 122 Barthélemy, D. 134, 136, 338 Bastiaens, J. C. 11, 173, 201 Bauckham, R. 2 Bauernfeind, O. 26, 91, 111, 237, 255, 259, 291 Bauspieß, M. 1, 3f (3f), 376, 392 Beck, B. E. 221, 354 Beers, H. 11, 419 Bendemann, R. von 391, 394, 397, 405, 406, 407 Berges, U. 64, 138f Betz, O. 100, 127, 136, 138, 142, 337, 343, 377f, 383 Beuken, W. A. M. 126, 189, 265, 342 Blenkinsopp, J. 10, 100 Bock, D. L. 1, 7, 69, 99, 101, 104, 152, 187, 193f, 196f, 199f, 209, 242f, 258f, 309, 315, 328, 339f, 389, 411
Bovon, F. 1, 129, 142, 169f, 205f, 213f, 222, 339, 396f Böttrich, C. 309, 312 Bornhäuser, K. 16, 17, 71, 120, 180 Bousset, W. 228 Brodie, T. L. 68 Brooke, G. J. 9 Broyles, C. C. 10 Bruce, F. F. 28, 50, 87, 107 (107), 129, 156, 160, 187, 198f, 286, 297, 324, 328f, 341, 343, 347, 379 Buckwalter, H. D. 416 Burchard, C. 282, 286, 317, 322, 327 Buss, M. F.-J. 17, 384, 386, 389 Busse, U. 178 Cadbury, H. J. 47, 90, 105, 108, 147, 187, 255, 297, 314f, 329 Carpenter, L. L. 186 Carraway, G. 294 Charpentier, E. 148, 151 Childs, B. S. 133 Chirichigno, G. 6, 386 Clarke, W. K. L. 5, 57 Cohen, S. J. D. 73 Conzelmann, H. 51, 69, 75, 111, 187, 220, 237f, 250f, 256, 259, 286f, 292, 297, 306, 331, 347, 403 Corbin, M. 54, 114, 118, 148, 152, 154 Cullmann, O. 121, 187, 210, 215, 269 Decock, P. B. 10, 108 (108), 111 Delitzsch, F. 100, 133f, 135 (135), 177 DeVine, C. F. 292 Dibelius, M. 180 Dinkler, E. 51, 58, 62, 69
494
Autorenregister
Dobbeler, A. von 71, 87, 99, 145–148, 151, 165, 170f, 176 Doble, P. 221, 315 Driver, G. R. 100, 135 Duhm, B. 18 Dunn, J. D. G. 259, 339 Dupont, J. 148–150, 160, 225, 285f, 291, 297, 299, 301, 314, 383, 387, 389f, 392, 405f Easter, M. C. 11, 118, 219 Eckey, W. 1, 38 (38), 43, 187, 235f, 238, 242 Eisen, U. 5 (5) Ekblad, E. R. 10, 97, 100, 103, 185, 264, 325, 386 Elliger, K. 64, 138, 209, 324, 332 Elliott, J. K. 48 (48) Elliott, M. W. 109 Ellis, E. E. 214, 329f Ernst, J. 215, 344 Euler, K. F. 99, 103, 136 Evans, C. A. 10, 391, 396, 398f, 409, 413 Fabien, P. 22, 37, 38 (38), 42, 66, 68, 78, 88, 122, 147f, 153, 157, 176 Fitzmyer, J. A. 1, 51, 72, 92, 177, 187, 199, 259, 292, 298, 344f Flint, P. W. 9, 135 Foakes Jackson, F. J. 234, 237 Franklin, E. 187, 259, 266 Frey, J. 2, 77, 123 Gasque, W. W. 1 Gaventa, B. 40, 51, 78, 374 Genz, R. 140, 204 Gese, H. 206f Giesen, H. 365 Gignilliat, M. S. 367, 383 Glöckner, R. 186f, 219, 240, 314 Gnilka, J. 185f, 398, 413 Goldingay, J. 133f, 139, 141 Gräßer, E. 1, 19 (19), 189, 232f Grassi, J. A. 148, 151 Green, J. B. 17, 129, 148, 187, 219, 306, 310, 314, 341, 343 Grimm, W. 11, 101, 105, 124f, 126, 136, 138 (138), 139, 324, 332, 351
