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German Pages 691 [693] Year 2011
Beiträge zur historischen Theologie Herausgegeben von
Albrecht Beutel
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Ulrich Wiedenroth
Krypsis und Kenosis Perspektiven eines europäischen
Studien zu Thema und Genese der Tübinger Christologie im 17. Jahrhundert
Mohr Siebeck
Ulrich Wiedenroth, geboren 1959; Studium der Evangelischen Theologie in Hamburg und Tübingen; geschäftsführender Pfarrer der Evangelischen Michaelskirche StuttgartDegerloch; 2010 Promotion und Verleihung des Promotionspreises der Universität Tübingen.
e -IS B N P D F 9 7 8 -3 -1 6 -1 5 1 0 7 1 -7 ISBN 978-3-16-150873-8 ISSN 0340-6741 (Beiträge zur historischen Theologie) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http:// dnb.d-nb.de abrufbar. © 2011 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Bärbel Dörrfuss-Wiedenroth Anne Wiedenroth Tilmann Wiedenroth Carissimis
Vorwort Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde unter dem Titel: „Unum omnia. Thema und Genese der Tübinger Christologie im sog. Kenosis-Krypsis-Streit, systematisch-theologisch untersucht“ im April 2009 bei der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen eingereicht und von dieser im Januar 2010 als Dissertation angenommen. Herrn Professor Dr. Friedrich Hermanni und Herrn Professor Dr. Christoph Schwöbel danke ich für die Erstellung der Gutachten sowie für hilfreiche Hinweise. Der EberhardKarls-Universität Tübingen gilt mein Dank für die Verleihung des Promotionspreises 2010. – Für den Druck wurde der Text durchgesehen und vereinzelt geringfügig überarbeitet. Habet suum fatum libellus: Die Anfänge reichen zurück in die Tübinger Studienjahre. Herr Professor Dr. Drs. h.c. Eberhard Jüngel D.D. hat seinerzeit das Interesse an den intrikaten Debatten der ‚altprotestantischen Orthodoxie‘ geweckt, das Thema vorgeschlagen und die Untersuchung begleitet. Dafür und für wiederholt ‚frische und neue‘ Unterstützung in späteren Jahren, auch nach Zeiten der ‚Krypsis‘, bin ich ihm sehr zu Dank verpflichtet. – Mein besonderer Dank gebührt weiter Herrn Professor Dr. Jörg Baur, Göttingen. Der Auseinandersetzung v.a. mit seinen profunden Erschließungen der altlutherischen Christologien verdanken die eigenen Klärungsversuche wesentliche Orientierungen. Sein beharrliches Interesse, in Gesprächen wie dann und wann auch durch Besuche im Degerlocher Pfarrhaus nachdrücklich dokumentiert, hat zur Fortführung und zum Abschluß des Unternehmens ermutigt. Allen Mitarbeitern der von mir für die langwierigen Quellenstudien genutzten Bibliotheken, besonders der Tübinger Universitätsbibliothek, der Bibliothek des Evangelischen Stifts in Tübingen, der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel und der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart möchte ich für vielfältige Unterstützung und Hilfsbereitschaft danken. Für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe ‚Beiträge zur historischen Theologie‘ des Verlags Mohr Siebeck gilt mein Dank dem Herausgeber, Herrn Professor Dr. Albrecht Beutel, sowie dem Verleger, Herrn Dr. h.c. Georg Siebeck. Für die freundliche und engagierte Begleitung auf dem Weg zur Publikation danke ich Herrn Dr. Henning Ziebritzki, für die kom-
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Vorwort
petente Betreuung und Durchführung der technischen Herstellung den weiter beteiligten Mitarbeitern des Verlags, namentlich Frau Tanja Mix und Frau Jana Trispel. Die Evangelische Landeskirche in Württemberg, die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland sowie die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands haben durch Druckkostenzuschüsse die Publikation gefördert, auch dafür sei hier noch einmal gedankt. Die Widmung gilt den drei Menschen, die entschieden mehr als diese verdienen; sie haben die ‚Fatalitäten‘ der Arbeit über Gebühr getragen und ertragen – Deus reddat … Stuttgart-Degerloch, den 14. Juli 2011
Ulrich Wiedenroth
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
Vorwort ................................................................................................ VII Abkürzungsverzeichnis ......................................................................... XV
A. ‚Ein hochaergerlich Gezaenck‘; oder: „Worzu dienen solche disputationes?“ – Annäherungen ......................................... 1 I. Stationen der Forschungsgeschichte ..................................................... 4 1. Ältere Literatur .................................................................................... 4 2. Die wissenschaftliche Diskussion bis ca. 1950 ..................................... 6 3. Die jüngere und gegenwärtige Forschung ........................................... 14 II. Ergebnisse und offene Fragen gegenwärtiger Forschung .................. 18 1. Der ‚problemgeschichtliche Ort‘ der neuen Tübinger Christologie ..... 18 2. Das ‚Thema‘ der neuen Tübinger Christologie ................................... 24 III. Ziel und Methode der Untersuchung ................................................ 27 IV. Zum Aufbau der Untersuchung ......................................................... 37
B. „Was mag doch des[s]en allen vrsach seyn?“ – Der Gießener Streit über die Allgegenwart Christi (1616–1618) als Anstoß der Tübinger Neuorientierung ............. 39 I. Ablauf und Thema der Gießener Debatte ............................................ 39 1. Kontexte ............................................................................................ 39 2. Texte .................................................................................................. 43 3. Thesen ............................................................................................... 48
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II. Mentzers Definition der Omnipräsenz als actio ................................. 51 1. ‚Ex Scripturis omnia‘? – Methodische Abgrenzungen ........................ 51 2. ‚Praesentiam divinam per operationem describi‘ – Theo-logische Bestimmungen ............................................................ 58 3. ‚Praesentiam Christi pertinere ad officium‘ – Die christologische Applikation ......................................................... 67 III. Triumphus Veritatis? – Sichtung der These Mentzers ....................... 75 1. Person und Amt Christi im Osiandrischen Streit ................................. 76 2. ‚In hac persona omnia‘ – Johannes Winckelmanns Einspruch ............ 81 3. ‚Quicquid vult, potest‘ – Mentzers voluntaristischer Rück-Schritt ...... 88 IV. ‚Sowohl die substantial Gegenwart als auch die Operation‘ – Die modifizierte Fassung der Gießener Präsenz-Lehre .......................... 91 1. Erzwungene Korrektur – Der Darmstädter Rezeß 1617 ...................... 96 2. ‚Approximatio peculiaris divinae Substantiae‘ –Aporien .................... 99 3. ‚Effari non possum, sed firmiter credo‘ – Kapitulationen ................. 105 V. Zwischen Melanchthon und Leibniz? – Zwischenbilanz 1 .................. 108
C. Logos factus est Christus – Die neue Tübinger Christologie in statu nascendi ....................................................... 114 I. ‚Mentzerum in viam reducendum‘ – Die Tübinger Intervention ......... 114 1. Zur Tübinger Wahrnehmung des Mentzer’schen Programms ............ 116 2. Die Texte der neuen Tübinger Christologie in statu nascendi ........... 127 II. Logos factus est Christus – Zur Tübinger Grundthese ..................... 131 1. Die Bestimmung des strittigen Themas ............................................ 131 1.1 Zur Textbasis des Tübinger Urteils ............................................ 131 1.2 ‚de re ipsa statim‘ – Die christologische Konzentration .............. 133 1.3 ‚Quaestio altera‘? – Das Thema des ‚subiectum passionis‘.......... 134 2. Das Tübinger Fakultätsschreiben an Mentzer vom 1.9.1619 ............. 136 2.1 Die Rekonstruktion der Mentzer’schen Thesen .......................... 136 2.2 Die Tübinger Gegenthese ........................................................... 138 2.2.1 ‚personationis vi‘ – Die Konstitution der Personeinheit .... 139 2.2.2 ‚Unum omnia‘ – Der Vollzug der Unio personalis ............ 145 2.2.3 ‚Nostrum IN Sanctum‘ – Unio als Ein-Wohnung .............. 147 2.3 Resümee .................................................................................... 150
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2.4 Kontinuität und Diskontinuität der Debatten .............................. 152 2.5 Literarische Kontexte des Tübinger Fakultätsschreibens ............ 158 2.5.1 Th.Thumm: Εξηγησις Primi Capitis Matthaei, 1619 ......... 159 2.5.2 Th.Thumm: Disputatio De Jesu Christo, 1618 .................. 159 2.5.3 Th.Wegelin: Disputatio De Christo, 1608 ......................... 160 2.5.4 Fazit ................................................................................. 160 3. Entfaltung der These in weiteren Texten des Jahres 1619 ................. 162 3.1 Lc. Osiander: De Idiomatum Divinorum Communicatione ......... 163 3.1.1 Thema und Disposition ..................................................... 163 3.1.2 Die Ubiquität als ontologisches ‚Postulat‘ der Unio .......... 165 3.1.3 Die Kontinuität der Kommunikation ................................. 168 3.2 Lc. Osiander: De Christi Hominis Praesentia Universali ............ 171 3.2.1 Kontext und Disposition .................................................... 171 3.2.2 ‚Entis ad Ens Existentia‘ – Der Präsenz-Begriff ............... 173 3.2.3 Kein ‚Winkel-Gott‘ – Die christologische Applikation ..... 186 3.2.4 ‚regnum in Exinanitione‘ – Erniedrigung und Herrschaft .. 193 III. Christus – des Logos Ende. Systematische Konturen ...................... 198 1. ‚Solius Personae Consideratione‘ – Methodische Orientierung ......... 198 2. ‚In Tempore coiisse‘ – Ensarkose und Theogenese ........................... 202 3. Ubi Deus, ibi necessario Homo ........................................................ 212 IV. „ratiocinatio ab ubiquitate Dei et unione cum carne“? – Problemgeschichtliche Profile ............................................................. 215 1. Die ‚neuen Tübinger‘ und Johannes Brenz ....................................... 215 1.1 ‚Rationale‘ Auflösung des Schriftzeugnisses? ............................ 216 1.2 Freiheit und Notwendigkeit ........................................................ 223 2. Die ‚neuen Tübinger‘ und die württembergische Christologie in der Auseinandersetzung mit den Helmstedter Theologen 1585ff ...... 231 2.1 Kontext und Texte ..................................................................... 231 2.2 Der Gegenstand des Streites ....................................................... 233 2.3 Die fundamentalchristologische Differenz ................................. 236 2.4 ‚keine exceptio‘ – Der Zusammenhang von Unio und Ubiquität . 242 2.5 ‚Umgekehrte Vorwegnahme des kenotischen Streites‘? .............. 247 2.6 Kenose und theopaschitische Frage ............................................ 250 3. Die ‚neuen‘ Tübinger und Ägidius Hunn .......................................... 256 3.1 Hunns Transformation des ‚gemäßigten Ubiquismus‘ ................ 256 3.2 ‚Nec in cruce, sed in ipsa Deitate‘ – Zur Kehrseite von Hunns These ............................................................................. 262 V. „… nihil dißident Tvbingenes“? – Zwischenbilanz 2 ........................ 272
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D. ‚multas novationes‘ – Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie ..................................................................... 276 I. Die Revision der konkordistischen Idiomenkommunikation ............... 276 1. Jakob Heerbrand 1573. 1578 ............................................................ 276 2. Matthias Hafenreffer 1600 ............................................................... 280 3. Matthias Hafenreffer 1603 ............................................................... 287 4. Die Sachaporie des 1. FC-Genus ...................................................... 296 5. Stephan Gerlach 1596 ...................................................................... 304 6. Michael Schaefer 1602 ..................................................................... 310 6.1 Eine neue Stimme ...................................................................... 310 6.2 Fundamentalchristologische Abgrenzungen ............................... 313 6.3 Schaefers Begriff der Idiomenkommunikation ........................... 319 6.3.1 Die Gesamtkomposition ................................................... 319 6.3.2 Creator voluit esse creatura – Das 1. Genus ...................... 322 6.3.3 Christus ambae suae Naturae simul – Das 4. Genus .......... 328 6.3.4 Kein tertium quid – Der implizierte Personbegriff ........... 338 7. Präzisierungen und vorläufiger Abschluß ......................................... 341 7.1 Thomas Wegelin 1608 ............................................................... 342 7.2 Jonas Hoecker 1610 ................................................................... 345 7.3 Die Auseinandersetzung mit der reformierten ‚Irenik‘ 1606ff ..... 350 II. Rekonstruktion der konkordistischen These – Sächsische Alternativen ....................................................................... 356 1. Kontexte und Texte .......................................................................... 356 2. Alternative Präzisierung: Balthasar Meisner 1609 ............................ 358 3. Spätere Modifikationen .................................................................... 363 4. Konsequente Ontologie? .................................................................. 367 5. Salomon Gesners Fundamentalkritik 1595 ........................................ 370 III. ‚Nova & alia Dialectia‘ – Sprachlogische Implikationen der schwäbischen Revision der Idiomenkommunikation ....................... 378 1. Thomas Wegelin 1608 ..................................................................... 378 2. Lutherischer Traditionalismus – Martin Chemnitz ............................ 384 3. ‚Viel ungereimtes Dinges‘? – Der ostpreußische Abstraktionsstreit .. 387 4. ‚De abstracto tacendum est prorsus‘ – Luthers Votum ...................... 396 5. Grundlegende Neuorientierung – Salomon Gesner 1595 .................. 405 6. Versuch einer Synthese – Balthasar Meisner 1609/1611 ................... 410
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IV. „... nihil aliud quam mutua αντιδοσις“ – Der kommunikative Begriff der Persona Christi .................................................................. 415 1. ‚Vtrumque malum simul‘? – Theodor Bezas Doppelvorwurf ............ 415 2. Michael Schaefer 1602/1607 ............................................................ 423 3. Thomas Wegelin 1608 ..................................................................... 428 4. Das Konzept der Perichorese ............................................................ 433 5. Sächsische Alternative – Balthasar Meisner ..................................... 437 5.1 Ratio totius Personae ................................................................. 437 5.2 Praesentia totius Personae Christi .............................................. 444 6. ‚Relationale‘ Interpretation der Personeinheit – Salomon Gesner ..... 450 V. „... multas novationes“? – Zwischenbilanz 3 .................................... 460 1. Neue Christologie? ........................................................................... 460 2. Rationalistische Christologie? .......................................................... 462 3. ‚Gespannte‘ Christologie .................................................................. 468
E. Erbe und Progreß – Die neue Tübinger Christologie als Zielpunkt schwäbischer Christologie .................................... 471 I. Phrasis vestra – Sententia nostra: Dissoziationen im Vorfeld der kenotischen Kontroverse ................................................................ 471 1. Helwig Garths Kritik der theopaschitischen These ............................ 471 2. M. Hafenreffer und B. Mentzer im Streit über die praedicationes disparatorum ............................................................ 474 3. Die interkonfessionelle Debatte über die Praedicationes personales . 478 4. Personeinheit und Naturendifferenz ................................................. 488 5. Disparitätsthese und Perichorese ...................................................... 495 6. „... neque delector novitate“ – Mentzers Verweigerung der ontologischen Präzisierung lutherischer Christologie ....................... 498 II. Die Debatte über die Idiomenkommunikation im Kenosis-Streit ...... 502 1. Th. Thumm, De Maiestate Christi 1620(/21) .................................... 502 2. Confusio generum? – Th. Thumm, Assertio 1621 ............................. 507 3. Custos distinctivus? – J. Feurborn, Σκιαγραφια 1621 ....................... 510 4. ‚verius modus praedicandi‘ – Th. Thumm, Ταπεινωσιγραφια 1623 .. 514 5. ‚propter antegressam κοινωνιαν ‘ – Th. Thumm, Repetitio 1624 ....... 518
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III. Totus Christus indivisus – Auf dem Weg zum ‚System‘ der neuen Tübinger Christologie .......................................................... 528 1. Zur christologischen Konkretion ...................................................... 529 2. ‚Concatenata κοινωνια‘ – Die apotelesmatische Kommunikation ..... 531 3. ‚Amant modos loquendi Nestorizantium ...‘? ................................... 540 4. „... vere incarnatus est“ – Die Entäußerung Christi ........................... 543 4.1 „... & servum & Dominum fuisse“ ............................................. 544 4.2 „Λογος … fuit exinanitus realissime“ ......................................... 554
F. Unum Omnia. Zusammenfassende Überlegungen; zugleich als Hinweise auf Aufgaben und Perspektiven einer detaillierten Interpretation ............................................. 557 I. Dogma Wirtembergicum? – Die ‚neue‘ Tübinger Christologie als Korrektur und Konsequenz schwäbischer Christologie ................... 557 II. Interpretationis interpretatio? – Die ‚neue‘ Tübinger Christologie zwischen Systemanspruch und Schriftbezug ......................................... 561 III. Cui Bono? – ‚Wozu dienen solche disputationes?‘ ......................... 568 1. tempus praeteritum? ......................................................................... 568 2. Veränderungsgeschichte Gottes ......................................................... 571 3. Der menschliche Gott in der Welt des Menschen .............................. 573 4. ‚Gottes eigene Geschichte‘ ............................................................... 578 Epilog ................................................................................................... 582
Literaturverzeichnis ............................................................................. 583 I. Ungedrucktes Material ................................................................. 583 II. Hilfsmittel ................................................................................... 583 III. Quellen ...................................................................................... 585 IV. Sekundärliteratur ....................................................................... 626 Register ............................................................................................... 653 I. Bibelstellen ................................................................................... 653 II. Personen ..................................................................................... 655 III. Sachen ....................................................................................... 661
Abkürzungen Die Abkürzungen folgen dem Abkürzungsverzeichnis der: Religion in Geschichte und Gegenwart, vierte, völlig neu bearbeitete Auflage., hg. von H.D. B ETZ, D.S. BROWNING, B. J ANOWSKI, E. J ÜNGEL, Bd. 8, Tübingen 2005, S. XVIII–LXXXVIII. Darüber hinaus werden verwendet: a./art. Art. BB Bl. c./cap. can. cf. d./dist. DGT e.g. ed. Ed. Ekth. Ep Ex. fol. i.e. i.m. l. lat. / Lat. lc./loc. lib. m./membr. MF not. op./Op. p. [I] p. [1]
articulus Artikel Bergisches Buch (FC) Blatt caput Canon confer distinctio Disputationum Giessensium Tomus exempli gratia edidit / ediderunt Editio Ekthesis Epitome (FC) Exegesis folio id est in margine lege lateinisch(e/r) / Latina locus liber membrum Maulbronner Formel (FC) nota / notabile opus, -era / Opera pars pagina
Praef. Prob. Probl. Q./q./qu. Resp. s/ss SC s./sect. s.a. s.l. SSC StA sc. TB Th. Theor. Tom./tom. UAT UBT U.W. v./V. vol. WLB Z.
Beifügungen zu Seitenzahlen: a/b (bei zweispaltigem Druck): linke/rechte Kolumne; r/v (hochgestellt): recto/verso.
Praefatio Probatio Problema Quaestio / quaestio Responsio sequens / sequentes Schwäbische Concordie (FC) Sectio sine anno sine loco Schwäbisch-Sächsische Concordie (FC) Studienausgabe scilicet Torgisches Buch (FC) Thesis Theorema Tomus Universitätsarchiv Tübingen Universitätsbibliothek Tübingen Ulrich Wiedenroth Vers volumen Württembergische Landesbibliothek Zeile
A. „... ein hochaergerlich Gezaenck“, oder: „Worzu dienen solche disputationes?“ – Annäherungen A. „... ein hochärgerlich Gezaenck“ – Annäherungen A. „... ein hochärgerlich Gezaenck“ – Annäherungen
„Beklage es von Herzen, das die Herren Theologi zu Tubingen, vnd Gießen dermaßen hefftig einander vber ettlichen Schulfragen gerathen, das sie auch nunmehr fast Vntereinander | sich zuverlezen, vnnd mit harten, rauen worten anzutasten beginnen ... Und kann ich auch meinestheils nit sehen, das sich’s verlohnen thete, vmb der strittigen Schulfragen willen eine solche trennung zu machen. Vnnd so ein großes ergernis anzurichten“.
Die ratlos-mahnenden Sätze des Dresdener Oberhofpredigers Matthias Hoë von Hoënegg vom Sommer 16211 gelten einem der erstaunlichsten Vorgänge in der Geschichte lutherischer Theologie ‚zwischen Reformation und Aufklärung‘. 40 Jahre nach dem mühevollen Abschluß des Konkordienwerkes kommt es zum ‚Skandal‘2 eines Konfliktes zwischen den Theologen der Fakultäten von Gießen und Tübingen – beide hochangesehene Vorposten des konkordistischen Luthertums. Was 1619 zunächst in den diskreten Bahnen akademischer Korrespondenz anhebt, eskaliert bald zum offenen, von heftigster Polemik begleiteten Streitschriftenkrieg. Die Auseinandersetzung erfährt keine Lösung: nicht die, maßgeblich unter Hoës 1
Brief an Landgraf Ludwig V. von Hessen-Darmstadt, August 1621 (zitiert nach H.D. HERTRAMPF, 1967, 159|f.). – Technica: Literaturangaben erfolgen in der Regel nur mit Verfassernamen und Jahreszahl; bei Quellentexten wird (zusätzlich) ein Kurztitel verwendet. Die Anmerkungen sind je Hauptteil neu gezählt; bei übergreifenden Verweisen ist das Sigel des jeweiligen Hauptteils in [eckigen] Klammern vorangestellt. – Lateinische Zitate werden grundsätzlich im Original geboten; bei Übersetzungen ist das Original zusätzlich dokumentiert. Übersetzungen stammen, wenn nicht anders vermerkt, vom Verfasser; Gleiches gilt für Hervorhebungen in Quellenzitaten; Zusätze sind durch [eckige] Klammern kenntlich gemacht. Die Wiedergabe der Quellenzitate orientiert sich an üblichen Kriterien (vgl.: Empfehlungen zur Edition frühneuzeitlicher Texte, in: Jahrbuch der historischen Forschung, 1980, 85–96, bes. 89f): Der Konsonantenbestand bleibt dabei grundsätzlich unverändert; vokalisches j und v werden beibehalten, ebenso die originäre Interpunktion. Ligaturen und Abbreviaturen (mit Ausnahme des ‚&‘) sind aufgelöst, eindeutige Druckversehen stillschweigend berichtigt. Die in überschaubarer Zahl auftretenden griechischen Wörter erscheinen ohne Spiritus und Akzente. – Deutsche Wiedergaben lateinischer philosophischer Termini (e.g.: Subjekt, Objekt, Form/formal, Essenz/ essentiell, Existenz/existentiell, existieren …) sind entsprechend ihrer von der zeitgenössischen orthodoxen Schulphilosophie normierten Bedeutung zu verstehen. 2 Vgl. CHR.M. P FAFF, Liber commentarius, 1718, 70.
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A. „... ein hochärgerlich Gezaenck“ – Annäherungen
Direktorium, von den sächsischen Fakultäten ausgehenden Schlichtungsversuche,3 sondern obrigkeitliche Dämpfung, der Tod der Protagonisten und auch der anschwellende Lärm des großen realen Krieges bringen den Schlagabtausch ans Ende. Durch mehr als ein halbes Jahrhundert hin hatte die Tübinger Fakultät lutherische Theologie maßgeblich zu prägen vermocht, nun erleiden Württembergs „hohe[r] Ruhmb, den es […] sovil puritatem religionis orthodoxae anbetrifft, bißdahero solche lange Zeit und a prima reformatione durch Gottes Gnad erhalten hat“, und ebenso auch die Reputation seiner „weitberümbten und hochansehnlichen Universitet zu Tüwingen“4 empfindliche Einbußen. Die schwäbische „Rolle der Führerschaft in der christol. Orthodoxie“5 endet – ihre nicht mehr konsensfähige Lehrform können die ‚neuen‘ Tübinger nur festhalten um den Preis des binnenlutherischen Schismas; diese Isolation währt, bis dann mit dem Ende der orthodoxen Epoche die in der ‚Mentzer’schen Controverse‘ ausgetragene dogmatische Differenz, ungeachtet einiger Nachhutgefechte, auch für die theologischen Nachfahren der Streiter Theodor Thumm und Lucas (II.) Osiander ‚historisch‘ wird.6 Lutherische Christologie, die schon mit der Helmstedter Sezession 40 Jahre zuvor eine nicht mehr vermittelte Spaltung erlitten hatte, wird definitiv zum plurale tantum; sie tritt nurmehr auf in Gestalt konkurrierender ‚Typen‘.7 Der sog. Kenosis-Krypsis-Streit8 zwischen den Gießener und Tübinger Theologen: Schon Zeitgenossen nur „ein hochaergerlich Gezaencke“,9 da allem entgegen, was Vernunft, was pragmatisches Kalkül als Gebot der Stunde erscheinen lassen mußten. Eben hatte die lutherische Polemik begonnen, die nach der Dordrechter Synode ausgebrochenen innerreformierten Querelen fürs kontroverstheologische Gefecht auszubeuten, nun bietet 3
Decisio 1624; Apologia 1625. – Vgl. H.-D. HERTRAMPF, 1967, 156f. 159–164. Bericht des Konsistoriums (Erasmus Grüninger, Ulrich Broll), 1622; zitiert nach G. FRANZ, 1977, 143 bei Anm. 62; zum Kontext vgl. ibd. 142f. 5 I.A. DORNER, 1856a, II, 803f., hier: 803. 6 C.V. W EIZSÄCKER, 1877, 68.85f.; J. B AUR, 1993h, 204–207.288f. Vgl. Anm. 19. 21. 7 Als Ergebnis der binnenkonfessionellen Fraktionierungen des Luthertums entscheidend über die Frage der Allgegenwart können „drei fortentwickelte Christologien“ gezählt werden, sc. die Helmstedter, die Tübinger und die Gießener Position; eine vermittelnde Linie versucht die Tübinger-Gießener Antithese zu überbrücken: W. SPARN, 1988, 4–7 (Zitat: 4,24f); vgl. DERS., 1992, 58f. – Noch detaillierter ansetzende Rubrizierungen unterschieden „sogar fünf Lehrtypen: die Helmstedter, Jenenser, Tübinger, Kursachsen und Gießener samt den Straßburgern“: T H. MAHLMANN, 1990, 143, mit Verweis (ibd. Anm. 22) auf J. FECHT, Compendium, 1740, 470f. Vgl. auch J. B AUR, 2007, 189. 8 Diese in der Theologiegeschichte üblich gewordene und als solche hier verwendete Benennung trifft die tatsächliche positionelle Differenz nur bedingt. Vgl. u. E.III.4.1. 9 So wiederum Hoë in einem handschriftlichen Eintrag in ein Wittenberger Exemplar der sächsischen Decisio von 1624, den J.A. G LEICH, 1730, II, 99–103, hier: 99, mitteilt. 4
A. „... ein hochärgerlich Gezaenck“ – Annäherungen
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dieses neue Kapitel im ‚lutherischen Katzenkrieg von der Ubiquitet‘10 den Gegnern Anlaß zu „frolocken vnd jubiliren“11 – gänzlich inopportun „zu diesen gefährlichen Zeiten“,12 da angesichts des durch die böhmischen Ereignisse ausgelösten Wetterleuchtens die Wahrung des konfessionellen Burgfriedens erste Pflicht verantwortungsvoller Theologie wäre. ‚Hochärgerlich‘ scheint das Ganze manchen auch und erst recht angesichts des nur marginalen Gewichts der Themen, die in diesem ‚evangelischen Bürgerkrieg‘13 traktiert würden: „Schulfragen“ – Spezialprobleme der akademischen Christologie ohne religiöses Interesse! Denn, bitte, worüber gehe dieser hochemotionalisierte Streit über die Präsenz des Irdischen? Um eine gemessen am Ganzen der Geschichte Christi kurze Episode, angesiedelt in der ‚längst vergangenen‘ Zeit seines irdischen Wirkens. Müßte auch diese Randfrage angesichts des Gewichtes der Argumente pro und contra unentschieden bleiben, – „gewiß nichts ginge der Auferbauung der Kirche oder unserem Heil ab“!14 Das zentrale Interesse, das lutherische Christologie an der Allgegenwart des Menschgewordenen hegt, es gilt nicht primär einem Datum der Geschichte ‚damals‘, sondern dem Christus exaltatus, seiner Bedeutung und Funktion hoc nostro tempore: „Ob Christus nach seiner Sessio zur Rechten Gottes auch in unserer Zeit allen Geschöpfen gegenwärtig ist und sie machtvoll regiert!“15 Ist in dieser Kardinalfrage das Nötige geleistet, erst dann mag darüber hinaus – ex abundanti und privatim – auch jenem problema alterum de praesentia tempore exi10
Vgl. u. [B.] Anm. 9. Vgl. H.-D. HERTRAMPF, 1967, 160. 12 Vgl. zu diesem Horizont das von Th. Thumm aus einem Brief von B. Meisner Referierte: „D.D. Meisnerus hat mir geschrieben, daß es in Sachsen non nie gefährlicher gestanden; wünsche deswegen, daß controversia Menzeriana seponiert und silentio möchte involvirt werden, sonderlich zu diesen gefährlichen Zeiten, da conjunctio ... animorum et consilium inter Theologos am allermeisten vonnöten ist. Wir haben utrumque militem Caesareanum et Danicum in nostris finibus und ist niemalen gefähr|licher gestanden. Haec ille“ (Th. Thumm an K. Dieterich, 24. April 1626; bei H. DIETERICH, 1938, 33|f). 13 „… Bellum Intestinum inter partes Evangelicas, videlicet inter Theologos Tubingenses et Giessenses“ (J.W. J ÄGER, Historia, 1709, II, 329a). 14 „circa quam [quaestionem] licet aliquis Theologorum sit dissensus, non tamen consultum esse judico, ut propterea publicum instituatur certamen. 1. Quia quaeritur de exiguo temporis, & jam dudum praeteriti spatio, nempe quo Christus modo sese ad creaturas habuerit secundum carnem, dum commoratus est in terris. Si ergo maxime relinqueretur decisio in dubio, praesertim, quum ex utraque parte proferantur argumenta probabilia, certe nihil decederet vel aedificationi Ecclesiae, vel saluti nostrae …“ (Brevis Consideratio [vgl. u. Anm. 141], 1621, 335). 15 „Quia status principalis in quaestione de omnipraesentia θεανθρωπου, non est de Christo exinanito, sed exaltato. Hoc quaeritur inter nos & Calvinianos: An Christus post seßionem ad dexteram, etiam hoc nostro tempore, omnibus creaturis praesens sit, & illas potenter gubernet? ...“ (Brevis Consideratio, 1621, 335). 11
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A. „... ein hochärgerlich Gezaenck“ – Annäherungen
nanitionis noch Aufmerksamkeit zuteil werden.16 Diese soteriologisch wie kontroverstheologisch eindeutige Rangordnung stellt der ‚rauhe‘ Streit der Gießener und Tübinger Konfessionsgenossen in unverantwortlicher Weise auf den Kopf – „kann ich ... nit sehen, das sich’s verlohnen thete, vmb der strittigen Schulfragen willen eine solche trennung zu machen“.17
I. Stationen der Forschungsgeschichte I. Stationen der Forschungsgeschichte
1. Ältere Literatur Konfessionspolitisch inopportun, kontroverstheologisch verfehlt, soteriologisch irrelevant – die schon zeitgenössischen Distanznahmen vom Verlauf und Thema des Kenosis-Krypsis-Streites werden für eine beträchtliche Strecke auch dessen theologiegeschichtliche Wahrnehmung bestimmen. Wo, ein Jahrhundert später, eine nun dogmatische und historische Aufgabe penibel differenzierende Perspektive – „Alia Scena aliam Personam reqvirit. Theologi & Historici diversa sunt officia“! – sich nicht mehr innerhalb der dogmatischen Alternative verorten will,18 kann sich, auch in Tübingen, die Rekonstruktion darauf beschränken, ‚einfach‘ und ‚unparteiisch‘ Abläufe und Thesen zu referieren, die Frage des theologischen Rechtes aber dem Urteil des geneigten Lesers zu überantworten.19 16
Brevis Consideratio, 1621, 335. Vgl. bei u. mit Anm. 1. – Die Marginalisierungen, die M. Hoë und B. Meisner 1621 zu Protokoll geben, finden wenige erschöpfende Jahre später ein müdes Echo auch bei Vertretern der württembergischen Kirchenleitung: „Es ist am ratsamsten und der christlichen Kirche erbaulichsten: man lasse das Feuer getuschet, doziere in Cathedra, was mehr erbaut und der christlichen Gemeinde zum Heil zu wissen nötiger ist, welches allezeit meine Meinung gewesen und noch ist. Absint procul curiosa Subtilitas et ambitio ab omnibus cordatis T[h]eologis; vigeat autem in illis Theologia gnaesios Lutherana in aeternum! Amen“ (Stiftsprediger Tobias Lotter, 19.11.1628; bei H. DIETERICH, 1938, 37). 18 Anders noch J.A. QUENSTEDTs cum ira et studio entworfene Skizze im 3. Teil seiner Theologia didactico-polemica: „An Christus ut homo, vel secundum suam humanitatem in Statu Exinationis seu humiliationis creaturis omnibus ac singulis praesens adfuerit, & omnia in coelo & in terra, etiam media in morte, licet occulte & latenter, gubernarit?“ ([1685=] 1691, p. III, c. III, m. III, sect. II, Q. I [III, 388–397]). Quenstedt selber vertritt die Gießener Position, ohne damit jedoch den sensus communis sächsischer Theologie zu formulieren; andere Stimmen votieren für eine vermittelnde Lösung, so in Wittenberg selbst Quenstedts Kollege und Schwiegersohn A. Calov. Vgl. u. [F.] Anm. 14. 19 „Historiam narrabimus; nullius partis partes amplectimur in his paginis. Alia Scena aliam Personam reqvirit. Theologi & Historici diversa sunt officia. Narrabimus rem simpliciter, uti gesta; hinc nil pene nisi literas reciprocas producemus, ex qvibus facile tota facies REI CONTROVERSAE intelligi potest; relicto interim Ben. Lectori Judicio, qvae pars vicerit, & qvae succuberit in hoc certamine“ (J.W. JÄGER, Historia Ecclesiastica, 1709, II, 329–339, hier: 329a). – Vgl. J. B AUR, 1993h, 205f. 17
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Solche die Arbeiten dieser Zeit20 charakterisierende historische Archivierung verzichtet keineswegs auf eine Bestimmung des theologischen Gegenstandes der Debatte. Doch verbleiben die Beschreibungen der res controversa an der Oberfläche, wenn sie diese dogmatische Differenz auf die nachgeordnete Frage lediglich des Gebrauchs der göttlichen Idiome reduzieren, deren Besitz durch die Menschheit Christi auch im Stand der Entäußerung doch beide Parteien homophon vertreten hätten. So marginalisiert, kann die Sachfrage dann wieder nur so gewichtet werden, wie sie schon die zeitgenössische Kritik gewogen hatte – als akademische Debatte „de usu idiomatum divinorum“, die allein den ‚definitiv‘ vergangenen Stand der Entäußerung betreffe und darum soteriologisch ohne entscheidende Relevanz sei: „Hanc ... vero quaestionem ipsum fundamentum fidei in Christum salvificae haud tangere“! Diese Reduktion der Differenz – „rem controversam non tanti fuisse momenti“ – als Basis des intendierten binnenlutherischen Konsenses – „sic est CONCORDIA“!21 – hat freilich zur Folge, daß ein theologisches Verständnis des über solch „unnu(e)tzen schul-fragen“22 ausgebrochenen ‚Bürgerkrieges‘,23 der jene Einheit einst zerstörte, gänzlich blockiert wird. Das erratisch bleibende (oder: werdende) Phänomen dieser lis infausta24 kann dann nur aus den problematischen Charakterdispositionen der Beteiligten und/oder den Schäden des allgemeinen ‚Geistes‘ jener Zeit erklärt werden25 – das Ganze letztlich „nur ein Streit der theologischen Schule und nicht der
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Summarisch seien in chronologischer Folge genannt: G. ARNOLD, Unparteyische Kirchen- und Ketzer-Historie, Anderer Theil, 1699, 487b–490a; J.W. J ÄGER, Historia Ecclesiastica, 1709, II, 329–339; CHR.M. P FAFF, Institutiones Theologiae dogmaticae et moralis, 1720, 387–389; J.G. W ALCH, Historische und theologische Einleitung in die Religionsstreitigkeiten der evangelisch-lutherischen Kirchen, 1730, I, 206–216; J.F. C OTTA, Dissertatio Secunda, Qua Historia Doctrinae de Dvplici Statv Christi Exinanitionis atque Exaltationis nec non de Officio Christi Mediatoria edisseritvr, 1765a, 60–80. 21 „... silentium ... nos heic servabimus, nec nostram de capitibus inter Giessenses ac Tubingenses controversis heic exponemus sententiam, ne litem infaustam, qua jam sopita est, ex cineribus renovare ac re[|65b]suscitare videamur. Hoc tamen ingenue fatemur, rem controversam non tanti fuisse momenti, ut jure meritoque longior eaque acerbior de ea disceptatio fuerit instituta. Principalis enim, quae agitabatur, controversia ... erat duntaxat de usu idiomatum divinorum, speciatim omnipraesentiae, omniscientiae atque regiminis divini, quousque is in statu exinanitionis Christi habuerit locum? Hancce vero quaestionem ipsum fundamentum fidei in Christum salvificae haud tangere, facili ostendi posset negotio, si instituti nostri ratio id exposceret. ... Et quaeso, quid necessarium est, ut de illo statu, qui non amplius est, nec unquam per aeternitatem omnem erit, litigemus: Maneamus in hac orthodoxia unanimes & constantes, quod Christus jam sedeat a dextris [|66a]Dei; quod regat secundum utramque naturam, non ecclesiam tantum ... sed etiam totum hoc universum. Et sic est CONCORDIA“ (COTTA, Dissertatio, 1765a, 60–80, hier: § XI/65a–66a). – Vgl. auch, ein halbes Jahrhundert früher, Tobias Wagners (1598–1680, Prof. theol. Tübingen 1653–1680; S. HOLTZ, 1993, 422f) Empfehlung zur Rückstufung der Kontroverse: „quid, si istam quaestionem inter problemata referemus, quae academice sine charitatis laesione | donec unanimus esset consensus, pro et contra disputari solent“ (mitgeteilt bei F.A.G. THOLUCK, 1861, 23|f). 22 G. ARNOLD, Unparteyische Kirchen- und Ketzer-Historie, II, 1699, 487b. 23 Vgl. o. Anm. 13. 24 Vgl. CHR.M. P FAFF, Liber commentarius, 1718, 67. 25 „Dolemus ... viros praestantissimos, qui contentionis ferram inter se reciprocarunt, adfectibus subinde indulsisse, nec moderationis theologicae leges semper, prouti par est,
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A. „... ein hochärgerlich Gezaenck“ – Annäherungen
Kirche, welcher indes zu einer Kirchenfrage von so hoher Wichtigkeit gemacht wurde, daß nur äußere Umstände es waren, welche damals eine völlige Kirchentrennung verhinderten – ein warnendes Beispiel für die Folgezeit ...“.26
2. Die wissenschaftliche Diskussion bis ca. 1950 Einen Fortschritt gegenüber dieser musealen Archivierung der Debatte nach vorgängiger Marginalisierung ihres Gegenstandes bringt die im 19. Jh. einsetzende neuere wissenschaftliche Diskussion. Die Differenzierung zwischen historischer und theologischer Perspektive – Theologi & Historici diversa sunt officia27 – wird nicht eingezogen; sie signalisiert aber nicht mehr den weitgehenden Verzicht auf eine inhaltliche Erschließung des Themas. Es kommt nun die zwischenzeitlich erreichte Einsicht zur Geltung, daß die historische Wahrnehmung nicht nur Referat sein kann, sondern immer auch ‚produktive‘ Rekonstruktion sein wird. Sie kann sich nicht darauf beschränken, ‚einfach zu erzählen, was war‘.28 Ihre Aufgabe ist erst da erfüllt, wo sie „weniger den äußeren Zusammenhang der Dinge als den inneren der Gedanken“29 verfolgt und so das Geschehene auf dessen Beweggründe und Zusammenhänge hin durchsichtig macht – es mithin als Kontinuität und Veränderung verknüpfende Entwicklung30 verständlich machen kann. Die positionellen Differenzen nicht mehr unmittelbar alternativ zu entscheiden (Theologi officium) oder ‚simpliciter‘ zu konstatieren und als Reflexe individueller Dispositionen ihrer Protagonisten zu verste-
observasse“ (COTTA, Dissertatio, 1765a, § XI; 65b). – Die Fragen nach ‚Persönlichkeit‘ und ‚theologischem Charakter‘ bilden die Kategorien, nach denen F.A.G. T HOLUCK seine Darstellung des ‚Geistes der lutherischen Theologen Wittenbergs … des 17. Jahrhunderts‘ sortiert (1852). Das so gezeichnete Porträt dieser Epoche als fortschreitender Verfall von einer helleren ‚ersten Hälfte‘ hin zur in ‚Anmaßung‘, ‚Scholastik‘, ‚Verblendung‘, ‚Streitsucht‘ und ‚Unduldsamkeit‘ erstarrenden ‚zweiten Hälfte‘ wollte Tholuck keineswegs als nur partikular für Sachsen und Wittenberg gültige Diagnose verstanden wissen, galt ihm doch das 17. Jahrhundert insgesamt als durch die genannten Tendenzen geprägter Teil einer ‚Vorgeschichte des Rationalismus‘ (1853; 1854; 1861; 1862). Tholucks knappe Darstellung der ‚christologischen Differenz‘ zwischen Tübingen und Gießen selbst (Vorgeschichte, 1861, II,1, 21–24) anerkennt zwar einerseits das prinzipielle Gewichts des Themas („eine theologische Lehrdifferenz, welche nicht geringer als die zwischen der … reformierten Christologie und der lutherischen“; 21), erklärt sich aber Genese und Verlauf der Kontroverse dann doch entscheidend aus dem „Gegensatz der Gemüther“ (22) der ‚hitzigen‘ (vgl. 21f) Beteiligten, die diese ‚Schulfrage‘ unangemessen zur ‚kirchlichen Entscheidungsfrage‘ (23) hochgespielt hätten. 26 F.A.G. T HOLUCK, 1861, II,1, 21. 27 Vgl. o. Anm. 19. 28 „Narrabimus rem simpliciter, uti gesta ...“; vgl. o. Anm. 19. 29 G. T HOMASIUS, 1886, I, 520. 30 Diese Kategorie bedarf im Blick auf den auch binnenlutherisch kontroversen Verlauf der christologischen Debatten der Präzisierung; vgl. dazu u. C.V. und F.I.
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hen (Historici officium). Vielmehr gilt es, sie als Momente, Stufen oder Phasen der prozessualen Entfaltung ihres Gegenstandes zu begreifen und von diesem übergreifenden Kontext her zu interpretieren. Entsprechend wird nun auch der Gießener-Tübinger-Konflikt im Rahmen einer umfassenden „Entwicklungsgeschichte der Lehre von der Person Christi“ (I.A. DORNER) zur Darstellung gebracht, welche die gesamte Entwicklung des christologischen Dogmas von dessen konstitutiven Faktoren her zu verstehen sucht. 2.1 Die so konzipierten Darstellungen der Lehrgeschichte verknüpfen sich dabei durchaus mit aktuellen – ‚theologiepolitischen‘ – Interessen der Verfasser. So avancieren die historischen Rekonstruktionen der protestantischen Christologien zu Argumenten im Streit um die Legitimität der Unionsbestrebungen des 19. Jh.s.31 Eine analoge Funktionalisierung vollzieht sich, wenn die Relektüre der altlutherischen Christologie bezogen wird auf die Auseinandersetzung um die neo-kenotischen Christologien, die um die Mitte des Jahrhunderts an Schärfe gewinnt.32 So versucht ein Teil der ‚neuen Kenotiker‘ (v.a. G. Thomasius), seinen christologischen Entwürfen dadurch ein „kirchliches Adelspatent“33 zu verschaffen, daß man diese als „organische Fortbildung“ und „Vollendung der kirchlichen, insbesondere der lutherischen Christologie“34 präsentiert. Der mit diesem Anspruch unternommene Versuch, „den kirchlichen Konsensus für unsere Fassung der Person Christi und insbesondere für unsere Lehre von der Selbstentäußerung aus der Geschichte der lutherischen Christologie nachzuweisen“, 35 meint zugestandenermaßen keine unmittelbare Affirmation aus „einzelnen ausgesprochen Sätzen“, sondern zielt auf einen Nachweis aus der „Geschichte der Christologie in ihrem Gesammtverlauf betrachtet; das Ganze dieser Geschichte ihr Sinn, ihre Tendenz, ihr Ausgang zeugt dafür“.36 Die Demonstration der ‚kirchlichen‘ Legitimität erfolgt gleichsam via negativa, indem diese vorlaufende Geschichte als Weg in die Sackgasse vorgeführt wird, auf welcher Folie dann die neo-kenotische These als ein notwendiger Neuansatz erscheint, der über die Aporien jener alten Lehrbildung hinausführt. Als Manifestation dieser Aporien gilt vornehmlich der unentschiedene Kenosis-KrypsisStreit des 17. Jh.s, entwicklungsgeschichtlich wie sachlich die letzte abschließende ‚Bewegung‘ des Dogmas in der orthodox-lutherischen Phase.37 Hier stoßen aufeinander das Tübinger Interesse an der gottmenschlichen Einheit der Person Christi einerseits, das Gießener Interesse an der durch die Abfolge von Niedrigkeit und Erhöhung bestimmten Geschichte dieser Person andererseits. Auf dem Boden des traditionellen Dogmas war ein Ausgleich der in dieser Kontroverse zu äußerster Spannung gebrachten Antithetik nicht 31
Vgl. knapp J. HUND, 2006, 26f. 29–31. Vgl. insgesamt M. BREIDERT, 1977. 33 E. GÜNTHER, 1911, 165. 34 E. GÜNTHER, 1911, 165. – So auch das Stichwort für das Thomasius-Kapitel in Breiderts Darstellung: „G. Thomasius: Die Kenosis als angebliche Fortbildung der lutherischen Christologie“ (M. B REIDERT, 1977, 52–114). 35 G. T HOMASIUS, 1886, I, 519–628, hier: 519. 36 G. T HOMASIUS, II, 1857, 190 (kursiv Th.). – Vgl. B REIDERT, 1977, 102–104. 37 G. T HOMASIUS, 1886, I, 579–612. 32
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möglich. Dies gelinge erst der mit dem Axiom der Immutabilität Gottes brechenden neokenotischen These. Der von ihr gewagte Gedanken einer Selbst-Depotenzierung des Logos im Ereignis der Inkarnation vermöge nun beides, Einheit und geschichtliches Werden der Person Christi, zugleich festzuhalten und so die je legitimen und unaufgebbaren Wahrheitsmomente der konkurrierenden Entwürfe zu vermitteln. Gegenüber dieser These einer – wenngleich gebrochenen – Kontinuität38 bestreiten die Kritiker der neuen Kenotik dieser neben dem dogmatischen auch das historische Recht.39 Die dogmatischen Einwände gegen die Annahme einer Selbstdepotenzierung des sich inkarnierenden Logos verweisen, neben den christologischen Schwierigkeiten i.e.S., vor allem auf die ruinösen „Unmöglichkeiten“,40 die dieser Gedanke für die Trinitätslehre mit sich bringt.41 In historischer Perspektive negiere die neue Kenotik eine aller kirchlichen Christologie zuvor schlechthin fundamentale Überzeugung, was nicht mehr als deren ‚Fortbildung‘, sondern nur als deren Verabschiedung gewertet werden könne.
Unbeschadet der konträren Positionen ihrer Verfasser kommen die genannten Rekonstruktionen jedoch darin überein, daß sie als Gesamtdarstellungen der lutherischen Christologie von Luther bis zur Hochorthodoxie konzipiert sind und als inneres Movens dieses Prozesses den Austrag einer positionellen Grunddifferenz identifizieren: „Es bewegt sich diese Geschichte im Kampf mit großen Gegensätzen durch mehrere Stadien hindurch“.42 In der nachreformatorischen Zeit rang das Interesse der ‚schwäbischen Richtung‘ an der vollständigen Einheit der Person und durchdringenden Gemeinschaft der Naturen von Gott und Mensch43 mit dem der ‚(nieder)38
Neben Thomasius vgl. v.a. F.H.R. Frank; dazu BREIDERT, 1977, 232–247. Vgl. bes. DORNER 1856b, 1857, 1858; SCHNECKENBURGER, 1848, 196–219; GÜNTHER, 1911, 198–200; BREIDERT, 1977, 62–66. 26–29; SCHULTZ, 1881, 282–299; LOOFS, 1901, 246–263, bilanzierend: 262,29–263,49. 40 F. LOOFS, 1901, 263,11. 41 „Die Kenosislehre bringt nicht nur, was oft gesagt ist, ‚einen Riß in die Trinität‘: sie geht von trinitarischen Anschauungen aus, die dem Tritheismus in einer Weise nahe kommen, die gänzlich unerträglich ist“ (LOOFS, 1901, 263,14–22, hier: 14–16). Vgl. M. SCHNECKENBURGER, 1848, 199f. 42 So, insoweit repräsentativ, G. THOMASIUS, 1886, I, 519. 43 G. T HOMASIUS, 1886, I, 537/538–556. – In Auseinandersetzung mit Thomasius’ Interpretation der kenotischen Kontroverse macht DORNER präzisierend geltend, daß es den Tübingern nicht lediglich zu tun war um die Wahrung einer ‚leeren‘ Einheit der Person Christi, die als so formal gedachte auch mit der von Thomasius reklamierten Fortbildung im Sinne einer Selbstdepotenzierung des Göttlichen kompatibel bliebe. Vielmehr gelte das Tübinger Interesse der uneingeschränkten Identität der im Moment der Inkarnation bereits unüberbietbar vollständig konstituierten Einheit und Gemeinschaft des Göttlichen und Menschlichen in der Person Christi (1856a, II, 809–815 Anm. 31, hier: 809, vgl. schon 804 Anm. 29). – Auf diese allerdings eine geschichtliche Entwicklung ausschließende These richtet sich dann Dorners eigene Kritik an der Tübinger Christologie (805). Dieser diagnostizierten ‚Aporie‘ entspricht dann positiv seine ‚Fortbildung‘ der alten Christologie, die mit dem Konzept einer ‚allmählichen Ineinsbildung des Göttlichen und Menschlichen‘ in der Person Christi eine alternative Vermittlung der vordem ungelösten Antithetik der je für sich legitimen Wahrheitsmomente vorträgt: „Die Vorstellung 39
I. Stationen der Forschungsgeschichte
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sächsischen Richtung‘ eigenen Interesse an der konkreten Geschichte dieser Person in der Abfolge von Niedrigkeit und Erhöhung.44 Diesem Ansatz entsprechend werden die einzelnen ‚Stadien‘ vorgeführt, auf denen dieser eine Grundkonflikt in veränderter Konstellation jeweils neu und doch zugleich in sachlicher Kontinuität ausgetragen wurde. Näher hin kann dabei begegnen die Subsumption des immensen Stoffes unter das Ordnungsschema von These (Luther/Brenz) – Antithese (Chemnitz) – unglückliche oder voreilige Synthese und unausgeglichener Kompromiß45 (Konkordienformel) – erneute Dissoziation (Helmstedter Schisma; Kenosis-Streit). Auch wo diese Konzeption nicht als ‚simplistisch-hegelianisierende‘ (J. BAUR)46 Konstruktion auftritt, sondern die mit der Konkordienformel tatsächlich erreichte Integration differenzierter wahrnimmt und würdigt, hat sie doch zur Folge, daß die Darstellung dem ‚Stadium‘ des eigentlichen kenotischen Streites nur einen begrenzten Raum widmet. In allen Fällen ist die Quellenbasis recht schmal angelegt; die Texte kommen eher überblicksartig zur Darstellung, detaillierte Analysen fehlen ebenso wie eine Erhebung des jeweiligen Entstehungszusammenhangs; damit entfällt auch die Möglichkeit, die Entwicklung und Abfolge von Positionen innerhalb dieses Streites zu markieren.47 Und, gravierend: Es wird die insgesamt leitende ‚genetische‘ Perspektive für den Kenosisstreit insofern gerade nicht konsequent zur Geltung gebracht, als dieses letzte ‚Stadium‘ der Entwicklung allzu unmittelbar auf die konkordistische Synthese bezogen wird.48 Auch wo dahinter nicht die pauschale Überzeugung steht, es sei „[d]ie Bewegung, welche dem
von einer mit Einem Schlage, sei es auch | nur dem Besitze nach fertigen Menschheit … ist wesentlich magischen Charakters und gehört zur Anschauungsweise der vorreformatorischen Zeit. Sie trägt die Schuld an diesen Nöten des lutherischen Dogma; sie ist ohne alle Bemäntelung einfach zurückzunehmen, damit die lutherische Christologie sich durchführe“ (807–809, hier: 807|f). – Vgl. CHR. AXT-P ISCALAR, 1990, v.a. 219–253. 44 G. T HOMASIUS, 1886, I, 556–567. 45 „… keine innere Einigung, sondern nur eine Vereinigung von disharmonischen Sätzen von beiden Seiten her in einem Buch“ (DORNER, 1856a, II, 771). Vgl. Anm. 46. 46 J. B AUR, 1993h, 209f, hier: 209, bezogen auf Dorner und Loofs (ibd. 210 Anm. 28). – Diese These einer die ‚Richtungen‘, ‚Schulen‘ und ‚Lehrtypen‘ prägenden entwicklungsgeschichtlichen Antithetik auch bei T HOLUCK: ‚Mystisch-speculative‘ EinheitsChristologie bei Luther und Brenz (aufgenommen von den Tübingern) steht gegen das ‚Interesse der geschichtlichen Wahrheit‘ bei Chemnitz und der niedersächsischen Schule (aufgenommen von den Gießenern); die FC als zwischenzeitlicher „Compromiß zur Ausgleichung dieser Differenzen der Schule“, aber die spätere Dissoziation schon begünstigend, „indem entgegengesetzte Bestimmungen in diesem Artikel ungelöst neben einander stehn geblieben“ (Vorgeschichte, 1861, II,1, 21). 47 Die Referate (v.a. Thomasius’) bieten zwar eine Übersicht über die Positionen, was deren ‚Oberflächenstruktur‘ betrifft; überblicksweise wird klar, was gesagt wird, unklar bleibt indes, warum es gesagt wird. In Ermangelung neuerer Untersuchungen, gar einer monographischen Aufarbeitung sind diese unbefriedigenden Darstellungen bis in jüngere Zeit Grundlage weiterer Skizzen; vgl. z.B. BREIDERT, 1977, 19–23. 48 Wie die älteren Darstellungen auch W. P ANNENBERG, 1972, 318f.
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Dogma von Christi Gottheit nach dem Abschlusse der Konkordienformel innerhalb der lutherischen Kirche noch gestattet war“, insgesamt von „wenig Interesse“, weil gänzlich ohne „schöpferische Ansätze zur Verwirklichung der christologischen Ideeen Luthers“: 49 solange die zwischen den beiden ‚Stadien‘ von FC und kenotischer Kontroverse liegenden vier Jahrzehnte nahezu völlig unausgeleuchtet bleiben,50 kann eine überzeugende Klärung der Genese dieser erneuten Dissoziation „in der zweiten Generation nach der F.C.“ nicht gelingen. Deren Erratizität läßt sich nicht aufklären, sondern allenfalls im Wege eines dann tatsächlich ‚simplistisch-hegelianisierenden‘ Postulats überspielen.51 Erhebliche Anfragen zieht ebenso die auf diesem Weg erreichte inhaltliche Bestimmung auf sich. Die der kenotischen Auseinandersetzung als ganzer und insbesondere der Tübinger Christologie – deren „größere Schärfe … das unbrauchbare Resultat offener zeigt“52 – bescheinigte ‚Konsequenz‘ in der Durchführung darf am Ende doch immer nur die Grenzen und immanenten Defizite der ‚alten‘ Christologie illustrieren, welchen Mängeln dann die auf dieser Negativfolie zum Leuchten gebrachte je eigene Konzeption des Interpreten abhilft. Einerlei, wie Diagnose und Therapievorschlag auch lauten: Verkennung des wahren Wesens Gottes als Geist, welcher – weil „an sich die Einheit des Endlichen und Unendlichen“ – allein „das Band einer realen Einheit Gottes und des Menschen“ sein könne (F.C. B AUR53); Fixierung auf eine abstrakte Identität des Göttlichen oder der Personeinheit, der die neo-kenotische These der Selbstdepotenzierung Gottes (G. T HOMASIUS) resp. die dazu alternative These einer sich erst allmählich-prozessual vollziehenden Einswerdung von Gott und Mensch (I.A. D ORNER) kontrastiert; das Postulat einer Verabschiedung der ‚Zweinaturen-Christologie‘ zugunsten einer dazu antithetisch interpretierten Idiomenkommunikation (H. SCHULTZ); – zu einer eindringenden Erhellung des in der alten Kontroverse selbst verhandelten Gegenstandes kommt es nicht. Und es steht im Raum, ob nicht die tatsächliche Konsequenz der vielfältig und nach-
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H. SCHULTZ, 1881, 240 (Kursivierung U.W.). Die „Generation nach der F.C.“ kommt etwa bei DORNER nur in knappen Skizzen zu den Helmstedtern, zu Ä. Hunn und L. Hutter zu Wort; 1856a, II, 771–779. 787 (Zitat 787); noch knapper, nur als Appendix des ‚Stadiums der Konkordienformel‘, T HOMASIUS, 1886, I, 576–579. – Die Zeit von 1600–1620 bleibt hier gänzlich im Dunkel. 51 „Die in der F.C. nur verhüllten, ja zusammengesprochenen Gegensätze brachen daher in der zweiten Generation nach der F.C. wieder in helle Flammen aus. Das geschah in dem Streite zwischen den Giessenern und Tübingern“ (D ORNER, 1856a, II, 788; Kursivierung im Zitat o. im Text U.W.). – Demgegenüber wird die vorliegende Untersuchung zeigen, daß genau die hier übergangene ‚erste‘ Generation nach der FC zu Fortschreibungen der konkordistischen Christologie gelangt, die in der ‚zweiten‘ Generation ihren definitiven Austrag finden. Daß und warum es „in dem langen Streit der Gießener und Tübinger … von der Ständelehre aus zu einer erneuerten Durcharbeitung des ganzen Dogma innerhalb der lutherischen Kirche“ kam (T HOMASIUS, 1886, I, 579; Kursivierung U.W.), läßt sich – für die schwäbische Seite – nicht verstehen ohne eine gründliche Erschließung dieser vorlaufenden ‚erneuerten Durcharbeitung‘ der zentralen christologischen Konzepte (communicatio idiomatum; unio personalis), welche dann in der Kontroverse selbst neu ‚entdeckt‘, rezipiert und konsequent entwickelt werden (= u. D.). 52 I.A. DORNER, 1856a, II, 807. 53 „Nur der Geist kann sich verendlichen, und in seiner Endlichkeit sich zur Unendlichkeit seines Wesens erheben, nur im Geist ist das Band einer realen Einheit Gottes und des Menschen wahrhaft geknüpft, weil das Wesen des Geistes an sich die Einheit des Endlichen und Unendlichen ist“ (F.C. B AUR 1843, III, 452–464, Zitat: 463). 50
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drücklich attestierten ‚Aporien‘ von F. LOOFS gezogen wurde, der die ‚Krankmeldung‘ teilt, aber ein weit radikaleres remedium verordnet.54 Die kenotische ‚Fortbildung‘ versuche auf dem Wege einer halbherzigen Korrektur zu retten, was stringente Reflexion, die „es ernst nimmt mit klarem, kontrollierbarem Denken“, 55 nur ganz verabschieden kann. Die diagnostizierte „Unhaltbarkeit der alten Christologie“56 berührt nach Loofs nicht nur einzelne Folgerungen oder Theoreme – als undurchführbar erwiesen ist, „was für die kirchliche Christologie seit 1700 Jahren vornehmlich charakteristisch ist: die von oben nach unten konstruierende Inkarnationslehre“ selbst.57 Auf dieser Basis läßt sich das neutestamentlich bezeugte Beieinander von Gott und Mensch in Christus „nicht miteinander reimen“; „die ganze Geschichte der Christologie beweist das“,58 und das in dieser Hinsicht schlagendste Kapitel liefert als deren Kulminationspunkt die Tübinger Christologie: Es „richtet diese einzig konsequente Ausführung des altkirchlichen Inkarnationsgedankens diesen selbst: die Prämissen müssen falsch sein, wenn diese Tübinger Konstruktionen ihre folgerichtige Durchführung sind“; nüchterne Erwägung des Schriftzeugnisses wird nicht der Einsicht entgehen, „daß die hohe Spekulation hier bei dem vollkommensten Nonsens angekommen ist“! 59 Keine theologische Fortbildung oder philosophische Assistenz vermögen es noch, das tradierte „Dogma aus seiner Stockung zu lösen und aus den unleidlichen Selbstwidersprüchen, an denen diese seine kühnste und bis jetzt ausgeführteste Form [die Tübinger und Gießener Entwürfe] zerschellen mußte, seinen eigentlichen Kern in eine neue Construction des Dogma zu retten“60: Der einzig gangbare „Ausweg aus den Antinomien der Inkarnationslehre und der communicatio idiomatum“61 ist nicht die Fortbildung, sondern die definitive Verabschiedung dieser Grundlage der klassischen Lehrbildungen selbst.
2.2 So deutlich sie auch durch das positionelle ‚Interesse‘ ihrer Verfasser geprägt sind, markieren die Darstellungen des 19. Jh.s doch einen merklichen Fortschritt in der Erkundung von Ablauf und Thema der kenotischen Kontroverse. Von bleibender Bedeutung ist v.a. die kontextualisierte Interpretation der Entwürfe im Zusammenhang der Entwicklungsgeschichte 54
Vgl. zum folgenden F. LOOFS, 1901, 262,11–263,49, bes. 263,3ff. F. LOOFS, 1901, 263,44f, hier in Kontrastierung zum ‚schlichten Glauben‘ und der diesem erlaubten ‚Vorstellungsform‘, „der er gern mit halben Denken folgt“ (263,42f; – als Exempel: „Luthers Weihnachtslied ‚Gelobet seist du Jesu Christ‘“; 263,43f). 56 F. LOOFS, 1901, 263,29.31 – dies nachgewiesen zu haben sei die unbestrittene ‚negative‘ Leistung der Kenosislehre, das ihr berechtigt zu Grunde Liegende (263,28f.23). 57 F. LOOFS, 1901, 263,4–6. 58 F. LOOFS, 1901, 263,3–49, hier: 40. 59 „Wird das den Gedanken der Menschwerdung entwurzelnde Extra Calvinisticum … nur durch die Tübinger Christologie vermieden, so richtet diese einzig konsequente Ausführung des altkirchlichen Inkarnationsgedankens diesen selbst: die Prämissen müssen falsch sein, wenn diese Tübinger Konstruktionen ihre folgerichtige Durchführung sind. Denn mag man sich noch so sehr berauschen an der schwindelnden Kühnheit der Tübinger Gedanken … – wenn man zu nüchterner Erwägung dessen zurückkehrt, was die hl. Schrift vom irdischen Leben des Herrn sagt, wird man zugeben müssen, daß die hohe Spekulation hier bei dem vollkommensten Nonsens angekommen ist“ (F. LOOFS, 1901, 262, 20–28). Vgl. J. B AUR, 1993h, 205. 60 So die von DORNER postulierte Alternative, 1856a, II, 808 (Kursivierung U.W.). 61 W. P ANNENBERG, 1972, 317; dort bezogen auf alte wie neue Kenotik. 55
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lutherischer Christologie überhaupt, die über die individualisierenden Erklärungsmuster der älteren Zeit hinausführt. Nochmals neue Impulse für die Diskussion der christologischen Frage bringt die um die Wende zum 20. Jahrhundert zu verzeichnende – die ‚Vorarbeiten‘ F.A.G. Tholucks62 aufnehmende und korrigierende – Hinwendung der Forschung zur altprotestantischen Theologie in genere, insbesondere auch zu deren Grundlagenproblematik. Neben den Arbeiten von E. Troeltsch,63 (zur Schulphilosophie:) P. Petersen,64 M. Wundt65 sowie (zur reformierten Dogmatik:) P. Althaus (d. J.)66 sind hier v.a. die Untersuchungen Hans Emil Webers zu nennen.67 Wegweisend wird besonders sein Versuch, den ‚Einfluß der protestantischen Schulphilosophie auf die orthodox-lutherische Dogmatik‘ – zentral das Verhältnis von ‚Metaphysik‘ und Theologie – am christologischen Problemfeld zu exemplifizieren.68 Die Antithetik der Gießener und Tübinger Entwürfe, welche die vorlaufenden Darstellungen christologisch durch die Dualität von Personeinheit vs. Geschichte faßten, wird in Webers Perspektive noch einmal präzisiert, indem die korrelierten methodischen und ‚metaphysischen‘ Optionen in den Blick kommen. – Methodisch: Während die Gießener (B. Mentzer) für eine Ausrichtung der theologischen Lehrbildung auf das biblische Zeugnis stehen, kulminiert in der Tübinger Christologie eine Entwicklung, die auch sonst die Tradierung der ursprünglichen ‚Einsicht‘ und ‚Anschauung‘ Luthers in den theologischen Entwürfen der nachfolgenden Generationen deformiert: Aus dem legitimen „Nachdenken“69 des Glaubens wird, infolge einer „Rationalisierung der theologischen Arbeit“ und einer „Theologisierung des Glaubens“ (281) überhaupt, „ein Vordenken und Vorschreiben“, das die reformatorische Anschauung „einpreßt und vergewaltigt“ (283). Was „Entfaltung der Erkenntnis“ sein sollte, entartet zur „Gnosis des Glaubens“ (282), die ihren Gegenstand als den aus innerer ‚Notwendigkeit‘ so und nicht anders seienden zu erklären sich anmaßt70 und dabei in Gegensatz zu dessen biblischer bezeugter Gestalt gerät.71 – ‚Metaphysisch‘: Während Mentzer mit seinem Konzept der Allgegenwart Gottes als ‚Tat‘ auf die Ausbildung eines neuen, ‚dynamischen‘ Substanzbegriffs zielt, der dann (erst) bei Leibniz zur klarer Durchbildung kommt, 72 verknüpft sich auf schwäbischer Seite der 62
F.A.G. T HOLUCK, 1852; 1853; 1854; 1861; 1862. E. TROELTSCH, 1891. 64 P. PETERSEN, 1921 (= ND 1964). 65 M. WUNDT, 1939. Vgl. K. ESCHWEILER, 1928; G. LEWALTER, 1935 (= ND 1967). 66 P. ALTHAUS, 1914 (= ND Darmstadt 1967). 67 H.E. WEBER, 1907; DERS., 1908; DERS., 1937, 1940, 1951 (= ND Darmstadt 1966). 68 1908, 152–171. Fortgeführt: DERS, I/2, 1940, 150–185, bes. 168–174; 278–316. 69 1940 I/2, 283; die folgenden Belegangaben im Text beziehen sich hierauf. 70 „Die Entfaltung der rationalen Gnosis wird zum Erklären aus der inneren Notwendigkeit und damit das oportet, necesse est zum Stichwort“ (1940, I/2, 283, kursiv Weber). 71 „Diese Gnosis gerät in peinlichen Zwiespalt mit biblischem Gottesglauben und biblischem Christusbild, sie meistert | in ihrer Selbstherrlichkeit das Geheimnis und verfällt dabei dem Bann des rationalen Determinismus und der schlechten Seinsmetaphysik“ (I/2, 298|f). Strukturanaloge Ausprägungen dieser ‚Gnosis‘ seien die reformierte Prädestinationslehre und – als ‚radikalere‘ Variante – die schwäbische Christologie (1940, I/2, 298). 72 1908, 170f. – Vgl. u. B.V.4.1. 63
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genannte ‚formale Rationalismus‘ des Durchdenkens und Erklärens auf fatale Weise mit dem „‚materialen‘ Rationalismus“ (283) eines „ontischen Denken[s], dem das Wirkliche leicht zum ruhenden Sein und personhaftes Leben zur naturhaften Größe wird; sein Stichwort ist die Substanz oder auch die Natur“ (284). Dieser im Horizont der ‚alten Seinsmetaphysik‘ konzipierte Substanzbegriff vermag eine ‚Natur‘ nur ‚starr‘, als „die Summe der Wesenseigentümlichkeiten“ zu fassen.73 Hingegen lassen sich Bewegung und geschichtliche Veränderung, wie sie das vom Schriftzeugnis präsentierte ‚biblische Christusbild‘ mit der konstitutiven Differenz der Stände enthält, auf dieser Basis nicht denken. Der „Übergang von irdischer zu himmlischer Existenzweise im Leben Jesu“ wird „zum schier unlösbaren Problem“74; mit dieser Unfähigkeit, „die eine große geschichtliche Wendung des apostolischen Zeugnisses“75 adäquat in ihren Begriff der Person Christi zu integrieren, gerät die Tübinger Christologie im Ergebnis in Widerspruch zum „Jesusbild der Evangelien“ – und schon zu allem „schlichten Wirklichkeitssinn“. 76
Webers Untersuchungen77 haben das Verdienst, mit dem Thema ‚Christologie und Metaphysik‘ eine Kategorie zur Interpretation der orthodoxen Entwürfe bereitgestellt zu haben, die die entwicklungsgeschichtliche Annäherung der vorlaufenden Forschungsgenerationen inhaltlich präzisiert.78 Beide, die entwicklungsgeschichtliche und die fundamentaltheologische Perspektive, sind als ‚Fragehinsichten‘ der jüngeren Forschung vorgegeben;79 beide Fragen finden dort aber noch einmal neue Antworten. 73
1940, I/2, 159; im Substanzbegriff „erscheint der Geist der starren, naturhaften Objektivität gewißermaßen konzentriert“ (1908, 148); es „ist die jede lebendige Entwicklung ausschließende Starrheit des alten Substanzbegriffes, welche die Schwierigkeit schafft“ (1908, 150, vgl. 152). 74 1908, 152. 75 1908, 158. 76 1940, I/2, 168. 77 Eine Reprise fanden Webers Einwände der Sache nach in R. MÜLLER-STREISANDs Kritik des ‚theologischen Grundansatzes von J. Brenz‘: 1960/61, 231–244. Dazu B RANDY, 1991, 10f. 226–228. – Vgl. u. B.V.4.1; F.II.3/4. 78 Als Rückschritt hinter den von Weber gesetzten Standard der älteren Forschung wird die Darstellung des kenotischen Streites zu werten sein, die O. R ITSCHL in dem abschließenden Band 4 seiner ‚Dogmengeschichte des Protestantismus‘ gibt: 1927, 180– 192. Sie bietet, im Anschluß an Weber, doch ergänzt um Erträge eigener, wenngleich eher schmal angelegter Quellenarbeit, zutreffende Einzelbeobachtungen, schickt sich in der Gesamtwertung dann indes an, das Problem um ‚Thummius und seine Gesinnungsgenossen‘ (192) wieder im Horizont theologischen ‚Fanatismus‘ (192), habitueller ‚Agressivität‘ (181) und ‚scholastischen Starrsinns‘ (191) zu verorten – und lenkt damit faktisch hinter Weber zu Wertungen Tholucks (o. Anm. 25) zurück. Ritschls Blick für die Problematik der Gießener Position (191) läßt der Tübinger Doktrin – „eine mit scholastischen Mitteln durchgeführte Extravaganz der theologischen Spekulation“ (187) – dann noch eine kleine Ehrenrettung widerfahren: „doch nicht ausschließlich auf bloß scholastischen Starrsinn zurückzuführen“ (191). – Ähnlich ‚anachronistische‘ Tendenzen zeigen neuere Interpretationen unter ‚sozialpsychologischem‘ Vorzeichen; vgl. u. Anm. 154. 79 Die gleichwohl eher schmale Wirkungsgeschichte des Weber’schen Oeuvre dürfte v.a. dem Umstand der Darstellung geschuldet sein: „von einer stupenden, kaum noch
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3. Die jüngere und gegenwärtige Forschung In der jüngeren Forschung seit ca. 1960 kommt es zu einer neuen Hinwendung zur christologischen Lehrbildung der Spätreformation und (Früh-)Orthodoxie. Die recht gründliche Analyse einzelner Entwürfe aus diesem Zeitraum erlaubt eine Sicht der ‚Vorgeschichte‘ des kenotischen Streites und der neuen Tübinger Christologie, die die eher pauschalierenden Konstruktionen in den älteren Darstellungen erheblich differenziert. 3.1 Begründet wird diese neue Epoche der Forschung durch Theodor Mahlmanns 1969 publizierte Habilitationsschrift über „Das neue Dogma der lutherischen Christologie“.80 Diese Untersuchung und Mahlmanns daran anschließender großer Aufsatz von 1970 über die späte Christologie von Johannes Brenz81 setzen nicht nur Maßstäbe, was Methodik und Darstellung betrifft.82 Indem sie den an Luthers Abendmahlschristologie anknüpfenden Prozeß der Begründung und ersten Entfaltung des ‚neuen Dogmas‘ lutherischer Christologie – der communicatio idiomatum realis – in den Jahren 1551–1561, vorläufig kulminierend in M. Chemnitz’ christologischem Erstlingswerk von 156183 und dem der Intention nach parallelen, jedoch methodisch anders akzentuierten Votum J. Brenz’ von 1557,84 das dann in dessen christologischen Spätschriften der Jahre 1561–1564 eine umfassende Ausarbeitung erfährt, detailliert nachzeichnen, erschließen sie nicht weniger als die „Grundlehre“85 dieser konfessionsspezifisch werdenden Neufassung des christologischen Locus. Die real verstandene Idiomenkommunikation formuliert ein neues – kommunikatives – Verständnis der christologischen Personeinheit überhaupt, damit wird das noch vorreformatorische (scholastische) Topoi tradierende Konzept der suppositalen Union,86 wie es die Christologie des späten Melanchthon und, radikalisiert, seiner ‚kryptocalvinistischen‘ Wittenberger Schüler prägt, für den Bereich lutherischer Christologie verabschiedet. Die mit dieser Grundentscheidung gesetzten Implikationen auszuarbeiten und gegen konfessionelle und bald auch innerlutherische Kritik zu behaupten – dies ist die einheitliche Aufgabe, die der konstruktiven wie apologetischen Arbeit aller nachfolgenden
nachvollziehbaren Belesenheit in den Quellen zeugend, aber bei dem gedrängten, änigmatischen Stil häufig in Unklarheit über das Gemeinte lassend“ (J. W ALLMANN, 1992, 43). Auch der weitgehende Verzicht auf eine Zitation und Dokumentation der schwer zugänglichen Texte erschwert eine Auseinandersetzung mit Webers Thesen. 80 T H. MAHLMANN, 1969. 81 T H. MAHLMANN, 1970. 82 Vgl. u. Anm. 202. 83 T H. MAHLMANN, 1969, 205–239. 84 T H. MAHLMANN, 1969, 125–204. 85 R. SCHRÖDER, 1983, 107. 86 R. SCHWARZ, 1966; vgl. dazu u. C.IV.1.1.1; auch: D.I.6.3.3.2/3; D.IV.1.3.
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lutherischen Christologen gestellt ist und deren Entwürfe insoweit zur Einheit einer ‚Entwicklungsgeschichte‘ verknüpft. In Fortführung von und in Auseinandersetzung mit Mahlmann sind einzelne Stationen dieser weiteren Entfaltung Gegenstand neuerer Untersuchungen geworden:87 – Johannes Brenz’ Christologie in der reifen Gestalt seiner 1561–1564 publizierten Spätschriften – ein allem Späteren als ‚Eckdatum‘88 vorgegebener Entwurf;89 – die vor allem von J. Andreae verantwortete baldige (1564/1565ff) Transformation des Brenz’schen Entwurfs in die Gestalt jenes ‚gemäßigten Ubiquismus‘, der die reale Teilhabe der Menschheit Christi an der göttlichen ‚Majestät‘, insonderheit der Allgegenwart, der Zäsur der beiden „Stände“ unterwirft und als aktuelle (‚Gebrauch‘) für den Stand der Entäußerung de facto sistiert;90 – die (auch) gegen die württembergische ‚Neuerung‘ gerichtete Christologie der Wittenberger ‚Kryptocalvinisten‘, die 1567–1574 Melanchthons Christologie zu einer zentrale reformierte Theologumena rezipierenden Lehre ausbauen;91 – die Christologie der Konkordienformel, die die methodisch unterschiedlich akzentuierten Entwürfe norddeutscher (Chemnitz) und schwäbischer (Brenz/Andreae) Christologie zusammenführt und diese Synthese für das ‚orthodoxe‘ Luthertum festschreibt;92 – die durch die FC ausgelöste Kritik nicht nur der konfessionellen Kontrahenten, sondern auch der um T. Heshusius gruppierten Helmstedter Theologen, deren Einspruch sich zum innerlutherischen christologischen Schisma verfestigt und, eine Generation später, unter G. Calixt zum Ausscheiden der Braunschweig-Wolfenbüttler Theologie und Kirche aus dem Verband des Konkordienluthertums führt; 93 – der christologische Entwurf von Ä. Hunnius, der den ‚gemäßigten Ubiquismus‘ durch das Konzept der ‚praesentia intima‘ noch einmal fortschreibt, – ein für die weitere Entwicklung der lutherischen Christologie zentrales neues Theorieelement;94 – der christologische Traktat in J. Gerhards Loci Theologici, dessen gegenüber dem Erstentwurf (1610) beträchtlich erweiterte und überarbeitete Neufassung der ‚Exegesis‘ von 1625 durchaus die Debatten des kenotischen Streites spiegelt.95
3.2 Das als Movens des ‚neuen Dogmas lutherischer Christologie‘ wirksame Konzept der communicatio Idiomatum realis bedeutet eine tiefgreifende Umprägung des Grundbegriffs der unio personalis selbst. Dieser unter87 Die folgende Liste ordnet diese Untersuchungen nach der Chronologie ihres Gegenstandes. – Vgl. zur Übersicht: G. WENZ, 1988a, 289–303; DERS., 1997, II, 691–711; als älteren Überblick auch: J. HÜBNER, 1975, 123–143. 88 J. B AUR, (1977, 200 =) 1993h, 209. 89 H.CHR. BRANDY, 1991, in Aufnahme und Weiterführung, aber auch Korrektur der Analysen M AHLMANNs, 1969. 1970. – Zu Mahlmanns dadurch (BRANDY 1989 [masch.]) mit angestoßener Selbstkorrektur vgl. MAHLMANN, 1990, 141–144. 90 H.CHR. BRANDY, 2000, 58–84, bes. 68ff; in Aufnahme des Passus 1989, 84–109, der in die Druckfassung 1991 nicht übernommen wurde. – Vgl. u. A.II.1.1; C.IV.2.6.2–4. 91 J. HUND, 2006. 92 J. B AUR, 1978a. – DERS., 1993e. 93 I. MAGER, 1993; I. DINGEL, 1996; TH. KRÜGER, 2004. – Vgl. u. C.IV.2. 94 M. MATTHIAS, 2004, bes. 159–231; vgl. J. B AUR, 2007, 272–280. – Vgl. u. C.IV.3. 95 R. SCHRÖDER, 1983. In welchem Ausmaß Gerhards Revision durch die kenotische Debatte bestimmt ist, kommt bei Schröder nicht deutlicher in den Blick. – Vgl. u. D.II.4.
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steht nun dem Anspruch, das „Begriffsinstrument einer biblischen Christologie“ zu sein:96 die „‚Personeinheit‘ ist nichts anderes als der Begriff des Vorganges, daß Gott als der Mensch Jesus von Nazareth zum Heil gehandelt hat und handelt“.97 – Diese bilanzierende These Mahlmanns entkräftet noch nicht den an die schwäbische Christologie adressierten Vorwurf einer ‚rationalistischen‘ Verformung des Schriftzeugnisses ‚im Banne der Seinsmetaphysik‘; sie setzt diese Frage aber neu auf die Tagesordnung.98 Jenes Verhältnis von ‚Metaphysik und Christologie‘ grundsätzlich neu vermessen zu haben, und zwar orientiert „an der höchsten der Orthodoxie möglichen Reflexionsstufe“,99 ist das Verdienst der einschlägigen Untersuchung von Walter Sparn;100 für die neuere Forschung kommt ihr eine ebenso ‚epochale‘ Bedeutung zu wie Mahlmanns Vorstößen. Die um den Beginn des 17. Jh.s einsetzende Erneuerung des methodologischen, wissenschaftstheoretischen und ontologischen Diskurses in der Schulphilosophie aller Konfessionen war als Faktum auch der älteren Forschung bekannt und in ihrer Bedeutung für die theologische Theoriebildung im Grundsatz unbestritten. Sparns gründliche – alle älteren Arbeiten überholende – Rekonstruktion dieser ‚Wiederkehr der Metaphysik‘ nicht nur in den großen Linien, sondern auch ‚im intrikaten Detail‘101 hat gezeigt, daß es neben der Prinzipienlehre zentrale materiale Topoi gerade der interkonfessionell strittigen Unterscheidungslehren – Christologie samt der dieser korrelierten Abendmahlslehre, Prädestinationslehre, Rechtfertigungslehre – sind, die (konstruktiv) nach innen wie (polemischapologetisch) nach außen nun im Rekurs auf logische und ontologische Kategorien reformuliert werden. Gerade die Zentralthese lutherischer Christologie einer Kommunikation göttlicher Idiome an die Menschheit Christi stellt die Aufgabe, die (onto)logischen Implikate dieser exorbitanten Behauptung zu klären.102 Sparn kann weiter zeigen, daß diese Verschränkung der Disziplinen nicht durch einseitige Dominanzverhältnisse bestimmt wird. Weder kommt es zur einlinigen Regulierung theologischer Sätze durch metaphysische Theoreme noch gegenläufig zur schlichten Instrumentalisierung der Philosophie für theologische Zwecke. Das Zusammenhang beider Diskurse ist komplexer, – ‚dialektisch‘ strukturiert: „Die Metaphysik steht ... durch ihren Gegensatz zur Position der Christologie in Übereinstimmung mit deren Negation. 96 „Was vor und außer der lutherischen Christologie ‚Zweinaturenlehre‘ heißen kann, hat sie selbst zu einer ‚Personeinheitslehre‘ umgeprägt, die sich als Begriffsinstrument einer biblischen Christologie versteht“ (M AHLMANN, 1970, 184). Die einfache Antithese von Zweinaturenlehre und Personeinheitslehre wird zu korrigieren sein (u. C.III.2.3); die Feststellung, „daß die Interpretation der traditionellen Begriffe von einem ursprünglichen Verständnis der biblischen christologischen Texte herkommt und geleitet ist“ (ibd., 261– 265, hier: 264), bleibt davon unberührt. 97 MAHLMANN, 1969, 245–249, hier: 247. 98 Vgl. MAHLMANN, 1969, 249; DERS., 1981c, S. X–XV, hier: S. XV. 99 T H. MAHLMANN, 1981c, S. XV. 100 W. SPARN, 1976; ergänzend wird auch die längere maschinenschriftliche Fassung der Dissertation herangezogen (1973). Vgl. auch: DERS., 1992, 54–82; 2001a; 2001b. 101 Vgl. W. SPARN, 1976, Vorwort. 102 W. SPARN, 1976, 23–92 (‚Die logischen Probleme der Christologie‘); 93–163 (‚Die Metaphysik der Christologie‘).
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Die spezifisch theologisch motivierte Aufgabe der Metaphysik ist daher die Ausarbeitung einer solchen ‚Ontotheologie‘, die nicht aus sich zur Christologie werden kann.“103 Im Medium der ‚metaphysischen‘ Begriffe stellt die lutherische Christologie gerade die nicht vermittelbare ‚Differenz‘ ihres ‚übernatürlichen‘ Gegenstandes, der Persona Christi, gegenüber allem natürlich Seienden dar, wie es die Philosophie allerdings verbindlich entfaltet. Der metaphysische Gottesbegriff wird nicht abstrakt negiert, sondern innerhalb der Gottes- und Schöpfungslehre theologisch rezipiert; christologisch aber gilt er gleichsam als Folie der These vom genus maiestaticum, die im Gegenzug zu dieser als solcher unbestrittenen protologischen Differenz die Syn-These von Gott und Mensch in persona Christi entfaltet. Kurz: Die Metaphysik formuliert in Anwendung ihrer Prinzipien die allgemeine Ontologie des Natürlichen, auf welchem Hintergrund das besondere theologische Datum, wie es allein durch die Schrift vorgegeben ist, hinsichtlich seiner spezifischen Seinsstruktur profiliert wird. Eine Verfremdung der theologischen Sachverhalte durch Normierung nach metaphysischen Prinzipien hat nicht statt. Es ist im Gegenteil der Metaphysik zugemutet, durch – vernünftige! – Differenzierung und Limitierung ihrer Prinzipien sowie durch Begrenzung ihres Gegenstandsbereiches den ‚Raum‘ für das in die reguläre Ontologie bleibend nicht integrierbare theologische Datum gleichsam negativ freizuhalten. Damit stellt sie sicher, daß eine ‚besonnene‘ Philosophie kein negatives Präjudiz hinsichtlich der Möglichkeit derjenigen theologischen res formulieren muß, deren Faktizität allein von der Theologie als der zuständigen Realdisziplin aufgrund des dieser eigentümlichen Erkenntnisprinzips der Hl. Schrift verbindlich festgestellt ist. 104
Ist infolge von Mahlmanns Analysen und der daran anschließenden Forschung die Frage nach dem ‚problemgeschichtlichen‘ Ort der ‚neuen‘ Tübinger Christologie neu gestellt, so wird mit Sparns Ergebnissen die Frage nach dem ‚fundamentalchristologischen‘ Gepräge dieser abschließenden Fassung schwäbischer Christologie neu auf die Agenda gesetzt. Die von der älteren Forschung hier schwäbischer Christologie pauschal attestierte ‚rationalistische Verformung‘ des Schriftzeugnisses im ‚Bann der Seinsmetaphysik‘ ist angesichts der von Sparn nachgewiesenen ‚dialektischen‘ Verknüpfungen ohne Grundlage.105 Es bleibt noch einmal genauer zu erheben, wie die „Abarbeitung am Medium der erneuerten Metaphysik“ die Ausbildung der neuen Tübinger Christologie,106 überhaupt die christologische Arbeit in den Jahrzehnten zwischen 1590 und 1620 – forschungsgeschichtlich weithin terra incognita – tatsächlich bestimmt. – Die bislang 103
W. SPARN, 1976, 140; vgl. zum folgenden v.a. 195–208. Vgl., als ‚Konkretion‘, u. D.I.6.2 (M. Schaefer). 105 Sparns Thesen sind freilich auf den Einspruch R. SCHRÖDERs (1983, 220–245; in Replik auch auf die ihm geltende Kritik Sparns [vgl. 1976, 198–201]) gestoßen. Dabei akzeptiert Schröder ausdrücklich Sparns Analyse der von der Theologie genutzten (onto)logischen Theoreme als solcher, soweit deren Literalsinn in Rede steht (1983, 220f), nicht aber die daraus induzierte grundsätzliche Verhältnisbestimmung von Theologie und Metaphysik: „Es ist möglich, daß trotz der erklärten Unabhängigkeit der Theologie von der Philosophie ... dennoch eine verborgene Abhängigkeit der Theologie von metaphysischen Denkbedürfnissen statthat“ (1983, 238; – vgl. dazu in der Sache Schröders Analyse des genus Majestatis: 1983, 189–197). – Vgl. SPARNs Replik, 1987, 825–827. 106 J. B AUR, 1993g, 171. 104
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profundesten Versuche in beiderlei Hinsicht hat Jörg Baur vorgelegt.107 V.a. im Rekurs auf seine Thesen sollen Ergebnisse und offene Fragen der aktuellen Forschung bilanziert werden, um auf diesem Hintergrund Thema, Ziel, Methode und Aufbau der eigenen Untersuchung zu erläutern.
II. Ergebnisse und offene Fragen gegenwärtiger Forschung II. Ergebnisse und offene Fragen gegenwärtiger Forschung
1. Der ‚problemgeschichtliche Ort‘ der neuen Tübinger Christologie 1.1 Übereinstimmung besteht darin, daß die seit 1619 vorgetragene Tübinger Christologie einen durchaus ‚neuen‘ Lehrtypus bietet. Diese Feststellung ist nur scheinbar trivial. Denn diese – um den Preis des innerlutherischen Schismas durchgehaltene – Neufassung bedeutete den Bruch auch mit der schwäbischen Tradition selbst. Die Differenz der ‚neuen‘ Tübinger Christologie zur vorangehenden Lehrtradition auch des eigenen Territoriums kann in erster Annäherung so bestimmt werden, daß sie den seit 1564/65 auch in Württemberg vertretenen ‚gemäßigten Ubiquismus‘ 108 wieder verabschiedet. Dieser unterwarf die reale Teilhabe der Menschheit Christi an den göttlichen Majestätseigenschaften, insonderheit der Allgegenwart, der Zäsur der beiden „Stände“ des Gottmenschen – die mitgeteilte Majestät ist der Menschheit Christi zwar seit Beginn der unio personalis und von da an kontinuierlich als „Besitz“ zu eigen, und sie erfährt schon im Stand der Erniedrigung – in den Wundertaten des Irdischen – eine sporadische und partikulare Betätigung; ihr kontinuierlicher und uneingeschränkter „Gebrauch“ (usus plenarius) aber ist dem nachfolgenden Stand der Erhöhung reserviert. Diese Konzeption bedeutete fraglos eine partielle Rücknahme des weitergehenden initialen Entwurfs schwäbischer Christologie, den Johannes Brenz in seinen 1561–1564 publizierten Spätschriften vorgelegt hatte. Diese Reduktion wurde aber sehr rasch, noch 1564, von Württemberger Seite gleichsam offiziell (Jacob Andreae auf dem Maulbronner Kolloquium) vorgenommen und, soweit sich sehen läßt, auch von Brenz selbst mitgetragen.109 Auf diesem Mittelweg des gemäßigten Ubiquismus kommt es zur Annäherung des württembergischen und niedersächsischen (Martin Chemnitz) Lehrtropus, welchen Konsens in fundamentalibus dann die Konkordie von 1577 dokumentiert; die verbliebene und von den Parteien durchaus als solche wahrgenommene Differenz „galt primär als methodische“.110 In der Auseinandersetzung mit dem Helmstedter Einspruch gegen die ‚ubiqui107 Neben den Analysen einzelner Entwürfe und Themen vgl. v.a. die Rekonstruktionen der Gesamtentwicklung: J. B AUR, 1977; überarbeitet: 1993h. – DERS., 2002; stark erweiterte Fassung: DERS., 2007. Vgl. auch DERS., 1993g, 169–177. 108 Der Terminus geht auf eine Prägung O. R ITSCHLs (1927, IV, 89) zurück; vgl. auch J. B AUR, (1977, 204 =) 1993h, 214. – Vgl. zum Konzept auch u. A.II.1.3. 109 Vgl. H.CHR. BRANDY, 2000, 58–84, bes. 68ff; DERS, 1989; 84–109, bes. 84–100. 110 J. B AUR, (1977, 200–207, hier: 202 =) 1993h, 209–213, hier: 211; vergl. DERS. 1978a, 197f; MAHLMANN, 1981a, 320f; 1990, 142–144; zu betonen gegen die alte (o. Anm. 45. 46) und zähe Legende von der FC als eines zum Scheitern verurteilten Versuchs, „entgegengesetzte Theorien“ (P ANNENBERG, 1972, 318) und „Gegensätze“ (BREIDERT, 1977, 19) künstlich zu harmonisieren.