Haacker, K. 18, 293, 413 Haag, H. 111, 188 Haenchen, E. 25, 27, 33, 54, 68, 72, 75 (75), 80f, 91, 94 (94), 123, 153, 163, 229, 243, 258f, 297, 317, 327, 362, 364 Hagene, S. 192, 217, 219, 233f, 236, 238, 241f, 254, 267 Hahn, F. 187, 201, 237 Hahn, S. W. 18 Hannah, D. D. 9f, 111 Hardmeier, C. 407 Harnack, A. (von) 155, 170, 186, 270, 273–276, 279f Harris, M. J. 291, 294, 296, 298, 302 Hartenstein, F. 306 Head, P. 314 Hegermann, H. 104, 136, 199 Hemer, C. J. 2 (2), 49f, 286 Hengel, M. 2 (2), 26f, 35, 43, 66, 73, 75–77, 79, 136, 138, 162–167, 170, 177–179, 330, 355 Hermisson, H.-J. 97, 111, 125, 324, 350 Hofmann, I. 35, 59, 61, 67, 78, 122 Holtz, T. 5f (6), 97, 194, 258, 294, 386, 395 Hooker, M. 10, 104, 106 (106), 187, 386 Horn, F. W. 121, 367 Janowski, B. 97, 102, 111, 124, 132f, 138f, 177, 188 Janse, S. 205, 209, 211, 255f Jeremias, J. 48 (48), 55, 103f, 108, 111, 186, 188–190, 199f, 210, 215, 218, 264, 274, 306 Jervell, J. 1, 6, 68, 77f, 82, 147, 152, 178f, 221, 239, 297, 330, 367, 387, 393, 396, 404, 412 Jeska, J. 41, 358 Johns, L. L. 102 Johnson, D. E. 10, 319, 332f, 376, 380, 388, 390, 419f Johnson, L. T. 41, 99, 101, 143, 341, 354, 379 Jones, D. L. 184, 187, 237f, 239, 245, 259, 266, 280 Just, A. A., 209, 242
Autorenregister Kaiser, O. 135 Karrer, M. 136, 234, 238, 240, 397f, 406, 412 Kilgallen, J. J. 285 Kilpatrick, G. D. 194, 259 Klein, H. 142, 205, 213, 339 Knöppler, T. 104, 291f, 306 Koet, B. J. 6, 10, 18, 225, 311, 344, 387f, 394, 396f, 404, 416f Kollmann, B. 61, 69, 145 Kooij, A. van der 9f, 136, 386 Koole, J. L. 64, 99, 133, 138, 177, 265, 324f, 332, 350 Korn, M. 108, 117, 187 Kränkl, E. 108, 187, 266, 287, 302, 306 Krauter, S. 73, 75–77, 358, 360, 366, 374 Kremer, J. 341f, 346 Kutsch, E. 101 Lake, K. 47, 74, 88, 90, 108, 147, 234, 237, 255, 297, 307, 329 Lambrecht, J. 284–286, 308 Lampe, G. W. H. 214, 219, 229, 286, 339, 345–347, 387 Lange, A. 9 Larkin, W. J. 1, 10, 87, 103, 105, 250f, 313, 315 Légasse, S. 358 Leske, A. M. 10, 211, 408 Leveen, J. 135, 137 Lindemann, A. 66, 69, 72, 77, 106, 120, 153, 167, 176, 180, 270, 285 Lindijer, C. H. 148f, 151 Litwak, K. D. 6, 10, 107 (107), 179, 261, 420 Löhr, H. 187, 270–272, 274, 276–278, 281 Lösch, S. 59, 61f Lohfink, G. 18, 145f, 305, 315, 412 Lohse, E. 48, 106, 178, 187, 292, 306 Lüdemann, G. 2 Mallen, P. 11–13 (12f), 15, 376, 381, 384–386, 388–390, 392, 396, 413, 415, 418, 420f (420f), 422 Marguerat, D. 1, 5, 17, 38 (38), 82, 105, 112, 114, 367, 375, 392
495
Marshall, I. H. 1, 6, 7, 156, 205, 208f, 211f, 215, 251, 304, 315, 365, 422 Martin, C. J. 16, 58, 65 Matthews, C. R. 39, 91, 157, 160, 164– 166, 169f Mattill, A. J. 282, 368, 371–374, 388, 415 McKenzie, J. L. 139 Meek, J. A. 6, 386, 389 Meiser, M. 6, 178 Ménard, J. E. 187, 199, 214 Menzies, R. P. 339 Merkel, H. 196, 294, 404 Metzger, B. M. 97, 159, 288, 292–294, 297, 328, 364 Michel, H.-J. 284–286, 292, 297, 301, 304, 322 Michel, O. 103f, 218, 230, 233 Mínguez, D. 36f (36f) Mittmann(-Richert), U. 4, 11, 13–15 (14f), 30, 45, 79, 87, 97, 104, 116f, 123, 129, 132, 136f, 138 (138), 139f, 142, 148, 150, 156, 177–179, 196, 198, 203f, 206f, 210f, 218f, 226, 234–236, 241f, 250, 255f, 268f, 301, 303, 306f, 309, 325, 364f, 376, 383, 399, 404, 408, 411f, 418, 421 (421) Moessner, D. P. 282, 365, 368, 372, 404, 411 Moore, T. S. 11, 326, 330, 332, 367, 381, 411, 418, 419 Mudge, L. S. 187, 389 Müller, P. 91 (91), 92, 94, 96 Müller, P.-G. 227–234 Munck, J. 179 Öhler, M. 144, 147 Omerzu, H. 392 Oswalt, J. N. 103, 133f, 138, 177, 202f, 342 O’Toole, R. F. 11, 36f (36), 109 (109), 148, 187, 260, 282, 346, 354, 368, 373, 387, 414 Overbeck, F. 19, 422 Pao, D. W. 11–13 (11f), 15, 16, 71, 180, 318f, 324, 330f, 389, 410, 416, 418f, 420 (420), 421
496
Autorenregister
Parsons, M. C. 1, 5, 11, 17, 100, 107 (107), 364 Paulsen, H. 167, 270 Payne, D. 133 Pearson, B. W. R. 10 Plümacher, E. 31, 41, 51, 62, 119, 180 (180), 183 Pervo, R. I. 1, 17, 35, 43f, 51, 78, 88, 99, 146, 148, 159f, 238, 328, 335, 341 Pesch, R. 1, 27, 38 (38), 68, 96, 99, 101, 129, 171, 255, 259f, 324, 339, 342, 361, 364, 380 Peterson, D. G. 1, 28, 43, 69, 99, 101, 108 (108), 122, 187, 199, 220, 227, 238, 241, 243, 245f, 256, 259, 292, 297, 315f, 322, 330, 336, 341, 343, 346, 352, 355–357, 369, 374, 378f, 380, 385, 388, 390, 393f, 410, 420 Popkes, E. E. 394, 397, 413 Porter, S. E. 10, 286, 367 Potterie, I. de la 48 (48), 259 Powell, M. A. 1 Preuschen, E. 43, 143, 162 Radl, W. 282, 286, 308, 367f, 374, 377, 382, 387, 391, 414 Rese, M. 6 (6), 7, 97, 107f (108), 187, 192, 194, 205, 213, 220, 223, 225, 241–243, 258f, 261, 303, 306, 385, 387, 396 Richard, E. 97, 314 Riesner, R. 2, 91, 177 Ringgren, H. 6 Roberts, J. H. 187, 241, 243, 257, 267 Robinson, B. P. 148 Robinson, J. A. T. 237f, 245 Roloff, J. 1, 27, 38, 42, 69, 93, 100, 147, 193, 199, 242, 259, 292, 297, 315, 328, 376, 379, 403 Rosica, T. M. 148–150, 156 Rothschild, C. K. 2 Rubinstein, A. 136 Ruppert, L. 132 Rusam, D. 6 (6), 70, 96, 99, 101, 105, 118, 238, 394, 404, 413 Safrai, S. 73, 77 (77), 79 Sanders, J. A. 10, 225, 386
Schiffner, K. 8 (8), 11, 178 Schille, G. 27, 43, 69, 91, 242 Schmeichel, W. 301, 306 Schmid, U. 292, 307 Schmidt, K. M. 47, 66, 72 Schmithals, W. 1, 54, 69, 99, 105, 181 (181) Schnabel, E. 59, 68, 78f Schneider, G. 1, 26f, 50, 55, 69, 75, 92, 94, 99, 105, 129, 147, 164, 178, 194, 197, 199f, 220, 229f, 236, 240–243, 245f, 251, 258f, 261, 269, 288, 297, 317f, 322, 328–330, 335, 346, 348, 354, 368, 378f, 390, 392f, 404 Scholz, P. O. 