II. Ergebnisse und offene Fragen gegenwärtiger Forschung
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tistische‘ ‚Verfälschung‘ der FC wird diese konkordistische Synthese von Norddeutschen wie Schwaben homophon verteidigt. Und es ist der schwäbische Heerbrand-Schüler Ägidius Hunn (Professor in Marburg 1576–1593, in Wittenberg 1593–1604), der mit seinen 1585 vorgelegten Libelli de Persona Christi die konkordistische Synthese in einen stringenten Entwurf überführt. Insbesondere sucht Hunn dabei die von reformierten wie lutherischen (Helmstedter!) Kritikern markierte offene Flanke des ‚gemäßigten Ubiquismus‘ durch seine neue Eigenthese der (später sog.) ‚praesentia intima‘ zu sichern. Die Einheit der Person Christi besteht ‚an sich‘, als die ‚innere‘ Erschlossenheit der Naturen füreinander; als solche ist sie unabhängig von der Weltrelation (praesentia extima) der Naturen und damit auch unbetroffen von der allerdings mit der Ständedifferenz introduzierten befristeten Inkongruenz.111 – Mit Hunns Weiterentwicklung hat die konkordistische Christologie ihre abschließende Gestalt erhalten; sein Konzept der ‚praesentia intima‘ wird rasch und breit rezipiert, auch in seiner schwäbischen Heimat (Stephan Gerlach 1585). Was Balthasar Mentzer 1619ff gegen die Tübinger stellen wird, ist, von in dieser Hinsicht marginalen Eigenakzenten abgesehen, die Position seines Marburger Lehrers Hunn, auf welche Konkordanz er sich auch ausdrücklich beruft. Und umgekehrt sind es diese für die neue Tübinger Christologie ‚harten Reden Hunnii und Gerlachii‘, mit denen der Tübinger Melchior Nicolai 1621 seinen Dissens begründen will, bis ihn die Argumente der Fakultätskollegen Thumm und Osiander, verstärkt durch die herzoglich angedrohte Zwangsversetzung, nicht nur zur Räson, sondern wohl zur tatsächlichen Einsicht in das sachliche und historische Recht der ‚neuen‘ Christologie bringen.112
Nicht weniger als diesen konkordistischen Konsens und die 50jährige Kontinuität der eigenen schwäbischen Lehrtradition kündigen die ‚neuen‘ Tübinger 1619 auf, wenn sie die kontinuierlich-uneingeschränkte aktuelle Teilhabe der Menschheit Christi an der göttlichen Majestät – insonderheit der Allgegenwart – zur Bedingung der Integrität ‚lutherischer‘ Christologie erklären. Die ‚omnipraesentia indistans carnis Christi exinanitae‘ bilde den entscheidenden Hauptpunkt der Auseinandersetzung.113 Diese Allgegenwart für den Stand der Entäußerung zu negieren, bedeute eine Verletzung des ‚Prinzips‘ lutherischer Christologie, ja deren Zerstörung durch faktische Übernahme der zentralen reformierten Gegenthese – hoc est illud ipsum Extra-Calvinisticum!114 Reichweite und ‚anachronistische‘ Zielrichtung dieses Traditionsbruchs der Tübinger hat deren Gießener Kontrahent kopfschüttelnd, aber zutreffend benannt: „man gehet viel weiter / vnnd mu(e)ssen die lang verglichene controversien wider hervor / daß Christi menschheit von anbeginn der empfa(e)ngnis seye gen Himmel auffgefahren / vnnd zur rechten handt Gottes gesetzt worden / seye allen creaturen gegenwertig gewesen / vnnd habe alles regieret / auch mitten in dem todt. 111
Vgl. dazu u. C.IV.3.1. C. V. WEIZSÄCKER,1877, 54–56. J. B AUR, 1993h, 257–259. – Vgl. u. C.IV.2.5.3; vgl. dann Nicolais konzise Argumente gegen Mentzer, C.IV.1.2.2.2/3. 113 „principale punctum controversiae“, „quaestio omnium principalissima“ (Amica Admonitio, 1624, 48). 114 Amica Admonitio, 1624, 33 – ein Zitat aus der sächsischen Brevis Consideratio! – Vgl. u. [F.] Anm. 61. 112
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... Worzu dienen solche disputationes? Die in formula concordiae so trewlich vnd fleissig ero(e)rtert“! 115 1.2 Tatsächlich – dies ist die Frage: Wozu dienen solche disputationes? Wo liegen die Gründe für die radikale Wende der neuen Tübinger, die einen mühsam etablierten und für ein halbes Jahrhundert homophon verteidigten fundamentalen Konsens lutherischer Christologie noch einmal neu auf die Tagesordnung setzt? Unzureichend sind alle Versuche, das Cui bono? (resp., oft genug: Cui malo?) des Gießener-Tübinger-Streites nur ‚pragmatisch‘, im Rekurs auf Prägungen und Interessen der Beteiligten, zu beantworten. Die in der älteren Literatur begegnende Reduktion auf charakterliche Dispositionen der beteiligten Personen und Gruppen kapituliert de facto vor der Aufgabe einer theologischen Klärung. Der Rückgriff auf sozialpsychologische Kategorien in neueren Untersuchungen vermag, sofern er unter diesem neuen Vorzeichen nicht lediglich das ältere Deutungsmuster variiert, mit den gruppendynamischen Prozessen in den frühneuzeitlichen ‚Gelehrtenrepubliken‘ bestimmte Rahmenbedingungen der Kontroverse aufzuhellen, ohne aber damit schon ihres Gegenstandes als eines theologischen näher zu kommen.116
Obsolet geworden ist angesichts der Ergebnisse neuerer Forschung zur Konkordie und deren Vorgeschichte aber auch jenes in den ‚entwicklungsgeschichtlichen‘ Rekonstruktionen des 19. Jh.s vorgetragene Erklärungsmuster: Im kenotischen Streit dissoziiere wieder notwendig, was eine Generation zuvor die Konkordienformel – „eine voreilig gepflückte Frucht“ – gewaltsam zu einem sachlich unhaltbaren Kompromiß verknüpft habe.117 Die unterschiedliche ‚Tendenz‘ schwäbischer und norddeutscher Christologie – methodisch begründet, kein Sachgegensatz – wird v.a. durch die Rücknahme des ursprünglichen Entwurfs Brenzens auf die Konzeption des gemäßigten Ubiquismus „schon vor der Konkordienformel … nahezu ausgeglichen“,118 eine Dissoziation der konkordistischen Synthese war weder zwangsläufig noch auch nur wahrscheinlich. Indem sie den für ein halbes Jahrhundert vertretenen ‚gemäßigten Ubiquismus‘ verabschiedet, revidiert die schwäbische Christologie von 1619ff vielmehr die dazu gegenläufige erste schwäbische Selbstkorrektur von 1564/65ff. Die Gründe dieser erneuten und nun konträren ‚Wende‘ württembergischer Christologie sind ganz ungeklärt. Zur Erklärung des Vorgangs angebotene Kategorien wie 115 B. Mentzer an E. Grüninger, Gießen, 5. Febr. 1621, abgedr.: MENTZER, Defensio I, 1624, 22–24, hier: 24; vgl. zum Kontext und zum vollständigen Zitat u. [B.] Anm. 1. 10. – Zu der mit Mentzers Vorwurf angeschnittenen Sachfrage vgl. die Tübinger Bestimmung des status controversiae, u. C.II.1, C.II.2.4. – Vgl. abschließend F.I.; F.III. 116 Vgl. dazu u. Anm. 154. 117 I.A. DORNER, 1853, II, 710; vgl. auch o. Anm. 45.110. – Im übrigen eine These, „in der traditionelle reformierte Polemik – Concordia discors! – im Gewande des wissenschaftlichen Anspruchs wiederkehrt“ (J. B AUR, [1977, 201 =] 1993h, 210). 118 J. B AUR, (1977, 204 =) 1993h, 214 (Kursivierung U.W.)
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‚Brenz-Renaissance‘ bilden nur Schlagworte, die die Neuorientierung allenfalls umschreiben, nicht aber die ihre Genese vorantreibenden Beweggründe erhellen.119 Das Rätsel der schwäbischen ‚Revision der Revision‘ ist noch offen – die Frage nach dem „Wege zur klassischen Tübinger Christologie“ (J. BAUR120) der Forschung neu zur Beantwortung aufgegeben. 1.3 Angesichts der Widerlegung der ‚Concordia-Discors‘-These wird diese Neuvermessung sich gerade jenen Entwicklungen zuwenden, welche die lutherische Christologie in der nachkonkordistischen Phase nimmt121 – forschungsgeschichtlich nach jüngeren Untersuchungen zu einzelnen Entwürfen122 zwar keine völlige terra incognita mehr, aber doch immer noch eine Epoche, für die J. Baurs Feststellung von 1977 keineswegs überholt ist: „gegenwärtig erlaubt es die unbefriedigende Forschungslage nicht, die Votanten im ganzen ihrer Theologie zu identifizieren und Zusammenhänge sich ausbildender Gruppen und Richtungen zu erkennen“.123 Was zur Vorgeschichte und Genese des kenotischen Streites und der hier vollzogenen erneuten Revision schwäbischer Christologie gesagt werden kann, trägt erklärtermaßen den Charakter vorläufiger Hypothesen. Der bisher profilierteste, von J. Baur vorgelegte Vorschlag konturiert den ‚problemgeschichtlichen‘ Ort der neuen Tübinger Christologie ‚negativ‘ (1.) und ‚positiv‘ (2.). (1.) Im Blick auf die Wurzeln der Thesen B. Mentzers, die den ‚Anstoß‘ zur Formulierung der Position der ‚neuen‘ Tübinger liefern, sei zum einen der Christologie von Ä. Hunnius besonderes Gewicht beizumessen. Das von Mentzers Marburger Lehrer neu entwickelte Konzept der praesentia intima sucht die offene Flanke des ‚gemäßigten Ubiquismus‘ zu sichern, indem es die interne Erschlossenheit der Naturen von Gott und Mensch ‚in‘ der Person Christi zum suffizienten Garanten der Integrität der unio personalis trotz der inkongruenten Weltpräsenz beider Naturen im Stand der Entäußerung erklärt. Hunnius formuliert damit prinzipiell und ausdrücklich, was der ‚gemäßigte Ubiquismus‘ schon immer unterstellen mußte. Aber eben diese ‚Prinzipialisierung‘ der Unterscheidung von Personeinheit und Weltgegenwart trägt einen anderen Gesamtakzent ein – es kommt zum „schon in der Gestalt fortgeschrittener Reflexion auftretenden faktischen Widerspruch zu Brenz“, den allerdings „die Tübinger Theologen des endenden 16. Jahrhunderts ... nicht erkannten“. 124 – Zum anderen verweist Baur auf die Helmstedter Theologie (der alte Tilemann Heshusius; auch Daniel Hoffmann). Hier führe der sich verfestigende Protest gegen die Konkordienformel zu einer ‚Prinzipialisierung‘ des Ansatzes von M. Chemnitz, welche die zunächst nur methodische Differenz zu den Schwaben in einen sachlichen Hiatus überführt. Der ab 1585 – zunächst in nichtöffentlicher Korrespondenz, dann auch in Druckschriften – ausgetragene Streit zwischen den Helmstedter und würt119
So zu Recht J. BAUR, (1977, 227 =) 1993h, 240. Vgl. J. BAUR, (1977 =) 1993h (Kursivierung U.W.). 121 Vgl. das o. bei u. mit Anm. 50. 51 Notierte. 122 Vgl. (o. Anm. 93. 94): TH. KRÜGER, 2004; M. MATTHIAS, 2004. 123 J. B AUR, (1977, 214 =) 1993h, 224. 124 J. B AUR, (1977, 209 =) 1993h, 218 (umgestellt). – Vgl. aber Baurs spätere Hinweise auf problematische Akzente schon bei Brenz selbst, die auf Hunn vorausweisen (2007, 248–254 bzw. 276–280; vgl. u. C.IV.1.1.3 resp. C.IV.3.1.1 bei u. mit Anm. 636). 120
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tembergischen Theologen macht diese verfestigte Diastase manifest. Diese frühere innerlutherische Kontroverse über die Christologie, in welche die Württemberger Theologen zwei Generationen vor der kenotischen Auseinandersetzung verwickelt sind, verdient besondere Aufmerksamkeit: „Sollte nämlich sowohl die mit Heshusius als auch die mit Hunnius erreichte ‚Theorie-Intensität‘ ... je eine historische Voraussetzung für Balthasar Mentzer darstellen, wie Baur plausibel nahelegt ..., so würde damit der spätere Streit Tübingen versus Gießen als umgekehrte Wiederholung des früheren Streites Helmstedt versus Tübingen historisch tief angelegt begreifbar. Hier klafft eine Lücke der Forschung!“125 – Beide ‚Knicke‘126 in der vorlaufenden Entwicklung lutherischer Christologie synthetisierend lautet Baurs – eigens als noch zu verifizierend herausgestellte – These zur genetischen Einordnung der kenotischen Kontroverse dann dahin, „daß Mentzer durch einen materialen Rückgriff auf Melanchthon die durch Brenz und Chemnitz konstituierte lutherische Christologie in die Krise bringt, und zwar durch Radikalisierung immer schon vorhandener Elemente seiner eigenen Theologie“, die sich von Heshusius und Hunnius herleiten. Im Gegenzug wäre die Tübinger Position als ‚Rettung‘ der „am – lutherisch-brenzisch verstandenen! – Dogma orientierten Christologie“ zu verstehen.127 (2.) ‚Positiv‘ bedeutsam für eine genetische Profilierung der schwäbischen Revision wäre Baurs Identifizierung einiger „Vorläufer der späteren Tübinger“128 – nicht in Württemberg selbst, sondern im sächsischen Raum: L. Hutter (freilich ein Schwabe), S. Gesner, J. Schröder; auch T. Kirchner, N. Selnecker. Die in Hunns praesentia-intima-Konzept festgeschriebene Trennung von exklusiv binnenchristologisch gefaßter Personeinheit und Weltgegenwart, „deren Maximum dann Mentzer bietet, stößt schon vor der Zeit der großen Tübinger Christologie auf Widerstand“.129 In Korrespondenz auch mit Klärungen der sich erneuernden Ontologie bringen die Genannten den „Zusammenhang von Mensch, Welt und Heil einsichtig zu Wort“.130 Christologisch bedeute dies die Absage an jeden Versuch, „die Einheit der Person ohne Welt zu denken“; 131 und mit der bei S. Gesner begegnenden Einsicht in die nur ‚reflexe‘ – den Weltbezug nicht tangierende – Richtung der Entäußerung Christi „finden wir dann, analog zur Vorbereitung der Gießener durch Hunnius, den entscheidenden Reflexionsfortschritt, der es erlauben wird, die quantitierenden Halbheiten im Verständnis der Erniedrigung ... hinter sich zu lassen“; 132 es gelingt nun statt dessen, die simultane „Vermittlung des sonst nicht in Einem Vermittelten, von Gott und Mensch, von Herrschaft und Plage, von Sterben und Weltregiment“ 133 zu denken und auszusagen. Baurs Fazit: „Ungeachtet der problematischen For|schungslage läßt sich ... auch jetzt schon deutlich sehen, ... daß Leonhard Hutter und Geßner der durch Hunnius vertretenen Auffassung widersprechen“.134
1.4 Beide Elemente von J. Baurs genetischer Profilierung der kenotischen Kontroverse haben Widerspruch erfahren. 125
MAHLMANN, 1981c, S. X–XV: S. XII. Zum Streit Helmstedt-Württemberg: C.IV.2. Vgl. MAHLMANN, 1981c, S. XII. 127 J. B AUR, (1977, 231.232 =) 1993h, 245. 246. 128 J. B AUR, (1977, 209–216, hier: 209 =) 1993h, 219–226, hier: 219. 129 J. B AUR, (1977, 210f =) 1993h, 220. 130 J. B AUR, (1977, 211 =) 1993h, 220. 131 J. B AUR, (1977, 209f =) 1993h, 219. 132 J. B AUR, (1977, 213 =) 1993h, 223. 133 J. B AUR, (1977, 212 =) 1993h, 222. 134 J. B AUR, (1977, 214|f =) 1993h, 224|f. – Vgl. auch DERS., 2007, 281–288. 126
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So hat Th. Mahlmann zwar Baurs Rückführung der Christologie Mentzers auf Thesen von Heshusius und Hunnius zugestimmt, ansonsten aber eine Deutung des Kenosisstreites skizziert, die die Rollen im theologiegeschichtlichen Theater konträr besetzt: Es ist der Traditionsbruch der neuen Tübinger, der eine christologische „Theorie-Krise“ auslöst, sie wird dann von Mentzer in der legitimen, einst auch von den älteren Schwaben mitgetragenen Tradition lutherischer Christologie geklärt und bewältigt.135 – Auch Baurs „zusätzliche Hypothese ..., es habe in Wittenberg bereits seit den 90er Jahren eine Opposition gegen Hunnius gegeben“, halte „der Überprüfung an den Quellen nicht stand“. 136 Mahlmanns Contra hat, ohne Bezugnahme auf den Vorgänger, Markus Matthias in seiner Hunn-Interpretation ‚wiederholt‘ und ausführlicher zu begründen versucht,137 bei nun allerdings dem Einwand Mahlmanns konträrer Voraussetzung und Zielrichtung. Während Mahlmann nachzuweisen sucht, daß die vermeintlichen ‚Opponenten‘ homophon mit Hunn dessen Konzept der ‚praesentia intima‘ verträten, bestreitet Matthias schon die Mahlmann und Baur gemeinsame, lediglich den bis dato durchgehenden Konsens der Forschung repetierende Voraussetzung in der Interpretation Hunns selbst: Keineswegs rede dessen praesentia-intima-Konzept einer ‚prinzipialisierten‘ Trennung von Personeinheit und Allgegenwart das Wort. Hunn reserviere zwar die Teilhabe der Menschheit am Weltregiment dem status exaltationis; die Allgegenwart als solche sei aber, weil mit der Binnenvermittlung der Naturen gesetzt, auch der erniedrigten Menschheit kontinuierlich zu eigen – es gibt „bei Hunnius keinen Verzicht auf die Allpräsenz“.138 – Sollte diese Behauptung, die Hunn de facto zum Vertreter, ja Begründer der sich dann auch im späteren kenotischen Streit zu Wort meldenden ‚Mittelpartei‘ erklärt, zutreffen, ergäbe sich ein von Baurs Rekonstruktion erheblich abweichendes Bild der Lehrentwicklung zwischen der Konkordie und dem Kenosis-Streit.139
1.5 Der gegenwärtige Forschungsstand erlaubt keine begründete Entscheidung der vorgestellten Alternativen. Als solcher Bestand behalten dürfte J. Baurs Hinweis auf die Bedeutung, die der sächsischen Theologie bei der Neuvermessung des ‚Weges zur klassischen Tübinger Christologie‘ zukommt. Deren Verhältnis zu den schwäbischen Entwicklungen wird genauer zu prüfen sein. Eindeutige Verflechtungen bestehen auf der personalen Ebene; es sind bis zum Bruch im kenotischen Streit entscheidend schwäbische Theologen (Hunn, Hutter, Leyser), die nach der lutherischen Restauration (1591ff) das Profil sächsischer Christologie nicht nur in Wittenberg maßgeblich prägen. Und tatsächlich werden sich, wie Baur unterstreicht, die neuen Tübinger für zentrale Theoreme ihrer als ‚Neuerung‘ kritisierten 135 MAHLMANN, 1981c, S. XIIf.; vgl. DERS., 1969, 15. – Mahlmanns spätere Selbstkorrektur in der Bewertung der Tübinger und Gießener Christologie (1990, 143) revoziert auch diese genetische Zuordnung; als solche wird sie aber zu diskutieren sein. 136 MAHLMANN, 1981c, S. XII. 137 Es „ist der von Baur reklamierte zeitgenössische Widerspruch gegen Hunnius’ Konzept, insbesondere seitens seiner Wittenberger Fakultätskollegen Leonhart Hütter ... und Salomon Gesner ... nicht zu halten“ (M. MATTHIAS, 2004, 219–221, hier: 219). 138 „Anders [als mit der Majestät der Weltregierung] verhält es sich mit der Allgegenwart. Diese Eigenschaft hat Christus [nach seiner Menschheit] auch im status exinanitionis“ (2004, 190–192, hier: 191, Kursivierung M.; vgl. 210–223, bes. 215.218). 139 Vgl. MATTHIAS’ explizite ‚Umschreibung‘ der von J. BAUR vorgetragenen theologiegeschichtlichen Rekonstruktion: 2004, 216–221, bes. 219ff. Zur – knappen –Auseinandersetzung mit Matthias vgl. u. [C.] Anm. 641; [D.] Anm. 838.
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Position auf ‚Vorläufer‘ in Sachsen (v.a. S. Gesner) berufen.140 – Wie komplex allerdings diese Koinzidenz von Differenz und Nähe im Detail sein dürfte, deuten auch die in der kenotischen Kontroverse zu Tage tretenden innersächsischen Differenzen an.141 All diese hier zunächst nur notierten Texte und Stimmen signalisieren eine positionelle Differenziertheit lutherischer Christologie, die dem 1620 manifest werdenden Gegensatz von Gießen und Tübingen zeitlich deutlich vorangeht, bisher aber ganz unzureichend erhellt ist und darum hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Genese der neuen Tübinger Christologie noch detaillierter auszuloten sein wird.
1.6 Als Ergebnis der neueren Diskussion über die ‚genetische‘ Frage läßt sich summieren, daß das zentrale Erklärungsmuster der älteren Forschung widerlegt ist. Als notwendige oder doch erwartbare Re-Dissoziation zweier dem Ansatz nach konträrer Theorien (‚Brenz‘ vs. ‚Chemnitz‘), deren sachlich unausgeglichene Synthese (FC) aufgrund nochmals metaphysischrationalistisch forcierter Verschärfung der antagonistischen Grundtendenzen nicht mehr zu halten war, läßt sich der 1619ff zu Tage tretende kenotische Konflikt nicht erklären. Eine stichhaltige positive Deutung, die diesem ‚negativ‘ eindeutigen Ergebnis an die Seite träte, vermögen die neueren Untersuchungen indes noch nicht anzubieten.142 Das Rätsel, das mit der Genese der ‚neuen‘ Tübinger Christologie gestellt ist, ist insofern wieder (besser: noch) offen. Es wird nicht zu lösen sein ohne eine Antwort auf die Frage, welches Thema diese ‚Revision der Revision‘ inhaltlich bestimmt und auf den Weg bringt – ‚wozu dienen solche disputationes?‘ 2. Das ‚Thema‘ der neuen Tübinger Christologie 2.1 Auch vehemente Kritiker der neuen Tübinger Christologie haben die ‚speculative Konsequenz‘ dieses Entwurfs konzediert, aber eben darin zugleich eine entscheidende Wurzel des hier, in konsequenter Ausprägung, kraß zu Tage tretenden Schadens erkennen wollen.143 Als Thema, an dem diese so ambivalente Konsequenz zur Anschauung kommt, gilt üblicherweise der Topos der communicatio Majestatis, deren durch die konkordi140
Vgl. u. E.II.4.2 resp. E.III.4.1.2 (bei u. mit Anm. 340. 341). Hatte die erste Stellungnahme der Sachsen – B. Meisners Brevis Consideratio 1621 – für eine ‚mittlere‘ Position ([C.] Anm. 301; vgl. in der Sache D.IV.5.2.2) optiert, so korrigiert die ‚offizielle‘ Decisio Saxonica 1624 dies auf die Gießener These hin – ein aber auch in Sachsen selbst als ‚calvinistischer‘ Verrat an der eigenen Lehrtradition heftig kritisierter Schwenk (u. [C.] Anm. 691; [F.] Anm. 13. 14). 142 Die gilt auch für die dem Titel nach einschlägige Untersuchung von J.A. FARREN, 1974: Sie ist weithin thematisch anders orientiert (eucharistische Präsenz; Verhältnis zur katholischen Lehrbildung); die direkt mit dem Kenosis-Streit befaßten Partien (11–32. 201–281) beschränken sich quellenmäßig fast ausschließlich auf Mentzer und führen nicht über die älteren deutschen Darstellungen hinaus. – Für die hier verfolgten Fragen nicht weiterführend auch M.P. HOOGLAND, 1966, und J.B. W AGNER, 1964. 143 Vgl. nur das o. zu F. Loofs Notierte (bei u. mit Anm. 54–61). 141
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stische Status-Lehre gezogene Limitation die neuen Tübinger aufsprengen. Nicht gänzlich übersehen, aber eher nur referiert wird hingegen, daß dieselbe Tübinger Christologie an einem zweiten Punkt von der konkordistischen Fassung der Idiomenkommunikation dissentiert. Sie erweitert deren Trichotomie durch ein weiteres Genus, das – reziprok analog zur communicatio Majestatis und dieser dispositionell vorgeordnet – eine qua ‚Aneignung‘ (Idiopoiesis, appropriatio) vollzogene Betroffenheit der göttlichen Natur durch die menschlichen Eigentümlichkeiten behauptet; seine Spitze hat dieses vierte, systematisch erste ‚idiopoietische Genus‘ in der hier rubrizierten und begründeten ‚theopaschitischen‘ These eines Leidens der göttlichen Natur: Natura divina (divinitas) est passa Carne.144 2.2 Auch mit dieser zweiten ‚Extravaganz‘ erneuern die Tübinger von 1619ff eine These, die am Anfang schwäbischer Christologie bereits J. Brenz vertreten, dann aber bald wieder aufgegeben hatte, ohne daß sie aus der schwäbischen Tradition definitiv verschwindet – in der nachkonkordistischen Zeit bildet sie ein von der konfessionellen Polemik angegriffenes, aber auch binnenlutherisch kritisiertes Spezifikum schwäbischer Christologie.145 – Hierin eher eine Marginalie zu sehen,146 die für die Erhellung des Gesamtentwurfs nichts austrägt, dürfte das sachliche Gewicht dieser Erweiterung der tradierten Lehrform erheblich unterschätzen. In seiner konzisen Skizze der ‚konstruktiven‘ Entfaltung der Personeinheit durch die lutherische Christologie hat W. Sparn mit Recht auf das gravierende ‚Problem‘ hingewiesen, daß hier mit der üblichen asymmetrischen, nur auf das Majestätsgenus beschränkten Durchführung der realen Idiomenkommunikation zwischen den Naturen entsteht: dieses „einseitige[...] Gefälle [entsprach] nicht der angenommenen Wechselseitigkeit einer Gemeinschaft, in der die Menschheit wahrhaft an der Herrlichkeit der Gottheit, aber ebenso wahrhaft diese am Leiden und Sterben der Menschheit teilnimmt: Gott selbst ist tot“.147 Da ein diesem Interesse Rechnung tragendes genus tapeinoticum im strikten Sinne nach homophoner Sicht der Zeit „dem (philosophischen wie biblischen) Grundsatz der Leidenslosigkeit Gottes widerspräche, wird eine Zwischenlösung vorgezogen, mit der immerhin die FC korrigiert wird“ – es kommt zur Ausbildung der These einer ‚Aneignung‘
144 Vgl. etwa DORNER, 1856a, II, 787 Anm. 16 (Hafenreffer), 796f. – Gründlicher und theologisch höher taxierend T HOMASIUS, 1886, I, 595–598: Mit dem eigenständigen Genus der Idiopoiesis führen die Tübinger „das Dogma um einen bedeutenden Schritt weiter, oder vielmehr sie kehren über Brenz und Chemnitz zu Luther zurück, und holen die von diesem bereits so energisch geltend gemachte, seitdem aber zurückgestellte Seite wieder nach – ein Schritt, den die Grundanschauung notwendig fordert, eine wahre Bereicherung der Christologie“ (595). Doch läßt Thomasius’ knappes Referat (595f) nicht recht deutlich werden, worin der ‚bedeutende Schritt‘ und die ‚wahre Bereicherung‘ dieser Tübinger Modifikation nun genauerhin bestünden. 145 Vgl. dazu zusammenhängend D.I. 146 So, wenn die Tübinger Erweiterung als Versuch gilt, lediglich „die Lehre von der Comm. Idd. klar zu ordnen“ (DORNER, 1856a, II, 787 Anm. 16; Kursivierung U.W.). 147 W. SPARN, 1988, 5f, Zitat: 5,36–39 (umgestellt, Hervorhebung U.W.).
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(appropriatio) des Leidens durch die göttliche Natur oder Gott, verortet entweder innerhalb eines neu eingeführten eigenständigen Genus (so die oben beschriebene Tübinger Modifikation) oder, weniger konsequent, rubriziert als herausgehobenes Moment innerhalb des 1. konkordistischen Genus. 148
Die von Sparn benannte Frage der Symmetrie der Idiomenkommunikation, deren gemessen am ‚Prinzip‘ problematische Lösung durch die konkordistische Christologie nur vereinzelt eingehender analysiert worden ist,149 muß als ein zentrales Konstruktionsproblem lutherischer Christologie gelten. Soll das lutherische Interesse an der ‚Menschlichkeit‘ Gottes eine konsistente Durchführung finden, ist die Vermittlung von Gott und Mensch symmetrisch zu denken; der Erhöhung des Menschen zur göttlichen Majestät hätte das Eingehen Gottes in menschliche Niedrigkeit zu korrespondieren. Das erste Genus der FC scheint diese Symmetrie zu intendieren, wenn es die Mitteilung der Eigentümlichkeiten beider Naturen an die ‚ganze Person‘ aussagt. Doch eine Kommunikation zwischen den Naturen wird dann nur einseitig mit der communicatio Majestatis entfaltet, die gegenläufige Teilhabe ‚Gottes‘ am menschlichen Leiden hingegen nur als ‚Einschub‘ in das erste Genus de tota persona – und damit alternativ zu einer Betroffenheit der göttlichen Natur selbst gedacht. Diese Asymmetrie betrifft, wie J. Baur geltend gemacht hat, die Tiefenstruktur der FC-Konzeption. Das lutherisch fundamentale Verständnis der Personeinheit als Gemeinschaft der Naturen wird nicht konsequent in der inhaltlichen Fassung und der Disposition der Genera zur Geltung gebracht; in Spannung zu diesem kommunikativen Verständnis der Person stehen – „unerkannt in ihrer Unverträglichkeit“ – die Bestimmungen des 1. Genus der FC, wenn sie von der ‚ganzen‘ Person als etwas Drittem neben der communio der Naturen, deren Vermittlung schon Vorgegebenem, sprechen.150 2.3 Die notierten Beobachtungen fügen sich noch nicht zu einem Gesamtbild, legen aber nahe, dem Problem der Symmetrie der Idiomenkommunikation und der darauf bezogenen Tübinger Ausbildung eines ‚theopaschitischen‘ Genus bei der Frage nach der Genese und dem Thema dieser neuen Christologie besondere Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen. Dafür spricht, über das von W. Sparn und J. Baur Benannte hinaus, auch diese Einsicht: Die ‚theopaschitische‘ Frage stellt in systematischer Hinsicht vor genau die Aufgabe, der sich lutherische Christologie zunächst durch die These der communicatio Majestatis konfrontiert sieht: ein Seiendes zu denken, das in der Simultaneität des Konträren, als Vermittlung
148
W. SPARN, 1988, 5,39–48, Zitat: 40–42. Vgl., an diesem Punkt in der Sache konvergierend, F.H.R. FRANK, 1863 (u. D.I. 4.2), und R. SCHRÖDER, 1983, 181–209, bes. 195ff. 150 J. B AUR, 1978a, 201f, Zitat: 202. 149
III. Ziel und Methode der Untersuchung
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größter Gegensätze ‚ist‘ – bestimmt durch eigenes Wesen und zugleich durch diesem Wesen widersprechendes koexistierendes Fremdes. Ob und wie diese lutherischer Christologie ab ovo zunächst mit der communicatio Majestatis gestellte Aufgabe von deren schwäbischer Linie zwischen der Konkordie und dem Kenosisstreit am theopaschitischen Fall noch einmal und nun gründlicher gelöst wurde, und ob und wie die an dieser ‚anderen Frage‘ fortentwickelte Lösung im Wege ihrer erneuten Anwendung auf das erste Thema zu jener nun konsequenten Ausbildung der communicatio Majestatis führte, welche die ‚neue‘ Tübinger Christologie konstitutiv impliziert – diese Frage wird zu einer leitenden ‚Schlüsselfrage‘ für die Untersuchung von Genese und Thema jenes von Anfang an und immer noch erratischen ‚hochärgerlichen Gezänckes‘.
III. Ziel und Methode der Untersuchung III. Ziel und Methode der Untersuchung
1. Die summarisch überblickte neuere Forschung hat Fortschritte in der Sondierung des Vor- und Umfeldes der ‚neuen‘ Tübinger Christologie gebracht, ohne indes schon die Fragen nach deren spezifischem ‚Thema‘ und ‚entwicklungsgeschichtlichem Ort‘ zureichend beantworten zu können. Im Gegenteil tritt die Erratizität dieser Position noch einmal verstärkt vor Augen, die ihre Protagonisten nicht nur in die binnenlutherische Isolierung führt, sondern auch den Bruch mit der durch ein halbes Jahrhundert hin konstanten Lehrtradition schwäbischer Christologie selbst bedeutet. 1.1 An diesem Punkt setzt die vorliegende Untersuchung an. Ihr Ziel ist es, eine präzisierte Klärung des Themas und der Genese der 1619ff in Tübingen vorgetragenen Position zu erarbeiten. Diese Klärung geschieht in systematisch-theologischer Absicht und Ausrichtung. In der durch die vorstehenden Überlegungen gestützten Annahme, daß der Tübinger Traditionsbruch sich nicht (pragmatisch) im Rekurs auf vermutete oder deklarierte Dispositionen der Beteiligten – auch nicht der Tübinger Protagonisten selbst151 –, sondern nur auf der semantischen Ebene der vorgelegten Texte selbst klären läßt, sollen durch eine detaillierte Inspektion der relevanten 151 Es ist die Möglichkeit in Rechnung zu stellen, daß das tatsächliche ‚Thema‘ und ‚Movens‘ der Tübinger Christologie nicht identisch sind mit dem, was deren Vertreter selbst als ‚Intention‘ vortragen. Zudem will auch auf im Blick auf diese frühneuzeitliche ‚theologische Gedankenwelt‘ beachtet sein, was M. M ATTHIAS für seine Interpretation der Theologie von Ä. Hunnius notiert hat: „Während der moderne Interpret die theologische Gedankenwelt von Hunnius nach ihrer Aussageintention und (finalen) Bedeutung befragt, darf man diese Denkformen bei Hunnius weder explizit noch implizit erwarten. Ein solches funktionales oder intentionales Denken ist Hunnius fremd. Für ihn sind die theologischen Zusammenhänge schlicht wahr und objektiv“ (2004, 35).
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Quellen die inhaltlichen Pointen dieser Tübinger Neuorientierung rekonstruiert und deren Ort innerhalb der komplexen Problemgeschichte lutherischer / schwäbischer Christologie vermessen werden. Weiter in der Überzeugung, „daß das Verständnis des Anfangsstadiums einer Ideenrichtung für eine richtige Fassung derselben in ihrer Gesamtheit von entscheidender Bedeutung sein kann“,152 wird das ungeklärte ‚Rätsel‘ der neuen Tübinger Christologie so angegangen, daß diese Lehrbildung in statu nascendi untersucht wird, und dies in doppelter Hinsicht: zunächst im Blick auf die im Jahr 1619 vorgelegten initialen Texte dieser Christologie selbst; weiter sodann im Blick auf diejenigen Texte ihrer sachlichen Vorgeschichte, welche die ‚neuen‘ Argumente bereits entwickeln oder doch präformieren. Die Fragen nach Thema und Genese stehen in einem Wechselverhältnis. Der Einsatz erfolgt am ersten Punkt: erst eine anfängliche Rekonstruktion des Themas ermöglicht einen geklärten Bezug auf vorlaufende und zeitlich parallele Positionen, diese diachrone wie synchrone Kontextualisierung erlaubt dann eine noch einmal präzisierte Analyse der Tübinger These. 1.2 Mit der so orientierten Frage nach Thema und Genese der Tübinger Christologie verfolgt die Untersuchung, trotz ihres äußeren Umfanges, ein in verschiedener Hinsicht eingeschränktes Ziel. 1.2.1 So liegt eine i.e.S. historische Rekonstruktion der kenotischen Kontroverse außerhalb des Interesses dieser Arbeit.153 Soweit äußere Abläufe in den Blick genommen werden, geschieht dies primär in der Absicht, die Entstehungszusammenhänge der relevanten Texte zu klären. Unbestritten stellt auch der Kenosis-Krypsis-Streit nicht anders als die weiteren ‚gelehrten Konflikte‘ der frühen Neuzeit ein „integrales Phänomen“ dar, in dem sich auf oftmals intrikate Weise persönliche, soziale, politische und ideengeschichtliche Faktoren verknüpfen, überlagern und wechselseitig stimulieren.154 Eine umfassende Auf152
So, in anderem Zusammenhang, R. BRING, 1955, 9. Vgl. MAHLMANN, 1969, 16. Auch auf detailliertere Ausführungen zu den beteiligten Personen wird verzichtet. 154 Vgl. dazu exemplarisch M. FRIEDRICHs ‚integrale‘ Aufarbeitung des von und um Daniel Hof(f)mann geführten Streites über das Verhältnis von Vernunft und Glaube: 2004, bes. 11–18. 378–391, Zitat: 16. – Den „Versuch einer sozialpsychologischen Interpretation“ des Kenosis-Streites, jedenfalls des Tübinger Parts, hat vorgelegt: U. B UBENHEIMER, 1994, 26–43; vgl. DERS., 1993, 307–341. Bubenheimers auf die Phänomene von Gruppenidentität sowie soziale Aus- und Abgrenzung abstellende (1994, 26f) Skizze der ‚Gruppenstruktur‘ der Tübinger theologischen Fakultät (27–32) und anschließend der kenotischen Kontroverse, die diese „Lehrstreitigkeiten als gruppendynamische[n] Prozeß“ zu erhellen sucht (32–35, hier: 32), ergänzt die älteren Darstellungen um einzelne Daten und dürfte mit dem Hinweis auf die gruppendynamischen Aspekte für eine umfassende Interpretation tatsächlich relevante Faktoren benannt haben. Daß dann die inhaltliche Bestimmung der Kontroverse erklärtermaßen „das zwischen den Parteien strittige dogmatische Problem vereinfacht [zusammenfaßt]“ (32), ist angesichts des differierenden Skopus der Analyse nicht zu kritisieren. Problematisch erscheint freilich, daß die nun ‚sozialpsychologisch‘ grundierten Porträts der Tübinger Protagonisten auffällig an die Charakterskizzen der individualisierend interpretierenden älteren Forschung (o. Anm. 25) erinnern: „Der ultraorthodoxe [was ist das? – U.W.] Thumm war der Typ eines zu Kom153
III. Ziel und Methode der Untersuchung
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arbeitung hätte diese verschiedenen Konfliktebenen je für sich zu untersuchen und zugleich deren Interdependenzen nachzugehen. Die Aufgabe, die kausalen und hierarchischen Beziehungen dieser heterogenen Kontexte zu bestimmen, stellte dann freilich vor die Frage, wie Zusammenhänge von Sozial- und Symbolsystemen methodisch stringent zu fassen sind.155 Zudem setzt jede synthetische Betrachtung voraus, daß die Ebenen zunächst auch je für sich zureichend beschrieben werden. 156 – Die vorliegende Untersuchung unternimmt letzteres für die theologisch-semantische Ebene des Kenosis-Streites, dabei voraussetzend, daß diese theologischen Fragen keine Epiphänomene darstellen, die auf fundamentalere Ebenen reduziert werden könnten. 1.2.2 Die systematisch-theologische Rückfrage ist ihrerseits dadurch weiter eingegrenzt, daß sie nicht auf eine gleichgewichtige Rekonstruktion der konkurrierenden Entwürfe zielt. Das Interesse gilt der Tübinger Neuorientierung. Diese wird zwar ‚angestoßen‘ durch die im Gießener Fakultätsstreit vorgetragenen Thesen B. Mentzers und J. Feurborns; dieser äußere terminus a quo ist insoweit auch darzustellen und zu analysieren. Zureichend erklären läßt sich die schwäbische Position aus diesem aktuellen Gegenüber allerdings nicht; ihre Wurzeln liegen noch einmal weiter zurück in Debatten der vorangehenden Generation lutherischer Christologie. Diesem sachlichen terminus a quo wird entsprechende Aufmerksamkeit zu gelten haben.157 1.2.3 Aber auch eine umfassende Darstellung der Tübinger Position selbst ist nicht zu erwarten. – So können Entwicklungen anderer theologischer Topoi, auch wenn sie mit dem thema christologicum in einem sachlichen Konnex stehen, nur in einem begrenzten Maß behandelt werden. Auf die Bedeutung der fundamentaltheologischen Neuorientierungen ist schon hingewiesen worden.158 Entsprechendes gilt für die der Christologie systematisch eindeutiger verknüpften soteriologischen Loci der Rechtfertigung und der unio mystica; eine Korrelation der auch hier zwischen Gießenern und Tübingern begegnenden Lehrdifferenz mit deren christologischem Dissens lassen neuere Untersuchungen
promissen wenig bereiten Streittheologen“ (30). Und wenn sich Bubenheimer auch durch „eine psychologische Deutung des Streites“ ‚anregen‘ läßt, „die bereits Johann Valentin Andreae … gegeben hat“, so wird damit ein nicht eben unparteiischer „Zeitgenosse und Augenzeuge“ (34) aufgeboten: daß Andreaes Kritik an der ‚Rücksichtslosigkeit‘ und ‚Streitlust‘ „gewisser Leute“ (34 bei u. mit Anm. 27 – bezogen auf Thumm und Osiander) aufgrund eigener ‚Betroffenheit‘ diesem „Zeitgenossen … naheliegen (konnte)“, wird zwar notiert (35, umgestellt), bleibt aber in seiner Problematik doch wohl unterschätzt, wenn aus jener „auf den ersten Blick individualpsychologische[n] Deutung“ Andreaes dann recht umstandslos die weittragende „sozialpsychologische Implikation“ destilliert wird (35). – Doch verdienen Bubenheimers Vorstöße eine gründlichere Auseinandersetzung als für die aktuelle Untersuchung möglich und nötig. 155 Vgl. das u. A.III.4.2 zum ‚Krisen-Konzept‘ Angemerkte. 156 Auch FRIEDRICH votiert dagegen, „einzelne Ebenen eines Streitgeschehens – soziale, ideengeschichtliche, politische – gegeneinander auszuspielen“ (2004, 16); und seine ‚integrale‘ Aufarbeitung des Hofmannstreites verfährt näher hin so, daß auch sie in einem ‚zweifachen Durchgang‘ eine ‚Darstellung des konkreten Streitgeschehens‘ und eine ‚Analyse der Inhalte und ihrer Traditionen‘ differenziert, freilich mit der Absicht, dabei „immer wieder die Wechselbeziehungen beider Aspekte auszuweisen“ (2004, 18). 157 Das hier nur thetisch Notierte erfährt seine Begründung durch das, was erst später als Ergebnis der Untersuchung der Gießener Debatte (B., bes. B.V.) und deren – modifizierender – Aufnahme durch die Tübinger (C.II.1; C.II.2.4) dargelegt werden kann. 158 Vgl. o. A.I.3.2.
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vermuten. 159 – Und im Blick auf die christologische Frage selbst: Mit der Bestimmung von ‚Thema‘ und ‚Genese‘ erarbeitet die vorgelegte Untersuchung zwar wesentliche Grundlagen für eine umfassende Darstellung und wird abschließend Perspektiven dafür benennen. Sie leistet aber diese Gesamtinterpretation, die neben bestimmten binnenchristologischen Komplexen (u.a.: exegetische Grundlegung) auch den korrelierten Themen der Gottes- und Trinitätslehre sowie der Soteriologie noch einmal intensiver nachzugehen hätte, nicht schon selbst in abschließender Weise. 1.2.4 Schließlich: Die vorgetragene Bestimmung der ‚Genese‘ der Tübinger Christologie impliziert Grundlinien einer Entwicklungsgeschichte lutherischer Christologie – v.a. in den Jahren 1580–1620 – überhaupt; diese Entwicklungsgeschichte selbst aber zu schreiben, verlangte eine analoge Aufarbeitung weiterer umfänglicher Textcorpora.160
2. Disciplinae dogmaticae forma non minus historica quam systematica esse debet.161 – Es macht den Reiz, zugleich auch die Schwierigkeit einer Arbeit zu theologischen Themen der ‚altprotestantischen Orthodoxie‘162 aus, daß sie systematische und historische Perspektiven miteinander verknüpfen muß. Dies gilt, in den genannten Grenzen, auch für die eindeutig auf die inhaltlich-semantische Dimension ihres Gegenstandes ausgerichtete Untersuchung. Zur ergänzenden Konturierung der Zielbestimmung und als Überleitung zu den Überlegungen zum Aufbau der Arbeit sollen einige Tendenzen und Thesen der gegenwärtigen (kirchen-)historischen Forschung zum relevanten Zeitraum überblickt werden. 2.1 Die bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wirksame Tendenz, die Jahrzehnte nach 1555 als eine im Vergleich zum ‚heroischen‘ Aufbruch der Reformationszeit ‚epigonale‘ Epoche abzuwerten, ist von der jüngeren historischen Forschung gründlich korrigiert worden. Die Klage über das unerforschte ‚Niemandsland‘163 ist zwar nicht obsolet geworden, darf aber doch nach der intensivierten Erkundung, die das „konfessionelle
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F. NÜSSEL, 2000, 178–238. 239–294, bes.252–278. – Vgl. u. C.II.3.2.2.5.2. Aus Gründen des Umfangs der Untersuchung muß eine quellenmäßige Behandlung der vorkonkordistischen Diskussion weithin unterbleiben. Und auch im Blick auf die nachkonkordistische Entwicklung waren Einschränkungen vorzunehmen. Quellenmäßig unberücksichtigt bleiben z.B. die Entwürfe Philipp Nicolais. Die dort vollzogene ‚mystische‘ Wendung der lutherischen Christologie geht deren ‚ontologischer‘ Präzisierung, wie sie die Tübinger Neuorientierung prägt, zwar zeitlich parallel, bildet aber doch eine Entwicklung sui generis, die sich „vom Hauptstrom der Lehrentwicklung an den theologischen Fakultäten löst“ (vgl. J. B AUR, 1993g, 185–189, Zitat: 185). – Ebenso muß weitgehend außer Betracht bleiben, in welchem Verhältnis die nachkonkordistischen Positionen zur Christologie Luthers stehen; vgl. dazu auch das von TH. MAHLMANN, 1969, 16, im Anschluß an H.E. WEBER, 1937, I/1, S. X Dargelegte. 161 Habilitationsthese von Joh.Chr.K. von Hofmann (1838; P. W APLER, 1914, 58). 162 Überblicke: M. MATTHIAS, 1995; O. FATIO, 1995; J. B AUR, 1995; J. ROHLS, 1991; J. B AUR/W. SPARN, 1991; J. W ALLMANN, 2003; TH. KAUFMANN, 2003. –Vgl. auch: J. W ALLMANN, 1992, 33–53, bes. 39ff; H.C HR. RUBLACK, 1992a. 163 J. W ALLMANN, 1992, 47f, hier: 48. 160
III. Ziel und Methode der Untersuchung
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Zeitalter“164 besonders seit ca. 1980 erfahren hat, leiser geführt werden. Doch tendieren diese historischen Vorstöße zu einer ‚funktionalen‘ Wahrnehmung und Interpretation von Religion und Theologie, wie sie mit der leitenden Kategorie des ‚Konfessionalierungsparadigmas‘ verknüpft ist. Mit dem makro-historiographischen Paradigma der ‚Konfessionalisierung‘165 sucht die Geschichtswissenschaft die Zeit des ausklingenden 16. Jh.s und den Beginn des 17. Jh.s als die Phase der entscheidenden Transformation zur Neuzeit einheitlich dadurch zu beschreiben, daß sie die hier statthabende Ausbildung des frühneuzeitlichen Staats- und Gesellschaftssystems als maßgeblich durch den religiösen Faktor des Christentums je in Gestalt einer von dessen konkurrierenden konfessionellen Ausprägungen bestimmt erläutert – als „den Prozeß der Durchdringung, Umwandlung und Formierung von Staat, Kultur, Rechtsleben, Wissenschaften, schließlich der ganzen Gesellschaft durch den Geist eines konfessionellen Christentums“. 166 ‚Religion‘ kommt in dieser Perspektive hinsichtlich ihrer Funktion für die anderen gesellschaftlichen Subsysteme (resp. gegenläufig in ihrer Abhängigkeit von diesen oder Instrumentalisierung167 durch diese) in den Blick. Die Folge dieser ‚funktionalen‘ und ‚teleologischen‘ Perzeption ist eine gewisse Marginalisierung der inhaltlichen Bestimmtheit von Theologie und Frömmigkeit. 168 Mit dem Konfessionalisierungsparadigma weiter verknüpft ist eine Bestimmung der Epochen-Zäsur zwischen Mittelalter und Neuzeit. Hatte E. Troeltsch Reformationszeit und noch das 17. Jh. kulturgeschichtlich eher dem Mittelalter zugeordnet, die ‚moderne Welt‘ erst nach dem Ende des konfessionellen Zeitalters in den Aufbrüchen von Pietismus und Aufklärung anheben lassen, avancieren nun „die Jahrzehnte um 1600“ zur „‚Vorsattelzeit der Moderne‘“. 169 In der Folge wird die ältere Distanzierung von Reformation und konfessionellem Zeitalter revidiert; einer strikten Abgrenzung stehen vielfältige und elementare Kohärenzen entgegen: „‚Reformation‘ und ‚konfessionelles Zeital164 So die von E. Troeltsch geprägte Bezeichnung; vgl. T H. KAUFMANN, 2001; DERS. 2006, 4 bei u. mit Anm. 4. – Zu den terminologischen Debatten – ‚Orthodoxie‘, ‚Konfessionelles Zeitalter‘, ‚Barocktheologie‘ u.a. – vgl. neben den entsprechenden Passagen in den o. Anm. 162 genannten Arbeiten konzis auch F. N ÜSSEL, 2000, 11 Anm. 1. 165 J. W ALLMANN, 1992, 34–39; H. SCHILLING, 1995a, 1–49; T H. KAUFMANN, 1996; H. KLUETING, 2001. – Neuere Beiträge von kirchengeschichtlicher Seite: M. MATTHIAS, 2004, 13–26, K.G. APPOLD, 2004, 1–3; M. NIEDEN, 2006, 4–6; T H. KAUFMANN, 2006, 3– 26; M. P OHLIG, 2007, 23–31; A. OHLEMACHER, 2010, 66–71. 166 J. W ALLMANN, 1992, 34–39, hier: 35. 167 Sc. zur ‚Sozialdisziplinierung‘, ‚Normenstabilisierung‘, etc. – Vgl. im Zusammenhang des damit gegebenen Interesses an den vermittelnden und ‚medialen‘ Aspekten der Theologie (‚Theologie und …‘) auch grundlegende Arbeiten der neueren historischen Predigtforschung: M. HAGENMAIER, 1989; N. HAAG, 1992, sowie, bes. für Tübingen, S. HOLTZ, 1993, v.a. 109–120. 314ff. 168 Stark pointiert: „Die Beschreibung der zwischen- und innerkonfessionellen Gegensätze sowie ihrer gesellschaftlichen und politischen Funktion und Auswirkung kann – schon wegen der geforderten Komparatistik, aber auch wegen der teleologischen Betrachtungsweise – auf die Interpretation der Inhalte konfessioneller Theologie und Frömmigkeit ebenso verzichten wie auf eine Analyse ihrer Entstehung. Als Paradigma der politischen Geschichte ist das Konfessionalisierungsparadigma an der Funktion der Religion, nicht an ihr selbst interessiert“ (M. MATTHIAS, 2004, 17). 169 Vgl., auch zur Lit., H. SCHILLING, 1995a, 4f, hier: 5; vgl. M. M ATTHIAS, 2004, 14.
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ter‘ sollten deshalb als zwei zu unterscheidende, aber untrennbar miteinander verbundene historische Etappen innerhalb einer Epoche der Frühen Neuzeit behandelt werden“. 170 Gerade aufgrund dieser ‚synoptischen‘ Perspektive kommen dann der eigenständige Charakter und die eigentümlichen Leistungen jener Jahrzehnte zwischen dem Augsburger Religionsfrieden und dem Westfälischen Frieden deutlicher vor Augen. In dieser ‚zweiten Etappe‘ der Frühen Neuzeit171 vollzieht sich nicht weniger als die „Definition und Konstruktion des lutherischen Protestantismus als Konfession“. Auf dem Wege einer „konfliktreiche[n] theologische[n] Auslegungs- und Aneignungsarbeit“ entsteht, in Auseinandersetzung mit den römisch-katholischen und calvinistischen Gegenentwürfen, v.a. aber mit binnenlutherischen172 Rezeptionsvarianten der maßgeblichen Vorgabe der Confessio Augustana, allererst „jene konfessionstheologische Identität ..., deren Existenz das Reichsreligionsrecht voraussetzte“.173 Dieser seit der interimistischen Krise laufende Prozeß der Klärung und Formierung erreicht mit dem 1577/80 zum Erfolg kommenden Konkordienprojekt fraglos einen ersten Zielpunkt, aber keinen Schlußpunkt: „Eine definitive theologiepolitische Pazifizierung und dogmatische Integration des lutherischen Protestantismus leistete die Konkordienformel nicht“.174
2.2 Mit der Relativierung der Konkordienformel als ‚epochaler‘ Zäsur, die keineswegs die enorme historische wie theologische Leistung dieses Unternehmens verkennen muß,175 ist die Frage nach dem dennoch besonderen Profil der nachkonkordistischen Zeit nicht obsolet, sondern erst recht ge170 „Denn die Reformation lebte ja in Gestalt der Tradierung und Aktualisierung prägender Vor- und Feindbilder, verbindlicher Texte, autoritativer Symbole und eingeübter Rechtsnormen und ritueller Praktiken im ‚konfessionellen Zeitalter‘ fort. ... ‚Reformation‘ und ‚konfessionelles Zeitalter‘ sollten deshalb als zwei zu unterscheidende, aber untrennbar miteinander verbundene historische Etappen innerhalb einer Epoche der Frühen Neuzeit behandelt werden“ (T H. KAUFMANN, 2006, 7 [kursiv K.], vgl. ibd. 8). 171 Vgl. TH. KAUFMANN, 2006, 7. 172 „Der theologische und theologiepolitische Klärungsprozeß zwischen ca. 1548 und 1577 ging in der für die lutherische Konfessionskultur im ganzen charakteristischen ... Form eines konfessionsinternen Streit- oder Dissonanzprozesses vonstatten“; „die interne Streitbarkeit der Lutheraner war in quantitativer, vor allem aber in qualitativer Hinsicht ausgeprägter als die der konkurrierenden Konfessionen ... Lutherische Identität formierte sich im Streit; lutherische Konfessionskultur ist in theologiegeschichtlicher Perspektive primär als Streit- und Dissenskultur zu beschreiben“ (KAUFMANN, 2006, 17.18). 173 T H. KAUFMANN, 2006, 9, vgl. 364–409. 174 KAUFMANN, 2006, 16. – „Und auch im Verhältnis zu den ‚Reformierten‘ und ‚Altgläubigen‘ markierte die Konkordienformel nicht den ‚Abschluß‘ eines Prozesses, sondern eröffnete eine Hochphase kämpferischer kontroverstheologischer Auseinandersetzungen. Die orthodoxe Theologie des konfessionellen Luthertums stellt sich demnach nicht als ein abgeschlossenes Aggregat fixierter Lehrinhalte dar, sondern als ein dynamischer Prozeß der Aneignung und Abwehr von und der Diskussion mit inner- | und fremdkonfessioneller theologischer, philosophischer und deutungskultureller Pluralität auf der Basis der infalliblen biblischen norma normans und der kodifizierten Lehrbekenntnisse“ (ibd., 16|f). – Zu den binnenprotestantischen Auseinandersetzungen über die FC vgl. I. DINGEL, 1996; I. M AGER, 1993. – Zur Diskussion um Konkordienformel (1577) und Konkordienbuch (1580) als ‚Epochendatum‘: J. W ALLMANN, 1992, 36–39. 49–53. 175 G. WENZ, 1997, 465–539. 541–749; vgl. E. K OCH, 1990b; J. B AUR, 1989.
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stellt. Ein präziseres Gesamtbild der Entwicklung in den folgenden 4 Jahrzehnten bis zum Ausbruch des 30jährigen Krieges – der mutmaßlichen ‚Inkubationszeit‘ der neuen Tübinger Christologie176 – zu zeichnen, erlaubt der aktuelle Forschungsstand indes nicht. Einen Versuch der ‚Gesamtdeutung‘ stellt auf seine Weise der Vorschlag dar, die Phase der Wende zum 17. Jh. und dessen erste Hälfte als „[i]m Zeichen der Krise“ stehend zu begreifen.177 Diesem v.a. von H. Lehmann vorgetragenen, freilich schon ältere Thesen aufnehmenden Konzept zufolge wären es krisenhafte Vorgänge zunächst im äußeren Bereich (klimatisch, sozio-ökonomisch – „Kleine Eiszeit“) gewesen, die entscheidend die gesellschaftliche, mentalitätsgeschichtliche und religiöse Entwicklung bestimmt hätten. In ‚Verarbeitung‘ der durch die äußeren Krisen ausgelösten Ängste kommt es krisenreaktiv zu signifikanten Transformationen des Religiösen, die durch die Stichworte der ‚Liberalisierung‘, Individualisierung und Verinnerlichung zu charakterisieren sind.178 – Diesem Konzept zuvor hatte W. Zeller die These einer ‚Frömmigkeitskrise‘ als entscheidender Signatur protestantischer Religiosität um die Wende zum 17. Jh. vertreten, in welcher Krise sich gleichsam ein allgemeines Entwicklungsgesetz manifestiert: Wie „jede geschichtliche Frömmigkeit dem Veralten ... unterworfen“ sei, sank auch die ursprünglich befreiend erfahrene Rechtfertigungsbotschaft herab zu einer bloßen Lehre ohne Lebensbezug.179 Der ihrerseits doktrinal deformierten Verkündigung gelang es nicht mehr, diesen Erfahrungsbezug zu demonstrieren und zu einer persönlichen Aneignung der Lehre anzuleiten. Eine Antwort auf diese durch die Verkündigungskrise ausgelöste Frömmigkeitskrise gab hier die (neben Ph. Nicolai) v.a. mit dem Namen J. Arndts verbundene ‚neue Frömmigkeit‘, die im Medium der nun Konjunktur gewinnenden Erbauungsliteratur das religiöse Vakuum durch die ältere mystische Topoi rezipierende Frömmigkeit eines ‚Christus in uns‘ zu füllen suchte.180 Das (in sich pluriforme) ‚Krisenkonzept‘, verstanden als fundamentale Deutungskategorie, ist nicht ohne Widerspruch geblieben.181 Auf dessen ungeklärte methodische und hermeneutische Grundfragen hat in einem knappen, aber durchschlagenden Beitrag M. Matthias hingewiesen. Die einlinig kausale Zuordnung von äußeren Krisenentwicklungen und mentalen Prozessen im Sinne eines schlichten ‚challenge-response‘-Modells wird der Komplexität kultureller Entwicklungen kaum gerecht. Und die antithetische Zuordnung von ‚praktischer‘, erfahrungsrelevanter Frömmigkeit und reflexiver Theologie (‚Lehre‘) trägt keineswegs unstrittige Deutungs- und Wertungsmuster bestimmter neuzeitlicher theologischer Optionen hermeneutisch unbedacht in die orthodoxe Epoche ein, ohne deren konträre theologische Bestimmungen dieses Zusammenhangs zu diskutieren oder auch nur wahrzunehmen.182
176
Vgl. o. A.I.2.1 bei u. mit Anm. 50.51; A.II.1.3. H. LEHMANN / A. TREPP (Hg.), 1999. – LEHMANN, 1980, 105ff; M. HAGENMAIER / S. HOLTZ (Hg.), 1992; weitere Literatur: KAUFMANN, 2006, 207f Anm. 3.5; 413f Anm. 2. – Zum folgenden: RUBLACK, 1992a, 23–27, v.a.: MATTHIAS, 2007. 178 Vgl. M. MATTHIAS, 2007, 31f. 179 W. ZELLER, [1973] 1978a, 1–13, hier: 3. – Dazu M. M ATTHIAS, 2007, 32–37. 180 Zur Diskussion um J. Arndt vgl. die Beiträge in: H. OTTE / H. SCHNEIDER (Hg.), 2007. – Zur Erbauungs- und Meditationsliteratur: U. STRÄTER, 1995. 181 Vgl. etwa: J. BAUR, 1994a, 62–66; auch: U. STRÄTER, 1995, 9–33. 182 Vgl. M. MATTHIAS, 2007, 27–43, bes. 33ff; zusammenfassend: 43. 177
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2.3 Angesichts dieser Forschungslage wird es dabei bleiben müssen, lediglich einzelne erkennbare Konturen der „konfessionskulturellen[n] Gesamtsituation des deutschen Luthertums im Übergang vom 16. zum 17. Jahrhundert“ zu benennen,183 die insofern den – weiteren – Horizont auch des kenotischen Streites und der diesem vorlaufenden Debatten bilden. 2.3.1 So lassen sich ‚mentalitätsgeschichtlich‘ sowohl eine (Re)Vitalisierung apokalyptischen Denkens als auch eine Individualisierung der Frömmigkeit, wie sie in der Rezeption mystischer Traditionen ihren signifikantesten Niederschlag findet, diagnostizieren – beides aber nicht konträre, sondern komplementäre Phänomene. 184 Diese veränderten ‚Rahmenbedingungen‘ prägen auch die theologische Arbeit. „Die um 1600 literarisch und publizistisch tonangebende Theologengeneration war von spezifischen konfessionellen Bedrohungserfahrungen seitens des sich tridentinisch erneuernden Katholizismus einerseits, seitens des agilen und expansiven Reformiertentums andererseits geprägt und herausgefordert. [...]. Die kirchengeschichtliche Herausforderung [...] war von der ihrer beiden Vorläufergenerationen charakteristisch unterschieden. Nicht die Wiedergewinnung, Durchsetzung, Reformulierung und Bewahrung, sondern die Durchdringung, Verteidigung, dogmatische Präzisierung und poimenische und pastoraltheologische Aktualisierung und Vermittlung der ‚doctrina evangelii‘ ... war ihre Aufgabe“.185 – Neben wissenschaftsimmanenten Entwicklungen ist es auch die Intensität dieser ‚Aufgabe‘, die dazu führt, daß um die Wende zum 17. Jh. „die Theologie … noch im Fluß ist und allererst die Weichenstellungen für das folgende Jahrhundert vollzogen werden“.186 Hierzu gehören v.a. die mit der ‚Wiederkehr der Metaphysik‘ (W. Sparn)187 – der eben jetzt vollzogenen Erneuerung ontologischer Diskurse in der Schulphilosophie – verflochtenen theologischen Theorieprogressionen. Sie manifestieren sich zum einen in den wissenschaftstheoretischen Klärungen zum Begriff, Prinzip, Aufbau und Methodenproblem der Theologie selbst.188 Das konstruktive Interesse richtet sich aber ebenso auf zentrale materialtheologische Fragen, näher hin auf die konfessionsspezifischen Themen der Abendmahlslehre, der Christologie und der Prädestinationslehre.189 Und es ist noch einmal näher hin die Christologie, die lutherischerseits schon quantitativ die theologische Arbeit dominiert190 und geradezu in sachlicher Hinsicht „bis etwa 1620 … das positionelle Zentrum der lutherischen Dogmatik“ wird,191 – hier scheinen theologisch-wissenschaftliches und religiöses Interesse einen gemeinsamen Focus zu haben.192 2.3.2 Der Einspruch gegen eine antithetische Zuordnung von Lehre (doctrina) und Frömmigkeit (pietas), die letztere als kompensatorische Reaktion auf die in doktrinaler Sklerose versagende Theologie begreifen will,193 bedeutet kein Plädoyer für eine Bezie-
183
T H. KAUFMANN, 2006, 413. Vgl. zum folgenden ibd. 413–464, bes. 413–418. Vgl. TH. KAUFMANN, 2006, 414 (weitere Lit.: ibd., Anm. 3.5). 185 T H. KAUFMANN, 2006, 415 (Hervorhebungen U.W.) 186 M. MATTHIAS, 2004, 26 (Hervorhebungen U.W.) 187 W. SPARN, 1976; vgl. DERS., 2001a, 2001b. – Vgl. o. A.I.3.2. 188 Vgl. u. D.I.2.3 (bei u. mit Anm. 44–46); D.I.3.1 (bei u. mit Anm. 53–59). 189 Vgl. dazu: W. SPARN, 1992, 54–66. 190 J. B AUR, 1993g, 171 bei u. mit Anm. 22. 191 W. SPARN, 1992, 56f, hier: 57. 192 Vgl. knapp TH. KAUFMANN, 2006, 414f. 193 Vgl. das o. A.III.4.2 zu W. Zeller Notierte. 184
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hungslosigkeit beider. So hat W. Sparn194 gegen jene die ältere Forschung kennzeichnende „Polarisierung“ (54) einen alternativen Vorschlag skizziert, „die bewegte Entwicklung der lutherischen Theologie in den beiden Generationen um 1600, speziell die ihrer sich jetzt besondernden dogmatischen Disziplin, in Zusammenhang zu bringen mit der Entwicklung der lutherischen Frömmigkeit der nachreformatorischen Zeit“ (54): „Die These … ist die, daß in der Tat die sich konfessionalisierende lutherische Dogmatik eine konfessionell spezifische Fortentwicklung der reformatorischen Frömmigkeit spiegelt“ (55); – „erstens nach innen, in der positiven Entfaltung bestimmter Topoi“ (55, sc. der Christologie und des dieser korrelierten soteriologischen Topos der unio mystica sowie der Eschatologie, 56–62); „zweitens aber auch nach außen, in der polemisch abgezweckten Ausbildung bestimmter (anderer) dogmatischer Topoi“ (55, sc. in der Entwicklung einer der reformierten Prädestinationsauffassung konträren Erwählungslehre, 62–66/70). Mit Sparns These ist das von der ‚Krisentheorie‘ (in der Ausprägung W. Zellers) unterstellte Verhältnis von Theologie und Frömmigkeit gleichsam ‚umgedreht‘, insofern theologische Entwicklungen nicht krisenreaktive Verschiebungen der Frömmigkeit provozieren, sondern vielmehr als „Verarbeitung von Frömmigkeitswandel“ 195 ihrerseits selbst ‚reaktiven‘ – oder ‚korrespondierenden‘196 – Charakter tragen. Die Frage, wie der ‚Zusammenhang‘ im konkreten Einzelfall zu bestimmen sei, ist damit keineswegs schon beantwortet, sondern allererst gestellt.197 Gegen jedwede strikt einlinige Zuordnung wird an einem „Wechselverhältnis von Religion und Theologie“198 festzuhalten sein, insofern jedenfalls unter reformatorischen Voraussetzungen „der … Theologie für die Ausbildung religiöser (privater wie öffentlicher) Lebensformen eine konstitutive Bedeutung zu[kommt]“. Die lutherischen Kirchen „hatten als einzige Instanz für | Konstitution und Legitimation ihrer religiösen Lebensformen die Theologie, die durch ihre Wissenschaftlichkeit ihren überpersönlichen, öffentlich verantworteten Charakter wahrte“.199 Gerade dieser zu Beginn des 17. Jh.s in intensiven Debatten zu neuer Klarheit gebrachte Wissenschaftscharakter der Theologie bedeutet dann, daß diese ihre konstitutive Rolle für das religiöse Leben nicht direkt wahrnimmt. Auch die wissenschaftliche Theologie der Orthodoxie „hat – wie zu jeder Zeit – aufgrund ihres Reflexionsniveaus keinen unmittelbaren ‚Lebensbezug‘“; ihre prägende und orientierende Kraft für das ‚religiöse System‘ wird sie nur indirekt ausüben können. 200
2.4 Die von der kirchenhistorischen Forschung notierten Entwicklungen kommen bei der Untersuchung der neuen Tübinger Christologie gelegentlich mit in den Blick,201 werden aber nicht selbst zum Thema. Das ‚Rätsel‘ dieser christologischen Progression läßt sich nicht ‚funktional‘ oder ‚teleologisch‘, durch Relativierung auf vermutete oder nachweisbare Veränderungsprozesse in Gesellschaft, Religion und Frömmigkeit lösen. Gegenüber dezidiert so ansetzenden Interpretationen theologischer Entwürfe ist 194
W. SPARN, 1992; die folgenden Verweise im Text beziehen sich hierauf. So M. MATTHIAS’ Resümee der Sparn’schen These, 2004, 23. 196 So die bei SPARN selbst begegnende Terminologie, vgl. 1992, 58 (‚entsprechen‘). 197 Vgl. SPARNs eigene Problemanzeigen, 1992, 59. 198 M. MATTHIAS, 2004, 20 (Hervorhebung U.W.) 199 M. MATTHIAS, 2004, 21|f. 200 M. MATTHIAS, 2004, 20. 201 So die wissenschaftstheoretischen Neuorientierungen von Theologie und Philosophie in ihrer Bedeutung für die Form der christologischen Argumentation: u. D.I.6.2. 195
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A. „... ein hochärgerlich Gezaenck“ – Annäherungen
an einer gewissen ‚Autonomie‘ wissenschaftlicher Theologie festzuhalten. Entsprechend werden inhaltliche theologische Verschiebungen zunächst ‚für sich alleine‘, als intrinsisch motivierte Entwicklungen eines ‚Diskurses‘ sui generis zu rekonstruieren sein.202 3. So bleibt es bei der Aufgabe, in intensiver Zuwendung zu den Quellen Entstehungszusammenhänge und Inhalte der relevanten Texte zu erheben. Auf dieser Basis soll das ‚Thema‘ die neuen Tübinger Christologie bestimmt und dann diese selbst als Datum einer ‚inneren‘ Bewegung – ‚Entwicklung‘ – wissenschaftlicher (akademischer) lutherischer Theologie im fraglichen Zeitraum erläutert werden. Die quellenorientierte Rekonstruktion203 von Thema und Genese der Tübinger Christologie verfährt näher hin so, daß sie bestimmte ‚Schlüsseltexte‘204 ausführlicher vorstellt und analysiert; korrespondierende oder kontrastierende Voten werden ergänzend205 zugeordnet. Von besonderem Interesse sind dabei, zumal für die zu vermutende ‚Vorgeschichte‘ der Tübinger Christologie in den wenig erforschten Jahrzehnten vor und nach 1600, einzelne Disputationen; unter den zeitgenössischen Publikationsformen bil202
Vgl. in diesem Zusammenhang M. FRIEDRICHs Hinweis auf die „ursprüngliche und dauerhafte Partikularität ‚der Orthodoxie‘ innerhalb der lutherischen Theologie“ (2004, 392f, hier: 393; Kursivierung U.W.), gerichtet gegen Tendenzen der neueren Forschung, die in Korrektur der älteren Entgegensetzung von ‚lebensferner Orthodoxie‘ und ‚lebensnaher Frömmigkeit‘ bemüht ist, „eine hohe Integrationsfähigkeit ‚der Orthodoxie‘ nachzuweisen, die sich sehr wohl um Frömmigkeit, Laienseelsorge und kirchliches Leben bemüht habe“ (ibd. 393). Diese ‚integrale‘ Interpretation wird problematisch, wo sie nicht zureichend berücksichtigt, daß wissenschaftliche Theologie „nur ein Segment des religiösen Systems“ bildet und nur indirekt über ihr „eigenes, eben wissenschaftliches Potential von religiösen Deutungsmustern … die Gestalt des religiösen Systems mitbestimmt“ (M ATTHIAS, 2004, 20; Hervorhebung U.W.). Es ist insofern „des Guten zuviel“ (MATTHIAS, 2004 20 Anm. 22) und diese Eigenständigkeit unterbestimmt, wenn schon der Orthodoxie selbst (J. Gerhard) die Meinung attestiert wird, „daß alle dogmatischlehrhaften Aussagen sich nicht selbst genug sind und nicht für sich alleine bleiben können, sondern erst in ihrer jeweiligen praktischen Umsetzung in Predigt, Seelsorge und Frömmigkeit auf dem wahren Prüfstand stehen“ (J.A. STEIGER, 1997, 21): „Das ist sicher auch richtig, aber warum soll nicht auch ‚intellektuelle‘ Erkenntnis von Wahrheit sich selbst genügen können?“ (MATTHIAS, 2004, 20, Anm. 22). 203 Als „[v]orbildlich für die historische Nachzeichnung einer theologischen Debatte“ gilt zu Recht die o. Anm. 79 genannte Arbeit Th. Mahlmanns (1969): MATTHIAS, 2004, 26 Anm. 39. – Vgl. MAHLMANN selbst: 1969, 9–18, bes. 14ff. 204 Die im Zusammenhang des Streites selbst entstandenen Texte hat übersichtlich und recht vollständig J. B AUR zusammengestellt: (1977, 258–269 =) 1993h, 276–289; dazu und zu einzelnen Ergänzungen vgl. u. C.I.2.2. – Die Auswahl der für die ‚Vorgeschichte‘ herangezogenen Quellentexte wird je suo loco zu begründen sein. 205 In den prima facie nur marginalen Abweichungen und Eigenakzenten dieser ‚Paralleltexte‘ manifestieren sich nicht selten entscheidende Probleme; Überschneidungen und Wiederholungen in der Darstellung werden dafür in Kauf genommen.
IV. Zum Aufbau der Untersuchung
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den sie „das zentrale Medium, in dem aktuelle Fragestellungen aufgenommen und in die lebendige theologische Diskussion eingebracht werden“.206 Nicht zufällig werden es wiederholt Texte dieser Gattung sein, die den Stand und die Fortschritte in der Entfaltung des hier aufzuklärenden ‚inneren Zusammenhangs der Gedanken‘207 markieren.
IV. Zum Aufbau der Untersuchung IV. Zum Aufbau der Untersuchung
Den inhaltlichen und methodischen Präzisierungen der Fragestellung sucht folgender Aufbau der Untersuchung zu entsprechen: Im Anschluß an die Einleitung wird ein erster Hauptteil (B.) den der kenotischen Kontroverse vorlaufenden Gießener Fakultätsstreit über den Begriff der göttlichen Allgegenwart überblicken, insoweit die hier kontroverse Position B. Mentzers den – äußeren – ‚Anstoß‘ zur ersten Formulierung der neuen Tübinger Christologie gibt. Der folgende Hauptteil (C.) untersucht, nach einem Blick auf äußere ‚Kontexte‘ der Tübinger Intervention (C.I.), eingehend die entscheidenden Texte dieser neuen Christologie ‚in statu nascendi‘, d.h. in der Phase 1619 (/20) (C.II.) Die auf dieser Basis erhobene Grundthese wird in ihrer systematischen Struktur umrissen (C.III.) und dann diachron profiliert durch den Bezug auf drei vorausliegende systematische ‚Knotenpunkte‘ schwäbischer Christologie: J. Brenz (C.IV.1); die Württemberger Christologie in 206
MATTHIAS, 2004, 120, vgl. 26. Im Blick auf die vorherrschende Orientierung an den Dogmatiklehrbüchern dieser Epoche, deren Thesen dann noch allzu oft die Position ‚der‘ Orthodoxie belegen sollen, ist zu betonen, daß man diese Gesamtdarstellungen „nicht einfach als systematisch-theologische Stellungnahmen ihrer Verfasser lesen kann, daß sie lediglich ein kleiner Teil der theologischen Arbeit der lutherischen Orthodoxie sind und nur die | lehrhafte, für den Unterricht gedachte Formulierung der an anderer Stelle erarbeiteten theologischen Erkenntnisse bieten. Um zu verläßlichen Einsichten in diese theologiegeschichtliche Epoche zu kommen, muß die Forschung weit mehr als nur die lehrhaften Werke der Theologen dieser Zeit auswerten“: STEGMANN, 2006, 1|f (Hervorhebung U.W.); zum Dogmatikunterricht und zur Gattung Dogmatikkompendium vgl ibd. 100–185; zur theologischen Ausbildung auch: N IEDEN, 2006, bes. 98ff. – Zum Disputationswesen: APPOLD, 2004 (Lit.); vgl. bes. den Abschnitt: Theologische Innovation durch Disputation, 115–122. Vgl. auch N IEDEN, 2006, 53–59.121–127. 207 Vgl. o. bei u. mit Anm. 29. – Im Rückblick auf die im folgenden vorgelegte Rekonstruktion von ‚Genese‘ und ‚Thema‘ der Tübinger Christologie von 1619ff ließe sich sagen: In den ihr vorlaufenden Debatten lutherischer Theologie zwischen 1580–1620 entspricht dem ‚äußeren Zusammenhang der Dinge‘ ein ‚innerer Zusammenhang der Gedanken‘; die Progressionen und Dissoziationen auf diesem ‚Wege zur klassischen Tübinger Christologie‘ lassen sich verstehen als – auch als kontroverse noch ko-härente – Versuche, ein in der konkordistischen Synthese unzureichend gewahrtes Grundinteresse lutherischer Christologie einer adäquaten Lösung zuzuführen. Vgl. C.V., D.V., F.
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A. „... ein hochärgerlich Gezaenck“ – Annäherungen
der Auseinandersetzung mit den Helmstedtern – das erste Binnen-Schisma lutherischer Christologie – (C.IV.2); Ä. Hunn (C.IV.3). Der dabei zu Tage tretende Status der neuen Tübinger Christologie als Verabschiedung der vorlaufenden, bis dahin auch schwäbischerseits mitgetragenen kenotischen These des gemäßigten Ubiquismus, die dessen zentrales Argument frappant ‚umkehrt‘ (bilanzierend: C.V.), stellt die Frage nach der sachlichen Genese dieser Kehrtwende. – Der Antwort dient ein weiterer Hauptteil (D.), der gründlicher die in den fraglichen Jahrzehnten ‚zwischen‘ dem ersten und zweiten Schisma lutherischer Christologie vollzogene Tübinger Revision der konkordistischen Idiomenkommunikation (D.I.) und die dazu gegenläufigen Versuche einer Rekonstruktion der symbolischen Vorgabe (D.II.) untersucht. Sprachlogisches Korrelat dieser Klärungsversuche ist die Ausarbeitung eines ‚konkreten‘ Begriffs der Naturen Christi (D.III.), ihr sachlich vorausliegendes Fundament bildet eine Neufassung der ‚Ontologie‘ der Personeinheit (unio personalis) selbst (D.IV.). Für alle 3 Themen wird die Tübinger These jeweils alternativen Lösungen zeitgenössischer sächsischer Theologen (v.a. B. Meisner) und den beiden Entwicklungslinien vorausliegenden, noch einmal spezifischen Entwürfen S. Gesners kontrastiert. Mit dieser in der ‚theopaschitischen‘ These zugespitzten Neuorientierung der zentralen christologischen Konzepte ist der Sache nach eine entscheidende Einsicht der späteren Tübinger Christologie erreicht (zusammenfassend: D.V.). Der letzte Hauptteil (E.) schließt an, indem er auf der Basis dieser Ergebnisse den problemgeschichtlichen Ort und das Thema der neuen Tübinger Christologie noch einmal präziser konturiert. Zum einen durch die Nachzeichnung des Dissoziationsprozesses, der schon vor dem Kenosisstreit seit ca. 1605 zwischen Mentzer und den Tübingern über christologische Fragen einsetzt (E.I.). Sodann durch den Nachweis, daß die der Sache nach um 1610 abgeschlossene Revision der konkordistischen Idiomenkommunikation innerhalb der kenotischen Kontroverse selbst von den Tübingern noch einmal aufgenommen und (erst) jetzt zu letzter Konsequenz gebracht wird, und dies als Folge und Ausdruck des nun gleichfalls konsequent entwickelten kommunikativen Begriffs der Person Christi (E.II.). Ein dritter Abschnitt schließlich skizziert das sich aus diesem Grundbegriff der Personeinheit ergebende ‚System‘ der neuen Tübinger Christologie unter Einschluß von deren spezifischer Fassung der Ständelehre (E.III.). Eine Zusammenfassung (F.), die die Ergebnisse der Untersuchung im Gespräch mit Thesen der bisherigen Forschung bilanziert sowie offene Fragen und Perspektiven einer umfassenden Interpretation der ‚neuen‘ Tübinger Christologie benennt, schließt die Untersuchung ab.
B. „Was mag doch des[s]en allen vrsach seyn?“1 – Der Gießener Streit über die Allgegenwart Christi (1616–1618) als Anstoß der Tübinger Neuorientierung B. Der Gießener Streit über die Allgegenwart Christi (1616–1618)
I. Ablauf und Thema der Gießener Debatte I. Ablauf und Thema der Gießener Debatte
1. Kontexte Die 1619 anhebende, zunächst „in den Formen vertraulicher Gelehrtenkorrespondenz“2 geführte, dann rasch zum öffentlichen Streit eskalierende christologische Kontroverse zwischen den Tübinger und Gießener Theologen – von der Theologiegeschichtsschreibung unter dem plakativen, die positionelle Differenz indes nur bedingt treffenden Etikett des KenosisKrypsis-Streites3 rubriziert – steht in einem jedenfalls äußerlichen Zusammenhang mit einer Debatte über die Allgegenwart Gottes resp. Christi, die drei Jahre zuvor in Gießen aufgebrochen war und zeitweilig die dortige Fakultät „in zwei Lager auseinandergerissen“ hatte.4 1.1 Die bald nach 1619 „von den Beteiligten“ der nun zweiten Kontroverse „quälend rechthaberisch hin und her geschobene ‚Schuldfrage‘“5, d.h. die Suche nach den Gründen für den Skandal eines öffentlich ausgetragenen binnenlutherischen Streits, läßt die Frage
1
Balthasar Mentzer an (den Stuttgarter Propst) Erasmus Grüninger; hier bezogen auf die Wende im einst freundschaftlichen Verhältnis (Gießen, 5. Febr. 1621, bei M ENTZER, Defensio, 1624, I, 22–24, hier: 23. Vgl. auch G. H OFFMANN, 1938a, 11). – Balthasar Mentzer (d.Ä.) 27.2.1565 Allendorf (Hessen) – 6.1.1627 Marburg; 1583 immatr. Marburg, 1584 Mag.; 1589 Pfr. Kirtorf; 1596 Prof. theol. Marburg, 1600 Dr. theol., 1605 Amtsenthebung, Wechsel nach Gießen (Gymnasium illustre; 1607 Univ.), 1624 Marburg (Suspendierung Univ. Gießen, luth. Restaurierung Marburgs). Vgl. M AHLMANN, 1993; 1994. – Zu E. Grüninger (1566–1632; 1598 Hofprediger; 1613 Propst) vgl. M. NICOLAI / J.V. ANDREAE, 1632; GVUL Bd. 11, 1118; zu seiner Rolle im Vorfeld der Tübinger Intervention: u. C.I.1.2 (bei u. mit Anm. 42–48). 2 F. LOOFS, 1901, 261,32f. 3 Die Tübinger haben entschieden dagegen protestiert, ihr Verständnis der ‚Entäußerung‘ Christi auf die These einer bloßen ‚Krypsis‘ des Majestätsgebrauchs zu reduzieren, – im Blick jedenfalls auf die elaborierte Fassung des Topos mit Recht; vgl. u. E.III.4.1. 4 H. STEITZ, 1977, 152. – Für die äußeren Abläufe: H. HEPPE, 1876, II, 193–203. Zu inhaltlichen Fragen: J. BAUR, (1977, 227–237 =) 1993h, 240–253. 5 J. B AUR, (1977, 254 =) 1993h, 271.
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B. Der Gießener Streit über die Allgegenwart Christi (1616–1618)
nach dem Verhältnis beider Debatten zum eigens diskutierten Thema werden. – Die Gießener, Balthasar Mentzer und auch Justus Feurborn, spielen konsequent das sachliche Gewicht des vorlaufenden Gießener Fakultätsstreites herunter; diese Auseinandersetzung – genau besehen lediglich eine akademische Fachdiskussion unter Kollegen – sei zudem alsbald beigelegt worden, gut zweieinhalb Jahre vor dem ersten Tübinger Votum in dieser Angelegenheit.6 Für das Verständnis der Kontroverse mit den Württembergern trage jenes Gießener ‚Streitlein‘ (liticula)7 nichts aus; die aktuelle Debatte – ein bellum novum8, und die Verantwortung für diese dann von den konfessionellen Kontrahenten als neues Kapitel im ‚lutherischen Katzenkrieg von der Ubiquität‘ geschmähte 9 Auseinandersetzung sei allein den Tübingern anzulasten. Gegen deren unprovozierte, unbegründete und den Dissens auf „lang verglichene controversien“ ausweitende 10 Attacken habe er, Mentzer, lediglich das zur Verteidigung Unverzichtbare unternommen. 11 Demgegenüber behaupten die Schwaben eine Kontinuität: Anlaß und Ursache der aktuellen Kontroverse seien allein in deren Gießener Präludium zu suchen; gegen die zuerst dort vorgetragenen, trotz entschiedenen Widerspruchs seitdem hartnäckig festgehal-
6 Nämlich in den mit einem Konsensdokument abgeschlossenen Darmstädter Schlichtungsversuchen vom Januar 1617, in denen die wechselseitigen Erklärungen der Parteien bisherige Fehleinschätzungen korrigiert und das sehr begrenzte Gewicht der diskutierten Frage ans Licht gebracht hätten: „tandem ad Illustrissimam aulam Darmstadianam totum illud negotium delatum fuit, mense januario anni 1617: Ubi, partibus auditis, cum ex mutua declaratione patefeceret, non in dogmate aliquo ad ipsam, ut ita loquar, religionis substantiam pertinente, sed in vocabulo omnipraesentiae & ejus scholastica interpretatione, totam illam controversiam haerere, Illustrissimi Celsissimique, Principis & Domini, Domini LUDOVICI, Hassiae Landgravii ... pia solicitudine & cura effectum est, ut concordia sanciretur“ (MENTZER, Defensio, 1624, I, 3). Mit den tatsächlichen Abläufen vor und nach ‚Darmstadt‘ ist diese Darstellung nicht in Einklang zu bringen; vgl. u. B.I.2.1; C.I. (Anm. 3). – Zu den Darmstädter ‚Modifikationen‘ selbst vgl. u. B.IV.1. 7 Vgl. u. Anm. 14. 8 MENTZER, Defensio, 1624 [I.], 57. 9 L. FORER, Bellum Vbiquitisticum Vetus et Novum inter ipsos Lutheranos bellatum, et necdum debellatum, 1627; deutsch: Alter vnd Newer Lutherischer Katzenkrieg von der Vbiquitett, welchen die Lutheraner selbst wider einander geführt vnd noch nit vollführt, 1629. – Dagegen: A. KESLER, Solida ac Modesta Responsio Bello Ubiquistico Laurentii Föreri Jesuitae opposita, 1629. 10 „So viel vermercke ich nun mehr / daß es mit dem vocabulo omnipraesentiae, ob es allein existentiam apud creaturas, oder aber auch zugleich den modum heisse / vornehmlich nicht angesehen / sondern man gehet viel weiter / vnnd mu(e)ssen die lang verglichene controversien wider hervor / daß Christi menschheit von anbeginn der empfa(e)ngnis seye gen Himmel auffgefahren / vnnd zur rechten handt Gottes gesetzt worden / seye allen creaturen gegenwertig gewesen / vnnd habe alles regieret / auch mitten in dem todt. Vnd diß alles sol sich bescho(e)nen lassen mit dem vnderscheidt inter occultam usurpationem majestatis, & manifestam. Worzu dienen solche disputationes? Die in formula concordiae so trewlich vnd fleissig ero(e)rtert / daß es vor Christi Richterstuel schwer fallen wird zuverantworten / mit solchen dingen die Kirche betru(e)ben“ (Mentzer an E. Grüninger, Gießen, 5. Febr. 1621; MENTZER, Defensio, 1624 [I.], 22–24, hier: 24). – Zu dem mit Mentzers Vorwurf angeschnittenen Sachproblem vgl. weiter C.II.2.4; C.IV.2.5(.3). 11 MENTZER, Defensio, 1624 [I.], 57f. Nachgesprochen von F.H. H ESSE, 1858, 5.
I. Ablauf und Thema der Gießener Debatte
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tenen „Neuerungen“12 Mentzers sei ihnen ein nur zögerlich in Angriff genommenes bellum defensivum zur Rettung der Identität lutherischer Christologie aufgenötigt worden.13 Die Konkordanz dieses eigenen Contra mit dem Einspruch der chronologisch primären Gegner Mentzers, der Gießener Kollegen Johannes Winckelmann und Johannes Gisenius, wird gegen alle Vorwürfe absichtsvoller ‚Konfusion‘14 heterogener Debatten immer wieder reklamiert. Mentzers Präsentation der Abläufe als „Historia Controversiae Tybingensis“ (1624)15 kontern die Tübinger umgehend mit der Gegendarstellung der „Acta Mentzeriana“,16 die die ‚Schuldfrage‘ ebenfalls schon im Titel – einseitig – klärt.