58 (58f), 60, 61, 68, 77, 92 (92), 119 Schreiber, S. 28, 31, 37, 38 (38), 51, 69, 146, 148–151, 153f, 339, 344 Schröter, J. 2, 395, 404–406, 411 Schürmann, H. 306 Schwartz, D. R. 326, 331 Schweizer, E. 85f, 207, 210, 340 Schwemer, A. M. 64, 66, 73, 75–77, 178, 271, 298, 357f, 361f, 374, 382, 402, 412 Seccombe, D. 10, 108, 111, 238, 268, 318, 330, 382, 419 Seeligmann, I. L. 10, 324 Sellner, H. J. 14, 288, 301, 304, 306, 308f, 412 Siegert, F. 74f Soards, M. L. 5, 358, 361, 384 Spencer, F. S. 37 (37), 41, 48 (48), 49, 54, 69, 71, 73, 75f, 79, 99f, 111, 120, 147f, 157, 160, 163 Stenschke, C. W. 1, 93, 250, 381 Steyn, G. J. 6, 18, 194, 197, 225, 255f, 385f, 396, 398 Strauss, M. L. 7–9 (7f), 109, 203f, 208, 211, 213–215, 225, 251, 264, 267 (267), 413 Stuhlmacher, P. 11, 104, 111, 138–141, 179, 186f, 265, 293 Taeger, J.-W. 14, 69, 73, 75, 152 Talbert, C. H. 1, 5, 90, 309, 364, 413 Tannehill, R. C. 4, 17, 71f, 86, 153, 160, 192, 195, 346 (346), 379, 381, 384, 391, 393, 413
Autorenregister Thiessen, J. 358 Thornton, C.-J. 2 (2), 179, 322 Thornton, T. C. G. 329 Török, L. 58f, 61 (61), 74 Torrey, C. C. 10, 186, 214 Tov, E. 9, 136 Troftgruben, T. M. 373 Tuckett, C. M. 267 Turner, M. 11, 206, 211, 268, 340, 345– 347 Twelftree, G. H. 18, 371, 392, 415 Unnik, W. C. van 1 (1), 37, 42f, 51, 54 (54), 84 (84), 326, 328 (328), 329f, 388 Uytanlet, S. 2 (2)
497
Weren, W. J. C. 211, 250, 256 Westermann, C. 133, 138, 188, 202, 241 Whitlark, J. A. 364 Wikenhauser, A. 187, 201, 221, 251, 286, 291f Wilckens, U. 187, 200, 293, 306 Wildberger, H. 189, 265 Wilk, F. 10, 367 Wilken, R. L. 109 Williamson, H. G. M. 203 Willmes, B. 261 Witherington, B. 1, 43, 50, 69, 100, 105, 221, 229 Wolff, H. W. 105f, 108, 186, 261, 265, 268 Wolter, M. 142, 205f, 210, 212f, 223, 291, 296, 304, 327, 339, 345, 364, 381, 400, 422
Verheyden, J. 17 Voss, G. 187, 199, 201, 223 Vriezen, T. C. 133f
Young, E. J. 16, 133–135, 416
Wagner, J. R. 367 Walters, P. 17 Walton, S. 285f, 292, 298, 306, 308, 330 Wander, B. 68, 75 Wanke, J. 148, 150f Wasserberg, G. 75, 384, 387, 412 Weiser, A. 38, 50, 62, 69, 75, 129, 147, Wendt, H. H. 43, 96, 113, 143, 152, 162
Zahn, T. 42, 67, 69, 72f, 87, 92, 95f, 153, 166, 171 Ziegler, J. 10, 264, 351, 386 Ziesler, J. A. 262 Zimmerli, W. 188–190, 202, 337 Zmijewski, J. 1, 37 (37), 69, 82, 99, 328, 335, 340, 361 Zugmann, M. 177
Sachregister (Kursiv gesetzte Seitenzahlen beziehen sich auf die Fußnoten)