1.2 Ohne den Anspruch einer detaillierten Aufarbeitung der verwickelten Abläufe läßt sich aufgrund nur des gedruckt vorliegenden Materials jedenfalls feststellen: Ganz eindeutig ist es Mentzer, der die Ausweitung der ursprünglich rein lokalen Gießener Kontroverse anstößt. Der im Herbst 1616 innerhalb der eigenen Fakultät17 weitgehend Isolierte18 sucht die Unterstüt12
„novas assertiones“ (Acta Mentzeriana, 1625, 61); vgl. u. bei u. mit [C.] Anm. 97. „... bellum adversus Mentzerum sueceperint defensivum [Wirtembergici]“ (Acta Mentzeriana, 1625, 240). – Zu Verlauf und Zielrichtung der Tübinger Intervention vgl. u. C.I.1; zum Sachzusammenhang der Debatten – aus Tübinger Sicht –: u. C.II.2.4. 14 So bündig FEURBORN: Thumm „hodiernam contentionem Tübingensem a liticula[!] Gissensi non discernit, sed cum ea passim confundit, idque ideo, ut Lector cogitet, Dn. D. Wyncelmannum, & Dn.D. Gisenium Gissae contra Dn.D. Mentzerum de Statu Exinanitionis Christi pro Thummio pugnasse ...“ (Κενωσιγραϕια 1627, Appendix 71b). 15 Der historische Abriß bildet den Teil I der Necessaria et Justa Defensio Mentzers von 1624, dort p. 1–68 (auch in: M ENTZER, Opera Latina II, 1257–1319). – Mentzers ‚korrigiert‘ damit die ein Jahr ältere Skizze der ‚veritas historica‘ von Th. T HUMM: Ταπεινωσιγραφια, 1623, 3–17. 16 Acta Mentzeriana, Hoc est: Justa et Necessaria Defensio contra primam partem Injustae & non-necessariae defensionis Balthasaris Mentzeri D. quae fuit Historia certaminis Tubingensis, 1625. – Verfasser ist Th. Thumm (CHR.M. P FAFF, 1718, 68 Anm. o; H. DIETERICH, 1938, 32f). 17 1616 sind die 4 Gießener Ordinariate wie folgt besetzt (HEPPE, 1876, II, 59f): I: Johannes Winckelmann; II: Balthasar Mentzer; III: Christoph Helwig; IV: Johannes Gisenius (seit 1616; Nachfolger des im Oktober 1616 als Generalsuperintendent nach Coburg abgehenden Kaspar Finck; da Gisenius sein Amt schon vor Fincks Abschied antritt, besteht die Fakultät vorübergehend aus 5 Professoren [W. DIEHL, 1907, II, 21]). – Die infolge des Tods Chr. Helwigs (10.9.1617; HEPPE, 1876, II, 201) nötig werdenden Revirements bieten Mentzer die entschlossen genutzte Gelegenheit, das Blatt zu wenden. In das 3. Ordinariat rückt nach üblicher Gepflogenheit Gisenius vor. Für die damit freie vierte theologische Stelle nominieren Fakultät und Senat, nur gegen Mentzers Stimme, die Philosophie-Professoren Christoph Scheibler und Johannes Steuber und bringen ferner für den in der Konsequenz verfügbaren philosophischen Lehrstuhl Mentzers Schwiegersohn, den theologischen Extraordinarius Justus Feurborn, in Vorschlag. Mentzer aber gelingt es, diese einhelligen Voten auszuhebeln und, unterstützt nur vom Vizekanzler Gottfried Antonii, v.a. aber unter Ausnutzung seiner Vertrauensstellung beim Landgrafen, über die Köpfe der älteren Anwärter hinweg den Schwiegersohn auf das 4. theologische Ordinariat zu bringen (Bestallung 18.1.1618), – „Vocatio ... haec facta est non per vocativum, sed per genitivum“, kommentiert sarkastisch Gisenius diesen erfolgreichen Zug des Kontrahenten im universitären Machtkampf (Brief an Konrad Dietrich, abge13
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B. Der Gießener Streit über die Allgegenwart Christi (1616–1618)
zung auswärtiger Bundesgenossen und knüpft hinter dem Rücken der opponierenden Kollegen Winckelmann und Gisenius19 entsprechende Kontakte. Zur Werbung in eigener Sache dient einmal eine vom November 1616 druckt bei W.M. B ECKER, 1907, I, 106, Anm. 139 [vgl. 77f Anm. 6]; vgl. zum Vorgang den ganzen Passus 105f; zum sozialgeschichtlichen Hintergrund dieses problematischen Zugs der frühneuzeitlichen „Familienuniversität“ – nicht nur in Gießen – vgl. P. MORAW, 1982, 42–48, zu Mentzer bes. 46). – Als dann der durch den 1617–18 noch einmal hochgehenden Fakultätsstreit (u. Anm. 67) zermürbte Gisenius 1619 (nicht: 1618, gegen HEPPE 1876, II, 205; B ECKER 1907, I, 135; STEITZ, 1977, 152) das Feld räumt und dem Ruf nach Straßburg folgt, rückt Feurborn vor; 4. Ordinarius wird nun der 1617 übergangene Steuber (HEPPE 1876, II, 203; B ECKER 1907, I, 135). In der damit erreichten Besetzung: Winckelmann, Mentzer, Feurborn, Steuber besteht die Fakultät für den Rest der (1.) Gießener Periode, und so wechselt sie 1626 in das lutherisch restituierte Marburg hinüber (B ECKER, 1907, I, 135). – Die Berufung des stets verläßlich die Partei seines Schwiegervaters ergreifenden Feurborn, v.a. dann der Weggang Gisenius’ verschieben das Kräfteverhältnis durchgreifend und bleibend zugunsten Mentzers; verglichen mit der Konstellation von 1616 besteht in Gießen 1619 eine ‚neue‘ Fakultät – wie aus anderen Gründen dann auch in Tübingen (vgl. u. C.I. bei u. mit Anm. 9). – Justus Feu(e)rborn (13.11.1587 Herford – 6.2.1656 Gießen): 1614 Mag. Gießen, 1616 Dr. theol., 1617 a.o. Prof., 1618 o. Prof., 1624 Marburg (1627 Primarius), 1650 Gießen. Vgl. H. S CHÜSSLER, 1961; M. W RIEDT, 2000. 18 HEPPE, 1876, II, 196. Zu einem akuten Grund dieser „Verbitterung und Verfeindung“ „[z]wischen Mentzer und Feurborn einerseits und den übrigen Professoren der Theologie andererseits“, „die ... allen persönlichen Verkehr derselben aufhob“ (HEPPE, ibd., umgestellt), dem Eklat um Feurborns Promotion vgl. unten bei u. mit Anm. 32–35. 19 Noch im Oktober 1619, als Gisenius nach Antritt seiner Straßburger Professur – in Abstimmung mit Winckelmann – brieflich Kontakt mit den Tübingern aufnimmt und dabei vorsichtig, doch gezielt auf die Gießener Ereignisse zu sprechen kommt, ist den ehemaligen Opponenten offensichtlich „nur das Gerücht über ein von Mentzer angefordertes Gutachten zu Ohren gekommen“ (J. B AUR, 1993h, 253): „... quia mihi exhibetur Occasio ... Vestris Reverend[is] Dignit[atibus] [sc. den Tübinger Professoren] literas inscribendi, expedire illud absens volui, quod in Mandatis dedit D.D. VVinckelmannus ... Petiit [Winckelmann], ut R.V. Excellentias salutarem officiosissime, & de uno, aut altero conferrem cum ipsis fraterne. Forsan enim R.V. Excellentiae audiverunt, non quidem controversiam, sed aliquod litigium, vel differentiam ante biennium fuisse inter duos eximios Viros, Dn.D. VVinckelmannum, & Dn.D. Mentzerum, ... & quidem non sine magno scandalo, Quamvis litigium illud non fuerit per omnia compositum, tamen tum temporis per Authoritatem Illustrissimi Principis fuit sepositum, & amicitia renovata, adeo ut nulla eius mentio amplius fuerit a Dn.D. VVinckelmanno ab eo tempore iniecta. Ad aures quidem nostras pervenit, ac si Dn.D. Mentzerus V.R. Excell. Judicium de eo litigio, & sua sententia ante paucas septimanas expetierit, sed persuaderi non potuimus, ut huic rumori fidem daremus, cum speremus, omnia esse sepulta. Si aliquid subesset, & ego ad vos excurrere potuissem, vobis occasionem huius differentiae, & verum statum pro maiori informatione exposuissem ...“ (Straßburg 18.10.1619; Acta Mentzeriana, 1625, 211– 213, hier: 212; es folgt die Skizze der Abläufe, Themen und Thesen des Streits, mit der Gisenius gegen die vermutete einseitige Darstellung Mentzers nun eben den ‚verum statum pro maiori informatione‘ darlegt; ibd. 212f [u. Anm. 67]). – Vgl. J. B AUR, 1993h, 253.
I. Ablauf und Thema der Gießener Debatte
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bis Anfang Januar 1617 unternommene Reise,20 die Mentzer an die theologischen Fakultäten beider Sachsen führt; die Professoren in Wittenberg, Leipzig und Jena, darunter nicht wenige ehemalige Schüler und Freunde Mentzers, werden bei dieser Gelegenheit persönlich ins rechte Bild gesetzt.21 Denselben Zweck gezielter Information verfolgt zweitens, noch unmittelbar vor Antritt der sächsischen Winterreise, die briefliche Kontaktaufnahme mit der Tübinger Fakultät, – ein Schritt, der im Blick auf die Diskrepanz zwischen Absicht und Effekt – res longe aliter even[it] 22 – nicht der Ironie entbehrt.23 2. Texte 2.1 Direkter Adressat des Mentzer’schen Schreibens vom 7. Nov. 161624 ist Matthias Hafenreffer,25 in den Jahren seit 1600 schon wiederholt Partner des Gießeners in gelehrter Korrespondenz über theologische Fragen – auch der Christologie.26 Ausdrücklich aber erbittet Mentzer daneben auch das freimütige Urteil der anderen Tübinger Professoren27 über die vorgelegte „gewichtige und notwendige Streitfrage“.28 Über den Inhalt dieses in Gießen öffentlich ausgetragenen Konflikts – contra me disputant duae Collegae mei29 – soll genauer eine Rede Mentzers informieren; eine entsprechend bemessene Anzahl von Druckexemplaren ist dem Brief beigefügt.30 Die nach Einschätzung ihres Verfassers im Ton maßvolle, in der Sache klare Stellungnahme habe die Lage in Gießen nicht beruhigt – ganz
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Im Brief an Thomas Lansius (14. April 1617; Acta Mentzeriana, 1625, 224f; vgl. u. Anm. 71) nennt Mentzer die Regelung einer Erbschaftsangelegenheit als äußeren Anlaß dieser Reise; das spätere Schreiben an die Tübinger vom 11. April 1620 spricht unbestimmter von causae necessariae (Acta Mentzeriana, 1625, 87). 21 Nach HEPPE, 1876, II, 196, hat Mentzer nach seiner Rückkehr schriftliche ‚Solidaritätserklärungen‘ der sächsischen Kollegen präsentieren können. 22 COTTA, 1765a, 64. 23 Vgl. zur – erheblich verzögerten – Tübinger Reaktion u. C.I.1. 24 Acta Mentzeriana, 1625, 56. 25 Matthias Hafenreffer (1561–1619): Professor in Tübingen ab 1592; ab 1612 2. Ordinarius, 1618–19 1. Ordinarius und Kanzler. – HOLTZ, 1993, 397; J UNG, 1996, 33–38. 26 Vgl. u. E.I.2. 27 Im November 1616 besteht die Tübinger Fakultät aus (in Klammern die mit den Professuren in Personalunion verbundenen kirchlichen Ämter): I.: Andreas Osiander, Kanzler (Propst); II.: M. Hafenreffer (Dekan); III.: Johann Georg Sigwart (Stadtpfarrer); Extraordinarius ist Johann Heinrich Hiemer. – Vgl. S. HOLTZ, 1993, 18–20. 382f. 28 ‚Quaestio Gravis & Necessaria‘ (Acta Mentzeriana, 1625, 56); vgl. dagegen die späteren Abwertungen, o. Anm. 6.14. 29 Acta Mentzeriana, 1625, 56. 30 Acta Mentzeriana, 1625, 56; zum Titel vgl. u. Anm. 36. – Derselbe Text bildet im übrigen das ‚Gastgeschenk‘ für die sächsischen Kollegen (HEPPE, 1876, II, 196).
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B. Der Gießener Streit über die Allgegenwart Christi (1616–1618)
im Gegenteil.31 Umso erwünschter und dringlicher erscheint das Votum der Tübinger Kollegen.32 Mentzers Begleitschreiben deutet die durch die fragliche Oratio ausgelösten Irritationen nur an, läßt die Tübinger aber ansonsten über die konkreten Umstände im unklaren, und dies nicht ohne Grund. Als die druckfrischen33 Exemplare der Rede mit dem Brief nach Tübingen abgehen, liegt der Anlaß, zu dem sie vorgetragen wurde, gerade 10 Tage zurück: Mentzer nutzt den Abschluß der theologischen Doktorpromotion seines Schwiegersohns J. Feurborn am 28. Okt. 1616 dazu, in der ihm als dem Promotor zufallenden akademischen Festrede34 seine umstrittene These de omnipraesentia Jesu Christi θεανθρωπου noch einmal öffentlichkeitswirksam auf einem solennen Forum auszubreiten und die Einwände der hier zum Schweigen verurteilten Kollegen brüsk abzufertigen. Eine ‚Entspannung‘ der in den vorangehenden Wochen festgefahrenen Gesprächslage konnte von diesem Affront schlechterdings nicht erwartet werden.35
2.2 Dem Titel nach behandelt der von Mentzer zur Stellungnahme übersandte Text die praecipua capita controversiae De Omnipraesentia Jesu Christi Θεανθρωπου in utraque natura.36 Im Verein mit den Erläuterungen des Begleitschreibens mußte diese Angabe aufhorchen lassen. Zur strittigen Quaestio einer innerlutherischen Debatte wäre geworden, was seit Luthers Streit mit Zwingli den Gegenstand der christologischen Auseinandersetzung zwischen den Konfessionen bildet. Die These einer Allgegenwart 31
„De quo argumento [die operative Definition der praesentia Christi; vgl. u.] proposui orationem moderatam, & uti existimo, luculentam, quae sinistre ab illis [duobus collegis] excepta & graviter accusata est“ (Acta Mentzeriana, 1625, 56). 32 „... proinde a R.T.D. [Hafenreffer] pro summa nostra necessitudine diligentissime peto, ut communi reverendorum Dominorum Collegarum Consilio (quos rev[er]enter & officiose saluto misso cuique peculiari exemplari [orationis]) quid in ea oratione reprehendum videatur, candice & amice mihi significare ne graveretur“ (Acta Mentzeriana, 1625, 56). 33 Mentzer ließ den Text ohne das obligate Imprimatur des Dekans drucken (HEPPE, 1876, II, 196.194); heruntergespielt von FEURBORN, Κενωσιγραφια, 1627, Appendix 71b. 34 Zum Ablauf des Gießener Promotionsverfahrens vgl. W.M. BECKER, 1907, I, 162– 164, hier bes. 164. – Feurborns Promotion hatte schon auf einer früheren Station Verstimmungen ausgelöst, weil der Kandidat seiner – von Mentzer präsidierten – Disputation pro gradu doctorali (29.08.1616) selbstverfaßte Thesen zugrundegelegt hatte, während die von Mentzers Kollegen vergeblich eingeforderte Gießener Regel vorsah, daß „die Rp [= Respondentes] die theses vom praeside nemen müßen“ (Gisenius an Konrad Dietrich, abgedr. B ECKER 1907, I, 163 Anm. 397; zum Vorgang insgesamt ibd. 163). 35 Gisenius, von dritter Seite über Mentzers Absicht, „ihn bei dieser Gelegenheit gehörig [zu] ‚agiren‘“, vorgewarnt, blieb von vornherein fern; der dem Promotionsakt noch beiwohnende Winckelmann quittierte den Affront mit dem Verzicht auf die Teilnahme an der anschließenden Feier der Hochzeit Feurborns (HEPPE, 1876, II, 196). 36 Oratio IN QVA BREVITER DELIneantur praecipua capita controversiae, DE OMNIPRAESENTIA JESU CHRISTI ΘΕΑΝΘΡΩΠΟΥ in utraque natura, Gießen 1616 (VD 17 39:159757P). Im folgenden zitiert nach dem vollständigen Wiederabdruck in: F EURBORN, Κενωσιγραφια, 1627, Appendix 64a–68b.
I. Ablauf und Thema der Gießener Debatte
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Christi „in utraque natura“ als eines selbständiger Entfaltung bedürftigen und fähigen ‚Implikats‘ realpräsentischer Abendmahlslehre haben die lutherischen Theologen im Zusammenhang des 2. Abendmahlsstreites als zu lösende Aufgabe erkannt und angenommen; eben diese Frage avanciert zum Kristallisationspunkt jener konfessionsspezifisch werdenden Christologie, die dann im 8. Artikel der Konkordienformel ihre Kodifizierung findet.37 Den erhofften Schlußpunkt der binnenlutherischen Klärung der Christologie vermochte die Konkordie indes nicht zu setzen. Die Sezession der Helmstedter Theologen um Tilemann Heshusius und Daniel Hof(f)mann (1583ff) vom konkordistischen Luthertum war in ihrem Kern christologisch motiviert; gegen den vermeintlichen Versuch der schwäbischen ‚patroni ubiquitatis‘, ihre Sonderthese der ‚General-Ubiquität‘ in die FC ‚hineinzuschieben‘, vertreten die Helmstedter eine Partizipation der Menschheit Christi zwar an der allmächtigen Herrschaft Gottes, nicht aber an dessen Allgegenwart.38 In diesem einen Fall hatte mithin der harte Kern der interkonfessionellen Auseinandersetzung seine Sprengkraft schon einmal auch innerhalb der lutherischen Theologie selbst erwiesen. Diese jedenfalls äußerliche Parallele zu den aktuellen Vorgängen ist bald thematisiert worden. Die Tübinger von 1619ff glauben, in Mentzers Thesen eine faktische Erneuerung der Helmstedter ‚Irrtümer‘ erkennen zu müssen;39 und auch bereits in der Gießener Auseinandersetzung selbst scheint die Frage eine Rolle gespielt zu haben.40 2.3 Der diskreditierende Vergleich traf im aktuellen Fall allerdings den wohl „einflußreichsten ... lutherischen Theologen des frühen 17. Jh.s“41, dessen Name für die scharfsinnige Entwicklung und entschiedene Verteidigung jenes ‚neuen Dogmas der lutherischen Christologie‘ (Th. Mahlmann) stand. Namentlich die Auseinandersetzung mit dessen reformierten Kritikern bildet einen roten Faden der Publikationen Mentzers.42 Diesem Thema stellt sich schon sein Erstlingswerk, das Doppelvotum gegen Antonius Sadeel,43 das 1593/1594 mit empfehlenden Vorreden von Ägidius Hunnius, des anerkannt ersten der lutherischen Theologen seiner Generation,44 zum Druck gebracht worden war.45 In diese Reihe gehört ebenso der
37
Maßgebliche Untersuchung über ‚Problem und Geschichte‘ der ‚Begründung‘ des ‚neuen Dogmas der lutherischen Christologie‘: T H. MAHLMANN, 1969 (vgl. o. bei u. mit [A.] Anm. 80). – Übersicht: G. W ENZ, 1988, 289–303; DERS., 1997, II, 691–711. 38 Zum christologischen Streit zwischen Helmstedt und Württemberg vgl. u. C.IV.2. 39 T H. T HUMM, Ταπεινωσιγραφια, 1623, 11 u. ö. 40 Vgl. u. bei u. mit Anm. 124. 41 T H. MAHLMANN, 1993, 1274. 42 Vgl. zum folgenden bes. TH. MAHLMANN, 1993. 43 = Antoine de la Roche Chandieu (RGG3 VI, 1278); R. NÜRNBERGER, 1957, 1638. 44 Vgl. T H. MAHLMANN, 1986, 706,15ff. – Zu Hunns Christologie s. u. C.IV.3.
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B. Der Gießener Streit über die Allgegenwart Christi (1616–1618)
erstmals 1604 publizierte Traktat gegen (den Herborner, ab 1610 Bremer Professor) Matthias Martini, der für den von Mentzer angegriffenen Sadeel literarisch in die Schranken getreten war.46 – Aus einer neuen Runde dieser antireformierten Polemik Mentzers entsteht im Sommer 1616 der Streit in der Gießener Fakultät.47 Ausgelöst wird diese neue Phase durch Martinis Doppelschrift von 1614,48 mit der der Bremer auf den Anti-Martinius von 1604 antwortet – nach 10jähriger ‚Denkpause‘, wie Mentzer anzumerken nicht unterläßt.49 Diese Replik macht Mentzer seinerseits umge-
45 ELENCHVS ERRORVM ANTONII SADEELIS IN LIBELLO DE VERItate Humanae naturae Iesu Christi, Wittenberg 1593 (VD 16: M 4684); ELENCHVS ALTER ERRORVM ANTONII SADEELIS IN LIBELLO DE SAcramentali manducatione carnis Christi, Wittenberg 1594 (VD 16: M 4686). – Diese von Mentzer 1590 im Kirtorfer Pfarramt (1589–1596) erarbeiteten und zunächst nur handschriftlich im Freundeskreis verbreiteten Texte – zusammen eine eindringende „Auseinandersetzung mit der inzwischen theoretisch weit entwickelten reformierten Christologie und Abendmahlslehre“ – werden ohne Wissen des Verfassers auf Veranlassung von Mentzers Freund Johannes Schroeder je mit einem empfehlenden Vorwort Ägidius Hunns zum Druck gebracht (MAHLMANN, 1993, 1274, Zitat ibd.; DERS., 1998, 1429). – Mentzer selbst läßt später beide Titel 1609 in Gießen noch einmal drucken (VD17: 1:674131T bzw. 23:646702N); dieser Neuausgabe folgt der Wiederabdruck in den posthum edierten Opera Latina (1669, I, 1087–1254 bzw. 2057–2184 [fehlerhafte Paginierung, eigentlich: 1255ff]). 46 MODESTA ET SOLIDA Responsio BALTHASARIS MENTZERI ... contra futiles obiectiones MATTHIAE MARTINII; Frankfurt 1604 (VD 17: 23:274278U). Hier benutzt der Wiederabdruck: Anti-Martinius, sive Modesta et Solida Responsio Ad futiles objectiones Matthiae Martini (Opera, 1669, II, 1–352). – Zu Martini vgl. F. LAU, 1960, 781. 47 H. HEPPE hat diese interkonfessionelle Auseinandersetzung insgesamt zur Vorgeschichte des kenotischen Streites gerechnet: „Diese Controverse [sc. zwischen Gießen und Tübingen] war die Fortsetzung eines polemischen Schriftenwechsels, dessen Anfänge ursprünglich in Marburg hervorgetreten waren und aus dem Jahre 1585 datirten“ (1876, II, 193; entsprechend STEITZ, 1977, 151). Diese weit zurückgreifende Konstruktion hat wohl an den äußeren Verläufen, z.T. auch an der Kontinuität der Themen einen gewissen Anhalt, übergeht aber doch die dem Wechsel der Gesprächskonstellationen korrelierten sachlichen Zäsuren; zum Verständnis der Auseinandersetzung ab 1619 trägt sie wenig aus. Daß dieser Streit „historisch tief angelegt“ ist (MAHLMANN, 1981c, S. XII), wird allerdings darzulegen sein, aber diese ‚Anfänge‘ sind in der inneren Entwicklung der lutherischen Christologie selbst zu suchen (u. C.IV.2.5). Zur äußeren Vorgeschichte der Debatte 1619ff ist nur die letzte Phase der Kontroverse Mentzer vs. Martini ab 1614/1615 und der Gießener Streit 1616–1618/19 zu rechnen. 48 THEOLOGIA DE UNICA DOMINI NOSTRI JESU Christi persona, In duabus naturis … CONTRA Blasphemias, errores & calumnias haereticorum, inprimis Samosatenianorum, Socinianorum & Arianorum; etiam Ubiquitariorum, nominatim D. B ALTHASARIS M ENTZERI professoris Giessensis, in II. libros … distincta, Bremen 1614 [erschienen 1615; VD 17: 1:081666E]. 49 „Haec summa est disputationis Martinianae in cuius fine pollicetur, alio tempore nostra argumenta se examinaturum. Post novum opinior decennium. Tantum enim spatium sibi sumpsit, ad hunc tam insignem laborem perficiendum. Sat … cito, si sat bene“
I. Ablauf und Thema der Gießener Debatte
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hend, noch im Frühjahr 1615 50 zum Gegenstand zweier öffentlicher Disputationen in Gießen.51 Diesem ersten Schlagabtausch folgen in einem heftigen Streitschriftengefecht bis 1617 vier weitere Runden; Mentzer steuert sukzessive 8 Texte bei, die dann 1618 noch einmal gesammelt publiziert werden.52 Synopse der Schriften des Streites Mentzer – Martini 1614–1618 B. Mentzer
M. Martinius [I.] 1614 (1615): Theologia De Unica Domini Nostri Jesu Christi persona53
1615a: Admonitio Brevis De Libro Matthiae Martinii; De Persona Christi54 1615b: Admonitio Altera: De Libro Matthiae Martinii; De Persona Christi55 [II.] 1615: Examen Querelarum et Admonitionis Balthasaris Mentzeri56 1616a: Consideratio Novi Libelli Matthiae Martinii57
(Disputationum Gissensium Tomus [im folgenden: DGT] VI (1617), Disp. Nr. 14, Th. 14 (= Opera Latina II, 355b). 50 J. B AUR ([1977, 227f =)] 1993h, 240f) datiert diese Disputationen Mentzers irrtümlich auf Herbst 1616. Doch die hier attackierten Texte Martinis werden in Bremen 1614 bzw. Anfang 1615 gedruckt und dann von Mentzer ‚ein oder zwei Monate‘ nach ihrer Vorstellung auf der Frankfurter Frühjahrsmesse 1615 beantwortet (DGT VI. 14, Th. 1 [Opera II, 354a]); die dann hierauf replizierenden Voten Martinis erscheinen noch im selben Jahr 1615: Examen Querelarum et Admonitionis Balthasaris Mentzeri, Bremen 1615 (VD 17: 12:108860B); vgl. die folgende Synopse. Die ersten zwei Disputationen Mentzers sind darum ebenso wie die folgende dritte (18.01.1616) noch nicht als Dokumente schon der offenen Auseinandersetzung in Gießen zu lesen, die erst im Sommer 1616 anläßlich der 4. Disputation aufbricht (Anm. 67). Unberührt von dieser Korrektur bleibt der sachliche Ertrag der Analysen BAURs: (1977, 228–230 =) 1993h, 241–243. 51 DGT VI. 14.15 (Opera II, 354–366.366–388a). 52 MARTINIUS ΕΛΕΓΧΟΜΕΝΟΣ . SIVE REFVTATIO SOPHISMATUM MATTIHAE MARTINII …, Gießen 1618 (VD 17: 23:324832R); neu abgedruckt Opera II, 353– 526; im folgenden zitiert: ME). Dieses Werk bietet neben den schon einmal im Verbund edierten ersten 6 Disputationen (ME I–VI [Opera II, 354–474a] = DGT VI. 14–19 [204– 397; Ep. dedic. dieses Bandes vom 3. Apr. 1617]) zwei weitere Disputationen (ME VII. VIII [Opera II, 474–499; 499b–526]) aus dem Sommer 1617 (s. in der Synopse Mentzer 1617a.b). 53 M. MARTINI, 1614. – S. o. Anm. 48. 54 MENTZER, 1615a. Wiederabdruck: DGT VI.14, 204–223 = ME I (Opera II, 354– 366). 55 MENTZER, 1615b. Wiederabdruck: DGT VI. 15, 223–258 = ME II (Opera II, 366– 388a). 56 M. MARTINI, 1615. (VD 17: 12:108860B). 57 MENTZER, 1616a. Gießen 18.01.1616 (VD 17: 23:261010S). Wiederabdruck: DGT VI. 16, 259–294 = ME III (Opera II, 388a–409b).
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B. Der Gießener Streit über die Allgegenwart Christi (1616–1618)
B. Mentzer
M. Martinius [III.] 1616: Mentzerus Antinuthetumenus58
1616b: Admonitio Nova De novo Libro Matthiae Martinii59 1616c: Admonitio Nova continuata De novo Libro Matthiae Martinii60 1616d: Admonitio Nova continuata … 61 [IV.] 1617a: Demonstratio Matthiae Martinii62 1617a: Examen Demonstrationis Matthiae Martinii63 [V.] 1617b: Institutio Matthiae Martinii De Praesentia Domini nostri Jesu Christi64 1617b: Examen Institutionis Matthiae Martinii65
3. Thesen Gegenstand des Streites in Gießen selbst wird eine These, die Mentzer in der neu aufgenommenen Auseinandersetzung mit Martini zu einem zentralen Argument ausbaut. Das Anschreiben an die Tübinger vom 7. Nov. 1616 informiert knapp über Inhalt und Zielrichtung: „Affirmo contra Martinium & Calvinianos praesentiam Christi Θεανθρωπου apud creaturas definiri in scripturis per verba actionem denotantia“.66 Die göttliche Gegenwart (Christi) ist Tat, actio, – so hatten es, in der Formulierung provokanter, die der Oratio vorangehenden Disputationen wiederholt zugespitzt, besonders folgeträchtig in der generalisierenden These aus dem Juli 1616, die den öffentlichen Widerspruch der Kollegen auslöste: „necesse est, ut ipsa divina praesentia iuxta sacras literas sit ... actio“.67 58
M. MARTINI, 1616. – (Okt. 1615) Bremen 1616 (VD 17: 1:081829N). MENTZER, 1616b. – Gießen 18. Juli 1616. (VD 17: 23:245241R). Wiederabdruck: DGT VI. 17, 294–323 = ME IV (Opera II, 409b–428a). 60 MENTZER, 1616c (Th. 125ff). Gießen 22. August 1616 (nicht: 4. Oktober 1616, gegen HEPPE, 1876, II, 195; VD 17: 23:257926R). Wiederabdruck: DGT VI. 18, 323–365 = ME V (Opera II, 428a–454). 61 MENTZER, 1616d (Th. 278ff). Wiederabdr.: DGT VI. 19, 365–397 = ME VI (Opera II, 454–474a). 62 M. MARTINI, 1617a. Bremen 1617 (VD 17: 23:638511F). 63 MENTZER, 1617a. – Wiederabdruck = ME VII (Opera II, 474a–499b). 64 M. MARTINI, 1617b. Bremen 1617 (VD 17: 23:638514D). 65 MENTZER, 1617b. – Gießen 21. August 1617 (VD 17: 75:644108S). Wiederabdr.: ME VIII (Opera II, 499b–526b). 66 Acta Mentzeriana, 1625, 56. 67 MENTZER, 1616b: DGT VI. 17, 294–323 = ME IV (Opera II, 409b–428a), Th. 6 (Opera II, 410b; zitiert u. Anm. 106). – Diese Zuweisung ergibt sich aus dem in dieser Hinsicht unverdächtigen Referat der Gießener Vorgänge, das Gisenius in seinem Brief 59
I. Ablauf und Thema der Gießener Debatte
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Was Mentzer hier apodiktisch identifiziert, ‚Gegenwart‘ und ‚Tätigkeit‘, das wollen Gisenius und Winckelmann auch theo-logisch als zwei Seinsbestimmungen definitorisch unterschieden wissen; und zuerst Gisenius und ihm folgend Winckelmann haben diesen Dissens deutlich in öffentlicher Widerrede markiert.68 Auch Mentzers nur summarisches Referat dieses Vorgangs im Brief an die Tübinger läßt noch durchklingen, wie verhärtet die Fronten geworden sind: „Pro Martinio contra me disputant duo Collegae mei, asserentes praesentiam apud creaturas & actionem esse duo distinctos actus, quorum unus per alterum describi neque debeat neque possit“.69 Pro Martinio disputant: Als Parteigänger des calvinistischen Kontrahenten vorgeführt werden damit Professoren jener Fakultät, die nach ihrer Gründungsgeschichte und ihrem Selbstverständnis den institutionalisierten Protest gegen die reformierte Umprägung der Marburger Universität im Zuge des innerhessischen Regierungswechsels von 1604ff darstellt, die in der Wendung gegen die Usurpatoren ihr Profil schärft, ja, die in der „Opposition und Offensive gegen Marburg“ gleichsam ihre ratio existendi sieht und darum ganz folgerichtig nach der erneuten politischen Umwälzung aus dem Gießener ‚Exil‘ zurückkehrt, um das einst zwangsweise aufgegebene Marburger Terrain neu in Besitz zu nehmen.70
an die Tübinger vom Herbst 1619 liefert (Straßburg, 18. Okt. 1619; o. Anm. 19): „Occasio [hujus differentiae] fuit Disputatio in Tomo 6 ... XVII. eiusque Thes. 6. in qua simpliciter affirmatur, Divinam Praesentiam esse Actionem“ (Acta Mentzeriana, 1625, 211– 213, hier: 212). Vgl. HEPPE, 1876, II, 194f. – Daß es zum Eklat in Gießen erst infolge dieser 4. Disputation Mentzers kommt, ist insofern auffällig, als sich die problematischen Thesen im wesentlichen schon in den ersten drei Disputationen des Zyklus, ja, in Ansätzen bereits in noch älteren Texten finden; vgl. Mentzers eigene Notiz im Brief an Th. Lansius („cur ea sententia oppugnari in me Anno 1616 coeperit, quae tamen ante annos decem, immo viginti & amplius publice proposita & defensa fuit …?“; Acta Mentzeriana, 1625, 225), und auch, ungeachtet der fehlgehenden Datierung (o. Anm. 50), die Analyse J. BAURS, (1977, 228–230 =) 1993h, 241–243. – Eine genauere Rekonstruktion der Gießener Vorgänge dürfte die Vermutung belegen können, daß die Eskalation im Sommer 1616 zusammenhängt mit der Person des kurz zuvor in die Fakultät eintretenden Joh. Gisenius. So sehr Winckelmann den Widerspruch gegen Mentzer mitgetragen hat, – der primäre oder gar einzige Gegner Mentzers, wie der um Marginalisierung der eigenen Rolle bemühte Gisenius in seiner ersten Kontaktaufnahme mit den Tübingern es darstellt, war er nicht: Mentzer selbst schreibt Gisenius die Initiative im öffentlichen Widerspruch zu (u. Anm. 72). Dazu fügt sich, daß in der noch einmal eskalierenden und – nach den Darmstädter Abmilderungen der ursprünglichen Streitfrage – auf andere Themen des christologischen Locus ausgedehnten Auseinandersetzung der Jahre 1617–18 wieder und allein Gisenius der eigentliche Widerpart Mentzers ist (HEPPE, 1876, II, 199–203). 68 „D.D. Winckelmannus & D.D. Gissenius, quibus haec phrasis nova & periculosa videbatur, in ipsa statim disputatione publice quidem, at fraterne & collegialiter monebant D.D. Menzerum, illam assertionem stare non posse, eo quod non solum verum non ponat genus, & confundat distinguenda, sed & multa pariat absurda, atque a Nestorianismum, Calvinismum & Photinianismum, &c tendat“ (T HUMM, Ταπεινωσιγραφια, 1623, 3f, hier: 3). Thumms bezieht sich auf die Schilderung der Vorgänge durch Mentzer selbst in dessen Brief an Th. Lansius (14.4.1617; vgl. Anm. 71.). Dort ist allerdings nicht ausdrücklich davon die Rede, daß der Widerspruch noch in der Disputation selbst erfolgte; ebensowenig in Gisenius’ Referat (vgl. o. Anm. 67; u. bei u. mit [C.] Anm. 114–117). 69 Acta Mentzeriana, 1625, 56. 70 W. DIEHL, 1907, II, 84–87, hier: 84.
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B. Der Gießener Streit über die Allgegenwart Christi (1616–1618)
Umgekehrt läßt auch Winckelmanns und Gisenius’ Urteil über Mentzer keinen Zweifel am Gewicht des Dissenses und der Entschiedenheit ihres Widerspruchs. Im Schreiben an Hafenreffer schweigt Mentzer hierüber. Deutlicher und ungeschützter äußert er sich ein halbes Jahr später (14.4.1617) in einem vertraulichen Brief an einen anderen Tübinger, den Freund und Kollegen Thomas Lansius, Professor am Collegium Illustre:71 Seinen Vorschlag zur operativen Definition der praesentia divina kritisieren die Gießener Opponenten als Reduktion der ‚Gegenwart‘ auf das (abständige) Handeln eines als es selbst nicht anwesenden Subjektes. Die von Mentzer als faktische Beförderer calvinistischer Thesen Porträtierten bezichtigen damit genau umgekehrt den Kollegen eben dieser und ähnlicher häretischer ‚Tendenzen‘: „ex ea definitione [Mentzeri] sequi multa absurda, nempe actionem Dei solam & nudam, sine substantiali praesentia tendere ad Nestorianismum, Calvinismum, Photinianismum &c.“72 Das der Intention seines Urhebers nach auf eine optimierte Kritik der calvinistischen Thesen zielende Programm kritisieren die Gießener Kollegen als einen genau diese Gegenthese de facto stabilisierenden Entwurf.
Die folgende Analyse der kontrovers werdenden These Mentzers wird ihren Ausgang bei der Promotionsrede vom Oktober 1616 nehmen. Der Text markiert den vorläufigen Höhepunkt des im Sommer 1616 universitätsöffentlich gewordenen Dissenses der Gießener Theologen; kurz vor Mentzers Aufbruch nach Sachsen entstanden, sammelt er die Thesen und Argumente der ersten Phase der Auseinandersetzung. Der ‚Darmstädter Rezeß‘, den die bald nach Mentzers Rückkehr an den landgräflichen Hof zitierten Professoren nach mehrtägigen Debatten am 20. Januar 1617 unterzeichnen,73 setzt eine Zäsur, die das Ende der ersten Streitphase markiert. – Im folgenden soll zunächst die ursprüngliche Position, wie sie im Herbst 1616 den Tübingern übermittelt wird, anhand der Mentzer’schen Oratio vorgestellt werden (II.–III.). Der daran anschließende Teil skizziert die nach ‚Darmstadt‘ vollzogene Modifikation des Konzepts und deren Konsequenzen (IV.), bevor dann eine Einordnung des Mentzer’schen ‚Programms‘ (V.) zur Darstellung der dadurch ‚angestoßenen‘ neuen Tübinger Christologie (C.) überleitet. 71 In Auszügen abgedruckt Acta Mentzeriana, 1625, 224f, vgl. 23f(.26). 47f. 52 und schon – ohne Nennung des Adressaten – T HUMM, Ταπεινωσιγραφια, 1623 , 3f. – Thomas Lansius (1577–1657); 1604 Doctor iuris; ab 1606 Professor für Politik, Geschichte und Beredsamkeit am Collegium illustre in Tübingen; ab 1611 daneben Inhaber eines der beiden juristischen Lehrstühle. – T EICHMANN, 1883; HERMELINK, 1949, 102; J. B AUR, (1977, 234 Anm. 191 =) 1993h, 249 Anm. 198; DERS., 1993i, 300f. 72 „D. Johannes Gisenius Professor Theologiae quartus disputat publice Anno 1616. contra Mentzerum, illam definitionem stare non posse, quia non ponat verum genus & confundat distinguenda. Hunc sequitur D. Winckelmannus & longius etiam progeditur, dicens, ex ea definitione [Mentzeri] sequi multa absurda, nempe actionem Dei solam & nudam, sine substantiali praesentia tendere ad Nestorianismum, Calvinismum, Photinianismum &c ...“ (Acta Mentzeriana, 1625, 225). – Diese dann für die spätere Tübinger Polemik nahezu topische Bewertung der Mentzer’schen Thesen ist also bemerkenswerterweise ein ursprünglich in Gießen formulierter Vorwurf! 73 Vgl. u. B.IV.1.
II. Mentzers Definition der Omnipräsenz als actio
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II. Mentzers Definition der Omnipräsenz als actio II. Mentzers Definition der Omnipräsenz als actio
Gegen den scharfen Einspruch von unerwarteter Seite unternimmt Mentzers Oratio De Omnipraesentia Jesu Christi Θεανθρωπου in utraque natura 74 vom Oktober 1616 den konzentrierten Versuch, Recht und Notwendigkeit des eigenen Arguments zu behaupten. Diese Konstellation prägt den eigentümlichen Charakter des Textes: Nominell führt Mentzer die Auseinandersetzung mit der reformierten Partei, die eigentlichen Adressaten aber bilden die opponierenden Kollegen in Gießen selbst.
1. ‚Ex Scripturis omnia‘? – Methodische Abgrenzungen 1.1 Unter dem Etikett antireformierter Polemik präsentiert Mentzer sein Programm den dissentierenden Kollegen einleitend einmal mehr als konsequente Durchführung ‚biblischer Theologie‘, deren Gegenstück die Auslieferung der ‚himmlischen Mysterien‘ an das Tribunal der sich normativ setzenden menschlichen Vernunft wäre. Offenbarung (revelatio; patefactum verbum) und Vernunft (ratio) sind die strikt alternativen Erkenntnisprinzipien, in Fragen der „Hauptpunkte unserer Religion“ wie Himmel und Erde geschieden und keiner Vermittlung fähig.75 ‚Principium philosophicum‘ oder ‚veritas evangelica‘, ‚Aristoteles‘ oder ‚Christus‘76 – in diesem 74
Vgl. o. Anm. 36. – Die Belegangaben im folgenden beziehen sich hierauf. „Equidem non Theologis modo, sed omnibus Christianis enitendum reor, ne quid de religionis nostrae capitibus ita dicant, ut praeter scripturam divinam dictum videatur. Neque enim fas esse duco, de coelestis mysteriis credendi loquendique normam in humanae rationis acumine inquirere: quae mysteriorum nomen tueri non possunt, quamprimum rationis imperio subduntur. ... cavendum est, quod ex una Dei per verbum revelatione dependet, ex ullo alio principio aestimetur. Quemadmodum enim terrae coelum misceri non debet, omnisque confusio vitanda est, ita quae fidei propria sunt, in ipsius Dei patefacto nobis verbo fundata, ad rationis humanae circumlum & tribunal rapi non debent“ (64b). – Vgl. DGT VI. 17 = ME IV, Th. 13; Opera II, 411a. 76 Vgl. die pointierten Formulierungen in der thematisch parallelen Disputation De Praesentia Christi Θεανθρωπου Apud Creaturas in regno potentiae, gratiae, & gloriae ([1614d] DGT V. 15, 507–532): Die verheißene Gegenwart Christi (Mt 28,20; – 78/539) wegen der essentiellen Begrenztheit der menschlichen Natur auf eine Präsenz allein nach der Gottheit zu deuten (79/530f), hieße „[e]x principio Philosophico negare veritatem Evangelicam“ (80/531), hieße „Aristotelem Christo opponere“ (84/532). Vgl. auch AntiMartinius (1604), Opera II, 11a (Aristoteles philosophorum princeps – Schola Theologica). – Mit der Kontrastierung lutherischer Christologie und Abendmahlstheologie gegen die Logik und Ontologie des ‚Aristoteles‘ steht Mentzer in einer Tradition lutherischer Theologie seit dem Reformator selbst („Maior est spiritus sanctus quam Aristoteles“; StA 2, 192, 1f [De captivitate Babylonica]; vgl. U. MOUSTAKAS, 2000, 105–116), nicht jedoch mit dem sich hier andeutenden Verständnis dieses Kontrastes als eines reinen Gewaltverhältnisses (rationis imperium, tribunal; 64b, o. Anm. 75), das die Frage einer Vermittlung gar nicht mehr stellt. Ihre radikale Ausprägung findet diese Antithetik in der These einer duplex veritas, wie sie D. Hoffmann verficht (SPARN, 1979, 59ff, bes. 65f. 68.75; FRIEDRICH, 2004, passim, bes. 241–288; S TREIFF, 1993, 41–114; auch S CHUBERT, 75
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B. Der Gießener Streit über die Allgegenwart Christi (1616–1618)
unversöhnlichen Konflikt stellt sich Mentzer entschlossen auf die Seite des biblischen Wortes: Die umstrittene These ist, so der im voraus bedeutete Anspruch, kein eigenes Fündlein, sondern weiß sich der Sache wie der Formulierung nach (norma credendi loquendique) allein der Normativität der Schrift verpflichtet, – „ut qui attente audiverint, nos de nostro nihil, sed ex Scripturis Biblicis haussisse omnia, plane intelligant“!77 1.2 Ein zweites Prolegomenon präzisiert den Status quaestionis durch die Eliminierung hinderlicher Äquivokationen (verborum ambiguitas; 64b). Wovon ist die Rede, wenn nach der ‚Gegenwart unseres Heilands Christus bei den Kreaturen‘ gefragt wird? Hier bedarf es der entschiedenen Abweisung jener massiv verzeichnenden Interpretation, derzufolge die ‚Ubiquitäts‘-These eine monströse Expansion des Leibes Christi „per omnia mundi loca“ (65a) behaupte.78 Mentzer kritisiert diesen nicht nur für 2002, 60–65); der Hauptstrom lutherischer Theologie entwickelt demgegenüber differenziertere Verhältnisbestimmungen (W ALLMANN, 1961; J. B AUR, 1962; SCHOLDER, 1966, 105–130; SPARN, 1976; FRIEDRICH, 2004, 222–240. 361–377). – Vgl. die spätere Auseinandersetzung Thumm vs. Mentzer über den Begriff der praesentia Dei als Element der cognitio Dei naturalis: C.III.1.4. 77 64b. – Die rigide Antithetik – de nostro nihil, ex scripturis omnia – stützt daneben eine ‚Immunisierungsstrategie‘ Mentzers, die ‚philosophische‘ und ‚rationale‘ Argumente seiner Gegner ins Leere laufen läßt: mögen diese auch ‚an sich‘ richtig sein, sind sie doch theologisch irrelevant und bedürfen keiner Widerlegung oder auch nur Diskussion. Die mit dem tradierten Topos der cognitio Dei naturalis gestellte Frage ‚gemischter‘ Erkenntnis (vgl. zur späteren Debatte: C.III.1.4) wird im Zusammenhang der Auseinandersetzung über den Begriff der praesentia divina von Mentzer hier nicht weiter diskutiert. Seine Abgrenzung zwischen den ‚Territorien‘ und heterogenen Erkenntnisprinzipien von Philosophie und Theologie sowie das Verbot jeder ‚Invasion‘ bleiben der Sache nach strikt, auch wo sie in moderaterer Diktion vorgetragen werden: „Quanquam enim Philosophiam magni facimus, ut Dei Donum, tamen non patimur eam exire ex suo territorio, & alienum forum invadere. Valent axiomata Philosophica in natura creata, quantum capere ratio potest, ad Articulos fidei firmandos, Spiritus sancti oracula satis esse debent, & possunt“ ([1616a] DGT VI. 16 / ME III, Th. 100; Opera II, 403b). 78 „a quo portento sumus per Dei gratiam ita alieni, ut ex toto corde illud ex|cremur Quid enim, quaeso, fingi monstrosius possent, quam corpus longum, latum & profundum, quantitate molis suae per omnia loca mundi, coelum, terram, aerem, mariaque omnia, expansum diffusumque, ut mole hac sua impleat universa?“ (64b–65a). – Diese Abgrenzung ist ganz auf die reformierte Polemik abgestellt, wie sie einmal mehr auch Martinis Doppelschrift von 1614 (o. Anm. 48) den „Ubiquitariern“ vorhält (vgl. Mentzers Referat: [1615a] DGT VI. 14 = ME I, Th. 1ff. 6–25; Opera II, 354–356): Die lutherischerseits vertretene „praesentia humanae Naturae Christi, in omnibus locis“ (l.c., 7/354b, vgl. 15/355b) könne in modaler Hinsicht nur als ‚Diffusion‘ und ‚Ausdehnung‘ des corpus Christi ‚per omnia loca, coelum, terram, mare & omnes creaturas‘ (21/356a) verstanden werden, womit in der Folge die wesentliche Identität (veritas) und also die vom Dogma geforderte Homousie der Menschheit Christi aufgehoben sei, da die stetige Monolokalität als eine unaufhebbare Bestimmung jedes Körpers zu gelten habe (27/356b– 357a). Die auch christologische Gültigkeit dieses Axioms belege das Schriftzeugnis über
II. Mentzers Definition der Omnipräsenz als actio
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die reformierte Polemik topischen Vorwurf als haltlose Karikatur79, die schlagend die ruinösen Folgen jener eingangs benannten methodischen Fehlorientierung exemplifiziert. Indem sie das göttliche ‚Geheimnis‘ den Kategorien der hier unzuständigen Vernunft unterwirft (naturae legibus Deum subjicere) und darum nach physikalischen Raumvorstellungen (regulae physicae) interpretiert,80 verfehlt sie den Gegenstand des Schriftzeugnisses. Thematisch ist allein die göttliche Gegenwart des fleischgewordenen Gottessohnes (divina ipsius Filii Dei in carne manifestati praesentia); dieser göttlichen Gegenwart ist, allein das behauptet die lutherische These, die Menschheit Christi teilhaftig geworden, kraft der unio personalis und der Erhöhung zur Rechten Gottes, ohne Alteration ihres Wesens.81 Der angemessene Begriff dieser Gegenwart kann und darf, so erdie irdisch-definite Geschichte Christi (12.13/355a). Zur Auseinandersetzung zwischen Martinius und Mentzer ‚de origine ubiquitatis‘ vgl. auch [1616a] DGT VI. 16 = ME III, Th. 27–32; Opera II, 391b–392b. – Historisch gesehen stellt der (erstmals 1546 – beiläufig – bei Melanchthon belegte) Ausdruck ‚Ubiquität‘ (ubiquitas; die griechische Form πανταχουσια schon 1544 bei Johannes a Lasco [M AHLMANN, 1969, 50 bei u. mit Anm. 37; vgl. ergänzend B RANDY 1991, 47 bei u. mit Anm. 12]) ein „Produkt der Polemik“ dar, das sich „dem Willen zur Verneinung des mit ihm Ausgesagten“ verdankt (J. B AUR, 2007, 192.193). Als solch polemisches Etikett wird es der lutherischen Ausarbeitung der „in der Realpräsenz implizierten Christologie“ seit etwa 1556 (Hardenberg’scher Abendmahlsstreit) von deren calvinistischen und philippistischen Gegnern angeheftet und ist trotz des Protestes der so Etikettierten gegen dieses ‚novum et portentosum ... vocabulum‘ (J. BRENZ, De Personali Unione [ed. Mahlmann] 44,1f; vgl. 6,6f und DERS., Sententia [ed. Mahlmann] 176,26) „bis heute an ihr hängen geblieben“ (vgl. dazu im Detail MAHLMANN, 1969, 49–51 [Zitat 50]. 25. 59–61. 192–196; B RANDY, 1991, 248; A.W. HUNZINGER, 1908; J. B AUR, 2002, 227,35–228,5; DERS., 2007, 192–196). Wo die lutherische Partei das ursprüngliche Schimpfwort als terminus technicus zunächst ‚toleriert‘ (J. B AUR, 2007, 192f) und dann positiv aufgreift – das geschieht früh bei Brenz (B RANDY, 1991, 248; M AHLMANN, 1969, 194f) –, unterscheidet sie stets genau ein krass verfehltes und ein ‚orthodoxes‘ Verständnis des Ausdrucks – „zweierlei Ubiquitet“: localis –personalis et supernaturalis/repletiva (Brenz an Friedrich III. von der Pfalz; P RESSEL, 1868, 478f; vgl. MAHLMANN, 1969, 195 bei u. mit Anm. 247; B RANDY, 1991, 248 Anm. 84). Brenz kennt daneben vereinzelt die Unterscheidung einer triplex ubiquitas: localis– repletiva–personalis (De Personali Unione 42,35–44,7), wobei er dann die zweite und dritte Bedeutung als sachlich eng zusammengehörig wieder zusammenfassen kann und so auf die einfache Unterscheidung zurücklenkt: De Maiestate Christi, 354,25–356,2; vgl. B RANDY, 1991, 248. 79 „... purum putum figmentum est ...“ ([1615a] DGT VI. 14 / ME I, Th. 21; Opera II, 356a); „commentum Calvinisticum“ (Th. 67; 361a). 80 Vgl. [1614d] DGT V. 15, 82/531f. 81 „Cumque tota haec disputatio non de humana quadam & corporali, visibilique corporis quanti, sed de divina ipsius Filii Dei in carne manifestati praesentia instituta sit, accurate expendant, qui monstrosam istam ubiquitatem producunt, annon in ipsum Deum λογον contumeliosi sint, cujus ea praesentia propria est, in cujus communionem sanctissima ipsius humanitas per unionem personalem & sessionem ad dexteram Dei conscen-
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B. Der Gießener Streit über die Allgegenwart Christi (1616–1618)
neut das Postulat an die Adresse der ‚von uns Abweichenden‘, nur auf der Basis der inspirierten biblischen Zeugnisse (oracula Spiritus Sancti) erhoben werden.82 Über die fundamentaltheologische Frage hinaus stellt die reformierte Kritik der Ubiquitäts-These der lutherischen Antikritik material-dogmatisch zwei Aufgaben: (1.) Lutherische Theologie muß erstens die der Schrift nachgesprochene ‚Ubiquität‘ der Menschheit Christi abgrenzen von deren Interpretation als einer expansiven Diffusion einer Raumgröße ins Unendliche. Diese Aufgabe erfordert die semantische Klärung des Prädikats der These (est omnipraesens / ubique) durch eine Präzisierung der Modalität der hier behaupteten ‚Allgegenwart‘, und dies in doppelter Hinsicht: negativ durch die Abweisung jedweder ‚lokalen‘ Interpretation; positiv durch die Entfaltung ihres spezifischen Charakters als praesentia divina. – Diese Explikation des authentischen Sinns (verus sensus) der These soll im folgenden als die (im engeren Sinn) apologetische Aufgabe bezeichnet werden. (2.) Begründet ist die lutherische These allerdings erst, wenn der über die Klärung ihres verus sensus hinausgehende Nachweis gelingt, daß die dem Wesen der Menschheit Christi widersprechende göttliche Allgegenwart doch derselben Menschheit ohne Vernichtung essentieller Identität zukomme. Dieser Nachweis verlangt formal, über die Klärung des Prädikats hinaus auf das Subjekt der These (Christus in utraque natura) Bezug zu nehmen – nach der besonderen Bestimmung der Menschheit Christi in der und durch die Personeinheit zu fragen, die solche Simultaneität von Kontinuität und Differenz zur natürlichen Wirklichkeit zu prädizieren erlaubt und verlangt. – Diese Begründung der veritas rei durch Reflexion auf die ‚Ontologie‘ des christologischen (Real-)Subjekts soll im folgenden als die (im engeren Sinne) konstruktive Aufgabe in der Durchführung der lutherischen Ubiquitätsthese bezeichnet werden.83
dit“ (65a). – Die hier noch begegnende Verknüpfung von praesentia und unio personalis ist im Horizont der unmittelbar folgenden Verabschiedung der perichoretischen Vermittlung der Naturen qua Personeinheit aus dem Diskurs über die praesentia Dei apud Creaturas (s. gleich) unspezifisch gemeint: die Teilhabe an der göttlichen Präsenz widerfährt der mit der Gottheit vereinten Menschheit; eine Begründung der praesentia in der ontologischen Struktur der unio personalis selbst will Mentzer nicht behaupten. 82 „Quae [divina praesentia] cum a nobis describi nisi ex Sp[iritus] sancti oraculis neque debeat neque possit, jure optimo postulamus, quicunque diversum sentire a nobis volunt, ut ad ipsas scripturas nobiscum descendant, earumque veram sententiam audiant & amplectantur“ (65a). – Vgl. auch die Ausführungen gleich zu Beginn der neu aufgenommenen Auseinandersetzung mit Martini: „Cum autem omnis quaestio Theologica inprimis de praecipuo aliquo Christianae Religionis capite, quale est de gloria, virtute & Maiestate Domini nostri Jesu Christi, certum habere debeat in divinis Scripturis fundamentum, in quo consistat, & ex quo deduci, & confirmari oporteat: ante omnia disquirendum est, quaenam sit vera hujus doctrinae sedes, & quasi domicilium proprium, in Codice Biblico. [|Th.17] Non enim solum impium: sed & απαιδευτον est, extra verbum Dei, ex proprio cerebro confingere otiosas, & intricatas quaestiones, proque Articulis fidei venditare, deque iis prolixas instituere disputationes ...“ ([1615a] DGT VI. 14 / ME I, Th. 16|f; Opera II, 355b). Vgl. entsprechend [1615a] DGT VI. 14 / ME I, 29/357a, 74/ 362a; 79/362b); [1616b] DGT VI. 17 / ME IV, Th. 14; Opera II, 411a. 83 Die hier skizzierte Strukturierung entspricht in den Grundlinien jener Disposition, die Mentzer selbst in der nur wenige Jahre älteren Disputatio De Praesentia Christi
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1.3 Vor dem Eintritt in die Begründung der These nach deren (positiv-) apologetischer und konstruktiver Seite hin ergänzt Mentzer die antireformierten Abgrenzungen durch weitere Präzisierungen des Status controversiae, die nun deutlich auf die interne Gießener Streitlage bezogen sind. Zwei Fragen seien es, „de quibus nulla inter partes controversia est, sed consensus & concordia planissima“ (65a), sie bedürften darum keiner näheren Behandlung. Die erste Klarstellung gilt einem theo-logischen Thema. Mentzer ‚bekennt‘ sich, wohl als Replik auf die von Winckelmann diagnostizierten ‚photinianischen [i.e. sozinianischen] Tendenzen‘ seiner Präsenz-Definition84 ausdrücklich zur Unendlichkeit des göttlichen Wesens (essentiae divinae infinitas),85 wie sie sich als – jedenfalls mittelbarer – Inhalt einschlägiger Schriftbelege (Jer 23,23; Ps 139,7; Ac 17,21) ergibt: „ubi de Dei apud creaturas praesentia sermo est: quae tametsi non est ipsa Dei immensitas in se, sic tamen eam ante se requirit & ponit, ut ex hac illa rectissime verissimeque concludatur“ (65b). Gottes Weltverhältnis (apud creaturas praesentia) und die absoluten Bestimmungen des göttlichen Wesens als solchen (immensitas in se) sind zwar zu unterscheiden, doch waltet zwischen beiden ein Bedingungsverhältnis: Gottes repletive Anwesenheit in Θεανθρωπου Apud Creaturas in regno potentiae, gratiae, & gloria ([1614d] DGT V. 15, 507–532) vorträgt – ein Text, der in der Themenstellung mit der Oratio von 1616 übereinkommt und sich so als Folie zur Bestimmung der Kontinuität wie der zwischenzeitlichen Verschiebungen in Mentzers Position besonders anbietet. Hier faßt der Gießener den strittigen Kern der luth.-ref. Kontroverse (summa negotii) in den Satz: „Christus ... vere praesens adest rebus omnibus, & inprimis suae Ecclesiae“ (15/509). Die Durchführung klärt dann zuerst die in dieser These verknüpften einfachen Begriffe (termini simplices) je für sich, d.h.: (1.) den Prädikatsbegriff (praedicatum propositionis: praesentiae nomen; 16/509–38/516f); sodann (2.) den Subjektsbegriff (propositionis subjectum: Christus θεανθρωπος = persona composita in utraque natura simul; 39/517–52/521), um nach dieser Klarstellung des Sinns der These schließlich (3.) nach dem Recht der Verknüpfung (connexio) beider Terme eben als Subjekt und Prädikat eines affirmativen Aussagesatzes, m.a.W. nach der Wahrheitsbedingung der These zu fragen (53/521–60/ 523f). – Die Klärung des Prädikatsbegriffs (1.) entspricht dem, was oben als ‚apologetische‘ Aufgabe bezeichnet wurde; die Begründung des ‚Konnexes‘ der Proposition (3.) gehört zur ‚konstruktiven‘ Aufgabe im oben definierten Sinn. Mentzers zweiter Schritt, die Klärung des Subjektsbegriffs (2.), verlangt keine eigene Rubrik: Insofern er nur, gegen die reformierte Auslegung, die Deutung auf den ‚totus Christus‘ nach beiden Naturen reklamiert (39/517–48/519), gehört er ins hermeneutische Vorfeld der systematischen Entfaltung; insofern hier schon nach der ontologischen Struktur der Person Christi und seiner Menschheit gefragt wird (48/519–51/520f), arbeitet er der Begründung der affirmativen Verknüpfung (connexio, 3.) vor und kann zur konstruktiven Aufgabe gerechnet werden. – Vgl. auch in der Disputation über Mt 28,20 ([1614b] DGT V. 7, 163–188): 16/168 (These) mit der Entfaltung 23/170–45/177 (Bilanz: 46/178); 47ff/ 178ff. – Zur sprachlogischen Frage vgl. genauer E.II.3. 84 Vgl. o. Anm. 72. 85 „Credimus & docemus unanimiter, divinam naturam esse ut aeternam & immutabilem, ita infinitam & immensam ... Diserte igitur improbamus ... impias voces Bezae, Pincieri, Vorstii, & Photinianorum, majestatem quidem Dei infinitam verbo fatentium, sed negantium simplicissimam essentiae divinae infinitatem ...“ (65a).
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B. Der Gießener Streit über die Allgegenwart Christi (1616–1618)
der Welt setzt die Unendlichkeit seines Wesens voraus. 86 – Keineswegs selbstverständlich ist dann Mentzers Folgerung, daß diese Frage der infinitas divinae essentiae, weil vorgeblich oder tatsächlich unstrittig, „nun“ nicht weiter zu diskutieren sei:87 Trägt dieses konzedierte ‚Fundament‘ der Weltgegenwart Gottes nichts für deren inhaltliche Bestimmung aus? Und bleibt dieses theo-logische Bedingungsverhältnis ohne Relevanz für die Lösung der christologischen Frage?
Eben an diese christologische Frage rührt unmittelbar die zweite Grenzziehung. Nicht thematisch sei ebenso, werden die Hörer belehrt, das Geheimnis der Inkarnation des Gottessohnes – die mit Kol 2,9 als ‚Einwohnung‘ des Logos in der angenommenen Menschheit zu beschreibende innige Vermittlung von Gott und Mensch,88 die jegliches ‚extra‘ beider ausschließt.89 Diese beiläufig dekretierte Ausgrenzung des „jetzt“ gleichfalls nicht Thematischen formuliert nun allerdings eine These mit weitreichenden Implikationen. Gerade auf diesen Punkt richtet sich der Widerspruch der Gießener Kollegen; hier eine ‚concordia planissima‘ zu reklamieren, stellt die Dinge auf den Kopf. Was Mentzer nicht nur kategorial unterscheidet,90 sondern sachlich unabhängig setzt, das thematische Weltverhältnis (der menschlichen Natur) Christi (praesentia apud creaturas) einerseits, die in der Inkarnation anhebende unio personalis und Perichorese, „die personalis praesentia zu nennen einige Gefallen finden“,91 andererseits, das wol86 „ante se requirit & ponit“ (65b). – Vgl. die älteren Parallelen dieser Verknüpfung: [1614d] DGT V. 15, 17.18/510 (vgl. 42/517); 55/521f („etsi ... ex immensitate divinae naturae pendet illa facultas, qua potest Christus praesens adesse | rebus omnibus, tamen praesentia ipsa non est absoluta immensitas)“; 60/523 (absoluta immensitas divinae naturae „non incommode dextro sensu dici divinae praesentiae fundamentum“); vgl. 65/526, 76/529f; 68/526f. 87 „Unde constat, de infinitate divinae essentiae nunc non disputari, quam constanter tuemur omnes“ (65b). 88 „Neque agimus jam de admirando mysterio incarnationis Filii Dei, per quam tota plenitudo divinitatis habitat in Christo corporaliter, Apostolo teste Coloss. 2.v.9“ (65b). 89 „Unde neque extra τον λογον assumta humanitas, neque extra hanc suam humanitatem ο λογος quaeri debet, aut inveniri potest. Neque uspiam in scripturis quicquam occurit de λογω post factam unionem extra suam carnem subsistente, sed passim nobis Evangelistae & Apostoli commendant Deum in carne manifestatum, 1.Tim.3. v. ult. [16]“ (65b); gerichtet gegen jede ‚naturarum divulsio Nestoriana‘ (65b). – Mit Kol 2,9 und 1.Tim 3,16 hat Mentzer hier jene Testimonien für die unio personalis ‚distanziert‘, die nicht nur später die Tübinger, sondern schon in Gießen J. Winckelmann für den Zusammenhang von unio und Weltgegenwart beanspruchen, vgl. u. B.III.2 bzw. C.II.2.2.3. 90 „Quaeritur ... de praesentia του λογου ad humanam naturam, & Humanitatis ad τον λογον , quae sunt inseparabiliter unita: a qua personali praesentia, toto genere distincta est, praesentia apud alias creaturas“ ([1615b] DGT VI. 15 = ME II, Th. 54; Opera II, 374b). 91 Vgl. o. Anm. 88 und die analoge Disjunktion des Themas der Debatte: „Non autem nunc disputamus, de arctissima Unione duarum in Christo Naturarum, divinae & huma-
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len weder Winckelmann noch Gisenius einfachhin identifizieren,92 sie bestehen aber auf dem systematischen Zusammenhang beider Topoi. Die von der Menschheit Christi prädizierte Allgegenwart gründet in deren Vereinigung mit der Hypostase und Natur des Logos. Recht und Notwendigkeit gerade dieser Verknüpfung bilden den zentralen christologischen Differenzpunkt des im Sommer 1616 aufgebrochenen Streites in Gießen: „Argumentum pro ea [praesentia Christi Θεανθρωπου] propugnanda recte desumi ex Vnione Personali, negabat Dn.D. Mentzerus; Recte id factum esse a B. Luthero, a Dn.D. Jacobo Andreae, &c. docebat Dn.D. VVinckelmannus“.93 Dieser Verknüpfung gegenüber bestimmt Mentzer die Inkarnation und die darin begründete hypostatische Union restriktiv – als Konstituierung einer Binnenvermittlung der Naturen, die jede postinkarnatorische Diastase des Vereinigten definitiv ausschließt: „Unde neque extra τον λογον assumta humanitas, neque extra hanc suam humanitatem ο λογος quaeri debet, aut inveniri potest“ (65b). Die Einheit der Person hängt allein an dieser ‚inneren‘ Erschlossenheit der Naturen füreinander, die ganz unabhängig von deren Weltverhältnis besteht. Der Grundbegriff des christologischen Dogmas ist für die Entscheidung der strittigen Frage de praesentia Christi nicht – unmittelbar – relevant. Die noch ausstehende Lösung des ‚konstruktiven‘ Problems der Ubiquitätsthese wird Mentzer mithin nicht im Rückgriff auf die unio personalis im engeren Sinn, d.h. auf die ontologische Struktur der Personeinheit, entwickeln können; seine Antwort muß einen anderen Ansatzpunkt suchen. nae, earumque intima περιχωρησει, quam personalem praesentiam appellare, nonnulli gaudent: Sed de praesentia Christi θεανθρωπου apud creaturas“ ([1615a] DGT VI. 14 = ME I, Th.30; Opera II, 357a). 92 So wenig wie später die Tübinger, deren ‚kausale‘ Verknüpfung von Personeinheit und Präsenz Mentzer durch sinnzerstörende Raffung zur planen Identifizierung vom Tisch zu wischen sucht: „unio του λογου & carnis personalis, non est omnipraesentia ...“ (Mentzer an die Tübinger, 8. Okt. 1619; Acta Mentzeriana, 1625, 74–77, hier: 75; dazu vgl. J. B AUR, 1993h, 265). 93 So das – freilich die eigene Rolle marginalisierende – Referat J. Gisenius’ in seinem Schreiben an die Tübinger vom Herbst 1619 (Straßburg 18. Okt. 1619, Acta Mentzeriana, 1625, 211–213, hier: 213 [Versalierung aufgehoben]; vgl. o. Anm. 19. 67). Zu W INCKELMANNs Einsprüchen vgl. v.a. dessen Disputation De providentia divina, 1617 (benutzt nach dem Wiederabdruck: DGT VII. 1, 1620, 1–22), bes. 78/17–87/19 (vgl. J. B AUR, 1993h, 249–252; dazu B.III.2). – Deutlich wird aus Gisenius’ Referat auch, daß mit der Frage der systematischen Valenz der unio personalis zugleich eine bestimmte Entwicklungslinie lutherischer Christologie in Rede steht, die mit den Namen Luthers und J. Andreaes bezeichnet ist. Eben die hier Genannten – ergänzt noch um Brenz – identifiziert auch Martini als Urheber der monströsen Ubiquität (1614, p. 628; vgl. Mentzers Referat [1615a] DGT VI. 14 = ME I, Th. 7; Opera II, 354b). Zielt hierauf auch Mentzers Distanzierung von allzu ‚starken‘ Thesen des lutherischen Lagers („Neque vero nostra facimus, quae ab aliis forte dicta sunt, minus accurate & circumspecte, qui pro se respondere possunt, rerum quam verborum studiosiores ...“ [ibd. Th. 29, Opera II, 357a; vgl. die Ausgrenzung der unio personalis in der unmittelbar folgenden Th. 30; II, 357a]; vgl. auch B AUR, [1977, 228 =] 1993h, 241 bei u. mit Anm. 156)?
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B. Der Gießener Streit über die Allgegenwart Christi (1616–1618)
2. ‚Praesentiam divinam apud creaturas per operationem describi‘ – Theo-logische Bestimmungen 2.1 Nach diesen Ausgrenzungen des tatsächlich oder vorgeblich Unstrittigen resp. Irrelevanten sieht Mentzer das Thema ausreichend präzisiert: „vera quaestio inter nos[!] est, non nisi de praesentia divina apud creaturas“ (65b). Damit ist die ‚apologetische‘ Frage zur positiven Seite hin gestellt. Mentzer referiert zunächst das gängige Vorverständnis (generatim describi): „praesentia, qua Deus libere adest suis creaturis“. 94 Dieser noch unspezifische Allgemeinbegriff von Gegenwart als Da-Sein (adesse) muß aber hinsichtlich seiner erkenntnistheoretischen Bedingtheit95 durchleuchtet werden. Er ist kategorial orientiert an den Gegebenheiten im Bereich natürlich-geschöpflichen Seins. Hier, ‚in omnibus rebus creatis‘, sind ‚Gegenwart‘ (praesentia) und ‚Tätigkeit‘ des Gegenwärtigen (praesentis operatio) nicht notwendig korrelativ, beides fällt im Gegenteil ‚oft‘ auseinander. Tätigkeit setzt zwar notwendig die Anwesenheit des Handelnden voraus; keineswegs aber ist jedes Gegenwärtige, weil gegenwärtig, zugleich auch schon tätig gegenwärtig – es kann auch ohne ‚Effekt‘, lediglich untätig ‚da sein‘ (praesentia ... otiosa & inefficax, sine ulla operatione; 65b). Schulmäßig gefaßt: in jedem kreatürlich Seienden bilden ‚Gegenwart‘ und ‚Tätigkeit‘ zwei kategorial geschiedene und nicht notwendig simultane Seinsbestimmungen, 96 welche Differenz die philosophische Feststellung des Begriffs zu recht festhält. 97 Der menschliche Verstand tendiert nun dazu, diese dem natürlichen Sein abgelesene Dualität umstandslos in den theologischen Kontext zu übertragen und also auch im Blick auf Gottes Weltverhältnis bloße Gegenwart und Tätigkeit begrifflich zu differenzieren. 98 Dieser Analogieschluß aber ist zu hinterfragen und eigens „akkurat“ zu prüfen, inwieweit die aus den Strukturen geschöpflichen Seins induzierte Vorstellung dem theologischen Sachverhalt entspricht.99 Das formale Kriterium dieser Adäquanzprüfung formuliert jene Regel der theologischen Schule, die die theologische Rezeption natürlich induzierter 94
65b. – Das pauschal zugesetzte „libere“ trägt freilich schon einen Mentzer’schen ‚Akzent‘ in die Bestimmung ein; vgl. die spätere Auseinandersetzung mit den Tübingern über das Moment der ‚Freiheit‘ im Begriff der göttlichen Weltgegenwart; u. C.IV.1.2. 95 „secundum nostrum concipiendi & intelligendi modum describi“ (65b, vgl. auch 66a); „in nostro intellectu“ (66a). 96 „... in omnibus rebus creatis duo distincti actus sunt, praesentia, & praesentis operatio“ (65b). Eben dies behauptet, nach Mentzers Referat in seinem nur wenige Tage jüngeren Begleitschreiben an Hafenreffer (7.11.1616), als auch theo-logisch gültige Bestimmung die Gegenthese der opponierenden Kollegen: „Pro Martinio contra me disputant duo Collegae mei, asserentes praesentiam apud creaturas & actionem esse duo distinctos actus, quorum unus per alterum describi neque debeat neque possit ...“ (Acta Mentzeriana, 1625, 56). 97 „Novimus in scholis Philosophorum aliud esse praesentiam, aliud actionem ...“ ([1616a] DGT VI. 16 = ME III, Th. 35; Opera II, 393a). 98 „Quia enim in omnibus rebus creatis duo distincti actus sunt, praesentia, & praesentis operatio ... inde fit, ut etiam de Dei prae|sentia apud creaturas cogitantes, in nostro intellectu distinguamus ipsam per se praesentiam ab operatione“ (65b.|66a). 99 „Qui noster concipiendi modus, an cum ipsa rei veritate per omnia consentiat, opus est, ut accurate expendamus ...“ (66a).
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Begriffe an die Bedingung eines vorgängigen hermeneutischen ‚Purgatoriums‘ geknüpft wissen will, d.h. an die Ausfällung all jener Konnotationen ontologischer Unvollkommenheiten, die mit dem Gottesbegriff unverträglich sind.100
Gerade dieser Kanon, θεοπρεπως (congrue naturae divinae) zu verstehen, was ανθρωπινως (modo naturali) gesagt wird (66a), gewinnt für den aktuellen Fall Relevanz. Denn die im Bereich des geschöpflich Seienden universale Differenz von Gegenwart und Tätigkeit, wie sie am Phänomen der praesentia otiosa sinnenfällig wird, ist Signatur dieser geschöpflichen Struktur selbst – Ausdruck und Folge der dem Geschöpf qua Geschöpf anhaftenden ontologischen Unvollkommenheit: Als wesentlich endlich Seiendes existiert jedes Geschaffene stets nur in lokaler Definität; als abhängig Gesetztes und zeitlich Verfaßtes verwirklicht es stets nur bestimmte Möglichkeiten, andere Möglichkeiten dabei übergehend.101 Dieser doppelte ontologische Mangel (finitas essentiae; non actus purus) darf jedoch für das göttliche Wesen nicht unterstellt werden, wenn anders der Schöpfer vom Zusammenhang der Welt (ordo creaturarum) unterschieden bleiben soll. Gottes Sein ist gerade durch die strikte Negation der ontologischen Begrenzungen des Geschöpfes charakterisiert: Aufgrund seines infiniten Wesens ist er überall gegenwärtig; als actus purus ist er überall als stets Tätiger gegenwärtig.102 Darum, so ein erstes Resümee Mentzers, haben die Gegner sowohl den biblischen Befund als auch zentrale Bestimmungen der tradierten Gotteslehre103 gegen sich; beide Instanzen verlangen, die ‚prae100 „Recte enim praecipit erudita Theologorum schola, ut quae verba a creaturis sumpta, ipsi Deo accomodantur, non nisi prius ab omnibus imperfectionibus repurgata accipiantur, & quemadmodum de rebus creatis modo naturali intelliguntur, ita de Deo non nisi divine, hoc est conformiter sive congrue naturae divinae exponantur“ (66a). 101 „Deprehendimus autem hanc in creaturis imperfectionem, (quia non sunt purus actus) ut quemadmodum sunt propter essentiae suae finitatem & quantitatem in suo quaeque Ubi sive loco, ita ut in aliis non sint: sic etiam distincte & sucessive operentur, & quiescant ...“ (66a). 102 „... Quod itidem de Deo dicere velle, esset vere Deum redigere in ordinem creaturarum: qui cum sit infinitus, nuspiam abesse, cumque sit actus purus, nunquam otiari potest. ... Et aeque absurdum est, dicere, operari Deum absentem, quam eundem dicere praesentem non operari“ (66a). 103 Neben dem Rekurs auf das Sein Gottes als actus purus verweist Mentzer auch auf Überlegungen scholastischer Theologie, die sich in der Sentenz zusammenfassen: Enter, praesenter, Deus hic & ubique potenter (66a; – O. RITSCHL, 1921, 339 Anm. 2). Mentzer erläutert diesen Kanon von der absoluten Einfachheit des göttlichen Wesens (divinae naturae simplicitas; 66a) her. Die schulmäßig unterschiedenen ‚Attribute‘ Gottes sind, strikt interpretiert, nur formal differenzierte Konzeptualisierungen dieses einen und einheitlichen göttlichen Wesens, mit diesem und je auch untereinander real identisch. Auf den strittigen Zusammenhang gewendet: Als Gegenwart des göttlichen Wesens ist Gottes Dasein zugleich die Gegenwart seiner potentia, also Vollzug von Tätigkeit: „Deum sic esse creaturis praesentem, ut in hac ipsae essentiae suae praesentia suam etiam poten-
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sentia Dei apud creaturas‘ als stetige Koinzidenz von Dasein und Tätigkeit zu bestimmen.104 Eine reale Differenz von Präsenz und Operatio, wie sie für alles kreatürlich Seiende konstitutiv ist, läßt sich theologisch nicht benennen; das eine muß vielmehr durch das andere beschrieben werden.105 2.2 Damit hat Mentzer in – gemessen an den ‚provokanten‘ Zuspitzungen in den der Oratio vorausliegenden Disputationen gegen Martini106 – tiam exerat & declaret. Norunt enim Theologiae Candidati[! – den opponierenden Kollegen Professoren wäre es also entgangen], Dei potentiam nequaquam esse a Dei essentia diversam, sed cum ea simplicissime unum idemque, |ut quemadmodum Deus est sua essentia, sic etiam sua sit potentia, sua sapientia, sua bonitas“ (66a|b). 104 „Unde jam apparet, qui Dei apud creaturas praesentiam sic abstrahit ab operatione, ut hanc ab illa vere distinctam censeat, unamque per alteram exponi & describi neget, eum & Scripturae testimoniis destitui, & divinae naturae simplicitatem non satis attendere“ (66b). – Diese Deduktion der stetigen Koinzidenz von Gegenwart und Tätigkeit Gottes aus der Bestimmung seines Wesens als actus purus, mithin also der Rückgriff auf ein zentrales Element der tradierten (auch) philosophischen Gotteslehre, bietet allerdings noch keine überzeugende Durchführung jener konsequent ‚Biblischen Theologie‘, die Mentzer gegen die ‚rationale‘ Behandlung der göttlichen Geheimnisse gewendet hatte (o. B.II.1). Diesen Hiatus markiert Mentzer selbst, schließt ihn aber sogleich etwas gewaltsam dadurch, daß er für das auf diesem Weg erreichte Ergebnis umstandslos die Konkordanz mit dem biblischen Zeugnis reklamiert – nirgends spricht die Schrift von einer bloßen Gegenwart Gottes ohne eine bestimmte Tätigkeit; die Beweislast liegt bis auf weiteres bei den Bestreitern der Koinzidenz von Präsenz und Tun Gottes: „Quod non videamur ratiocinando tantum[!] ita colligere, amanter petimus ab iis, qui sacrum codicem summa diligentia evolverunt, ut sedulo atque acriter inquirant, possintne vel unicum demonstrare Spiritus sancti oraculum, in quo nuda solaque Dei praesentia, sine aliqua operatione describatur. De me persuadeant sibi velim omnes, qui attentione sua meam in dicendo alacritatem nunc excitant, investigasse me haud oscitanter per multos nunc annos, sed hactenus invenire nullum potuisse“ (66a). 105 „non versari nos jam in scholis Metaphysicis ..., sed in choro Prophetico & Apostolico, qui praesentiam Dei apud creaturas, Unanimi consensu constanter definit per actionem, ut evidenter ostendunt praesentiae gradus …“ ([1616a] DGT VI. 16 = ME III, Th. 58; Opera II, 398a; vgl. 59/398b); „ne quis ex Metaphysicis ... urgeat differentiam praesentiae & operationis“ ([1616b] DGT VI. 17 = ME IV, Th. 5; Opera II, 410a). 106 Frühjahr 1615–Oktober 1616, vgl. o. B.I.2. – Ich notiere einige zentrale Belege: „disputamus ... de praesentia Christi θεανθρωπου apud creaturas: qua ipse Christus Rex & Dominus omnium, praesentissimus omnia implet & gubernat, Ecclesiam gratia sua fovet, & Electos in coelo, ineffabili gloria exornat. [| Th. 31:] Ex qua descriptione patet, praesentiam illam, non esse absolutum aliquod Dei attributum, quale est infinitas, sive immensitas; neque nudum & otiosum situm, sive adsistentiam apud creaturas: Sed Christi praesentis divinam in creaturis actionem“ ([1615a] DGT VI. 14 = ME I, Th. 30|f; Opera II, 357a). – „divinam praesentiam definiri in Scripturis, & schola Theologica, per praesentis Dei operationem“ (41/358b). – „omnipraesentia τω λογω propria (non est diffusio, expansio, dilatio, multiplicatio essentiae per omnia loca, sed definiente Scriptura) est praesentissima & omnipotens rerum omnium gubernatio“ ([1616a] DGT VI. 16 = ME III, Th. 33; Opera II, 392b); – „non versari nos jam in scholis Metaphysicis ... sed in choro Prophetico & Apostolico, qui praesentiam Dei apud Creaturas, Unanimi consen-
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moderater Formulierung die These wiederholt, der seine Gießener Kollegen eine fatale ‚Tendenz‘ zu ‚photinianischen‘ und ‚calvinistischen‘ Häresien bescheinigen, d.h. zur sozinianischen Deutung des Weltverhältnisses Gottes als Fernwirkung eines als es selbst (substantiƗ) nicht da-seienden Subjekts, nach welchem Muster die theo-logisch zugestandenermaßen orthodox votierende reformierte Dogmatik christologisch jedenfalls die ‚Gegenwart‘ der Menschheit Christi expliziere. Daß Mentzer an diesem Punkt ‚zum besseren Verständnis‘ nun weitere Erläuterungen einschiebt,107 ist angesichts dieses massiven Contra verständlich. Als deren Basis dient die tradierte Unterscheidung verschiedener ‚Grade‘ oder ‚Modi‘ der göttlichen Weltgegenwart. Das auf altkirchliche und v.a. scholastische Differenzierungen zurückgehende, reformatorischer Theologie dann durch Melanchthons Rezeption übereignete Raster108 der grasu, constanter definit per actionem, ut evidenter ostendunt praesentiae gradus“ (58/ 398a); „Omnipraesentia Christi apud creaturas, in Scripturis definitur, per omnipotentem praesentis Christi gubernationem coeli | & terrae & omnium creaturarum“ (66/399a|b). – „Si omnes & singuli modi divinae praesentiae, in sacris Literis describuntur per actionem, necesse est, ut ipsa divina praesentia, juxta sacras Literas sit etiam actio. Prius est. Ergo & posterius“ ([1616b] DGT VI. 17 = ME IV, Th. 6; Opera II, 410b; – diese These der vierten Disputation gegen Martini war es, die den offenen Eklat in Gießen provozierte [o. Anm. 67]. Vgl. dort auch: „Et quia Deus apud suas creaturas non existit otiosus, sed totum universum gubernat liberrime: planum inde fit, hanc veram esse causam & rationem, cur divina praesentia apud creaturas, etiam per operationem divinam definiatur“ (9/410b). „Divinae Christi apud Creaturas praesentiae descriptio, quae ex omnibus Scripturae dictis, de ea ipsa praesentia loquentibus, desumpta est, sola est Theologica & vera. Nostra est ejusmodi: nempe quod sit Jesu Christi θεανθρωπου, in utraque Natura substantialiter praesentis gubernatio rerum omnium, in coelo & in terra. Ergo sola illa Theologica & vera est“ (12/411a). 107 Diese Plausibilisierungsversuche – „ut ab omnibus intelligi rectius possit“ (66b) – legen freilich auch bestimmte Unschärfen des ‚Programms‘ offen. Wenn Mentzer den Unterschied (discrimen) zwischen Gottes immensitas als einer unveränderlichen Essentialbestimmung (absolutum Dei Attributum, eodem modo semper se habens; 66b) einerseits, Gottes willensregulierter und in sich differenzierter praesentia apud creaturas („quae est liberae voluntatis & certis gradibus sive modis describi solet“ [66b]; dazu s. gleich) andererseits einschärft, dann wiederholt er die schon bei der Klärung des Status quaestionis geltend gemachte Ausgrenzung (o. B.II.1.3). Auch das dort konzedierte Bedingungsverhältnis beider Größen wird repetiert: „Deus per suam immensitatem ubique est“ (66b). Doch der systematische Ort dieses ubique esse Gottes kraft der Unermeßlichkeit seines unveränderlichen Wesens bleibt ungeklärt: Es kann nicht mit der – variablen, kontingenten (est liberae voluntatis) und operativen – praesentia apud creaturas identisch sein, sondern steht als eine dritte Größe zwischen oder neben immensitas und praesentia apud creaturas. 108 P ETRUS LOMBARDUS, lib. sent. I, Dist. XXXVII, cap. 1,2 (ed. 1971; I, 263,20– 264,3); vgl. die ganze Dist. (I, 263,14–275,7) und s. auch schon AUGUSTIN, De Praesentia Dei Liber (Epistula 187), cap. V, 16s; VIII, 27.29; XII, 35; XIII, 38.39s (CSEL 57; 93–96.104f.106f.113.115f.116.118). – Das patristisch-scholastische Erbe wird der prote-
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dus resp. modi praesentiae Dei unterscheidet zwischen (1.) Gottes universaler Gegenwart für alle Geschöpfe (praesentia universalis/generalis) und dessen besonderer Gegenwart für die Kirche (praesentia specialis), die sich entsprechend der Binnendifferenz dieses Adressatenkreises (ecclesia militans, triumphans) noch einmal differenziert als (2.) praesentia specialis gratiosa und (3.) praesentia specialis gloriosa; dazu tritt schließlich (4.) die völlig einzigartige Gegenwart der Gottheit in der hypostatisch angenommenen Menschheit Christi.
Einzelne Formulierungen in den Disputationen gegen Martini lassen anklingen,109 daß diese Unterscheidung der gradus praesentiae Dei eine wesentliche Rolle schon für die Ausbildung von Mentzers These einer ‚operativen‘ Definition der göttlichen Gegenwart spielt. Dieser Rekurs wäre insofern plausibel, als eben innerhalb dieses Zusammenhangs auch schon die lutherische Theologie vor und neben Mentzer einen systematischen Konnex von Dasein und Tun Gottes lehrt – „jene vielfältige Präsenz (Gottes) ist nichts anderes als die verschiedene Tätigkeit ein- und derselben allgegenwärtigen (göttlichen) Natur“ (J. Gerhard). Diese in der ersten Auflage der Loci Johann Gerhards (1610) begegnende These kann als für die lutherische Theologie bis dahin repräsentativ gelten. Kraft der Unermeßlichkeit seines Wesens ist Gott allen Geschöpfen identisch und kontinuierlich gegenwärtig (praesens); die Differenz der traditionell unterschiedenen ‚Gegenwarten‘ (discrimen multiplicis praesentiae; distincti gradus) wird mithin allein durch das unterschiedliche Tun stantischen Theologie v.a. durch Melanchthon vermittelt: Responsio Philippi Melanthonis de controversiis Stancari, 1553 (StA 6, 265f); CR 8, 638f (1555); Explicatio Symboli Niceni (1557), 1561 (CR 23, 368f); Examen Ordinandorum 1559 (CR 23, 5); Ennaratio Ep. ad. Col. 1559 (CR 15, 1252f); vgl. CR 24, 129f. Vgl. O. RITSCHL, 1927, 27; DERS, 1921, 339–341. – Melanchthons Rezeption dieses Modells zur Ausgrenzung auch des christologischen Propriums („Quartus modus praesentiae [divinae] est unio personalis“ [CR 15, 1253; vgl. StA 6, 265,12f]) wird von der ‚neuen‘ lutherischen Christologie dann verabschiedet und als dieses Proprium nunmehr der Vollzug ‚realer‘ (Idiomen-)Kommunikation gefaßt: MAHLMANN, 1969, 72–76; DERS. 1970, 213–215; J. B AUR, 1978a, 193f; B RANDY, 1991, 155–172, H UND, 2006, 91f. – Vgl. u. D.IV.1.3. 109 „non versari nos jam in scholis Metaphysicis ... sed in choro Prophetico & Apostolico, qui praesentiam Dei apud Creaturas, Unanimi consensu, constanter definit per actionem, ut evidenter ostendunt praesentiae gradus“ ([1616a] DGT VI. 16 = ME III, Th. 58, Opera II, 398a). – Vgl. v.a. die den Gießener Konflikt auslösende These der Disputation vom Juli 1616 (o. Anm. 67), die sich für die definitorische Bestimmung der ‚Gegenwart selbst‘ als actio ausdrücklich auf die operative ‚Beschreibung‘ der tradierten ‚Modi‘ der göttlichen Weltgegenwart beruft: „Si omnes & singuli modi divinae praesentiae, in sacris Literis describuntur per actionem, necesse est, ut ipsa divina praesentia, juxta sacras Literas sit etiam actio. Prius est. Ergo & posterius“ ([1616b] DGT VI. 17 = ME IV, Th. 6; Opera II, 410b). – Vgl. auch die konzise Entfaltung der tradierten 4 Modi praesentiae in [1615a] DGT VI. 14 = ME I, Th. 36 (Opera II, 358a; zitiert u. Anm. 113) im Konnex mit der voraufgehenden operativen Definition der Gegenwart Christi („Christi praesentis divinam in creaturis actionem“; 31/357a) und der nachfolgenden Bilanzierung: „Liquet ex dictis ... divinam praesentiam definiri in Scripturis ... per praesentis Dei operationem“ (41/358b).