Abendmahlsworte 138–141, 150, 306– 308, 313 Adoptianismus/Zwei-StufenChristologie 258f Ägypten siehe Äthiopien Äthiopien (Kusch) 55–66, 179, 312, 329 – Verbindung mit Ägypten 55–58, 179, 312 – Verbindung mit Saba/Seba 63f, 179, 312 Apostelgeschichte – Alttestamentliche Zitate 30, 417f – Einfluss der alttestamentlichen Tradition 5–16 – Forschungsberichte 1 – Forschungstendenzen/Forschungsdiskussion 1–16, 420f – Geschichtswert/literarisches Genre 1–4 – „Offenes“ Ende 391f – Wahrnehmung als literarisches Werk/narratologische Auslegung 4f Auferstehung der Toten 369, 381, siehe auch Jesus; Totenauferweckung Bekehrung 28, 45 Besprengung 140f, 142, siehe auch Gottesknecht III. Blindheit siehe Erkennen/Erkenntnis Blut/Bundesblut/Blut Jesu 140f (141), 142, 232, 295, 305, 308, 312, 314 Blutschuld 301f Bund/Bundesschluss 140, 307, siehe auch Blut; Gottesknecht III. Christologische Titel (Übersicht) 182f (einzelne Titel siehe Jesus)
Damaskuserlebnis 374 David/Davidische Messiastradition 7f, 246–248 Diakon siehe Siebenerkreis Doppelte Rezeption der Verkündigung (Zustimmung/Ablehnung) 385, 391, 405f Dynamik des Evangeliums 23f Elia 53, 89, 144f, 147 Ende der Erde 316, 325–332, siehe auch universale Perspektive Engel/Angelologie 31, 40–42, 53, 338 – Zusammenwirken mit dem Geist Gottes 31, 83–89, 143 – Mitwirkung bei der Gesetzgebung (Sinai) 41, 359 Entraffung/Entrückung 144–147, 152, 161 Erfüllung mit dem Geist siehe Geist (Erfüllung) Erhöhung siehe Gottesknecht III.; Jesus Erkennen/Erkenntnis 45, 93f, 118, 148, 150f, 332f, 375, 401 – Blindheit/Unfähigkeit zur Erkenntnis 45, 93f, 110, 148, 332f, 375, 401, 409, siehe auch Verstockung – Öffnung der Augen 110, 375f, 379f, 401 Erwählung siehe Gottesknecht III.; Jesus (Auserwählter/Erwählung) Erwerb siehe Gemeinde (Erwerb) Eunuch 66–78, 157–159 Evangelist siehe Philippus (Person) Evangeliumsverkündigung (euvaggeli,zomai) 26, 115f, 382
Sachregister Feuer/Feuerzungen 337, 341f, siehe auch Geist (Geisttaufe) Finsternis 45, 379f Freimut 245, 256f, 393f Freude 31, 154–156 Gaza 49f, 67 Gebetszeit 44 Geist/Heiliger Geist – Ausgießung 259, 265, 318f, 335 – Erfüllung/Begabung mit Geist 85, 190, 235, 244, 260, 317–320, 335, 375 – Geisttaufe 317f, 334, 336 – Geisttaufe/Feuertaufe 337–341 – Geisttaufe/Wassertaufe 347 – Hodegetische Funktion 86 – Personalisierung 86 – Prophetische Funktion 85 – Soteriologische Funktion 85 – Zusammenwirken mit dem Engel Gottes 31, 83–89, 143 Gemeinde (evkklhsi,a) – Begriff in der Apostelgeschichte 283 – Bezogenheit auf Israel 412 – Bezogenheit auf Jesus/Weiterführung seines Wirkens 350, 354, 367, 381, 389, 413f – Christologisch-soteriologische Grundlegung (Übersicht) 312–314 – Erwerb/Loskauf durch Jesu Blut 302–306, 312, 314, 414 – Geheilte Knechte 332f – Gemeinde Gottes/des Herrn 289f – Herde 288f – Konstitution aus Juden und Heiden 388, siehe auch Hinwendung zu Juden und Heiden – Parallelisierung Jünger/Jesus 319f, 344–346, siehe auch Paulus; Petrus; Philippus; Stephanus – Wesensbestimmung 414–416 – siehe auch Taufe (Taufe der Jünger) – siehe auch Zeuge/Zeugenauftrag/ Zeugenschaft Geschichtsschreibung 2 Glossolalie/Zungenrede 342f Gottesfürchtige 74–76 Gottesherrschaft 45
499
Gottesknecht I. Begriffsgeschichtliches 187–189 II. Gottesknechtslieder 13, 116 – Abgrenzung 18 III. Aspekte der jesajanischen Figur – Auserwählter/Erwählung 202f, 212f, 376 – Ausgießung des Lebens in den Tod/ Todesgeschick 100, 141, 305, 312 – Beistand Gottes 379f – Besprengung der Völker 133–136, 176 – Betonung des Namens 264 – Bund (in Person) 140f, 204, 240f, 375f – Dahingabe 139, 199, 312 – Erfolg 124 – Erhöhung/Verherrlichung 99, 196, 198f, 239, 250, 255 – Erniedrigung 130f – Erwählung siehe o. Auserwählter – Geistbegabung/Salbung 202, 235, 250f, 319 – Gerechter 217–220, 313 – Heil 325, 380, 385f – Identität (individuell/kollektiv) 111, 389, 413 – Königliche Züge 202f – Leiden (Klaglosigkeit) 104, 113 – Licht 203, 241, 333, 375f, 379–381, 386, 402f – Prophetische Züge 203f – Schafmetaphorik/Schlachtung 101– 104, 289, 312 – Schuldopfer 103, 132, 221, 226, 313 – Sendung zu Israel und den Heiden 376 – Stellvertretung für Israel und die Heiden 123, 132, 203, 242f – Sühne/Entsühnung 106–109, 132, 173, 176, 226, 311f – Übernahme der Sünden 220, 242f – Unschuld 221, 313, 349 – Verachtung 350f – Verherrlichung siehe o. Erhöhung – Wohlgefallen Gottes 205 – Zeuge 323–325 IV. Als christologischer Titel im Neuen Testament/bei Lukas 184–191
500
Sachregister
V. Als christologischer Titel in der frühen Kirche 269–281 Heiden – Besprengung siehe Gottesknecht III. – Gottesknechtserkenntnis 123f, 411 – Heiden und Könige 124–127, 254f – Integration in die Gottesgemeinschaft/Bundesgemeinde 45, 69–71, 141 Heil 402f – Für Israel und die Heiden 13, 330 – Integration der Heiden 12, 152, siehe auch Heiden – siehe auch Gottesknecht III.; Israel Heiliger Geist siehe Geist Heilserkenntnis 3f, siehe auch Erkenntnis Heilsgeschichte 3f Heilsvorzug Israels siehe Israel/Juden Heilung 46, 333, 348f, 368 Himmelsstimmen 313 – Taufe Jesu 204–211 – Verklärung Jesu 211–214 Hinwendung zu Juden und Heiden 373, 404f, 410, siehe auch Gottesknecht III. (Sendung) Hoffnung Israels siehe Israel/Juden Imitatio Christi 354 Israel/Juden – Heilsvorzug 195, 241, 388, 411, siehe auch Heil – Hoffnung 390, 392, 405 – Rekonstitution 388 – Schuld am Tod Jesu 195, 217, 313 – Unwissenheit 195, 221, 226, 313 – Verwerfung 393, 403f, 407, 409, 412, siehe auch Verstockung – siehe auch Übertritt zum Judentum Jerusalem – Eschatologische Völkerwallfahrt 65f – Offenbarungstheologische Funktion 49 – Ort der Anbetung 72f – Schreibweise 47f – siehe auch Tempel; Wallfahrt