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des konstant Gegenwärtigen konstituiert (sola effectuum diversitas; varia unius ejusdemque omnipraesentis naturae operatio). Hingegen ist die Gegenwart selbst (qua immensitas) das im Wechsel der Tätigkeiten identisch Beharrende, alle Weltrelationen Gottes kontinuierlich Unterfangende. Der Rede von einer Pluralität verschiedener ‚Gegenwarten‘ eignet insofern ein Moment des Uneigentlichen; präzise genommen bezeichnet der Ausdruck ‚gradus praesentiae‘ die faktische Koinzidenz zweier je unterschiedlich konstituierter Bestimmungen: Gegenwart im eigentlichen Sinn (Dasein) einerseits; die – dieses Dasein modifizierend – hinzutretende Handlung andererseits. 110
2.3 Die in J. Gerhards Erläuterung der gradus praesentiae vorgetragene ‚Identifizierung‘ von Präsenz und Tätigkeit ist jedoch näher besehen der von Mentzer intendierten Gleichsetzung keineswegs kongruent, widerspricht ihr vielmehr am entscheidenden Punkt. Denn die göttliche ‚Gegenwart‘ bei den Geschöpfen wird hier nicht als definitorische Koinzidenz, sondern als nur faktische Addition zweier durchaus differenter Elemente verstanden. So, wie es auch Mentzer selbst nicht nur in älteren Texten vertritt,111 sondern auch noch (eine Nachlässigkeit?) in der aktuellen 110
„Observandum vero, omnes illos gradus praesentiae Dei [sc.: praesentia potentiae, -gratiae, -gloriae, -hypostatica] non essentialiter, sed effectibus tantum discerni. Non enim alia Dei essentia in creaturis, alia in beatis hominibus & angelis, alia in renatis, nec divina essentia ex parte creaturis, ex parte angelis, ex parte renatis praesens est, sed una eademque sua essentia tota & indivisa Deus ubique praesens; discrimen multiplicis praesentiae in sola effectuum diversitate consistit, ut multiplex illa praesentia nihil aliud sit, quam varia unius ejusdemque omnipraesentis naturae operatio. Er|go quot sunt operationum divinarum species, tot praesentiae DEI gradus constitui possunt; at multae sunt operationum species, ergo & multi praesentiae gradus, quorum tamen summa genera isti quatuor gradus haud incommode constituuntur“ (J. GERHARD, Loci Theologici, 1610, Loc. III, Cap. XV [De Omnipraesentia Dei], § CXIX [ed. COTTA I, 1762, 129b. |130a]). Entsprechend wird die biblische Rede von einem ‚Herabsteigen‘ oder ‚Kommen‘ Gottes (Gen 11,7; 18,21; Ex 3,8) ‚noetisch‘ interpretiert; durch ein gnädiges oder strafendes Tun werde die Gegenwart des kraft seines unermeßlichen Wesens „schon vorher“ anwesenden Gottes lediglich manifestiert: „Quando DEUS suam praesentiam opere irae vel gratiae alicubi manifestat, scriptura dicit ipsum eo descendere, cum tamen propter essentiae infinitatem jam ante ibidem fuerit praesens“ (§ CXVIII [ed. COTTA I, 1762, 129a]). – Zur späteren Selbstkorrektur Gerhards vgl. u. B.IV.2.4. 111 Was Mentzer spätestens ab 1616 dann antithetisch fixiert, das Wesensattribut und die freie Willenssetzung, wird hier noch verknüpft. Zwar unterscheiden auch die älteren Texte Immensitas und Weltgegenwart Gottes, betonen den stets aktuosen Charakter der Weltgegenwart Gottes. Doch kann Mentzer dort wiederholt die praesentia Dei apud creaturas ganz ‚konventionell‘ als ‚Addition‘ von Dasein und Tätigkeit im Sinne einer Koinzidenz zweier, real unterschiedener und je different begründeter Elemente beschreiben: „filius Dei, sive deitas est omnipraesens ... tum per immensitatem naturae divinae, quae coelum & terram implet, tum ex liberrima voluntate, qua operatur & agit, ubi, quando, & quomodo vult“ ([Disputatio] De Praesentia Christi θεανθρωπου Apud Creaturas in regno potentiae, gratiae, & gloriae, [1614d ] DGT V. 15, 76/530). Vgl.: „Quando quaeritur de Christi apud creaturas praesentia, intelligitur haec ipsa divina apud creaturas praesentia, & operatio ...“ (29/514); „Praesentia Christi apud Creaturas ea dicitur,
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Oratio formuliert, wenn er die Unterscheidung der Gradus praesentiae auf diese Doppelung zurückführt.112 Doch der Skopus seiner Relektüre des Rasters ist eindeutig konträr: die Annahme einer nur additiven Zuordnung von Dasein und Tätigkeit wird tiefgreifend korrigiert und durch die Eigenthese der operativen Fassung der ‚Gegenwart‘ selbst ersetzt. Die in dem tradierten Raster dem jeweiligen Modus praesentiae zugeordnete spezifische Handlung Gottes tritt nicht lediglich als ein zweites Element zu einem ihr vorausliegenden Dasein Gottes hinzu – diese Handlung ‚ist‘ in einem strikten Sinn dieser Modus praesentiae; ein daneben stehendes Moment ‚Gegenwart‘ als ein von diesem Tun real Unterschiedenes (aliud) läßt sich nicht benennen. 2.3.1 Mentzers detailliertes Argument setzt ein mit einer Skizze des biblischen Befundes, der dem Raster der gradus praesentiae zugrunde liegt. – Eine erste Klasse von Schriftzeugnissen bezieht sich auf die praesentia generalis sive universalis und bestimmt diese als ‚universalis Dei gubernatio omnium rerum‘. Daneben steht die allein der engeren Gruppe der Gläubigen geltende ‚praesentia specialis (in Ecclesia & apud pios)‘, die entsprechend der Binnendifferenz dieses Adressatenkreises (ecclesia militans, -triumphans) noch einmal zu unterteilen ist in die praesentia (specialis) gratiosa und gloriosa, verstanden als die in sich vielgestaltige Herrschaft (regnare) Christi in der Weise der ‚Sammlung‘ (Ecclesiae collectio [= praesentia gratiosa]: regeneratio, vivificatio, gubernatio per spiritum, defensio contra hostes) und ‚Verherrlichung‘ (Ecclesiae glorificatio [= praesentia gloriosa]) seiner Kirche.113 qua ipse Christus Rex & Dominus omnium, praesentissimus, omnia implet & gubernat“ (36/516; vgl. 38/516f). Der spätere ‚Darmstädter Rezeß‘ von 1617 wird in der Sache auf diese additive Verknüpfung zurücklenken (vgl. u. B.IV.1). – In unausgeglichener Spannung dazu stehen in denselben Texten die Identifizierung von praesentia und actio oder doch mindestens die Bestimmung der göttlichen Gegenwart ausschließlich als Setzung des Willens Gottes: „Non igitur Dei apud Creaturas praesentia, ut in sacris literis describitur, est simpliciter[!] essentiale attributum: sed liberrimus divinae voluntatis actus ...“ ([1614d] DGT V. 15, 19/510); vgl. auch: „a divina potentia & infinita virtute profectam“ (37/516; dann aber doch wieder – christologisch – die Verknüpfung von immensitas und libera voluntas; 38/516f). Es ist diese zweite Linie, die dann seit 1615 zur allein herrschenden wird – mit der Folge und um den Preis jener konstatierten Ortslosigkeit des ‚ubique esse per immensitaten‘, auf das Mentzer dann doch zurückgreifen muß, wenn es gilt, das ‚non absens operari‘ Gottes stichhaltig zu begründen (o. Anm. 107). 112 „Quia enim Deus per suam immensitatem ubique est, &[!] tamen[!] magna occurit operationum Dei apud creaturas diversitas, constitutae sunt certae classes, in quas distincta Scripturae testimonia distribui recte possent“ (66b). – Diese additive Zuordnung von Anwesenheit und Tun Gottes negiert, strikt interpretiert, die Pointe des Mentzer’schen Programms; sie läßt sich geradezu im Sinne der späteren Tübinger Gegenthese lesen, die die ältere Fassung präzisiert (u. C.II.3.2.2.3[–5]). 113 66b. – Vgl. auch das Referat der tradierten Bestimmungen, das diese als Beleg für das operative Verständnis der praesentia Christi reklamiert: „Idem plane sibi vult distinctio modorum praesentiae Dei: qui vulgo quattuor numerari solent, in schola Theologica. 1. Est praesentia universalis, sive generalis, pertinens ad Articulum creationis, qua Deus adest omnibus creaturis, easque libere conservat & gubernat. 2. est Gratiosa, in
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Speziell am Beispiel der Belege zur praesentia gratiosa, auf der eindeutig das Hauptinteresse liegt, sucht Mentzer Recht und Notwendigkeit seiner operativen Fassung der Gegenwart Gottes zu demonstrieren. Einige der biblischen Verheißungen sprechen explizit (expresse) nur von der praesentia, nicht auch von dem Beistand (auxilium) oder der Herrschaft (gubernatio) Christi (e.g.: Mt 18,20; 28,20), während andere Belege (e.g.: Ps 91,15; Jes 43,2; Jer 1,8; 15,20; 2.Tim 4,17) neben der praesentia zugleich (simul) ausdrücklich auch die gratiosa operatio erwähnen (66b). Beide Gruppen haben jedoch dieselbe Referenz (idem dici) – eben die ‚praesentia gratiosa‘; mithin müssen die praesentia und operatio distinkt benennenden Belege des zweiten Typs als eine – dem menschlichen modus concipiendi & intelligendi Rechnung tragende114 – ‚Erläuterung‘ (εξηγησις sive explanatio) der Aussagen des ersten Musters verstanden werden115 – auch wo explizit nur die praesentia erwähnt werde, sei doch die operatio stets inbegriffen (comprehendi). 116
2.3.2 Die so belegte Identität von Gegenwart und Tätigkeit Gottes besteht auch die Gegenprobe. An seine Gießener Opponenten, denen Gegenwart und Tätigkeit als zwei differente Seinsbestimmungen (duo actus) gelten,117 richtet Mentzer die ‚Bitte‘, „ut in distinctione sua, qua aliud per praesentiam notari dictibant, aliud per operationem, exponere mihi non graventur, quamnam & qualem praesentiam intelligi velint, ab operatione distinctam“ (67a): Was, bitte, ließe sich als jenes reklamierte ‚aliud‘ in der praesentia gratiosa neben der operatio überhaupt benennen? Ecclesia militante, pertinens ad articulum de Ecclesia, & communionis Sanctorum, qua Deus efficaciter operatur, per Verbum & Sacramenta, accendit fidem, regenerat, vivificat, & c. 3. Est Gloriosa in coelo, pertinens ad articulum de vita aeterna. 4. Est plane singularis & mirabilis, unio hypostatica, qua Filius Dei, personaliter sibi univit Naturam humanam, pertinens ad articulum de Filio Dei, nato ex Maria Virgine“ ([1615a] DGT VI. 14 = ME I, Th. 36; Opera II, 358a). 114 „Quod si quis causam ex me quaerat, cur scriptura distincte nominet & praesentiam & operationem, supra dixi [65b–66a; o. bei u. mit Anm. 95], fieri hoc propter nostrum concipiendi & intelligendi modum, qui in rebus creatis a praesentia ipsa operationem distinguit“ (67b). 115 „Ubi interrogare libet, eademne praesentia in prioribus dictis & posteribus intelligatur, an diversa? Diversam affirmare nemo audet, cum constet inter omnes, utrobique praesentiam definiri. Est igitur eadem. Ac proinde planum est, idem dici in utroque membro, & posterius esse prioris εξηγησιν sive explanationem“ (66b). Mentzer denkt dabei nicht nur an eine faktische Koinzidenz zweier nach Begründung und Wesen real unterschiedener Momente, sondern strikt an die Identität des – nur – formal Differenzierten (in direkter Fortsetzung des letzten Zitats): „De quo ne ullus ambigendi locus relinquatur, in consensum nostrum vocamus totum interpretum Christianorum chorum, qui ad unum omnes dicta Scripturae de gratiosa Christi praesentia interpretantes, expressam faciunt a|ctionis divinae mentionem, etiam iis in locis, ubi in ipso textu solius praesentiae nomen exprimitur. Quae interpretatio accurata non foret, si praesentia haec ab actione distingueretur. Quae enim realiter distinguuntur, eorum unum per alterum definiri nequit“ (66b.|67a)! 116 „... saepissime solam exprimi praesentiam, sub qua tamen ipsa operatio comprehenditur, ut maxime expressa non sit“ (67a). 117 Vgl. o. bei u. mit Anm. 69; Anm. 96.
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B. Der Gießener Streit über die Allgegenwart Christi (1616–1618)
Als dieses plus eine ‚bloße Gegenwart‘ – Mentzer ‚akzentuiert‘: praesentia otiosa & inanis – zu benennen, verbietet sich angesichts der eingangs betonten Aktualität des göttlichen Wesens (67b). Die Alternative bestünde, die Vollständigkeit der tradierten Disjunktion von praesentia universalis und specialis vorausgesetzt, in der Behauptung eines diesen beiden Modi göttlicher Gegenwart Gemeinsamen. Damit aber wäre die Differenz beider Gegenwarten zulasten (1.) der ‚Wahrheit‘ und (2.) des soteriologischen Propriums (consolatio) der praesentia gratiosa verwischt. Denn (1.): wenn die Schrift die Aufhebung der praesentia gratiosa als Gottes ‚ab impiis abesse, recedere, eos desere‘ (67a) o.ä. beschreibt, kann dies nicht eigentlich den Entzug der ‚divinae essentiae praesentia‘ meinen, – „pugnat enim hoc cum infinitate Dei seu immensitate“ (67a). Der exegetische Konsens erklärt diese Sätze vielmehr als Aussagen über den Entzug (allein) der gnädigen Tätigkeit Gottes (gratiosae operationis divinae substractio; 67a); insofern aber dieser Entzug zugleich nicht weniger als die (vollständige) Aufhebung der praesentia gratiosa selbst ist, müssen gnädige Gegenwart und gnädiges Handeln strikt identisch sein. 118 – (2.) Die praesentia gratiosa zielt auf den besonderen ‚Trost‘ allein der Frommen und der Kirche.119 Solche ‚specialis consolatio‘ (67b) wäre jedoch dort nicht erreicht, wo Gottes gnädige Gegenwart nur als gleichsam syllogistisches Implikat seiner allgemeinen Weltpräsenz zu folgern wäre.120 Die soteriologische Valenz (consolatio efficax; 67b) der Gnadengegenwart hängt an deren Fassung als spezifisch erfahrbarer praesentia specialis im distinkten Gegenüber zum Allgemeinen der praesentia universalis – „si specialis est praesentia, ... specialiter illa definienda est, ut &[!] ab absoluta Dei infinitate, &[!] ab praesentia generali apud omnes creaturas discriminetur“ (67b). Als dieses spezifizierende discrimen läßt sich nichts anderes als die operatio specialis (gratiosa) benennen.121
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„Generalem [praesentiam] vero si cum speciali confundant, agnoscent ipsi, quanto id fiat cum damno veritatis & consolationis. Quod ex contrariis loquendi modis facile deprehendi potest. Nam dicitur in scripturis ab impiis abesse, recedere, eos deserere, interdum etiam a piis elongari & abscondi, & similiter. Ubi nemo, opinior, tam crassae mentis est, ut existimare velit, divinae essentiae praesentiam istis hominibus substrahi & proprie loquendo ab iis Deum recedere & abesse. Pugnat enim cum infinitate Dei seu immensitate. Et testatur unanimus interpretum sanctorum consensus, tali loquendi modo gratiosae operationis divinae substractionem designari. ... Vnde consequens est, per gratiosam Dei praesentiam, juxta scripturae interpretationem, favorem Dei paternum, gubernationem, & defensionem intelligi oportere“ (67a). – Dieses hier mit Emphase vorgetragene Argument wird Mentzer nach der durch den ‚Darmstädter Rezeß‘ verordneten Modifikation seines Programms ‚vergessen‘ müssen; vgl. u. B.IV.2.1; B.IV.3(.3). 119 „Constat enim, Dei de gratiosa praesentia promissiones inservire fidelium consolationi: quae consolatio cum sit specialis, neque ad omnes creaturas pertineat, sed soli sit Ecclesiae & ejus membris propria, intelligunt cordati, neque ex absoluta Dei immensitate, neque ex generali apud omnes creaturas praesentia, eam aestimandam esse“ (67b). 120 (In Bezug auf Ac 22,11 im Konnex mit 2.Tim 4,16f:) „Quam praesentiam si ita interpretari quis velit, quod Christus praesens omnibus creaturis adsit, & sic etiam Paulo: quae inde ad Paulum adeo efficax potuit consolatio redundare, quam in ipsa etiam urbe Romana longo post tempore se persensisse testatur?“ (67b). 121 „Atqui discrimen ostendi nullum aliud potest, quam in operatione illa speciali, nempe gratiosa. Quare immota est haec sententia, praesentiam gratiosam non nisi per specialem Dei operationem definiri posse“ (67b). – „Non … aliud quippiam est separatum, & realiter distinctum, Christi gratiosa in Ecclesia praesentia: & aliud operatio per gratiam in Ecclesia: Verum in Scripturis praesentia ista definitur, per gratiosam illam
II. Mentzers Definition der Omnipräsenz als actio
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3. ‚Praesentiam Christi apud creaturas pertinere ad officium‘ – Die christologische Applikation 3.1 Insofern die praesentia Dei gratiosa präzise als die gnädige Gegenwart Christi zu denken ist, hat Mentzer nun – nach langem Anlauf – das eigentliche christologische Thema der Oratio erreicht. Die soteriologische praesentia gratiosa wird für ihn faktisch zur Basis, auf der die Frage nach der ‚praesentia Christi θεανθρωπου in utraque natura‘ und, innerhalb dieser, insonderheit der Präsenz der Menschheit Christi, überhaupt beantwortet wird.122 Und es ist präzise die jetzt entfaltete operative Definition (auch) dieser gnädigen Gegenwart als actio, die den orientierenden ‚Leitstern‘ der christologischen Applikation vorgibt.123 Die Schärfe der Gießener Debatte spiegelt eine offenbar nicht mehr überflüssige Abgrenzung. Ausdrücklich distanziert sich Mentzer von zwei anderen Lösungen der christologischen Frage: der von den Helmstedter Lutheranern vertretenen These einer allmächtigen Wirksamkeit Christi zwar nach beiden Naturen (Christi Θεανθρωπου in utraque natura omnipotens ... operatio), jedoch unter Ausschluß einer substantialen Gegenwart auch seiner Menschheit (substantialis naturae humanae praesentia);124 und zweitens – dies das von Mentzer auch weiterhin als Alias der eigentlich adressierten Gießener Kollegen gewählte Gegenüber – dem reformierten Verständnis der Gegenwart der Menschheit Christi nur als geistvermittelte Gegenwart seiner Gnadengaben.125 Beiden Restriktionen gemeinsam ist die Disjunktion von (konzedierter) Wirksamkeit und (negierter) substantialer Gegenwart; eben dieser Antithetik gilt der vehemente Widerspruch Mentzers: Die ‚praesentia divina ipsi Deo propria‘, wie sie auch christologisch allein thematisch ist, darf niemals ‚per divinae essentiae absentiam‘ beschrieben, niemals darf Gottes Tun als Wirkung eines Abständigen (Deum operari absentem) verstanden werden. Können im Blick auf Gott Tun und Gegenwart nicht alternativ gesetzt (opponere), müssen sie mit
operationem: ut planum ex inductione omnium Scripturae testimoniorum, quae de gratiosa praesentia loquuntur …“ ([1615a] DGT VI. 14 = ME I, Th. 44; Opera II, 358a). 122 Vgl. die Notiz von T H. MAHLMANN, 1996, 109, dort bezogen auf analoge Tendenzen bei J. Feurborn; aufgenommen von F. NÜSSEL, 2000, 252 bei u. mit Anm. 86. 123 „Semper ... repugnat definitio praesentiae gratiosae: quae cynosura esse debet totius hujusce disputationis“ ([1615a] DGT VI. 14 = ME I, Th. 50, Opera II, 359b); gegen Martinis These einer abständigen Wirkung der im Himmel residierenden Menschheit Christi lediglich vermittelt durch den Geist oder Engel („Humanitatem CHRISTI in coelo residentem, per Spiritum sanctum efficaciter operari in Ecclesia: vel, ut Martinius disputat, Ministerio Angelorum uti, ad officium suum exequendum“; 49/359a). 124 „quorundam Theologorum superioris seculi disputatio, de Christi θεανθρωπου in utraque natura apud omnes creaturas omnipotente quidem operatione, at non substantiali naturae humanae praesentia“ (67b; zur Identifizierung dieser quidam: 68b). – Prominentester zeitgenössischer Vertreter der ‚im letzten Jahrhundert‘ von ‚gewissen Helmstedtern‘ (T. Heshusius; D. Hoffmann) ‚eingeführten‘ These ist G. Calixt (Disputatio Theologica de Persona et Officio Christi; 1623; Werke 2, 310–331; vgl. J. B AUR, 1993g, 170 Anm. 19). – Zu jener ‚disputatio superioris seculi‘ selbst vgl. weiter u. C.IV.2. 125 „quorundam Calvini discipulorum Sermo, Christum ut hominem nobis adesse dicentium non substantiali suo corpore, sed spiritu | suo & gratia“ (67b.|68a).
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B. Der Gießener Streit über die Allgegenwart Christi (1616–1618)
der Schrift als stets verbunden gedacht werden, dann ist genau umgekehrt zu schließen: „Deus in Ecclesia operatur ... Ergo Deus in Ecclesia vere adest“!126
Deus operatur – ergo Deus adest: Mentzers Schluß ist formal nicht zu beanstanden. Nur zeigt eine Analyse seiner ratio concludendi, daß damit allein die christologische Frage noch nicht lösbar wird. Zum Ausschluß jener ‚divinae essentiae absentia‘ genügt nicht nur der Hinweis auf die Definition des Prädikats, den Begriff der Gegenwart Gottes als stetiger Koinzidenz resp. Identität von Handeln und Dasein,127 derzufolge Gottes Handeln niemals als Fernwirkung eines selbst Abwesenden zu denken sei. Denn wo Mentzer dieses ‚non absens operari‘ wirklich begründet, rekurriert auch er letztlich – inkonsistent, aber unumgänglich – auf die Infinität des göttlichen Wesens; die mit dem operativen Begriff der praesentia apud creaturas niemals dementierte, vielmehr gerade reklamierte Gegenwärtigkeit des Handelnden ist de facto nur im Rückgriff auf eine Essentialbestimmung dieses Handelnden zu sichern, die Mentzer andererseits doch von der Frage der Weltgegenwart getrennt sehen wollte.128 Hier liegt der neuralgische Punkt seiner Konstruktion: Wie läßt sich jenes ‚praesens operari‘129 begründen hinsichtlich eines Subjektes, das – wie im nun thematischen Fall der Menschheit Christi – in seiner wesentlichen Verfaßtheit konträr, nämlich endlich und lokal definit bestimmt ist? Mentzer gibt diesem Problem Raum130 und läßt sich diese Frage des christologischen Transfers als Einwand des Helmstedter oder calvinistischen Kontrahenten – „nondum quiescit gloriae Christi oppugnator“ (68a) – noch einmal eigens entgegenhalten: Er, 126
„Utriusque enim partis errorem breviter ita ostendo … Quid enim? Annon disputatio est de praesentia divina? hoc est ipsi Deo propria? Quam describere velle per divinae essentiae absentiam, annon extremae foret dementiae? Quis enim unquam Orthodoxorum sensit, vel dixit, vel … concessit, Deum operari absentem? Quare pro delirio haberi debet, si quis operationem Dei ipsius praesentiae opponere velit. … Imo contra, si per operationem Dei ipsius praesentia in scripturis definitur, quod evidens est ex toto Codice Biblico, sic nobis secundum Spiritus sancti Logicam concludendum erit: Deus in Ecclesia operatur, regenerat, vivificat, consolatur, exaudit preces piorum: Ergo Deus in Ecclesia vere adest ...“ (68a). 127 „... nec sine operatione Deum, neque divinam operationem sine Deo inveniri“ ([1615a] DGT VI. 14 = ME I, Th. 41, Opera II, 358b). 128 Vgl. o. Anm. 107. 129 „... ipse Christus praesens, non absens, efficaciter operatur“ ([1615a] DGT VI. 14 = ME I, Th. 53, Opera II, 359b); 130 In den der Oratio vorlaufenden Disputationen kann es Mentzer hingegen beim Rekurs auf die schon als suffizient erachtete Definition der praesentia gratiosa als Koinzidenz von Gegenwart und Tätigkeit belassen: „ipsa gratiosae praesentiae definitio hoc infert, ut Christus praesens gratiose operetur. [|Th.44] Non ... aliud quippiam est separatum, & realiter distinctum, Christi gratiosa in Ecclesia praesentia: aliud operatio per gratiam in Ecclesia: Verum in Scripturis praesentia ista definitur per gratiosam illam operationem“ ([1615a] DGT VI. 14 = ME I, Th. 43|f, Opera II, 358b).
II. Mentzers Definition der Omnipräsenz als actio
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Mentzer, vermische die Frage der Praesentia Dei, mit der es sich wie vorgegeben verhalten möge, mit dem eigentlich strittigen Problem der Gegenwart der menschlichen Natur Christi.131 Die Voraussetzung dieses zentralen Einwurfs wird allerdings sofort bestritten oder jedenfalls entscheidend eingeschränkt: Mit dem – vorgeblichen – Zugeständnis des operativen Charakters der praesentia divina132 im theo-logischen Zusammenhang sei auch schon die Basis für den Beweis der christologischen These gelegt. Dies werde manifest, sobald die im Einwand unterstellte Disjunktion von praesentia divina und praesentia humana als kategoriale Fehlorientierung aus der Beschreibung des Status quaestionis eliminiert wird: Auch in dem strittigen christologischen Zusammenhang ist allein von der göttlichen Gegenwart in ihrer dreifachen Vollzugsform die Rede;133 die in der Schrift von Christus prädizierte Gegenwart ist keine andere als die praesentia divina, wie sie Mentzer bisher entfaltet hat. Dezidiert versteht lutherische Christologie die Behauptung der Allgegenwart Christi als eine beide Naturen umgreifende Aussage, doch keinesfalls denkt sie diese ubiquitäre Mit-Gegenwart der natura humana als Effekt der Potenzierung menschlicher Möglichkeiten in Maßlose;134 ebensowenig schließt diese These
131 „Confundere me vociferatur [gloriae Christi oppugnator], praesentiam Dei, cum praesentia humanae naturae Christi: de illa rem esse planam fatetur & certam, de hac vero una inter nos disceptari asseverat …“ (68a). 132 „Accepto utraque manu, quod sic prolixe largitur, de divina praesentia & operatione nunquam divellenda ...“ (68a). – Im Blick jedenfalls auf den reformierten Widerspruch kann vom Zugeständnis eines operativen Präsenz-Begriffs im Sinne Mentzers keine Rede sein. Nahezu zeitgleich verteidigt etwa Ph. Caesar gegen J. Feurborn die auch theo-logische Adäquanz des Elementarbegriffs von Gegenwart als Da-Sein (entis ad ens adessentia); dieses werden dann auch die Tübinger Kontrahenten gezielt aufgreifen (vgl. u. C.II.3.2.2). – Zur Helmstedter Position vgl. u. C.IV.2. 133 „Nam de ea praesentia quaeritur, qua Christus dicitur gubernare mundum [praesentia generalis], colligere in mundo Ecclesiam [praesentia specialis gratiosa], & electos beare in vita aeterna [praesentia specialis gloriosa]“ (68a). Im christologischen Diskurs findet keine andere Definition göttlicher Gegenwart Verwendung als in der theologischen Debatte: „Praesentia gratiosa uno eodemque modo in scripturis definitur, sive de Deo praedicetur, sive de Christo“ (Disputation über Mt 28,20; [1614b] DGT V. 7, 14/ 167); und dieser einheitliche Begriff ist, binnenchristologisch, für beide Naturen unterstellt: „Una est & eadem definitio praesentiae Christi“ (57/182). – Vgl. [1614d] DGT V. 15, 29/514–38/516f): die christologische Präsenz ist definitorisch identisch mit der theologischen Bestimmung (18/510–28/513f). – „Praesentiae gratiosae definitio est una eademque, non alia Deitatis, alia Humanitatis. Quare aut tota affirmanda est de Christo, aut tota neganda de eo, juxta Humanitatem“ ([1616a] DGT VI. 16 = ME III, Th. 71, Opera II, 400a). 134 „Humana enim sive praesentia, sive virtus & potentia tam divinos effectus producere non potest … Quid ergo superest, quod in nobis reprehendat adversarius? Quaecunque enim in medium proferi de corporis humani mole, & in immensum expansione & diffusione, & multiplicatione: ea humanae quidam sive physicae praesen|tiae opponi recte possunt: sed divinam praesentiam nullo modo attingunt ...“ (68a|b). – Vgl. entsprechend: „... praesentiam illam esse vere & proprie divinam, hoc est, a divina potentia & infinita virtute profectam“ ([1614d] DGT V. 15, 37/516); „Ac proinde nullo modo dependet illa [praesentia] vel oritur ex natura humana, vel ex quantitate sive modo corporis, vel ex partium humani corporis expansione vel multiplicatione, & ut uno verbo semel omnia dicam, non aliunde est, quam ex ipsa divina natura (quae | immensa & infinita est) & libera
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eine parallele monolokale praesentia humana derselben Menschheit, wie sie die evangelische Geschichte bezeugt, aus.135
3.2 Mentzers rhetorisch aufwendiges Contra belegt noch nicht die eigene These; es wiederholt nur deren ‚apologetische‘ Präzisierung.136 Denn die von den Kontrahenten geltend gemachte Disjunktion von theo-logischer und christologischer Frage zielt nicht auf die Unterscheidung zweier Prädikate (praesentia divina – humana) als solcher. Sie reklamiert die Berücksichtigung der essentiellen Disparität des christologischen Subjekts, von dem prädiziert wird – die lutherische These einer koextensiven Gegenwart von Gott und Mensch aber negiere diese auch innerhalb der Personeinheit perennierende Wesensdifferenz beider; sie verletze nicht weniger als die Grenze zwischen Schöpfer und Geschöpf selbst, wenn sie so einer Kreatur zuschreibt, was allein Prädikat Gottes ist und sein kann. Eine ebenso konzise wie pointierte Formulierung dieses fundamentalen ontologischen Einwandes, der der Kritik der lutherischen Ubiquitätsthese zugrundeliegt, trägt, wenige Jahre zuvor, der Reformierte Clemens Timpler vor. Die Frage: „An ulla creatura possit esse ubique?“ wird kategorisch verneint: „1. Quia ubiquitas est proprietas essentialis solius Dei. Ideoque nulli creaturae communicari possit. 2. Quia nulla creatura potest esse absolute infinita & immensa. Nihil autem est ubique, nisi sit absolute infinitum & immensum“.137 – Dasein und Gegenwart eines Seienden sind, so der von Mentzer noch gar nicht thematisierte Skopus dieses Einwands, durch dessen spezifisches Wesen (essentia) bleibend de-finiert; ein Seiendes existiert ausschließlich als Aktualisierung und in den Grenzen seines Wesens. In christologischer Wendung bedeutet diese einlinig emanative Korrelation von Wesen und Existenz, daß die perennierende Differenz der Naturen von Gott und Mensch auch innerhalb der Personeinheit zu wahren ist durch die Unterscheidung zweier naturkorrelativer Präsenzmodi – eine praesentia divina gibt es nur als praesentia Dei, die praesentia Hominis kann nur eine praesentia humana sein. Diesen Kanon der ontologischen Konvenienz von Subjekt und Prädikat verletze die lutherische These, indem sie Unvereinbares verknüpft – und mit dieser Grenzüberschreitung die wesentliche Integrität der angenommenen Menschheit (veritas naturae humanae) zerstört.
Vorgetragen zwar in einem Lehrbuch der Metaphysik, läßt sich das ontologische Fundament des theologischen Contra nicht einfach als Einspruch
voluntate Jesu Christi θεανθρωπου“ (38/516f); gewendet gegen das ‚zwinglische‘ „somnium de immensitate & infinitate corporis“ (67/526). 135 „testatur historia Evangelica, Christum in hunc mundum natum, humana sua praesentia nunc in hoc, nunc illo, nunc isto loco visibiliter versatum: qua humana praesentia jam in coelo est, inde rediturus ad judicium. ... Quae nostra adeo ingenua Confessio liberare nos potest ab atrocissimis calumniis, de negata a nobis humanae naturae Christi veritate“ (68a). 136 Vgl. zu dieser Unterscheidung o. B.II.1.3. 137 CL. T IMPLER, Metaphysicae Systema, 1608, lib. II, cap. V. Probl. 4 (114f). – Zu Timpler – „der bedeutendste und zugleich umstrittenste reformierte Metaphysiker der Frühzeit“ – vgl. U.G. LEINSLE, 1985, I, 352–369 (Zitat: 352).
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der unzuständigen Vernunft (Aristoteles vs. Christus)138 abtun. Die Unterscheidung von ens finitum und infinitum stellt lediglich die ontologische Formulierung der theologischen Differenz von Schöpfer und Geschöpf, Gott und Welt dar; und die bleibende Integrität der Naturen Christi auch innerhalb der Personeinheit gehört zur Axiomatik jeder auf den chalcedonischen Grenzziehungen aufruhenden Christologie. Zudem wird die zentrale Voraussetzung des reformierten Einwandes, die Begründung des Daseins eines Seienden ausschließlich aus dessen Wesen, nach der positiven Seite von Mentzer – theo-logisch – selbst beansprucht: Neben der operativen Deutung der praesentia divina als actus voluntatis steht, auffällig desintegriert, die Begründung der ubiquitären Anwesenheit Gottes aus der spezifischen Verfassung seines Wesens (immensitas essentiae),139 die Timpler zum einzig möglichen – und darum für die Menschheit Christi ‚unmöglichen‘ – Grund ubiquitärer Präsenz erklärt. Dem Vorwurf, mit der Attribution eines essentiell disparaten Prädikats komme es zu einer Verletzung der veritas naturae humanae, kann nicht allein der Verweis auf die parallele lokal definite Präsenz dieser Menschheit entgegengehalten werden. Auch die apologetische Klärung des Prädikats löst die Frage nicht, sondern stellt sie erst scharf. Dem Einwand muß am entscheidenden Punkt begegnet werden: Frusta excipis, naturarum discrimen diversas inferre etiam praesentias!140 Gefordert ist nicht weniger als der Nachweis, daß es christologisch zu einer spezifischen Überschreitung der Wesenszusammenhänge kommt, die von einer abstrakten Negation der natürlichen Identitäten gleichwohl unterschieden bleibt. 3.3 Diesen noch ausstehenden letzten und entscheidenden Argumentationsschritt, an dem die konstruktive Durchführung der lutherischen Ubiquitätsthese141 schlechterdings hängt, benennt Mentzer selbst sehr präzise: „Quare id nobis probandum incumbit, divinam hanc praesentiam quam literae per totius universi gubernationem, & Ecclesiae collectionem, & glorificationem, describunt, Christo ut homini convenire“ (68b).
Wie kann diese christologische ‚Konvenienz‘ des essentiell Disparaten dargetan werden? Mentzer will – ‚gratae brevitatis studio‘142 – aus den vielen möglichen und überzeugenden Argumenten der lutherischen Antikritik nur ein einziges, aber herausragendes (insigne ... & palmarium; 68b) prä138
Vgl. o. B.II.1.1. Vgl. o. B.II.1.3. 140 So Mentzers eigene – treffende – Reformulierung des reformierten Einwands in der älteren Disputation über Mt 28,20, [1614b] DGT V. 7; 58/182. 141 Vgl. o. B.II.1.2. 142 Gerade an diesem von Mentzer (hier) nur knapp behandelten christologischen Kern des Problems und den aus dessen – lutherischer – Lösung zu ziehenden Konsequenzen wird der Tübinger Widerspruch ansetzen (vgl. u. C.II.1.2; C.II.2.1). 139
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sentieren. Traditionell erkennt lutherische143 Christologie diese Zentralstellung jenem Argument zu, das Mentzer einleitend gestreift hatte:144 Die Partizipation (communio) der Menschheit Christi an der wesentlich allein dem Logos eigentümlichen (propria) Präsenz gründet in der unio personalis, der jedes extra ausschließenden personalen Einheit von Gott und Mensch. Die gemessen an den Wesensbezügen allerdings inkonveniente Verknüpfung von Subjekt und Prädikat, wie sie die lutherische These darstellt, beansprucht als ihr Fundament die ontische Vermittlung (unio) der Real-Subjekte, von denen die Schrift Identisches prädiziert.145 Für das Recht und die Notwendigkeit dieses Arguments ex unione im Streit um die Gegenwart Christi treten in Gießen Winckelmann und Gisenius ein.146 In z.T nur wenig älteren Texten hatte es Mentzer noch selbst entwickelt147 – doch das ist Vergangenheit, jetzt kommen die Präzisierungen des Status quaestionis zum Tragen. Dort war die die Inkarnation resp. unio personalis als nicht thematisch ausgegrenzt, die unio personalis auf 143 Mit Ausnahme lediglich der Helmstedter Linie; deren Sezession erwächst gerade aus der Kritik an der Verknüpfung von Unio und Ubiquität, wie sie für den Mehrheitsstrom des konkordistischen Luthertums, unbeschadet differenter Gewichtungen im einzelnen, konsensfähig und charakteristisch wird. Vgl. dazu u. C.IV.2. 144 Vgl. o. B.II.1.3. 145 Vgl. den so ansetzenden Einspruch gegen die auch von Martini vertretene Korrelation von Präsenz und Wesen in der Disputation vom Januar 1616: „Corpus, inquit [Martinius] non est Deus. Ergo non est ubique. At, inquam ego, probetur consequentia. Non enim omnipraesentia tribuitur Christi Humanitati, quia Humanitas Deus est, sed quia Filio Dei personaliter unita. [|Th.85] Imperfecta igitur est haec propositio: Quicquid est omnipotens, omnipraesens, omnisapiens, ea omnipotentia, omnipraesentia, omnisapientia, quae est essentialis Dei proprietas, idipsum Deus est, aut (quod absit!) Deus non habet Naturam, per quam in aeternum differat ab omni creatura. Verba sunt Martinii p. 128. Nam ita compleri oportet: Aut Deus est, aut Deo personaliter unitum“ ([1616a] DGT VI. 16 = ME III, Th. 84|f, Opera II, 402a). 146 Vgl. o. B.II.1.3, bes. bei u. mit Anm. 93; in der Sache auch u. B.III.2.1. 147 „... ut persona una eademque diuinitatis & humanitatis ita eadem etiam praesentia“ ([1614d] DGT V. 15; 66/526); „Humanam Christi naturam non in semetipsa, vel per semetipsam, sed in persona του λογου praesentem adesse creaturis“ (ibd.); „Praesentiam apud creaturas assignari Christo primo propter deitatem (quae infinita & immensa est in seipsa) & eandem per unionem hypostaticam etiam de Christo homine, sive ratione humanitatis praedicari“ (l.c. 65/526); „Quae persona ut in Christo unica est, & divinae simul & humanae naturae communis, ita praesentia ejus una est“ ([1614b] DGT V. 7, 59/ 182 – in direkter Replik auf den Rekurs auf das discrimen naturarum [o. bei u. mit Anm. 140]!). – Das grundsätzliche Bekenntnis zur Personeinheit als derjenigen Instanz, die die Menschheit Christi neu bestimmt (in persona του λογου adesse), ohne deren wesentliche Identität zu negieren (non in semetipsa), schließt freilich gewichtige Unterschiede im genauen Verständnis des Verhältnisses von Personeinheit und Naturendualität keineswegs aus. Der spätere Streit mit Tübingen wird diese Differenz offen legen; sie hatte im übrigen schon 10 Jahre vor diesem ihren – seinerzeit freilich unterbewerteten – Niederschlag gefunden; vgl. u. E.I.
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die Konstitution des Binnenverhältnisses der Naturen zurückgenommen und darum von der strittigen Frage der praesentia apud creaturas distanziert worden.148 Konsequent verweist Mentzers nun nachgeschobene Liste der möglichen, wenngleich hier nicht ausgearbeiteten Argumente gegen die ‚Christomachen‘ zwar noch auf die Erhöhung; die unio personalis aber findet nicht einmal mehr en passant Erwähnung.149 Auf deren angestammten Platz rückt stattdessen ein neues Argument, das durch die operative Fassung der praesentia divina ermöglicht werden sollte und auf das alle bisherigen Ausführungen hingeordnet sind. Anstelle des Rekurses auf das Sein, die ‚Ontologie‘ der Person Christi (unio personalis), bildet die Bezugnahme auf das Handeln Christi den systematischen Ort der Klärung der Präsenzfrage – nicht nach der ‚Person‘, sondern nach dem ‚Amt‘ (officium) Christi als dem Inbegriff des Handelns dieser Person ist zu fragen. Mentzers Schritte werden nun rasch. Für das Amt Christi könne als nicht allein lutherischer Konsens vorausgesetzt werden: „Officium suum Christus exequitur non in sola Deitate, sed etiam humanitate sua“.150 Läßt sich weiter – „ex scripturis“ – zeigen, „daß Christi Gegenwart bei den Kreaturen, insonderheit bei seiner Kirche zu seinem Amt gehört“, dann ist das Ziel des Beweisganges, die omnipraesentia Θεανθρωπου in utraque natura, erreicht – „veritati triumphus est paratus“!151 Dieser Schriftbeweis als der letzte Schritt des Arguments wird gar nicht mehr eigens entwickelt. Mentzer kann darauf verzichten, denn für ihn fällt dieser Beweis in der Sache zusammen mit dem breit entfalteten Nachweis, daß die Christus beigelegte göttliche ‚Präsenz‘ als dessen spezifisches – gubernatorisches, gratioses oder glorioses – Handeln bestimmt sei. Die so152 begriffene Gegenwart gehört dann – ‚völlig evident‘ – wie jedes sote148
Vgl. o. B.II.1.3. „Nihil nunc dico de Christi ad dextram patris exaltatione, deque ipsius regno potentiae, gratiae & gloriae, deque cultu & honore, qui in militante & triumphante Ecclesia, ipsi dependitur: quae fortissima argumenta cum χριστομαχοις opponuntur, in varias mutantur formas, diversaque quaerunt diverticula, & ubi pedem figant, non inveniunt“ (68b). – Zum Argument ex ascensione vgl. aus den älteren Texten etwa DGT VI. 6; 47/ 160, 48–50/160f. Zum regnum-Gedanken vgl. u. Anm. 182.190.193. 150 68b. – Der Rekurs auf das Officium schon in der ersten Disputation gegen Martini, dort allerdings an 2. Stelle, nach der zunächst genannten unio personalis und exaltatio: „2. Quia haec praesentia pertinet ad Christi officium[,] in quo non agit Natura una sola separatim, ανα μερος, sed utraque Natura agit quod sibi proprium est, cum communicatione alterius: ut habet Canon Chalcedonensis ...“ ([1615a] DGT VI. 14 = ME I, Th. 26, Opera II, 356b; der Verweis auf unio und Erhöhung ibd. Nr.1). 151 „Nunc si ex scripturis demonstretur, Christi apud creaturas, & inprimis Ecclesiam, praesentiam, ad officium ipsius pertinere, veritati triumphus est paratus ...“ (68b). 152 Entsprechend hatte Mentzer bereits an einer früheren Stelle im Argumentationsgang, dort aber noch eher beiläufig, diesen Zusammenhang gestreift und, gleichsam gegenläufig zu der jetzigen Inanspruchnahme, den operativen Charakter der praesentia 149
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B. Der Gießener Streit über die Allgegenwart Christi (1616–1618)
riologisch relevante Tun Christi zum heilsmittlerischen Amt des Gottmenschen, das dieser nach beiden Naturen ausübt;153 sie kommt mithin auch der menschlichen Natur zu. An diesen Punkt bricht Mentzer seine auf die ‚praecipua capita‘ des Problems beschränkte Darlegung abrupt ab. Den Zuhörern werden lediglich noch einmal die Grundlinien des Arguments resümiert: Wenn gezeigt werden kann (und dies gezeigt zu haben, beansprucht Mentzer), daß (1.) die praesentia divina apud creaturas – biblisch verstanden – per operationem zu bestimmen ist und (2.) als so bestimmte „Christo officii ratione, tanquam regi & Domino nostro, in utraque natura“ zukommt,
dann ist erwiesen: Sowohl das Konstrukt der calvinistischen und jesuitischen Kritik, die ‚portentosa Ubiquitas‘, als auch die ‚von gewissen Helmstedtern‘ eingeführte, partiell der calvinistischen Sicht homophone These einer ‚humanae naturae Christi sine vera praesentia operatio‘ verfehlen eklatant das Schriftzeugnis, dessen Inhalt allein Mentzers positive These ans Licht hebt: „Der Gott-Mensch Jesus Christus, unser König und Herr, nach beiden Naturen in der Einheit der Person gegenwärtig, regiert Himmel und Erde und ist sowohl der kämpfenden Kirche in Gnade als auch der vollendeten Kirche in Glorie anwesend“.154 gratiosa aus deren Status als Teil des Amtes Christi begründet: „[...] praesentia gratiosa per verba actionem denotantia describitur passim. Idque ut fiat necesse est: cum pertineat illa ad Christi officium, in quo utraque natura operatur, quod sibi proprium est, cum alterius communicatione, ut habet Canon Chalcedonensis“ (67b). 153 „Pro nobis stat ... Officii Christi ratio, quod exequitur in utraque natura. Pertinere autem praesentiam Christi, ad officium, tam est evidens, ut negari sine extrema impudentia non possit“ ([1615a] DGT VI. 14 = ME I, Th. 81 [Nr. 5], Opera II, 363a). – Vgl.: „Quicquid est officium Christi, in eo utraque Natura agit, quod sibi proprium est, cum communicatione alterius. Praesentem adesse Ecclesiae, adeoque gubernare omnia in coelo & in terra, est Officium Christi. Ergo in praesentia illa Christi cum gratiosa, tum universali, utraque Natura agit, quod sibi proprium est, cum communicatione alterius“ ([1616a] DGT VI. 16 = ME III, Th. 52, Opera II, 397a; vgl. 109/405a). 154 „Sufficit, auditores (nec enim decet summa vestra attentione abuti ...) brevi oratione delineasse praecipua controversiae de omnipraesentia Christi θεανθρωπου in utraque natura, capita: quae si in hunc scopum dirigantur, ut ex ipsis sacrae Scripturae testimoniis divina apud creaturas praesentia (quae liberae voluntatis est, neque cum absoluta immensitate confundi debet) describatur, & quod ea Christo officii ratione, tanquam regi & Domino nostro, in utraque natura conveniat: dubium esse nemini poterit, neque portentosam Ubiquitatem, Calvinistarum & Jesuvitarum filiam, neque humanae naturae Christi sine vera praesentia operationem, a quibusdam Helmstadianis introductam, conciliari cum oraculis Spiritus sancti posse: sed illud verissimum esse, quod diximus, Jesum Christum, θεανθρωπον regem & Dominum nostrum, juxta utramque naturam praesentem in unitate personae, gubernare coelum & terram, & adesse Ecclesiae militante sua gratia; & triumphanti sua gloria ...“ (68b).
III. Triumphus Veritatis? – Sichtung der These Mentzers
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III. Triumphus Veritatis? – Sichtung der These Mentzers III. Triumphus Veritatis? – Sichtung der These Mentzers
Aus dem Resümee von Mentzers Oratio erhellt konzis die Struktur seines Versuchs, die alte ‚Kontroverse über die Gegenwart des Gottmenschen Jesus Christus in beiden Naturen‘ auf neue und durchschlagende Weise zu entscheiden. Das Argument läuft über zwei Stufen: Fundamental ist die im ersten theo-logischen Schritt entwickelte Definition der göttlichen Gegenwart als actio; als Handeln gehört, so dann der zweite – christologische – Schritt und Zielpunkt, diese ‚Präsenz‘ zum Amt Christi, das der Gottmensch nach beiden Naturen ausübt, womit dann die zwischen den Konfessionen strittige ‚Gegenwart‘ auch seiner Menschheit belegt sei. Diese von Mentzer mit großer Emphase vorgetragene Lösung – veritati triumphus paratus! – sieht sich jedoch gravierenden Anfragen gegenüber. Dies gilt nicht allein für das erste Teilstück, die operative Definition der praesentia divina, auf die sich die Einwände von Mentzers Gießener Kollegen zunächst richten. Problematisch ist gerade die christologische Applikation des 2. Schritts. Die mit der These der ‚praesentia Christi in utraque natura‘ in deren lutherischem Verständnis gestellte Aufgabe, eine Vermittlung des essentiell Disparaten zu explizieren, wird von Mentzer präzise beschrieben155 – seine Lösung dieser Aufgabe im Rekurs auf das ‚Amt‘ Christi aber kann nicht überzeugen. Denn die reformierte Theologie unterwirft die apotelesmatische Kooperation der Naturen, wie sie die chalcedonisch-leonische Regel vorschreibt – „agit utraque natura ... cum alterius communione“ –, näherhin dem Regulativ der auch innerhalb der Personeinheit perennierenden essentiellen Disparität (discrimen naturarum),156 die dieselbe Formel ebenso solenn festhält: agit utraque natura quod suum/proprium est. Das Zusammenwirken der Naturen wird strikt auf das Maß der jeweiligen essentiellen ‚Kapazität‘ beschränkt. Die menschliche Natur trägt zum heilsmittlerischen Akt immer nur den ihr eigentümlichen menschlichen ‚Effekt‘ bei, partizipiert aber niemals schon am Vollzug des Tuns der göttlichen Natur. Die konzedierte Zuschreibung jedes Aktes an beide Naturen gründet so nicht in deren Vermittlung schon in der Hervorbringung des jeweiligen Heilswerks (αποτελεσμα). Angenommen wird nur die finale Konvergenz des im Vollzug gegeneinander diskreten göttlichen und menschlichen Tuns im Resultat der Handlung als einer additiv gedachten Synthese der Effekte beider Wirkvollzüge.157 155
Vgl. o. B.II.3.2. Vgl. o. B.II.3.2.. 157 Für die hier üblichen Differenzierungen vgl. Mentzers Explikation (der lutherischen Lösung) in einer älteren Disputation von 1606 (wieder abgedruckt: DGT I. 3 [vgl. u. [E.] Anm. 23.25]; dort zum 3. Genus der Idiomenkommunikation: 77/84–103/95). Zu unterscheiden sind (im Anschluß an den Damascener): 1. ενεργητικον (persona resp. hypostasis als subjectum quod [agit]; das subjectum quo [agitur] ist die jeweilige Natur; 83.84/86); 2. ενεργεια („est tum operandi facultas, tum ipsa operatio, sive motio, vel actio, quae profiscitur ex ipsa natura, sive proprietate naturali, in qua est facultas sive vis operandi vel agendi“; 85/86); 3. ενεργημα (effectum της ενεργειας, operationis; 86/86); 4. αποτελεσμα („effectum commune, ex utriusque [naturae] personaliter unitae opera|tione proveniens“; 87/86|f). Eine Beteiligung einer Natur am Handlungsvollzug der anderen Natur ist dabei nach Mentzer – und der durch ihn repräsentierten lutherischen Mehrheitsthese – nur ‚asymmetrisch‘ hinsichtlich der natura humana gegeben, die kraft der vorlau156
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B. Der Gießener Streit über die Allgegenwart Christi (1616–1618)
Das von Mentzer vertretene Argument aus der ratio officii setzt mithin eben das voraus, was seine reformierten Kontrahenten dezidiert ausschließen, die Kommunikation der Naturen nicht erst im Effekt, sondern schon im Vollzug der apotelesmatischen Tätigkeiten. Vertritt Mentzer mit dieser Voraussetzung als solcher noch den lutherischen Konsens, so nicht mehr mit der Isolierung dieser Bezugnahme auf das Amt Christi; sie stellt, bezogen auf die Problemgeschichte lutherischer Christologie, im Gegenteil einen eigentümlichen ‚Rück-Schritt‘ dar. Daß die Zuschreibung des Amtes Christi an beide Naturen in der von Mentzer beanspruchten Weise ein bestimmtes – konfessionsspezifisch werdendes – Verständnis schon der Personeinheit impliziert und ohne dessen vorgängige und selbständige Begründung nicht zu halten ist, hat ‚lutherische‘ Theologie im Streit um die Rechtfertigungslehre Andreas Osianders lernen müssen. 1. Person und Amt Christi im osiandrischen Streit 1.1 Unter der Prämisse und auf der Basis einer eigentümlichen Gotteslehre, die die vollkommene Einheit und ‚Selbstherrlichkeit‘ (Cl. Bachmann)158 der Gottheit betont und in der Folge eine Beziehung dieses streng in seiner Absolutheit konzipierten Gottes auf Nichtgöttliches eigentlich nicht mehr zu denken erlaubt,159 sieht sich A. Osiander veranlaßt, dem (melanchthonifenden communicatio Majestatis, wie sie das 2. Genus entfaltet, am Tun der göttlichen Natur Anteil bekommt: sie handelt „non solum ex naturalibus suis proprietatibus & viribus, verum etiam tanquam instrumentum personaliter unitum, vi agentis primarii, ex | communicata sibi per unionem hypostaticam potestate“ (92/88|f; vgl. 88/87. 95/89f–102/ 92–95). – Eine strikt symmetrische Fassung der apotelesmatischen Kommunikation werden die ‚neuen‘ Tübinger vertreten; vgl. u. E.III.2. 158 CL. B ACHMANN, 1996. 159 Die Diskussion der Theologie Osianders durch den Nachweis, daß für diese „der Gottesbegriff von erheblicher Bedeutung sei“ (G. SEEBASS, 1995, 507–515, hier 511,8f), neu orientiert zu haben, ist v.a. das Verdienst M. STUPPERICHs, 1973. Osianders Gottesund Trinitätslehre betone die Vollkommenheit und Einheit des göttlichen Wesens zu Lasten der Differenz der drei Personen – und damit zwangsläufig auch zu Lasten der Christologie, die durch die Fassung der Binnendifferenzierung des göttlichen Wesens prädeterminiert wird (ein „Verständnis des Trinitätsdogmas zu Lasten des christologischen Dogmas“ [1973, 213]). Eine zusammenhängende Darstellung dieser spezifischen Gottesund Trinitätslehre biete v.a. Osianders Verteidigungsschrift von 1551: ‚Von dem einigen mittler Jhesu Christo und rechtfertigung des glaubens bekanntnus‘ (im Druck: 8.9.1551; lat. Version 24.10.1551: De Unico Mediatore Jesu Christo et iustificatione fidei, GA 10, 1997, Nr. 488/496, S. 49/78–300 (vgl. S TUPPERICH, 1973, 195–213, bes. 203ff; DERS., 1980, 283, sowie das Referat bei M ÖLLER, 1870, 398–409). STUPPERICH nimmt scholastischen Einfluß an (1973, 201f; so auch LOHSE, 1980, 127 bei u. mit Anm. 21; – Kenntnis und Rezeption scholastischer Autoren und Theologumena belegt Osianders Schrift von 1550: An filius Dei fuerit incarnandus, si peccatum non introivisset in mundum; GA 9, 1994, Nr. 427, S. 450/456–491 [STUPPERICH, 1973, 106. 107 bei u. mit Anm. 140; zur
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schen) Begriff der imputativen Rechtfertigung grundsätzlich zu widersprechen.160 Stattdessen wird die Rechtfertigung nach ihrer formalen Seite hin als „Anerkennung Gottes durch Gott selbst“,161 nach ihrer inhaltlichen Seite hin als Einwohnung der mit der göttlichen Natur identischen wesentlichen Gerechtigkeit Gottes selbst (iustitia essentialis) bestimmt. Bleibende und konstitutive soteriologische Bedeutung kann dann allein der Gottheit Christi zukommen. Zwar verliert damit die Menschheit keineswegs jede soteriologische Relevanz. Osiander erkennt ihr eine doppelte Funktion zu. Von zentraler Bedeutung ist sie zunächst im Zusammenhang der satisfaktorischen, Sündenvergebung erwirkenden Erlösung (Redemptio), die Osiander der je aktualen Rechtfertigung (iustificatio) i.e.S. vorordnet. Das satisfaktorische Leiden und Sterben betrifft Christus ausschließlich nach dieser menschlichen Natur; die Gottheit bleibt davon unberührt. Doch verharrt dieses die Menschheit konstitutiv erfordernde Geschehen der satisfactio in der Abständigkeit eines illic et tunc „vor über 1500 Jahren, als wir noch nicht geboren waren“; mit der den je aktuellen Glauben erfordernden Rechtfertigung hat es – „wenn wir eigentlich reden wollen“ – nichts zu tun.162 Es bildet, als Aufhebung des göttlichen Zorns, nur die auf Gott bezogene ‚negative‘ Voraussetzung der eigentlichen Rechtfertigung, die erst durch die Einwohnung der göttlichen Natur (Christi) und so der essentiellen göttlichen Gerechtigkeit im Glaubenden bewirkt wird. Zwar weist Osiander dann auch im Kontext dieser exklusiv durch göttliches Tun
Schrift insgesamt ibd. 105–109; M ÖLLER, 1870, 387–397; GA 9, 450–456]). In der Kontroverse selbst sei allerdings diese Basis der Theologie Osianders nicht erkannt worden, allein Melanchthon habe die Verwurzelung der rechtfertigungstheologischen und christologischen Thesen Osianders in dessen eigentümlicher Fassung der Trinitätslehre erkannt, diesen Konnex aus Sorge von einer überfordernden Ausweitung der Debatte jedoch nicht öffentlich, sondern nur in privater Korrespondenz notiert: „Latent in disputatione semina Judaica de personis“ (Brief an J. Jonas, 26.1.1552, CR 7,927f, hier: 927; vgl. Brief an J. Aurifaber u. D. Chyträus, 10.9.1552, CR 7,1067f; STUPPERICH, 1973, 260f; DERS., 1980, 186.188.190; DERS., 1977, 180.181). – Aus der neueren Diskussion: B ACHMANN, 1996; DERS., 2003; H AUKE , 1999. 160 Zu den rechtfertigungstheologischen Konzepten: F. NÜSSEL 2000, 23–31. 31–48. 161 So – zugespitzt – STUPPERICH, 1973, 201. 162 „Manifestum est autem, quod quicquid Christus, ut fidelis mediator nostri causa, impletione legis ac passione morteque sua cum Deo, Patre suo caelesti, egit, factum id esse, ante mille quingentos et eo amplius annos, cum nos nondum essemus nati. Quare, si proprie loqui volumus, non potuit illud nostra iustificatio neque esse, neque nominari, sed tantum nostra redemptio et satisfactio pro nobis ac peccatis nostris. Oportet enim eum, qui debet iustificari, credere. Porro, si credere debet, necesse est, ut iam sit natus et vivat. Quare Christus nos, qui iam vivimus, et alios ante nos impletione legis ac passione morteque sua, non iustificavit. Verum libe[B1a:]rati sumus per illam ab ira Dei, morte, et inferno ...“ (OSIANDER, De Unico Mediatore, Bl. A4b. B1a (GA 10, 1997, 111,1–9); vgl. Bl. O3b (GA 10, 1997, 249,14–17). – Vgl. auch H IRSCH, 1919, 188–193.
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konstituierten Rechtfertigung der Menschheit eine (zweite) Bedeutung zu: aus ihr, der Menschheit, „als aus dem heubt“ „fleust“ Christi „gerechtigkeit, die seine go(e)ttliche natur ist“, „auch in uns als seine glider“.163 In dieser vermittelnden Funktion ist die Menschheit „nicht Mitursprung der Gerechtigkeit ... wohl aber Vehikel der Aneignung, Weg ihrer Austeilung, Durchgang des ‚ihrer Habhaftwerdens‘“,164 kurz: „das Vehikel der von dem Gottessohn ausgehenden Gerechtmachung mit Gottes eigener Gerechtigkeit ... Instrument ohne konstitutive Eigenbedeutung“.165 1.2 Dieser Dissoziation der einen Heilstat in die – zeitlich wie sachlich geschiedenen – Elemente der Erlösung einerseits, der Rechtfertigung andererseits166 und der Reduktion der Menschheit Christi auf bloße ‚Instrumentalität‘ im zweiten Fall widersprechen Osianders Gegner mit Vehemenz: Christi Fleisch ist „nicht der brotkorb, sonder das brot des lebens selbst“.167 Mit diesem handfesten Plädoyer für die bleibend konstitutive Bedeutung der Menschheit Christi aber ist nun eine im engeren Sinn christologische Aufgabe gestellt168 – umso mehr, als Osiander seine Verteilung der Tätigkeiten auf die Naturen – von den Kontrahenten als ‚nestorianisierende‘ Auflösung der Personeinheit kritisiert169 – explizit christologisch begründet. Weil näherhin als Vereinigung zweier Naturen bestimmt, lege 163
OSIANDER, Von dem einigen Mittler, Bl. Q3a.b (GA 10, 1997, 226, 31f. 31. 29. 32). – Vgl. MAHLMANN, 1969, 98.107. 164 MAHLMANN, 1969, 98. 165 MAHLMANN, 1969, 107; vgl. den ganzen Zusammenhang 106–109 und 98. 166 Prägnant A. RITSCHLs Formulierung, daß „Osiander die mittlerischen Geschäfte Christi zeitlich aus einander reißt und sachlich einander entgegensetzt“ (1889, I, 241). Entsprechend CL. B ACHMANN: „Entscheidend an der Aufspaltung des Mittleramtes Christi ist die strikte sachliche und chronologische Trennung beider Handlungen und ihrer Adressaten. Der ‚erste Handel‘ gilt ausschließlich Gott, dem der irdische Christus durch sein Leben (= aktiver Gesetzesgehorsam), Leiden (= passiver Gesetzesgehorsam) und Fürbitten (intercessio) stellvertretend für alle Menschen Genugtuung gibt und ihnen damit Vergebung der Sünden erwirkt. Christus hat sein Blut also ‚erstlich für [sc. vor] Gott außgossen zur versönung am kreutz, darnach auch uns damit besprengt durch die predig und das gehaymnuß seines heyligen abentmals‘. Adressaten dieses ‚zweiten Handels‘ sind ausschließlich wir Menschen, denen der erhöhte Christus samt göttlicher Trinität via Wort und Sakrament im Glauben einwohnt und sie effektiv rechtfertigt, d.h. ‚nach dem bild seiner unaußsprechlichen herrligkeyt neu gebirt, in uns herrschet und vollbringt, von tag zu tag lenger je mere, biß wir zuletzt ihm gleich werden und ewigklich mit ime leben und herrschen‘“ (2003, 251 [Kursivierungen aufgehoben], Zitatnachweise ibd. Anm. 21f [GA 10, 97,9–13 bzw. 96,3–7]). 167 J. MÖRLIN, Von der Rechtfertigung des glaubens, Königsberg 1552, Bl. H4a (zit. nach MAHLMANN, 1969, 119). 168 „Das christologische Problem in der Kontroverse um A. Osianders Rechtfertigungslehre“ ist eindringend analysiert bei MAHLMANN, 1969, 93–124. Vgl. ferner STUPPERICH, 1973, 196–200; zum frühen Osiander auch H IRSCH, 1919, 37–39. 169 Vgl. MAHLMANN, 1969, 108 bei Anm. 73.
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die Personeinheit dem ‚gelehrten Theologen‘ gerade die Pflicht auf, die dieser Person zugeschriebenen Eigenschaften und Werke auf deren jeweilige wesentliche Begründung hin zu sortieren und alternativ je einer Natur zuzuweisen.170 Als Instrument dieser analytischen Scheidung dient Osiander die tradierte Lehre der Idiomenkommunikation.171 Mit diesem Rekurs auf die Naturendifferenz bewegt sich Osiander grundsätzlich noch innerhalb des von seinem großen Gegner gezogenen Rahmens. Auch Melanchthon versteht die ‚analytische‘ Berücksichtigung der Naturendifferenz auch innerhalb der Personeinheit als eine Aufgabe, die der communicatio Idiomatum logisch gleichursprünglich neben der ‚synthetischen‘ Funktion der Deklaration der Personeinheit zukommt.172 Jedoch teilt Osiander nicht Melanchthons Interesse an der Wirkungseinheit der Person Christi (totum agens),173 sondern liest die communicatio Idiomatum einlinig als Anweisung zur ‚Erläuterung‘ – faktisch: Korrektur – ‚ungewöhnlicher‘ christologischer Sätze nach Maßgabe der Wesensbegriffe der in dieser Person vereinigten Naturen: von ‚Christus‘ prädizierte Idiome oder Tätigkeiten sind auf die je wesentlich zugrundeliegende Natur zurückzuführen und von der je anderen Natur auszuschließen.
1.3 Dieser für die lutherische Intention ruinösen Handhabung der überlieferten Begriffe der Personeinheit und Idiomenkommunikation gegenüber mußte das Interesse der Gegner Osianders darauf gerichtet sein, die dem Schriftzeugnis abgelesene Einheit von göttlichem und menschlichem Handeln als schon für die Person Christi gegeben und darin begründet aufzuweisen – allein dann kann (und muß) von der Einheit der Person auch auf die Einheit des ‚Werks‘ dieser Person geschlossen werden. Die damit ge170 „Quoniam autem Christus ita unica et indivisibilis persona est, ut nihilominus tamen duas diversas naturas habeat et utriusque naturae proprietates personae attribuantur ac de ea praedicentur, competit erudito theologo, ut de singulis proprietatibus, quae de Christo praedicantur, rationem possit reddere, ex qua natura profluant“ (De Unico Mediatore, Bl. K2b / GA 10, 1997, 205,1–4). 171 „Hic enim erudimur, quomodo de Domino nostro Iesu Christo ut vere Deo et homine, recte & irreprehensibiliter loquamur, scandalosas, erroneas et haereticas locutiones vitemus ...“ (De Unico Mediatore, Bl. K1a / GA 10, 1997, 201,2–4; in der Einleitung des Abschnitts zur Idiomenkommunikation, ibd. Bl. K1a–4b / GA 10, 1997, 201,1–209,22). 172 „Ut enim necesse est, retinere unitatem personae seu unionem hypostaticam, ita necesse est, agnosci duas naturas in Christo nato ex Virgine ...“ (MELANCHTHON, StA 6, 263,6–9; vgl. CR 23,510; StA 2/1, 199,3–6). – Zur Lehre von der Idiomenkommunikation beim späten Melanchthon vgl.: Enarratio Symboli Niceni, 1550, CR 23, 193–346: 340–344; Responsio Philippi Melanthonis de controversiis Stancari, 1553, StA 6, 260– 277: 261–266; Examen Ordinandorum, 1559, CR 23, 1–88: 5–7; Refutatio erroris Serveti, 1559, StA 6, 365–377: 372–377; Explicatio Symboli Niceni (1557), 1561, CR 23, 347–584: 509–511; Loci Praecipui Theologici, 1559, StA 2/1, 164ff: 199–201. – MAHLMANN, 1969, 64–72; B RANDY, 1991, 34–37. H UND, 2006, 79–91. 173 CR 23, 343; dazu M AHLMANN, 1969, 66 (74f). – Allerdings ist zu fragen, ob sich nicht schon bei Melanchthon selbst doch die ‚analytische‘ Funktion der Idiomenkommunikation gegenüber deren ‚synthetischer‘ Aufgabe letztlich durchsetzt (so kritisch B RANDY, 1991, 36f gegenüber Mahlmanns ‚wohlwollender‘ Interpretation).
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stellte Aufgabe einer Neufassung der communicatio idiomatum wird im Zusammenhang des osiandrischen Streits noch nicht bewältigt.174 Osianders Kritiker bringen für die Einheit des Werks Christi nur exegetischphilologische Argumente vor.175 Wo im Einzelfall die von Osiander beanspruchte Idiomenkommunikation als das christologische Kernproblem der Kontroverse identifiziert wird, hält man doch diese Frage in Ermangelung überzeugender Gegenentwürfe bewußt aus der Diskussion heraus.176 Eine zureichende Antwort erfuhr die bereits in der osiandrischen Kontroverse gestellte christologische Frage erst im Zusammenhang der wenige Jahre später (neu) ausbrechenden Abendmahlsstreitigkeiten. Die Nötigung, die in der These der Realpräsenz implizierte Christologie auszuarbeiten, führt dort zu einer begrifflichen Klärung der Personeinheit, die dann auch das christologische Problem der Rechtfertigungsdebatte ex radice klärt. Mittel dieser Klärung wird eine Neufassung der von Osiander dysfunktional eingesetzten communicatio idiomatum. Melanchthons Restriktionen werden verabschiedet: Die Idiomenkommunikation meint nicht länger einen bloßen Sprachvorgang (praedicatio) auf dem logischen Grund der Personeinheit – sie wird als ein Geschehen „reipsa“, als ‚communicatio realis‘ begriffen: als der Vollzug realer Partizipation göttlichen und menschlichen Seins in der Person Christi. Die Personeinheit ‚ist‘ nichts anderes als diese Teilhabe, die sich dann nach ‚außen‘ manifestiert in der Einheit des ‚Werks‘ dieser Person, der unhintergehbaren Kongruenz göttlichen und menschlichen Tuns. Erreicht wird das neue Konzept erstmals 1557 von Johannes Bötker.177 Seine schulmäßige Formulierung erfährt es 1561 mit M. Chemnitz’ ‚Tractatus de communicatione Idiomatum‘, der erstmals das für den Hauptstrom lutherischer Theologie dann auf Dauer maßgebliche Modell dreier ‚Genera‘ der Idiomenkommunikation vorträgt. Über die im ersten Genus verortete tradierte Grundbestimmung der Idiomenkommunikation hinausgehend expliziert Chemnitz’ zweites Genus die finale Hinrichtung der Personeinheit auf die ‚apotelesmatische‘ Kommunikation der Naturen im Vollzug des ‚Amtes‘. Die mit solchem ‚operari secundum utramque naturam‘ gestellte Frage nach dem Grund des Mitwirkenkönnens der Menschheit im göttlichen Werk der Erlösung beantwortet das abschließende dritte Genus (das später sog. genus maiestaticum), indem es die Mitteilung göttlicher Prärogativen an die menschliche Natur entwickelt.178
Fazit: Die in Mentzers zentralem Argument beanspruchte Sicht des Vollzugs des ‚Amtes‘ Christi zu begründen vermag die lutherische Christologie nur, indem sie über den systematischen Rahmen dieses Topos hinausgeht: Ihr Verständnis der apotelesmatischen Kommunikation impliziert die Annahme einer vorlaufenden realen Vermittlung der Naturen als der Prin174
Dies hat betont MAHLMANN herausgearbeitet: 1969, 99.115.121f.124. MAHLMANN, 1969, 100–123; vgl. S TUPPERICH, 1973, 215–221.286–296. 176 MAHLMANN, 1969, 99f (J. Mörlin); vgl. 102–104.118–121. 177 J. B ÖTKER, Brevis Comprehensio fundamentorum orthodoxae doctrinae et fidei de coena dominica; 1557. Dazu vgl. M AHLMANN, 1969, 40–43.82–92. 178 REPETITIO SANAE DOCTRINAE DE VERA PRAESENTIA CORPORIS ET SANGVINIS DOMINI IN COENA. … ADDITVS EST TRACTATVS COMPLECTENS DOctrinam de communicatione Idiomatum eodem autore; Leipzig 1561. – Vgl. dazu eingehender MAHLMANN, 1969, 205–238, bes. 226ff. 175
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zipien jener Tätigkeiten. M.a.W.: der lutherische Begriff der ratio officii setzt eine spezifische Fassung schon der ratio personae voraus, welche die umstrittene apotelesmatische Vermittlung aus der ontologischen Struktur des handelnden Subjekts begründet. Die unio personalis ist nicht die bloße Verbindung beider Naturen in der Einheit eines Suppositums unter Ausschluß einer Realkommunikation – diese Begründung der ‚Einheit‘ des Werks kennt auch die reformierte Dogmatik –, sondern die selbst schon kommunikativ strukturierte Synthese der Naturen mit der Folge der Mitteilung der Wesenseigentümlichkeiten (communicatio idiomatum). 2. ‚In hac persona omnia‘179 – Johannes Winckelmanns Einspruch 2.1 In der Sache ist es dieser ein halbes Jahrhundert zuvor mühsam errungene Erkenntnisgewinn lutherischer Christologie, an den Mentzers Gießener Kollege und Kontrahent J. Winckelmann erinnert, wenn er seine Disputation De Providentia Divina (3. April 1617)180 – im Hauptteil eine eingehende Kritik von Mentzers operativer Fassung des Präsenz-Begriffs in dessen theo-logischer wie christologischer Ausprägung181 – mit einem An179
Vgl. u. Anm. 181. DISPUTATIO THEOLOGICA De PROVIDENTIA DIVINA …, Gießen (3. April) 1617 (VD 17: 23:634249C); hier benutzt nach dem Wiederabdruck in: DGT VII. 1, 1620, 1–22. Belegangaben im folgenden beziehen sich hierauf. 181 Der Horizont der (offensichtlich auch nach dem 3 Monate zuvor unterzeichneten ‚Darmstädter Rezeß‘ – u. B.IV.1) noch aktuellen Gießener Binnenkontroverse klingt deutlich bereits in der ersten These an, wenn Winckelmann sich unter dem Etikett antiepikuräischer Abgrenzungen (2/1) gegen Mentzers Verdächtigung der Gegenposition als Plädoyer für einen müßigen Gott verwahrt: „Non Deus praesens rerum a se conditarum ociosus spectator est, quemadmodum artifex ab opere absoluto manum removet, illudque tantum aspicit“ (1/1). Doch diese von Mentzer mit der ‚Präsenz‘ selbst identifizierte stets aktuose Weltbeziehung entfaltet Winckelmann nun konsequent unter der alternativen Leitkategorie der – ganz unstrittig ‚operativen‘ – göttlichen Providenz; von ihr gilt, was Mentzer unmittelbar von der Präsenz selbst prädiziert – sie ist Gottes freies Tun: „Est autem providentia divina Actio Dei, qua totum hoc universum, omnesque eius partes ab se conditas in suo statu ac ordine libere conservat, gubernat ac moderatur, inprimis autem Ecclesiae suae paterne prospicit, bonos, eorumque pia studia & actiones juvans ac promovens, malas autem hominum actiones cohibens, & ad bonos fines sapienter convertens“ (13/3). Die hier schon angedeutete Pluriformität entwickelt Winckelmann näherhin, strukturanalog zu Mentzers Rezeption der gradus praesentiae, als Differenzierung von providentia Dei generalis (conservatio und gubernatio aller Kreaturen; 30/6f–37/9) und providentia specialis (collectio und gubernatio Ecclesiae; 38/9–42/9). – Das eindeutige Contra gegen Mentzer wird laut, wenn Winckelmann in einem eigenen zweiten Teil der Disputation (63/14–85/18f) dann im Gegenzug eigens geltend macht, daß diese tätige Providenz Gottes in allen ihren Gestalten stets ‚notwendig‘ mit Gottes substantieller Gegenwart als einer zweiten – eigenständigen – Bestimmung ‚verknüpft‘ ist und diese voraussetzt: „Caeterum[!] haec Dei providentia, quam ipsius actionem esse diximus, necessario cum ipsius substantiali praesentia conjuncta est, imo illam praeriquirit, id quod ra180
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hang schließt, der noch einmal konzis genau die spezifische Begründung jenes lutherisch verstandenen operari secundum utramque naturam skizziert (86/19–91/20f), das Mentzer lediglich reklamiert. Das ‚concurrere‘ beider Naturen Christi nicht lediglich zur Einheit eines Suppositums (in unum υφισταμενον , 86/19), sondern aufgrund dieser Personeinheit (in unitate personae) dann auch „in perficiendis αποτελεσμασιν seu operib[us] divinae providentiae“ (86/19) kann gegen den calvinistischen Widerspruch tio ipsa evincit“ (63/14). Nur so ist die Providenz als ein unmittelbares Tun Gottes selbst aussagbar (64/14) und von der Annahme eines abständigen, vermittelten Handelns (operari absens, operatio per medium aliquod, 65/14) definitiv unterschieden. Die Basis solcher Gegenwart aber bildet allein die Unermeßlichkeit des göttlichen Wesens, derzufolge der die Welt ‚frei‘ regierende Gott doch zugleich seiner Schöpfung notwendig (non potest non) gegenwärtig ist: „Fundamentum hujus Dei apud omnes creaturas praesentiae est ipsius immensitas ...“ (66/14). „Ob hanc divinae essentiae immensitatem fit, ut non possit non rebus a se creatis praesens esse, atque adeo coelum & terram adimplere, quibus dat essentiam, easque conservat potenter“ (68/15). Aufgrund dieser Verankerung in der immensitas essentiae darf darum auch die praesentia apud creaturas, obschon erst mit der Schöpfung realisiert, doch als – relatives – ‚Attribut‘ Gottes gelten (attributum ... relativum, sive respectivum, propter respectum ad creaturas; 70/15). Und so sehr und so konstant diese praesentia apud creaturas auch mit dem göttlichen Tun verknüpft ist, geht sie doch keineswegs darin auf, sondern fügt diesem Tun etwas Eigenes hinzu, die ‚Nähe‘ Gottes: „praesentia, ut dicto modo actualiter se habet, actionem quidem includit, sed non solam actionem denotat, verum aliquid superaddit, nimirum ipsam divinam παρουσιαν , vel, ut cum Hebraeis loquamur, ipsius Dei propinquitatem“ (72/16). – Genau Entsprechendes gilt auch im christologischen Zusammenhang, im Blick auf die – von Mentzer strapazierten – Verheißungen der ‚Christi θεανθρωπου personalis praesentia‘ (78/17), bes. Mt 28,20 (80/18): „hoc illustri dicto duo significari, & personae ipsius Christi, Dei & hominis praesentiam, & una ipsius gratiam, auxilium, defensionem ... adeoque operationem salutis ejus ... Nunquam a[utem] haec ab illa, nec illa ab hac separanda est“ (81/ 18). Die ‚Wohltaten‘ Christi gibt es, das pointiert diese Festlegung Winckelmanns, nur in der ‚mir‘ widerfahrenden Gegenwart seiner Person: „in hac praesenti mihi persona habeo omnem in coelo & terra potestatem, eamque non ociosam, sed maxime efficacem & actuosam in docenda, regenda, protegenda Ecclesia ejusque & propria mea salute operando“ (83/18). „Non igitur putandum illo Christi dicto promitti Ecclesiae tantum gratiam & auxilium Christi, sed etiam ipsius personae praesentiam, ne Calvinianis pollicem premamus“ (84/18). Daß diese ontologische Verbindung der speziellen Gegenwart Christi mit dem Allgemeinen der göttlichen Weltpräsenz die Gewißheit ‚meines‘ Heils verunsichere, steht nicht zu befürchten: „Quaeris: An per substantialem Dei & Christi praesentiam intelligam ipsam ejus immensitatem, & quae ex illa fluit omnipraesentiam, qua in omnib[us] ubique est & extra omnia. R[espondeo:] illam non nego, sed hic in promissione teneo ipsum Deum & hominem mihi praesentem personaliter, ac se interiori amplexu Ecclesiae tanquam | sponsae suae & omnib[us] fidelib[us] ineffabili modo accomodantem, ac illos sibi agglutinantem; una autem in hac persona teneo omnia, quae mihi ad salutis consequutionem sunt necessaria; in qua complacuit omnem plenitudinem habitare, in qua sumus consummati, Col.I.v.19 & 2.v.9.10“ (85/18|f). – Vgl. zur Interpretation J. B AUR, 1993h, 249–252, s. auch weiter zur Auseinandersetzung über die ‚unio mystica‘, u. B.IV.2(.3), IV.3; C.II.3.2.2(.5.2).
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nicht anders verteidigt werden als mit der Berufung auf die schon an sich selbst als Kommunikationsvollzug konzipierte Personeinheit: „Fundamentum nostrae assertionis ... est unio personalis, qua ipse Filius Dei, qui est virtus Patris, 1.Kor. 1.v.24 suam hypostasin communicavit assumptae naturae, ut haec in illa habeat suam υπαρξιν , atque in persona etiam suam potentiam“ (87/19). Die essentiellen Identitäten der Naturen bleiben in dieser Kommunikation unverletzt, werden aber verstanden als terminus a quo solcher Teilgabe. Die christologische Einung ist die Bewegung Gottes zur angenommenen Menschheit, wodurch essentielle Bezüge nicht gelöst werden, aber das bleibend Eigene doch zugleich dem anderen mitgeteilt wird und als so Gemeinsames ein Wirken begründet: „quae divina natura per se & naturali sua virtute & potentia peragit, illa humana naturae non naturali sua virtute ag[i]t, sed ex potentia filii Dei propria, ipsi autem per gratiam unionis personalis communicata“ (86/19). 2.2 Mit all dem formuliert Winckelmann Einsichten, die ehedem auch von Mentzer mitgetragen wurden. Dessen seit 1615 literarisch dokumentierte Versuche, theo-logisch die praesentia apud creaturas definitorisch operativ zu fassen und in einem strikten Sinn als actus liberae voluntatis zu verstehen, christologisch darum die Mit-Gegenwart der Menschheit nicht mehr von der unio personalis, sondern alternativ dazu vom Amt Christi her zu begründen, ‚prinzipialisieren‘ Bestimmungen älterer Texte, die für die nunmehr explizit negierte Sicht jedenfalls ‚offen‘ waren. Die damit berührte Frage der Entwicklung von Mentzers Christologie muß im Zusammenhang dieser Untersuchung nicht detaillierter behandelt werden. Doch seien thetisch einige Grundlinien skizziert und zentrale Belege notiert. (1.) Die wesentlichen Elemente des neuen Entwurfs als solche trägt Mentzer spätestens seit dem Anti-Martinius von 1604 vor. 182 Zu diesen ‚Bausteinen‘ zählt die Unter182
Instruktiv ist hier ein Passus der christologischen Disputation von 1606 (vgl. o. Anm. 158; neu abgedruckt: DGT I. 3, 145/109–165/113), der die ‚doctrina de omnipraesentia Christi θεανθρωπου‘ im Anschluß an die Darlegungen zum regnum Christi entfaltet und dabei alle ‚Elemente‘ der 1616 strittig werdenden Position zusammenstellt: (1.) „Praesentia non est ipsa essentia simpliciter. ... Sed tamen a praesentia non excluditur essentia, verum ad eam requiritur“ (146/109). – (2.) „Alia est praesentia assumptae humanitatis ad τον λογον , & του λογου ad carnem mutua, αδιαιρετος και αδιαστατος ... (Damascenus vocat περιχωρησιν nempe personalem), quae est ipsa unio hypostatica [vgl. DGT I. 2, 43/36, 49/36f]. | Alia est praesentia Christi θεανθρωπου ad creaturas“ (147/ 109|f). – (3.) „Diligenter & accurate discernendi sunt modi praesentiae apud creaturas: qui sunt I. universalis. II. Gratiosus. III. Gloriosus“ (148/110). „Qui [modi] omnes & singuli sunt non ex commentis philosophantium, sed ex divinis scripturis definiendi“ (149/110). – (4.) „... docendi causa, & ad evitandam ambiguitatem, distinguimus praesentiam nudam, quae est sine actione vel operatione, ut cum duo asseres connectuntur, a praesentia activa sive efficaci, vel quocunque commodiore vocabulo quis appellaverit“ (153/111). „In disputatione igitur de praesentia Dei non intelligitur praesentia nuda & otiosa, quia Deus est actus simplicissimus & purissimus, nunquam & nusquam otiosus.
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scheidung der perichoretischen Vermittlung göttlicher und menschlicher Natur in der Person Christi183 von der Gegenwart Gottes in der Welt (praesentia apud creaturas) im Sinne einer systematischen Entkoppelung beider Topoi.184 Gottes ubiquitäre Weltgegen-
Unde pagina sacra in ejus descriptione utitur verbis activis, hoc est actionem denotantibus. Et Theologi ad unum omnes in enumeratione modorum praesentiae Dei nullum ponunt vel definiunt absque efficaci operatione. Idem de praesentia Christi est judicium“ (154/111). – (5.) „Quare ex Scripturae fundamentis praesentiam Christi θεανθρωπου sic describimus, quod sit praesentissima Christi gubernatio“ (155/111). – Diese Grundbestimmung wird dann parallel zur Unterscheidung der 3 regna (des officium regium) spezifiziert und diesen parallelisiert: „Eaque [praesentia] vel est universalis, quae est rerum omnium in coelo & in terra gubernatio. Quam vocare licet omnipraesentiam, quasi dicas, apud omnes res praesentem gubernationem. Quo pertinent dicta de regno potentiae ...“ (156/111); sie ist die praesentia gratiae, sive gratiosa in der ecclesia militans, „qua Christus gratiam suam exerit in hominibus“ (158/112); und schließlich die praesentia gloriae sive gloriosa in der Ecclesia triumphans, „qua gloriam suam in coelesti vita manifestat“ (162/112). Dabei setzt jeder Modus praesentiae die ihm je vorangehenden Modi voraus und schließt sie ein: „Qui modi praesentiae ita sunt comparati, ut secundus primum, & tertius secundum & primum includat“ (163/113). – (6.) Als zum officium gehörig, kommt die so operativ bestimmte Gegenwart in allen ihren Modi Christus nach beiden Naturen zu: „Et officium hoc Christo Regi tribuimus secundum utramque naturam cum communicatione alterius ... Nomina officii competunt Christo secundum utramque naturam“ (165/ 113). 183 „... singularis plane & admirabilis praesentiae modus, quae intercedit inter Filium Dei & assumptam naturam humanam“; die περιχωρησις υποστατικη, „propter personae identitatem ο λογος est in carne, & caro in λογω, non extra. Quod argumentum αδιαλυτον est, & totum Nestorianismum evertit“ ([1614d] DGT V. 15, 23/511f). 184 „Vnionem inter | λογον & assumptam humanitatem αδιαστατον , plurimum differe a praesentia Christi apud creaturas“ ([1614d] DGT V. 15, 65/525|f). – Diese Unterscheidung ist von besonderer Bedeutung gerade im Blick auf zentrale Themen des späteren kenotischen Streits. Denn die systematische Verknüpfung beider ‚Gegenwarten‘ begegnet Mentzer als Argument der reformierten Polemik, welche die Ubiquitätsthese und deren Begründung in der unio dadurch aus den Angeln zu heben sucht, daß sie als zwingende Konsequenz der lutherischerseits behaupteten Präsenz der Menschheit Christi ‚für den Logos‘ eine – auch für Mentzer – unmögliche Weltgegenwart dieser Menschheit auch im Stand der Entäußerung folgert: „Si Caro Christi in statu Exinanitionis, ubique & indistanter praesens fuit τω λογω, sequitur inde, eam etiam fuisse praesentem omnibus creaturis“ (als Referat Mentzers; Anti-Martinius, 1604; Opera II, 263b). Es ist die Wendung gegen diesen – vorgeblichen – Fehlschluß ‚ex confusione duplicis praesentiae‘ (ibd.), die Mentzer auf der genauen Unterscheidung beider ‚Gegenwarten‘ bestehen läßt: „Caro est unita τω λογω quatenus λογος est, id est, respectu ipsius λογου (absque ulla creaturarum consideratione:) non autem quatenus λογος, vel in creaturis esse & agere, vel extra creaturas esse cogitatur. Hoc est: respectus ille λογου, [|264a] ad creaturas, non pertinet ad rationem & modum Unionis, quae tota consistit tantum, inter λογον & carnem assumptam ... [|264b] ο λογος semper & ubique sibi ipsi, per Unionem hyposta[|265a]ticam habet praesentissimam suam Carnem, non autem semper eam praesentem constituit creaturis, ut in statu Exinanitionis“ (l.c., 263b–265a). – Zur Begründung, Semantik und Funktion – sowie auch Problematik – dieser auf Ägidius Hunn zurückgehenden Unterschei-
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wart hat zwar ihren (einen?) Grund in der Unermeßlichkeit seines Wesens,185 kann aber keineswegs mit dieser identifiziert werden.186 Sie bildet kein Wesensattribut im Sinne einer unveränderlichen Kennzeichnung der essentia divina, 187 vielmehr schließt sie, wird sie nur nicht ‚philosophisch‘, sondern schriftgemäß entwickelt,188 als Setzung des göttlichen Willens konstitutiv ein Moment von Tätigkeit ein.189 (2.) Ihre systematisch-differenzierte Entfaltung findet die so bestimmte Gegenwart Gottes in der Unterscheidung verschiedener ‚Grade‘ oder ‚Arten‘, die je durch eine spezifische Tätigkeit konstituiert und gegeneinander abgegrenzt sind.190 Allein dieser Be-
dung von praesentia intima und extima vgl. genauer u. C.IV.3. Zur Bedeutung für die Debatte mit den Tübingern vgl. u. C.II.2.4. 185 [1614b] DGT V. 7, 40/175f. – „Ex quo ... immensitatis attributo praesentia divina pendero [lege: pendere] non incommode dextro sensu dicitur“ ([1614d] DGT V. 15, 18/ 150); „quam [absolutam immensitatem divinae naturae] ... non incommode dextro sensu dici divinae praesentiae fundamentum“ ([1614d] DGT V. 15, 60/523); „etsi n[imirum] ex immensitate divinae naturae pendet illa facultas, qua potest Christus praesens adesse |rebus omnibus, tamen praesentia ipsa non est absoluta immensitas ...“ ([1614d] DGT V. 15, 55/521|f). 186 „praesentiae vocabulum ex usu loquendi in Ecclesia recepto, non esse absolutum, sed relatum. Quod illi observare debebant, qui praesentiam Dei scribunt simpliciter notare ipsam Dei essentiam sive immensitatem: qui error corrigendus est“ ([1614b] DGT V. 7, 49/179); vgl. entsprechend [1614d] DGT V. 15, 17/510. 187 [1614d] DGT V. 15, 18/510. 188 „Praesentiam Christi apud creaturas non esse extra & praeter scripturas definiendam“ ([1614d] DGT V. 15, 65/526). 189 „Non ... Dei apud creaturas praesentia, ut in sacris literis describitur, est simpliciter essentiale Dei attributum: sed liberrimus divinae voluntatis actus, qui, ut libere creaturas condidit, quando, ubi, & quales voluit, ita eisdem praesens, eas conservat, & gubernat liberrime“ ([1614d] DGT V. 15, 19/510). 190 „Cumque in Schola Theologica vulgo quatuor modi praesentiae Dei proponantur, nullus inter eos extat, quo nuda atque otiosa praesentia Dei notetur, sed singuli certa operatione sive actione Dei definiuntur: quod id ipsum, si recte observetur, magnum usum habet“ ([1614b] DGT V. 7, 50/180). – „Deinde praesentia Dei in scripturis dicitur respectu creaturarum, quae sic definitur, ut habeat distinctos gradus, quorum tres constituuntur“ ([1614d] DGT V. 15, 24/512), nämlich 1. die praesentia universalis (potentiae), „qua Deus rebus omnibus in coelo & in terra praesens, eas gubernat. ... Haec proprie & in stricta significatione vocatur omnipraesentia, quasi dicas, apud omnes res praesentia“ ([1614d] DGT V. 15, 25/512); 2. die praesentia gratiosa (gratiae), „qua Deus gratiam suam exercet in hominibus per Evangelium vocandis, regenerandis, vivificandis, consolandis & defenden|dis“ ([1614d] DGT V. 15, 26/512|f); 3. die praesentia gloriosa (gloriae), „qua Deus gloriam suam in coelesti vita manifestat electis ... eosque glorificat & aeterno gaudio beat“ ([1614d] DGT V. 15, 27/513). Dieser theo-logischen Liste schließt sich die genau analoge Durchführung hinsichtlich der Präsenz Christi an, gilt doch: „Quando ... quaeritur de Christi apud creaturas praesentia, intelligitur haec ipsa divina apud creaturas praesentia, & operatio, de qua iam dictum fuit“ ([1614d] DGT V. 15, 29/514). Christi regnum potentiae „est generale Christi praesentis Dominium super omnia, nempe gubernatio coeli & ter|rae, non per vicarios, sed per ipsum ...“ ([1614d] DGT V. 15, 31/ 514|f); sein regnum gratiae „est specialis Christi praesentis operatio, nempe misericor-
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griff der göttlichen Gegenwart besitzt Gültigkeit auch im christologischen Zusammenhang;191 entsprechend wird die so konzipierte tätige ‚Gegenwart‘ Christi als Element seines ‚Amtes‘ (officium) entwickelt.192 Mentzer kann die 3 gradus praesentiae geradezu als Inhalt der 3 regna (potentiae, gratiae, gloriae) des officium regium bestimmen. 193 (3.) Eben diese so erläuterte Gegenwart ist nicht nur der Gottheit Christi zu eigen, der sie kraft des unermeßlichen Wesens zukommt;194 vielmehr partizipiert ‚in der Einheit der Person‘195, kraft der hypostatischen Union196 und (resp. oder) der Einheit des Amtes, das
diae & bonitatis in Ecclesia“ ([1614d] DGT V. 15, 32/515); entsprechend schließlich das regnum gloriae (([1614d] DGT V. 15, 33/515). 191 „Praesentia gratiosa uno eodemque modo in Scripturis definitur, sive de Deo praedicetur, sive de Christo“ ([1614b] DGT V. 7, 14/167). 192 Vgl. schon Anti-Martinius (1604): „praesentem & efficacem esse in Ecclesia, pertinet ad Officium Mediatoris“ (Opera II, 18b), dort allerdings mit ausdrücklichem Verweis auf die ‚ontologische‘ Voraussetzung der Mitwirkung der Menschheit in der dieser widerfahrenen communicatio Majestatis: „Quod officium, ut Natura humana obire posset, ornata est divinis ενεργειαις, ... quae est Communicatio tertii Generis, nempe Maiestatis“ (ibd.). Schon hier kann die schriftgemäß verstandene ‚Gegenwart‘ Christi als dessen ‚gegenwärtige Tat‘ definiert werden: „Praesentia JESU Christi θεανθρωπου, in Ecclesia est, definiente Scriptura, efficax Christi praesentis operatio, qua per verbum Evangelii, & Sacramentorum dispensationem, homines vocat, convertit, regenerat, vivificat, sanctificat, confirmat, erigit, consolatur, justificat, & glorificat, &c. Quae praesentiae convenit Christo θεανθρωπου, non soli Deitati, sed etiam ejus Naturae humanae ... Nomina officii, competunt Christo secundum utramque Naturam ...“ (Opera II, 320a). 193 (Als Bilanz der parallelen theo-logischen – 3 modi praesentiae Dei – und christologischen – 3 regna Christi – Aufstellungen [o. Anm. 183. 191]:) „Nemo tam bardus est & bliteus, qui non intelligat, eandem esse regni potentiae, | & praesentiae universalis: regni gratiae, & praesentiae gratiosae: regni gloriae, & praesentiae gloriosae rationem“ ([1614d] DGT V. 15, 34/515|f). So ergibt sich dann als zusammenfassende ‚descriptio‘: „Praesentia Christi apud creaturas ea dicitur, qua ipse Christus Rex & Dominus omnium, praesentissimus, omnia implet & gubernat, Ecclesiam gratia sua fovet, & electos in coelo ineffabili gloria exornat“ ([1614d] DGT V. 15, 36/516). 194 „cum sit [deitas] immensa atque infinita, ... a qua quaecunque sunt, dependent & conservantur: quod ipsum itidem de persona divina του λογου affirmandum est, quae a deitate sua realiter non differt“ ([1614d] DGT V. 15, 42/517); „Nam filius Dei, sive Deitas est omnipraesens, non per & propter unionem hypostaticam: Siquidem & ante unionem omnipraesens fuit: sed ex alia causa, nempe tum per immensitatem naturae divinae, ... tum ex liberrima voluntate, qua operatur & agit, ubi, quando & quomodo vult“ (l.c., 76/530). 195 „... promissionem de praesentia immediate referri ad ipsam personam. Quare persona ut in Christo unica est, & divinae & humanae naturae communis, ita praesentia ejus una est, ita & definitio ejusdem praesentiae una“ ([1614b] DGT V. 7, 59/182); vgl. [1614d] DGT V. 15, 66/526. 196 „Praesentiam apud creaturas assignari Christo primo propter deitatem, (quae infinita & immensa est in seipsa) & eandem per unionem hypostaticam etiam de Christo homine sive ratione humanitatis praedicari“ ([1614d] DGT V. 15, 65/526; vgl. 66/526, 68/ 526f–70/527f); „ Christus in utraque natura tanquam rex vere creaturis est praesens & inprimis Ecclesiae: Nempe, ut Deus quidem, propter naturae divinae immensitatem, ut homo vero per & propter unionem hypostaticam“ (ibd., 76/529f).