Jesaja – Rezeption im Neuen Testament 9f – Rezeption bei Lukas 10–16, 417–419 – Griechische Textüberlieferung (LXX Jes) 9f – Hebräische Textüberlieferung 9 – siehe auch Gottesknecht I.–III. Jesus – Auferstehung 229, 386f – Auserwählter/Erwählung 212f – Betonung des Namens 192, 233, 257–265, 314, 319 – Blut siehe Blut/Bundesblut/Blut Jesu – Christus/Gesalbter 234–240, 250f – Erhöhung/Verherrlichung 196–199, 231, 237, 239, 250, 255, 266, 313 (zur Rechten Gottes: 360) – Erweckung/Sendung 200f, 237, 239f, 313 – Eschatologischer Freudenbote 116 – Dahingabe 199, 371 – Davidischer Messias 8, 247, 266, 384f – Führer zum Leben 227–234 – Geistbegabung/Salbung 251, 314, 318, 370 – Geliebter 208f, 271, 365 – Gerechter 45, 217–222, 313, 377 – Gottesknecht 8, 14f, 122, 173, 205, 210, 214, 235, 251, 256, 266, 313 – Gott 292–295 (293f) – Heiland 231 – Heiliger/Heiligkeit 222–227 – König 252–256 – Leiden (Klaglosigkeit)/Passion 104, 197, 229, 235, 237, 266, 313, 370– 373, 386f, siehe auch Sterbewort; Todesforderung – Offenbarung im Tempel 377f, siehe auch Offenbarung Gottes/Jesu – Prophet wie Mose 8, 200f, 213f, 230, 266 – Sohn Gottes 205–207, 296–298 – Sühnetod/Heilswirksamkeit des Todes 14, 226, 306, 311f, 314, 414, siehe auch Vergebungsbitte – Taufe 251, 340, 343–347, siehe auch Himmelsstimmen
Sachregister – Unschuld 221, 313, 349, 373 – Verherrlichung siehe o. Erhöhung – Verklärung 357, siehe auch Himmelsstimmen – Verleugnung 199f – Wesenseinheit mit Gott 206, 258– 260, 291 Juden siehe Israel Kämmerer/Schatzmeister 67 Kandake 59–66 Kastration 67f Kebra Nagast 64 Könige siehe Heiden Königin aus dem Süden/von Saba 62–66 Kreuzesgeschehen 45, siehe auch Gemeinde (christologisch-soteriologische Grundlegung) Kusch siehe Äthiopien Licht 45, siehe Gottesknecht III. Loskauf siehe Gemeinde (Erwerb) Lösegeld-Wort 138f, 303f Lukas/lukanisches Doppelwerk 17, 178f, 422 Menschensohnvision 360f Missionsreisen 23 Mittagszeit 43–46, 375 Mose 53, 203f, siehe auch Jesus (Prophet wie Mose) Name Gottes 263f, 319 Name Jesu siehe Jesus (Betonung des Namens) Neuer Bund 140, 307 Neuer Exodus 11, 204 Offenbarung Gottes/Jesu 43–46, 53, 66, 71, 88f, 122, 151, 211, 338, 377, 400, siehe auch Jesus (Offenbarung) Parusie siehe Wiederkunft Passa 103 Patripassianisch/Patripassianismus 291, siehe auch Blut Paulus – Abschiedsrede in Milet 284–287, 298f
501