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Christus nach beiden Naturen ausübt, 197 an eben dieser Gegenwart198 auch die dem eigenen Wesen nach bleibend endliche menschliche Natur. 199 (4.) Das ‚operative‘ Verständnis der göttlichen ‚Gegenwart‘ findet sich mithin auch in diesen älteren Texten, hier aber noch verknüpft mit den parallel festgehaltenen ‚ontologischen‘ Bestimmungen.200 Die Begründung der Allgegenwart Gottes in der Unermeßlichkeit des göttlichen Wesens wird ausdrücklich auch christologisch, für die deitas Christi, reklamiert.201 Diese der Gottheit wesentlich eigene Omnipräsenz kommt der Menschheit kraft der Vereinigung mit dem Logos (per & propter unionem hypostaticam) zu.202 Die praesentia Dei apud creaturas erscheint hier als faktischer Verbund zweier Ele-
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[1614a] DGT V. 6, 33/157 (concilii Chalcedonensis regula, ex certis Scripturarum fundamentis extructa); [1614b] DGT V. 7, 62/183f; [1614d] DGT V. 15, 51/520f. 54/ 521–61/524, mit der Bilanz: „Concludimus ... totam sententiam nostram hoc syllogismo: Quicquid est officium Christi, illud est ejusmodi, ut in eo neque Deitas sola, neque sola humanitas, sed utraque operetur cum alterius communicatione. Atqui praesentem esse creaturis, ut regem a Deo constitutum, & inprimis Ecclesiae ... Quare praesentem adesse creaturis, ut regem a Deo constitutum ... est ejusmodi, ut in eo neque Deitas sola, neque sola humanitas sed utraque operetur cum alterius communicatione, οπερ εδει δειξαι“ ([1614d] DGT V. 15, 61/524). 198 „una eademque [praesentia], non alia του λογου, alia humanitatis“ ([1614d] DGT V. 15, 66/526); vgl. [1614b] DGT V. 7, 57/182. 199 „Adesse autem Ecclesiae, eamque gubernare, pertinet ad officium Christi ... | Unde infallibiliter infertur, Christum adesse Ecclesiae, juxta utramque naturam ... | Neque tamen naturae humanae proprietas naturalis est, adesse & praeesse Ecclesiae, sed attributum hoc de illa praedicatur per & propter unionem personalem“ ([1614a] DGT V. 6, 33| 34|35|36/157; vgl. auch 37/158 (non essentialiter sive naturaliter, sed υποστατικως), 38/ 158 (υ ποστατικως). – „Quicquid est omnipraesens per naturalem essentiae propriae immensitatem sive infinitatem, de eo dici non potest, quod | sit omnipraesens ex beneficio hypostaticae. Et vicissim ... Opponuntur enim hic naturale & επικτητον acquisititium ...“ ([1614d] DGT V. 15, 68/526|f). – Der Menschheit Christi kommt diese Omnipräsenz zu als ‚divinum donum sive effectum unionis hypostaticae‘, nicht als ‚attributum naturale‘ ([1614d] DGT V.15, 69/527); gegen das von der gegnerischen Polemik angedichtete ‚somnium de immensitate & infinitate corporis‘ ([1614d] DGT V.15, 67/526). – „Ac proinde nullo modo dependet illa [praesentia divina] vel oritur ex natura humana, vel ex quantitate sive modo corporis, vel ex partium humani corporis expansione vel multiplicatione, & ut uno verbo semel omnia dicam, non aliunde est, quam ex ipsa divina natura (quae | immensa & infinita est) & ex libera voluntate Jesu Christi θεανθρωπου“ ([1614d] DGT V. 15, 38/516|f). – „Unde recte affirmamus: Humanam Christi naturam non in semetipsa, vel per semetipsam, sed in persona του λογου praesentem adesse creaturis ...“ ([1614d] DGT V. 15, 66/526). 200 Vgl. auch die Erläuterung des Ausdrucks ‚implere omnia‘ in dessen christologischer Verwendung (Eph 1,23; 4,10) im Anti-Martiniius (1604): „implendi vox Emphatica est, notatque tum praesentiam, tum operationem ... | ... Quare implere omnia est praesenter gubernare & regere omnia“ (Opera II, 324a|b). 201 Vgl. o. Anm. 194.196. 202 Vgl. o. Anm. 196.199. – Jedoch entwickelt Mentzer diesen Konnex von unio personalis und omnipraesentia carnis auch hier nur nach der apologetisch-negativen Seite hin, als die Alternative zu einer Begründung in der Wesensverfassung der Menschheit: „Unde recte affirmamus: Humanam Christi naturam non in semetipsa, vel per semet-
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mente, von ‚Gegenwart‘ im strikten Sinn und der damit unauflösbar (aber nicht definitional) verknüpften ‚Tätigkeit‘, welch letztere durch ihren Hinzutritt zwar den jeweiligen modus praesentiae, nicht aber diese selbst konstituiert. Dieser Dualität entspricht die differenzierende Begründung: die Gegenwart hat ihr Fundament in der immensitas des göttlichen Wesens, Prinzip der Tätigkeit ist die voluntas Gottes.203
2.3 Das Spezifikum der seit 1615 vorgetragenen ‚neuen‘ Position Mentzers besteht demnach darin, daß die bisherige ‚Tendenz‘ nun ‚prinzipialisiert‘ gedacht und entwickelt wird. Das bis dato noch formal Unterschiedene wird von Mentzer jetzt – jedenfalls im christologischen Zusammenhang – einlinig identifiziert; die Gegenwart Christi ist nicht länger nur der, wenngleich unauflösbare, Verbund aus Dasein und Tätigkeit, sondern sie ist dieses jeweilige Tun selbst. Daß, wie konstant reklamiert, dieses Tun gleichwohl Tat des ‚gegenwärtigen‘ Christus sei – operatio Christi praesentis –, kann Mentzer dann zwar für die Gottheit Christi noch begründet darlegen, allerdings nur inkonsistent, indem er hierfür wieder auf die Unermeßlichkeit des göttlichen Wesens verweist. Daß Entsprechendes auch für die – qua officium an dieser göttlichen ‚Gegenwart‘ partizipierende – Menschheit Christi gilt, läßt sich infolge der Isolierung dieser ratio officii hingegen nicht mehr argumentativ einholen, genauer: es kann nicht mehr mittels ‚ontologischer‘, auf das Wesen und die Struktur der Personeinheit rekurrierender Argumente demonstriert werden. 3. ‚Quicquid vult, potest‘ – Mentzers voluntaristischer Rück-Schritt Gänzlich ‚funktionslos‘ wird die unio personalis auch in Mentzers ‚prinzipialisierter‘ Konzeption indes nicht. Hinter Mentzers Verzicht auf das ontologische Argument ex unione personali, das Winckelmann und Gisenius einfordern,204 steht näher besehen ein alternatives Konzept der Personeinheit, das diese als voluntaristisch regulierte Handlungseinheit interpretiert. An die verwaiste Stelle des Arguments aus der Struktur der Person Christi rückt dabei eine voluntaristische Begründung – die Berufung auf die göttliche Allmacht, die den Inhalt der Präsenzthese als supranaturale Setzung des omnipotenten Subjekts bestimmt. 3.1 Inhalt und Intention dieser alternativen fundamentalchristologischen Orientierung lassen sich schon jener älteren Disputation Mentzers über Mt 28,20205 – einen der Schlüsseltexte für die Debatte über die praesentia gra-
ipsam, sed in persona του λογου praesentem adesse creaturis“ ([1614d] DGT V. 15, 66/ 526). Eine Ausweitung des Arguments zu einer Begründung aus der ontologischen Struktur der Personeinheit selbst dagegen fehlt. 203 Vgl. o. Anm. 194. 204 Vgl. o. B.II.1.3, bes bei u. mit Anm. 93. 205 [1614b] DGT V. 7, p. 163–188.
III. Triumphus Veritatis? – Sichtung der These Mentzers
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tiosa Christi206 – entnehmen, die die methodologische Differenz der luth.ref. Kontroverse über die Gegenwart Christi eigens thematisiert. Der Glaube verlangt nicht, daß die ihm in der Schrift zugesagte Gegenwart des ‚ganzen‘ Christus durch Argumente demonstriert wird, 207 dies widerspräche seinem Wesen als vorbehaltloses Vertrauen auf das biblische Wort.208 Er ist seines Gegenstandes gewiß allein aufgrund der Verheißung (promissio) selbst, in welcher Christus seinen Willen bezeugt, seiner Kirche nach beiden Naturen gegenwärtig zu sein. Doch eben über den Inhalt dieser Verheißung besteht eine Kontroverse;209 die literale Deutung, für welche die Lutheraner stehen, verwirft die reformierte Gegenpartei als Verletzung der Integrität eines wahren Körpers. Diese hermeneutische Differenz macht es nötig, von der Verheißung selbst zurückzufragen nach deren Sprecher – zu klären und zu begründen sind die Voraussetzungen eines wörtlichen Verständnisses der Verheißung. Es ist darzulegen, daß die Verheißung wahrhaftiger Ausdruck des Willens Christi ist und daß Christus diesen klar bezeugten Inhalt seines Willens auch ins Werk zu setzen vermag. Aber diese zur Erhellung der Wahrheit des Verheißung nötige Reflexion auf das christologische Subjekt tritt nicht als ein nun eigenständiges ontologisches Argument neben die oder gar an die Stelle der Ausrichtung auf das Selbstwort Christi; sie vertieft und prolongiert diese Verheißung nur auf deren Geltungsgrund hin, indem sie an die Wahrhaftigkeit und Allmacht des göttlichen Sprechers der Zusage erinnert: „sufficit, & omnino sufficere debet, veracitas & potentia promittentis“!210 Christi Wahrhaftigkeit verbürgt, daß die Verheißung seinen Willen verläßlich kundtut; seine Allmacht begründet, daß er diesen klar bezeugten Inhalt seines Willens auch ins Werk setzen kann: „Quicquid enim promittit, hoc vult: quicquid vult, hoc potest“.211
Mit dieser Katene von Verheißung, Wahrhaftigkeit und Allmacht Christi sieht Mentzer den entscheidenden ‚Syllogismus Christianus‘212 formuliert, der auf einen Schlag (uno ictu) alle Einwände erledigt, die mit der stetigen Monolokalität als Bedingung wahrer Körperlichkeit argumentieren:213 Solche Rekurse auf die vermeintliche ‚αδυναμια humanitatis‘214 verabsolutieren menschlicher Vernunft215 und Philosophie entsprungene ‚Vorurteile‘
206
Vgl. o. B.II.2.3.1. „Ad quam [Thesin – sc. der Präsenz Christi bei seiner Kirche nach beiden Naturen] confirmandam multis argumentis opus nobis non est“ ([1614b] DGT V. 7, 17/168). 208 „verbo Dei simpliciter fidem adhibere“ ([1614b] DGT V. 7, 15/167f, hier: 168). 209 „Quaeritur quid in divinis promissionibus sibi velit Christus“ ([1614b] DGT V. 7, 34/173). 210 [1614b] DGT V. 7, 17/168; mit Verweis auf Ps 33,4f; Ps 115,3. 211 [1614b] DGT V. 7, 17/168. 212 Vgl. [1614b] DGT V. 7, 20/169: „Quicquid Christus promittit, hoc etiam potest“. 213 „nulla vi fieri posse, ut verum humanum corpus (ipsius etiam filii Dei) suis praeditum dimensionibus ... simul & semel in duobus vel pluribus locis existat“ ([1614b] DGT V. 7, 18/168). 214 [1614b] DGT V. 7, 35/173f, hier: 173. 215 „... rationem humanam audire, quam verbo Dei simpliciter fidem adhibere malunt“ ([1614b] DGT V. 7, 15/167f, hier: 168). 207
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(praeconceptae opiniones)216, gegen die der Glaube als ein ihm legitim und notwendig eignendes Vor-Urteil diese ‚praeconcepta ex Verbo Dei hypothesis‘ stellt: „Christus quicquid vult potest“.217 Mit dieser Vertiefung der Verheißung (promissio) dadurch, daß deren Geltungsgrund in der Qualifikation des Sprechers (promittens) explizit gemacht wird, aber endet die Rückfrage und muß sie enden: Jede weitergehende Frage nach der ‚Bedingung der Möglichkeit‘ (facultas praestandi; possibilitas rei) des geglaubten Inhalts der klaren Willensbezeugung Christi erübrigt (sufficit) und verbietet (sufficere debet) sich – sie steht unter dem Verdikt, die konstitutive Relation von fides und promissio rationalistisch aufzulösen.218 3.2 Wieder ist festzustellen: Bezogen auf die Problemgeschichte lutherischer Christologie vollzieht Mentzer einen auffälligen Rück-Schritt. Die Begründung der promissorisch zugesagten Gegenwart Christi rein im Rekurs auf dessen Willen und Allmacht kommt de facto überein mit der Verteidigung der Realpräsenz, wie sie, in Systematisierung des von Melanchthon gewiesenen Weges und unter Beiseitesetzung der christologischen Argumente in Luthers Abendmahlsschriften, auf lutherischer Seite eingangs des 2. Abendmahlsstreites begegnet: „Die Einsetzungsworte Jesu sind aus der hermeneutischen Einheit von ‚veritas‘ und ‚voluntas‘ ihres Subjektes zu verstehen, aus dem Willen aber ist auf das als Voraussetzung in ihm liegende Vermögen Jesu zu schließen“.219 Allein – eben in dieser Debatte erkennt und akzeptiert die lutherische Partei, daß ihre abendmahlstheologische These verlangt, über diesen Rahmen hinauszugehen. Die Berufung auf die göttliche Allmacht Christi schließt seine Menschheit ein, mit dieser Teilhabe der Menschheit am Sein Gottes aber ist eine i.e.S. christologische Behauptung formuliert, die einer eigenständigen Ausarbeitung bedürftig und fähig ist. M.a.W.: Gerade die Ausrichtung auf die biblische Verheißung führt unabweisbar auf die Aufgabe einer Klärung des Möglichkeitsgrundes (facultas praestandi, possibilitas rei) dessen, was die Verheißung für die Menschheit Christi behauptet – die Antwort auf diese Frage formuliert das Konzept einer ‚realen‘ Idiomenkommunikation, welches das dem natürlichen Wesen der Menschheit allerdings Widersprechende aus deren kommunikativer Teilhabe am Sein Gottes kraft der Personeinheit von Gott und Mensch erklärt.220 – Mentzers programmatische 216 „praeconceptae opiniones de quantitate, dimensione, finitudine corporis, de loco, tempore, simmetria partium, alia Philosophica principia“ ([1614b] DGT V. 7, 34/173). 217 [1614b] DGT V. 7, 34/173. – Vgl. schon Anti-Martinus (1604): „tota nobis disputatio est de voluntate, quae aliter, quam ex verbo, disci non potest“ (Opera II, 83b). 218 Vgl. o. bei Anm. 211. – „… inculcandum est, disputandi methodum hominibus eruditis plane indignissimam esse, ubi de voluntate Christi, quaeritur, de facultate praestandi, vel possibilitate rei disserere velle“ ([1614b] DGT V. 7, 29/171). 219 MAHLMANN, 1969, 29f; vgl. insgesamt den Passus 19–40, bes. 24ff. 220 So, wie notiert, erstmals Johannes Bötker 1557; o. bei u. mit Anm. 177.
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Ausklammerung der unio personalis zugunsten einer voluntaristischen Begründung der Präsenz Christi führt methodisch insoweit auf eine vor mehr als 50 Jahren verlassene Ausgangslage zurück. Der Rekurs auf die ratio officii korrigiert diese voluntative Ausrichtung nicht, er systematisiert sie, weil er isoliert bleibt, als Alternative zum Argumentum ex unione konzipiert ist – die Ausübung des Amtes secundum utramque naturam begründet Mentzer dezidiert nicht in der Ontologie der Person Christi, sondern alternativ dazu rein voluntativ.221
IV. „Sowohl die substantial Gegenwart als auch die Operation“ – Die modifizierte Fassung der Gießener Präsenz-Lehre IV. Die modizierte Fassung der Gießener Präsenz-Lehre
1. Erzwungene Korrektur – Der Darmstädter Rezeß 1617 Mentzers in den Texten des Jahres 1616 so folgenreich vorgetragene Neudefinition der göttlichen Gegenwart erfährt noch vor dem Beginn der Kontroverse mit den Tübingern eine Korrektur. Bald nach Mentzers Rückkehr von der sächsischen Reise222 nimmt sich der landgräfliche Hof in Darmstadt des aus dem Ruder laufenden Streits unter den Gießener Professoren an. Der durch obrigkeitlichen Druck zu Wege gebrachte Ausgleichsversuch des „Darmstädter Rezesses“ (20. Januar 1617)223 nötigt Mentzer zu wesentlichen Modifikationen seiner umstrittenen These. 1.1 Nach mehrtägiger Debatte verständigen sich „beide Theyl“ der nach Darmstadt zitierten Professoren am 20. Januar 1617 „einhelliglich“ auf 6 Punkte, welche die strittige Sachfrage zwar nicht vollständig zu klären vermögen, jedoch die bis dato öffentlich ausgetragene, die Fakultät paralysierende Kontroverse in die Bahnen einer akademischen 221
Darüberhinaus impliziert der voluntaristische Ansatz eine strikte Hierarchisierung des Verhältnisses der Naturen Christi. Da die Gottheit Christi kraft der Unendlichkeit des göttlichen Wesen allgegenwärtig ist, bezieht sich die qua Willensakt gesetzte Präsenz nur auf die Menschheit Christi; die natura humana wird insoweit zum disponiblen ‚Objekt‘ und ‚Instrument‘ des Logos. Hat die Warnung des ‚Darmstädter Rezesses‘ vor einer Reduktion der unio personalis auf ein Handeln des Logos an der Menschheit (u. bei u. mit Anm. 226) diese ‚Tendenz‘ des Mentzer’schen Programms im Blick? 222 Vgl. o. bei u. mit Anm. 20. 223 Vgl. HEPPE, 1876, II, 196–199. Von Seiten der Gießener Fakultät unterzeichnen den Rezeß (in Auszügen bei MENTZER, Defensio 1624, I, 3f.53 [= Acta Mentzeriana, 1625, 21f. 216f; hiernach alle Belege; Mentzers Dokumentation wurde jeweils gegengelesen]; vgl. Acta Mentzeriana 87f. 218f) Winckelmann, Mentzer, Gisenius und (der Extraordinarius) Feurborn (MENTZER, Defensio 1624, I, 53); der 3. Ordinarius Chr. Helwig war zum genannten Zeitpunkt aufgrund auswärtiger Verpflichtung für längere Zeit von Gießen abwesend. – Die Verhandlungen fanden durchgehend in Gegenwart des Landgrafen (Ludwig V.) statt, der auch das Dokument mit der ‚Autorität‘ eigener Unterschrift und Siegelung versieht (vgl. Acta Mentzeriana 216[f]). Vgl. die folgende Anm.
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Schuldiskussion zurückdämmen sollen.224 Im Blick auf den Kern des Streits, das Verständnis der ‚praesentia Dei & Christi Θεανθρωου apud creaturas‘, wird festgelegt, daß diese „in sich begreiffe/ so wol die substantial vnd wesentliche Gegenwarth GOttes vnd des HErn Christi selbst/ also auch die operation“ (1.). Gegen die daraus gefolgerte Regel, „solche beyde Stuck in der praesentia“ nicht voneinander zu trennen (2.),225 verstößt sowohl die Annahme eines bloßen Daseins (Gottes, Christi) „mu(e)ssig ... ohne Wu(e)rckung“ (3.) als auch die konträre These einer bloß abständigen „Wu(e)rckung ... ohne alle substantial oder wesentliche Gegenwa(e)rtikgkeit“ (4.). Wird weiter anerkannt, daß die unio personalis nicht ein Tun (actio) des Logos an seiner Menschheit, sondern dessen Eingang in menschlich-kreatürliches Dasein selbst, „die allerinnerste Einwohnung deß Worts in seinem eigenem Fleisch [Kol 2,9]“, meint (5.),226 dann ist die „Hauptsach in re ipsa vnnd der That“ geklärt. Der unmittelbare Anlaß des Streits, die „quaestion de accurata descriptione omnipraesentiae, ejusque ... quidditate“, kann, weil „mehr Scholastisch als Theologisch“,227 der weiteren akademischen Diskussion überantwortet werden (6.), bei der freilich moderate Umgangsformen zu wahren seien.228
1.2 Am zentralen Punkt bleibt der Ausgleichsversuch vage: Die schwebende Verknüpfung ‚beider Stücke‘ der Gegenwart, wie sie die fundamentale Bestimmung (1.) festlegt – „in sich begreife“ –, wird durch das Verbot jeder einlinigen Auflösung (2.–4.) nur zur negativen Seite hin erläutert. Eine positive Präzisierung fehlt. Die so „ungeklärte Addition von adessentia substantialis und operatio“229 läßt sich unterschiedlich lesen. Einmal als faktische Koinzidenz zweier, je verschieden begründeter Bestimmungen – 224 „illud litigium non fuerit per omnia compositum, tamen tunc temporis per authoritatem Illustrissimi Principis fuit sepositum“: diese von dem beteiligten Gisenius später den Tübingern gegenüber zu Protokoll gegebene – und von diesen gern zitierte – Einschätzung (Straßburg, 18.10.1619; Acta Mentzeriana, 1625, 27 [Versalierung aufgehoben], vgl. 23) dürfte dem Vorgang gerecht werden. Vgl. auch J. B AUR, 1993h, 249. 225 „2. Daß solche beyde Stuck in der praesentia nicht zutrennen oder von einander geschieden seyn ...“ (Acta Mentzeriana, 1625, 21). 226 „5. Item / daß die perso(e)nliche Vereinigung der beyden Naturen in Christo nicht seye eine actio, sondern arctissima inhabitatio του λογου, das ist / die allerinnerste Einwohnung deß Worts in seinem eignen Fleisch“ (Acta Mentzeriana, 1625, 21). – Daß diese Klarstellung eigens in dem insgesamt nur knappen Rezeß Aufnahme findet, verdient Beachtung: Spiegelt sie den – gravierenden – Vorwurf, daß Mentzers These zur Auflösung der kategorialen Sonderstellung der christologischen Verbindung von Gott und Mensch führe? Vgl. o. Anm. 221. 227 Diese Differenzierung zwischen der christologischen ‚Hauptsache‘ des Streits und seinem eher nur ‚scholastischen‘ Anlaß, der Frage der Definition der praesentia divina, entspricht der späteren Tübinger Analyse des Themas; vgl. u. C.II.1(.2). 228 „In zwischen aber/ erheischender nothurfft nach/ D. Menzero zugelassen seyn soll/ seine gegen Mar|tinium vnd andere adversarios zu Druck gebrachte/ vnd vom selbigen angefochtene Theses, doch bescheidentlich/ vnd ohne IRRITATION oder OFFENSION SEINER COLLEGEN, in diesen/ in Streit gezogenen quaestionibus nach Gottes Wort zubeantworten vnd zuwiderlegen“ (Acta Mentzeriana, 1625, 21|f; Versalierung nur im Abdruck der Acta Mentzeriana). 229 J. B AUR, (1977, 251 =) 1993h, 268.
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so interpretieren Winckelmann und Gisenius die Konsensformel.230 Hingegen tendiert Mentzer dazu, dies moniert die spätere Tübinger Kritik zutreffend,231 die Verknüpfung als definitorische „Essentialbestimmung“232 der praesentia apud creaturas auszulegen.233 Doch schon die nach ‚Darmstadt‘ jedenfalls im Grundsatz unabdingbare formale Anerkennung zweier Elemente der göttlichen Gegenwart234 bringt Mentzers 1615/16 mit großer Emphase verfochtene These um ihre eigent230
E.g: J. W INCKELMANN, De Providentia Divina, 1617, o. B.III.2.1 (Anm. 181). Die in Darmstadt konzedierte Aufnahme der ‚operatio‘ in die descriptio omnipraesentiae sei nicht im Sinne Mentzers „οριστικως, formaliter, ESSENTIALITER, proprie, exquisite & accurate loquendo“, sondern, so auch von den Tübingern akzeptiert, „concomitanter, ACCIDENTALITER, secundario“ zu verstehen – „quatenus operatio cum praesentia semper coniuncta, neque Deus ullibi ociosus est“ (Acta Mentzeriana, 1625, Praef. Bl. b4v–c1 r, hier: c1 r); keineswegs sei ein ‚essentialis complexus adessentiae & operationis in una praesentiae definitione‘ intendiert gewesen (Acta Mentzeriana, 1625, 45f. 219. 221). 232 J. B AUR, (1977, 251 =) 1993h, 268. 233 Vgl. nur den in der folgenden Anm. zitierten Beleg. 234 In seinem – fast zwei Jahre nach der ersten Kontaktaufnahme (7.11.1616) und dem Darmstädter Rezeß! – erneut um Stellungnahme zum Thema der Gießener Debatte bittenden Brief an Hafenreffer vom 10.9.1618 formuliert Mentzer seine eigene These, in stillschweigender Revision der ersten Anfrage (o. Anm. 24; B.I.3 bei Anm. 66), korrekt in der in Darmstadt verordneten Doppelbestimmung von propinquitas und operatio, freilich in der über den Wortlaut des Rezesses hinausgehenden definitionalen Lesart dieser Addition (vgl. das Stichwort definiri): „Coeterum quaestio inter nos agitata fuit de Christo Θεανθρωπου apud creaturas praesentia, quam ego ad officium Christi referendam statuo, alij maluerunt vocare Dei attributum, sed relativum. Quam quaestionem quia multi non recte intelligebant, varij sunt sparsi rumores, quos avide Calvinani quidam arripuere. Brevi distinctione me expedivi: Virtutem enim adessendi, ut ita loquar, quam nonnulli majestatem omnipraesentiae vocant, concedo esse Dei attributum essentiale, quale etiam est virtus vivificatrix: Sed ipsum adesse creaturis sive implere coelum & terram, h.e. praesentem omnia sustentare & gubernare, aio, esse Christi regis officium, ut etiam est vivificare. Nego igitur per solam indistantiam, quam nonnulli vocant, definiri praesentiam divinam, sed requiri dico tum propinquitatem substantialem tum efficacem operationem. Quam sententiam pie eruditorum Judicio libens subijcio: & diligenter peto, ut adiunctas Disputationes [die 10 Disputationes Anti-Crocianae; u. [C.] Anm. 7] per otium A.T. inspiciat & Judicium suum fraterne mihi communicet. Reverenter saluto venerandos Dominos Collegas & honorifice A.T. domum universam, & valere omnes in Christo opto quam felicissime. Giessae 10. Sept. Anno 1618“ (Acta Mentzeriana, 1625, 57). – Vgl. in diesem Zusammenhang auch die gemessenen an den früheren planen Identifizierungen zurücknehmenden Formulierungen in der Disputation gegen Martini vom 21. Aug. 1617: die Gegenwart Gottes wird in der Schrift ‚nicht ohne‘ die operatio definiert; die jeweilige operatio konstituiert den jeweiligen Modus praesentiae, nicht mehr die Präsenz selbst: „... in qua [Scriptura] divina praesentia, nuspiam definitur sine operatione“; „Modus ... praesentiae divinae metiendus est ... ex ipsa Dei vel Christi, qui substantialiter praesens est, operatione, quae distincta distinctos praesentiae modos efficit“ ([1617b] ME VIII, Th. 154.156; Opera II, 519b). 231
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liche Spitze.235 Denn es stellt sich die Frage der Begründung nunmehr differenziert für beide „stu(e)ck in der praesentia“, je distinkt für ‚Gegenwart‘ und ‚operation‘ – damit aber fällt letztlich die christologische Pointe des Mentzer’schen Programms. Der Versuch, die strittige (Mit)Gegenwart der Menschheit Christi über die ratio officii zu belegen, muß jetzt auf das Element der operatio beschränkt bleiben. Für das davon (jetzt wieder) unterschiedene andere ‚Stück in der praesentia‘, die ‚wesentliche Gegenwart‘ (propinquitas substantialis) – eine nichtoperative Bestimmung –, kann das Argument nicht mehr greifen.236 Die Begründung muß hier neu ansetzen. Theo-logisch, im Blick auf die Gottheit, läßt sich hier, wie Mentzer es nicht ohne Inkonsistenzen de facto auch schon früher tun mußte,237 auf die immensitas essentiae divinae rekurrieren; dieses Argument kann christologisch im Blick auf die natura divina Christi wiederholt werden.238 Für die Begründung der Gegenwart der Menschheit Christi gewinnt nun formell wieder die unio personalis an Gewicht – jene Instanz also, die Mentzers ‚neue‘ These bewußt als für die Präsenzfrage nicht relevant beiseite gestellt hatte.239 Der Rückgriff bleibt freilich immer verknüpft mit einschränkenden Differenzierungen: Da die kontinuierliche Teilhabe der Menschheit am Weltregiment Gottes sich auf den status exaltationis beschränkt – wie Mentzer, an diesem Punkt homophon mit Winckelmann240 und auch 235
Demgegenüber wird die Darmstädter Modifikation in den älteren Darstellungen zwar durchaus registriert, aber doch in ihrem sachlichen Gewicht unterschätzt. Gänzlich verfehlt ist die Behauptung, die Darmstädter Verhandlungen hätten „zu einer allseitigen Verständigung und vollständigen Rechtfertigung Mentzer’s“ geführt, wie, nicht nur hier unkritisch Mentzers Darstellung reproduzierend, F.H. HESSE (1858, 5) vorträgt. 236 Vgl. aber das diese Konsequenz verunklarende bzw. das Problem ignorierende Schreiben Mentzers an Hafenreffer vom 10. September 1618; o. Anm. 234. 237 Vgl. o. B.II.1.3. 238 Vgl. die analogen Thesen in den Texten vor 1615/1616, o. Anm. 194.196. 239 Vgl. o. B.II.1.3. 240 „Fundamentum nostrae assertionis … est unio personalis, qua ipse Filius Dei … suam hypostasin communicavit assumptae naturae … atque in persona etiam suam potentiam, quam tamen in statu exinanitionis respectu carnis exinanivit: jam autem in throno dexterae virtutis & maiestatis Dei in dominio universorum usurpavit plenissime“ ([1617] Disputatio ... de Providentia divina; DGT VII. 1, 87/19; vgl. o. B.III.2.1). – Vgl. neben diesem – auch von J. B AUR, 1993h, 252 (Anm. 214) notierten – Beleg v.a. die einschlägigen Thesen in Winckelmanns Disputation ‚De Gloria et Majestate Christi, quam ut homo in tempore accepit: ex dicto Christi Johann. 17.v.5‘ (1620; abgedruckt auch: DGT VII. 18, 1620; ebenso in – hiernach die Zitate – MENTZER, Defensio 1624 [Pars IV], 110–123): Zwar ist Christus nach seiner Menschheit der göttlichen Majestät „in ipso puncto conceptionis“ (53/118) teilhaftig geworden und gründet insonderheit die Teilhabe an der Allgegenwart in der unio personalis selbst („Omnipraesentiae communicationem factam carni assumptae ipsa unionis ratio personalis flagitat“, 55/118; mit einem den späteren Tübinger Argumenten entsprechenden Verweis auf die Existenzbegründung in der Logoshypostase und die Unlösbarkeit der inkarnatorischen Synthese; 56f/118f bzw.
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Gisenius241 annimmt –, Tun und Gegenwart aber zusammenhängen und eine ‚bloße‘ Gegenwart zudem ‚unnütz‘ wäre, kann mit der unio persona58f/119), was dann allerdings sofort zurückgenommen wird auf die Möglichkeit zur Gegenwart: „Habet igitur Christus ut homo ex unione personali, ut possit pluribus locis esse praesens“ (60/119). Damit hat dann auch Winckelmann der üblichen Fassung der Statusdifferenz als Zäsur von Potenz und (vollem) Gebrauch den Weg gebahnt: „Tametsi autem humanitas Christi per unionem personalem translata sit in conditionem assumentis eam, & divinis idiomatibus ditata sit: Tamen, Apostolo teste, seipsum Christus exinanivit, Philip. 2.v.7. ut licet in homine assumpto potestas, quae erat in verbo ante secula, ex tempore conceptionis requieverit, tamen sese ratione usus per assumptam carnem non exeruerit, sed, ut loquitur Irenaeus, quieverit, atque ita exinanitio facta sit non ratione κτησεως, sed ratione χρησεως & usus ...“ (61/119; abgesehen vom partikularen Gebrauch in den Wundertaten, 66–69/120; 74/121). Im Blick speziell auf die Präsenzfrage führt die Unterscheidung von Binnengegenwart der Naturen und Weltgegenwart nun auch bei Winckelmann zur argumentativen ‚Stillegung‘ der unio personalis („unio personalis consideratur unter ipsas naturas unitas αδιαστατως, citra respectum ad alias creaturas ...“; 73/121); der exinatorische Ausschluß der caro vom allgegenwärtigen Weltregiment des Logos („in illo exinanitionis statu caro Christi aliis gubernandis no[n] adhibita fuit [so in anonymer Rezeption von Ä. Hunnius, vgl. u. [C.] Anm. 641], quantum ad plenum dominium“; 74/121) tangiere wegen der davon ja unbetroffenen Binnengegenwart der Naturen das ‚Fundament‘ der unio personalis nicht: „Interim ipsum fundamentum unionis personalis, qua duae naturae in unum υφισταμενον αχωριστως, αδιαιρετως, αδιασπαστως, αδιαστατως concurrunt, retinemus, cujus vi filius Dei nullibi & nusquam est, ubi non sibi suam carnem intime praesentem habuit, & haec ipsi intima περχωρησει praesens, nec ulli creaturae, quocunque nomine veniat, proprior fuit“ (77/121). Damit ist der Anschluß an Mentzer vollzogen und die für die Tübinger Gegenposition charakteristische Verknüpfung von Binnen-Perichorese und gemeinsamer Weltgegenwart der Naturen (vgl. u. C.II. 2.2[.2]) verweigert. Winckelmanns Forderung einer ‚ausgewogenen‘ Verhältnisbestimmung von Majestät und Entäußerung läßt sich dann als an die Tübinger adressiertes Monitum lesen: „Ita … maiestas & gloria carni Christi communicata asserenda, ne tamen exinanitionem eius respectu usus negemus“ (65/119). 241 Vgl. die Bestimmungen der exinanitio schon in Gisenius’ 1617 publizierten 21 Disputationen ‚De Calvinismo‘ (zwischen dem 14. Mai und 3. September 1617): „Majestatis divinae non usurpatio, & quasi occultatio“ ([1617c] Disp. VI, 28/B2r); „actum secundum eiusmodi Idiomatum communicatorum Christus secundum carnem quasi deponeret & non usurparit“ ([1617d] Disp. IX, 1/A2 r); „Haec Idiomatum communicatorum in carne occultatio, seu non usurpatio constituit statum exinanitionis“ (l.c., 2/ A2 r). – Ebenso eindeutig votieren, auch hinsichtlich der im Zentrum des nun aufgebrochenen Kenosis-Streites stehenden Frage der Allgegenwart der Menschheit Christi, dann die 1621 in Straßburg veröffentlichten Disputationen ‚De Zwinglio-Calvinismo Fugiendo‘, wenn sie mittels der Unterscheidung von interner und externer Gegenwart sowie von Besitz und Gebrauch der Majestät die Verhältnisse zwischen unio, Entäußerung und Erhöhung ganz analog zu Mentzers Lösung ordnen: „In praesentia Christi divina ad duo est respiciendum, 1. Ad id, quod est praesens. [2.] Cui est praesens. Quod dicitur praesens est humana Christi natura. Cui haec est praesens, est λογος vel sunt aliae creaturae: Inde relativa haec praesentia est vel assumptae naturae ad λογον vel ad alias creaturas“ ([1621a] Disp. VII, 19/231). „Praesentiam aliam esse carnis ad λογον , & aliam totius Christi ad creaturas. … Si quis igitur quaerat, annon in statu Exinanitionis totus Christus fuerit ubique
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lis nur die Möglichkeit ubiquitärer Gegenwart der Menschheit gesetzt sein: vis & potentia divina adessendi. Aktualität gewinnt diese Potenz, abgesehen von transienten Antizipationen in den Wundertaten des Irdischen, erst mit und aufgrund der nachösterlichen Erhöhung.242 2. ‚Approximatio peculiaris divinae Substantiae‘ – Aporien Die auf den Status exinanitionis fokussierte christologische Frage wird zum zentralen Gegenstand von Mentzers Auseinandersetzung mit den Tübingern avancieren.243 Doch erzeugt die ‚definitionale‘ Lesart der Darmstädter Revision zusätzliche Explikationsprobleme bereits im Blick auf die theo-logische Grundlegung von Mentzers ursprünglichem Programm, die Differenzierung der Gradus praesentiae. Diese Aporien werden ungeahnt produktiv – sie führen zur Ausbildung eines neuen Theologumenons. 2.1 Die Problematik bricht auf an der Frage, was denn unter den neuen Voraussetzungen als Konstitutionsgrund der gradus praesentiae zu denken sei. Eine Rückkehr zu der ‚traditionellen‘ Lösung, derzufolge die Differenz allein durch die jeweilige Operatio, die je zu der Präsenz im eigentlichen Sinne hinzutritt, konstituiert werde (gradus effectibus tantum discerpraesens? Resp. ex Coloss.2. Tota plenitudo Deitatis habitabat in assumpta carne, quae plenitudo nuspiam abfuit, & ubique suam carnem sibi habebat praesentissimam. Si quis pergat quaerere, num creaturae omnes in statu Exinanitionis Christum secundum carnem sibi habuerint praesentissimum? Negative respondemus, hoc addentes, quod aliud sit ipsa plenaria majestatis communicatae usurpatio, & aliud radiorum ejus ostensio: Radios suae praesentiae saepe ostendit, sed non plenarie eam usurpavit, quia sese exinaniverat“ ([1621a] Disp. VII, 48/245). – „Exinanitionem tanquam immediatum consequens, & correlatum [se]quitur exaltatio: Christus enim deposita servi forma factus est excellentior, eo quod gloria, ac Majestate, quam in primo conceptionis & unionis momento secundum humanam suam naturam acceperat, sed propter officium sacerdotale non plenarie usurpaverat, sed occultaverat, nunc plenario usu ac potestate fruatur“ ([1621b] Disp. II, 1/ 17). „Est igitur Exaltatio plenaria Majestatis & idiomatum communicatorum usurpatio. vel: Exaltatio haec est Jesu Christi solennis & divina in Coeleste regnum per unionem hypostaticam acceptum, & per exinanitionem hactenus occultatum inauguratio atque inthronisatio ad plenariam coeli, & terrae inprimis Ecclesiae praesentis gubernationem“ ([1621b] Disp. II, 2/17). „Quare in hac exaltatione non est nova quaedam gloria & Majestas Christo collata, sed exaltatio haec est eiusdem Majestatis, & gloriae, quam per unionem hypostaticam Christus secundum carnem acceperat, & propter officium sacerdotale non usurpaverat perfecta, & plenaria, usurpatio. Itaque exaltatus est Christus, & in Unione, & exinanitionis statu absoluto in glorificatione. Illic quoad divinae gloriae & Majestatis κτησιν seu possessionem, & jura[,] hic quoad χρησιν sed [! – lege: seu] quoad plenariam usurpationem“ (([1621b] Disp. II , 3/17). 242 Vgl., statt anderem, die Ausführungen Mentzers im 1619 eröffneten Briefwechsel mit den Tübingern (dazu u. C.I.2.1), bes.: Acta Mentzeriana, 1625, 74–77 (8.10.1619; dazu die Analyse bei J. B AUR, 1993h, 264–269); 87–91, bes. 88f (11.4.1620; J. B AUR, 1993h, 269f); 127–149, bes.: 127–133 (6.2.1621; J. B AUR, 1993h, 271). 243 Vgl. dazu u. C.II.1, II.2.4.
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ni; J. Gerhard 1610),244 ist für Mentzer auch und gerade nach ‚Darmstadt‘ nicht möglich. Vielmehr verlangt seine Lesart der Konsensformel als Behauptung eines definitionalen Konnexes von adessentia und operatio, konsequent entwickelt, jene Differenz der gradus praesentiae nicht nur am Moment der Tätigkeit, sondern ebenso am anderen ‚stueck‘ solcher Gegenwart, dem Moment des göttlichen ‚Daseins‘, auszuweisen, mithin also eine Palette differierender ‚Anwesenheiten‘ (propinquitates) zu denken. Anderenfalls – als singulare verstanden – wäre die adessentia als etwas für sich Bestehendes, Identisches und als solches Definierbares gedacht, dessen Zusammentritt mit der operatio zur Konstitution eines gradus praesentiae mithin nur akzidentell, nicht definitional wäre. Für die praesentia specialis, die anders als die stetige praesentia universalis kontingent ist, Anfang und Ende kennt, muß dann analog zur korrelierten spezifischen Tätigkeit ein Eintritt der ihr eigentümlichen ‚Anwesenheit‘ Gottes behauptet werden – ein Näherkommen Gottes, seine je und je kontingent geschehende ‚Annäherung‘. Diese prima facie mit dem tradierten Begriff der Unendlichkeit und Unveränderlichkeit des göttlichen Wesens unversöhnlich kollidierende245 Konsequenz ist auf Gießener Seite tatsächlich gezogen worden, ihre bündige und pointierte Formulierung findet sie in J. Feurborns These einer ‚besonderen Annäherung der göttlichen Substanz‘: approximatio peculiaris divinae substantiae. 2.2 In dieser terminologischen Verdichtung findet sich die These erstmals belegt 246 in dem vom 28. August 1618 datierenden Vorwort zu einer Sammeledition von 4 Disputationen Feurborns zum Thema der praesentia Dei. 247 In diesen die Auseinandersetzung 244
Vgl. o. B.II.2.2. Dies hatte, unter Voraussetzung der strikten Identifizierung von praesentia und operatio und zur Bekräftigung dieser ursprünglichen These, Mentzer noch 1616 selbst als evidentes Argument beansprucht und eine gegenteilige Option als ‚krassen‘ Mangel an theologischer Urteilskraft gegeißelt: „Nam dicitur in scripturis [Deum] ab impiis abesse, recedere, eos deserere, interdum etiam a piis elongari & abscondi, & similiter. Ubi nemo, opinior, tam crassae mentis est, ut existimare velit, divinae essentiae praesentiam istis hominibus substrahi & proprie loquendo ab iis Deum recedere & abesse. Pugnat enim cum infinitate Dei seu immensitate. Et testatur unanimus interpretum sanctorum consensus, tali loquendi modo gratiosae operationis divinae substractionem designari. ... Vnde consequens est, per gratiosam Dei praesentiam, juxta scripturae interpretationem, favorem Dei paternum, gubernationem, & defensionem intelligi oportere“ (Oratio, 67a; vgl. o. Anm. 118)! – Diese und andere ‚krasse‘ Richtungswechsel von Argumenten sprechen nicht eben für die sachliche Solidität der je mit rhetorischer Vehemenz vertretenen Positionen Mentzers. 246 Dieser in der älteren Literatur notierte Befund (KREBS, 1871; O. RITSCHL, 1921) ist durch MAHLMANN noch einmal bestätigt worden: 1996, bes. 104–116. 247 FASCICVLVS Dissertationum Theologicarum De DIVINA CHRISTI, UT HOMO EST, APUD CREATURAS OMNIpraesentia. Inprimis contra D. PHILIPPUM CAESAREM, Calvinistam Bremensem, Gießen 1618 (VD 17: 39:151971G; auch: 23:645097S); 245
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v.a. mit dem Reformierten Philipp Caesar führenden Texten hatte Feurborn seit Januar 1617 in dem Gießener Fakultätsstreit für seinen „Lehrer, Promotor, Schwiegervater und Förderer“248 Mentzer Partei genommen. 249 Die zentralen Stichworte des Mentzer’schen
im folgenden benutzt nach dem Abdruck – als ‚Fasciculus Primus‘ – in: DERS. Opera, 1– 160. – Die in dieser Ausgabe vorangestellte Epistola dedicatoria (ibd. 2–14) datiert vom 1. Sept. 1619; er habe, erklärt Feurborn hier (p. 2), mit der nochmaligen zusammenfassenden Veröffentlichung der in Fasc. I enthaltenen 4 Disputationen über die praesentia Dei (u. Anm. 249) gewartet bis zur Fertigstellung auch des Fasciculus II, dessen Beiträge dem Thema der passio Dei gelten; die Epist. dedic. bezieht sich auf diese gemeinsame Edition beider Fasciculi im September 1619. Ihr folgt aber (p. 15–18) eine kürzere Epistula ad Lectorem (datiert Gießen 28. Aug. 1618), die nur auf den Fasc. I und das hier behandelte Präsenz-Thema bezogen ist und von Feurborn für die o.g. erste Sammelausgabe dieser 4 Disputationen schon im Sommer 1618 verfaßt wurde. 248 MAHLMANN, 1996, 104. 249 Im einzelnen (in der Ausgabe der Opera je mit doppelter Paginierung: Opera/Fasciculus I): (1.) Confutatio Primae Disputationis D. Philippi Caesaris (82 Thesen, 5 Πορισματα; Opera 19–43/Fasc. I, 1–49); (2.) Inchoata Confutatio Secundae Disputationis Apologeticae D. Philippi Caesaris, Calvinistae Bremensis, Complectens Succintam Omnipraesentiae Divinae definitionem, explicationem & defensionem (93 Thesen, 11 Mantissae; Opera 43–82/Fasc. I, 49–128); (3.) Continuata Disputationis Secundae Apologeticae D. Philippi Caesaris, Calvinistae Bremensis Confutatio, Comprehendens Succintam, et ex unico Dei Verbo petitam κατασκευην seu probationem omnipraesentiae, Christo ut homo est, οντως & realiter competentis (144 Thesen u. Appendix mit 10 Thesen; Opera 82–134 / Fasc. I, 128–239); (4.) Consummata Disputationis Secundae Apologeticae D. Philippi Caesaris confutatio. Complectens ΑΝΑΣΚΕΥΗΝ , Destructionem et Resolutionem argumentorum, contra omnipraesentiam Christi, ut homo est, nobis objectorum (85 Thesen; Opera 134–160/Fasc. I, 240–296). – ‚Thema‘ dieser Texte Feurborns sind zwei Disputationen des Bremer Reformierten Philipp Caesar (zu diesem: C.H. MANCHOT, 1876): Disputatio Apologetica prima de pugna inter dogma omnipraesentiae corporis Domini nostri Jesu Christi, & articulum de ultimo ejus adventu, ad abstergendum intentatam calumniam, Bremen (22.12.) 1616 (vgl. F EURBORN, Th. 3, Opera 19/ Fasc. I, 2); De pugna inter dogma omnipraesentiae corporis Domini nostri Jesu Christi, & articulum de ultimo ejus adventu, ad confirmandam & defendendam consequentiam, Bremen (1. März) 1617 (vgl. die Verweise bei FEURBORN: (Th. 4, Opera 19/Fasc. I, 2; Th. 1, Opera 43/Fasc. I, 49f). – Caesars Texte sind ihrerseits Antwort auf Feurborns Attacke in einer schon 1615 unter Mentzers Praesidium gehaltenen, aber selbstverfaßten Disputation über den Präsenzbegriff (neu abgedruckt im 7. Band der Gießener Disputationen): Disputatio XIII. Continens succintam Responsionem Ad Disputationem Theologicam, Quam De Ultimo Christi Adventu, M. Philippvs Caesar ... proposuit, & Lutheranos in eo Articulo miserius Judaeis falli; ultimumque Christi Adventum, dogmate de Omnipraesentia Christi, juxta carnem, revera tolli & negari scripsit aliasque ψευδοδοξιας miras & multas simul infarsit. Cum subjuncta appendice, De Regno Christi (DGT VII., p. 183–290, Appendix: 290–302; zur Autorschaft Feurborns vgl. die eigens vorangestellte Einführung, p. 182), gerichtet gegen Caesars vom gleichen Jahr datierende Marburger Doktordisputation: DISPUTATIO THEOLOGICA DE ULTIMO CHRISTI ADVENTU, (22.7) 1615. Caesar hatte seine Antwort an den Praesiden Mentzer gerichtet, vgl. die Klarstellungen des tatsächlichen Autors Feurborn in den expliziten Rückverweisen auf den Text von 1615, Th. 1./ 3, Opera 19/Fasc. I, 1.2). – Die Dissertationen des
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Programms, nun in der Modifikation der Darmstädter Grenzziehungen, 250 klingen deutlich an. Mag auch die abstrahierende Philosophie Gegenwart als reines Dasein, kontradistinkt zu jeder Tätigkeit denken (praesentiae ab operatione abstractio),251 verbietet es sich doch, mit Ph. Caesar diesen Abstrakt-Begriff von Gegenwart als bloßer ‚Koexistenz‘ (existentia rei cum re, a qua non dist[a]t) als auch theologisch adäquat zu verwenden.252 Der theologisch maßgebliche ‚biblische‘ Begriff bestimmt vielmehr Gottes Dasein als Zugleich von Anwesenheit und Tätigkeit.253 Alle Modi oder Species der göttlichen Gegenwart254 in der Welt umgreifen stets die substantielle Nähe (propinquitas) und
Sammelbandes von 1618 führen also Feurborns schon seit 1615 laufende Auseinandersetzung mit der Präsenzfrage (vgl. auch MAHLMANN, 1996, 105 bei u. mit Anm. 63) fort; in diesen formell direkt gegen Caesar gerichteten Texten bildet die interne Gießener Debatte einen entscheidenden Horizont. 250 Wenn ich richtig sehe, hat Feurborn allerdings stets, auch schon vor ‚Darmstadt‘, die dort dekretierte Doppelbestimmung der Gegenwart als Verbund von propinquitas und operatio – bei definitionaler Interpretation dieses Zusammenhangs – vertreten, was dann doch eine Eigenständigkeit gegenüber dem Lehrer dokumentiert (bzw. dessen ältere Thesen [vgl. o. B.III.2.2] perpetuiert?). 251 Epist. ad Lectorem 28. Aug. 1618 (o. Anm. 247), Opera 16. 252 „Putat ille [Ph. Caesar], praesentiam per existentiam rei cum re, a qua non distet, sic communiter & perfecte definiri, ut etiam ipsius Dei creatoris & conservatoris omnipotentis & omnisapientis apud suas creaturas potenter & sapienter sustentandas, praesentiam nihil aliud esse velit, quam Dei existentiam cum creaturis ...“ (Opera 16). 253 Strikt orientiert an ‚mens & lingua‘ des in der Schrift redenden Heiligen Geistes „praesentiam divinam sic definio, ut semper in ejus Theologica definitione simul faciam mentionem operationis alicujus divinae“ (Opera 16). – Vgl. auch die einschlägige Passage in der 2. Disputation des Fasciculus I (o. Anm. 249): „sonore testor, me de praesentia divina apud creaturas non loqui ex praescripto Philosophorum, sed normam sequi Scripturae Propheticae & Apostolicae“ (Inchoata Confutatio, Th. 9, Opera 46). „Alias scio, imo suo loco & tempore urgeo, quod in praesentiae praecise, nude & abstracte Schola Philosophorum sumptae, definitionem in casu recto non immeet, neque immeare queat operatio. Tum enim 1. Praesentia tantum est in praedicamento relationis, operatio vero in praedicamento actionis. 2. Et illa ab hac, & haec ab illa vere potest separata & diremta esse“ (Th. 10, Opera 46. – Die letzten zwei Sätze wörtlich und mit ausdrücklicher Nennung des zitierten Gewährsmannes bei J.A. QUENSTEDT, Systema, [1685=] 1691, p. III, c. III, m. I, s. II, Q. XIV Ekth. III [III, 186a], der überhaupt die theo-logische Grundlegung und christologische Applikation der Gießener Präsenz-Lehre rezipiert, – anders als sein sich der ‚Mittelpartei‘ anschließender Kollege A. Calov [vgl. [F.] Anm. 14]). 254 Gegenüber Ph. Caesars ‚abstrakter‘ Präsenzdefinition beruft sich Feurborn in einem Nachtrag zur 2. Disputation für die operative Explikation der Modi göttlicher Gegenwart nicht nur auf Melanchthons Aufstellungen, sondern auch auf deren Fortbildung durch Melanchthons Schwiegersohn Caspar Peucer (1525–1602; A. K RÜMMEL, 1994; E. KOCH, 2003; H.-P. HASSE / G. W ARTENBERG [Hg.], 2004, dort bes. W ARTENBERG 2004; NEDDERMEYER, 1997), die dieser in der 1593 erschienenen (Frankfurter) Ausgabe seines Commentarius De Praecipuis Divinationum Generibus vorgelegt hatte (Inchoata Confutatio [o. Anm. 249], Mantissae 4–10, Opera 80–82; referierender Auszug aus P EUCER, Commentarius 131ff., bes. 131.141f.143–148.158–160; eine Passage, die, worauf Feurborn eigens hinweist [Mant. 4, Opera 80], in anderen Ausgaben des Commentarius fehlt) – „ut videat D. Caesar, quod ille [sc. der reformierte Konfesssionsgenosse Peucer] ne-
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eine je eigentümliche göttliche Handlung (actio). So meint Gottes allgemeine Weltgegenwart (generalis Praesentia; Jer 23,24) das Simul von Gottes substantialis propinquitas und seiner allmächtigen gubernatio als den zwei nicht nur akzidentell, sondern definitorisch (simul nexu definitivo) verknüpften Teilen (duae distinctae partes) des Ganzen (totum) dieser Gegenwart.255 Entsprechendes gilt für Gottes besondere Gegenwart bei den Gläubigen (divina specialis praesentia apud homines credentes). Auch diese versteht die Bibel – Textbasis ist Gottes Verheißung an Mose Ex 3,12: Ich werde mit dir sein! – konstant als definitionalen Zusammenhang von besonderer substantieller Nähe (substantialiter specialiter esse cum Moise; substantialis propinquitas) und spezifischer Wirkung (Eundem protegere & adjuvare gratiose & benigne) Gottes; erst der Verbund dieser zwei ‚Teile‘ erschöpft auch hier den vollständigen Begriff (integrum totum). 256 Entscheidend: In jedem Grad der praesentia Dei ist nicht nur das Moment der operatio, sondern ebenso das der propinquitas als je besonders (peculiaris, specialis) zu denken, soll nicht gegen die Grundannahme doch ein reiner Begriff von bloßem Dasein in das Konzept göttlicher Gegenwart eingetragen werden. Der Eintritt der besonderen gnädigen Gegenwart, wie sie Mose verheißen wird, schließt darum auch den Eintritt einer besonderen Nähe, m.a.W.: eine ‚Annäherung‘ der göttlichen Substanz ein: „substantialis Dei propinquitas seu approximatio ad & apud Moisem“.257
quaquam asserat praesentiam Dei nihil aliud esse, quam Dei cum creaturis existentiam, quaedam in illum duntaxat finem, libet etiam ex ipso huc adducere“ (Mant. 4, Opera 80). Tatsächlich unterstreicht Peucer im Abschnitt über die ‚Gradus praesentiae Dei in creaturis distincti‘ (Commentarius, 131–219), der Melanchthons Bestimmungen „genauer erläutert“ (O. RITSCHL, 1921, 346; zwar mit Schwerpunkt auf den „drei ersten Arten der göttlichen Gegenwart“ [RITSCHL, 1921, 9], der 4. – christologische – Gradus wird jedoch nicht völlig übergangen [gegen RITSCHL, ibd.], sondern im Schlußstück des Abschnitts immerhin knapp behandelt: 215–219), den ‚tätigen‘ Charakter aller Arten der Weltgegenwart Gottes. 255 „non accidentali cohaesione, sed perfecta, seu non mutilata definitione“ (Opera 16); „simul nexu definitivo & indistracto“ (Opera 17). – Sachlich parallel die ein Jahr jüngere Epist. dedic. (o. Anm. 247): „divinam omnipraesentiam, concretive juxta stilum biblicum sumptam, esse, qua ipse Deus substantialiter & realiter, tametsi illocaliter & incircumscriptive, ac divino planeque incomprehensibili modo propinquus totum universum, cunctas creaturas complexum, omnipotenter & omnisapienter sustentat & gubernat“ (Opera 3). Beide Elemente sind nicht zu identifizieren, aber unlöslich verknüpft: „Etsi namque ipsa divina propinquitas, praecise & abstracte & solitarie concepta, non sit formaliter ipsa divina sustentatio & gubernatio: sed illa huic, & haec illi sit, quamdiu Deo visum est (Ille enim non semper mundum hunc vult sustentare, sed in novissimo die finem ei imponere) inseparabiliter combinata & copulata: attamen quatenus ipsa substantialis divina propinquitas, & efficax divina creaturarum gubernatio concrescunt & coalescunt & sic concretive juxta divini verbi praescriptum intelliguntur, tum utraque ingreditur concretivum definitionis Biblicae circulum. Quo intuitu, divina omnipraesentia non est sola, & nuda substantialis omnipropinquitas (ut sic loquar) nec nuda & sola gubernatio divina: sed est illa & haec simul & indistracte“ (Opera 3). 256 Opera 17.18. Nicht nur die „sola operatio divina gratiosa, sed & specialis & realis divina propinquitas“ (Epist. dedicat. [o. Anm. 247], Opera 8–12, hier: 8). – Analog der dritte Grad, die praesentia gloriosa (Apc 21,3; 1. Kor 15,28): 1. Deum sanctis gloriose substantialiter propinquum esse 2. Et gloriose in eis operari (Opera 18; vgl. 13). 257 Opera 17. – Vgl. auch MAHLMANN, 1996, 107.
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2.3 Insoweit die von Feurborn vorgetragenen Thesen258 einer Pluralität real unterschiedener propinquitates Gottes und, daraus folgend, einer besonderen ‚Annäherung‘ der göttlichen Substanz eine Konsequenz aus Mentzers operativem Begriff der göttlichen Gegenwart auch noch resp. gerade in dessen modifizierter ‚Darmstädter‘ Form formulieren, werden sie zum (Neben-)Thema in der Kontroverse mit den Tübingern avancieren.259 Die Wahrnehmung und Einordnung dieses Sachverhalts in der Forschung sind nicht unerheblich durch eine Fehlbestimmung in Albert Krebs’ Untersuchung über die unio mystica260 verwirrt worden. Die Approximationsthese, die lediglich eine modale Explikation des tradierten Topos der praesentia specialis gratiosa (auf Basis der Darmstädter Festlegungen) vorträgt, welche Gnadengegenwart, in Anknüpfung an Luther, lutherische Theologie im Sinne einer besonderen Verbindung Christi mit dem einzelnen Gläubigen versteht – seit Philipp Nicolai mit dem Terminus der ‚mystischen Einheit‘ bezeichnet –, mißversteht Krebs als Wesensbestimmung solcher Verbindung selbst und gelangt so zu der unhaltbaren These, die ‚unio mystica‘ sei ‚um das Jahr 1618‘ von den Gießenern ‚erfunden‘ und allererst in die lutherische Theologie eingeführt worden – eine Neuerung, welche dann deren Tübinger Kontrahenten abgelehnt und bekämpft hätten.261 Doch gilt die allerdings vehemente Kritik der Tübinger an der sachlich unhaltbaren ‚neuen Subtilität‘ einer Unterscheidung real differierender propinquitates Gottes und der damit verknüpften Approximationsthese allein der Extrapolation des Gießener operativen Präsenzbegriffs (nach Darmstädter Modifikation) in die modale Explikation der unio mystica, keineswegs diesem 258 Am gegenwärtigen Punkt der Untersuchung kann es mit dieser Skizze sein Bewenden haben. Vgl. weiter M AHLMANN, 1996, 104–116 sowie u. B.IV.3; C.II.3.2.2.5. 259 FEURBORN, Σκιαγραφια, 1621, Diss. 8, 292–299. Dagegen: T HUMM, Ταπεινωσιγραφια, 1623, 180–187. Vgl. u. C.II.3.2.2.5.2. 260 A. KREBS, De Unionis Mysticae quam vocant Doctrinae Lutheranae origine et progressu saeculo XVII, Marburg 1871. – Grundlegend zum Thema der unio cum Christo: MAHLMANN, 1996, mit Bibliographie der einschlägigen Quellen (180–197) und Sekundärliteratur (197–199); vgl. bes. die Aufklärung der disparaten älteren Forschungsdiskussion über den Ursprung des Theologumenons – Feurborn (KREBS)?; J. Arndt (W. KOEPP)?; Luther (W. ELERT)? – ibd. 73–116, zu Krebs: 73f. 116. – Vgl. daneben v.a. F. NÜSSEL, 2000, 239–299; s. auch K. LEHMKÜHLER, 2004, 151–171. 261 „In hac controversia [inter Giessenses et Tubingenses] etiam compluribus locis unionis mysticae mentio fit, quae doctrina a Feurbornio et Mentzero primum docetur, a Thummio refutatur“ (KREBS, 1871, 25–35, hier: 25). Als „Prima... unionis mysticae vestigia“ (27) identifiziert Krebs jene erstmalige Formulierung der Approximationsthese in der Ep. ad Lect. zum Faszikel 1 der Dissertationen Feurborns (o. Anm. 247) – „qua explicatione sine dubio luculenter unionis mysticae doctrina profertur ... jure possumus statuere, unionem mysticam primum a Feurbornio circa annum 1618 in lucem prolatam esse“ (27f, hier: 28). – Aufgenommen von M. KOCH, 1899, 163. 167 Anm. 1; vgl. auch M. LINDSTRÖM , 1939, 274 Anm. 2.
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Topos selbst.262 So legt etwa Th. Thumm in seiner gegen Valentin Weigel263 gerichteten Impietas Wigeliana von 1622 eine alternative Erläuterung der 262
Nicht nur die Tübinger Kritik, sondern auch die Gießener Ausarbeitung der Approximationsthese bleibt im Kontext der Debatte über die praesentia Dei als eines Prolegomenon der christologischen Kontroverse; diese christologische Auseinandersetzung, nicht eine neuer Streit über die unio mystica ist der Horizont. Insoweit behält Recht die Feststellung der älteren Forschung, „daß die spezifische Substanzannäherungstheorie ursprünglich aus einem ganz anderen Zusammenhang stammt als aus der Sphäre der unioLehre. Ihr ursprünglicher Ort ist die Lehre von der Allgegenwart Gottes, und die historische Stelle ihrer Entstehung ist der große christologische Streit nach 1620 zwischen den Tübinger Kryptikern und den Gießenern Kenotikern, der prinzipiell auf dem Feld der Allgegenwartslehre ausgetragen wurde ... Die Substanzannäherung in der unio-Lehre ist also nur eine spezielle Anwendung einer auf dem anderen Felde der Allgegenwartslehre gewachsenen allgemeineren Theorie“ (W. KOEPP, 1921, 56; bei allerdings problematischer Interpretation im einzelnen). Bündig H.E. W EBER: „die spezielle Formel von der peculiaris approximatio substantiae divinae“ hat ihren „Ursprung in den christologischen Streitigkeiten“ (1908, 95), nämlich in der dort vorlaufend diskutierten Antithese von operativer und nicht-operativer Definition der praesentia Dei – der „Streit über die unio mystica ist nichts als ein Spezialfall dieser Grunddifferenz“ (1908, 97). Doch übergeht (entgeht?) Weber die durch den Darmstädter Rezeß gesetzte Zäsur in Mentzers Entfaltung des Begriffs der praesentia divina; die approximatio-These setzt die nach Darmstadt re-etablierte Doppelung der Momente im Begriff der praesentia Dei zwingend voraus; für die zunächst vertretene einlinige Identifizierung von praesentia und operatio ist diese These hingegen nicht nur unnötig, sondern wird der Sache nach von Mentzer unter Hinweis auf die Unendlichkeit der göttlichen Substanz ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. o. Anm. 245) – Später hat Feurborn beide Topoi terminologisch explizit verknüpft: „Per illam enim specialem propinquitatem intelligo ipsam inhabitationem (iuxta stilum Biblicum acceptam [Eph 3,17; Joh 14,23; Gal 2,20]) Dei et θεανθρωπου Christi in nostris cordibus, ipsam peculiarem eius approximationem et nobiscum mansionem“; „Deus ... adest propinquitate speciali (quae est mystica Dei cum sanctis unio, & in illis habitatio ...)“; „notat Dei propinquitatem spezialem (seu inhabitationem & unionem mysticam gratiosam)“ (FEURBORN, 1626; zitiert nach MAHLMANN, 1996, 111). 263 Es ist die 1609 anhebende posthume Publikation von Schriften Valentin Weigels (P FEFFERL, 1991; MAHLMANN, 1996, 77f) und die in diesen vertretene These einer ‚wesentlichen‘ Verbindung (unio essentialis) der Christen mit Christus und dem Heiligen Geist, die – verschärft durch das zeitgleiche Erscheinen paracelsischer und Rosenkreuzer-Schriften – die orthodoxen lutherischen Theologen herausfordert, ihre alte, in Anknüpfung an und seit Luther tradierte Überzeugung einer besonderen Gemeinschaft (unio) der Gläubigen mit Christus nun begrifflich präzise(er) zu fassen und diese „usitatam doctrinam nostrarum Ecclesiarum“ (F. Balduin) gegen ihre Verfälschung durch die ‚neuen‘ ‚Fanatiker‘ abzugrenzen, welche Klärung dann in der Ausbildung eines eigenen Lehrstücks von der „communio nostri cum Christo“ resultiert; so erstmalig und grundlegend für die weitere Diskussion FRIEDRICH B ALDUIN in seiner Wittenberger Disputation von 1618: Disputatio Ordinaria de COMMVNIONE NOSTRI CUM CHRISTO. Opposita tum Calvinianorum, tum Fanaticorum quorundam erroribus, qui ex Theophrasti Paracelsi Philosophia novam plane de CHRISTO & Christianis Theologiam comminiscentur, (27.3.) 1618 (Zitat Th. 105; MAHLMANN, 1996, 82). Vgl. insgesamt M AHLMANN, 1996, 79–84. – Als Gewährsmänner der historischen Legitimierung des Topos als ‚orthodoxen‘
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Weltrelationen Gottes und der unio mystica vor, die das Thema in modaler Hinsicht konsequent auf der Basis des Tübinger Begriffs der Gegenwart Gottes entwickelt.264. 2.4 Zeitgenossen wie nachfolgende Generationen konnten nicht umhin, auch hinsichtlich dieses Nebenthemas265 des Kenosis-Streites Position zu beziehen. Die Approximationsthese fand Aufnahme bei denjenigen Theologen, die für die Gießener Christologie votierten; die Tübinger Fassung der Gegenwart Gottes erfuhr Resonanz im späteren Jena (J. Musäus).266 Die Annäherung an die Gießener konnte, wie bei J. Gerhards Exegesis von 1625, die stillschweigende Rücknahme oder Suspendierung früherer Positionen bedeuten. 267 Während Gerhards Erstfassung des theo-logischen Locus von 1610 Gottes Allgegenwart einheitlich als dessen Anwesenheit kraft der Unermesslichkeit seines Wesens begreift, die nur durch die Differenz der damit – nicht definitorisch – verknüpften göttlichen Handlungen in verschiedene Gradus unterschieden werde, 268 rezipiert die Neufassung von 1625 die (Gießener) Polemik gegen den ‚calvinistischen‘ (Ph. Caesar) Abstrakt-Begriff der Allgegenwart Gottes als reiner Anwesenheit (nuda indistantia absque operatione)269 und enthält sich in der Gretchenfrage ‚An gradus divinae praesentiae tantum operationi-
nennt Balduin – neben Luther – M. Flacius, Ä. Hunnius und v.a. Ph. Nicolai (M AHL1996, 83–85), welche Zeugenliste sich ergänzen läßt: M. Chemnitz, D. Chyträus, S. Gesner (MAHLMANN, 1996, 84–87). – „In der von Balduin neu strukturierten Situation“ sieht sich dann auch der unter ‚Weigelianismus‘-Verdacht geratene Johann Arndt zur apologetischen Darlegung seiner Position in fraglicher Sache veranlaßt, die nach mehrjähriger Vorarbeit im Frühjahr 1620 sein Traktat ‚DE VNIONE CREDENTIUM, CUM CHRISTO JESU, Capite Ecclesiae‘ liefert; „[d]amit ... wird Arndt nach Balduin zum zweiten Autor überhaupt, der im Luthertum die unio thematisch und bibliographisch selbständig behandelt“ (M AHLMANN, 1996, 87–102, Zitate: 87.93). Arndt geht darin über Balduin hinaus, daß er, Ansätze Ph. Nicolais zuspitzend, die ‚unio‘ zu einem „Konstruktionsprinzip für die ganze Gedankenwelt des Glaubens“ macht und die gesamte Glaubenslehre, „beginnend mit der Schöpfung und endend mit der Ewigkeit“, unter dieser Leitkategorie entfaltet (MAHLMANN 1996, 96–99, Zitate: 96; zu den Ansätzen bereits bei Ph. Nicolai: 99). – Die intensive weitere Diskussion des Themas in der orthodoxen Epoche bis hin zu Hollatz skizziert MAHLMANN, 1996, 117ff. 264 Vgl. dazu C.II.3.2.2(.5.2). 265 So eindeutig die Auseinandersetzung zwischen Gießen und Tübingen über die modale Fassung der praesentia gratiosa resp. unio mystica ein Nebenthema des zentral der Christologie geltenden Streites bildet, – hierin nur „eine scholastische Differenz“ zu sehen, „die ... doch nicht mehr bedeutete, als daß man die übereinstimmende Auffassung von der mystischen Vereinigung mit Gott mit verschiedenen begrifflichen Mitteln unterbaute“ (O. RITSCHL, 1927, 209; Hervorhebungen U.W.), dürfte doch das Gewichts dieses Dissenses unterschätzen: „Es ist klar, daß die unio nicht von der Gotteslehre getrennt werden kann, sondern eine bestimmte Gotteslehre impliziert“ (MAHLMANN, 1996, 149). 266 Vgl. MAHLMANN 1996, 118 Anm. 74, 121–123. 267 Auf die „wechselnde[...] Stellung Gerhards“ in dieser Detailfrage der Präsenzlehre hat richtig auch H.E. W EBER hingewiesen (1908, 98f, hier: 98). 268 Vgl. o. B.II.2.2 (bes. bei u. mit Anm. 110). 269 Loc. II, sect. VIII [De Dei Immensitate], § 179 [ed. P REUSS, Tom.1, 325b]. MANN,
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B. Der Gießener Streit über die Allgegenwart Christi (1616–1618)
bus distinguantur?‘ – resp. in der präzise auf Feurborns neue These abstellenden Formulierung: ‚an specialis illa Dei in sanctis habitatio et propinquitas praeter specialem operationem gratiosam etiam ipsius essentiae specialem approximationem afferat‘270 – nun eines definitiven Urteils. Die konträren Thesen und Argumente der Tübinger und Gießener werden anonym (Quidam negant; Quidam affirmant ...) und mit Schwergewicht auf der zweiten Partei271 lediglich referiert272; als Gerhards eigene Stellungnahme folgt unter Verzicht auf jede Sachdiskussion abschließend nur ein kurzes, Zitate kompilierendes Plädoyer für eine Urteilsenthaltung – der begrenzte menschliche Verstand vermöge nur das ‚daß‘, nicht jedoch das ‚wie‘ der unbegreiflichen Gegenwart Gottes zu fassen. 273 Gerhards εποχη im Spezialfall der Approximationsthese kann jedoch nicht verdecken, daß der Jenenser in den zentralen Punkten der Omnipräsenz-Debatte 1625 auf die Linie Mentzers und Feurborns einschwenkt. In der Erstfassung von 1610 hatte Gerhard in der Attributenlehre im direkten Anschluß an ‚De Infinitate Dei‘ von der omnipraesentia gehandelt274 und diese einleitend als ‚Infinitatis consequens‘ bestimmt.275 Signifikant anders dann die Disposition in der Exegesis von 1625. Hier folgt der Erläuterung der göttlichen Infinitas276 ein neuer Passus ‚De Dei Immensitate‘,277 in dem Gerhard die Immensitas jetzt nur noch mit der ‚essentialis[!] omnipraesentia‘ identifiziert.278 Ansonsten aber werden immensitas und omnipraesentia stricte dicta unterschieden: nur die ‚omnipraesentia accepta radicaliter, prout respectum habet ad ipsum Deum essentia infinitum & immensum‘ ist identisch mit der divinae essentiae immensitas. Anders die ‚omnipraesentia accepta relative, prout respectum habet ad creaturas, quibus ita praesens Deus, ut eas conservet & gubernet‘ – sie ist stets operativ, darum von der immensitas essentiae unterschieden und kein eigentliches attributum absolutum des göttlichen Wesens. 279 – Es ist
270
L.c. § 188 [ed. P REUSS, Tom.1, 329b]. Daß Gerhard gleichwohl „deutlich unter dem Eindruck der metaphysischen Argumentation der Tübinger steht“, wie H.E. W EBER, 1908, 98, urteilt, wird man angesichts dieser Disparität und dann v.a. im Blick auf die eindeutige Parteinahme für die Gießener Lösung in der Hauptfrage des Konflikts (s. gleich) nicht nachvollziehen können. 272 Ibd. [ed. P REUSS Tom.1, 329b bzw. 329b–330a]. 273 „Nobis hic probatur Illud Chrysostomi ...: Deum esse ubique totumque esse in quavis parte orbis terrarum novi, sed quemadmodum sit, nescio. Itemque illud ejusdem ...: Quod ubique sit Deus scimus et dicimus, quomodo autem ubique sit intellectu non capimus, quae verba allegans Lomb[bardus] ... subjungit: In illis | verbis, in quibus dicitur Deus ubique esse per essentiam, plus contineri credendum est, quod homo vivens capere non valet. Luth[erus] ... docet substantialem Dei omnipraesentiam esse incomprehensibilem“ (ibd., ed. P REUSS Tom.1, 330a|b). 274 Loc. III §§ 109–120 [ed. COTTA I, 126–130]. 275 Loc. III § 109 [ed. COTTA I, 126]. Davon unberührt bleibt, daß solche Allgegenwart mit dem göttlichen Tun verknüpft ist: „[omnipraesentia] per quam denotatur, quod Deus ubique praesens, omnia regit & conservat“ (ibd. [ed. COTTA I, 126]). 276 Ex. Loc. II, sect. VII, §§ 162–170 [ed. P REUSS, Tom.1, 317b–320a]. 277 Ex. Loc. II, sect. VIII, §§ 171–189 [ed. P REUSS, Tom.1, 320a–331a]. 278 Ex. Loc. II, sect. VIII, § 172 [ed. P REUSS, Tom.1, 320b]. 279 „Qu[aeritur] 1. An omnipraesentia sit omnino idem cum divinae essentiae immensitate. Respond[itur]. Omnipraesentia accipitur dupliciter: 1. radicaliter, prout respectum habet ad ipsum DEUM essentia infinitum & immensum. 2. relative, prout respectum habet ad creaturas, quibus ita praesens DEUS, ut eas conservet & gubernet. Praesentia Dei nunquam est otiosa, sed ut Deus est efficacissimus actus, ita quoque ipsius praesen271
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die konsequente christologische Applikation dieser Bestimmungen, wenn Gerhard in der Entfaltung der communicatio Idiomatum die Mitteilung der so erläuterten Omnipräsenz dann nicht mehr loziert in der Rubrik „Quod Christo secundum humanam naturam data sint idiomata vere divina“, 280 sondern unter der neu ansetzenden Bestimmung: „Quod Christus etiam secundum humanam naturam opera vere divina efficiat“ – die Allgegenwart der Menschheit Christi meint deren Teilhabe an der Herrschaft Gottes!281 Den damit signalisierten Anschluß an die Gießener Position belegt auch Gerhards Unterscheidung der Status Christi. Anders als die wechselseitige, jedes Extra ausschließende ‚interne‘ Präsenz der Naturen füreinander, die, weil strikt mit Konstitution und Vollzug der unio personalis selbst gegeben, kontinuierlich besteht, aber keinen Bezug auf die Kreaturen hat, ist die mit dem dominium identifizierte omnipraesentia zwar mit der unio personalis als Potenz verliehen (majestas omnipraesentiae), ihr ‚vollständiger Gebrauch‘ wird allererst mit der Erhöhung gesetzt.282
3. ‚Effari non possum, sed firmiter credo‘ – Kapitulationen Anliegen und Problematik der Gießener Neubildung dokumentiert in einem die Analyse, die B. Meisners Brevis Consideratio (Sept. 1621)283 diesem als nachrangiges Problem – Quaestio secundaria & minus principalis – gewerteten Nebenthema des Konflikts zuteilwerden läßt: Num in quovis praesentiae gradu uti datur peculiaris Dei actio, ita detur etiam peculiaris & distincta propinquitas substantialis?284 3.1 Auch an diesem Nebenpunkt um eine sachliche und auf Konsens orientierte Aufarbeitung bemüht, referiert Meisner zunächst mittels eines breiten Zitats aus einem Brief Mentzers die Gießener (affirmative) These (339–341), um dann eine Liste der möglichen tia semper conjunctam habet operationem quandam. Priore modo omnipraesentia omnino unum cum divinae essentiae immensitate. Deus enim inde atque ideo omnipraesens est quia est infinitus et immensus ... Posteriore modo ab essentiae immensitate distinguitur, ac efficacem potius DEI actionem cum illa adessentia conjunctam, quam absolutam Dei attributam notat“ (Ex. Loc. II, sect. VIII, §§ 181 [ed. P REUSS, Tom.1, 326a]). 280 Ex. Loc. IV, cap. XII, § 214 [ed. P REUSS, Tom.1, 553a] – als solche der Menschheit Christi mitgeteilte Idiome werden spezifiziert: 1. omnipotentia, 2. omniscientia, 3. vis vivificandi, 4. potestas judicium faciendi (Ex. Loc. IV, cap. XII, §§ 214.215.216.217 [ed. P REUSS, Tom.1, 553a–554a.554ab.554b–555a.555ab]). 281 „Quod Christus etiam secundum humanam naturam opera vere divina efficiat, patet ex eo: 1. quia secundum humanam naturam vere praesens omnia in coelo ac terra potentissime gubernat, quod praesens ac potens Christi dominium omnipraesentia vocatur“ (Ex. Loc. IV, cap. XII, § 218 [ed. P REUSS, Tom.1, 555b]). 282 Ex. Loc. IV, cap. XII, § 218(–219) [ed. P REUSS, Tom.1, 555b–556b(/557b)]). 283 Brevis Consideratio recentis controversiae, de divina apud creaturas praesentia (1621, abgedr. Apologia, 1625, 297–347). – Folgende Belegangaben hierauf bezogen. 284 So die Formulierung der 3. Quaestio im ‚Caput II. Quaestiones secundarias & minus principales considerans‘ (336–346): 339–344, hier: 339. – Meisner zitiert hier in zwei Passagen aus (2?) ihm zugegangenen Briefen Mentzers (339–341. 343f). Auch die zwischen den ausgewiesenen Mentzer-Zitaten plazierte Liste möglicher Einwände gegen die Gießener These (341f) dürfte Zitat oder jedenfalls Referat eines Briefes Meisners an Mentzer sein, da das zweite Mentzer-Zitat auf eben diese Argumente contra antwortet.
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Argumente contra (341f) und pro (342f) anzuschließen. An erster Stelle steht ein fundamentaler Einwand aus der ungeklärten und unklärbaren Semantik des zentralen Elements der fraglichen Behauptung: „Es kann nicht erklärt, ja fast nicht einmal verstanden werden, was denn jene specialis propinquitas überhaupt sei“. Nach Gießener Lesart – in Darmstädter Modifikation – umfaßt die praesentia gratiosa, wie jeder gradus praesentiae, neben der spezifischen operatio auch eine spezielle propinquitas, welch letztere sowohl von jener der praesentia universalis eigentümlichen propinquitas generalis als auch von Gottes allgemeiner indistantia kraft der Unermeßlichkeit seines Wesens, wie sie allen Graden der modifizierten Präsenz unspezifisch vorausliegt, real unterschieden sein soll. Nur – so die von Meisner aufgemachte ‚Rechnung‘: „Wenn ich von dieser [reklamierten propinquitas specialis] die gnädige Handlung und die indistantia communis und die propinquitas generalis abziehe, dann sehe ich überhaupt nicht, was (noch) Besonderes übrig bleibt“ – ein zusätzliches, allein den Glaubenden geltendes distinktes Moment an göttlicher ‚Nähe‘ über das bereits mit der indistantia communis und der (den Gläubigen qua Geschöpf geltenden) propinquitas generalis Konzipierte hinaus läßt sich gar nicht fassen.285 – Diesem prinzipiellen Einwand treten die unlösbaren Schwierigkeiten an die Seite, die der Gießener These aus der Bestimmung Gottes als substantia infinita entstehen: Eine besondere ‚Annäherung‘ (oder, gegenläufig: ein Entfernen) der göttlichen Substanz kann im eigentlichen Sinne ebensowenig gedacht werden; diese These läuft hinaus auf die Negation der Infinität oder introduziert de facto neben der unveränderlichen unendlichen Gottheit eine zweite, variable göttliche Substanz.286 3.2 Was kann, angesichts dieser Phalanx ganz fundamentaler Einwände, überhaupt für die Approximationsthese vorgebracht werden? Einzig und allein das biblische Zeugnis, das eindeutig und ausdrücklich eben jene Aussagen von der Annäherung und dem Entzug Gottes, von dessen besonderer Nähe und Einwohnung in den Gläubigen enthält, welche das auf Stringenz und Konsistenz des Begriffs verpflichtete theologische Denken nicht einzuholen vermag. Entscheidend – nun auch für Meisner gewichtig – ist, daß das
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„I. Explicari, imo fere concipi nequit, quidnam sit illa specialis propinquitas? Nam debeo tria cogitare, [1.] indistantiam communem ex immensitate fluentem, deinde [2.] propinquitatem generalem, qua Deus omnibus creaturis & sic etiam sanctis adest, atque tandem rursus [3.] specialem aliquam & substantialem propinquitatem. Ab hac [sc. 3.] si benignam operationem & indistantiam communem, & propinquitatem generalem abstraham, sane non video, quid remaneat distincti ...“ (341). 286 „Et quomodo illa substantia, quae est omnia in omnibus, quae sic est omnibus, ut nec punctulum interstitij cogitari poßit, substantialiter vel secundum suam substantiam magis appropinquare potest fidelibus? Semper ita cogitat mens nostra: Deus, quum appropinquare dicitur sanctis, vel | magis appropinquat ratione substantiae, vel ratione gratiae. Nam quoad substantiam, quia haec est infinita, nulloque modo & respectu substantiali abest a creaturis, quum sit omnia in omnibus. Ergo propinquitas illa specialis nihil nisi peculiarem Dei gratiam videtur notare ... Si praesentia gratiosa supponit substantialem quandam & specialem propinquitatem, tum sequeretur Deo ab impiis recedente, eum simul & quodammodo ab ijsdem recedere quoad substantiam ... Ast hoc, quomodo fieri potest? Num infinitum, quod omnia penitißime replet, ullo aliquo modo potest a creaturis retrahi, & substantialiter sejungi? ... Quomodo ... infinita substantia potest substantialiter separari a creaturis? Certe quatenus separatur, eatenus infinita non est, unde quis imperitior facile sibi imaginari poßit duplicem in Deo substantiam, unam infinitam, secundum quam sine omni separatione adest omnibus; alteram non talem, quae sit variabilis, quae ad sanctos accedat, & a non Sanctis substantialiter recedat“ (341|f).
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einheitliche Thema dieser biblischen Texte, die praesentia specialis, hier eindeutig als eine besondere ‚Verbindung‘ Gottes mit den Gläubigen (specialis conjunctio Dei & piorum) verstanden wird, die von Gottes allgemeinem Weltverhältnis kategorial geschieden ist – eine fundamentale Differenz, die so nicht lediglich durch ein eigentümliches Handeln Gottes konstituiert sein kann, sondern durch ein neues Beieinander von Glaubendem und Gott selbst, durch – ontologisch formuliert – eine besondere Verknüpfung der Substanzen beider konstituiert ist.287 Es ist dieser unabweisbare Kern des biblischen Zeugnisses von der Verbindung oder Unio des göttlichen Wesens selbst mit dem Menschen, der die prima facie unhaltbare Gießener These rechtfertigt, ja erfordert.288
3.3 Die konzisen Einwände gegen die These einer propinquitas specialis sieht Meisner durch diesen Rekurs auf das Schriftzeugnis der besonderen Verbindung Gottes mit den Gläubigen als solche keineswegs widerlegt. Dies beansprucht auch Mentzers Stellungnahme nicht, die der Wittenberger Rezensent mit einem weiteren Briefauszug dokumentiert.289 Sachliche Aporien werden hier von Mentzer mit fast provozierender Offenheit eingestanden: Die Frage nach dem Inhalt jener specialis propinquitas – nicht stringent zu beantworten; die Rede von einem Kommen und Gehen der doch unendlichen Substanz Gottes – „das scheint tatsächlich absurd“. Nur – sich diesen Aporien und Einwänden zu beugen, hieße der nach Konsistenz fragenden Spekulation der Vernunft Vorrang vor dem eindeutigen Schriftzeugnis von der ‚allerinnigsten Zusammenleimung der Gläubigen mit Christus‘ als ihrem Haupt zu geben, hieße den ‚allersüßesten Trost‘ dieser Einwohnung Christi zu verspielen. „Quid ergo? Effari non possum: sed firmiter credo, istam Christi in nobis inhabitationem …“.290 287
„... me[! – Meisner] hoc movet, quod specialis praesentia sit specialis conjunctio Dei & piorum. Conjunguntur a[utem] ratione ipsius substantiae, quae est in utrisque, sic ut Dei substantia ipsa magis arcte unita sit cum fideli, quam cum quodam lapide“ (342). 288 „Ubi est diversa & specialis ipsarum substantiarum conjunctio, ibi est etiam diversa & specialis propinquitas substantialis. quia conjunctio fit inter ipsas substantias, & in substantiis[,] non in operationibus: Sed diversa & specialis est substantiarum conjunctio in κατοικησει gratiosa, quia ipse Deus, ipsa Dei essentia dicitur conjungi & uniri cum sanctis specialiter. Ergo &c.“ (343) 289 „Quod attinet argumenta pro parte negante superius prolata, ad ea Dn. D. Mentzerus ita respondit in quadam epistola“ (343f, hier: 343 290 [Mentzer-Zitat:] „Discrimen postulas inter propinquitatem generalem, & specialem Dei. Dabo: Dominus non est in medio immorgerorum Iudaeoru[m]: Longe abest ab impiis, &c. de speciali, non de generali, praesentia intelligi oportet. Quicquid promittitur & praestatur solis piis, non commune reliquis hominibus & aliis creaturis, id speciale est. Talis est gratiosa praesentia. E[rgo]. Sed negas, id necessario intelligi de speciali propinquitate substantiali, & sic arguis: Tria cogitari (1.) indistantiam ex immensitate (2.) propinquitatem generalem (3.) Propinquitatem speciale[m]. Ab hac si praecidas benignam operatione[m] & indistantiam communem, & propinquitatem generalem: dicis nihil distincti remanere [das Kursivierte identisch mit Meisners Einwand; o. Anm. 285]. Respondeo: Operationem a divina praesentia abstrahere mens nostra potest, sed divina Scriptura non solet. Deinde arctißima illa agglutinatio, qua pii sunt insiti Christo, tan-
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B. Der Gießener Streit über die Allgegenwart Christi (1616–1618)
Diese Strukturierung der Debatte als Konflikt konkurrierender Positionen, der sich nicht mehr argumentativ auflösen läßt, sondern vor die Entscheidung einer vorausliegenden fundamentaltheologischen Alternative stellt, macht sich am Ende auch Meisner zu eigen. Im Streit von Vernunft und Offenbarung ist dieser entschlossen der Vorrang einzuräumen; die zugestandenen Aporien der Gießener These sind als Ausweis der Schwäche und Begrenzung des menschlichen Verstandes zu akzeptieren, der sich der überlegenen Tiefe des offenbarten ‚Geheimnisses‘ nur demütig beugen kann.291 Der Skandal eines öffentlichen Streites über dieses Thema verbietet sich jedenfalls entschieden: „freundschaftlich und privat laßt uns darüber verhandeln, bis allen die klare Wahrheit kund wird“.292
V. Zwischen Melanchthon und Leibniz? – Zwischenbilanz 1 V. Zwischen Melanchthon und Leibniz? – Zwischenbilanz 1
Mit diesem trotzig vorgetragenen credo quanquam absurdum, das die Einwände des Kontrahenten vom Tisch wischen will, indem es die monierte Aporetik des eigenen theologischen Begriffs allzu umstandslos mit dem göttlichen Geheimnis identifiziert – und verwechselt, dürfte keine gültige Summe des Mentzer’schen Programms formuliert sein. Ganz zufällig ist dieser theologische Eskapismus andererseits nicht, da die notierte qua[m] suo capiti, no[n] est immensitas, non est illa communis indistantia, non est praesentia generalis, neque tamen sola est benigna operatio. Quid ergo? Effari non possum: sed firmiter credo, istam Christi in nobis inhabitationem, qua cum ipso unum corpus efficimur, tam esse substantialem nexum, & copulum, & conjunctionem, qua nihil dulcius, nihil suavius, nihil consolatione plenius esse vel cogitari in hac vita poßit. Ergone, inquis, recedente ab impiis Deo, quoad substantiam recedere putabitur? Absurdum id sane videtur. Sed audiamus Scriptura[m]. Veniente ad homines in assumta forma Deo, vere & proprie venire dicitur, & recedere, absq[ue] illa [l.: ulla?] naturae divinae, sive immensitatis, sive communis illius indistantiae mutatione. ... Quare non hic indulgeo speculationib[us] de immensitate, & quae ex ea consequi videntur. Sed teneo ipsam literam Scripturae, & catholicam omniu[m] orthodoxorum interpretationem. Neque tamen necessum est, fingi in Deo geminam substantiam, infinitam, qua omnia impleat, & finitam qua ab impiis recedat. |Nam eadem numero substantia divina est in omnibus creaturis non inclusa, & extra omnes non exclusa, sine ulla mutatione sive conversione“ (343|f). 291 „Atque haec sunt, quae affirmativam [decisionem] quaestionis satis reddunt probabilem. Neque obstat aliud quicquam, quam mentis nostrae imbecillitas, quae intelligere nequit: quomodo infinita Dei eßentia cum quibusdam creaturis arctius quoad substantiam conjungi queat, quam cum aliis. Quia tamen Scripturae litera idipsum innuit, qua longe arctior est conjunctio Christi cum Ecclesia, quam cum impiis, qua Deus ijs, non operatio Dei, recedere dicitur ab impiis &c. non tanti faciamus nostras speculationibus, ut revelata negemus, quia intelligere non valeamus. Agnoscamus humiliter mysteriorum Dei sublimitatem, quam non negemus propter nostram incapacitatem“ (344). 292 „... Amice & privatim conferam[us], donec omnib[us] clara innotescat veritas, nec apud simpliciores scandalum, apud adversarios tripudiu[m] excitemus“ (344).
V. Zwischen Melanchthon und Leibniz? – Zwischenbilanz 1
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‚prinzipielle‘ voluntaristische Interpretation der Personeinheit293 mit der Verabschiedung ontologischer Kategorien jedenfalls christologisch die Anforderungen an die systematische Konsistenz des Arguments reduziert. Die Gießener Kontroverse war hier als Terminus a quo des anschließenden Tübinger Widerspruchs gegen Mentzer nachzuzeichnen. Die in dieser Perspektive gewonnenen Ergebnisse sollen noch einmal zusammengefaßt und mit Thesen der bisherigen Forschung verglichen werden. 1. Den Anstoß der Kontroverse in Gießen bildet Mentzers ‚neue‘ Definition der göttlichen Weltgegenwart. In ‚Prinzipialisierung‘ schon länger (spätestens mit dem Anti-Martinius von 1604) vorgetragener Festlegungen, die den tätigen Charakter der praesentia divina betonen, diese Aktuosität aber noch als ein zweites, neben dem Dasein Gottes kraft der immensitas essentiae gegebenes und zu diesem hinzutretendes Moment verstehen, geht Mentzer 1615/1616 über zu einer strikten Identifizierung des bisher nur Verknüpften; allein damit sei der der maßgeblichen biblischen Norm gerecht werdende Begriff erreicht: Gottes Gegenwart „ist“ sein von den Geschöpfen in je diskreter Gestalt (modi, gradus praesentiae) erfahrenes Tun; eine reale Differenz (discrimen; aliud distinctum) zwischen diesem Tun und dem Dasein Gottes läßt sich jedenfalls theologisch nicht sachhaltig benennen. Diese strikte Identifizierung führt dazu, die so begriffene Gegenwart aus allen ontologischen Bezügen zu lösen. Theologisch impliziert das ihre genaue Unterscheidung von den das unveränderliche göttliche Wesen beschreibenden Attributen und weiter ihre Begründung ausschließlich im Willen Gottes (est liberae voluntatis). Christologisch kommt es, korrespondierend, zu einer Verabschiedung des Zusammenhangs mit der ontologischen Struktur der Person Christi, die der Begriff der unio personalis festhält; an dessen Stelle tritt die Verankerung der praesentia Christi in dem Amt Christi als dem Inbegriff des willensregulierten Tuns dieser Person; über die ratio officii – sc. das nach lutherischer Lesart hier festgeschriebene operari secundum utramque naturam – soll dann auch die Mitgegenwart der Menschheit Christi belegt werden. 2. In dieser 1616 provokant zugespitzten Definition der göttlichen Gegenwart als actio sehen Mentzers Fakultätskollegen J. Winckelmann und J. Gisenius trotz Mentzers gegenteiliger Versicherung nicht mehr ausreichend die lutherische Überzeugung zur Geltung gebracht, daß das Tun Gottes (und Christi) immer das Tun eines als es selbst Gegenwärtigen (Dei/Christi praesentis operatio) sei, und attestieren dieser neuen Position eine (faktische) ‚Tendenz‘ zu der sozinianischen These eines abständigen Wirkens Gottes, wie sie christologisch strukturanalog in der reformierten Sicht der Mitwirkung der Menschheit Christi begegne. Sein positives Pen293
Vgl. o. B.III.3.