– Antrittsrede in Antiochien 383–385 – Berufung 374–383, 409 – Knecht des Knechts 367, 382f, 387 – Parallelen zu Jesus 368–373 – Selbstverständnis 367, 382f Petrus – Parallelen zu Jesus 348–354 – Pfingstpredigt 257f Pfingstgeschehen 334–347, siehe auch Petrus (Pfingstpredigt) Philippus – Parallelen zu Elia 89f, 145–147 – Parallelen zu Jesus 117, 365f – Person 25 (25), 28, 164–172 – Philippus-Zyklus 25f Postbaptismale Gemeinschaft siehe Taufe Proselyten 73, siehe auch Gottesfürchtige; Übertritt zum Judentum Reden Gottes 245f Rom 327f Saba/Seba 63f siehe auch Äthiopien Schafmetaphorik siehe Gottesknecht III. Schrift – Christologische Auslegung/Erfüllung 114f, 118, 197, 369, 391 – Lektüre 81f, 90f Segnung durch Jesus 242f Siebenerkreis 354f Simeonweissagung 235, 376, 402 Spanien 328f Steinigung 362, 370 Stellvertretung/Sühne 14f, 139, 304, 306, 308, 311f, 410, siehe auch Gottesknecht III.; Jesus Stephanus/Stephanusrede 354–365, siehe auch Sterbewort; Vergebungsbitte Sterbewort Jesu/des Stephanus 362f, 365 Sühne/Entsühnung siehe Gottesknecht III.; Jesus; Stellvertretung/Sühne Taube 345 Taufe – Bedeutung/soteriologische Qualifikation 119, 137f, 142, 156, 260, 375
502
Sachregister
– Bezug auf Jes 53 131f – Empfang 131 – Geistwirkung 143, siehe auch Geist (Geisttaufe) – Glaube 122 – Hinderungsgrund 120–122 – Initiative Gottes/des Menschen 118f, 123 – Namensformel 144, 262 – Postbaptismale Gemeinschaft 144, 152–154 – Taufe der Jünger 343–347 – Taufe Jesu siehe Jesus – Taufwasser 119f Tempel 23, siehe auch Jesus (Offenbarung im Tempel); Wallfahrt Todesforderung (Jesus/Paulus) 99f, 128f, 372f, 378 Totenauferweckung 348f, 368 Translokation siehe Entraffung Trinitarische Rede 298–300 Übertritt zum Judentum 76, siehe auch Gottesfürchtige Umkehr 3, 14, 243, 353, 401 Universale Perspektive 49, 53, 241, 252, 325–332, 377, 406 Unwissenheit siehe Israel Vergebung der Sünden/Sündenerlass 236, 243, 353, 381, siehe auch Vergebungsbitte Vergebungsbitte Jesu/des Stephanus 313, 363–365 Verherrlichung siehe Gottesknecht III.; Jesus Verklärung siehe Himmelsstimmen; Jesus
Verkündigung 26, 112f, 353, 369, 383, siehe auch Evangeliumsverkündigung Verstockung des Menschen/Israels 359, 378, 393–412 – Heilsperspektive/Aufhebung der Verstockung 396–398, 401, 405, 407–410 – Katalysator der Heidenmission 410f – siehe auch Israel Völkerwallfahrt siehe Jerusalem Vorsehung Gottes 54, siehe auch Zuvorkommen Gottes Wagen 80f Wallfahrt zum Tempel 76f, siehe auch Jerusalem (eschatologische Völkerwallfahrt) Weg-Motivik 47, 118 Weisheit 355 Wiederkunft Jesu/Parusie 238 Wunder siehe Zeichen und Wunder Wüste 31, 34, 50–53 Zeichen und Wunder 351f, 356, 368 Zeiten der Erquickung 236, 238 Zeiten der Wiederherstellung (avpokata,stasij) 238 Zerstreuung der Jünger 22 Zeuge/Zeugenauftrag/Zeugenschaft 320–325, 332, 356f, 377, 379, 406 Zeugnis 23, 24 (24), 356 Zungenrede siehe Glossolalie Zuvorkommen Gottes 32, 87 Zwei-Stufen-Christologie siehe Adoptianismus Zweisprachige Traditionsverarbeitung 137, 176–179, 212