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B. Der Gießener Streit über die Allgegenwart Christi (1616–1618)
dant findet dieser Einwand in der Betonung der Eigenständigkeit der göttlichen praesentia als eines zwar ‚relativen‘, doch in der Unermeßlichkeit des göttlichen Wesens selbst begründeten Attributs, das als ein distinktes, perennierendes Element in Verknüpfung mit einer je spezifischen actio die allerdings tätige Providenz Gottes konstituiert, aber niemals in dieser verknüpften actio selbst aufgeht. Dieser ‚ontologische‘ Begriff der praesentia divina hat christologisch zur Folge, daß die Mitgegenwart der natura humana nicht aus der (isolierten) ratio officii, sondern grundlegend „ex unione personali“ und der hier statthabenden Mitteilung Gottes an die Menschheit zu begründen ist. 3. Diese die tradierten Bestimmungen lutherischer Christologie repetierenden Einwände vermögen Gisenius und Winckelmann der Sache nach im Darmstädter Rezeß insoweit durchzusetzen, als die hier für die weitere Debatte verfügten Grenzziehungen verbindlich festschreiben, daß Gottes Weltverhältnis stets ‚zwei Stücke‘, Gegenwart (propinquitas) und Tätigkeit, ‚in sich begreife‘. Mit dieser von Mentzer akzeptierten, doch ‚definitorisch‘ (um)gelesenen Addition ist dessen ursprünglicher These von 1616 die Spitze abgebrochen, da diese in Grundlegung und Abzweckung auf der strikten Identifizierung von Gegenwart und actio basiert. Mentzers Versuch, das Programm dennoch auf der Basis der Darmstädter Modifikation zu reformulieren, ‚gelingt‘ nur um den Preis problematischer Neubildungen (approximatio peculiaris divinae substantiae), die an nicht mehr aufgelösten Aporien und Inkonsistenzen laborieren. 4. Nicht in den theo-logischen Begriffsbestimmungen der praesentia divina, sondern in der darauf aufruhenden christologischen Applikation liegen das Interesse und der Zielpunkt des Mentzer’schen Entwurfs. 4.1 Demgegenüber hatte H.E. Weber294 gerade in Mentzers Versuchen einer operativen Definition der Gegenwart Gottes das zentrale und ‚vorwärtsweisende‘ Moment der Gießener Theologie sehen wollen, in eins damit zugleich jenen Punkt, an dem die Differenz zwischen Tübingen und Gießen besonders manifest werde 295 – zudem eine Einsicht von ganz grundsätzlicher Bedeutung, die, von den damaligen Kontrahenten nicht erkannt, weit über den ursprünglichen Zusammenhang hinausreiche. 296 Gegen den „alten starrobjektiven Substanzbegriff“ der Tübinger, der, am ruhenden Sein orientiert, zu einer adäquaten „Würdigung der geschichtlichen Erscheinung“ unfähig ist und damit auch den „Übergang von irdischer und himmlischer Existenzweise im Leben Jesu ... zum schier unlösbaren Problem“ werden läßt (152), zielt Mentzers Präsenzbegriff auf eine tiefgrei-
294
H.E. W EBER, 1908, 92–102. 151–171; folgende Belegangaben hierauf bezogen „Der Unterschied der beiden Schulen kommt bezeichnend zum Ausdruck in der Ableitung des vor allem strittigen Prädikats der Allgegenwart“ (1908, 96. 296 „Auf dem Boden der Christologie ist in dem Kampfe von Theologie und Metaphysik in der Orthodoxie der | entscheidende Schlag geführt, dem dadurch seine Bedeutung nicht genommen wird, daß die Orthodoxie selbst aus naheliegenden Gründen seine Tragweite nicht erkannt, geschweige ausgenutzt hat“ (151|f). 295
V. Zwischen Melanchthon und Leibniz? – Zwischenbilanz 1
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fende „Umgestaltung“ solcher „alten Substanzanschauung“, „in welcher wir die eigentlich vorwärtsweisende Linie zu erblicken haben“ (153). „Biblizismus und Spekulation in innigste Verbindung“ bringend (158) und in Weiterbildung von Gedanken J. Schegks (159–162) und M. Chemnitz’ (163) zur Personeinheit als Wirkungseinheit entwickelt Mentzer mit der Definition der Gegenwart Gottes als Tat und Wirken nicht weniger als einen neuen „Substanzbegriff“ (163), der Gott nicht länger als ein „starres, sich selbst immer gleiches Sein“ denkt, sondern als eine „lebendige Aktualität, die in ihrem ganzen Sein einem Willen unterliegt“ (165) – eine theologisch entscheidende Weiterführung, auf deren Basis dann auch gegen die Tübinger ‚doketische‘ Vergleichgültigung der Zäsur im Leben Christi „die exinanitio in ihrem Recht zur Geltung“ gebracht werden kann (163). Die Verabschiedung des „auschließlich am ruhenden Sein orientierte[n] Denken[s] der alten Metaphysik“ (167) „eröffnet ... die Möglichkeit, die Glaubensanschauung vom verklärten Herrn in Einklang zu bringen mit der Wahrheit des irdischen Lebens Jesu, da keine unveräußerlichen ‚Seinsprädikate‘ | mehr störend dazwischentreten“ (167|f). Mit dieser Konzeption markiere Mentzer nicht nur „den höchsten Punkt in der Entwicklung der orthodoxen Christologie“ (168), sondern habe jedenfalls dem „Ansatz“ und der Intention nach nicht weniger als eine „Metaphysik des Glaubens“ (163) formuliert, deren ‚klare und deutliche‘ Ausarbeitung dann freilich Leibniz vorbehalten blieb. 297 Die vorstehend notierten Ergebnisse der aktuellen Untersuchung stützen diese hoch taxierende und weit ausholende Würdigung des Mentzer’schen Entwurfs nicht; die gegen Webers Interpretation vorgebrachte Skepsis der älteren298 und neueren299 Forschung ist insoweit zu bestätigen. Auf eine grundsätzliche Korrektur der alten Substanzanschauung zielt Mentzers Definition der göttlichen Gegenwart als actio nicht. Der tradierte Substanzbegriff wird von ihm vielmehr vorausgesetzt und kann geradezu als Argument zur Stützung der neuen Präsenzdefinition eingesetzt werden;300 überhaupt ist es – wie später
297
Erst Leibniz, „[d]er größte Sohn der protestantischen Schulphilosophie schuf den großzügigen philosophischen Entwurf zu dem Mentzerschen Ansatz. Klar und deutlich hat er es ausgesprochen, daß nur ein neuer Substanzbegriff, der das Moment der Aktualität in den Mittelpunkt stelle, | die theologischen Probleme lösen könne“ (170|f). 298 So teilt O. RITSCHL zwar Webers Charakterisierung der Tübinger Gegenposition als durch das „Interesse an der damals um sich greifenden neuscholastischen Metaphysik“ geprägt, kann aber doch in der maßgeblich von Mentzer formulierten Gießener Präsenzlehre „keineswegs eine neue Ansicht, | sondern nur die von Melanchthon überkommene Auffassung“ erkennen (1921, 346|f) und vermag so „Weber ... nicht darin beizustimmen, daß Balthasar Mentzer der Urheber einer neuen Auffassung des Substanzbegriffs und als solcher den übrigen Theologen seiner Zeit an allgemeiner Bedeutung überlegen gewesen sei“ (ibd. 347 Anm. 1). Der Abstand der Gießener Präsenzlehre zur melanchthonischen Vorlage dürfte unterschätzt sein; Ritschls Reserve hinsichtlich einer darüber entscheidend hinausgehenden ‚allgemeinen Bedeutung‘ dieser Weiterentwicklung besteht m.E. jedoch zu Recht. 299 „Es müßte geprüft werden, ob Webers Enthusiasmus für die Gießener nicht doch zu sehr das positive Vorurteil des Leibniz’schen Substanzbegriffes – être capable d’action – wiederholt“ (W. SPARN, 1976, 187). – Resonanz fand Webers Sicht beim ‚frühen‘ J. B AUR, 1962, 109: das dort als Quenstedts Ausdruck des vom Glauben zu wagenden ‚Paradoxes‘ positiv notierte ‚effari non possum, sed firmiter credo‘ (109 Anm. 78) ist – von Quenstedt auch ausgewiesenes – Zitat des oben besprochenen Satzes Mentzers; vgl. o. bei u. mit Anm. 290. 300 Vgl. den (ursprünglichen) Rekurs auf die Infinität der substantia Dei, o. B.II.1.3.
112
B. Der Gießener Streit über die Allgegenwart Christi (1616–1618)
noch eingehender darzulegen bleibt – gerade Mentzers Christologie, die in verschiedener Hinsicht ‚metaphysisch‘ begründete Restriktionen aufweist, während die vermeintlich der ‚Seinsmetaphysik‘301 verfallenen Tübinger, in Weiterführung der ‚Tendenzen‘ schon der ‚metaphysischen‘ Neuorientierung lutherischer Christologie seit der Wende zum 17. Jahrhundert, gerade durch eine konsequente Klärung der ontologischen Implikate ihrer christologischen Thesen über metaphysische Grenzziehungen hinausgelangen. 302
4.2 Zwar bildet das theo-logische Thema der Definition der praesentia divina den Anlaß der Debatte in Gießen. Doch ist Mentzers Vorschlag von Anfang durch einen christologischen Zielpunkt motiviert: die Begründung der ‚praesentia Christi in utraque natura‘ alternativ zu den tradierten ontologischen Argumenten als Setzung des allmächtigen Willens Christi. Den Horizont der Neuentwicklung bildet die kontroverstheologische Auseinandersetzung besonders mit der reformierten Christologie. Einem von dieser Seite vorgebrachten zentralen Einwand gegen die lutherische Ubiquitätsthese will Mentzer (wirksamer als bisher) begegnen: Eine Allgegenwart auch der Menschheit Christi zu behaupten, heiße, mit der wesentlichen Begrenztheit deren kreatürliche Identität überhaupt zu negieren: nihil est ubique, nisi sit absolute infinitum & immensum!303 Dieses dem reformierten Einspruch zugrundeliegende ontologische Axiom sucht Mentzer auszuhebeln, indem er die fragliche ‚Allgegenwart‘ schon theo-logisch nicht mehr im strikten Sinn als Attribut, sondern als Tat Gottes definiert, welche ihre Begründung nicht in der Immensität des göttlichen Wesens, sondern im allmächtigen Willen Gottes hat. Entsprechend nimmt die christologische Applikation ihren Ansatzpunkt nicht mehr bei der Ontologie der Personeinheit (unio personalis), sondern rekurriert unmittelbar auf das Amt Christi als den Inbegriff des Handelns dieser Person: wie alles Handeln übt Christus auch seine operativ verstandene ‚Gegenwart‘ nach beiden Naturen aus. Diese insoweit nun konsequent ‚ontologie-abstinente‘ Begründung der lutherischen These läßt sich dann ihrerseits polemisch gegen die reformierte Christologie zurückwenden, die jene Zuschreibung des Amtes Christi an beide Naturen als solche teilt – die dort aber gleichwohl vertretene Behauptung einer Gegenwart des Handelnden nur nach seiner Gottheit unter Ausschluß der Menschheit sei dann inkonsistent.304
301
H.E. W EBER, 1940, I/2, 159. Vgl. dazu bilanzierend u. D.V.2 und bes. F.II. 303 CL. T IMPLER, vgl. o. bei. u. mit Anm. 137. 304 Angelegt schon früh (hier noch in der additiven Zuordnung von Gegenwart und Tun): „Arguit [Martinius] ex Cantico Lutheri. Christus est nobiscum, mit seinem Geist und Gaben. Ergo non suo Corpore. Respondeo, Gratia Dei non tollit Dei praesentiam, sed ante se requirit. Quare sic vertendum: Christus adest sua gratia. Ergo Christus est vere praesens. Non enim Christus separatus est a sua gratia, ut haec quidem adesse, ipse abesse possit. Neque dicit Christus: mea gratia erit in medio illorum: Sed Ego, Ego Chri302
V. Zwischen Melanchthon und Leibniz? – Zwischenbilanz 1
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4.3 Mentzers Entwurf bedeutet einerseits eine Neuerung, welche die auf die unio personalis konzentrierten Argumente der tradierten lutherischen Apologetik zwar nicht direkt bestreitet, faktisch aber weitgehend marginalisiert. Doch seine dazu alternativ etablierte voluntaristische Interpretation der Personeinheit – Christus quicquid vult potest – lenkt zugleich zurück zu Grundoptionen, die am Anfang der Ausbildung einer konfessionsspezifisch werdenden ‚lutherischen‘ Christologie standen und in dem halben Jahrhundert theologischer Weiterarbeit seit ca. 1560 eindeutig verabschiedet worden waren. Jedenfalls in dieser christologischen Perspektive stehen Mentzers ‚neue‘ Thesen rückwärtsgewandt gegen den ‚Trend‘ der lutherischen Lehrentwicklung. Eine eingehendere Analyse dürfte zeigen können, daß das Profil dieser auffälligen Regression durch das en passant in Vorschlag gebrachte Stichwort einer ‚Remelanchthonisierung‘ angemessen klassifiziert ist.305 Am jetzt erreichten Punkt kann die Untersuchung zu den Tübinger Texten selbst übergehen. Die Schwaben haben zwar die Auseinandersetzung über den theo-logischen Begriff der praesentia divina keineswegs ignoriert. Ihre Kritik aber richtet sich primär und unmittelbar auf die christologische Applikation des Mentzer’schen Entwurfs. Und sein Zentrum hat dieser Einspruch in einer Frage, die in dem Gießener ‚Präludium‘ gar nicht diskutiert worden war – deswegen nicht diskutiert worden war, weil über dieses dann zum punctum principale des großen christologischen Konflikts avancierende Thema unter den Gießener Streitparteien kein nennenswerter Dissens bestand.
stus | ero in medio illorum“ (Anti-Martinius [1604]; Opera II, 233b.|243a). – „absurdum est, fateri Christi operationem in Ecclesia, & ejus negare praesentiam“ (ibd. 324b). 305 „… hinter Brenz zurückgehend und in erneutem Anschluß an Chemnitz und Melanchthon“ (MAHLMANN, 1987, 163b; Kursivierung M.); Mentzer bringe „durch einen materialen Rückgriff auf Melanchthon die durch Brenz und Chemnitz konstituierte lutherische Christologie in die Krise“ (J. BAUR, [1977, 231 =] 1993h, 245; vgl. auch o. A.II. 1.3). – Der Frage, welchen Platz Mentzer innerhalb des differenzierten Spektrums lutherischer Christologie am Anfang des 17. Jh.s näherhin einnimmt, wird an späterer Stelle noch weiter nachzugehen sein; vgl. u. E.I.2–6.
C. Logos factus est Christus – Die ,neue‘ Tübinger Christologie in statu nascendi C. Die ‚neue‘ Tübinger Christologie in statu nascendi 1
I. ‚Mentzerum in viam reducendum‘ – Die Tübinger Intervention I. ‚Mentzerum in viam reducendum‘ – Die Tübinger Intervention
Mentzers Versuch vom November 16162, die Tübinger Professoren in die Gießener Kontroverse zu ziehen, bleibt ohne Echo. Sein Schreiben im Herbst 1618 erneuert, abermals ohne Kenntnis der Gießener Kontrahenten, die Bitte um kollegiale Meinungsäußerung, nun auf Hafenreffer beschränkt.3 Doch vergeht noch einmal nahezu ein weiteres Jahr, ehe die Schwaben mit Datum vom 1. September 1619 das wiederholt als so dringlich erbetene Votum auf den Weg bringen. Von den ursprünglichen Adressaten des Jahres 1616 gehört nur noch Hafenreffer zu den Unterzeichnern der Tübinger Stellungnahme. Wo liegen die Gründe für diese – im Blick auf die Gepflogenheiten früherer Korrespondenzen zwischen Mentzer und Hafenreffer4 – auffällig zögerliche Reaktion? Die Tübinger werden auf Mentzers notorische Unwilligkeit verweisen, einmal bezogene Positionen wieder aufzugeben. Konsultationen zwischen Tübinger Fakultät und Stuttgarter Konsistorium bereits nach der ersten Anfrage von 1616 hätten zur Verabredung geführt, ‚Mentzer nicht zu antworten‘, welche Entscheidung trotz weiterer Nachfragen des Gießeners durchgehalten worden sei. Eine Stellungnahme schien wenig aussichtsreich, die absehbare Ausweitung der einmal eröffneten Debatte zum Skandal habe abgeschreckt; auch fehlten in den akademischen Tagesgeschäften zunächst Zeit und Muße, die vorge1
Acta Mentzeriana, 1625, 62; zum Zusammenhang vgl. u. Anm. 61. Brief vom 7. Nov. 1616 (Acta Mentzeriana, 1625, 56); vgl. o. B.I.2.1. 3 Brief vom 10. Sept. 1618 (Acta Mentzeriana, 1625, 57) – über eineinhalb Jahre nach der vorgeblichen Beilegung des Gießener Fakultätsstreites durch den Darmstädter Rezeß (vgl. o. B.IV.1). – Die Einschränkung des Adressatenkreises wird von den Tübingern später eigens protokolliert: „non amplius commune Collegarum votum (dubio procul, quia ipsi responsum non fuit) sed D. Hafenrefferi privatum expetiit“ (Acta Mentzeriana, Praef. fol. c2r). Der Tübinger Rückschau zufolge hätte es noch mindestens einen weiteren Brief Mentzers an Hafenreffer gegeben: „postea anno 1617 & 1618. adhuc non semel sed bis terve, uti Acta Collegii Facultatis Theologicae Tubingensis ostendunt, ad eundem Dn. Hafenrefferum p.m. scripsit [Mentzer]“ (ibd.); vgl. auch: „Impetravit ... Mentzerus post quartam ... admonitionem responsionem“ (Acta Mentzeriana 232). 4 Vgl. u. E.I.2. 2
I. ‚Mentzerum in viam reducendum‘ – Die Tübinger Intervention
115
legten Schriften gründlicher zu studieren und zu ermessen, „was die gefährlichen Folgen jener Mentzer’schen Definition [sc. der praesentia divina als actio] sind“. 5 – Mentzer kontert mit der Unterstellung, erst Thumm und Osiander, die in den Jahren 1618 und 1619 neu Berufenen, hätten unerwartet die freundschaftliche Gelehrtenkorrespondenz zur Kontroverse umfunktioniert, ihre völlig neue Position Hafenreffer oktroyierend;6 vollends habe dann erst Hafenreffers Tod (22.10.1619) den Weg für diesen aus unerklärlichen Gründen inszenierten Bruch mit der bisherigen Tübinger Tradition freigegeben.7
5 „Verum enim vero ut Theologi Stuttgardiani atque Tubingenses statim super primis litteris Mentzeri ad Hafenrefferum Anno 1616. datis, consilia communicarunt (ut moris est in hoc Ducatu) atque consentienter certis de causis judicarunt, ipsi respondendum non esse: sic quoque post toties iteratas | petitiones pro privato Hafenrefferi judicio factas in Anno 1617 & 1618. etiamnum collatis sententijs atque votis VNO ORE ομοψηϕως idem ALIQUANDIU existimatum est, idque cum ab alias, tum ob has praecipue causas, quia I. ipsa haec opinio (praesentia est actio formaliter & proprie loquendo) vel ipso verborum sono tam absurda sit, ut neminem ei facile adstipulaturum esse crederent, quidquid etiam Mentzerus machinaretur; quia II. Mentzerus opinionum suarum semel conceptarum sit tenacissimus, & ne jota quidem ulli cesserit: unde necessario scandalum, quod jam etiamnum intra privatos quasi parietes sit conclusum, maius futurum augurabantur, si Mentzeri haec opinio publice etiam a Tubingensibus esset impugnanda; quia III. Collegas, ipsius Antagonistas nondum audiverant: quia item IV. de Mentzero meliora sibi pollicentes, eo ipso etiamnum anno 1618 scripta ipsius, propter alias occupationes, & in specie etiam transmissum Anticrocianum, nondum satis attente pe[r]legerant, neque adeo presse expenderant, quae illius definitionis Mentzerianae periculosa sint consequentia, aut quorsum ille collimaret, animadverterant ...“ (Acta Mentzeriana, Praef. Bl. c2 r.|v; vgl. 231f. 59). – Vgl. J. B AUR, 1993h, 248 bei u. mit Anm. 193. 6 „... feliciter perrexit [Mentzerus] ... adversarios suos Calvinianos oppugnare. Quod dum alacriter facit, ecce Tybingae novum adversus ipsum consilium cuditur, & ne solus luat, collega ei adjungitur gener, D. Justus Fewrbornius ... Habuerat Mentzerus literarum commercium per multos annos cum insigni Theologo Dn.D. Matthia Hafenreffero, eique libros suos, quos edebat, solebat mittere, tanquam ad honorarium censuram, imitatus exemplum ipsius D. Hafenrefferi ... Ita factum, ut quae contra Martinium, & alios ederentur, ad Dn.D. Hafenrefferum pervenirent, ejusque candidum judicium expeteretur. Quam occasionem D. Lucas Osiander, & D. Theodorus Thummius, nescio quo animo & fine, arripientes, literas formant, invitato ad subscriptionis societatem Dn.D. Hafenreffero, ad Mentzerum Cal. Septemb. Anno 1619 ...“ (MENTZER, Defensio, 1624, 7). 7 „In media hac tractatione ... Deus ... ex hac miseriarum valle Dn.D. Hafenrefferum p.m. in cujus locum suffectus Osiander, cum liberiore aura fruetur, disputationem instituit de omnipraesentia, quae cum publice haberetur, Mentzerum tractat asperrime ... ab eo nec verbo, nec facto laesus unquam. Itemque Thummius in suis praelectionibus publicis ... sub nomine Barnabae, errantem Mentzerum traducit indignissime“ (M ENTZER, Defensio, 1624, 56). – Feurborn erklärt, noch einmal zuspitzend, allein Thumm zur letztlich treibenden Kraft des Tübinger Traditionsbruchs – „hujus litigii primipilum“ (Κενωσιγραφια, 1627, Titelbl. verso; Feurborn gibt hier ein Etikett zurück, das zuvor Thumm Mentzer angeheftet hatte: „novae opinionis de omnipraesentia primipilum & autorem“; Ταπεινωσιγραφια, 1623, 3), erst durch ihn sei auch Osiander von seiner früheren Meinung abgebracht worden („qui fertur per Thummium a pristina sua sententia abductus“; ibd.).
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C. Die ‚neue‘ Tübinger Christologie in statu nascendi
Diese ‚einschlagende‘ Behauptung eines fakultätsinternen ‚Putsches‘ (gegen Hafenreffer) mit nachfolgendem ‚Dolchstoß‘ (gegen Mentzer) haben die Tübinger vehement zurückgewiesen.8 Doch trifft Mentzers Deutung insofern etwas Richtiges, als ohne das „umfassende Revirement“, dem die Tübinger Fakultät 1618–1620 unterliegt, die schwäbische Positionsbestimmung nicht erklärt werden kann – es ist tatsächlich „die neue Stimme einer neuen Fakultät“, die sich im Antwortschreiben vom 1.9.1619 zu Gehör bringt.9 Welche Thesen die „neue“ Tübinger Position inhaltlich konstituieren, wird die Analyse der Texte zu erheben haben. Ergänzend seien zunächst einige Vorgänge notiert, die das Umfeld der schwäbischen Intervention vom Herbst 1619 beleuchten. 10
1. Zur Tübinger Wahrnehmung des Mentzer’schen Programms 1.1 Im Frühjahr und Sommer 1619 spitzen sich für die Schwaben die Dinge zu. Die Gießener Kontroverse verläßt ihren Ursprungsort: Von dort an die schwäbische Alma mater wechselnde Studenten11 erweisen sich sämtlich als „von Mentzer verführt“;12 im Tübinger Lehrbetrieb, namentlich in den öffentlichen Disputationen bringen sie wieder und wieder das Thema vor und verteidigen die These ihres Lehrers ‚mit Zähnen und Klauen‘ (mordicus).13 Die Fakultät sieht sich nun unter Zugzwang. Ihre Reaktion wahre Maß und kollegiale Rücksicht, erklären die Tübinger Ordinarien so8
Acta Mentzeriana 60–62. 232. Vgl. u. C.II.3.2.1. Vgl. zu diesen Vorgängen die Skizze bei J. B AUR, (1977, 239–245 =) 1993h, 255– 261, Zitate (239 =) 255. – Lc. (II.) Osiander 1571 (Stuttgart) – 1638 (Tübingen): 1585 Immatrik. Tübingen, 1590 Repetent; 1591 Diakon Göppingen; 1597 Pfarrer Schwieberdingen; 1601 Dekan Leonberg, 1606 Schorndorf; 1612 Prälat Bebenhausen, 1616 Maulbronn; 1619 Dr. theol. u. Prof. Tübingen, 1620 Kanzler (S. H OLTZ, 1993, 413). – Theodor Thumm 1586 (Hausen/Zaber) – 1630 (Tübingen): 1603 Mag. Tübingen; 1608 Diakon Stuttgart; 1614 Pfarrer, Dekan Kirchheim u.T.; 1618 Dr. theol u. Prof. Tübingen (FRITZ, 1939; HOLTZ, 1993, 441; E HMER, 1996). – Zu Matthias Hafenreffer vgl. o. [B.] Anm. 25; HOLTZ, 1993, 397; zu Melchior Nicolai: HOLTZ, 1993, 409f. 10 Die folgende Skizze stützt sich nur auf gedruckt vorliegendes Material, v.a. die historischen Abrisse beider Parteien (o. B.I.1.1), die die Dokumente (Briefe, Akten, etc.) in der rückschauenden Perspektive des voll entbrannten Streites präsentieren. 11 Zur Rolle der Studenten in den ‚gelehrten Konflikten‘ der Zeit – als Sympathisanten, als „oft … wichtigste Informationsquelle über die Aktionen der Gegenseite“, gelegentlich auch als direkt publizistisch Beteiligte – vgl. die am Beispiel des HofmannStreites gewonnenen, aber auch, v.a. hinsichtlich des zweiten Aspekts, für die kenotische Kontroverse einschlägigen Feststellungen von M. FRIEDRICH, 2004, 69–73 (Zitat: 70). 12 „omnes ... a Mentzero seducti“ – so die zugespitzte Formulierung in den späteren Acta Mentzeriana, 1625, 190. 13 Thumm an Mentzer, Tübingen 31.3.1620, Acta Mentzeriana 80. Vgl. schärfer die rückschauenden Notizen: die studentischen Sympathisanten Mentzers „illum [sc. errorem Mentzeri] pertinacissime in publicis disputationibus sine fine & modo defensarunt, & impertinentissime saepe proposuerint“ (Acta Mentzeriana 189); „semina sua non tam per libros, quam per Studiosos suos discipulos (nil ferme nisi de hac materia tractantes & opponentes) etiam in nostra Academia spargere [Mentzerum]“ (Acta Mentzeriana 232). 9
I. ‚Mentzerum in viam reducendum‘ – Die Tübinger Intervention
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gleich im ersten Schreiben an den Gießener Urheber dieses Rumors14, zeigen sich aber entschlossen, diese Entwicklung zurückzudämmen. Das nunmehr klar erkannte Gewicht der Sachfrage machte ein Contra unumgänglich: Eine ‚akkuratere‘ Lektüre der Mentzer’schen Schriften habe die noch 1618 unterschätzte ‚Gefährlichkeit‘ und Reichweite des mit der operativen Definition der praesentia Dei tatsächlich Intendierten vor Augen gebracht – was nur als ein Schulstreit erscheinen konnte, lief auf eine Negation fundamentaler Sätze der lutherischen Christologie hinaus.15 Ein bemerkenswertes Eingeständnis: Daß der Gesamtheit der Ordinarien der Tübinger Fakultät im Kontakt mit den Theologen des Stuttgarter Konsistoriums – mithin der theologischen Elite Württembergs – über Jahre hin und ‚auch noch 1618‘ zunächst verborgen geblieben sei, was Mentzers These über die ‚scholastische‘ Frage der Definition der praesentia divina hinaus für zentrale Fragen der Christologie implizierte, ist angesichts der in dieser Hinsicht klaren Texte des Gießeners mit übermäßiger ‚Arbeitsbelastung‘ allein kaum zu erklären. Es deutet vielmehr darauf hin, daß die dann im Zentrum der Tübinger Antwort stehende Frage der omnipraesentia carnis im Stand der Entäußerung, deren negative Entscheidung in Gießen nicht umstritten war,16 auch in Württemberg zunächst nicht die prinzipielle Bedeutung besaß, die ihr nun zugemessen wird. Hier bedurfte es in der Tat eines ‚Fortschritts‘ – weniger in der Wahrnehmung als in der Bewertung dieser Konsequenz der Mentzer’schen These. Diesen Schritt aber haben, soweit sich sehen läßt, tatsächlich erst die Mitglieder der ‚neuen‘ Tübinger Fakultät, die 1618 bzw. 1619 berufenen Th. Thumm und Lc. Osiander vollzogen. Diejenigen Texte, die eindeutig die ‚neue‘ These der Tübinger Christologie vortragen – keiner von ihnen datiert vor August 1619! –
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„... quorum [studiosorum] iam aliquot sententiam tuam pro disputationibus proposuerunt; sed modeste hactenus & supresso nomine illis respondemus“ (Fakultätsschreiben an Mentzer, Tübingen 1.9.1619; Acta Mentzeriana 72). Vgl. Acta Mentzeriana 80.164f. 15 „Verum accuratius postmodum cum Disputationibus Anti-Crocianis, tum alijs ipsius [Mentzeri] scriptis perlectis & expensis, sicuti negotij gravitas requirebat, demum veram mentem Mentzeri & sonticum ipsius finem, ad quem sub hac definitione contendere, una cum pluribus absurdis consequentijs alijs observarunt [Tubingenses]. Viderunt scilicet, ipsum non tantum omnipraesentiam per operationem formaliter, more & modo Calvinianorum definire, sed & omnipraesentiam carnis Christi indistantem in statu exinanitionis, etiam quoad REM, contra Orthodoxos & Form. Concordiae penitus tollere, unionem & περιχωρησιν naturarum, atque του λογου in assumpta carne non tantum respectu SVI, sed & respectu CREATURARUM, inhabitationem TOTALEM, & vicissim assumptae humanae naturae actualem subsistentiam in infinita του λογου υποστασει vera & sufficientia omnipraesentiae fundamenta esse, cum HOFFMANNO negare, argumenta nostrorum Maiorum, Lutheri, Brentij, & Formula Concordiae, inde contra Calvinianos & Jesuitas deducta, pro omnipraesentia carnis Christi tempore humiliationis indistante enervare, adeoque Calvinianis & Jesuitis, Christum iuxta hu|manitatem, salva licet unionis & περιχωρησει personali, non praesentem asserentibus, haud leve fulcrum substernere. Ex post facto quoque, ut loquuntur, demum magno suo cordolio experti sunt, quid mali, quid mali & veneni sub hac definitione Mentzeri, licet Scholastica solummodo concertatio esse videatur, lateret, & quae alia apud Mentzerum & alios illam acceptantes incommoda sequerentur“ (Acta Mentzeriana, Praef. Bl. c2 v.|c3 r). 16 Vgl. o. B.IV.1.2.
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C. Die ‚neue‘ Tübinger Christologie in statu nascendi
stammen ausschließlich aus der Feder eines dieser beiden Autoren.17 Das Fakultätsvotum vom 1.9.1619 trägt zwar an erster Stelle Hafenreffers Unterschrift, und „[g]ewiß billigte er auch, was er so bestätigte“. 18 Aber es gibt bis in die späteste Zeit keinen Text Hafenreffers selbst, der diese neue These explizit formuliert.19
1.2 Der 1619 in die akademische Öffentlichkeit drängende Dissens der Tübinger mit Mentzer verknüpft sich auf eigentümliche Weise mit jener älteren Debatte, welche die württembergische Kirche und Theologie mit ihrem ‚abtrünnigen‘ Zögling Johannes Kepler über die Realpräsenz des Leibes Christi und – als deren christologisches Korrelat – die Allgegenwart der menschlichen Natur Christi führte.20 Nach den heftigen Anfängen der Jahre 1609/10 und 161221 hatte diese hinter den Kulissen geführte Auseinandersetzung für einige Zeit geruht. 1617 – ein Jahr nach Mentzers erstem Schreiben – wird sie von Kepler neu angestoßen. Auch in diesem Fall ist der direkte Adressat auf Tübinger Seite M. Hafenreffer. An ihn, den seit Studienzeiten in Freundschaft verbundenen ehemaligen Lehrer,22 wendet sich Kepler während eines Besuchs in Tübingen im Spätherbst 1617 mit der Bitte, in der Linzer ‚Abendmahlsaffäre‘ zu vermitteln,23 um Wege aus seiner, Keplers, bedrückenden Lage zu bahnen (... neque mihi erit committendum ut sim perpetuo vivum scandalum);24 brieflich macht er aus Linz die-
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Vgl. u. C.II.2(.5), II.3. J. B AUR, 1993h, 255. Aber auch die spätere Tübinger Schilderung selbst läßt doch durchklingen, daß Hafenreffer nicht die treibende Kraft hinter diesem Fakultätsvotum war: „In literis … communiter Collegij nomine datis, quibus etiam D.D. Hafenrefferus … spontanee & liberrime subscripsit“ (Acta Mentzeriana, 1625, 232). 19 Vgl. u. C.III.2.6–8 (bes. Anm. 425.426). 20 Die wesentlichen Beiträge des „Briefwechsels Keplers mit den Vertretern des lutherischen Kirchentums in Württemberg, der die konfessionellen Fragen um Abendmahl und Christologie und im Zusammenhang damit die Unterschrift unter die Konkordienformel behandelt“, sind zusammengestellt bei J. HÜBNER, 1975, 22f (Zitat 22); vgl. insgesamt 22–60, v.a. 22–24.40–42.45–60. – Vgl. an weiteren Dokumenten: Werke (im folgenden: W) XVI, Nr. 527: Kepler an Herzog Joh. Friedr.; Stuttgart April/Mai 1609; – W XVI, 239f: Stellungnahme des Konsistoriums zum o.g. Schreiben; – Nr. 540: Tübinger Theol. Fakultät an Kepler; Tübingen 25.9.1609; – Nr. 609: Kepler an Herzog Joh. Friedr., Prag 9./19.3.1611; – Nr. 610: Kepler an Sibylle von Württemberg; Prag 9./19.3.1611. – Ferner das bei Hübner übergangene Schreiben des Stuttgarter Propstes Erasmus Grüninger an Hafenreffer, Stuttgart 30.8.1619 (Acta Mentzeriana, 1625, 7f; Nova Kepleriana 6, 26). – Zu ‚Keplers Unterschrift unter die Konkordienformel‘ vgl. jetzt V. SCHÄFER, 2008/2009. 21 Vgl. dazu J. HÜBNER, 1975, 23f. 22 Nach den Artes (1589–91) studierte Kepler von 1591 bis zum Abgang nach Graz 1594 Theologie; als seine Lehrer nennt er v.a. Stephan Gerlach und Matthias Hafenreffer. Mit letzterem, dem auch selbst mathematisch und astronomisch Interessierten, hielt Kepler „bis zu dessen Tod im Jahre 1619 den engsten Kontakt. Beide Männer verband persönliche Freundschaft“, was die theologische Differenz zur schmerzlich erlittenen Belastung werden ließ (J. HÜBNER, 1975, 6f, Zitat: 6). 23 J. HÜBNER, 1975, 48f; vgl. 29–33(/45). 24 Kepler an Hafenreffer, Linz 11.4.1619 (W XVII, Nr. 835, Z.331f). 18
I. ‚Mentzerum in viam reducendum‘ – Die Tübinger Intervention
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ses Anliegen Ende 1618 erneut geltend.25 In dieser Angelegenheit werden im ersten Halbjahr 1619 mehrere Briefe zwischen Linz und Tübingen gewechselt.26 Der in beiden ‚Fällen‘ um Stellungnahme resp. Vermittlung gebetene Hafenreffer konnte die aufgeworfenen Fragen nicht im Alleingang entscheiden.27 Das Thema wird Gegenstand der Beratung im Kollegium der Professoren; im Sommer 1619 werden in einem jetzt zügigen Konsultationsprozeß die Reaktionen mit dem Stuttgarter Konsistorium abgestimmt.28 – „Betreffend Kepplerum“ übermittelt das Konsistorium am 1.7.1619 29 den Tübingern dessen frühere Anfrage vom 10./20. August 161230 zusammen mit einer Kopie des konsistorialen Antwortbriefes vom 25.9.1612;31 alles mit der ‚Anregung‘, zu prüfen, „ob es den Herrn [sc. Theologis Tubingensibus] belieben möchte, ihme [Kepler] vff gleichen Schlag abzufertigen“.32 In seinem letzten Brief an Kepler weist Hafenreffer ausdrücklich auf diese Abstimmung hin, ebenso ausdrücklich billigt er die Konsistorialent-
25 Kepler an Hafenreffer, Linz 28.11.1618 (W XVII, Nr. 808); vgl. J. HÜBNER, 1975, 49–51 [dort S. 23 versehentlich datiert auf 28.12.1618]). Diesem Schreiben fügt Kepler bei (vgl. Z.141) seinen „Vnterricht Vom H. Sacrament des Leibs vnd Bluts Jesu Christi vnsers Erlösers“ (Prag 1617; Nova Kepleriana NF 1, 1969, 24.25–30; vgl. auch H ÜBNER, 1975, 49 [Anm. 16]. 41 [Anm. 11]; zur Interpretation: HÜBNER, 1975, 37–44). – Zur Stellungnahme Hafenreffers s. dessen Brief W XVII, Nr. 829, Z.57–60 (HÜBNER, 1975, 41) sowie die Anmerkungen zu Keplers Schreiben W XVII, Nr. 835, Z. 191–259: 212. 223f. 239f. 258f. 26 Der sich an Keplers Nachfrage (an Hafenreffer, Linz 28.11.1618, W XVII, Nr. 808) anschließende Briefwechsel (vgl. HÜBNER, 1975, 49–60) umfaßt die Schreiben: Hafenreffer an Kepler; Tübingen 17.2.1619, W XVII, Nr. 829; Kepler an Hafenreffer; Linz 11.4. 1619, W XVII, Nr. 835; Hafenreffer an Kepler; Bad Teinach, 31.7.1619, W XVII, Nr. 847 (auch Acta Mentzeriana 62–68). In diesen Zusammenhang gehören schließlich Keplers 1625 in den Druck gegebene, auf den zuletzt genannten Brief Hafenreffers bezogene Notae ad epistolam D.D. Mathiae Hafenreffer (Nova Kepleriana 6, 13–25). 27 Jedenfalls Mentzers erste Anfrage hatte ausdrücklich ein gemeinsames Votum der Fakultät erbeten. Kepler ersuchte Hafenreffer gerade um Vermittlung und Fürsprache bei Fakultät und Kirchenleitung; vgl. J. HÜBNER, 1975, 48–50 und die Texte selbst: Kepler: W XVII, Nr. 808, Z.2–7; Nr. 835, Z.16–36. 229–233. 265–285. 322–332. 336–342 sowie die Rückschau Notae (1623): Nova Kepleriana 6, S. 14, Z.34 – S. 15, Z.6; Hafenreffer: W XVII, Nr. 847, Z.2–16. 140–146. 154–171. 28 Vgl. Hafenreffer an Kepler, 31.7.1619, W XVII, Nr. 847, Z.6–16. 140–146. 154– 157. 165–168; E. Grüninger an Lc. Osiander, 1.7.1619, W XVII; Nr. 843, Z.10–15. Zum – auch juristischen – Horizont dieser Abstimmung zwischen Fakultät und Konsistorium vgl. die württembergischen Zensurbestimmungen, wie sie in der ‚Ordinatio Fridericiana‘ von 1601 niedergelegt waren; dazu G. FRANZ, 1977, bes. 137f. 29 E. Grüninger an Lc. Osiander; W XVII, Nr. 843. 30 Nicht erhalten; erwähnt W XVII, Nr. 847, Z.12f. 31 W XVII; Nr. 638. 32 „Betreffend Kepplerum, hat man nunmehr mit selbigem Schwindelhirnlin lang gehandelt, aber vergebenlich, vnnd lasst er ihm nit sagen. Wir haben nit underlassen wöllen, den Herrn Theologis Tubing. zu communicirn, was ihme vom Consistorio auß vor ettlich iaren eben de hac ipsa materia zugeschriben worden, ob es den Herrn belieben möchte, ihme vff gleichen schlag abzufertigen, man kann doch keiner andern meinung vmb seines letzköpflins willen werden“ (W XVII, Nr. 843, Z.10–15).
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scheidung von 1612.33 Dieser – nicht nur vom Verfasser Hafenreffer, sondern auch von Osiander und Thumm unterzeichnete34 – Brief wird dem Konsistorium zur Kenntnisnahme übersandt,35 das dann alsbald seine volle Zustimmung signalisiert.36 Verknüpft mit der Kepler-Sache wird auch der Fall Mentzers – erneut und nun folgenreich – Gegenstand der Konsultationen zwischen Kirchenleitung und Fakultät. Das dabei vorläufig Verabredete bestätigt für das Konsistorium, nach Durchsicht der von den Tübingern vorgelegten Unterlagen über Mentzer, der Stuttgarter Propst Erasmus Grüninger im Schreiben vom 1.7.1619 abschließend: „... lassen wirs bey ienigen intent nochmahlen bewenden, davon Dominus Frater [sc. Lc. Osiander] mit mir geredet hat, das namlich D. Mentzerus getrewlich admoniert werde, mit bitt, afflictissimae Ecclesiae mit solcher newerung zu verschonen, vileicht er, si rationum pondera uideat, durch Gotts gnad sich wenden möchte“.37 Die daraufhin – wohl von Thumm38 – verfaßte ‚Admonitio‘ wird wunschgemäß 39 dem Konsistorium zur Kenntnisnahme übersandt. Dessen positive Stellungnahme datiert vom 30.8.1619;40 am 1.9.1619 unterzeichnen Hafenreffer, Osiander und Thumm das Fakultätsschreiben an Mentzer. Angesichts dieser Abläufe kann von einem Alleingang der Tübinger Fakultät, auch von einem, wie Mentzer unterstellt, Oktroi der neu Berufenen Lc. Osiander und Th. Thumm schwerlich die Rede sein. Das Konsistorium überläßt die direkten Reaktionen in beiden Fällen der Tübinger Fakultät, ‚begleitet‘ aber – ut moris est in hoc Ducatu41 – deren Aktionen durch Beratungen und ‚Vorschläge‘, die auch im Fall Mentzers ein eigenes Interesse an einer klaren Stellungnahme erkennen lassen. Als treibende Kraft auf Seiten der Kirchenleitung tritt v.a. Propst Erasmus Grüninger in Erscheinung. Sein Schreiben vom 1. Juli 1619, das, an den Schwager Lc. Osiander gerichtet, „internpersönlichen Charakter“42 trägt und sich eine recht unverblümte Sprache erlaubt, enthält nicht nur die bekannten Ausfälle gegen Kepler – das „Schindelhirnlein“ und „letzköpflin“ sei „vff gleichen schlag abzufertigen“ wie 1612.43 Es läßt auch anklingen, daß durchaus nur unter Vorbehalt an der Entscheidung festgehalten wird, Mentzer zunächst lediglich zu „ermahnen“. 44 Das von Grüninger dem Vorgang beigemessene Gewicht signalisiert die auf den Fall, daß Mentzer sich dieser Ermahnung verweigert, bezogene Zitation
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W XVII; Nr. 847, Z.11–16 bzw. 165–168. W XVII; Nr. 847, Z.154–164, bes. 161ff. – Vgl. auch Acta Mentzeriana 62–68. 35 W XVII; Nr. 847, Z.165–168; der ausdrücklichen Bitte E. Grüningers im Schreiben an Lc. Osiander vom 1.7.1619 entsprechend (W XVII; Nr. 843, Z.16–18). 36 E. Grüninger an M. Hafenreffer, Stuttgart 30.8.1619; abgedruckt Acta Mentzeriana 7f und danach Nova Kepleriana 6, 26. Vgl. dazu gleich unten. 37 E. Grüninger an Lc. Osiander, 1.7.1619, W XVII; Nr. 843, Z.2–6, Zitat Z.3–6. 38 Dazu vgl. u. (C.I.) 2.1. 39 „... möchten hingegen, sit ita placeret Dominis nostris, gar gern auch lesen, was dieselbige et D. Mentzero et Kepplero zu antworten gemeint weren“ (E. Grüninger an Lc. Osiander, 1.7.1619; W XVII; Nr. 843, Z.16–18). 40 E. Grüninger an M. Hafenreffer, 30.8.1619, Acta Mentzeriana 7f (= Nova Kepleriana 6, 26). 41 Vgl. o. (C.I.) Anm. 5. 42 J. HÜBNER, 1975, 57 Anm. 48. 43 W XVII, Nr. 843, Z.10.15.14; vgl. das ganze Zitat o. Anm. 32. 44 „... vnd lassen wirs bey dem ienigen intent nochmahlen bewenden, davon Dominus Frater [Osiander] mit mir geredet hat, das nämlich D. Mentzerus getrewlich admoniert werde“ (W XVII, Nr. 843, Z.3–5). 34
I. ‚Mentzerum in viam reducendum‘ – Die Tübinger Intervention
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von Gal 5,10: „Qui autem conturbat Ecclesiam, portabit iudicium, quicunque est ille“.45 J. Hübners Interpretation dieser Notiz: „Wenn Mentzer seine Auffassung nicht ändere, sei der Ausschluß zu erwägen“,46 hat zwar im Text keine explizite Stütze, dürfte aber, sieht man den zitierten Paulus-Satz mit dessen Sachparallele Gal 1,7–9 zusammen, das Richtige treffen. Das so gewonnene Bild bestätigt der zweite – nun amtliche – Brief Grüningers an Hafenreffer (30.8.1619), der die Stellungnahme des Konsistoriums zu den zur Kenntnis gebrachten Schreiben an Mentzer und Kepler übermittelt.47 In der Sache vorbehaltlose Zustimmung; doch wird ein Desiderat nicht unterschlagen: „allain hetten wir mögen leiden/ daß die hinden angehängte admonitio an D. Mentzerum etwas mehrers außgeführt vnnd geschärppt wern worden/ ob sein Conszientz bewegt/ er auch eines anderen vnnd besseren sich zubesinnen ... getrieben werden möchte ...“.48
1.3 Die in der Entscheidungsphase des Sommers 1619 administrativ verknüpften49 Affären waren ‚kirchenpolitisch‘ freilich von ganz unterschiedlichem Rang. Im Blick auf Kepler galt es, die schon 1612 getroffene Entscheidung des Konsistoriums gegen ein unbelehrbares „Schwindelhirnlein“ und „letzköpflin“50 noch einmal zu bekräftigen. Keplers wissenschaftliche Reputation war zwar auch bei seinen theologischen Kontrahenten in Württemberg anerkannt,51 ein nennenswerter kirchlicher Einfluß kam dem weithin Isolierten jedoch nicht zu. – Entschieden brisanter der neue Fall Mentzers. Zur Debatte stand hier die These eines führenden Theologen des ei45
W XVII, Nr. 843, Z.8f. J. HÜBNER, 1975, 6; aufgenommen bei J. B AUR, (1977, 239 =) 1993h, 254. 47 „Die von E.E. [Hafenreffer] mir übersandt Schreiben/ an D. Mentzerum vnd Kepplerum, haben meine Collegen [im Konsistorium] vnd ich gelesen/ vnd lassen vns selbige gantz wol gefallen“ (Acta Mentzeriana 7f, hier: 7 [= Nova Kepleriana 6, 26]). 48 Acta Mentzeriana 7f (= Nova Kepleriana 6, S. 26). 49 In Grüningers Briefen werden beide Vorgänge stets zusammen behandelt. Die Konsistorialen „möchten ... si ita placeret Dominis nostris [Tubingensibus], gar gern auch lesen, was dieselbige et D. Mentzero et Kepplero zu antworten gemeint weren“ (W XVII; Nr. 843, Z.16–18). Diesem Wunsch entspricht Hafenreffer und sendet beide AntwortBriefe der Fakultät zusammen nach Stuttgart, und das Konsistorium nimmt wiederum in eins Stellung zu diesen „übersandt Schreiben/ an D. Mentzerum vnd Kepplerum“ (Acta Mentzeriana 7 [= Nova Kepleriana 6, 26]). 50 W XVII, Nr. 843, Z.10.15; vgl. o. Anm. 32. 51 „Meditationes, cognitionem et labores tuos insignes et nobiles, non tantum in sublunaribus, sed in superioribus omnibus, vsque ad suppremam Saturni superficiem, semper veneror, magnificiamque semper“ – so sicher aufrichtig der selbst mathematisch und astronomisch interessierte Hafenreffer (17.2.1619; W XVII; Nr. 829, Z.14–17), um dann sogleich diese eindeutige Mahnung anzuschließen: „sed quae superiora, quae spiritualiter coelestia sunt, vno verbo, quae Theologica sunt, hic manum de tabula!“ (ibd. Z.17f). – Keplers Antwort kommentiert diese Volte zutreffend: „Celebrat R[everenda] Dig[nitas] T[ua] κατα θεσιν meam in Astronomia cognitionem, ut κατ’ αρσιν Theologiam mihi neget“ (11.4.1619; W XVII; Nr. 835, Z.66f). – Zum von Hafenreffer erhobenen Vorwurf, „er [Kepler] treibe in Fragen der Theologie, speziell in der Lehre von der Person Christi, Geometrie“ (J. HÜBNER, 1975, 286–290, Zitat: 286), vgl. u. C.II.2.2.3. 46
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genen Lagers, dessen große Verdienste nicht bestritten werden konnten, der seinerseits – nach der ‚Klärung‘ der Situation in Gießen52 – auf die Unterstützung durch die heimatliche Fakultät, Kirchenleitung und Landesherrschaft bauen konnte, schließlich: dessen weitreichender Einfluß – vermittelt durch zahlreiche Schüler auf theologischen Ordinariaten – in Rechnung zu stellen war. Doch so unterschiedlich die 1619 in Tübingen zusammenlaufenden christologischen Streitfälle nach Vorgeschichte und Gewicht waren – beide Anfragen wurden auch in einer gemeinsamen Sachperspektive wahrgenommen. 1.3.1 Zur ‚negativen‘ Seite hin diagnostizieren die Württemberger in beiden Fällen eine Affinität zu calvinistischen Theologumena, die das Profil der ‚orthodoxen‘ Christologie an einem zentralen Punkt verunklare und deren kontroverstheologisches Potential erheblich schwäche. Vor den u.U. fatal kontraproduktiven Folgen dieser hermeneutischen Fixierung württembergischer Theologie und Kirche auf calvinistische ‚Subversion‘ hatte, wohl unter Bezugnahme auf die Vorgänge 1617 in Pfalz-Neuburg, verdeckt, aber eindringlich und für die Adressaten deutlich das Aufsehen erregende ‚Prognostikum‘ Keplers auf die Jahre 1618/19 gewarnt.53 Der hier Mahnende wußte aus eigener Erfahrung, wovon er sprach. Schon dem eine Anstellung in württembergischen Diensten54 torpedierenden Gutachten des Konsistoriums vom 25.4.161155 galten die Kepler’schen Vorbehalte gegen eine ‚kategorische‘ Unterzeichnung der FC56 als Ausflüchte eines „verschlagene[n] Caluinist[en]“.57 In der Diktion moderater, in der Sache aber ebenso bestimmt äußerte sich das Konsistorium in einem direkten Schreiben an Kepler (25.9.1612).58 52
Vgl. o. B.I.1.2. So die Deutung M. CASPARs (Nova Kepleriana 7, 47–53, vgl. ibd. 41–47 die Darbietung der relevanten Texte), der sich auch J. H ÜBNER angeschlossen hat (1975, 78–83). 54 Vgl. die (Prag 9./19.3.1611 datierten) Gesuche Keplers an den herzoglichen Hof, W XVI, Nr. 609 und Nr. 610. – Vgl. J. H ÜBNER, 1975, 24. 55 Abdruck W XVI, S. 464f. Das Konsistorium widerspricht damit dem günstigeren Votum der politischen Räte, Kepler eine „Expectantz“ auf die von M. Maestlin versehene Tübinger Mathematikprofessur zu geben (9.4.1611; W XVI, S. 370). 56 Vgl. hierzu Keplers eigene Darlegungen vom Mai 1609; W XVI, Nr. 528, bes. Z.73ff. Zur historischen Frage: V. SCHÄFER, 2008/2009 (vgl. o. Anm.20). 57 W XVI; S. 464|f; unter Verweis auf das Schreiben Keplers vom Mai 1609 (W XVI, Nr. 528): „auß welcher erclerung leichtlich abzunemmen, daß er [Kepler] ein verschlagener Caluinist seyn muoß, vnd da er zu einer profession verordnet, nit allein solch Caluinische gifft der Jugendt nach vnd nach eingiessen, sonder andere mehreren in consequentiam ziehen, vndt ebener massen zu subscribiren sich vnderstehen, auch bey der Vniuersität, weiln er in philosophia ein opinionist, vil Vruoh erwecken | möchte ...“. 58 In der ablehnenden Antwort auf Keplers Bitte um Vermittlung in der Linzer Abendmahlsverweigerung durch D. Hitzler (Stuttgart 25.9.1612; W XVII, Nr. 638): Mit seinen Ansichten in der Abendmahlslehre und Christologie stimme Kepler „wievol nicht in allen / jedoch in etlichen Articulis controversis den Calvinianis“ zu (Z.58f); „Und ist an dem wenig gelegen / es werde einer für einen völlige / oder nur für einen halben Calvinisten angesehen. Dann auß einem Semi-Calviniano temporis progressu wohl ein völliger Calvinist werden kann“ (Z.160–164). 53
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Eine vergleichbare, angesichts des Ranges des Kontrahenten freilich in der Formulierung – zunächst – abgemilderte Beurteilung widerfährt nun 1619 auch Mentzer: Die zur Stellungnahme vorgelegten Thesen des berühmten Kollegen lesen die Schwaben als inakzeptable ‚Neuerungen‘, die auf eine die calvinistische Kritik de facto ins Recht setzende Verabschiedung zentraler Sätze lutherischer Christologie hinauslaufen. Schon das erste Antwortschreiben an Mentzer spart diese Diagnose nicht aus: „Calvinianis etiam stantibus tuis [Mentzer] hypothesibus solide amplius responderi nequit, iis porro fenestra aperitur, impia sua dogmata in Ecclesiis Lutheranis invehendi“.59 Diese Kritik hält sich durch und verschärft sich mit zunehmender Härte der Auseinandersetzung; die pointierteste Formulierung liefert das Urteil der Amica Admonitio von 1624, die mit dem Ausschluß der entäußerten Menschheit Christi von der nie sistierten Allgegenwart seiner göttlichen Natur nicht weniger als die faktische Ratifizierung der antilutherischen Spitzenthese reformierter Christologie vollzogen sieht: „Hoc est illud ipsum Extra-Calvinisticum“!60 Identität und Integrität der lutherischen Position, die durch den marginalisierbaren Einspruch des Außenseiters Kepler nicht ernsthaft in Frage gestellt waren, drohen durch die partiell konvergierenden Thesen des angesehenen und verdienten Mentzer von innen heraus zersetzt zu werden. 1.3.2 Weniger deutlich ist dagegen, wie der sich in der administrativen Verknüpfung spiegelnde Sachkonnex von den Württembergern nach seiner positiven Seite hin bestimmt wird. 61 Zum zentralen Thema der neuerlichen 59
Acta Mentzeriana 72 – in der Sache ein Echo des zuvor bereits in Gießen selbst, von Winckelmann und Gisenius, erhobenen Vorwurfs, vgl. o. B.I.3. 60 Amica Admonitio, 1624, 33 – ein Zitat aus der sächsischen Brevis Consideratio von 1621 (ibd. 319); vgl. dazu u. [F.] Anm. 60. – Die Literatur zum ‚Extra-Calvinisticum‘ hat zwar z.T. den Beleg in der Amica Admonitio oder die ein Jahr älteren Aufnahmen in Thumms Ταπεινωσιγραφια (344. 427; BRANDY, 1991, 80 bei u. mit Anm. 49) notiert, dabei aber die 3 Jahre ältere Vorlage des Zitats übersehen (vgl. etwa D.E. W ILLIS, 1966, 8–25; H.A. OBERMAN 1986a, 268 Anm. 49), CHR. LINK, 1987, 97 Anm. 2). – Der Terminus ‚extra‘ findet sich in dieser christologischen Verwendung erstmals 1561 bei P.M Vermigli (BRANDY, 1991, 80). 61 Der sachliche Konnex beider ‚Fälle‘ erfährt in den Tübinger Texten keine ausführliche Kommentierung. Doch wird bereits dem ersten Tübinger Votum in der Affäre ‚Mentzer‘, dem Schreiben vom 1.9.1619 (Acta Mentzeriana 68–73), der abschließende Tübinger Beitrag in jener anderen Auseinandersetzung, der nur wenige Wochen ältere (31.7.1619) letzte Brief Hafenreffers an Kepler (W XVII, Nr. 847 [= Nova Kepleriana 6, 10–12; Acta Mentzeriana 62–68), in Kopie beigelegt (Acta Mentzeriana 62 – der Brief wurde sogleich am 1.9.1619 mit dem Schreiben an Mentzer diesem übersandt, nicht erst nach den späteren Unterstellungen interner Differenzen in Tübingen; gegen J. HÜBNER, 1975, 67); – in der Hoffnung, dem Gießener hiermit weitere Sachargumente zu präsentieren und zur Rückkehr auf den rechten Weg zu helfen („quia aliquid etiam roboris visa est [epistula], ad Mentzerum eo citius in viam reducendum“ [Acta Mentzeriana 62]).
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Korrespondenz zwischen Kepler und Hafenreffer avanciert zwar die christologische Frage der generalis praesentia carnis Christi und deren Zusammenhang mit der Fleischwerdung des Wortes (Joh 1,14); beide, Kepler wie Hafenreffer, sehen hier übereinstimmend das caput primarium ihres Dissenses.62 Damit ist genau diejenige Frage erreicht, die das Tübinger Fakultätsschreiben vom September 1619 als den entscheidenden Kern der von Mentzer ausgelösten Debatte identifizieren wird.63 Doch spielt, soweit zu sehen, in dieser Diskussion mit Kepler gerade diejenige Zuspitzung noch keine Rolle, welche dann den Angelpunkt der Debatte mit Mentzer bildet: ob nämlich jener reklamierte Zusammenhang von Unio und Ubiquität sich vereinbaren lasse mit der gleichzeitigen Beschränkung der – aktualen – Allgegenwart der Menschheit allein auf den Stand der Erhöhung. So ist allenfalls zu vermuten, daß „vielleicht … der späte Hafenreffer“ tatsächlich „im Gegenüber zu J. Kepler“ den Anstoß zu jener Einsicht fand,64 die dann hinter dem Tübinger Einspruch gegen Mentzer steht: es sei diese statusrelative Restriktion der omnipraesentia carnis Christi tatsächlich inkonsistent und dieses Konsistenzproblem mit der Unterscheidung einer inneren Gegenwart der Menschheit zum Logos (praesentia intima) von deren Weltgegenwart (praesentia extima), wie Mentzer, hier mit dem dreißigjährigen Konsens konkordistischer Christologie, gegen die diesen Punkt markierende reformierte Kritik geltend macht, keineswegs gelöst. 1.4 Mit der in ihren sachlichen Motiven noch nicht zureichend erhellten Bündelung der Debatten um Kepler und Mentzer ratifizieren die Schwaben 62
„Quod ipsum caput tu [Kepler] quoque primarium esse statuis, dum ... scribis: ... in Solo Articulo de generali praesentia Carnis non possum damnare illos, qui loquuntur cum patribus“; „Quod ipsum illud caput est, cuius in praecedente mea Epistola [W XVII, Nr. 829, Z.32–40] fundamentum ante oculos depinxj, dum vt hoc aureum dictum Johannis pressius pensitares, obnixe sum obtestatus: Et Verbum caro factum est“: So, die christologische Diskussion bündelnd, Hafenreffer (31.7.1619, W XVII, Nr. 847, Z.20–29, hier: 20–22. 24–26. 27–29; vgl. Z.19: caput rei) unter Bezug auf Keplers voraufgehende Bilanzierung (11.4.1619, W XVII, Nr. 835, Z.257–321, bes. 257–263. 296–298. 303–308. 313f. – Zu Keplers Christologie und Abendmahlslehre vgl. HÜBNER, 1975, 111–119; auch 123–143 resp. 119–123. 63 Vgl. ausführlich u. C.II.1.2; II.2.1. 64 W. SPARN, 1988; 6, 20–27 (Zitat: 26; Hervorhebung U.W.), dort bezogen auf die Problematik der Hunn’schen Unterscheidung von praesentia intima und extima für das ‚lutherische‘ Verständnis der Personeinheit als ‚abstandsloser‘ Vereinigung der Naturen (zur – J. B AUR folgenden – These einer entsprechenden Kritik schon bei S. Gesner, J. Schröder und L. Hutter [ibd. 6,25f] vgl. das o. A.II.1.3–4 Notierte). J. H ÜBNERs Analysen (1975, 108ff), auf die Sparn verweist (6,26f), machen zwar deutlich, daß diese Frage in der Konsequenz der von Kepler vorgebrachten Einwände und dessen eigener These liegt, ausdrückliche Belege aber nennen auch sie nicht. Und in Hafenreffers letztem Brief an Kepler, der ‚zur rascheren Besserung‘ in Kopie auch an Mentzer geschickt wurde (vgl. o. Anm. 61), spielt die Frage der Statusdifferenz bemerkenswerterweise keine Rolle.
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allerdings in ungeahnter Weise eine Verknüpfung, die – ein knappes Jahrzehnt zuvor – Kepler selbst hergestellt hatte; eine Wendung der Ereignisse, wie sie als frappante Umkehrung bisheriger Konstellationen die kenotische Debatte wiederholt kennzeichnet. Der in der Ausbildung seiner eigenen Christologie zunächst v.a. von Ägidius Hunnius angeregte65 Kepler hatte sich gegenüber Hafenreffer schon 1610 auf eine Konkordanz mit Mentzers Sicht berufen. Als vorläufiger Ertrag einer Lektüre einschlägiger Texte des Gießeners habe sich ihm der Eindruck imponiert, dieser vertrete eine mit der eigenen These übereinkommende Position: videtur omnino idem quod ego sentire!66 Halte diese Einschätzung weiterer Überprüfung stand, ergebe sich eine für seine, Keplers, Tübinger Kritiker prekäre Folgerung: „Es ist [dann] unmöglich, daß [Mentzer] in jenem Artikel [von der Person Christi] mit euch [Tübingern] in jeder Hinsicht übereinstimmt“!67 Keplers gleichsam prophetische, zunächst folgenlose Einschätzung der christologischen Diskussion um 1610 ist für die Aufhellung der sachlichen ‚Vorgeschichte‘ des kenotischen Streites nicht ohne Interesse und soll hier – auch in Korrektur der fehlgehenden Interpretation J. Hübners68 – noch etwas näher in den Blick genommen werden. Der relevante Passus lautet vollständig: „Examen meum disputationum Schaeferi occasione praeterita volui mittere Giessam ad Mentzerum. Aiebant enim, promptum esse ad hujusmodi examinanda. Monuerunt tamen inspicere ejus tomos disputationum. Inspexi ad momentum apud amicum discendentem: 65 Im Zeitraum des Theologiestudiums Keplers (1591–94) lehrten an der Tübinger Fakultät neben dem schon mehrmals genannten Hafenreffer (Professor 1592–1619) Jacob Heerbrand (Professor 1557–1600), Johann Georg Sigwart (Professor 1584–1618) und Stephan Gerlach (Professor 1580–1612) (HÜBNER, 1975, 6f; HOLTZ, 1993, 383). In der biographischen Rückschau nennt Kepler als prägende Lehrer neben Hafenreffer noch Gerlach (Nova Kepleriana 6; 13,27), hebt aber darüberhinaus (ibd. 6, 13) den – nur literarisch vermittelten – Einfluß Ä. Hunnius’ hervor. Hunnius’ Prädestinationslehre (ADAM, 1970, 128–165; SÖDERLUND, 1983, 49–132) war schon für den mit Luthers Thesen zum Thema ringenden 13jährigen Kepler in seiner Adelberger Klosterschulzeit von Bedeutung gewesen; von der an Hunnius geschulten Sicht her wird Kepler später die calvinistische Prädestinationsauffassung kritisieren (HÜBNER, 1975, 146–154). Als Stiftler konsultiert Kepler dann bei seinen abendmahlstheologischen und christologischen Studien „sehr eingehend“ (HÜBNER, 1975, 8) Hunns Kommentare zu den neutestamentlichen Schriften; sein besonderes Interesse findet dabei Hunns mit der traditionellen Differenz der ‚Stände‘ Christi verbundene Unterscheidung von actus primus und actus secundus der Allgegenwart, ebenso die Unterscheidung einer ‚lokalen‘ und einer ‚illokalen‘ Gegenwart der menschlichen Natur Christi (Nova Kepleriana 6; 13,25–31). In der späteren Auseinandersetzung mit Hafenreffer hat Kepler gelegentlich auf Hunn positiv Bezug genommen (W XVII, Nr. 835, Z.247–256; Nova Kepleriana 6, 13,27–31; 20,13–18; vgl. auch HÜBNER, 1975, 55.113.134f.297). – Zur Christologie Hunns vgl. u. C.IV.3. 66 Kepler an Hafenreffer, 18.8.1610; W XVI, Nr. 568, Z.74f. 67 „... impossibile est, ut vobiscum [Tubingensibus] per omnia in illo articulo [de persona Christi] sentiat [Mentzerus]“ (ibd. Z.76). 68 HÜBNER, 1975, 66 mit u. bei Anm. 26.
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videtur omnino idem quod ego sentire; quod si est (inspiciam enim diligentius), impossibile est vobiscum per omnia in illo articulo sentiat“.69 (1) Kepler erwähnt hier nur die Absicht, sein Examen der (christologischen) Disputationen des Stuttgarter Hofpredigers Michael Schaefer70 an Mentzer zu schicken, nicht jedoch deren Realisierung. Diese ist durch die folgende Notiz (s. dazu (2)) gerade ausgeschlossen, so daß mit M. Caspar zu urteilen ist: „er [Kepler] scheint aber diese Absicht wieder aufgeben zu haben“.71. (2) Anstelle der zunächst beabsichtigten Übersendung seiner Rezension der Texte Schäfers an Mentzer hat Kepler auf Anraten seiner Umgebung (monuerunt tamen ...) die Disputationen Mentzers gelesen, soweit diese in Prag greifbar waren; auf diesem literarischen ‚Umweg‘ wollte er klären, wie sich Mentzers Christologie zu Schäfers Entwurf und zur eigenen These verhalte. – Demgegenüber bezieht J. Hübner72 die Formulierung: „inspicere eius tomos disputationum“ auf die Texte des eingangs genannten Schäfer. Das ‚eius‘ geht jedoch auf Mentzer: Über Schäfers Christologie hatte sich Kepler ja gründlich kundig gemacht und darüber sein Examen verfaßt. Bei der erwähnten weiteren Lektüre der ‚tomi disputationum‘ aber geht es offensichtlich um die zudem noch der Nachprüfung bedürftige Kenntnisnahme einer bis dahin noch nicht vertrauten Position. Und wenn Kepler explizit von ‚tomi disputationum‘ spricht, so paßt das nicht eigentlich auf Schäfer73, vorzüglich aber auf Mentzer.74 (3) Die Korrektur der Interpretation Hübners ‚löst‘ schließlich auch das dort aus der fehlgehenden Identifizierung des Autors der ‚tomi disputationum‘ resultierende Problem: Kepler habe sich mit der Bewertung von dessen christologischer Position (‚idem quod ego sentire videtur‘) wohl „getäuscht“, weil doch der so Vereinnahmte (nach Hübner: Schäfer) in seiner Ακροπολις Christianae Religionis (1607) „bereits ganz den späteren Tübinger Standpunkt“ vertrete.75 Die Texte Schäfers fügen sich in der Tat ein in die Tübinger Christologie um 1610(!), und Keplers Konstatierung eines zumindest partiellen Widerspruchs zu den (anderen) Tübingern (impossibile est ut vobiscum per omnia in illo articulo sentiat) wäre, auf Schäfer bezogen, unverständlich. Allein, viel ‚brisanter‘: Kepler gibt hier seine Einschätzung der Christologie Mentzers!
Zehn Jahre später, in den Ereignissen vom Sommer 1619, findet Keplers Reklamierung der Christologie Mentzers für die eigene Position nun eine für den Urheber unerfreuliche Ratifizierung, die bald hochschlagenden 69
W XVI; Nr. 585 (Prag 18.8.1610); Z.71–76. Zu M. Schäfer vgl. zusammenhängend u. D.I.6.3; D.IV.2. 71 Nova Kepleriana 6, 26. – Andere Belege für eine Beziehung Keplers zu Mentzer fehlen, so daß dann die Behauptung unbegründet ist: „Kepler hat mit Mentzer auch in persönlicher Verbindung gestanden“ (HÜBNER, 1975, 66). 72 HÜBNER, 1975, 66 Anm. 26. 73 Ein Sammelband aus Schäfers Feder ist seine Ακροπολις von 1607, die fünf frühere Arbeiten, u.a. zur Christologie, neu ediert. Vgl. u. D.I.6. 74 Zu verweisen ist auf Mentzers Disputations-Reihen gegen A. Sadeel (1593/94) und M. Martini (1604); vgl. o. B.I.2.3. Neuere Texte Mentzers boten daneben die seit 1607 in unregelmäßigen Abständen erscheinenden ‚Tomi disputationum Giessae habitarum‘. Zum Zeitpunkt der Abfassung von Keplers Brief (August 1610) lagen die ersten beiden Bände dieser Reihe (I 1607; II 1609) vor; namentlich der erste Band enthält einschlägige Beiträge Mentzers zur Abendmahlstheologie und Christologie (vgl. u. E.I.2.3). 75 HÜBNER, 1975, 66 Anm. 26. 70
I. ‚Mentzerum in viam reducendum‘ – Die Tübinger Intervention
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Wellen der um Mentzer geführten Auseinandersetzung ziehen schließlich auch den Mathematiker im fernen Linz in Mitleidenschaft. Ein ruhmloses Nebenkapitel: Schon indem die Tübinger Hafenreffers letzten Brief an Kepler auch Mentzer übersenden,76 begehen sie eine Indiskretion; das Schreiben spiegelt das persönliche Bekenntnis des ursprünglichen Adressaten. Sie steigern diese Indiskretion zur öffentlichen Bloßstellung, als sie zur Entkräftung der Mentzer’schen Behauptung interner Differenzen in Tübingen selbst in den die ‚wahre Geschichte‘ präsentierenden Acta Mentzeriana (1625) neben der Korrespondenz mit Mentzer nun auch Hafenreffers Schreiben an Kepler abdrucken77 und damit diese andere Auseinandersetzung ins Licht einer breiteren Öffentlichkeit zerren. Der – auch mit Rücksicht auf die Gegenseite – stets auf Vermeidung jeglichen Skandals bedachte Kepler findet so seine privat geäußerten Vorbehalte publiziert, sich selbst öffentlich unter Häresieverdacht gestellt.78 Die alsbald in den Druck gegebene Gegenschrift wird den Schaden nicht behoben haben.79 2. Die Texte der neuen Tübinger Christologie ‚in statu nascendi‘ Der Blick auf einige ‚Kontexte‘ der Tübinger Intervention vom Sommer 1619 deutet an, daß die nun eröffnete Auseinandersetzung mit Mentzer in noch ungeklärter Weise inhaltlich verflochten ist mit früheren Stationen der schwäbischen Christologie selbst. Thema und ‚Motiv‘ dieser neuen Kontroverse lassen sich indes nur erheben durch genaue Inspektion jener Texte, in denen die Tübinger Position ihre erste Formulierung findet. 2.1 Grundlegend ist das vom 1. September 1619 datierende Antwortschreiben der Tübinger Fakultät an Mentzer.80 Den im Juli oder August 1619 wohl von Th. Thumm81 verfaßten, vom Konsistorium ausdrücklich 76
Vgl. o. Anm. 61. Acta Mentzeriana 62–68; zur Wendung gegen Mentzer: ibd. 60–62.68. 78 Vgl. HÜBNER, 1975, 67f, hier: 68. 79 Jo. Kepleri Notae ad Epistolam D.D. Matthiae Hafenrefferi, quam is ad Keplerum scripsit, Anno 1619. ultimo Julii. Extat autem impressa in Actis Mencennanis [sic!, l.: Mentzerianis] fol. 62. & seqq; s.l., s.a. [Tübingen 1625]; Nova Kepleriana 6, 13–25 (vgl. zur Erläuterung dort S. 3–10. 26–30; zum Ganzen ferner H ÜBNER, 1975, 60–68). 80 Acta Mentzeriana 68–73 (auch, mit von den Tübingern monierten [Acta Mentzeriana 68], leichten Ungenauigkeiten, MENTZER, Defensio, I, 1624, 7–11). 81 Hafenreffer scheidet, anders als beim ebenfalls gemeinsam unterzeichneten Schreiben an J. Kepler (31.7.1619; vgl. o. bei u. mit Anm. 34), als direkter Verfasser aus. Anderenfalls wäre dieser Umstand als schlagende Widerlegung von Mentzers Unterstellungen (Acta Mentzeriana 60–62; vgl. o. Anm. 7) angeführt werden. – Aus sachlichen Gründen ist eine Abfassung durch Lc. Osiander (so, mit nicht weiter kommentierten Verweis auf Acta Mentzeriana 61, J. B AUR, [1977, 239 bei u. mit Anm. 135 =] 1993h, 254 bei u. mit Anm. 225) nicht anzunehmen. Zwar war die zunächst anonym geführte Auseinandersetzung mit Mentzer von der Tübinger Fakultät Anfang 1619 dem neuberufenen Osiander 77
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C. Die ‚neue‘ Tübinger Christologie in statu nascendi
approbierten Text (30.8.1619) unterzeichnen Hafenreffer, Osiander und Thumm am 1.9.1619; 3 Wochen später (21.9.1619) erreicht der Brief den Gießener Adressaten.82 Das Tübinger Schreiben und Mentzers rasch ausgefertigte Antwort (8.10.1619)83 eröffnen einen umfangreichen Briefwechsel über mehrere Runden hin (1619–Februar 1621). Einen Ausgleich vermag diese Diskussion hinter den Kulissen nicht herzustellen – zusehends tritt im Gegenteil die Schärfe des Dissenses zu Tage. Recht bald, schon vor seinem Abbruch, wird der briefliche Disput ergänzt und überholt durch die sich dann schnell überschlagende öffentliche literarische Auseinandersetzung. – Im einzelnen umfaßt der Briefwechsel der Jahre 1619–21 folgende Beiträge:84 (1.) Tübinger Ordinarien an Mentzer; 1.9.1619 (AM 68–73 / Defensio 7–11) (2.) Mentzers Antwort auf (1.); 8.10.1619 (AM 74–77 /Defensio 11–13) (3.) Mentzer (mahnt Tübinger Antwort an); 21.3.1620 (AM 78f) (4.) Thumms Antwort auf (2.) und (3.); 31.3.1620 (AM 79–86 /vgl. Defensio 14) (5.) Mentzers Antwort auf (4.); 11.4.1620 (AM 87–91 / Defensio 14–17) (6.) Thumms Antwort auf (5.); nicht ediert (vgl. AM 91). (7.) Mentzer an Thumm, mahnt Antwort an; 27.10.1620 (AM 91–93) (8.) Thumms Antwort auf (7.) (5.?); 22.11.1620 (AM 93–127[!]) (9.) Mentzers Antwort auf (8.); 6.2.1621 (AM 127–149 / Defensio 25–43) – Abbruch des Briefwechsels durch die Tübinger (AM 149) aufgetragen worden (Acta Mentzeriana 61), und ihm wird, mit Schreiben seines Schwagers E. Grüninger, auch das Plazet des Konsistoriums zur geplanten Aktion übermittelt (vgl. o. C.I.1.2). Doch eindeutig von Osiander verfaßte Texte aus dem fraglichen Zeitraum setzen im Einzelargument andere Akzente (u. C.II.3). Umgekehrt weist der Brief vom 1.9.1619 in wesentlichen Passagen exakte wörtliche Übereinstimmungen mit Texten Thumms von 1619 (und bereits 1618) auf; die evidente literarische Abhängigkeit erklärt sich einfachsten durch die Annahme einer Abfassung des Briefes durch Thumm (vgl. dazu u. C.II.2.5). – Auch das Schreiben der Stuttgarter Konsistorialen (neben dem federführenden E. Grüninger unterzeichnen Stiftsprediger Tobias Lotter und Hofprediger Bernhard-Ludwig Löher) an das Darmstädter Konsistorium vom 1. Dezember 1620, das die hessischen Kollegen (Heinrich Leuchter, Johann Vietor) „vertrawlich“ bittet, sie „wolten sich doch der sachen Wichtigkeit annemmen / vnd nach solchen Mitteln trachten / dadurch Herr D. Mentzerus doch entlichen zu RUH gewisen“, weiß in seinem Referat der dieser Bitte vorangehenden – vergeblichen – Schlichtungsversuche nur davon, „was Herr D. Theodorus Thummius, Professor Theologiae zu Tu(e)bingen ... nun ein gute zeit hero gegen ihme D. Mentzero durch etliche gewechselte privat admonitions Schriffte(n) gutherzig versucht / auch anjetzo nochmalen / inmassen E.E. E.E. hierbey per copias zusehen haben / thut / darinnen dann wir samentlich so wol / als auch [|168] die vberige Theologi VVirtembergici zu Tu(e)bingen / vns mit jhme Herren D. Thummio, nach fleissiger ablesung vnnd erwegung gegenwertigen Scripti in timore Domini ALLERDINGS vnnd EINHELLIGLICH verglichen“ (Acta Mentzeriana 167–169, hier: 168. 167|f; vgl. 73; auch: MENTZER, Historia, 1624, 19f; dort [21f] auch die hessische Replik). 82 Letzteres belegt Mentzers Notiz: Defensio I, 1624, 7 (= Acta Mentzeriana 59). 83 Acta Mentzeriana 74–77 (MENTZER, Defensio, I, 11–13). 84 AM = Acta Mentzeriana 1625; Defensio = MENTZER, Defensio, I, 1624.
I. ‚Mentzerum in viam reducendum‘ – Die Tübinger Intervention
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2.2 Das Schreiben vom 1.9.1619 entwickelt, wie zu zeigen sein wird, konzis die grundlegende Weichenstellung der Tübinger, kann aber gleichwohl nur bedingt als der „erste Text der klassischen Tübinger Christologie“85 gelten. Schon 4 Monate vorher hatte Lc. Osiander in seiner vom 7./8. Mai 1619 datierenden Doktordisputation eine grundlegende ‚Zusammenschau‘ der Christologie vorgelegt.86 Diese Disputation war von vornherein als erster Teil einer den gesamten Traktat De persona Christi entwickelnden Disputationsreihe konzipiert.87 Zu diesem ebenfalls 1619–1621 im Rahmen der regulären Lehrtätigkeit Osianders88 absolvierten Zyklus gehören die Texte: (1.) Synopticae Assertiones de Duarum in Christo Naturarum [...] Veritate, illarum Unione Personali, earundem Communicatione Reali, 7.8. Mai 1619 (2.) Disputatio de Divinorum Attributorum et Idiomatum Assumpti Carni Christi, facta Communicatione, & earundem Distinctione, 27.28. August 1619 (3.) Disputatio de Christi hominis, apud omnes Creaturas Praesentia divina universali, 17.18. Dezember 1619 (3a.) Appendix Disputationis des Universali Christi hominis apud omnes Creaturas Praesentia, 26.27. Mai 1620 (4.) Disputatio de Nomine supra omne nomen, 1.2. September 1620 (5.) Disputatio de Divina et Infinita Christo Homini communicata Omniscientia, 19.20 Februar 1621 (6.) Disputatio Theologica De Divina et Infinita Christo Homini communicata Omnipotentia, 15.16. Juni 1621 (7.) Disputatio de Maiestate Dexterae Dei, 10.11. August 1621. Mit der Wahl des christologischen Themas für die Disputationsreihe setzt Osiander allerdings eine ‚Anregung‘ der Fakultät um. Sie trägt dem Neuberufenen auf, gegen die allmählich auch in der Tübinger Studentenschaft Beifall und Anhang findenden Mentzer’schen Abweichungen bestimmt, aber noch ohne explizite Nennung des Gegners die eigene Position darzulegen.89 Einschlägig ist dabei die mit dem zentral strittigen Thema befaßte Disputatio de universali Christi hominis apud omnes Creaturas Praesentia vom 85
J. B AUR, (1977, 246 =) 1993h, 262. Synopticae Assertiones de Duarum in Christo Naturarum, Divinae et Humanae, Veritate, illarum Unione Personali, earundemque Communicatione Reali; Tübingen (7./ 8. Mai.) 1619. – Die 54 Thesen lagen der gemeinsamen Doktordisputation Lc. Osianders und M. Nicolais zugrunde. Sie sind aber ausschließlich von Osiander verfaßt; er präsidierte auch der öffentlichen Disputation, während Nicolai respondierte. Diese asymmetrische Rollenverteilung fand ein Echo in den Fakultätsquerelen des Sommers 1621 (vgl. u. Anm. 394 sowie bei u. mit Anm. 588–596). – Es wird sich allerdings zeigen, daß dieser Text die entscheidende Tübinger These noch nicht (klar) vertritt; ebenso fehlt jede Abgrenzung gegen Mentzer, auch da, wo sie zu erwarten wäre (u. C.III.2). 87 Vgl. dazu die Notizen Assertiones 1/1–5/2, 54/14. 88 Diesen Umstand betont die Tübinger Seite besonders im Blick auf die einen Eklat provozierende Disputation über die Omnipräsenz vom Dezember 1620 (in der Liste Nr. 3). Mentzer sah darin einen gezielten Angriff vorgetragen, während zu gleicher Zeit in privater Korrespondenz um einen Ausgleich gerungen wurde. Vgl. u. C.II.3.2.1. 89 Vgl. Acta Mentzeriana, 1625, 61.190.238f; Bl. c4 r. 86
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C. Die ‚neue‘ Tübinger Christologie in statu nascendi
17./18. Dezember 1619 (o. Nr. 3). In den polemischen Sektionen wird hier in zwei Exkursen die Antithese gewisser (lutherischer!) „Dissentientes“ angegangen, die mit der calvinistischen Bestreitung der Omnipräsenz der Menschheit Christi partiell, nämlich im Blick auf den Stand der Entäußerung übereinkämen – ein Inkognito, das in der Diskussionslage des Jahres 1619 keiner langen Auflösung bedurfte. Der Text, der durch studentische Zuträger noch vor der offiziellen Übersendung in Gießen bekannt wurde, löst bei Mentzer erhebliche Verstimmung aus und markiert den Übergang zur offenen literarischen Auseinandersetzung.90 In dieser Hinsicht ohne große Resonanz blieb dagegen der auch von Tübinger Seite später nicht wieder aufgenommene und wohl nicht zuletzt aus diesem Grunde auch der Forschung bis heute nicht bekannt gewordene91 zweite Beitrag der christologischen Reihe Osianders, die Disputatio de Divinorum Attributorum et Idiomatum ... Communicatione & earundem Distinctione (27./28. August 1619; o. Nr.2). Auch dieser Text ist schon, obgleich verdeckter, als Widerspruch gegen Mentzer verfaßt; er gehört nicht nur in den unmittelbaren zeitlichen Kontext des 4 Tage später unterzeichneten Schreibens an Mentzer, sondern kann als dessen sachlicher Kommentar gelesen werden.92
2.3 Schließlich: In einem nicht nur sachlichen, sondern direkt literarischen Bezug zum Tübinger Fakultätsschreiben vom 1. September 1619 stehen 2 Texte Th. Thumms: einmal die am 13. und 14. August 1619, gut zwei Wochen vor der Unterzeichnung des Briefes an Mentzer, disputierte Εξηγησις Primi Capitis Matthaei Evangelistae; zum andern die Disputatio Inauguralis DE JESU CHRISTO ΘΕΑΝΘΡΩΠΟΥ unico humani generis Redemptore – dieser von Thumm ein halbes Jahr nach Antritt seiner Tübinger Professur im Rahmen des Promotionsverfahrens im September 1618 vorgelegte Text bildet zugleich das früheste christologische Votum eines Mitglieds der ‚neuen‘ Tübinger Fakultät überhaupt.93 Im vorstehenden sind damit diejenigen Texte benannt, die im Zusammenhang der Interpretation des ersten Tübinger Schreibens an Mentzer zu berücksichtigen sein werden. Zunächst ist jedoch dieser Brief selbst vorzustellen und anhand seiner jene die genannten Texte einigende These, mit der die ‚neue‘ Tübinger Christologie im Sommer 1619 auf die theologische Bühne tritt.
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Vgl. weiter u. C.II.3.2. Der Text fehlt auch in J. Baurs sonst sorgfältiger Bibliographie der Quellentexte (1993h, 276–288) und schon in Feurborns Liste, Κενωσιγραφια, 1627, Titelblatt verso. 92 Vgl. dazu u. C.II.3.1. 93 Vgl. u. C.II.2.5.1/2. 91
II. Logos factus est Christus – Zur Tübinger Grundthese
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II. Logos factus est Christus – Zur Tübinger Grundthese II. Logos factus est Christus – Zur Tübinger Grundthese
1. Die Bestimmung des strittigen Themas Angesichts der Überlagerung ursprünglich heterogener Debatten in Tübingen selbst, aber auch im Blick auf die zwischenzeitliche Modifikation der Mentzer’schen Thesen (Darmstädter Rezeß)94 verdient die schwäbische Bestimmung des strittigen Sachproblems besondere Aufmerksamkeit. Die im Tübinger Fakultätsschreiben vom September 1619 vollzogenen Weichenstellungen werden für einen beträchtlichen Zeitraum Themen und Argumente der Auseinandersetzung determinieren.95 1.1 Zur Textbasis des Tübinger Urteils Über den Inhalt der Thesen Mentzers konnte sich die schwäbische Seite im Sommer 1619 zureichend unterrichtet glauben. Wohl seit dem (späten) Frühjahr 161996 war die ‚nun‘ entdeckte Problematik der „neuen Behauptungen“97 des Gießeners Gegenstand interner Diskussion unter den Tübinger Professoren geworden.98 Zum genannten Zeitpunkt waren in Tübingen bekannt die Mentzers Anfragen als Dokumente seiner in Gießen strittigen Position eigens beigefügten Texte, also: die Promotionsrede vom Oktober 161699 und weiter die 1618 erschienenen 10 Disputationen gegen L. Crocius;100 insonderheit diese letzteren Texte, in denen Mentzer „den immer selben 94
Vgl. o. B.IV.1. Zur weitreichenden Bedeutung, die der in der Festlegung des status quaestionis implizierte ‚Kategorisierungsvorschlag‘ für die Disputation und alle disputativ verfahrenden Diskurse hat, vgl. die Skizze von M. FRIEDRICH, 2004, 135–138: „Es gilt als allgemeines Kennzeichen der scholastischen Disputationsfragen, dass dabei ein bereits in der Fragestellung enthaltener ‚Kategorisierungsvorschlag zur Diskussion gestellt wird‘. Solche Fragen implizieren einen Horizont möglicher Antworten und setzen bestimmte Grundentscheidungen voraus. … | [D]ie explizite Fixierung des Themas [ist] der gesprächseröffnende erste Schritt […], der alle weiteren Kommunikationsakte determiniert und im Lauf des Gesprächs auch nicht mehr revidiert werden kann“ (ibd. 137|f). – Vgl. auch, als Fallstudie zur noch ganz von den strikten scholastischen Regularien geprägten Leipziger Disputation 1519 zwischen Luther und J. Eck, A. S CHUBERT, 2008. 96 Einen expliziten literarischen Niederschlag findet die Kritik an Mentzer erst in 2 Disputationen Thumms und Osianders aus dem August 1619 – Thumms Inauguraldisputation aus dem Herbst 1618 und auch noch Osianders Synopticae Assertiones vom Mai 1619 behandeln die christologische Frage ohne erkennbare Wendung gegen den Gießener (vgl. u. C.II.2.5.1/2 bzw. III.2.6)! 97 „novas assertiones“ (Acta Mentzeriana, 1625, 61; zum Kontext vgl. u. Anm. 102). 98 Vgl. o. C.I.1.2; vgl. auch u. Anm. 102. 99 Vgl. o. B.I.2.1; B.II. 100 COLLATIONIS AUGUSTANAE CONFESSIONIS Cum Doctrina Zwinglianorum & Calvinistarum: OPPOSITA URBANO PIERIO, & LUDOVICO CROCIO Calvinistis eam impugnantibus ..., Gießen 1618 (VD17: 23:245335V. – 10 Disputationen ab dem 25. 95
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C. Die ‚neue‘ Tübinger Christologie in statu nascendi
Kohl von der Definition der Allgegenwart allzu oft aufwärmt“, 101 scheinen den Tübinger Widerspruch provoziert zu haben.102 Ferner ist die Kenntnis der Disputationen Mentzers gegen M. Martini aus den Jahren 1615–17 anzunehmen. 103 Ausdrücklich erwähnen die Tübinger auch einschlägige Texte J. Feurborns,104 hierbei handelt es sich um dessen 1618 publizierte Disputationen De Divina Christi, ut Homo est, apud Creaturas Omnipraesentia.105 – Verfügbar waren daneben die älteren Veröffentlichungen Mentzers: der Anti-Sadeel (1593/94 = 1609) und der Anti-Martinius (1604)106 sowie die einschlägigen Beiträge in den älteren Bänden der Gießener Disputationen (I, 1607; V, 1614).
April 1618; hier benutzt nach dem Wiederabdruck: M ENTZER, Opera Latina I, 357–482). – Das christologische Thema behandeln: Disp. VI: De Articulo III. Augustanae Confessionis, nempe de Christo (I, 397–411); Disp. VII: De officio Jesu Christi in statu exinanitionis (I, 412–421); Disp. VIII: De officio Jesu Christi in statu Exaltationis (I, 422–441); Disp. IX: De Antithesi Articuli tertii Augustanae Confessionis (I, 441–462); Disp. X: De communicatis humanae Christi naturae divinis proprietatibus (I, 463–482). Zu den in der Auseinandersetzung mit Tübingen strittig werdenden Fragen vgl. besonders: I, 399–401; 418–421; 427f; 432; 434; 437; 440–449; 455–459; 463; 468f; 471–482. 101 „... in cuius Defensionis Disput[ationibus] praesertim 8.9. & 10. eandem hanc cramben de definitione omnipraesentiae saepius recoquit [Mentzer]“ (Acta Mentzeriana Praef. Bl. c2 r; vgl. T HUMM, Ταπεινωσιγραφια, 1623, 8f). 102 Vgl. die Rückschau der Acta Mentzeriana auf die interne Diskussion: „Sancte enim testatur D. Osiander, quod Dn.D. Hafenrefferus 1. sibi nil tale cogitanti magno cum gemitu Anti-Crocianas Disputationes & in iis novas assertiones monstraverit; 2. petierit, ut illas perlegeret & inprimis Disput.8 & 10. & hanc in pag. ultim.“ (Acta Mentzeriana 61). Die letzte Bezugnahme hat die These 94 der 10. Disputation im Blick, wo Mentzer – ‚anhangsweise‘ – eine Allgegenwart des Entäußerten umstandslos verabschiedet: „Annectitur quaestio, an Christus juxta Humanitatem fuerit omnipraesens, hoc est, adfuerit omnibus creaturis, & eas gubernarit in statu Exinanitionis? Respondemus negative. Quia Omnipraesentia pertinet ad statum Exaltationis, ut patet ex insigni loco, Eph.4.v.10 ... Non sunt autem confundendi status Exinanitionis & Exaltationis, quos Scriptura accurate distinguit“ (MENTZER, Opera Latina I, 4[8]2a; zitiert Acta Mentzeriana 57). 103 Vgl. im Detail B.I.2.3. – Zu den strittigen Fragen s. bes. MENTZER, Opera Latina II, 353–377; 388–409; 409–413; 417; 422; 425; 428; 437; 474–499; 519. 104 „Percurrimus ... tuos [Mentzers] & D. Feurbornij de omnipraesentia carnis Christi Theses“ (Acta Mentzeriana 69). 105 Fasciculus Primus Dissertationum Theologicarum. De Divina Christi, ut Homo est, apud Creaturas Omnipraesentia ..., Gießen 1618 (hier benutzt nach dem Wiederabdruck in: J. FEURBORN, Opera, 1–160). Vgl. dazu detaillierter o. B.IV.2.2. 106 Diese älteren Texte (vgl. o. B.I.2.3) nennt das Tübinger Schreiben als Dokumente der einstigen ‚Orthodoxie‘ Mentzers, die mit den kritisierten ‚Neuerungen‘ ‚erstaunlicherweise‘ verlassen worden sei: „hoc ... miramur, quod R.D.T. in quaestione de omnipraesentia carnis Christi non solum ab Orthodoxorum Theologorum pura & sana doctrina, verum etiam a suis olim emissis recedit & abit scriptis, quod ex comparatione tractatus contra Sadeelem ac Martinium & disputationum de omnipraesentia Christi nobis transmissarum luculenter apparet“ (Acta Mentzeriana 69). – Die Behauptung des Kontrastes hat sachlich allerdings nur ein begrenztes Recht (vgl. o. B.III.2.2) und wird später auch von den Tübingern wieder revoziert.
II. Logos factus est Christus – Zur Tübinger Grundthese
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Ihr Votum gelte, so erklären die Tübinger in der knappen Einleitung ihres insgesamt eher knapp gehaltenen Briefes nach der pflichtschuldigen Reverenz an die unbestrittenen Verdienste des Adressaten107 zunächst nur allgemein, dem Problem der Allgegenwart des Fleisches Christi (quaestio de omnipraesentia carnis Christi).108 Diese Auskunft ist im Blick auf die Vorgeschichte des Schreibens gewiß nicht überraschend, stellt aber auch keine bare Selbstverständlichkeit dar. Ihr liegt eine zweifache Konzentration des als strittig erachteten Themenbestandes zugrunde. 1.2 ‚de re ipsa statim‘ – Die christologische Konzentration Die erste Einschränkung besteht in der Konzentration auf den christologischen Zusammenhang. „Der Anlaß der Gießener Streitigkeiten“ – die Frage nach der Definition der göttlichen (All)Gegenwart als solcher – „tritt in der Tübinger Stellungnahme unverkennbar an den Rand.“ Die Rede ist „sogleich von der omnipraesentia carnis Christi“.109 Diese 1619 ohne Kommentar bleibende christologische Einschränkung werden die Tübinger später als Hinwendung zur eigentlich strittigen res ipsa unter weitgehender Ausblendung der eher ein Spezialproblem der theologischen Schule darstellenden Präsenzdefinition erläutern.110 Sie ist in der Sache insofern unproblematisch, als schon Mentzer selbst in der Gießener Debatte die operative Definition der praesentia Dei primär als ein Instrument der christologischen Auseinandersetzung entwickelt.111 Zwar hatte Mentzers erstes Anschreiben vom 6.11.1616112 nicht explizit den christologischen Horizont der Gießener Kontroverse um die Präsenzdefinition benannt. Diese Bezüge ergaben sich aber aus den beiden Anfragen beigefügten Texten Mentzers. Daß auch und gerade die christologische Applikation in Gießen umstritten war, deutet dann Ment107 „MAGNA esse, Vir Reverende & Clarissime, Frater in Christo dilecte, dona animi tui, quae DEO, omnis boni datore & largitore, ceu nobile depositum accepisti: multa esse merita tua in Ecclesiam Christi collata, & indecessum laborem, quo contra Pontificios, modernos Photinianos & cumprimis Calvinianos te |defatigasti, & scimus & merito agnoscimus“ (Acta Mentzeriana 68|f). 108 Acta Mentzeriana 69. 109 J. B AUR, (1977, 245 =) 1993h, 261 (Hervorhebung U.W.). 110 „Notandum ... in his primis litteris [sc. 1. Sept. 1619] non praecipue sive primo loco Scholasticam vocabuli omnipraesentiae interpretationem in Mentzero reprehendisse, sicut nonnulli meram inter nos λογομαχιαν ab initio fuisse opiniantur [vgl. etwa die Wertung der Brevis Consideratio, u. C.II.3.2.2.5.1], sed de re ipsa statim fuit nobis cum Mentzero potissimum concertatio, nempe de ipsa omnipraesentia carnis CHRISTI tempore Inanitionis & ipsius fundamento proximo adaequato & unico“ (Acta Mentzeriana 74). Vgl. Acta Mentzeriana 17.18.214; FEURBORN, Κενωσιγραφια, 1627, Appendix 63. – Die Tübinger Gewichtung kommt im übrigen weitgehend überein mit den Differenzierungen, die der ‚Darmstädter Rezeß‘ vorgenommen hatte; vgl. o. B.IV.1.1. 111 Vgl. o. B.II.3. 112 Acta Mentzeriana 56.
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C. Die ‚neue‘ Tübinger Christologie in statu nascendi
zers zweites Anschreiben (10.9.1618) an, ohne freilich Thesen und Argumente – v.a. der Gegner! – näher zu spezifizieren.113 Die zunächst nur auf Mentzers Mitteilungen und Texte angewiesenen Tübinger konnten sich hinsichtlich ihrer christologischen Konzentration nachträglich bestätigt sehen durch einen bald darauf eingehenden Brief Johannes Gisenius’, mit dem der ehemalige Gießener Kontrahent Mentzers nach Antritt seiner Straßburger Professur im Oktober 1619 Kontakt mit der Tübinger Fakultät aufnimmt.114 Dem noch vorsichtigen Referat Gisenius’ zufolge hat der hier als Hauptkontrahent, geradezu als alleiniger Gegner Mentzers porträtierte Johannes Winckelmann115 nicht lediglich Mentzers Identifizierung von praesentia und officium Christi opponiert – diesen Punkt hatte schon Mentzer selbst im zweiten Anschreiben ‚nachgetragen‘.116 Auf Winckelmanns Protest stieß auch Mentzers Weigerung, für die praesentia (der Menschheit) Christi Argumente aus der unio personalis geltend zu machen; bei diesem Widerspruch weiß sich Winckelmann in der Nachfolge Luthers und J. Andreaes.117 Die, wie gleich genauer darzulegen sein wird, gerade auf die Frage des Zusammenhangs von Unio und Omnipräsenz abgestellte Antwort der Schwaben vom 1.9.1619 verficht also ein schon in Gießen selbst kontroverses Argument – allerdings mit neuer Zuspitzung.
1.3 ‚Quaestio altera‘? – Das Thema des ‚subiectum passionis‘ Neben der Konzentration auf die christologische res ipsa der Omnipräsenz-Debatte wird eine zweite Restriktion erkennbar, wenn der Tübinger Brief – nunmehr explizit – die Behandlung einer „anderen Frage“ (quaestio altera) ausspart. Im Gießener Lehrbetrieb werde, so haben die Schwaben – einmal mehr durch studentische Informanten – erfahren, disputiert über das 113
Acta Mentzeriana 57; vgl. das Zitat o. B.IV.1.2 Anm. 234. Straßburg 18.10.1619, abgedruckt Acta Mentzeriana 211–213; vgl. Acta Mentzeriana 23, THUMM, Ταπεινωσιγραφια 1623, 4–6. 115 „Forsan enim R[everandae] V[estrae] Excellentiae [sc. die Tübinger] audiverunt, non quidem controversiam, sed aliquod litigium, vel differentiam ante biennium fuisse inter duos[!] illos eximios Viros, Dn.D. VVinckelmannum, & Dn.D. Mentzerum, Paulum & Barnabam, & quidem non sine magno scandalo“ (Acta Mentzeriana 212). Nach der – zutreffenden – Darstellung Mentzers haben ihm Winckelmann und Gisenius widersprochen (duo Collegae; Acta Mentzeriana 56 [7.11.1616]), bzw., wie er in einem Brief vom 14. April 1617 (in Auszügen gedruckt Acta Mentzeriana 224f) dem Tübinger Freund Th. Lansius mitteilt, sei zuerst Gisenius gegen ihn öffentlich aufgetreten, dessen Beispiel dann Winckelmann gefolgt sei: „D. Johannes Gisenius Professor Theologiae quartus Giessensis disputat publice Anno 1616 contra Mentzerum ... Hunc sequitur D. Winckelmannus & longius etiam progreditur ...“ (Acta Mentzeriana 225). Offensichtlich scheint es dem aus Gießen Verdrängten bei der ersten Kontaktaufnahme mit der Tübinger Fakultät, deren Stellung zu den strittigen Fragen ihm noch unbekannt sein mußte, angeraten, das eigene Engagement zunächst herunterzuspielen. Später wird sich Gisenius sehr viel eindeutiger erklären (vgl. den Brief Rinteln 22.2.1623, Acta Mentzeriana 218f.221). 116 Acta Mentzeriana 57; vgl. o. B.IV.1.2. 117 „Argumentum pro ea [Praesentia Christi Θεανθρωπου] propugnanda recte desumi ex Unione Personali, negabat Dn.D. Mentzerus; Recte id factum esse a B[eato] Luthero, a Dn.D. Jacobo Andreae, &c. docebat Dn.D. VVinckelmannus“ (Acta Mentzeriana 213). Vgl. o. B.II.1.3. 114
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Thema des subiectum passionis Christi, und dies in polemischer Wendung gegen Tübingen. Die Verantwortung für diese zusätzlichen Irritationen wird unmittelbar Mentzers Kollegen und Schwiegersohn J. Feurborn angelastet, doch sieht man diesen als vorgeschobenen Agenten – in Feurborns jüngsten Disputationen über diese Frage würden – anonym, doch gezielt – Tübinger Stellungnahmen herabsetzend angegriffen, die einst Mentzer in privater Korrespondenz zugegangen waren.118 Mit dieser vagen und scheinbar nur marginalen119 Notiz rühren die Württemberger an eine um einige Jahre ältere Kontroverse zwischen Tübingen und Gießen. Der hier nicht näher identifizierte schwäbische Teilnehmer – unus nostrum – jener früheren Debatte ist M. Hafenreffer;120 zwischen ihm und Mentzer war es im Jahr 1611 zu einem Disput über die genannte Frage gekommen. 121 Die Tübinger belassen es zum gegenwärtigen Zeitpunkt (his literis) bei dieser bloßen Reminiszenz; ohne Einblick in die fraglichen Texte Feurborns wollen sie in die dem Gerücht nach in Gießen erneuerte Auseinandersetzung nicht eintreten. Dieses Informationsdefizit behebt Mentzer zwar ‚postwendend‘ und fügt seiner Antwort auf das Tübinger Schreiben (8.10.1619) Exemplare der verdächtigten Disputationen des Schwiegersohnes bei; eine unvoreingenommene Lektüre werde den Argwohn der Tübinger Kollegen als unbegründet erweisen. 122 Auf den Fortgang der 1619 anhebenden Auseinandersetzung hat dieser Vorgang aber zunächst keinen Einfluß. Die weiteren Beiträge des Briefwechsels, ebenso die Streitschriften Lc. Osianders und das Votum M. Nicolais bleiben innerhalb des im Schreiben vom 1.9.1619 abgezirkelten Rahmens; 123 die 118
„De altera quaestione, subiecto videlicet Passionis Christi, his literis non agemus, Quoniam generis tui R.Dn.D. Fevrbornij ea de re disputationes in quibus argumenta nostra privatim ab uno nostrum transmissa, suppresso tamen nomine, uti a nonnullis studiosis percepimus, exagitare perhibetur, hactenus videre & habere non potuimus ...“ (Acta Mentzeriana 69). 119 Registriert bei J. BAUR, (1977, 247 =) 1993h, 263. 120 Vgl. die spätere Lüftung des Schleiers, Acta Mentzeriana 186f. 121 Vgl. dazu unten E.I.2.1. 122 „Nunc vero mitto Fevrbornij disputationes de PASSIONE Christi. Quem hominem quicunque dicunt exagitare sinceros Theologos [so der Tübinger Vorwurf: Acta Mentzeriana 69], pietatem eius & ingenium ignorant. Veritatem, quod nos omnes decet, omnibus praefert, uti docebit lectio disputationum“ (Acta Mentzeriana 77). – Näherhin handelt es sich um die ersten drei der in Feurborns ‚Fasciculus secundus Dissertationum Theologicarum‘ (Wiederabdruck: J. FEURBORN, Opera, 161–360) zusammengefaßten 9 Disputationen (Ep. dedic. vom 1.9.1619 [Opera 2–14; vgl. o. [B.] Anm. 247]; die Disputationen selbst sind 1618 bis Anfang 1619 entstanden, darauf scheint sich die Tübinger Notiz Acta Mentzeriana Praef. Bl. c3r zu beziehen: „cis initium Anni 1619 Feurbornius suum Fasciculum secundum de subiecto passionis edidit, in quo Tubingensium de illo sententiam sarcastice satis exagitavit“): I: Disputatio Prima, De Passione Jesu Christi, Ostendens & exponens, 1. Quis sit pro nobis passus? 2. Quid sit passus ... (Opera 162–176); II: Disputatio Secunda, De Passione Christi, Declarans & explicans, 1. A quibus Christus sit afflictus, & num illi sunt excusabiles? 2. Pro quibus sit passus? ... (Opera 176–190); III: Disputatio Tertia, De Passione Christi, Explicans tum quid Christus patiendo acquisiverit? tum quamdiu sit passus, & quotuplex ipsius oblatio? (Opera 190–211). 123 Vgl. u. Anm. 129.
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C. Die ‚neue‘ Tübinger Christologie in statu nascendi
Debatte greift nicht über auf die ‚andere Frage‘ des subiectum passionis Christi, sondern beschränkt sich auf das Thema der omnipraesentia Christi. Erst die abschließenden Klärungen Th. Thumms geben der ‚quaestio altera‘ das ihr zukommende Gewicht. 124
Anders als die erste Restriktion, die christologische Konzentration der omnipraesentia-Debatte, stellt die vorläufige Ausblendung der quaestio altera de subiecto passionis Christi einen nicht unproblematischen Tatbestand dar. Die Themen, die der Brief als strittig nur nebeneinander stellt, ohne der Frage ihres möglichen Zusammenhangs Raum zu geben, werden sich in der Sache als gleichrangige Folgedifferenzen einer vorausliegenden Dissoziation schon im Verständnis der unio personalis selbst erweisen, als gleichsam spiegelbildliche Ausprägungen ein- und derselben Grunddifferenz in der Konstruktion der Personeinheit. Nur im Horizont dieses fundamentaleren Dissenses kann das Thema der ‚neuen‘ Tübinger Christologie zur Darstellung kommen125 und läßt sich die sachliche ‚Vorgeschichte‘ dieses Bruches mit der bisherigen Lehrform erhellen. Es ist weder zufällig noch belanglos, daß die Tübinger 1619 auf die Differenz hinsichtlich des subiectum passionis als auf eine schon ältere Kontroverse mit Mentzer zurückblicken können126 – die ‚quaestio altera‘ ist im chronologischen und in bestimmter Weise auch im sachlichen Sinn die ‚quaestio prior‘ einer 2 Jahrzehnte früher einsetzenden Binnendifferenzierung lutherischer Christologie, die sich im kenotischen Streit zum Schisma verfestigen wird. Doch damit ist der Ausblick der Darstellung weit voraus geeilt. Hier ist jetzt jener Brief vom 1.9.1619 in den Blick zu nehmen, der den dann so ungeahnt folgenreichen Tübinger Widerspruch in Sachen zunächst ‚nur‘ der omnipraesentia carnis Christi erstmals formuliert. 2. Das Tübinger Fakultätsschreiben an Mentzer vom 1.9.1619 2.1 Die Rekonstruktion der Mentzer’schen Thesen Das Tübinger Votum sucht die hinsichtlich der quaestio de omnipraesentia carnis Christi wahrgenommene Differenz umfassend und doch auf das Wesentliche konzentriert zu entfalten. Die z.T. recht weitläufigen Darlegungen ihres Kontrahenten verdichten die Schwaben zu 4 Hauptthesen (quatuor potissimum conclusiones): [1.] Die Annahme [der menschlichen Natur] oder [deren] persönliche (Ver)Einigung [mit dem Logos] ist [nur] das entfernte / mittelbare Fundament der Allgegenwart des Fleisches Christi;
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Vgl. u. E.III.4; zum Sachproblem vgl. auch C.IV.2.6. Vgl. dazu abschließend F.III. 126 Vgl. dazu genauer u. E.I.2. 125
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[2.] die Verheißung dagegen ist das angemessene und unmittelbare Fundament (nicht [nur] der Weise der Gegenwart, sondern) der Gegenwart als solcher. [3.] Die Allgegenwart des Fleisches Christi erstreckt sich nicht auf den Stand der Entäußerung, sondern allein auf den Stand der Erhöhung. [4.] Schließlich: Die Allgegenwart – die ja doch die unmittelbare Folge der Unbegrenztheit Gottes ist und in Gott eine [zwar] nicht absolute, aber bezügliche Eigenschaft darstellt – ist nicht als Anwesenheit, sondern als Tätigkeit zu definieren.127
Dieser Katalog verdankt sich einer präzisen Analyse des Sachgefälles des Dissenses. Die ersten 3 Thesen sind auf dessen christologischen Kern (res ipsa) bezogen. An vierter Stelle wird das nachgeordnete Problem der scholastica vocabuli omnipraesentiae definitio aufgegriffen.128 Die nur appendixartige Behandlung der Definition der praesentia divina spiegelt den schon für Mentzer selbst geltenden Tatbestand der Instrumentalisierung dieser Frage für die christologische Differenz. Der Satz [4.] formuliert lediglich noch einmal explizit die theo-logische Bestimmung, die in den christologischen Thesen [1.] –[3.] vorausgesetzt und in Anspruch genommen wird. Die auf die eigentlich strittige christologische res ipsa bezogenen Sätze 1–3 betreffen in Tübinger Sicht nur einen einzigen und einheitlichen Sachzusammenhang. These 1 und 2 fragen nach der Bedeutung von unio personalis (Th. 1) und promissio (Th. 2) für die Konstitution der omnipraesentia carnis Christi; die dabei angenommene strikte Alternative hat zur Folge, daß mit der Entscheidung in These 1 eo ipso auch die in These 2 angeschnittene Frage beantwortet ist. Die dritte These benennt dann die Konsequenz bzw. Implikation der hier getroffenen Festlegung.
Die der Auflistung der strittigen Themen129 folgende Stellungnahme reduziert die Auseinandersetzung noch einmal weitergehend auf die Frage, ob 127
„1. assumptionem ... seu unionem personalem fundamentum omnipraesentiae carnis Christi remotum 2. promissionem vero fundamentum adaequatum & proximum (non modi praesentiae, sed ipsius) praesentiae, qua talis esse; 3. Omnipraesentiam carnis Christi non ad Exinanitionis, sed Exaltationis solum statum pertinere. 4. Omnipraesentiam denique, prouti infinitatis Dei immediatum consequens, ac in Deo attributum non absolutum, sed relativum est, non per adessentiam, sed per operationem esse definiendam“ (Acta Mentzeriana 69). – Vgl. J. B AUR, 1993h, 262. 128 Zu dieser Differenzierung vgl. Acta Mentzeriana 74 und o. (C.II.) 1.2. 129 Der Tübinger Quaestionen-Katalog vom 1.9.1619 und der darin unterbreitete ‚Kategorisierungsvorschlag‘ (o. Anm. 95) werden von Mentzer akzeptiert und determinieren dann den Status controversiae der Auseinandersetzung auf längere Zeit. Nicht nur die Auseinandersetzung hinter den Kulissen im Briefwechsel zwischen Mentzer und Thumm (vgl. o. C.I.2.1) bewegt sich in diesen Bahnen. Auch die Streitschriften des dann mit Lc. Osianders Informatio Fidelis vom November 1620 eröffneten öffentlichen Schlagabtausches und ebenso noch der Schlichtungsversuch der Decisio Saxonica (1624) richten ihre Disposition an dieser Strukturierung des Themas aus. Umgewichtungen sind allerdings nicht ausgeschlossen. (1.) Der von den Tübingern nur anhangsweise thematisierten Frage der Definition der göttlichen (All)Gegenwart gibt Mentzer stärkeres Gewicht, was dazu führt, daß im Briefwechsel diese Diskussion vorgezogen und ausgeweitet wird; Lc. Osianders und M. Nicolais Streitschriften hingegen übergehen dieses Thema oder stellen es als ‚Quaestio Praeliminaris‘ den christologischen Sachfragen voran. (2.) Die zunächst
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der unio personalis die Funktion des exklusiven Konstitutionsgrundes (causa unica) der omnipraesentia carnis Christi zukomme. Dem tragen Anlage und Argumente des Widerspruchs Rechnung, den die Tübinger ohne jede weitere Überleitung umstandslos dem konzisen Referat der Mentzer’schen ‚Irrtümer‘130 anschließen. Entwickelt wird hier nur die Mentzers These 1 entgegengesetzte Behauptung: die unio personalis ist der alleinige Grund (causa unica) jener der menschlichen Natur Christi zukommenden Allgegenwart.131 Ausschließlich auf der Basis dieses einen Contra widersprechen die Tübinger anschließend allen 4 Konklusionen Mentzers als unhaltbaren Sätzen. Die abschließende Darlegung der eigenen Position formuliert dann lediglich noch einmal ausdrücklich, was in den referierten Behauptungen Mentzers schon als die dort jeweils verfehlte ‚orthodoxe‘ Gegenthese impliziert war.132 2.2 Die Tübinger Gegenthese Am präzise isolierten zentralen Differenzpunkt, der Frage des Zusammenhangs von unio personalis und (All)Gegenwart der menschlichen Natur Christi, bezieht das Tübinger Schreiben eine Mentzer hart entgegengesetzte Position. Was der Gießener modifiziert entkoppelt, setzen die Schwaben in ein Grund-Folge-Verhältnis: „assumptionem vero & unionem Personalem non remotum, sed propinquum & adaequatum fundamentum unicamque omnipraesentiae [sc. carnis Christi] causam esse“.133 Die unio personalis selbst determiniert das Dasein Jesu Christi. Mentzers ‚Entfunktionalisierung‘ des christologischen Grundbegriffs, die diesen aus der Diskussion der Weltgegenwart der Menschheit Christi heraushalten will bzw. (nach ‚Darmstadt‘) zurückstuft auf eine ‚entfernte Möglichkeitsbedingung‘ (funauf 2 separate Quaestionen verteilte Behandlung von unio und promissio hinsichtlich deren Funktion für die Konstitution der Allgegenwart differenziert formal, was sachlich einen einheitlichen Zusammenhang bildet; die Kontraktion beider Themen in nur eine Quaestio zur ‚causa unica‘ der Allgegenwart trägt diesem Konnex Rechnung. (3.) Im Gegenzug kann die zentrale Frage nach den Gegebenheiten im Status exinanitionis aufgesplittet werden, indem differenziert nach der Teilhabe der Menschheit Christi an der göttlichen Gegenwart einerseits, am göttlichen Tun andererseits gefragt wird, womit dann die ursprüngliche Zahl von 4 Quaestionen formal wieder erreicht ist. 130 So bringt Mentzers Antwort (8.10.1619) die – 1619 – noch zurückhaltende Formulierung der Tübinger Kollegen („quatuor ... conclusiones cum Orthodoxia non concordant“; Acta Mentzeriana 69) auf den Punkt: „Quatuor ... sunt capita, in quibus errare vobis videor“ (Acta Mentzeriana 74). 131 Acta Mentzeriana 69–71. 132 Acta Mentzeriana 71f. 133 Acta Mentzeriana 69. – Zu dem mit dieser ‚kausalen‘ Zuordnung berührten Problem des Verhältnisses von ‚Freiheit‘ und ‚Notwendigkeit‘ im Begriff der Gegenwart Gottes vgl. u. C.IV.1.2.
II. Logos factus est Christus – Zur Tübinger Grundthese
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damentum remotum), die erst im Verbund mit einer ergänzenden Instanz diese Gegenwart begründet,134 ist damit punktgenau widersprochen. Was diese nur knapp formulierte Tübinger Gegenthese näherhin behauptet, erhellt aus ihren angeschlossenen Begründungen. Dieser Beweis (probamus) setzt bei 2 konstitutiven Näherbestimmungen der Personeinheit an. Die ‚fundamentale‘ Bedeutung der unio personalis hinsichtlich der Gegenwart Christi ergibt sich für die Schwaben zwingend sowohl aus dem terminus unionis (2.2.1) als dann auch aus dem Vollzug der Unio als einer wechselseitigen Perichorese der Naturen (2.2.2). Diesen systematischen Argumenten tritt ergänzend der Hinweis auf die biblische Bestimmung der unio personalis als ‚Einwohnung‘ (inhabitatio) an die Seite (2.2.3). 2.2.1 ‚personationis vi‘ – Die Konstitution der Personeinheit 2.2.1.1 Der terminus unionis – das „Woraufhin der Einung“135 oder hier präziser das „Wo“ und „Wodurch“ der Einigung136 – ist die Hypostase der zweiten Person der Trinität. In diese „infinita Filii Dei hypostasis“, ist die menschliche Natur Christi ‚aufgenommen‘ (assumi) oder ‚eingefügt‘ (inse134
Vgl. o. B.II.1.3 bzw. B.IV.1.2. So übersetzt J. B AUR, (1977, 246 =) 1993h, 262 (Kursivierung U.W.). 136 „unio [hier: = unitio] ... a termino ad quem, in quo fit unio, υποστατικη dicta“ (T HUMM, 1618, 66/48); „oportuit utramque Naturam convenire, in hypostasi, tanquam in termino, in quo duae Naturae seu duo unibilia unirentur“ (LC. OSIANDER, 1619b, 79/31); „Terminus unionis ... est υποστασις του λογου, in qua uniuntur & diuinae & humanae naturae“ (B. MEISNER, [1606b =], 1612, Disp. I, 96/35). In der Sache charakterisiert der Begriff des terminus unionis die Logoshypostase als das ‚einheitsstiftende‘ ‚Band‘, das, wie für jede Vereinigung disparater Dinge, so auch für die übernatürliche christologische Vereinigung der wesentlich differenten Naturen von Gott und Mensch erfordert ist: „το ενοποιον vero vel terminus, in quo utraque natura concurrit, & quo mediante uniuntur invicem, est una eademque υποστασις vel subsistentia, nimirum infinita του λογου. Ut enim in omni disparatorum unione quoddam datur quasi vinculum, quod illa unit, in quo ista conveniunt, & per quod unum fiunt: Ita in unione hac supernaturali το ενοποιον duas naturas conjungens est ipsissima | Filii Dei υποστασις, in quam una assumitur caro Christi, & per hanc assumptionem cum divinitate λογου arctissime unitur“ (MEISNER, Magnum Mysterium, 1624a, Th. 99 [fol. M4v.|N1 r]; vgl. DERS., Disputationes, 1624b, Disp. V, 20/66–22/67). Im Hintergrund stehen Festlegungen von Meisners Wittenberger Lehrer Salomon Gesner (vgl. u. D.IV.6.1). – Nochmals weitergehende Präzisierungsversuche unterscheiden von diesem ‚einheitsstiftenden Band‘ als dem terminus unionis in quo (= Logoshypostase) den terminus unionis ad quem, der das Resultat der Vereinigung beider Naturen in der Logoshypostase, also das gottmenschliche Suppositum (υφισταμενον συν θετον) aus beiden Naturen benennt: MEISNER, [1606b =] 1612, Disp. I, 132/48f–139/51; v r v DERS., Magnum Mysterium, 1624a, Th.103 (fol. N3 .N4 ), Th. 104 (fol. M4 ); DERS., Disputationes, 1624b, Disp. IX, 12/120, 22/123. – Zur Klärung des Verhältnisses: (1.) von Subsistenz, Hypostase und Natur des Logos; (2.) von Hypostase (des Logos) und tota persona Christi (ambae naturae); (3.) Hypostase und Naturen (simul sumtae) Christi vgl. weiter auch D.IV.5.1.2. 135
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reri) und so hypostasiert worden.137 Diese Aufnahme setzt nicht lediglich eine abständige Beziehung, die beide Pole, assumens (Logos) und assumptum (natura humana), je für sich unverändert läßt. Sie markiert vielmehr das definitive Ende jedes ‚für sich‘ der vereinigten Größen. Die Vereinigung macht ‚Geschichte‘: Die angenommene Menschheit partizipiert vorbehaltlos (intime & realissime) an der Hypostase des Gottessohnes, aufgrund welcher Teilhabe allein sie nun auch ihrerseits subsistiert. Ihr Dasein wird darum durch die Verfassung der aufnehmenden göttlichen Person unabdingbar bestimmt: „in qua [infinita υποστασει] velut κολπω totali & infinito, non nisi infinite138 subsistere potest [natura humana]“.139 Kraft dieser besonderen Daseinsbegründung (personationis vi) der Menschheit, ihrer in hypostatischer Identität vermittelten infiniten Subsistenz, ist ‚Christus‘ notwendig stets mit beiden Naturen (ambabus naturis) gegenwärtig140 – oder es wäre gar nicht von der Gegenwart Christi die Rede. Schon in dieser elementaren Auslegung der unio personalis bringt sich ein für die Tübinger „zentrales Interesse“ zur Geltung, dessen Gewicht für die Ausarbeitung dieser neuen Christologie schwerlich überschätzt werden kann: „Die Fleischwerdung hat einen Tatbestand gesetzt, der in keiner Weise und an keinem Stück wieder rückgängig gemacht werden darf“.141 Die assumptio carnis markiert zeitlich und sachlich die irreversible Zäsur im Sein des ewigen Sohnes Gottes – seinen Übergang von der vorinkarnatorischen Existenz als persona simplex zur postinkarnatorischen Existenz Christi als einer persona composita. Darum bedeutet die Inkarnation für den Gottessohn in bestimmter Weise eine Veränderung. Wenn das Schreiben diesen inkarnatorischen Transitus als ein Werden aussagt – „λογος ... per ενσαρκωσιν ... factus [est] CHRISTUS“ –,142 spricht es zunächst nur das biblische Zeugnis nach. Entscheidend ist aber, daß jenes biblisch vorgegebene „factum est“ (Joh 1,14) gegen eine lange und bestimmende Tradition nicht im Rahmen des gleichfalls biblisch fundierten assumptio-Gedankens (Hebr 2,14) restriktiv interpretiert wird. Dessen klassische Formulierung in der Antithese des Symbolum Quicunque: „non conversione divinitatis in carne, sed adsumptione humanitatis in Deo“143 steht nach ihrer
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„I. Ex unionis termino demonstramus, quae non est finita, sed infinita Filii Dei
υποστασις, in cujus ipsissimam του λογου υποστασεως infinitae unitatem humana natura anima & corpore immediate intime & realissime inserta, απεριγραπτως υπεστησατο ac κατεπιετο“ (Acta Mentzeriana 69). 138
Nicht: infinita! – Die der Menschheit mit der Assumptio allerdings widerfahrene ‚Veränderung‘ meint nicht die schlichte Negation der natürlichen Wirklichkeit (essentia), sondern eine neue Existenzweise kraft der Kopräsenz mit der vereinigten Gottheit. 139 Acta Mentzeriana 69. 140 „... cuius ineffabilis personationis vi, Christus | ambabus naturis ... rebus omnibus, in coelo & in terra praesentissimus adest“ (Acta Mentzeriana 69|f). 141 J. B AUR, (1977, 246 =) 1993h, 262. 142 „Cum igitur λογος ... per ενσαρκωσιν ... factus sit CHRISTUS & persona composita ...“ (Acta Mentzeriana 70). – Vgl. zu dieser ‚Zäsur‘ weiter u. C.III.2.4–5; D.IV.2.2. 143 BSLK 30,3–5; vgl. CA 3 (lat. Text), BSLK 54,2ff. Dazu vgl. die – im einzelnen nicht unproblematischen – Ausführungen F. BRUNSTÄDs, 1951, 36f. 43f, sowie für den theologiegeschichtlichen Zusammenhang H. STICKELBERGER, 1979, 18–26.
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negativen Festschreibung selbstredend auch in Tübingen außer Frage; daß der Logos „bleibt“, was er „war“ – sum, quod eram –,144 wird sogleich im Fortgang des Arguments beansprucht werden. Aber es hängt Entscheidendes daran, diese Identität nicht gegen jede ‚Veränderung‘ auszuspielen. Das Geschehen der assumptio meint tatsächlich ein Werden: ein Werden, das von einer Veränderung des Wesensbestandes unterschieden bleibt und damit dem athanasianischen Verbot jedweder conversio genügt, aber doch einen Vorgang denkt, welcher der parallelen Behauptung einer inkarnatorischen Zäsur – non eram, quod sum – den Status sachbedingter Rede läßt. Nur wo beides zugleich festgehalten wird: die bleibende wesentliche Identität des Logos im Ereignis der Assumptio, deren Subjekt er ist, und zugleich dieses Geschehen als sein selbstbestimmtes ‚Werden‘ zur persona composita des ‚Christus‘, allein da ist in der theologischen Aussage die Inkarnation als jenes ‚große Geheimnis‘ (1.Tim 3,16) eingeholt, als das sie das Schriftzeugnis zu denken aufgibt: „Gott, der Schöpfer aller Dinge, ist Geschöpf und Fleisch geworden“. So, auch in der plerophoren Diktion, repräsentativ für schwäbische Christologie nicht erst seit 1619 hatte M. Hafenreffer in der akademischen Weihnachtsfeier des Jahres 1617 die Marke festgehalten, die das biblische Zeugnis setzt,145 – die radikalste ‚Wende‘ der Welt, jene einzige ‚Veränderung‘, die diesen Namen verdient, die „Res κατ’ εξοχην NOVA“,146 vor welcher alle sonstige Geschichte zur Variation des Gleichen verblaßt: „Hoc est omnium novorum, maxime novum, quod solum novum sub sole“.147
2.2.1.2 Es ist nicht weniger als dieses von der Schrift präsentierte Thema der Christologie selbst, die res κατ’ εξοχην nova des Eingangs des Schöpfers in die kreatürliche Wirklichkeit, das die dem biblischen Zeugnis nachdenkende Theologie aus Tübinger Sicht verfehlt, wenn sie die Assumptio nicht als diese ‚Veränderung‘ des ewigen Gottessohn zum ‚Christus‘, der nur als ‚Synthese‘ von Gott und Mensch ‚ist‘, versteht. Die Einheit des inkarnatorisch ‚gewordenen‘ Kompositums festzuhalten, verlangt als ele144
Zur „stilisierten ‚Selbstaussage‘ Christi“: Sum, quod eram, nec eram quod sum, nunc dicor utrunque vgl. das von J. B AUR Angemerkte: Ihre Rezeption in der lutherischen Christologie sucht „das ungeheure Ereignis zu bedenken …, durch das der in ewiger Selbigkeit beständige Gott (sum quod eram) nun als Mensch ist, was er nicht war (nec eram quod sum) und deshalb jetzt als Gottmensch bezeugt wird (nunc dicor utrunque)“ (1993g, 172; bezogen auf J. Wigand, 1569 [zu diesem vgl. u. Anm. 242]). 145 „VERBUM, inquit [Johannes Evangelista], CARO FACTUM EST. Hoc est, Deus factus est Homo: Filius DEI factus est Filius Hominis: Deus creator omnium, factus est creatura, caro“ (HAFENREFFER, Verbum Caro factum est. Oratio in Nativitatem Salvatoris, Domini Nostri Jesu Christi [24.12.1617], Tübingen 1618a, 5). – Hingegen konnte eine Interpretation des fieri von Joh 1,14 im Rahmen einer strikt dem Immutabilitätsaxiom verpflichteten Assumptio-Christologie geradezu auf eine faktische Revozierung des ‚Skandalon der Inkarnation‘ führen, wie etwa die in der Auseinandersetzung mit J. Brenz vertretene Christologie H. Bullingers belegt, vgl. BRANDY, 1991, 106–108. Ob die demgegenüber schwäbischerseits intendierte Aussage eines christologischen ‚Werdens‘ Gottes mit der These einer Erhöhung des Menschen allein einzuholen ist, wird allerdings zu fragen sein; vgl. u. C.III.2(.4); C.IV.2.6; bilanzierend F.III(.2). 146 „... Creatorem fieri Creaturam, Deum esse Hominem, & Hominem esse Deum, est Res κατ’ εξοχην NOVA“ (J. HOECKER, Clavis Philosophica, 1613, 418). – Zu Hoecker vgl. u. D.I.7.2. 147 M. HAFENREFFER, 1618a, 5 (vgl. Koh 1,9).
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mentares Implikat dieser Synthese die stetige Simultaneität jener das neue Ganze konstituierenden Naturen zu denken, in denen „nun“ (iam) der Logos zugleich (simul) subsistiert. Das ‚Werden‘, das mit dem Schriftzeugnis vom ewigen Logos prädiziert wird, ist diese Eröffnung der identischen Subsistenz von Gott und Mensch. ‚Nun‘ – „nach der Inkarnation“ – stellt jeder Rekurs auf ein Sein des Logos nur qua natura divina einen unzulässigen „Ausgriff auf das Zuvor“148 der persona simplex dar, welche die Theologie nur noch als definitiv verlassenen, wenngleich nicht abstrakt negierten terminus a quo des biblisch bezeugten fieri kennen darf; anderenfalls würde getrennt, was durch die Inkarnation irreversibel ‚komponiert‘ wurde und seither und auf ewig nur als diese Synthese der persona composita ‚ist‘. Das Simul beider Naturen im Vollzug ihrer hypostatischen Koexistenz ist die Bedingung der Identität des ‚Christus‘.149 2.2.1.3 Die Vollendung des Tübinger Arguments verlangt als weiteren Schritt, die ‚nun‘ definitiv bestehende Untrennbarkeit der Persona composita in ihrer Konsequenz für die Gegenwart des so bestimmten Christus auszulegen. Die im Faktum ihrer personalen Vereinigung begründete Koexistenz beider Naturen erfordert die Aufhebung der Inkongruenz ihrer je natürlichen Präsensmodi. Denn ‚nun‘ kann von einer Gegenwart Christi allein dann die Rede sein, wenn er als der so Gewordene anwesend gedacht wird: als persona composita und also als der nach beiden Naturen zugleich Gegenwärtige. Die Alternative: Entweder realisiert sich das inkarnatorische Simul im Wege einer Reduktion der infiniten Hypostase des Logos auf die endliche Präsenz, die der angenommenen Menschheit natürlicherweise durch sich zukommt. Dies widerspricht jedoch dem unveränderlichen Wesen des göttlichen Logos150 und ist, soll nicht die Inkarnation als Selbstaufhebung Gottes gedacht werden, auszuschließen. Die res κατ’ εξοχην nova der christologischen Vermittlung der Diastase von Schöpfer und Geschöpf tastet die wesentlichen Identitäten nicht an und bleibt von jeder Verwandlung oder Vermischung unterschieden. Sum quod eram: „Manet idem ille Deus, jam etiam incarnatus“.151 Das fieri, zu dem der Gottessohn sich selbst bestimmt, bedeutet niemals seine Depotenzierung. So bleibt 148
J. B AUR, (1977, 246 =) 1993h, 262. „Cum igitur λογος post incarnationem nullibi simplex & ασυνθετος sit persona, in una tantum natura subsistens, sed per ενσαρκωσιν ita factus sit CHRISTUS & persona composita, ut iam non tantum in DIVINA, nec tantum in HVMANA, nec in aliquo ubi, in DIVINA & HUMANA simul, in alio vero που in divina solum, sed in divina & humana natura αδιαιρετως, αχωριστως, αδιαστατος και αδιαπαστως simul subsistat ...“ (Acta Mentzeriana 70). 150 „... quod est contra Verbi Naturam“ (Acta Mentzeriana 70). 151 HAFENREFFER, Oratio, 1618a, 5. Vgl. die Fortsetzung (ibd.): „Nulla enim Naturarum, Divinitatis, puta, & susceptae Humanitatis, facta est immutatio, nulla conversio aut confusio ...“. 149
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allein die gegenläufige Vermittlung: Das Simul der Naturen resultiert aus der „Erhöhung“ der angenommenen Menschheit zur infiniten Subsistenz der göttlichen Hypostase.152 Partizipiert die Menschheit aber am Subsistenzmodus der Logoshypostase (infinite subsistere), dann – so der Zielpunkt des Arguments – auch notwendig (consequenter) an dem damit gesetzten Weltverhältnis (omnibus rebus creatis adesse) des Logos.153 Mit diesem letzten Schritt ist die entscheidende Differenz zu Mentzer formuliert. Während der Gießener ontologische Struktur und Weltverhältnis der Persona Christi als systematisch unabhängig deklariert,154 plädieren die Tübinger für die zwingende Verknüpfung dieser beiden Bestimmungen. Das die Persona composita Christi konstituierende Simul beider Naturen ist keineswegs auf ein die Weltrelation ausblendendes Binnenverhältnis zu reduzieren, sondern nur als deren gemeinsame „Gegenwart zu allen Dingen“155 adäquat ausgesagt. Bereits das Sein der Person Christi determiniert notwendig und vollständig das Dasein der in ihr vereinigten Naturen. 2.2.1.4 Der christologische Schluß (ac consequenter) von dem Sein (infinite subsistere) auf das Weltverhältnis (omnibus rebus adesse) der Menschheit Christi setzt theo-logisch voraus, daß die göttliche Allgegenwart an sich selbst als Folge der Unendlichkeit des göttlichen Seins bestimmt wird;156 diese hier nur stillschweigend in Anspruch genommene Festlegung wird im Widerspruch gegen Mentzers vierte These ausdrücklich verteidigt werden. Bereits im aktuellen Zusammenhang aber weisen die Tübinger einen anderen Versuch ab, durch semantische Verschiebungen im Begriff der Allgegenwart den Konnex von Personsstruktur und Weltpräsenz zu unterlaufen: Die Gegenwart Christi nach beiden Naturen ist, so wird betont, seine Anwesenheit am Ort der Geschöpfe und für diese, nicht nur deren intuitiv vermittelte Repräsentanz ‚vor‘ ihm.157 152
„… ex necessitate sequitur: aut infinitam του λογου υποστασιν ad finitam carnis praesentiam esse detractam, quod est contra Verbi Naturam; aut contra humanam naturam assumptam ad infinitam υποστασιν ... evectam esse“ (Acta Mentzeriana 70). 153 „... humanam naturam assumptam ad infinitam υποστασιν cuius vi non nisi infinite subsistere ac consequenter omnibus rebus creatis adesse potest“ (Acta Mentzeriana 70). – Dieser mit dem ‚ac consequenter‘ markierte Fort-Schritt von der Ontologie (subsistere) zur Weltpräsenz (adesse) konstituiert das zentrale Argument der ‚neuen‘ Tübinger Christologie; vgl. dazu auch den ‚literarkritischen‘ Vergleich des Tübinger Fakultätsschreiben mit dessen ‚Vorlagen‘, u. (C.II.) 2.5. 154 Vgl. o. B.II.1.3. 155 J. B AUR, (1977, 246 =) 1993h, 263. 156 Vgl. die von Thumm an anderer Stelle der christologischen These beigefügte theologische Marginalie: „Immensitas seu infinitas est proprietas Dei absoluta, cuius vi omnibus rebus creatis praesentissime adest“ (Exegesis Primi Capitis Matthaei, 1619, 92 i.m). 157 „Christus ambabus naturis non quidem formaliter, πρωτως και ουσιδως, sed υποστατικως praesentia non tantum σχετικη (quae a nonnullis per το habere describitur) aut
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Mit der Abweisung dieser der „wirklichen Gegenwart“ kontrastierten ‚praesentia σχετικη‘ arbeiten die Tübinger en passant eine Hypothek ab, die ihnen aus der eigenen Tradition überkommen ist. Die Termini verweisen auf spezifische Theoreme des Tübinger Aristotelikers Jacob Schegk, um dessen Christologie es 1585 zum Eklat gekommen war, nach langen Jahren argloser Rezeption jedenfalls bestimmter Elemente seiner erstmals 1565 vorgelegten Theorie durch die führenden Theologen Württembergs. Schegks als ‚philosophische‘ Apologie der schwäbischen Ubiquitätsthese angeforderter und akzeptierter Entwurf grenzt die ‚Allgegenwart‘ der Menschheit Christi von einer ontischen Partizipation am göttlichen (Da-)Sein ab und bestimmt sie alternativ als psychologischintellektuell vermittelte ‚Teil-habe‘ (εξις, τω εχειν): Realiter ist allein der Logos gubernatorisch allgegenwärtig; aber die ihm in der Einheit der Person verbundene natura humana ‚hat‘ den Logos (sich gegenwärtig), ‚weiß‘ um dessen Tun, stimmt diesem zu; in diesem Sinne – conscia mente, conformi voluntate – partizipiert sie an der göttlichen Allgegenwart. Keinesfalls aber ist damit die Anwesenheit ihrer selbst am Ort der Geschöpfe (ipsa rebus creatis) gesetzt; konstituiert ist nur dieses durch Anschauung gegebene ‚Gegenwärtig‘-Sein der Dinge für die Menschheit Christi (res ipsi). 158
Die beiläufig notierte,159 die Peinlichkeit des Vorgangs übergehende Abgrenzung von ‚Schegk‘ fügt sich insofern in die aktuelle Kontroverse, als Mentzer ein die Einheit der Person sprengendes ‚extra‘ für den status exinanitionis dadurch ausschließen zu können glaubt, daß er auf die weltlose praesentia intima der Naturen verweist, die unabhängig und unberührt von aller variablen Weltgegenwart bestehe. Es ist dieses Konzept einer ‚Gegenwart‘ alternativ zu realer ‚Anwesenheit‘, welches auch Schegks Lösung der Integrität der Person Christi bestimmt. Eben diese Antithetik, in welcher Näherbestimmung auch immer, negiert die Tübinger These, wenn sie Personeinheit und Weltpräsenz verknüpft und letztere dezidiert als Anwesenheit (adessentia) am Ort der Geschöpfe auslegt: „ipse (Christus) ambabus naturis rebus omnibus, in coelo & in terra praesentissimus adest“.160
res ipsi, verum reali & ipse rebus omnibus, in coelo & in terra praesentissimus adest ...“ (Acta Mentzeriana 70). 158 „Schegk und sein Verhältnis zur Tübinger Theologie“ sind noch immer „als dringendes Forschungsdesiderat zu benennen“ (B RANDY, 2000, 78). Zur Biographie und den äußeren Abläufen vgl. den Überblick: SIGWART, 1889a, 256–291; zum philosophischen und fundamentaltheologischen Horizont: FRANK, 2003, 89–128; zur christologischen Frage: B RANDY, 2000, 77–82, bes. 77–80 (= Kurzfassung von DERS., 1989, 100–109). – Bestimmte Topoi Schegks haben zunächst J. Andreaes Modifikation des Brenz’schen Entwurfs (vgl. BRANDY, 2000, 79–82; DERS., 1989, 107–109) und später v.a. die ausgeführte Omnipräsenz-Lehre und Christologie Ph. Nicolais (1601ff) nicht unerheblich beeinflußt (LINDSTRÖM, 1939, 79–102). Auch der Frage einer Rezeption in der Christologie Ä. Hunnius’ (u. C.IV.3) wäre gründlicher nachzugehen. – Die Tübinger von 1619 sind hier Erben der Kritik an Schegk schon in der Neuorientierung schwäbischer Christologie seit ca. 1600 (vgl. u. D.I.6.3.1). 159 Vgl. entsprechend die parallele Passage THUMM, 1618, 90. 160 Acta Mentzeriana 70.
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2.2.2 ‚Unum omnia‘ – Der Vollzug der unio personalis Dasselbe Ergebnis, die Konstitution der omnipraesentia carnis unmittelbar durch die Personeinheit selbst, ergibt sich für die Tübinger, wenn die Vollzugsform dieser unio personalis als Perichorese der Naturen in den Blick genommen wird. Die mit der Assumptio definitiv gesetzte hypostatische Synthese zur persona composita eröffnet den kontinuierlichen Prozeß der wechselseitigen Durchdringung (περιχωρησις mutua) des Vereinigten, das kein Einander-äußerlich-sein mehr kennt.161 Partizipiert die Menschheit an der Hypostase des Logos, dann auch an dessen göttlicher Natur, die von jener Hypostase real nicht verschieden ist.162 Erneut läßt sich der differenzbildende Fort-Schritt von der gemeinsamen Basis zur strittigen Applikation am Text des Tübinger Arguments nachzeichnen. Noch in sachlichem Konsens mit Mentzer, nur in der plerophoren Diktion von diesem vielleicht geschieden, stellen die Tübinger fest: In der Perichorese sind Gottheit und Menschheit in höchster Intensität vermittelt, „[i]n jeder nur möglichen Verschränkung“163 zusammen da: unum omnia.164 Auch Mentzer bestreitet nicht: die Perichorese, kraft deren die Naturen „in infinita illa υποστασει sibi invicem ... intime & praesentissime praesentes“ sind, hat zur Folge, daß der Logos die angenommene Menschheit stets bei sich hat – „intra arcanum, arctissimum, profundissimum & praesentissimum complexum, secum, intra se, apud se, & penes se perso-
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„Idem conclusum ex unione quoque duarum naturarum, earumque περιχωρησει mutua, pro carnis omnipraesentia deduci potest. Duae enim naturae in infinita illa υποστασει ita, intime & praesentissime praesentes sunt, ut in υποστασει illa singula sint in omnibus, & omnia in singulis & singula in singulis, & omnia in omnibus, & unum omnia ...“ (Acta Mentzeriana 70). 162 Vgl. zum Konzept der Perichorese überhaupt näher u. D.IV.4. 163 J. B AUR, (1977, 247 =) 1993h, 263. 164 „Duae enim naturae in infinita illa υποστασει sibi invicem ita, intime & praesentissime praesentes sunt, ut in υποστασει illa singula sint in omnibus, & omnia in singulis, & singula in singulis, & omnia in omnibus, & unum omnia. Totus namque λογος, toti carni totaliter, & totaliter tota caro toti λογω ita est unita, ut ...“ (Acta Mentzeriana 70). – Dieser Passus steht in einem komplexen ‚redaktionsgeschichtlichen‘ Beziehungsgefüge: Wörtliche Parallelen finden sich in Thumms nur wenige Wochen älterer ‚Exegesis Primi Capitis Matthaei‘ sowie schon in dessen Inauguraldisputation vom September 1618 und dürften in beiden Fällen veranlaßt sein durch entsprechende Thesen einer christologischen Disputation Th. Wegelins von 1608; dazu vgl. im Detail u. C.II.2.5. – Zugrunde liegt allen Texten Augustins Formulierung der trinitarischen Perichorese der drei Personen: „In penetratione singula sunt in singulis, & omnia in singulis, & singula in omnibus, & omnia in omnib[us], & Vnum omnia“ (T H. WEGELIN, 1608, 119/32 mit Verweis auf Augustin, lib. de Trinit. cap. vlt. (= de trinit. VI,X,12). Dazu sowie zum ‚johanneischen‘ Hintergrund der Formel vgl. G.L. P RESTIGE, 1952, 284–291; J. AUER, 1978, 319ff.
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naliter unitam & praesentissimam semper habeat“.165 Auch ihm ist gewiß, daß die der Menschheit vereinigte Gottheit „überhalb und außerhalb jedes Ortes“ sei, denn gerade auf diese Transzendenz eines ‚supra & extra omnem locum‘ beruft er sich, wenn er die Frage der Personeinheit von dem Problem der Weltpräsenz zu entkoppeln sucht.166 Genau hier aber trennen sich die Wege und erklären die Tübinger ihren Dissens: Eben mit dieser ‚Gegenwart‘ der Menschheit ‚bei‘ dem und ‚für‘ den welttranszendenten Logos – proinde! – ist über deren Weltverhältnis definitiv entschieden. Die Gottes Sein auszeichnende Freiheit vom Raum wäre mißverstanden, würde sie nur ‚negativ‘ als seine Weltabgewandtheit ausgelegt: Gottes ‚Transzendenz‘ ist – ‚positiv‘ – als seine Weltüberlegenheit zu bestimmen und bildet als solche gerade die Bedingung der Möglichkeit souveräner Gegenwart bei allem räumlich existierenden Geschaffenen.167 Die ‚allerinnigste‘ Binnenvermittlung der Naturen ist deswegen notwendig auf deren gemeinsames Weltverhältnis hin auszulegen, sie stellt sich als Kopräsenz an jedem Ort (που) dar. Eine Sistierung dieser ‚lokalen‘ Kopräsenz auch nur für einen Fall (in certo aliquo που; 70) schlägt sofort auf das perichoretische Binnenverhältnis der Naturen zurück. Dieses notwendige Implikat der Personeinheit zu bestreiten, hieße in der Folge diese selbst aufzuheben:168 „rupta est unio, scißa persona, separatae naturae idiomata & operationes“.169 An die Stelle der vorbehaltlosen Vereinigung träte dann eine nur partielle Vermittlung (unio μερικη) der Menschheit mit einem nunmehr selbst als teilbar (μεριστος) gedachten Logos. Mit dieser quantifizierenden Konstruktion wäre eine Reihe von ruinösen, ‚gottlosen‘ 165
Acta Mentzeriana 70. – Die Formulierungen haben ihre Wurzeln bei M. Chemnitz, erfahren aber eine einschneidende Weiterentwicklung durch Ä. Hunnius, der Chemnitz’ Gedanken zum Konzept der praesentia intima ‚prinzipialisiert‘; vgl. u. C.IV.3.1. 166 Vgl. o. B.II.1.3; B.III.2.2. 167 Zu dieser – I.A. DORNER entlehnten – Unterscheidung von ‚positiver‘ und ‚negativer‘ Raumfreiheit vgl. auch u. C.IV.3.1.1. 168 Diese Verknüpfung repetiert eine entscheidende These schwäbischer Christologie seit Brenz; „Die Person Christi ist definiert durch die untrennbar gemeinsame Existenz der beiden Naturen. Folglich ist diese Person nur, wo jene Existenz statthat“ (BRANDY, 1991, 160–162, hier: 162; Kursivierung Br.) 169 „Totus namque λογος, toti carni totaliter & totaliter tota caro toti λογω ita est unita, ut carnem assumptam intra arcanum, arctissimum, profundissimum & praesentissimum complexum, secum, intra se, apud se, & penes se, personaliter unitam & praesentissimam semper habeat, & in illa plenitudine unitae DEITATIS, quae supra & extra omnem locum est, assumpta Natura suam individuam, inseparabilem & indistantem, seu locorum intervallo indisiunctam immanentiam habeat; Proinde quam primum una natura, aliquo modo saltem (quocunque etiam praetextu & declaratione id fiat) ponitur in certo aliquo που positive sine altera, rupta est unio[,] scißa persona, separatae naturae, idiomata & operationes, personae duplicatae …“ (Acta Mentzeriana 70).
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und ‚absurden‘ Widersprüchen eingeführt, welche die Eindeutigkeit der inkarnatorischen Zäsur auflösen in unvermittelte Antithesen: „personae duplicatae, unio μερικη, λογος μεριστος, humanitati praesens, & non praesens, unitus & non unitus, compositus cum illa [natura humana] & non compositus, ενσαρκος & ασαρκος, intra carnem & extra carnem“.170 Ohne die kontinuierliche omnipraesentia carnis wäre de facto ein Nebeneinander zweier Personen introduziert – im Logos gegenwärtig allein nach seiner göttlichen Natur begegnete nicht ‚Christus‘, nicht die inkarnatorisch gewordene Persona composita. Die inkarnatorische Selbstbindung Gottes wäre zurückgenommen auf die Ambivalenz seiner allgemeinen Weltgegenwart, die durch das Zugleich des totus intra – totus extra bestimmt ist. Am Ende stünde die – partielle, auf den status exinanitionis beschränkte – Ratifizierung der antilutherischen Spitzenthese reformierter Christologie: logos extra carnem.171 2.2.3 ‚Nostrum IN Sanctum‘ – Unio als Ein-Wohnung Erst jetzt, nach zwei rein systematischen Argumenten direkt aus der Konstitution und dem Vollzug der Personeinheit, begründet der Tübinger Brief die Konstitution der omnipraesentia carnis Christi allein durch die personale Union „außerdem“ (praeterea)172 durch einen Verweis auf das Schriftzeugnis. Dabei ist das Beweisziel allerdings deutlich unterschieden von jenem Rekurs auf die Schrift, wie ihn Mentzer vorträgt. Der Gießener zielt auf eine direkte Begründung der Omnipräsenz Christi aus der Schrift; vorgeführt werden darum die mit der Verheißung dieser Gegenwart befaßten Aussagen. Demgegenüber bleibt der Tübinger ‚Schriftbeweis‘ strikt im Rahmen der Entfaltung des Begriffs der unio personalis auf dessen Implikationen hin; die Perspektive der rein systematischen Argumente hält sich insoweit durch. Nur wird diese Argumentation jetzt ausgerichtet auf die neutestamentliche Terminologie; aber immer noch belegt sie nicht direkt die omnipraesentia carnis, sondern präzise diese Allgegenwart als das notwendige Implikat der unio personalis. Mentzers pathetische Isolierung des Schriftarguments173 bleibt den Schwaben fremd. Sie versuchen, dogmatische Präzisierung und biblische Verheißung füreinander zu öffnen.174 170
Acta Mentzeriana 70. „... [λογος] ενσαρκος & ασαρκος, intra carnem & extra carnem, υποστασις | extra id, cuius est υποστασις, Christusque συνθετος & ab Ecclesia absens, quae omnia αθεολογα & absurda sunt“ (Acta Mentzeriana 70|f). 172 Acta Mentzeriana 71. 173 Vgl. o. B.II.1.1. 174 Ein schönes Beispiel dieser jedenfalls intendierten Synopse von Dogma und Schrift bietet Hafenreffers akademische Weihnachtsansprache, wenn sie den Fundamentalsatz des johanneischen Prologs, die Botschaft des Engels der Weihnacht und die dog171
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Die einschlägigen Stellen prädizieren die Inkarnation homophon als „Einwohnung“ (INhabitatio) des Logos „in“ der angenommenen menschlichen Natur: DEVS erat IN CHRISTO (2.Kor 5,19); DEVS manifestus est IN carne (1.Tim 3,16); Omnis plenitudo DEITATIS habitat IN CHRISTO (Kol 2,9). Wird diese biblische Erläuterung des ‚factum esse‘ (Joh 1,14) durch das IN-habitare festgehalten, dann ergibt sich als zwingende Folgerung, „daß der Sohn Gottes nach der Vereinigung immer nur in dem angenommenen Fleisch, nirgendwo aber außerhalb des Fleisches und ohne dieses [da] ist“. 175
Weil auch Mentzer den – lutherisch essentiellen – Kanon solchen ‚semper in – nuspiam extra‘ teilt, bricht der Dissens wieder erst dadurch auf, daß die Tübinger dieses „heilige IN“ lutherischer Christologie176 auf dessen Konsequenz für das Weltverhältnis der Menschheit hin entwickeln. Nicht anders als die unmittelbar systematisch ansetzenden Argumente erfordert auch die biblische Näherbestimmung der unio personalis als ‚Einwohnung‘ die koextensive Präsenz des Vereinigten. Die Logizität des Begriffs der Inhabitatio schließt eine Gegenwart des Logos inhabitans außerhalb der caro inhabitata aus. Damit stellt auch das Schriftzeugnis noch einmal vor jene Alternative, die schon anläßlich des ersten Arguments benannt und entschieden worden war: Depotenzierung des Logos auf den natürlichen Präsenzmodus der Menschheit – quod impoßibile177 – oder gegenläufig deren Erhebung zur Majestät infiniter Subsistenz und Allgegenwart.178 Wechselt die Tübinger Christologie mit dieser Berufung auf das ‚heilige IN‘ vom theologischen Diskurs in die ‚Geometrie‘? So lautet der Vorwurf J. Keplers an die Adresse
matische Formulierung der Inkarnationsaussage zusammenstellt, um das so dreifach Umrissene dann promissorisch dem gegenwärtigen Hörer zuzuwenden: „VERBVM Caro factum est; Natus est nobis Salvator; Filius DEI natus est Homo ... Verbum Caro factum, natus Bethlehemi Salvator: Mihi natus est Salvator! Tibi natus est Salvator! Toti Mundo, nemine homine excepto, natus factusque est Salvator …“ (1618a, 11.15). 175 „Vnio praeterea personalis, quando in sacris [scripturis] describitur, ut plurimum inhabitatione definitur. DEVS erat IN CHRISTO, 2.Corinth. cap.5. vers.19. DEVS manifestatus est IN carne, 1.Timoth. cap.3. vers.16. Omnis plenitudo DEITATIS habitat IN CHRISTO, ad Coloss. c.2.vers.9. Si ergo incarnatio του λογου semper tali IN-habitatione nobis delineatur, ut Filius DEI post unionem [hier = unitionem] semper, solum in assumpta carne, nuspiam vero extra carnem & sine ille sit ...“ (Acta Mentzeriana 71). 176 „nostrum IN Sanctum“: In dieses auch terminologisch bündige Contra zum reformierten extra carnem verdichtet THUMM seine Auslegung derselben Kardinalstellen (Kol 2,9; 1.Tim 3,16): Disputatio Inauguralis, 1618, 70/49f, hier: 50. – Vgl. die parallele Wendung: „Orthodoxum nostrum IN“: T HUMM, Exegesis Primi Capitis Matthaei, 1619, 92; wieder mit Bezug auf 1.Tim 3,16; Kol 2,9. 177 Acta Mentzeriana 71. 178 „... ex necessitate denuo colligimus, aut humanitatem aßumptam λογον ad finitam praesentiam detraxisse, quod impoßibile, aut λογον humanitatem ad Maiestatem infinitatis & omnipraesentiae suae ita evexisse, ut ubicunque sit (est autem vi infinitatis & immensitatis omnibus creaturis per adessentiam indistanter praesentissimus) nuspiam sine carne in aliquo που sit“ (Acta Mentzeriana 71).
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M. Hafenreffers,179 der in seinem letzten Brief (31.07.1619) an den dissentierenden ehemaligen Schüler und Freund ebenfalls 1.Tim 3,16 als ‚interpretierende‘ Parallele zur johanneischen Inkarnationsaussage reklamiert hatte, um auf dieser Basis die von Kepler geteilte Annahme eines ‚Logos etiam extra carnem‘ als Bestreitung der Inkarnation des ganzen Logos abzuweisen.180 Kepler gibt damit die Bewertung zurück, die zuerst Hafenreffer ihm gegenüber geltend gemacht hatte: Eine Allgegenwart der Menschheit Christi mit Verweis auf die unaufhebbare Inkongruenz der Präsenzmodi beider Naturen zu verneinen, heiße, das ‚Geheimnis‘ der Personeinheit Christi, das die Theologie der Schrift (1.Tim 3,16) nachspreche, geometrischen oder mathematischen Kategorien zu unterwerfen181 – im übrigen ein stehender Topos der lutherischen Polemik gegenüber den calvinistischen ‚Geometrikern‘.182 Recht und Unrecht dieser lutherischen Interpretation reformierter Christologie können hier unerörtert bleiben. Mit Kepler die lutherischen Kritiker am selben, nur eben spiegelbildlichen Syndrom leiden zu sehen, geht jedenfalls an der Intention des Tübinger Arguments vorbei, eine ‚geometrische‘ Deutung des IN im Sinne eines Circumclusum oder Circumscriptum liegt fern.183 Der Streit gründet in der unterschiedlichen Bedeutung, die der Menschheit für die Integrität der Person Christi zugemessen wird. Nach Sicht der Tübinger – an diesem Punkt repräsentativ für lutherische Christologie überhaupt – wäre eine Gegenwart des Logos ‚außerhalb‘ der angenommenen Menschheit nicht die Gegenwart Christi, der eben dieses Zugleich von Gott und Mensch ‚ist‘.184
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„Hic vero non ego sed Doctor ipse sibi Geometrica imaginatur …“ (Notae ad epistolam D.D. Mathiae Hafenreffer; Nova Kepleriana 6, 19,15–24,4; Zitat: 20,28f). 180 W XVII, Nr. 847, 369,92–370,153. Vgl. H ÜBNER, 1975, 286–290 und o. C.I.1.3. 181 „Si cogitationes tuas ad contemplationem mysterii, quod Johannes tribus verbis complexus est, dirigere velis ο λογος σαρξ εγενετο, verbum caro factum est, nihil opus est, vt vterum virgineum, in quo Incarnationis mysterium, inceptum et perfectum est, aut crucem Golgathaneam, in qua λογος, vita aeterna exaltatus perpendit, dimetiare, crassae istae, et erroneae Geometricae sunt Imaginationes ... quin potius triverbij istius mysterij (verbum caro factum) D. Apostolum Paulum, interpretem audis, ita de illo commentantem: ομολογουμενως μεγα εστι το της ευσεβειας μυστηριον. Θεος εφανερωθη εν σαρκι. Deus manifestatus est in carne. Quibus verbis, mysterium illud, quomodo verbum Caro factum sit, nonnihil depingitur. Non ita videlicet, vt falso tibj imaginarij posses, ita λογον assumpsisse carnem, vt illam quidem in finitae υποστασεως vnitatem susceperit, illa vero infinitae personae eiusdemque proprietatum nullatenus facta sit particeps; inde tibj imaginaris, sed falcissime, λογον quidem vt ab aeterno infinitum, in omnibus quidem locis vbique praesentem esse, Carnem vero, licet cum infinito λογω personaliter vnita sit, non nisj in vnico semper loco praesentem fuisse, esse, futuram. Physica tibj imaginaris et Geometrica. Magnum illud citra controversiam Mysterium, carnem assumptam non ita adsumpsit, ut etiam extra illam esse velit, quod tuae imaginationes somniant: ... Ergo ne non totus λογος erit incarnatus? Ergo λογος partem habebit extra partem? Ergo alicubj λογον monstrare licebit incarnatum, alicubj non incarnatum? omnia absurda, ατοπα, αθεολογα!“ (Hafenreffer an Kepler, 31.07.1619; W XVII, Nr. 847, 369, Z.92–118; vgl. 368, Z.37f. 55; auch: Acta Mentzeriana 65f; Nova Kepleriana 6, 11, Z.40–12, Z.4). – Die letzten Zeilen finden ein Echo im Tübinger Fakultätsschreiben; vgl. o. Anm. 171. 182 γεωμετρουντες: T HUMM , Disputatio Inauguralis, 1618, 70/49f, hier: 50. 183 T HUMM, 1618, 50; DERS., Exegesis Primi Capitis Matthaei, 1619a, 92. 184 Läßt sich der Vorwurf christologischer „Geometrie“ so nicht aufrecht erhalten, bleibt doch die grundsätzliche Frage nach der hermeneutischen Problematik dieses Re-
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2.3 Resümee 2.3.1 Mit dieser dreifachen Deduktion der Omnipräsenz der Menschheit Christi unmittelbar aus der Konstitution und dem Vollzug der unio personalis selbst sehen die Tübinger das eine und einheitliche Argument vorgetragen, das zum Einspruch gegen sämtliche Abweichungen Mentzers nötigt. Zum expliziten Widerspruch überleitend resümiert der Brief noch einmal die identische Formalstruktur aller drei Konklusionen. Die hypostatische Übereinkunft der Naturen ist dort verfehlt, wo sie nicht als irreversible Neubestimmung von Gott und Mensch gedacht wird. Die natura humana wird nicht nur im Verhältnis bloßer Dependenz vom Logos auf Abstand gehalten; mit ihrer Aufnahme bestimmt sich der Logos ‚total‘ neu zur Existenz allein ‚in‘ dieser Menschheit.185 Da ferner unstrittig ist, daß die so zu fassende „Fleischwerdung nicht auf den Spuren der Mythologie als Depotenzierung zu denken sei“,186 bedeutet diese Neubestimmung für den Logos nicht den Verlust seines Weltverhältnisses der Allgegenwart.187 Die Inkarnation des Logos realisiert sich so zugleich188 als Neubestimmung der angenommenen Menschheit – als deren Erhöhung zur Teilhabe an der universalen Weltgegenwart Gottes. Die Verweigerung dieser Konsequenz gilt den Tübingern als faktische Aufhebung der unio personalis: sie dissoziiert die Einheit der Person, hintergeht die Geschichte ‚Christi‘, die eben diese Koinzidenz von Logos und Menschheit in der Einheit einer Existenz, die in sich differenzierte, jedoch vorbehaltlose Vermittlung von Gott und Mensch zum Beieinander von humana divinitas und divina humanitas189 ist. kurses auf zentrale Topoi der neutestamentlichen Christologie. Vgl. dazu DALFERTHs Anfrage an die „sekundären und tertiären Lehrbildungen“ der klassischen Christologie – gemeint sind die ‚substanzontologisch‘ gefaßte Zwei-Naturen-Lehre und die daraus weiter gefolgerten Lehrstücke (communicatio idiomatum; Enhypostasie ...): „Das Problem ... dieser … Lehrbildungen ist, daß sie im Rahmen des ontologischen Denkschemas die christologischen Bilder und Texte in hermeneutisch unkritischer Weise realistisch auslegen und ausdeuten. Sie nehmen die Bilder als Beschreibung der Sache, setzen die Darstellung mit dem Dargestellten gleich und behandeln Bildaussagen wie begriffliche Prämissen, aus den sich logische Folgerungen ableiten lassen. Doch das ist hermeneutisch falsch und theologisch abwegig“ (1994, 146 [Kursvierung U.W.]; vgl. den ganzen Zusammenhang 141–153, bes. 150ff). – Zum Sachproblem vgl. u. D.V.2. 185 „Cum igitur duae naturae in CHRISTO non solum in unam concurrant υποστασιν, sed humanitas quoque Christi assumpta, universa plenitudine υποστασεως verbi ... ita personata sit, ut cum tota & omni sua υποστασει ac DEITATIS plenitudine solum sit in hac carne …“ (Acta Mentzeriana 71). 186 J. B AUR, (1977, 246 =) 1993h, 263. 187 „... quae [ υποστασις verbi] illocalis & infinita ac consequenter vi huius omnipraesens est“ (Acta Mentzeriana 71). 188 Die genaue Bestimmung dieses Verhältnisses bildet allerdings einen der neuralgischen Punkte dieser Christologie. Vgl. dazu v.a. u. C.IV.2.6; F.III.2. 189 Vgl. THUMM, Disputatio Inauguralis, 1618, 58/43f.
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2.3.2 Auf der Basis dieser Argumentationskette ist Mentzers Behauptungen in allen Punkten zu widersprechen:190 1. Ist die Allgegenwart der Menschheit Christi notwendiges Implikat der unio personalis, so ist schon diese unio selbst deren alleiniger, direkter und ausreichender ‚Grund‘ (gegen Mentzers These 1).191 2. Weil unmittelbar in der Struktur der Persona Christi begründet, besteht das Weltverhältnis der Menschheit aufgrund und seit der Konstitution dieser Person im Sinne eines „non potest non omnipraesens esse“ unwiderruflich und kontinuierlich. Die „Verheißung“ (promissio) Christi, in der sein Wille (voluntas) als das Prinzip seines kontingenten Handelns (officium) bezeugt ist, kann darum nicht dieser nächste Konstitutionsgrund (fundamentum proximum) der Allgegenwart als solcher sein. Sie determiniert lediglich die Weise dieser Gegenwart (modus praesentiae), indem sie diese je als gubernatorische, sakramentale, gnädige oder gloriose bestimmt (gegen Mentzers These 2). 192 3. Weil ausschließlich in der unio begründet, kann die omnipraesentia carnis nicht auf den Stand der Erhöhung beschränkt sein. Sie unterfängt als kontinuierliche Bestimmung einheitlich das ganze Dasein Christi unter Einschluß des status exinanitionis (gegen Mentzers These 3).193 4. Schließlich wird explizit jene theo-logische Prämisse formuliert, die in den christologischen Argumenten impliziert war: Die Folgerung der Allgegenwart der Menschheit Christi schon aus deren Aufnahme in die welttranszendente, gerade so aber allgegenwärtige Logoshypostase setzt voraus, daß die Unendlichkeit Gottes als unmittelbarer Grund seiner Allgegenwart verstanden wird. Als infinitatis immediatum consequens hat die Allgegenwart als eine – bezügliche – Bestimmung (attributum relatum) des göttlichen Wesens selbst zu gelten, ihre Definition als Tätigkeit (operatio) ist unhaltbar (gegen Mentzers These 4). Damit ist weder die ständige Aktuosität Gottes bestritten noch in Frage gestellt, daß Gottes Gegenwart die angefochtenen Gläubigen wirksam (efficaciter) tröste,
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„quatuor contra quadruplicem R.T. assertionem inferimus & orthodoxe ... concludimus ...“ (Acta Mentzeriana 71). 191 „Primo concludimus: Assumptionem in infinitam υποστασιν του λογου, ambarumque naturarum in infinita hac υποστασει coniunctionem intimam, ac περιχωρησιν mutuam, fundamentum Omnipraesentiae carnis CHRISTI non remotum, sed adaequatum proximumque, illius unicam causam esse“ (Acta Mentzeriana 71). 192 „Secundo promißionem divinam (a qua ex R.V.D. sententia carnis CHRISTI in statu exinanitionis praesentia tanquam a fundamento proximo dependet) non praesentiae (propter infinitatem enim υποστασεως in qua caro assumpta non nisi infinite, ac consequenter omnipraesenter subsistit, non potest non omnipraesens esse) sed modi solum praesentiae (qui vel sacramentalis vel gratiosus vel gloriosus est) causam fundamentumque proximum esse“ (Acta Mentzeriana 71). 193 „Tertio, Omnipraesentiam non ad statum solum gloriae (hic enim generalem Omnipraesentiam | assumptionis & unionis vi praesupponit, nec omnipraesentiam, qua talem, sed qua gloriosam solummodo constituit) sed ad infimum quoque Exinanitionis pertinere. Λογος enim ιδιοποστατος carnem ανυποστατον in ipso statum conceptionis puncto in ταυτοτητα & unitatem suae υποστασεως , seu uti cum Athanasio in Symbolo loquamur: caro assumpta est (in primo statim conceptionis puncto) in DEVM, & in ista assumptione in propriam verbi celsitudinem & sublimitatem evecta, & communem ac eandem cum λογω υποστασιν, adeoque divinitatem verbi & huius proprietates adepta, & summae gloriae particeps facta est“ (Acta Mentzeriana 71|f).
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von diesen also in einer spezifischen, über das allgemeine Weltverhältnis Gottes hinausgehenden Weise erfahren wird. Doch diesen Trost wirkt, präzise gesprochen, nicht die fundamental nur als adessentia zu verstehende Gegenwart Gottes als solche (praesentia qua talis), sondern der gegenwärtige Gott (DEVS omnipraesens). Prinzip und Vermögen dieses Wirkens ist nicht die unendliche Hypostase, welche die adessentia actualis setzt, sondern Gottes Allmacht: ihr verdankt sich jedes göttliche Wirken.194
2.4 Kontinuität und Diskontinuität der Debatten Nach dem detaillierten Blick auf das Tübinger Fakultätsschreiben vom 1.9. 1619 kann nun die schon angeschnittene Frage195 noch einmal gründlicher aufgenommen werden, in welchem tatsächlichen Bezug die hier vorgetragene Position zum Thema der vorlaufenden Gießener Kontroverse steht, zu dem sie nach langem Anlauf Stellung nimmt. 2.4.1 Die Antwort muß differenzieren. Einerseits besteht eine Kontinuität, insofern die Tübinger Konzentration auf die Funktion der Personeinheit anschließt an Winckelmanns wie Gisenius’ Versuche, gegen Mentzers strikte Verankerung der omnipraesentia naturae humanae im ‚Amt‘ Christi Recht und Notwendigkeit des Arguments ‚ex unione personali‘ zu verteidigen.196 Doch gehen die Schwaben zugleich über diese vorlaufende Debatte hinaus, indem sie die unio personalis dezidiert als alleinigen und ausschließlichen Konstitutionsgrund der von der Menschheit Christi ausgesagten Allgegenwart behaupten.197 Denn mit dieser Zuspitzung wird eine neue Frage virulent, welche die 3. These der Tübinger Rekonstruktion dann sofort anschneidet: Wie verhält sich die so begründete omnipraesentia carnis zur Unterscheidung der beiden Stände Christi als der zwei Phasen im Vollzug der unio? Die hier Mentzer unterstellte Restriktion der Allgegenwart auf den Stand der Erhöhung trifft dessen Position, sie trifft aber einen Punkt, der in Gießen selbst nicht kontrovers war. Unbeschadet ihres abweichenden Begriffs der praesentia divina und unbeschadet ihrer Verteidigung des Arguments ‚ex unione‘ teilen sowohl Winckelmann als auch Gi-
194 „Quarto omnipraesentiam per operationem non esse describendam“. – „Licet enim R[everendae] T[uae] D[ignitati] duo libenter largiamur 1. DEVM nunquam otiosum esse. 2. DEVM sua praesentia pios in tribulationibus efficaciter solari; non tamen praesentia, qua talis (quae in DEO non absoluta proprietas, sed tanquam infinitatis immediatum consequens attributum, solummodo relativum est) sed DEVS omnipraesens, & quidem non secundum infinitam υποστασιν, (secundum quam non operatur, sed creaturis tantum per adessentiam actualem indistanter semper adest) verum secundum omnipotentiam operatur“ (Acta Mentzeriana 72). 195 Vgl. o. C.II.1.2–3. 196 Vgl. o. B.II.1.3. 197 „assumptionem vero & unionem Personalem non remotum, sed propinquum & adaequatum fundamentum unicamque omnipraesentiae [carnis Christi] causam esse“ (Acta Mentzeriana 69).
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senius diese Beschränkung.198 Es ist diese homophone Überzeugung beider Parteien des Gießener Streits, auf die sich der Tübinger Widerspruch zentral richtet. Damit aber, das ‚vermerkt‘ Mentzer zutreffend, erhält die Debatte ein Thema, das über das Gießener Präludium weit hinausreicht: „man gehet viel weiter/ vnnd mu(e)ssen die lang verglichene controversien wider hervor“.199 2.4.2 Demgegenüber haben die Schwaben eben in dieser in Gießen nicht kontroversen Beschränkung jenes Thema sehen wollen, das Mentzers Unternehmen einer Neudefinition der praesentia divina letztlich zugrunde liege und auch dessen Zielpunkt bilde. Diese ‚genetische‘ Rekonstruktion wird allerdings nicht schon 1619, sondern erst und eher en passant in den späteren Streitschriften vorgetragen. Obwohl die fraglichen Passagen entsprechend polemisch getönt sind und den inzwischen erreichten Stand der Auseinandersetzung voraussetzen, wird man ihnen nicht jeden analytischen Wert absprechen können. Dies gilt v.a. für die Darlegungen in der Praefatio der Acta Mentzeriana (1625).200 Im Vergleich zu früheren Voten201 sind (vielmehr: scheinen) diese darin ‚einfühlender‘202, daß sie Mentzers ‚Selbstinterpretation‘ aufnehmen und das apologetische Motiv und die anticalvinistische Ausrichtung als den ursprünglichen Horizont der ‚Neuerungen‘ des Gießeners durchaus konzedieren. Dem Einwand der reformierten Polemik, die lutherischerseits behauptete ‚omnipraesentia carnis a primo puncto conceptionis‘ mache die lokal definiten Ereignisse des Erdenlebens Christi zur Fiktion – „status inanitionis per hanc omnipraesentiam seu ubiquitatem totus evertatur“ –, glaube Mentzer nicht mehr im Rekurs auf die doch völlig ausreichende (solide & sufficienter) tradierte Unterscheidung (recepta distinctio) von Zukommen kraft Wesens und kraft Personeinheit (actus naturae & personae)203 resp. von omnipraesentia naturalis und supernaturalis begegnen zu können. Stattdessen ziele Mentzer – „singulari sapientiae & eruditionis imaginatione“ – auf eine durchschlagendere Lösung, die ein Zweifaches leisten solle: sie solle (1.!) die von den der FC anhängenden Kirchen gelehrte ‚omnipraesentia humanitatis Christi in statu humiliationis‘ aufheben204 und sodann zugleich damit (simul; una responsione) (2.) alle calvinistischen und jesuitischen Einwände ‚de portentosa ubiquitate‘ auslöschen. Das geniale Instrument – post multas velitationes – sei die neue Definition jener Allgegenwart Christi als Herrschaft: „Omnipraesentia est Jesu Christi Θεανθρωπου in utraque naturae substantialiter praesentis GUBERNATIO omnium rerum in coelo & in terra“.205 Im Ver198
Vgl. o. B.IV.1.2. B. Mentzer an E. Grüninger, Gießen 5. Febr. 1621, abgedruckt: MENTZER, Defensio 1624, 22–24, hier: 24). Vgl. das Zitat im Kontext o. [B.] Anm. 10. 200 Acta Mentzeriana, 1625, Praef. Bl.a3 v– a4 v. 201 T HUMM, Ταπεινωσιγραφια 1623, 291–326; bes. Theorema IV.: „Praesentia Dei & Christi Θεανθτρωπου ad creaturas generalis, non est actio in casu recto“ (291–299). 202 Vgl. J. BAUR, (1977, 229 Anm. 99 =) 1993h, 242 Anm. 164. 203 Vgl. zu dieser Unterscheidung u. D.IV.2.2.2.1 (bei u. mit Anm. 746). 204 Acta Mentzeriana, 1625, Praef. Bl. a3 v; vgl. entsprechend Bl. a4v. 205 Acta Mentzeriana, 1625, Praef. Bl. a3 v, mit Verweis auf Mentzer, [1616b] ME IV, Th. 12 (= DGT VI. 17. Th. 12). 199
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ein mit der Mentzer selbstverständlichen Annahme, solche gubernatio sei auf den Stand der Erhöhung beschränkt, folgt aus dieser Definition, daß Christus im Stand der Entäußerung nicht ‚omnipräsent‘ war, womit das Unternehmen das – seinem Urheber unterstellte – doppelte Ziel allerdings erreicht habe: „erledigt“ ist (1.) die These jener lutherischen ‚Mittelpartei‘, die zwar nicht eine Teilhabe am Weltregiment, aber doch ein ubiquitäres ‚bloßes‘ Dasein (substantiae praesentia) auch der entäußerten Menschheit Christi behauptet, die neue Präsenzdefinition macht diese Differenzierung „unmöglich“. 206 Und (2.) werden mit dem Verzicht auf eine Allgegenwart der Menschheit im Stand der Entäußerung nun jene calvinistischen Absurditätsvorwürfe gegenstandslos, die den Anstoß des Ganzen gaben, – auch sie scheinen ‚erledigt‘ „hoc unico quasi obiecto Gorgonis capite“: „Christus iuxta humanitatem non fuit omnipraesens creaturis, quia omnipraesentia pertinet ad statum exaltationis“.207
2.4.3 Ungeachtet der polemischen Diktion – in der Sache trifft die Tübinger Unterstellung einen Zusammenhang, den Mentzer selbst reklamiert hat. Bereits dessen Anti-Martinius von 1604 verknüpft das (dort noch nicht ‚prinzipielle‘208) operative Verständnis der praesentia divina mit der Frage der Weltgegenwart Christi im Stand der Entäußerung. Den Anlaß bildet ein zentrales Argument, das Mentzers reformierter Kontrahent Matthias Martini präsentiert: Die lutherische Verknüpfung von Unio und Ubiquität werde von ihren Protagonisten selbst dadurch dementiert, daß diese jene Allgegenwart der Menschheit Christi erst mit dem Stand der Erhöhung eintreten lassen; tangiert aber dieser partielle Verzicht im Status exinanitionis die Integrität der Unio nicht, wird man das Gegenteil auch nicht für den Stand der Erhöhung behaupten dürfen – es ist dann der vorgebliche Zusammenhang von unio und Ubiquität überhaupt widerlegt.209 Mentzers Replik teilt die Voraussetzung des reformierten Contra: „Non ... fuit Christus, ut Homo omnibus rebus creatis praesens, in statu Exinanitionis“ (262a). Im gegenwärtigen Zusammenhang entscheidend ist, daß er dann die dem Einwand entgegen gehaltene Unterscheidung der Stände210 tatsächlich mit der Frage des adäquaten – nämlich biblischen – Verständnisses der Allgegenwart verknüpft. ‚Um dies‘ – die konzedierte Nicht206 So zu Recht J. BAUR: „... wenn praesentia Handlung ist, dann ist die Position der ‚Mittelpartei‘ erledigt, welche der Menschheit Jesu im Stande der Erniedrigung zwar die Gegenwart bei allen Dingen, jedoch nicht die Herrschaft über alles zuerkannte ... | Sobald die neue Definition Mentzers in diese vermittelnde Vorstellung eindrang, war sie unmöglich geworden“ (1993h, 244|f). – Zur These der Mittelpartei vgl. in der Sache u. D.IV.5.2 (B. Meisner). 207 Acta Mentzeriana, 1625, Praef. Bl. A4 v. 208 Vgl. o. B.III.2.2. 209 Im Referat Mentzers: „Si Christus ut Homo, non fuit omnipraesens in statu Exinanitionis, salva nihilominus Unione hypostatica: Ergo neque jam in Statu Exaltationis, est omnipraesens propter Unionem hypostaticam“ (Anti-Martinius, 1604, Opera II, 263a. – Die folgenden Belegangaben hierauf bezogen). 210 „Caeterum quod attinet ad praesentiam respectu creaturarum, quam & ipsam solemus vocare omnipraesentiam ... necessaria est distinctio, quantum ad Christum attinet, inter statum Exinanitionis, & Exaltationis“ (262b).
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Omnipräsenz der Menschheit Christi im Stand der Entäußerung – ‚richtig zu verstehen, muß akkurat beachtet werden, wie die Schrift selbst jene Allgegenwart Christi beschreibt‘:211 nicht als eine ‚nuda aliqua, & otiosa praesentia‘, sondern als Christi Herrschaft, seine allmächtige Regierung und Bewahrung der Welt und besonders der Kirche. Angemessen ist die Allgegenwart Christi allein da gefaßt, wo beides im Blick ist – die praesentia ipsa und die damit je verknüpften verschiedenen ‚Effekte‘, sc. Handlungen Christi, welch letztere die distinkten Modi (Grade) göttlicher Präsenz konstituieren.212 Mit diesem biblischen Normbegriff der praesentia divina als einer stets mit einem allmächtigen Tun ‚verbundenen‘ Gegenwart sieht Mentzer dann diejenige Basis erreicht, auf der dem reformierten Argument ‚mit Leichtigkeit‘ begegnet werden könne. Denn der status exinanitionis, auf den jener Einwand rekurriert, ist ja gerade definiert als jene Zeit, in der Christus (nach seiner Menschheit) auf die Ausübung seiner Allmacht verzichtet. Dies betrifft mithin auch die ‚Allgegenwart‘, welche in ihrer Bestimmtheit als ‚omnipotens praesentia & omnipraesens potentia‘ – in einem strikten Sinn – ‚per definitionem‘ keinen Platz im Stand der Entäußerung haben kann; „wie durch sich selbst klar ist“, 213 gehört sie vielmehr ausschließlich dem Status exaltationis zu, der im Gebrauch solcher Allmacht sein konstitutives Proprium hat. Die allmächtige Allgegenwart des Entäußerten zu fordern, wie es, zum Erweis der Unhaltbarkeit des lutherischen Unternehmens, reformierte Polemik tut, heißt schlicht diese definitorische Differenz der Stände als Abfolge von Leid und Herrschaft aufzuheben und in einer confusio finium die darin manifeste ‚göttliche Ordnung‘ gleichsam auf den Kopf zu stellen: „Nam Christus exinaniebatur, ut
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„... ut rectius intelligatur, accurate observandum est, quomodo ipsa Scriptura istam omnipraesentiam Christi describat ...“ (262b). 212 (In Fortsetzung des in Anm. 211 Zitierten:) „Ista enim est non solum inutilis, sed etiam cum gravi piorum offendiculo conjuncta disputatio, quando praeter & contra Scripturam, de nuda aliqua & otiosa praesentia corporis [Christi], apud res creatas disseritur, quae physico quodam & locali situ, & conjunctione mutua, qualis est aliorum corporum, sibi invicem praesentiam in hac natura, definitur. Cujusmodi praesentiae descriptionem, ego non memini me unquam videre, in illis Scripturae dictis, quae Christi Hominis gloriam & majestatem, virtutem & effecta nobis proponunt. Quare Scriptura S. describens coeleste & divinum Christi Hominis imperium, atque coeli & terrae, inprimis autem Ecclesiae | gubernationem & conservationem, ejusmodi nobis Jesu Christi, ad Dexteram Majestatis exaltati, omnipraesentiam commendat, quae potissimum in regendo orbe, omnipotentia, in propaganda & exornanda Ecclesia, divina gratia, in puniendis hostibus, infinito robore & justitia definitur. Hoc est, ab effectu Scriptura omnipraesentiam Christi definit, sic ut recte dicere possis omnipotentem praesentiam, & omnipraesentem potentiam. Unde fit, ut, si ex Scriptura de Christi omnipraesentia velis disputare, conjungendos esse asseramus, cum ipsa praesentia ejus effectus: qui cum non sint generis ejusdem, pariunt distinctos modos, sive gradus praesentiae“ (262b.|263a). – Die in der Schlußpassage notierte Herleitung der gradus praesentiae aus den mit der ipsa praesentia (nur) verbundenen (nicht aber damit identischen) ‚Effekten‘ entspricht noch jener ‚Normalposition‘ lutherischer Theologie am Anfang des 17. Jh.s, die Mentzers ab 1615 vorgetragene Identifizierung von praesentia und actio dann aufkündigen wird; vgl. o. B.II.2.2–3. 213 „Facilime etiam responderi potest ad quaestionem de statu exinanitionis Christi, fueritne tum ipse omnib[us] creaturis praesens, nec ne. Quoniam n[imirum] plenaria divinae majestatis usurpatio pertinet ad statum exaltationis, ut per se planum est: quilibet intelligit, exinanitioni non competere“ ([1614d] DGT V. 15, 64/525).
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pateretur: exaltabatur, ut regnaret. At illi regnum requirunt in Exinanitione, & evacuationem (την κενωσιν ) in Regno Majestatis & gloriae“ (263a).214 Der allerdings noch mögliche Einwand, thematisch sei gar nicht die Herrschaft Christi, sondern ‚nur die Allgegenwart‘ als solche, qua Präsenz, wird wieder mit dem Verweis auf die biblische Norm vom Tisch gewischt. Die Schrift schweige über eine solche reine, untätige Allgegenwart und bestimme Entäußerung wie Erhöhung eindeutig durch die je eigentümliche Tätigkeit Christi (ab operibus cuique statui propriis).215
2.4.4 Die bereits in dem Text von 1604 begegnende Konstellation der Argumente wiederholt sich, nun noch einmal befördert durch die strikte Identifizierung von praesentia und actio, in der 1615 eröffneten neuen Runde216 des Schlagabtausches zwischen Martini und Mentzer. Deutlich wird dabei, daß der Vorwurf faktischer Inkonsistenz, den Martini weiterhin hartnäckig gegen die Lutheraner vorbringt, ein bereits lange und fest in der Tradition reformierter Polemik verankertes Argument vorträgt – den ‚noch nicht gelösten Syllogismus Olevians‘. 217 Mentzer kontert wieder mit dem Hinweis auf die ‚schriftgemäße‘ Defi214
Zur Begründung dieses reklamierten ‚divinus ordo‘ (Anti-Martinius, 1604, Opera II, 287b) einer (sachlichen) Antithetik und (chronologischen) Abfolge der Stände: „Opponit ... Scriptura κενωσιν και υπερψωσιν , Phil.2.v.7.9. Exinanitionem & Exaltationem ... Imo hic ordo ab ipso Deo erat sancitus, ut Christus primum exinaniretur, pateretur, moreretur, ac tum demum in gloriam suam intraret, Psalm. 110.v.1 Philip. 2.v.8.9. Luc. 24. v.26 ...“ (ibd.). – Die Tübinger von 1619ff werden der von Mentzer dekretierten doppelten Unmöglichkeit widersprechen, indem sie genau die hier verneinte Synthese von ‚oben und unten‘ reklamieren – „illi regnum requirunt in Exinanitione, & evacuationem … in Regno Majestatis & gloriae“! – Vgl. dazu u. C.II.3.2.4. 215 „Si urgeas, non tibi sermonem esse, de Re|gno vel Gloria Christi, sed tantum de omnipraesentia: Respondeo, Scripturam tacere des ejusmodi nuda & otiosa omnipraesentia: Et describere tum Exinanitionem, tum Exaltationem Christi, ab operibus cuique statui propriis. Quare nefas esto, egredi ex his Scripturae terminis. Quanquam enim aliae responsiones non desunt, haec tamen inprimis satisfacere iis debet, qui de rebus divinis, non nisi ex Scripturis judicare volunt“ (Anti-Martinius, 1604, Opera II, 263a.|b). 216 Vgl. o. B.I.2.3. 217 (Im Referat Mentzers:) „Tum sujicit Syllogismum Oleviani, quem jactat nondum esse solutum. Quod reipsa est, & fit, manente personali Vnione Naturarum, id Personam non dissolvit. Humanitas Christi uno in loco esse potest, atque adeo reipsa est, manente Naturarum personali Vnione. Ergo personalis Vnio duarum in Christo Naturarum, non propterea dissolvitur, quia Humanitas Christi uno tantum loco, Divinitas autem ubique est ...“ ([1616a] DGT VI. 16 = ME III, Th. 45; Opera II, 395a). – Die Rückführung des Arguments auf den Pfälzer Theologen Caspar Olevian (1536–1587) trifft den historischen Tatbestand. Erstmals und mit einer für seinen württembergischen Kontrahenten J. Andreae desaströsen Wirkung wird es von ihm 1564 auf dem Maulbronner Kolloquium zwischen den Württemberger und Kurpfälzer Theologen über Christologie und Abendmahlslehre (vgl. u Anm. 602) vorgetragen. Der hier von Andreae nach etlichen Windungen schließlich für die Existenz ‚im Mutterleib‘, damit zugleich für die ganze Zeit der Entäußerung konzedierte Verzicht der Menschheit Christi auf die aktuale Omnipräsenz widerlege die zuvor behauptete notwendige Korrelation von Unio und Ubiquität; dieser Konnex lasse sich konsistent nur als ein kontinuierlicher vertreten: Es „ist nun bekannt / das die perso(e)nliche vereinigung nicht darumb getrennt würdt / nach ewer [Andreaes]
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nition der praesentia apud creaturas als Tat (praesentissima & omnipotens rerum omnium gubernatio),218 woraus die Beschränkung solcher Gegenwart Christi auf den Status Exaltationis zwingend folge.219 Mit der Einführung dieser Ständezäsur sei der ‚Nerv‘ von Olevians Argument getroffen und dieses erledigt. Die Unio ist, anders als sein Einwand unterstellt, nicht die unmittelbare Ursache (immediata causa) der Ubiquität, sondern wird ‚propter intervenientem Exinanitionem‘ modifiziert.220 Die Nicht-Ubiquität der entäußer-
selbst meinung / So man mit euch bekennt/ die Gottheit sey zu einer zeit vberall/ die Menschheit aber an einem gewissen ort“ (Protocoll Des Gesprächs zwischen den Pfältzischen und Würtenbergischen Theologen, Tübingen 1565, 155). Auf Verlangen beider dem Kolloquium beiwohnenden Landesfürsten bringt Olevian dieses offenkundig als ‚zentral‘ gewertete Argument in einen schulmäßigen Syllogismus, den das Protokoll verbatim festhält: „[1.] Was in der that ist vnd geschihet/ mit vnnd neben der perso(e)nlichen vereinigung der Naturen, das trennet die Person nicht. [2.] Die Menschheit Christi aber kan sein/ vnnd ist mit that nur an einem ort/ Vnnd die Gottheit vberall/ mit und neben der perso(e)nlichen vereinigung dieser Naturen. [3.] Derhalben/ wirdt die perso(e)nliche vereinigung der zweyen Naturen in Christo darmit nit getrennet/ das die Menschheit Christi nur an einem ort/ vnnd die Gottheit vberall ist“ (Protocoll 157; vgl. 156). – Damit ist in größter Präzision jener entscheidende Einwand formuliert, an dem sich der ‚gemäßigte Ubiquismus‘ auf allen Stationen seiner weiteren Geschichte abarbeiten wird. Vgl. dazu die Debatte Württemberg-Helmstedt (C.IV.2.4) und dann Ä. Hunns Versuch einer ‚akkurateren‘ Lösung genau dieses Problems (u. C.IV.3.1). 218 ([1616a] DGT VI.16 = ME III, Th.33; Opera II 392b; vgl. Th.35 (393a). 219 „Distingue inter praesentiam mutuam του λογου in Carne, & Carnis in λογω personalem, & praesentiam Christi apud creaturas. Priorem si negat Martinius, Nestorianus est. De posteriore si quaeratur, repetenda est ejus definitio ex Scripturis: Et tum affirmamus, praesentiam Christi apud creaturas, pertinere ad statum Exaltationis“ ([1616a] DGT VI. 16 = ME III, Th. 46; Opera II, 395a). – „Praesentia apud creaturas, pertinet ad Christi Regnum, quod conspicitur in Exaltatione. Praesentia in λογω est Unionis hypostaticae, ad quam creaturae non pertingunt“ (ibd. Th. 117, 407a). 220 „Unde patet ... vitium quatuor terminorum in Syllogismo Oleviani ... Nervum argumenti Oleviani incidit ipse Martinius ... scribens, esse quasdam in Christo glorias, quarum immediata causa non sit Unio, sed per interventionem Exinanitionis. Unde apparet, quicquid ο λογος assumptae Carni communicat, id omne pendere ex Unione personali, tametsi propter intervenientem Exinanitionem, (oportebat enim Christi pati & mori, antequam in gloriam suam ingrederetur, Luc.24.v.26) non exeruerit statim omnem potestatem suam, in coelo & in terra. Quare in Exinanitione, ο λογος indivulse unitam sibi Humanitatem, non adhibuit rebus omnibus, in coelo & in terra gubernandis, salva permanente semper Unione. Num inde inferet Olevianus vel Martinius, etiam nunc, in statu Gloriae, Naturam Christi humanam nihil agere, in gubernatione mundi?“ ([1616a] DGT VI. 16 = ME III, Th. 46; Opera II 395b). – Der Versuch, gegenüber dieser von der operativen Definition der Präsenz abhängigen Argumentation die Frage nach dem ‚reinen‘ Dasein aufzuwerfen, wird in bekannter Manier abgewehrt: „Misera erratio est, divinam praesentiam habere, pro sola nuda, otiosaque existentia apud creaturas, quam Scripturae divinae ignorant, & Natura Dei non patitur, & officii Christi ratio non admittit, estque ea aliena a sobrio judicio cordatorum, infinitisque absurdis laborat“ (ibd., Th. 46; 395b). – Mit der Unterscheidung der allerdings durch die unio invariant konstituierten Verbindung der Naturen füreinander (sibi unitam), die jedoch von der Weltpräsenz kategorial unterschieden sei, und des durch die Ständedifferenz modifizierten Einbezugs der Menschheit in
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ten natura humana widerlegt so den grundsätzlich reklamierten Zusammenhang von Unio und Ubiquität keineswegs; mit den Gegebenheiten des status exinanitionis ist gar nichts für den status exaltationis entschieden und entscheidbar, bringt dieser doch gerade die Aufhebung der vorher regulär waltenden Einschränkung. Damit fällt der im reformierten Argument beanspruchte Konnex: „petimus rationem, nobis ostendi conclusionis istius, ab Exinanitione ad Exaltationem. Nam Christus Θεανθρωπος, jam sedens ad Dextram Majestatis in coelis, gubernat omnia, quae sunt in coelo & in terra: quod de eo in statu Exinanitionis affirmari non potuit“.221
2.4.5 Fazit: Die von den Tübingern 1619 vorgenommene Festlegung verschiebt zwar den Zentralpunkt der Auseinandersetzung hin auf eine Frage, die zwischen den Gießener Kontrahenten nicht strittig war, benennt aber gleichwohl einen Punkt, der in dieser vorauslaufenden Kontroverse durchaus begegnet – als Thema der Auseinandersetzung Mentzers mit jenem beschwerlichen ‚Syllogismus Olevians‘, der auf die lutherische Inkonsequenz in der Durchführung der Verknüpfung von unio und Ubiquität rekurriert. Es ist diese im reformierten Einwand polemisch instrumentalisierte Frage, welche die Tübinger neu auf die Tagesordnung der innerlutherischen Debatte setzen. Dabei kommt es zu einem – spiegelbildlichen – Rollenwechsel. Die Schwaben ratifizieren gleichsam ‚Olevians Syllogismus‘, indem sie dessen antilutherisch gezielte Pointe positiv rezipieren und nunmehr konstruktiv behaupten, was bis dato reformierter Polemik wie Mentzers lutherischer Apologie gleichermaßen ‚evident‘ absurd schien: die Begründung der Ubiquität in der unio personalis verlangt es tatsächlich, soll sie konsequent gedacht werden, diese Ubiquität ohne Sistierung, als beide Status Christi übergreifend zu denken. – Mit dieser (im doppelten Sinn:) ‚Umsetzung‘ von ‚Olevians Syllogismus‘ ist jene von Mentzer konstatierte und beklagte ‚Weiterung‘ der Debatte vollzogen, die einen fundamentalen Konsens lutherischer Christologie aufkündigt – tatsächlich „ mu(e)ssen die lang verglichene controversien wider hervor“!222 2.5 Literarische Kontexte des Tübinger Fakultätsschreibens Die mit der Tübinger ‚Weiterung‘ gegebene Komplikation des Binnendiskurses lutherischer Christologie betrifft, noch einmal näher, bereits die innerschwäbische Diskussion selbst. Dies belegt der Blick auf einige Texte, die in den (auch literarischen) Entstehungszusammenhang des Fakultätsschreibens vom September 1619 gehören. das allgegenwärtige Weltregiment des Logos repetiert Mentzer bis in die Formulierung hinein die zentrale These seines Marburger Lehrers Ä. Hunn; vgl. u. C.IV.3.1.2. 221 [1615a] DGT VI. 14 = ME I, Th. 85; Opera II, 364a. – Zum ‚starken Tobak‘ dieser Verabschiedung der unio personalis als der „ratio conclusionis zusammenhängender Aussagen für beide Stände Christi“ vgl. J. B AUR, 1993h, 242. 222 Zum ‚problemgeschichtlichen‘ Profil der neuen Tübinger vgl. weiter u. C.IV.
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2.5.1 Th. Thumm: Εξηγησις Primi Capitis Matthaei, 1619 In der am 13. und 14. August 1619, zwei Wochen vor der Unterzeichnung des Briefes an Mentzer, disputierten Εξηγησις Primi Capitis Matthaei Evangelistae223 schiebt Thumm in die Auslegung von Mt 1,20 exkursartig eine Skizze (brevis delineatio, 88 i.m.) des Begriffs der Inkarnation ein. Im Blick auf die Menschwerdung des Gottessohnes werden 4 Akte unterschieden, die zwar zeitlich koinzidieren, aber doch in einer sachlogischen Sequenz stehen: 1. conceptio; 2. assumptio; 3. unitio; 4. communio (88f). In Thumms Erläuterung der assumptio (89–91), Vnitio (91f) und Communio (92f) finden sich z.T. breite wörtliche Übereinstimmungen mit den entsprechenden Passagen des Fakultätsschreibens. Die Frage der Priorität dürfte eindeutig zugunsten des Briefes zu entscheiden sein. Denn bei Thumm begegnen innerhalb der übereinstimmenden Passagen wiederholt signifikante Pointierungen, die z.T. schon im Druckbild klar abgesetzt sind; der – anonym bleibende – Adressat dieser präzisierenden Zusätze ist ohne Zweifel Mentzer.224 Die gegenteilige Annahme einer Streichung dieser Zusätze im Fakultätsschreiben hat alle Wahrscheinlichkeit gegen sich. 2.5.2 Th. Thumm: Disputatio DE JESU CHRISTO, 1618 Doch läßt sich die damit in den Blick kommende ‚Vorgeschichte‘ des Fakultätsschreibens noch weiter zurückverfolgen. – Ein knappes halbes Jahr nach Antritt seiner Tübinger Professur legt wiederum Thumm im Rahmen seines Promotionsverfahrens Anfang September 1618 die ‚Disputatio Inauguralis DE JESU CHRISTO ΘΕΑΝΘΩΠΟΥ unico humani generis Redemptore‘ vor.225 Dieser Text – zugleich das früheste christologische Votum eines Mitglieds der ‚neuen‘ Tübinger Fakultät überhaupt – ist von vornherein konzipiert als Eröffnung eine ganzen Reihe von Schuldisputationen über die Christologie – „ipsissimum fidei nostrae fundamentum, Christum“ (2) –; sein besonderes, grundlegendes Thema bildet dabei die Demonstration der wahren Gottheit Christi.226 Doch ergänzt Thumm dieses Argument durch den parallelen Nachweis der veritas naturae humanae, der dann in einen knappen Abriß der christologischen Personlehre unter Einschluß der Idiomenkommunikation übergeht; diese Passage stellt damit eine genaue Parallele zu dem analogen Exkurs in der Disputation über Mt 1 dar. Und auch inhaltlich finden sich zentrale Aussagen, die dann in Thumms Text vom August 1619 und ebenso im Fakultäts223
T HUMM, 1619a; Belegangaben im folgenden hierauf bezogen. Vgl. bes.: „Cuius ineffabilis personationis vi (a primo statim conceptionis puncto) Christus ambabus naturis (semper, etiam in infimo exinanitionis statu) ... praesentia ... reali & ipse rebus omnibus in coelo ac terra praesentissimus adest“ (90). Die geklammerten und bei Thumm selbst kursivierten Teile gehen über die sonst wortgleiche Passage im Fakultätsschreiben (Acta Mentzeriana 70) hinaus. Die Wendung gegen Mentzer signalisiert daneben auch der Marginalkommentar zur Erläuterung der Assumptio: „Vera & unica causa omnipraesentiae carnis, tum in statu exinanitionis, tum exaltationis, exponitur“ (89 i.m.); ebenso die theo-logische Parallele: „Immensitas seu infinitas est proprietas Dei absoluta, cuius vi omnibus rebus creatis praesentissime adest“ (92 i.m.). 225 [1618]; 88 Thesen auf 59 Seiten Quart (3–61). Disputiert (Praes. Thumm) am 4./ 5. September 1618 (Epist. dedicat. 20.8.1618 [1f/A2 r.v]). – Folgende Belegangaben hierauf bezogen. 226 Beweisgegenstand ist die These, „Unibile primum in Christo esse αυτοθεον, ipsam Deitatis naturam, totam perfectam & omnem, relate tamen seu ιδιω υπαρξεως τροπω in persona filii limitate consideratam“ (3/3). 224
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schreiben zu lesen sein werden, wortwörtlich schon hier, so die Argumente aus der Enhypostasie der Menschheit in der Logoshypostase und der innigen Perichorese der Naturen (64/47; 70/49f; 71/50). Nur: Hier – im August 1618 – fehlt noch gerade jene Verknüpfung der ontologischen Bestimmungen der Personeinheit mit der daraus ‚notwendig‘ folgenden Weltpräsenz der Menschheit Christi in beiden Ständen, wie sie dann für die Voten vom August/September 1619 charakteristisch sein wird. 2.5.3 Th. Wegelin: Disputatio De Christo, 1608 Die Perspektiven weiten sich noch einmal dadurch, daß die die genannten 3 Texte der Jahre 1618/1619 verknüpfenden Formulierungen bereits ein ganzes Jahrzehnt früher belegt sind – sie finden sich, ohne daß dieser Bezug namhaft gemacht würde, in Thomas Wegelins nahezu monographische Breite erreichender Disputatio Theologica De Christo, die der Augsburger im Rahmen seiner Promotion am 27. und 28. Mai 1608 in Tübingen verteidigte.227 Wegelins Text steht am Anfang der literarischen Kette. Thumm zieht für seine eigene Doktordisputation im Spätsommer 1618 stillschweigend die 10 Jahre ältere ‚Vorlage‘ Wegelins heran – möglicherweise hatte er als 22jähriger Magister seinerzeit deren öffentlichen Disputation beigewohnt. Damit gehen die Formulierungen ein in den Prozeß der Ausbildung der neuen Tübinger Christologie ab 1618/19.
2.5.4 Fazit 2.5.4.1 Der sachliche Fort-Schritt von der Ontologie der Personeinheit zur Frage der Weltpräsenz, der die Grundthese der neuen Tübinger Christologie konstituiert,228 findet einen genauen ‚literarkritischen‘ Niederschlag in den Texten, die Th. Thumm in den Jahren 1618/19 vorlegt. Die ontologischen Bestimmungen der Personeinheit, als solche traditionell, werden schon 1618 vertreten; sie können 1619 unverändert repetiert werden – nun aber ‚ergänzt‘ um die darin implizierten Konsequenzen für das Weltverhältnis. Diese ‚Ergänzung‘ bedeutet in der Sache allerdings eine tiefgreifende Zäsur, die die Tübinger Christologie nicht nur in ein nicht mehr vermittelbares Gegenüber zu Mentzer bringt, sondern auch in Spannung zur Lehrtradition des eigenen Territoriums. Wie komplex, weil dennoch nicht rein antithetisch, als völliger Bruch zu fassen, dieses schwäbische Binnenverhältnis des näheren sein dürfte, deutet gerade jener Text an, der ganz offenkundig Pate gestanden hat für die Formulierung zentraler Argumente der neuen Tübinger Christologie. Thumms Rückgriff auf Thomas Wegelins Disputation von 1608 beweist ein gutes Gespür. Die Identität der Hypostase setze die Gegenwart des ‚ganzen Christus‘ als stetige Kopräsenz beider Naturen; die besondere Qualität dieses ‚subsistentiae Principium‘ bestimme dann notwendig die Existenz der Menschheit: „facit, vt in infinita subsistentia non nisi infinite subsistere possit [natura humana]“. 229 Diesem ganz mit 227
T H. W EGELIN 1608. – Zu diesem Text und Wegelins Christologie vgl. ausführlicher u. D.I.7.1; D.III.1; D.IV.3. 228 Vgl. o. C.II.2.2. 229 WEGELIN, 1608, 73/20. – Vgl. den Zusammenhang: „[72/20] Quemadmodum enim in physicis pro subsistentiae conditione aptatur locatio [...] ita & κατ’ αναλογιαν in divi-
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den ‚neuen‘ Tübingern übereinkommenden ontologischen Argument schon Wegelins hat zwar dann erst ein um völlige Eindeutigkeit besorgter Leser in der ‚Wendezeit‘ von 1619 – vermutlich Thumm selbst – mit einem handschriftlichen Zusatz die offenkundig vermißte Konsequenz für die Frage des Weltverhältnisses der Menschheit Christi ausdrücklich nachgetragen: „[non nisi infinite subsistere] atque sic omnibus creaturis in coelo et in terra indistanter adesse [possit]“.230 Diese ‚Klarstellung‘ kommt indes überein mit der authentischen Sicht Wegelins selbst. Dessen Rekurs auf die ‚Illokalität‘ der göttlichen Subsistenz, an welcher die Menschheit Anteil gewinnt, erläutert die Modalität der ubiquitären Weltgegenwart dieser Menschheit, nirgends wird diese ‚omnipraesentia plane ανωμαλος‘ (74/20) als Gegebenheit eines bloßen Binnenverhältnisses der Naturen deren Weltrelation kontrastiert. Und als „immediatum consequens ενυποστασεως, seu Personationis Humanae Naturae“ (Nota/77) hat diese der Menschheit mitgeteilte Allgegenwart ihr unmittelbares „fundamentum“ (117/31; 105/28) in der unio personalis selbst – diese ‚illocalis praesentia‘ (117/31) wird darum nicht erst durch die (nachösterliche) Erhöhung konstituiert und unterliegt keiner Modifikation durch die Sequenz der Stände. Anders verhält es sich – erst damit weicht Wegelin von den späteren Tübingern ab –, wenn nach der Mitteilung der ‚Omnipräsenz‘ gefragt wird, sofern diese die Teilhabe an dem göttlichen Weltregiment (Dominium ... in coelo & in terra; Nota/77)) einschließt: Der unbeschränkte ‚Gebrauch‘ dieser Herrschaft auch durch die Menschheit ist erst im Stand der Erhöhung gegeben; Inkarnation und unio begründen hier zunächst lediglich eine Teilhabe im Sinne des actus primus oder ‚Besitzes‘ (κτησις) des Dominium. 231
nis subsistentiae determinatio definienda est. [73/20] Igitur vt SUBSISTENTIAE Hominis Christi basis est non locus, sed infinita του λογου υποστασις: ita vi realissimae illius insitionis & insertionis carnis Christi, in ipsissimam του λογου υποστασιν και κολπον , nec λογον extra carnem, nec carnem extra λογον vspiam localiter esse statuimus; sed ineffabilis illius PERSONATIONIS vi, totum Christum, qui in aeternum nihil aliud est, quam suae Naturae: sc. εξ ετερων ταυτο: dicimus esse VBIQUE quoad ambas Naturas: non tamen secundum vtramque Naturam formaliter & πρωτως, sed sicut subsistentiae Principium est divina Natura in υποστασει Filii, ita Principium VBIQUITATIS & OMNIPRAESENTAE formale, non Hominem sed vtriusque Naturae ατομον υποστασιν constituimus, quae dum infinitae Naturae infinitam suam subsistentiam substernit: facit, vt in infinita subsistentia non nisi infinite subsistere possit ...“. 230 Handschriftlicher Zusatz i.m. zu W EGELIN, 1608, 73/20 in dem Exemplar: Bibliothek des Ev. Stifts Tübingen (2 an q1577); wohl aus Thumms Besitz. 231 „Omnipraesentiae … Communicatio est immediatum consequens ενυποστασεως, seu Personationis Humanae Naturae. Eadem porro Omnipraesentiae Communicatio, pro ut simul impertit & communicat Oecumenicum Dominium, seu παντοκρατωριαν in coelo & in terra: eatenus consideranda venit in Statu Exaltationis & Sessionis ad Dextram Dei, in officio item Christi | Regio: ibi enim Exercitium Dominij plenarium demonstrandum venit ex Scriptura, quod in Vnionis & Incarnationis mysterio tantum actu primo seu κτη σει communicatum erat ...“ (Nota/77|f; vgl. 117/31). – Mit dieser Unterscheidung erweist sich Wegelin als Vertreter jener ‚Mittelpartei‘, die zwar eine kontinuierliche, die Stände übergreifende ubiquitäre Anwesenheit (adessentia) der Menschheit Christi vertritt, deren aktuelle Teilhabe am göttlichen Weltregiment aber auf den Stand der Erhöhung beschränkt. Ihre prominente Stimme im kenotischen Streit findet diese Linie in der sächsischen Brevis Consideratio von 1621, explizit nachweisen läßt sie sich aber spätestens seit dem ersten Dezennium des 17. Jh.s (neben Wegelin: B. Meisner, vgl. D.IV.5.2).
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2.5.4.2 Schließlich: Der 1619 vollzogene ‚Fort-Schritt‘ stellt auch innerhalb der ‚neuen‘ Tübinger Fakultät eine noch einmal neue Entwicklungsstufe dar. Im September 1618 rezipiert Thumm zwar die ontologischen Argumente Wegelins, doch fehlt hier noch deren Zuspitzung auf die Präsenzfrage. Diese ‚Konsequenz‘ formulieren erst, und nun bereits in eindeutiger, wenngleich noch anonymer Wendung gegen Mentzer, die Texte vom Sommer des folgenden Jahres: das von Thumm232 wohl Anfang August 1619 verfaßte Fakultätsschreiben und, noch einmal zusätzlich akzentuiert, seine ‚Exegesis‘ über Mt 1 vom 13./14. August 1619. – Literarische Belege der ‚neuen‘ Christologie aus der Zeit vor August 1619 finden sich nicht!233 3. Entfaltung der These in weiteren Texten des Jahres 1619 Das Fakultätsschreiben vom September 1619 entwickelt die zentrale These der Tübinger. Das darin implizierte ‚Programm‘ werden die großen Streitschriften der folgenden Jahre sukzessiv entfalten; erst nach weiteren Klärungen wird dann eine Fassung des christologischen Locus erreicht sein, die die Grundentscheidung für alle Teilthemen des Lehrstücks konsequent zur Geltung bringt.234 Von dieser weiteren Entwicklung ist hier nur die Frühzeit der Kontroverse, die neue Tübinger Christologie in statu nascendi, in den Blick zu nehmen.235 Dabei soll von der Auseinandersetzung hinter den Kulissen, dem durch das Fakultätsschreiben ausgelösten Briefwechsel zwischen Mentzer und Thumm (1619–21),236 weitgehend abgesehen werden zugunsten von 2 Texten aus Lucas Osianders Zyklus christologischer Disputationen,237 die beide als sachlicher Kommentar des Fakultätsschreibens gelesen werden können. Mit dem dritten Beitrag dieser Reihe, der thematisch einschlägigen Disputatio de Christi hominis apud omnes Creaturas Praesentia divina universali ([1619c] 17./18. Dez. 1619), geriet noch 1619 der Dissens in die akademische Öffentlichkeit, die Publizität verschärfte den Ton der Debatte (3.2). – Demgegenüber fand der diesem Text vorangehende zweite Beitrag des Zyklus, die noch eben aus der Zeit vor der Unterzeichnung des Fakultäts232 Diese Zuweisung scheint mir angesichts der Textbezüge, v.a. schon zu Thumms Disputation von 1618, unzweifelhaft. Die einzige Alternative – eine Abfassung durch Osiander (zum Ausschluß Hafenreffers vgl. o. Anm. 81) – hat alle Wahrscheinlichkeit gegen sich: Osiander hätte bei der Abfassung des Fakultätsschreibens jene Formulierungen Thumms (resp. Wegelins) aufgegriffen, die sich in seinen eigenen etwa gleichzeitigen Texten nicht finden; und es hätten andererseits gerade einige dort auftretende spezifische Argumente und Formulierungen Osianders (dazu u. C.II.3.1–2) in das Fakultätsschreiben keinen Eingang gefunden. – Vgl. auch die folgende Anm. 233 So ist noch in Osianders Synopticae Assertiones vom Mai 1619 eine Wendung gegen Mentzer nicht erkennbar – auch da, wo sie zu erwarten wäre (vgl. u. C.III.2.6)! 234 Vgl. dazu u. E.II., E.III. 235 Vgl. zu dieser Fokussierung o. A.III.2. 236 Vgl. die Liste der Texte o. C.I.2.1. – Eine kursorische Übersicht bietet J. BAUR, (1977, 248–257 =) 1993h, 264–274. 237 Vgl. die Übersicht o. C.I.2.2.
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schreibens datierende Disputatio de Divinorum Attributorum et Idiomatum, Assumptae Carni Christi facta Communicatione, & eorundem Distinctione vom 27./28. August 1619 (1619b), im weiteren Verlauf des Streites keine Beachtung mehr und ist nicht zuletzt deshalb der Forschung unbekannt geblieben, insofern zu Unrecht, als hier die zentrale Tübinger These besonders prägnant und – verglichen mit der Argumentation des Fakultätsschreibens – mit einem noch einmal neuen Akzent formuliert wird (3.1)
3.1 Lc. Osiander: De Idiomatum Divinorum Communicatione 3.1.1 Thema und Disposition Nach den Synopticae Assertiones vom Mai 1619238 und in genauem Anschluß an jene Eröffnung der Disputationsreihe geht der zweite Beitrag239 des Zyklus’ das Thema der Kommunikation der göttlichen Eigenschaften an,240 wendet sich aber noch nicht den Detailfragen einzelner Idiome zu, sondern behandelt die mit der These einer solchen Mitteilung überhaupt gesetzte Problematik (generaliter; 90/34). So muß auffallen, daß einzelne Passagen dann eigens die Kommunikation der Allgegenwart traktieren, die das besondere Thema erst der folgenden 3. Disputation241 bilden wird. Diese Abschnitte lassen sich nur als gezielte, wenngleich noch anonyme Auseinandersetzung mit Mentzer lesen. Dennoch handelt es sich bei dieser Zuspitzung nicht um eine nur polemisch motivierte Prolepse. Sie gehört vielmehr organisch in jenen Zusammenhang, den das im Titel notierte zweite Thema benennt: ‚de divinorum ... Idiomatum ... Communicatione, & eorundem Distinctione‘. – Solche ‚Distinctiones‘ innerhalb der kommunizierten Idiome nimmt Osiander näherhin drei vor (70/28–85/33). Die beiden ersten Differenzierungen gehören zum traditionellen Inventar der lutherischen Apologetik gegenüber reformierter und jesuitischer Kritik der Kommunikationsthese. Die in der absoluten Einfachheit des göttlichen Wesens begründete Untrennbarkeit aller Attributa divina schließt, so der Einwand, jede Quantifizierung der behaupteten Mitteilung aus; es sind entweder ausnahmslos alle Idiome mitgeteilt oder aber deren keines. Eine Kommunikation der göttlichen Infinitas, Immensitas, Aeternitas, etc. aber wäre offenkundig nur um den Preis einer Destruktion der geschöpflichen Identität der Menschheit Christi zu behaupten. Ergo ... (69/28) – Osiander begegnet diesem Einwand mit einer Differenzierung der göttlichen Attribute in die ‚immanenten‘, nicht energetischen Eigenschaften einerseits, die weltrelativen energetischen Attribute andererseits (71/28–74/29). Secundum ουσιαν betrachtet erlauben die Bestimmungen des göttlichen Wesens zwar insofern keine Unterscheidung, als die Gottheit in schlechthinniger Einfachheit und Aktualität ‚ist‘ (actus purus; ταυτο quid); dennoch werden Differenzierungen möglich, wenn das Außenverhältnis (ad extra) des göttlichen Wesens in den Blick genommen wird (71/28). – Diese theo-logische Distinktion verknüpft Osiander mit einer zweiten Unterscheidung hinsichtlich des Vollzugs der christologischen Mitteilung (ratio & modus fac238
LC. OSIANDER,1619a. – Vgl. dazu ausführlicher C.III.2. LC. OSIANDER, 1619b. Belege (Thesen-Nr. /Seite) im folgenden hierauf bezogen. 240 „... peculiaris Idiomatum divinorum communicatorum Exegesis“ (1/1). 241 LC. OSIANDER, 1619c. – Vgl. dazu C.II.3.2. 239
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tae communicationis): Ein göttliches Attribut kann unvermittelt als solches ( πρωτως seu immediate) oder aber vermittels eines anderen (δευτερως sive mediate, & quasi in alio Idiomate) der Menschheit Christi kommuniziert sein; nur im ersten Fall darf es direkt von der menschlichen Natur prädiziert werden (75/30). Unmittelbar kommuniziert werden nur die energetischen Attribute Gottes. Die anergetisch-absoluten Eigenschaften, auf die sich der Einwand der konfessionellen Kontrahenten stützt, kommen der Menschheit Christi nur in der zweiten, vermittelten Weise zu; entsprechend können sie nur ebenso indirekt, vermittels eines energetischen Attributs prädiziert werden (e.g.: Omnipotentia, Omniscientia Christo homini communicata est infinita, aeterna, immensa ...; 75/30).242
In der konkreten Ausarbeitung nicht schon traditionell ist dagegen die dritte Unterscheidung, die Osiander einführt. Sie gilt der Abfolge der Mitteilung (ordo communicationis). Gerichtet ist sie gegen die „negantes Christi hominis omnipraesentiam, [I.] sive Adessentiam, [II.] vel in Exinanitionis, vel Exaltationis statu“ (81/32) – diese Adresse thematisiert den neuen innerlutherischen Dissens: Die Bestimmung der Allgegenwart als adessentia [I.] wendet sich gegen Mentzers operative Fassung der praesentia divina; die Akzentuierung des status exinanitionis widerspricht Mentzers Beschränkung der omnipraesentia carnis auf den Stand der Erhöhung. – Wo242
Dem hier von Osiander bearbeiteten ‚Folgeproblem‘ der lutherischen Kommunikations-These stellt sich bereits deren erste monographische Behandlung: J. W IGAND, De communicatione Idiomatum, Basel 1568. Wigand unterscheidet die proprietates divinae in solche, die der Menschheit Christi ‚realiter‘ kommuniziert werden, und solche, welche ihr demgegenüber nur ‚iuxta phrasin‘ zukommen: „REALITER communicari dico, | quae reuera communicantur, non solum iuxta phrasin seu locutionem quandam. Iuxta phrasin autem communicari dico, quae non quidem realiter communicantur, sed phrasi, id est quadam loquendi ratione tribuuntur, respectu personae seu unionis hypostaticae in Christo“ (91|f). Realiter kommuniziert werden der Menschheit Christi näherhin die ‚Person‘ (93–96) die ‚Majestät‘ (96–123, sc. Excellentia, Potentia [hier verortet das implere omnia, 113–117], Honor) sowie die göttlichen Taten (actiones, 123–129) des Logos. Unter die nur ‚iuxta phrasin‘ mitgeteilten Proprietäten (129–137) faßt Wigand summarisch („vt … uno quasi uerbo rem expediam“) „ea quae sint naturae seu Essentiae divinae“ (130), hierzu zählen neben den personalen Charakteristika des Logos als zweiter trinitarischer Person jene anenergetischen Bestimmungen, die das göttliche Wesen in seiner ontologischen Differenz zum geschaffenen Sein auszeichnen: esse ab aeterno, esse increatam naturam (130f), Esse spiritualem naturam (133), Esse immensam, infinitam, incircumscriptam naturam (133f). – Wigands Vorschlag zur Lösung des richtig gesehenen Problems konnte nicht das letzte Wort zur Sache bleiben, teils wegen theologisch ungeklärter Annahmen (so die Unterscheidung zwischen Person und Natur des Logos), v.a. aber auch wegen der Re-Legitimierung einer Mitteilung ‚iuxta phrasin‘ – sie lief in irritierender Weise der Generaltendenz lutherischer Christologie entgegen, deren ‚neues Dogma‘ einer realen Idiomenkommunikation gerade auf die Überwindung der tradierten Interpretation dieses Topos als eines nur verbalen Phänomens zielte (vgl. A.I.3.1; B.III.1.3). – Als Klärung auf dem am Anfang des 17. Jh.s, nach den Präzisierungen der ontologischen ‚Instrumentariums‘ möglichen Niveau ist in philosophischer Perspektive instruktiv: B. MEISNER, Philosophia Sobria I, s. I, c. I, Q. 2 (An propria unius rei possint communicari alteri diversae?), 1611, I, 68–105, bes. 102–105. Dazu vgl. W. SPARN, 1976, 45f.
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rauf genau zielt diese gegen Gießen gewendete Differenzierung des ordo communicationis? 3.1.2 Die Ubiquität als ontologisches ‚Postulat‘ der Unio Die zwischen den Konfessionen strittige Frage: „utrum nimirum, vere divina & increata dona, humanae naturae Christi sint commununicata an secus?“ (1/1) sucht Osiander mittels einer einzigen Konklusion – „unico Syllogismo“ (4/2) – positiv zu entscheiden. Der Obersatz dieser weit ausgreifenden Systematisierung der relevanten Schriftstellen lautet: Cuicunque communicatur: 1. ο λογος 2. υποστασις του λογου 3. omnipraesentia, vi hujus Hypostaseως 4. Nomen, & gloria Patris aeterna 5. Omniscientia 6. Omnipotentia, sive, Aeterna Potestas 7. Aeterna Majestas in Dextra Dei 8. Virtus spiritualiter Vivificandi 9. Cultus Religiosus 10. Suscitatio mortuorum 11. Potestas faciendi Iudicium, &c. eidem, non creata, & finita tantum, sed etiam increata, infinita, & divina dona communicantur.243
3.1.2.1 Auffällig ist die Position der omnipraesentia innerhalb dieser Liste. An dritter Stelle loziert, wird sie durch die angeschlossene Mitteilung von ‚Nomen‘ und ‚Gloria Patris‘ (4.) von den ihr systematisch gleichzuordnenden Eigenschaften der omniscientia (5.) und omnipotentia (6.) abgegrenzt. Andererseits verbindet sie der Zusatz (vi hujus hypostaseως) sachlich engstens, im Sinne eines Grund-Folge-Verhältnisses (vi), mit der unmittelbar zuvor genannten Mitteilung der göttlichen Hypostase (2.) – Diese Disposition ist der präzise Reflex einer sachlichen Verhältnisbestimmung. Die Liste bietet keine nur pragmatisch verfahrende Kompilation des biblischen Materials. Osiander versteht sie, jedenfalls hinsichtlich der ersten Elemente, als Rekonstruktion des Realvollzugs der Kommunikation in der Person Christi; die Reihung zeichnet den ordo communicationis nach.244 Im Zusammenhang der Entfaltung des Syllogismus selbst245 bleibt diese Sach243
5/2f (Paragraphierung U.W.). Die Abfolge der einzelnen Disputationen des christologischen Zyklus reproduziert exakt diesen sachlichen Ordo der Kommunikation; vgl. die Übersicht o. C.I.2.2. 245 Die jeweilige Minor („Atqui homini Christo communicatur“; 6/3) wird für alle im Obersatz genannten 11 Kommunikate je im Rekurs auf die biblischen Aussagen verifiziert (7/3–32/14); als Ergebnis steht die Conclusio: „Ergo homini Christo non creata & finita tantum, sed & increata, infinita & divina dona, sunt communicata“ (33/14). 244
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orientierung noch unausgesprochen. Diese Lücke schließt nun die gegen Mentzer gerichtete dritte Distinktion zum ‚ordo communicationis‘. Die sequentielle Strukturierung der christologischen Kommunikation zielt nicht auf eine temporale Differenzierung, sondern ausschließlich auf die (sach)logische Zuordnung des zeitlich Koinzidierenden. Wie sich das eine opus Incarnationis selbst in die zeitlich zusammenfallenden (tempore simul), logisch (in principio ordinis) gleichwohl sequentiell zu denkenden Akte der Conceptio, Assumptio, Unio (i.e.S. = Unitio) und Communio differenziert (76/30), so kann im Blick auf das letzte Glied dieser Kette, die Communio (= Communicatio), noch einmal (logisch) unterschieden werden. Die Mitteilung der Eigenschaften (communio Idiomatum) setzt die Mitteilung der Naturen (communio Naturarum) voraus:246 die lutherische These einer Mitteilung der Idiome meint keinen transfusiven Austausch zwischen diskreten Subjekten, sondern den aus der perichoretischen Vermittlung der Subjekte selbst – notwendig – folgenden gemeinsamen Besitz und Gebrauch all jener Idiome, deren Träger die vereinigten Naturen sind.
3.1.2.2 Über das bis hierhin noch traditionelle Argument lutherischer Christologie247 geht Osiander hinaus, wenn er in einem weiteren Schritt auch die communicatio Idiomatum noch einmal logisch differenziert – ein Progreß, der sich erklärtermaßen nicht von selbst versteht: „Inter Idiomata ipsa divina videtur quidem esse unus & idem communicationis gradus“ (78/ 13). Doch ist diese erneute Unterscheidung erfordert für den Fall der Allgegenwart, hier besteht, „wenn wir die Sache genauer untersuchen“, eine keineswegs zu übergehende Differenz:248 Das ansonsten geltende GrundFolge-Verhältnis von Communicatio Naturarum und Communicatio Idiomatum kehrt sich hier um. Der Grund dieser Inversion liegt in der immediaten Bindung dieses – nur dieses – Idioms an die Verfaßtheit der göttlichen Hypostase des Logos; dies hat zur Folge, daß die communicatio omnipraesentiae unmittelbar schon mit der Mitteilung dieser Hypostase an die menschliche Natur, m.a.W.: notwendig mit der Konstitution der unio per246
„... sic & in Communicatione, Principio ordinis, prior intelligitur esse Communio Naturarum, post vero Communio Idiomatum“ (77/31). 247 Zur ontologischen Präzisierung dieser fundamentalen Einsicht lutherischer Christologie (FC SD VIII 32; BSLK 1027, 8–19) vgl. wieder (o. Anm. 242) MEISNER, Philosophia Sobria I, s. I, c. I, Q. 2, 1611, I, 68–105, bes. 72f zur Abgrenzung der (christologisch gegebenen) Communicatio zwischen essentiell distinkten, aber perichoretisch in einem Suppositum verbundenen Subjekten von den christologisch inakzeptablen Alternativen: Übergang des Idioms von einem Subjekt auf das andere ( κοινωνιαν κατα μετεκβασιν secundum transgressionem, qua communicatum, deserto communicante transit ad illud, cui communicatur; 72f); dessen Verdoppelung im rezipierenden Subjekt (κοινωνιαν κατα αλλοποιωσιν, qua non ipsum communicantis proprium, sed ejus simile, numero tamen diversum, in altero producitur, & producendo communicari dicitur; 73); einer Mitteilung ausschließlich zum Gebrauch, ohne Teilhabe am Idiom selbst (κοινωνιαν κατα χρησιν , qua id, quod unius proprium est & manet quoad κτησιν , communicatur cum altero quoad χρησιν & usurpationem, 73). 248 „... at si rem penitius inspexerimus, deprehendemus, Ordinem hunc in Idiomate Omnipraesentiae … aliquam, neque contemnendam habere diversitatem“ (78/31).
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sonalis als solcher gesetzt ist. Da die Vereinigung der Naturen kraft identischer Hypostasierung dann weiterhin Bedingung und Grund der Kommunikation der Naturen ‚in‘ dieser Hypostase ist, kommt der mit der Vereinigung unmittelbar gesetzten communicatio Omnipraesentiae sachlogische Priorität vor der Naturenkommunion zu: „Solum ... hoc Idioma [Omnipraesentiae] quia primo dependet a communicatione hypostaseως του λογου, ipsam quoque Naturarum Communicationem, Principio Ordinis antecedit neque sequitur. Primum enim in ordine, quod communicari debuit assumptae carnis, fuit hypostasis του λογου, ut ita ex duabus naturis Una fieret Persona. Et oportuit utramque Naturam convenire, in hypostasi, tanquam in termino, in quo duae Naturae seu duo unibilia unirentur & uniendo communicarentur“ (79/31).
In logischer Hinsicht (in communicationis modo & Ordine; 80/31) kommt der Mitteilung der Omnipräsenz die erste Stelle (primus locus; 80/31) zu, allein sie wird unmittelbar durch die Mitteilung der Hypostase gesetzt. Die Mitteilung aller anderen Attribute ist dagegen erst durch die Kommunikation der Naturen vermittelt, welche ihrerseits die Vereinigung in hypostatischer Identität schon zur Voraussetzung hat. Die communicatio omnipraesentiae wird damit zum ‚articulus stantis & cadentis unionis personalis‘: „... [ut] Idiomatis [omnipraesentiae] in hypostasi factam communicationem ipsa statim Unio personalis postulet, ut quae sine hac hypostaseως Communicatione Reali, neque stare neque cogitari potest: atque sic Ordine, prior sit hujus Idiomatis Communicatio, Communicatione naturarum & Idiomatum reliquorum: utpote quod in ipsa statim Unione, suum repositum habet Fundamentum“ (80/31).
Mit der These der unio als des unmittelbaren ‚Fundaments‘ der omnipraesentia carnis hat Osiander nun auch terminologisch den Anschluß an die Auseinandersetzung mit Mentzer vollzogen.249 Der Abschluß des Exkurses über die Differenzierungen im ordo communicationis läßt diese Ausrichtung deutlich anklingen: „Inde recte affirmamus, negantes Christi hominis Omnipraesentiam, sive Adessentiam, vel in Exinanitionis, vel Exaltationis statu, non tantum negare principale aliquod contributum divinum Idioma; sed & evertere & convellere, ipsam Unionem Personalem, ut quae sine facta reali Communione, divinae του λογου Subsistentiae, & inde immediate consequentis Omnipraesentiae carnis, quae ratione hujus hypostaseως intelligitur eidem conjuncta ... consistere non potest“ (81/32).
Die kontinuierlich aktuelle Allgegenwart der Menschheit Christi ist die conditio sine qua non der unio personalis – der Versuch, die durch Mentzer aufgeworfene Frage aus der Ontologie der Personeinheit selbst zu beantworten, findet hier eine seiner prägnantesten Formulierungen.250 249
Vgl. o. C.II.2.2. Das in der Disputation vom August 1619 pointierte Argument hat Osiander dann in der 3 Jahre jüngeren Hauptschrift wiederholt: „unicum hoc Omnipraesentiae Proprium, 250
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3.1.3 Die Kontinuität der Kommunikation Die so für die Omnipräsenz nachgewiesene Kontinuität behauptet Osiander für die Mitteilung aller göttlichen Idiome. Hierfür muß die Begründung noch einmal neu ansetzen; der unmittelbare Zusammenhang mit der Hypostasenkommunikation besteht allein im ‚Sonderfall‘ der Allgegenwart. 3.1.3.1 Die im Blick auf den Zeitpunkt der Mitteilung bestehende Alternative: ‚Utrum ... illa [communicatio] in Unionis & conceptionis puncto facta, an vero, vel omnis vel ex parte, in aliud tempus, ad statum maxime Majestatis fuerit rejecta & dilata?‘ (87/33) wird kategorisch zugunsten der ersten Lösung entschieden.251 Die Wendung gegen Mentzer ist deutlich, die Differenz aber noch nicht deutlich markiert. Näher an den Dissens führt erst das in einer zweiten Quaestio angeschnittene Folgeproblem: Unterliegt das grundsätzlich mit der Unio Vollzogene dann an sich gleichwohl wechselnden Bestimmungen im Sinne eines ‚magis & minus‘? 252 Auch dies bestreitet Osiander: „Negatur. In Uno enim instanti, simul & semel facta est haec communicatio“ (88/33f). Das ephapax der Idiomenkommunikation folgt grundsätzlich schon aus ihrer zwar vermittelten, aber notwendigen Verknüpfung mit der Personeinheit, die das Bedingungsgefüge von unio personalis – communio naturarum – communicatio Idiomatum formuliert hatte. Osiander begründet es hier darüberhinaus auch mit der ‚Perfektion‘ der christologischen Unio, die keinerlei prozessuale Veränderung zuläßt: Die Unveränderlichkeit des göttlichen Wesens und seiner Idiome gilt ungemindert auch für den christologischen Zusammenhang; die communicatio Idiomatum meint die Partizipation der Menschheit Christi an den göttlichen Eigenschaften als solchen, nicht eine deren numerische und qualitative Identität aufhebende Duplizierung in einem fremden Subjekt.253 Auch als der Menschheit gewährte bleiben die Attribute ‚Idiomata divina & Essentialia‘, darum auch unveränderlich, keiner graduellen Differenzierung fähig. Die Konsequenz: Was der Logos im Vollzug der unio mitgeteilt hat, „id perfecte simul & semel totum communicavit“ (88/34).254
πρωτως, coetera Idiomata consequenter esse communicata: propterea quod ordine naturae
(non autem temporis) praecedat hypostaseos, sequatur vero Idiomatum Communicatio“ (Justa Defensio, 1622, 109). Diesen späteren Beleg hat J. Baur notiert und das Gewicht des Arguments unterstrichen: „Osiander bindet die gegenseitige Nähe von Gott und Mensch mit der Weltgegenwart der menschlichen Natur Christi so eng zusammen, dass er der Mitteilung der Allgegenwart einen sachlichen (nicht zeitlichen) Vorrang vor jener der übrigen Idiome zuschreibt, weil nur die Mitteilung der Allgegenwart identisch ist mit der Aufnahme in die Hypostase, indes die Mitteilung der Idiome dem folgt. Radikaler konnte im Rückgriff auf Luthers ‚wo Gott, dort ist der Mensch‘ der … Nachordnung der Allpräsenz nicht widersprochen werden“ (J. B AUR, 2007, 296 bei u. mit Anm. 794). 251 „Eam [communicationem] omnem & totam statim in ipso Conceptionis, Assumptionis & Unionis puncto factam & absolutam esse, sine ulla in aliud punctum temporis, quodcunque sit illud dilatione“ (87/33). 252 „Utrum Communicatio Idiomatum magis & minus, vel majus & minus in se & a priori recipiat?“ (88/33). 253 Vgl. Meisners Abweisung einer κοινωνια κατα αλλοποιωσιν, o. Anm. 247. 254 Die Frage der ‚Perfektibilität‘ der unio personalis diskutiert ein etwas späterer Text Osianders ([1620a] Appendix, 44ff/22ff) anhand der von Gießener Seite geltend gemachten Unterscheidung von δυναμις, εξουσια und vollständigem Gebrauch der Allgegenwart: „in unionis puncto, Omnipraesentia[e] δυναμιν (Philosophice δυναμει illa accepta)
II. Logos factus est Christus – Zur Tübinger Grundthese
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3.1.3.2 Nun steht das Immutabilitätsaxiom auch in Gießen in Geltung, wird auch dort die unio personalis nicht als ein Geschehen gedacht, das erst in einem Prozeß stetigen Fortschritts seine Vollgestalt erreicht. Mentzer ergänzt – hierin repräsentativ für die lutherische Christologie bis dato – die prinzipielle Invarianz der Kommunikation allein durch jene Annahme eines spezifischen ‚magis et minus‘, das durch die biblisch bezeugte Zäsur der Geschichte Christi schlechterdings erfordert sei, ohne jedoch das ‚semel & simul‘ der Konstitution der Person Christi zu tangieren: Dieses Zugleich von Identität und Differenz formuliert die tradierte Unterscheidung von (simul & semel gesetztem) unveränderlichem ‚Besitz‘ (possessio, habere) und veränderlichem (magis & minus) ‚Gebrauch‘ (usus, usurpari) der kommunizierten Idiome, die der Unterscheidung der zwei ‚Stände‘ Christi parallel geht bzw. darin ihre Ausarbeitung erfährt. Der Aufgabe, das biblische Datum veränderlicher Geschichte mit der Invarianz der dogmatischen Bestimmung zu vermitteln, stell sich auch Osiander. Das zunächst abgewiesene ‚magis & minus‘ erhält nun einen legitimen Ort, den der Zusatz ‚in se & a priori‘ von vornherein freigehalten hatte: „Magis & minus, seu majus & minus, vero, licet non in ipso HABERE aut communicari, sed in Exertionis seu Manifestationis tamen modo ad creaturas, locum habere non inficiamur“ (89/34). Diese Präzisierung scheint der von Mentzer vertretenen tradierten Unterscheidung entgegen zu kommen, widerspricht ihr tatsächlich jedoch im Kern. Denn Osiander zieht die Trennlinie nicht zwischen ‚Besitz‘ und ‚Gebrauch‘. Beide Bestimmungen, ‚habere‘ und ‚exertio‘ (manifestatio), werden hier vielmehr zusammengenommen und als invariante Größen gemeinsam dem allein variablen Modus exertionis (manifestationis) gegenüber gestellt. Eine ontische Differenz, wie sie die tradierte Opposition von Besitz resuscitato a mortuis & in coelo ascensuro, εξουσιαν illius, post vero sessionem | ad dexteram Dei, plenam Omnipraesentiam & Majestatem gubernationis omnium Creaturarum homini Christo datam & donatam fuisse“ (44/22|f). Diese These lehnt Osiander wegen der damit verbundenen Annahme einer Teilbarkeit der göttlichen Allgegenwart (45/23) und eines graduellen Wachstums der Majestätsteilhabe der Menschheit Christi, was eine ‚Unvollkommenheit‘ der anfänglichen Unio bedeute, ab: „Longe autem alia ratio est Omnipraesentiae hominis Christi, quae, cum Unioni hypostaticae, tanquam primo, immediato & adaequato fundamento innitatur, non potest non a primo statim Conceptionis puncto, statui, nisi Unionis aliquam Imperfectionem concedere aliquis voluerit“ (46/23). An dieser ‚Perfektion‘ der unio, die ohne die Perfektion der daraus folgenden communicatio Idiomatum nicht zu denken ist (47/24), hängt das Verdienst Christi und so das Heil: „Quod si vero eo rem devolvi patiamur, totus noster laborabit Christianismus, cum ex perfectione Unionis Personalis, & consecutae inde Communicationis Realis Naturarum & earundem Idiomatum, universum Meriti Christi precium unice dependeat; Absit igitur, ut aliquid Imperfectionis vel Unioni Personali vel Communicationi Idiomatum affingamus, nisi certam ruinam omnis spei & salutis nostrae, inde subsequi voluerimus“ (48/24). – Vgl. zu diesem soteriologischen ‚Interesse‘ weiter C.II.3.2.3.6; C.II.3.2.4.3.
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(samt partikularem Gebrauch) einerseits, (vollständigem) Gebrauch (plenarius usus) andererseits denkt, wird nicht konzediert. Im Blick ist lediglich die differente Art und Weise, der Grad an Deutlichkeit, in der Besitz und Gebrauch des Kommunizierten nach außen hin sichtbar werden, der modus manifestationis ad creaturas – eine lediglich noetische Differenzierung: ‚ad creaturas‘ bildet den Gegenbegriff zum ‚in se‘, die mit ‚manifestatio‘ benannte Dimension des Noetischen kontrastiert der ontischen Bestimmung des ‚a priori‘. – Osianders These lautet abschließend: Das mit der unio personalis Empfangene ‚gebraucht‘ der Mensch Christus auch im Stand der Entäußerung, doch zunächst nur auf ‚verborgene‘ Weise; mit dem Eintritt in den Stand der Erhöhung kommt es dann zum gloriosen und manifesten Vollzug der Majestät. Allein der Bereich des Noetischen kennt eine Variabilität, die ontische Partizipation der Menschheit an Besitz und Gebrauch der göttlichen Majestät unterliegt, einmal gewährt, keiner Einschränkung.255 3.1.3.3 Zweifellos stellt die Notwendigkeit, die durch die Differenz von Niedrigkeit und Erhöhung bestimmte Variabilität der Geschichte der Person Christi zu vermitteln mit deren semel & simul abgeschlossener Konstitution am Anfang dieser Geschichte, ein entscheidendes konstruktives Problem der Tübinger Neuorientierung dar. Zentral auf diesen Punkt werden sich die Einwände ihrer Kritiker richten. Osianders Versuch, diese Aufgabe mit der Unterscheidung von unveränderlichem Besitz und Gebrauch einerseits, verändertem Modus des Gebrauchs andererseits zu lösen – in der verkürzenden Raffung zur These einer bloßen ‚Krypsis‘ des Majestätsgebrauchs wird sie zum Etikett, das der neuen Tübinger Christologie angeheftet wird –, ist zu knapp skizziert,256 als daß sich seine Leistungsfähigkeit 255 In der Einschärfung dieser Differenz läuft die Disputation aus: „... ne ea, quae ad modum Exertionis, illius quod jam datum & acceptum est, pertinent, cum iis, quae communicationem ipsam attinent, confundantur inter se“ (89/34). 256 Vgl. aus den frühen Texten Osianders den parallelen Passus in der einschlägigen ‚De NOMINE SUPRA OMNE nomen ... Christo homini… donato & contributo, DISPUTATIO‘ vom September 1620 (1620b): Die in Phil 2 benannte ‚Entäußerung‘ meine nicht, „quod Christus homo, donatam & communicatam sibi divinam gloriam deposuerit, sed haec [sententia est], quod gloriam in Unionis puncto acceptam & collatam, superinducta forma servili occultaverit & celaverit: eandem vero nonnunquam, & vel in infimo Exinanitionis Gradu quotiescumque visum ei fuerit, manifestaverit: Post Resurrectionem autem Creaturis, quam occulte habebat Majestatem, manifestius commonstraverit, conspicuamque fecerit“ (76/21). Bemerkenswert ist die sich in der ‚nur‘ graduellen (‚manifestius‘) Differenzierung des Majestätserweises andeutende Kritik einer rein ‚gloriosen‘ Fassung der göttlichen Weltherrschaft, wie sie die übliche Unterscheidung der Status Christi voraussetzt, welche diese Abfolge einlinig antithetisch faßt und damit für Osiander die beide Stände kennzeichnende, mithin „auch heute“ noch gegebene Verborgenheit dieser Herrschaft verfehlt: „Quemadmodum non sequitur: Non|dum videmus (etiam hodie) Christo omnia subiecta (Hebr. 2.v.8) Ergo illi non sunt omnia subiecta. Ita quoque non sequitur:
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prüfen ließe. An diesem Punkt bestand für die neue Tübinger Christologie die Notwendigkeit des Fortarbeitens über das ‚in statu nascendi‘ Gesagte hinaus.257 3.2 Lc. Osiander: De Christi Hominis Praesentia Universali 3.2.1 Kontext und Disposition Das Thema dieses 3. Beitrags des Zyklus258 berührte unmittelbar den zentralen Punkt der Kontroverse mit Mentzer, eine Stellungnahme in der Sache war unausweichlich. Osiander geht aber über alle bisherigen öffentlichen Voten der Tübinger259 dadurch hinaus, daß er diese Sachklärung nicht mehr lediglich implizit – integriert in die Darlegung der eigenen These – vornimmt, sondern als direkte Auseinandersetzung mit einem weiteren Gegner vorträgt. Dieses Gegenüber wird noch nicht namentlich identifiziert, doch ist jetzt die Rede von einer besonderen, von den calvinistischen Hauptkontrahenten unterschiedenen, allerdings mit diesen fatalerweise partiell übereinkommenden Gruppe von – lutherischen – „Abweichlern“ (dissentientes),260 welche die omnipraesentia Christi Hominis allein auf den Stand der Erhöhung beschränken wollen. Die eigentümliche These dieser neuen Stimme im kontroverstheologischen Konzert wird in zwei ausgedehnten Exkursen eigens referiert und widerlegt.261 Wem dieser doppelte Stoß galt, konnte in Tübingen Ende 1619 nicht zweifelhaft sein.262
In statu Exinanitionis Mundus Gloriam Nominis supremi Christo homini donati, propter susceptam & superinductam servi formam non vidit, non agnovit: Ergo illam tum neque habuit“ (77/21|f). Die Behauptung von Besitz und Ausübung der göttlichen Herrschaft auch ‚sub forma servi‘ verborgen ‚tendiert‘ dazu, diese Herrschaft als Dienst zu verstehen und die scheinbar evidente Antithetik von Majestät und Niedrigkeit zugunsten einer Simultaneität zu verabschieden. – Vgl. weiter u. C.II.3.2.4; E.III.4. 257 Vgl. dazu u. E.III.4. 258 1619c (vgl. o. C.II.2); Belegangaben (These/Seite) im folgenden hierauf bezogen. – Im Mai 1620 erhält diese Disputation einen Nachtrag, den Osiander auch zur nochmaligen Auseinandersetzung mit der Gießener Position nutzt: Appendix Disputationis De Universali Christi Hominis ... Praesentia (26./27. Mai), 1620a; im folgenden zitiert: Appendix, 1620a, These/Seite), Zitat: 2/1f, hier: 2. – Von Bedeutung sind ferner die einschlägigen Abschnitte in Osianders Justa Defensio (1622), die gegen Mentzers zwischenzeitliche Kritik die Thesen vom Dezember 1619 verteidigen; vgl. bes.: Quaestio Praeliminaris De Definitione Praesentiae Apud Creaturas, Divina (1–71); Q. 1 de Fundamento adaequato Omnipraesentiae Christi (73–214). 259 OSIANDER, Disputatio de Divinorum Idiomatum Communicatione ([1619b] vgl. dazu o. C.II.3.1); THUMM, Exegesis Primi Capitis Matthaei ([1619a]; vgl. o. C.II.2.5.1). 260 46/18; vgl. 82/41: secus sentientes. – Jedoch wendet sich schon T HUMMs Exegesis Primi Capitis Matthaei gegen die These ‚einiger‘ (nonnullorum opinio, 1619a, 92). 261 46/18–56/24f; 81/40–91/52–55. 262 Vgl. das o. zur ‚Atmosphäre‘ im Sommer 1619 Notierte (C.I.1.1).
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Osianders Text wurde zusammen mit Thumms Schreiben vom 31. März 1620 nach Gießen gesandt,263 war Mentzer jedoch auf den üblichen ‚inoffiziellen‘ Wegen studentischer Zuträger264 bereits zuvor bekannt geworden und hatte dessen tiefe Verstimmung über diesen ‚niemals von mir provozierten‘ öffentlichen Angriff hervorgerufen265 – eine gezielte Verunglimpfung, die die Ausgleichsversuche im parallel geführten Briefwechsel hintertrieben habe. Diesen später noch verschärften266 Vorwürfen gegenüber haben die Tübinger geltend gemacht, daß es sich bei jenem von jeder namentlichen Bloßstellung freien (suppresso nomine), im Ton zurückhaltenden (modeste), allein der Sachklärung verpflichteten Votum um eine Disputation im Rahmen der regulären Lehrtätigkeit Osianders gehandelt habe;267 „pro re nata, data occasione & ita suadentibus Collegis“ habe sie allein die ‚alte orthodoxe württembergische Lehre‘ gegen Mentzers neue These verteidigt.268 Von einer eigens plazierten Kampfschrift gegen Mentzer könne keine Rede sein, wie überhaupt nur die Klärung in der Sache das Ziel aller schwäbischen Voten sei.269 – An diesen Einlassungen ist jedenfalls soviel richtig, daß Osiander tatsächlich das mit den Synopticae Assertiones (Mai 1619) grundgelegte Programm abarbeitet: Nach der Behandlung der Idiomenkommunikation im allgemeinen (generaliter), die den Gegenstand der zweiten Disputation vom August 1619 bildet, stellt die mitgeteilte praesentia divina universalis nun das Thema des ersten Teilschritts jener ‚specialis Idiomatum illorum ventilatio‘ (1/1) dar, deren Sequenz schon die Augustdisputation festgehalten hatte.270 Daß die vom Kollegium ‚angeregte‘ Wahl des christologischen Themas für den Disputationszy-
263 Mit einer ‚apologetischen‘ Einordnung: In seiner ersten Antwort (8.10.1619; Acta Mentzeriana 1625, 74–77 = MENTZER, Defensio, 1624, 11–13; o. C.I.2.1) auf das Tübinger Schreibens beharre Mentzer auf seiner irrigen These, – „quamobrem non tam R.D.T. [Mentzeri] publicata & longe lateque divelgata Scripta, quam inevitabilis Scholae nostrae necessitas pro asserendo & confirmando ορθοδοξιας deposito, succintam quandam & modestam extorserunt συνθητησιν, quam R. & Cl. Vir D.D. L. Osiander, Cancellarius Vnivers. nostrae Dignissimus, exhibuit, cuius exemplar R.D.T. simul nunc transmittitur“ (Thumm an Mentzer, 31.3.1620, Acta Mentzeriana 79–86, hier: 80). 264 Vgl. o. Anm. 11. 265 „Quia vero libuit Dn.D. Osiandro, nunquam a me provocato, publice me oppugnare, non dubitabit de iusta & modesta mei, imo veritatis defensione“ (Mentzer an Thumm; 11.4.1620, Acta Mentzeriana 90; vgl. ders. an Thumm 27.10.1620, Acta Mentzeriana 91f). Ungeschützter die Beschwerde im Brief an den Freund Thomas Lansius (vgl. o. [B.] Anm. 71) vom 22. Juli 1620: „Non putabis ab humanitate alienum, Domine, AEGRE me ferre, a vestro Cancellario publica Disputatione adversus me instituta, sed nomine non expresso, falsae doctrinae me accusari. Dignus ne ego visus ex multis, in quem primum incurreret NOVUS Cancellarius? Cuius nisi venerarer offcium, & Academiam Tubingensem honorarem, maioremque tranquillitatis et concordiae, quam existimationis meae rationem habendam censerem, profecto ostenderem illi homini in una illa Disputatione TOT ERRORES GRAVISSIMOS, quot satis esse possint ad demonstrandum DISPARITATEM inter ipsum, & doctissimos antecessores p.m. quos semper maximi feci. Nulla eum unquam iniuria lacessivi ...“ (Acta Mentzeriana, 1625, 162f, hier: 162). 266 MENTZER, Defensio, 1624, 56f, vgl. 18 [= Acta Mentzeriana 231.152]). 267 T HUMM, Ταπεινωσιγραφια 1623, 9f; Acta Mentzeriana, fol. c4 r; 61. 152f. 238-241. 268 Acta Mentzeriana fol.c4r. 269 Acta Mentzeriana 242. 270 LC. OSIANDER, 1619b, 1/1. 90/34. – Vgl. o. C.II.3.1.1
II. Logos factus est Christus – Zur Tübinger Grundthese
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klus durch Mentzers Anfragen bestimmt war 271 und daß Osiander die mit der nun anstehenden Frage der praesentia divina gegebene Gelegenheit zur gezielten Auseinandersetzung mit der Gegenthese des Gießeners nicht ungern genutzt hat – trotz oder wegen der Gewißheit, damit eine Hornisse zu reizen272 – bleibt davon unberührt.
Osianders Disputation De Christi Hominis Praesentia Universali liefert die umfänglichste Problembearbeitung unter den frühen Tübinger Voten in der Kontroverse mit Mentzer. Die in den 4 Conclusiones des Fakultätsschreibens vom 1.9.1619 rubrizierten Themen273 kommen erneut zur Sprache, doch sind Umstellungen und Umgewichtungen zu verzeichnen. Dem Problem der Definition der göttlichen Allgegenwart, das der Brief nur abschließend knapp berührt hatte (Frage 4), wird nun in Gestalt eines theologischen Prolegomenon erheblich größere Aufmerksamkeit zuteil (3/2– 21/8). Das christologische Hauptstück274 entwickelt dann breit die Begründung der omnipraesentia carnis direkt aus der unio personalis (23/8f–42/18 bzw. 56/24f; = Frage 1 im Brief); damit wird zugleich der nur kurz behandelten promissio diese Begründungsfunktion abgesprochen (66f/29f; = Frage 2). Die beiden Exkurse über die Thesen einiger dissentientes widersprechen dem Versuch, die omnipraesentia der Menschheit Christi allein auf den Stand der Erhöhung zu beschränken (= Frage 3).275 3.2.2 Entis ad Ens Existentia – Der Präsenz-Begriff 3.2.2.1 Mit der jetzt eigens vorangestellten Klärung des Begriffs der praesentia divina trägt Osiander zunächst auch der Sachlogik der eigenen christologischen These Rechnung. Die lutherischerseits behauptete omnipraesentia Christi hominis ist nichts anderes als die communicata praesentia divina,276 solche Allgegenwart kommt der Menschheit Christi nicht kraft eigenen Wesens zu, sondern allein infolge ihrer Teilhabe an der göttlichen Subsistenz des Logos.277 Neben der christologischen Entfaltung der Struktur dieser Teilhabe (communicata praesentia divina) ist darum auch der theo-logische Begriff der Allgegenwart einzuführen, den das christologische Argument voraussetzt (communicata praesentia divina). 271
Vgl. die o. Anm. 267 genannten Belege sowie o. C.I.2.2 bei Anm. 89. So die Rückschau der Acta Mentzeriana: „Non enim erat nescius [Osiander], se crabonem irritare, id | quod etiam eventus satis superque docuit“ (Praef. fol. c4r.|v). 273 Vgl. o. C.II.2.1. 274 „nostrum principale ... Propositum, divinam hanc Omnipraesentiam homini quoque Christo deberi & rectissime attribui“ (22/8). 275 46/18–56/24f, 81/40–91/52–55; vgl. auch Appendix [1620a], 44/22f–55/28. 276 2/1; vgl. Appendix [1620a], 5/3. 277 „... non aliqua humana sua Essentiali Proprietate, sed divinae του λογου communicatae sibi infinitae Subsistentiae ratione, ubique omnibus Creaturis praesens esse dic[i]tur [Homo Christus]“ (2/1). Vgl. Appendix [1620a], 20/8, 22/8, 42/21. 272
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C. Die ‚neue‘ Tübinger Christologie in statu nascendi
Die theo-logische Explikation muß jedoch nur dort ausdrücklich durchgeführt werden, wo der Begriff der praesentia divina selbst strittig ist. So in der aktuellen Auseinandersetzung. Bereits der erste Satz des Vorspanns signalisiert die gezielte Wendung gegen die Gießener Position: „Divina autem Praesentia, (ut Praesentia) in se considerata, non male dicitur a quibusdam Entis ad Ens esse Existentia“ (3/2).
Ein Paukenschlag zur Ouvertüre – die vage Bezugnahme konnte dem kundigen Hörer die polemische Adressierung nicht verschleiern: Zu den hier nicht näher identifizierten quidam gehört v.a. der Reformierte Philipp Caesar, mit dem Mentzers Schwiegersohn Justus Feurborn in derselben Frage literarisch die Klingen gekreuzt hatte;278 und es ist genau der hier formulierte ‚philosophische‘ Allgemeinbegriff der Gegenwart als Anwesenheit – Entis ad Ens existentia, Adessentia279 –, gegen den Mentzer und nach und mit ihm Feurborn ihre operative Neufassung der Gegenwart Gottes vortragen. Auf die Seite dieses reformierten Kontrahenten schlägt sich nun Osiander: „Quam [definitionem] & nos approbamus, nostramque esse volumus: monentes tantum, ut pro Natura Subjecti, haec Adessentia (quae Essentialiter divina est) recte intelligatur & explicetur“ (3/2). 3.2.2.2 Der nicht nur in Gießen ‚verwundert‘ registrierte280 Anschluß an Caesars Definition verkennt nicht die Aufgabe, diesen Rahmenbegriff für die theologische Applikation zu präzisieren. Mentzers Anliegen, die Differenz göttlicher Gegenwart gegenüber allen 278
J. FEURBORN, Inchoata Confutatio (o. B.IV.2.2), in: DERS., Opera, Th. 3/44 zitiert Caesars Definition: „Praesentia nihil significat aliud, quam Entis ad Ens, vel Entis cum Ente existentiam“. Denselben, von Feurborn nach bekanntem Muster als theologisch insuffizient verworfenen („illam ... definitionem in Theologia non satisfacere diuino verbo“; ibd., Th. 4/44) Allgemeinbegriff von Gegenwart wird entsprechend, unter Bezug auf den u.a. durch den Reformierten R. GOCLENIUS ([1613] Lexicon) repräsentierten consensus Philosophorum, auch Thumm gegenüber Mentzer vertreten: „praesentia est existentia rei cum re, a qua non distat“ (T HUMM an Mentzer, 22.11.1620, Acta Mentzeriana 111; vgl. DERS., Ταπεινωσιγραφια, 1623, 313. 315). – Auch Caesars bündigen Einspruch gegen den Gießener definitorischen Einbezug der actio in den Präsensbegriff: „non denotatur per praesentiam actio, sed connotatur, non designatur, sed consignificatur“ (bei FEURBORN, ibd., 3/44) haben die Tübinger in der Sache und z.T. auch der Formulierung nach übernommen: vgl. schlagend T HUMM, Ταπεινωσιγραφια, 1623, 306 und schon im Briefwechsel mit Mentzer: Acta Mentzeriana 72. 85. 106. 110. 111. 112. 113. 114. 279 Vgl. 7/2 (Dei Adessentia, aut cum Entibus caeteris Existentia); 3/2. 280 Auch die Verteidiger der sächsischen Decisio notieren – noch 1625! – eigens diesen Verstoß gegen den lutherischen Korpsgeist: „Ibidem [Osianders Disputatio de praesentia divina] thesi 3. approbatur D. Philippi Caesaris Calviniani Bremensis definitio, qua praesentiam Dei Entis ad Ens existentiam esse dixit ... quod satis mirari non possumus“ (Apologia Decisionis, 1625, 790). – Später wird sich Osiander für diese Definition der Gegenwart „per meram ADESSENTIAM Entis ad Ens“ auf Luther berufen: Justa Defensio 11, mit Bezug auf die Unterscheidung der 3 Modi alicubi Essendi in Luthers Abendmahlsschrift von 1528 (Justa Defensio 8–10).
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Modi geschöpflicher Präsenz festzuhalten, wird als solches auch in Tübingen geteilt; nur geht die unerläßliche Abgrenzung hier nicht den Weg einer strikten Entkoppelung von ‚philosophischem‘ und ‚theologischem‘ Begriff. Osiander fragt stattdessen nach den Spezifikationen der allgemeinen Bestimmung – der Verdacht soll und kann ausgeräumt werden, die theologische Rezeption der Formel ‚Entis ad Ens existentia‘ ordne im Ergebnis Gott als ein Seiendes unter anderen in den Zusammenhang der Welt ein. Die unabdingbare hermeneutische Klärung verlangt, das Prädikat nach Maßgabe der besonderen Beschaffenheit des Subjekts zu spezifizieren.281 Im Zusammenhang geschöpflichen Daseins (in rebus naturalibus; 4/2) impliziert die entis ad ens existentia stets die wechselseitige Begrenzung der einander gegenwärtigen Dinge: Zwei res naturales kommen so an einem Ort zusammen, daß sie diesen Ort teilen und sich gegenseitig ‚definieren‘ (4.5/2). Dieses den kreatürlichen adessendi modi (4/2)282 eignende Konkurrenzverhältnis283 ist theologisch inadäquat: „in Deo nihil vel finitum vel definitum“ (5/2). Gottes Allgegenwart meint zwar die ‚Anwesenheit‘ seiner selbst am Ort der raumzeitlich existierenden Geschöpfe. Aber dieses unmittelbare Dasein (adessentia, indistantia) ‚in‘ der Welt hebt nicht die in der Unendlichkeit des göttlichen Wesens begründete Weltüberlegenheit auf.284 Erst dieses Zugleich von Immanenz und Transzendenz ermöglicht, daß Gott nicht gleichsam partialisiert, sondern an jedem Ort ‚ganz‘, als er selbst gegenwärtig ist. Die These von der Raumtranszendenz Gottes meint darum niemals die Behauptung seiner Weltferne, sondern formuliert die Bedingung seiner universalen Weltgegenwart ‚überall‘ als er selbst. Sie wahrt damit das Gefälle von Gott und Welt, ohne diese Relation von Schöpfer und Geschöpf auf ein Verhältnis abständiger Dependenz zu beschränken. Osianders faßt diesen Sachverhalt in plerophore Beschreibungen, dabei klingen Luthers bekannte Sätze an, die die schwäbische Christologie seit Brenz rezipiert hat: „Ita namque Deus immensus & Infinitus per suam Infinitam & immensam Essentiam, cunctis adest Creaturas, ut eas non aliquo contactu solummodo, aut alio modo Physico, vel ambiat, vel includat, ab jisve ambiatur vel includatur: sed nullibi inclusus, nullibi exclusus, totus in omnibus & singulis Creaturis, cum omnibus, & apud omnes per totam suam adsit divinam Essentiam: totus hic, totus ibi, totus intra, totus & extra omnes & singulas Creaturas, praesens. Secundum quod recte dicitur[:] Enter Praesenter, Deus hic & ubique potenter“.285
281 „ut pro Natura Subjecti, haec Adessentia ... recte intelligatur & explicetur“ (3/2). – Diese Forderung folgt aus der traditionellen Analogielehre, die diese Synopse von Identität und Differenz intendiert. – Vgl. auch das o. zu Mentzer Notierte (B.II.2.1). 282 Vgl. dazu auch die – Luther aufnehmenden – Erläuterungen der 3 Modi alicubi adessendi – Modus: (1.) circumscriptivus; (2.) definitivus; (3.) der allein Gott eigene Modus ‚repletivus per indistantem adessentiam‘ –: Appendix [1620a], 7/3–21/8. 283 Zum Verständnis natürlicher Präsenz als ‚Streit‘ um den (nur von je einem Körper zu ‚besetzenden‘) Ort, in dessen Hintergrund die aristotelische Konzeption vom Raum als ‚Umgebendes des Körpers‘ (το περας του περιεχοντος σωματος; Physik IV,4; 212 a6) steht, vgl. auch Luthers Erläuterung des modus circumscriptivus: „Erstlich ist ein ding an eym ort circumscriptiue odder localiter / begreifflich / das ist / wenn die stet und der corper drynnen sich miteinander eben reymen / treffen und messen“ (Vom Abendmahl Christi, Bekenntnis, 1528; StA 4, 88,2–4 / WA 26, 327, 23–23). Vgl. J. B AUR, 2007, 208f. 284 Vgl. hierzu bes. auch Appendix [1620a] zum ‚Modus repletivus‘: 15/6–19/7f. 285 6/2; vgl. auch Appendix [1620a], 16/6f.
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Die so als Verschränkung von Transzendenz und Immanenz gefaßte Dei Adessentia, aut cum Entibus caeteris Existentia ist von der lokal definiten Präsenz der Geschöpfe (omnium creaturarum Adessentia mutua) bleibend unterschieden (7/2f); eine die Wesensdifferenz aufhebende Gleichordnung von Gott und Welt hat nicht statt. Doch wird die in modaler Hinsicht negierte ‚Lokalität‘ der Präsenz Gottes und das darin begründete ‚nullibi inclusus‘ nicht prolongiert in die Behauptung einer rein antithetisch gefaßten ‚Transcendenz‘, die Gottes Freiheit vom Raum nur unter Sistierung jeden Bezugs zum Raum denken kann und dann in der paradoxalen ‚Dialektik‘ eines ubique et nullibi endet.286 Osiander hält die spannungsvollen Bestimmungen vielmehr zusammen, indem er sie als simultane Signaturen der Gegenwart Gottes am Ort der Geschöpfe (caetera Entia) auslegt: „totus intra, totus & extra omnes & singulas Creaturas, praesens.287
Mit dieser durch Präzisierung des allgemeinen Rahmenbegriffs gewonnenen Bestimmung der göttlichen (All)Gegenwart als adessentia per Essentiam (infinitam) sieht Osiander die normative Vorgabe der Schrift zur Gel286 „Auch in der Negation bleibt der Bezug zum Ort erhalten“; mit der Feststellung der „Überlegenheit“ und der „‚Freiheit‘ Gottes gegenüber den Geschöpfen“ „wird … weder das In-sein dementiert noch ein Paradox statuiert“ (J. B AUR, 2007, 210. 211; dort bezogen auf Luther). 287 Osiander erreicht damit in faktischer Korrektur ‚akosmistischer‘ Züge der Lutherrezeption von J. Brenz die genuine Intention Luthers. – Für Luther vgl. die entsprechenden Passagen seiner Abendmahlsschriften von 1527 (WA 23, 64–283, hier: 35. 137. 139) und 1528 (WA 26, 261–509, hier: 339f); vgl. die subtilen Analysen dieser ‚Basistexte‘ bei J. BAUR, 2007, 198–202. 202–218; zur ‚Zuspitzung der Christologie auf die Frage der Präsenz am Ort‘ (206) bes. 206ff. – Zur Rezeption bei Brenz: BRANDY, 1991, 245f. 249f, (zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund:) 250–256; sowie, auch in faktischer Korrektur eigener früherer Interpretationen, mit deutlich kritischerem Akzent jetzt J. B AUR, 2007, 241–254, bes. 248ff: Im Rahmen einer problematischen ‚Zwei-Welten-Lehre‘, in der sich ein platonisierend-augustinisches Erbe Geltung verschafft, kommt es bei dem schwäbischen Reformator zu einer deutlich differierenden Akzentuierung: „Brenz übernimmt von Luther die Negation des localiter, aber er nimmt nicht das in loco esse auf“ (254, Kursivierung J.B.); er „interpretiert die Majestas der Menschheit Christi … exklusiv als Teilhabe an der Welt- und Ortsüberlegenheit Gottes, dessen Weltverhältnis schon zuvor, anders als bei Luther, nur noch als Freiheit vom Ort und nicht als dialektisches Insein ausgelegt wird“ (254, Kursivierung U.W.). Diese Tendenz wird sich, eine Generation später, bei Ä. Hunn mit der ‚prinzipialisierten‘ Unterscheidung von praesentia intima und extima hinsichtlich des Zentrums der Christologie, des Verständnisses der Personeinheit, noch einmal verschärfen; in dieser ‚verformten Schwäbischen Christologie‘ steht nun beziehungslos antithetisch, was bei Luther dialektisch vermittelt war: „Die Erhöhung der Menschheit zur Majestät der Gottheit kommt ungebrochen zur Sprache, doch gerade so wird ihr Weltbezug sistiert“; „[d]ie Saat des Zeit und Raum nichtenden Brenzschen Akosmismus ist bei Hunn voll aufgegangen“ und führt zu einer nun völlig „weltlosen Fassung von illocalis“ (272– 280, bes. 276ff, Zitate: 272. 278. 279). – Der bei den Tübingern von 1619ff demgegenüber eindeutige Versuch, Personeinheit und Weltgegenwart der Menschheit Christi wieder engstens zusammenzubinden, vollzieht, im ‚radikalen‘ Rückgriff auf Luther, nicht nur eine deutliche „Korrektur an Hunn“, sondern auch den „Schritt weg“ „von Brenz und dessen Spiritualismus“ (294–301, bes. 296–298, Zitate: 297). – Vgl. u. C.IV.1.1.3/4 resp. C.IV.3.1.1.
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tung gebracht. Die auf Gießener Seite strapazierte Antithetik von ‚philosophischer‘ und ‚biblischer‘ Perspektive288 findet keine Resonanz. Gottes ‚erfüllende‘ Gegenwart meint auch nach biblischer Sicht (Jer 23,23) die in seinem Wesen begründete, so beständige und unaufhebbare Nähe zur Welt, die jede Abständigkeit (distantia) ausschließt und doch nicht in räumlichen Kategorien begriffen werden kann:289 citra ullam tamen Dimensionis rationem, modo ineffabili [praesens] (8/3). 3.2.2.3 Gottes Gegenwart ist adessentia, seine Anwesenheit in der Welt der Geschöpfe: als solche gründet sie in der Unermeßlichkeit seines Wesens (immensitas essentiae; essentialis adessentia ad omnes Creaturas): damit sind punktgenau jene Momente festgehalten, die Mentzers Neudefinition der praesentia divina zwar nicht einfach verwirft, aber als gemessen an den biblischen Begriffen insuffizient de facto beiseite stellt. Osiander zieht die fällige Konsequenz, indem er in einem zweiten Schritt nun den Gegenvorschlag direkt angeht: „Quibus ita stantibus, manifestum evadit pro definienda divina Praesentia, Operationem divinam in subsidium advocare, (quod nonnulli facere solent) haudquaquam opus esse“ (9/3). Diese biblisch abgesicherte (9/3f–11/4f) strikte Unterscheidung von praesentia und operatio plädiert keineswegs für die Annahme eines untätig (ociose) gegenwärtigen Gottes (12/5). In sachlicher Ausarbeitung der schon im Fakultätsschreiben an Mentzer vorgetragenen Verhältnisbestimmung290 stellt Osiander klar: Gegenwart und Tun kommen zwar in Gott, in der Einheit seines Wesens (Essentia) zusammen. Sie gründen aber je in distinkten Attributen dieses Wesens: jene in der Unendlichkeit Gottes, diese in seiner (stets
288
Vgl. o. B.II.1.1; B.IV.2.2; B.IV.3.3. – Im Kern übernommen wird diese Antithetik auch von der ansonsten auf eine Vermittlung von Gießen und Tübingen bedachten Brevis Consideratio B. Meisners, wenn sie den Tübinger Präsenzbegriff als „acceptio … magis … Philosophica, quam Theologica: magisque nostro concipiendi, quam Biblico loquendi modo consentanea“ distanziert: „Ut enim praesentia creaturarum formaliter est earundem conjunctio in uno Ubi, vel propinquitas seu existentia unius substantiae apud aliam, nihilque amplius: sic praesentia divina generatim sumta, in abstracto & pro nostro concipiendo modo, nihil aliud est, quam Dei Christique indistantia & propinquitas apud creaturas, ut ita praesentia Dei abstracte sumta, & praesentia creaturarum toto genere non differant, quod ipsum satis confirmant argumenta Dn.D. Thummij. | Ulterius autem dico, quod de praesentia Dei in isto generali & abstracto sensu accepta nunquam loquatur Scriptura ...“ (Brevis Consideratio, 1621, 299–301, bes. 301f, vgl. 308f; Zitate 301|f). 289 „Quae nostra Definitio, ex Sacrae Scripturae oraculis, suum habet, idque immotum Fundamentum. Non enim de vicino tantum se Deum esse, sed & e longinquo, profitetur Dominus, Ierem. 23.v.23. Non igitur ita hic praesens est, ut ibi interim per Essentiam praesens non sit: se hic & illic & ubique, eo modo & ratione, ut Essentialem ipsius ad omnes Creaturas Adessentiam, nulla Distantia, Dimensio, Superficies, Locus, Locatum, aut Locabile, ullave Creatura, impedire, aut remorari usquequaque possit ...“ (8/3). 290 Vgl. o. C.II.2.3.2.
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aktualen) Allmacht.291 Eine definitionale Verknüpfung ist darum ausgeschlossen: „Die Handlung läuft zwar mit der Gegenwart mit, aber nicht definitional (verbunden)“.292
Unbeschadet dieser Differenzierung kommt der Anwesenheit Gottes jedoch auch nach Osiander insofern eine fundamentale Bedeutung zu, als das vielfältige Handeln Gottes in keinem Fall als abständige Fernwirkung zu denken ist. Die Praesentia Gottes liegt jeder seiner spezifischen Weltrelationen unterfangend voraus; sie geht notwendig in alle Gestalten der göttlichen Beziehung zur Welt ein, ohne aber in irgendeiner aufzugehen. So bildet sie das invariante Element, das im Wechsel der Weltrelationen Gottes beharrt, aber stets von jeder dieser Relationen wie auch von deren Summe verschieden ist. In diesem Sinn gibt es wohl eine Pluralität kumulierender oder alternierender Beziehungen Gottes auf anderes; aber dieser Vielfalt korrespondiert nicht eine Abfolge distinkter ‚Gegenwarten‘ Gottes. Praesentia Dei ist – strikt verstanden – ein singulare tantum. Zwar kann auch Osiander die traditionelle Unterscheidung verschiedener ‚Arten‘, ‚Grade‘ oder ‚Modi‘ der göttlichen Gegenwart positiv aufgreifen. So verwirft der Tübinger die von Mentzer betonte Unterscheidung von praesentia Dei universalis und specialis nicht rundweg, kann sie vielmehr selbst betonen – gerade die Gießener Anwälte einer genauen Unterscheidung beider Größen vermischten in Wahrheit, was theologisch auseinanderzuhalten ist: Mentzers operative Definition schreibe der Gegenwart Gottes als solcher zu, was Bestimmung allein der praesentia specialis sei (13/5; 14/5f). Die grundlegende Definition der Gegenwart Gottes ausschließlich als adessentia und deren genaue Unterscheidung von der operatio sind damit keineswegs selbstwidersprüchlich revoziert. Für Osiander bezeichnet die tätige ‚praesentia specialis‘ keine besondere Species eines übergeordneten Genus ‚praesentia divina‘, die neben einer gleichgeordneten weiteren Species ‚praesentia universalis‘ stünde. Der Ausdruck ‚praesentia‘ wird insoweit nicht univok verwendet. „Spezielle Gegenwart“ – das meint in der Sache allein ein spezifisches Tun oder ‚Affiziertwerden‘ des „schon vorher“, weil stets gegenwärtigen Gottes: „Specialis ... Dei praesentia non est, nisi Dei, jam antea Universaliter praesentis, ad speciales Creaturas, determinata vel Affectio, vel Operatio“ (14/6; Nr. V.). Diese Bestimmung der ‚praesentia specialis‘ als ‚operatio‘ hat mit dem operativen Präsenzbegriff Mentzers sachlich nichts gemein,293 widerspricht diesem vielmehr im Kern. Sie hält die nur äquivok so zu bezeichnende ‚praesentia specialis‘ und die praesentia universalis gerade strikt auseinander, als operatio einerseits, wahre Gegenwart (prae291 „... ex Infinitate autem Essentiae suae praesentem [Deum], ex Omnipotentia (quam perpetuo conjunctam habe) operantem (sicuti per Misericordiam, miserantem, per Justitiam juste judicantem: &c.) distincte pronunciemus“ (12/5). 292 „Actionem quidem concurrere cum Praesentia, sed non οριστικως“ (OSIANDER, Justa Defensio, 1622, 3; vgl. 6. 13–15. 18. 19f. 21) 293 Mentzers Versuch, Osiander hier einen Selbstwiderspruch nachzuweisen, der in der Konsequenz seine, Mentzers, These ins Recht setze (Brief an Thumm, 11.4.1620, Acta Mentzeriana 87–91, hier: 90; DERS., Disputatio de Quatuor Quaestionibus Controversis, 1621, Th. 22/A3r), ist unhaltbar; vgl. das Folgende und schon die Tübinger Klarstellungen: Acta Mentzeriana 136 i.m. Nota a) u. b); T HUMM, Ταπεινωσιγραφια 1623, 182; OSIANDER, Iusta Defensio 1622, 50f.
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sentia als adessentia) andererseits. An die Stelle der Mentzer’schen Modells einer Palette diskreter ‚(modi) praesentiae‘ tritt bei Osiander das – den älteren lutherischen Konsens294 fortschreibende – Konzept der einen, invarianten und einheitlichen Gegenwart (praesentia universalis), die im additiven Komplex mit einer bestimmten Operatio die je spezifische Weltrelation Gottes konstituiert; dieser akzidentelle Verbund mag als ‚praesentia specialis‘ bezeichnet werden, wenn der uneigentliche Charakter dieses Etiketts im Bewußtsein bleibt. Im Appendix zur Disputation formuliert Osiander diese Pointe auch ausdrücklich: „specialis Praesentia, non dici potest, aliud Praesentiae verae genus vel species, sed proprie loquendo, UNA tantum est DEI ... Omnipraesentia generalis, quae quando accedit certa & determinata ad certas Creaturas, Actio & Operatio, Specialis Praesentia dicitur; quae tamen potius Actio & Operatio, quam ipsa Praesentia, si rem accuratius consideremus, dici debuerat“.295
3.2.2.4 Die Differenz in der Zuordnung von Gegenwart und Tätigkeit wiederholt sich notwendig bei der Frage nach der Begründung beider Größen. Für sein operatives Verständnis der göttlichen (All)Gegenwart muß Mentzer annehmen, daß die Omnipraesentia (ad creaturas) von der Unermeßlichkeit (Immensitas) des göttlichen Wesens unterschieden und überhaupt aus der Menge der attributa essentialia auszugrenzen ist, welche die Wesensverfassung der Gottheit beschreiben. Er beruft sich hierfür auf den relationalen Charakter der Gegenwart: Im Unterschied zur absoluten, ewigen Immensitas ist die omnipraesentia eine bezügliche, nämlich auf ihre jeweiligen Adressaten (creaturae) bezogene Bestimmung Gottes, erst mit der diesem ewigen göttlichen Sein nicht koextensiven Existenz ihres Korrelats gegeben. Dieser zeitliche Anfang unterscheidet die Allgegenwart notwendig von den unveränderlichen Wesensbestimmungen Gottes.296 Dieser Separierung gegenüber verteidigt Osiander beharrlich das strikte Grund-Folge-Verhältnis von Immensitas und Allgegenwart. Dezidiert werden damit „Unermeßlichkeit und Allgegenwart Gottes ... als ein einheitlicher Sachverhalt verstanden“.297 Gottes Allgegenwart ist mit der Unermeß294
Vgl. das o. zu J. Gerhards Position von 1610 Notierte (B.II.2.2). Appendix [1620a], 4/2f. Vgl.: „specialis Praesentia ... non facit novam praesentiam, sed signat jam antea Praesentis affectionem vel operationem“ (OSIANDER, Justa Defensio 1622, 39); „non alia & nova, extra & sine universali fingendam propinquitatem substantialem: sed complicatio alterius Attributi, ad certum & determinatum speciale obiectum“ (ibd. 51); „eandem quidem numero in se, manere Praesentiam, at secundum concurrentia Attributa & obiecta divina, e posteriore aliam eam accipere Denonimationem, & specialem dici …“ (ibd. 51). 296 „Quaerunt porro aliqui, Utrum divina isthaec Omnipraesentia, inter divina Essentialia Jdiomata connumerari quoque debeat, quandoquidem eo respectu, quo AD CREATURAS Deus praesens dicitur, Relativa ea dicitur: & quod cum Creaturis Relatio haec initium aliquando sumpserit; aeternam illam dici posse dubitant: & ex hoc dubio, e numero Essentialium Jdiomatum Omnipraesentiam seponi debere autumant“ (15/7). 297 W. P ANNENBERG, I, 1988, 445. – Die dort (Anm. 172) notierte abweichende Sicht David Hollaz’ formuliert also keineswegs die These „der altprotestantischen Dogmatik“, sondern eine kontroverse Position innerhalb derselben. Der Spektrum der altlutherischen 295
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lichkeit und Unendlichkeit seines Wesens (Immensitas & Infinitas Essentiae) unveränderlich gesetzt (immotum consequens). Die Omnipräsenz ergibt sich nicht erst aus einem Verhältnis (zu Außergöttlichem), sie folgt aus dem, was Gott durch sich selbst ist.298 Die zeitlich-kontingente Erschaffung der Welt konstituiert naturgemäß die Weltbeziehung (relatio temporanea) Gottes, setzt aber nicht allererst auch die Allgegenwart selbst (ipsum Attributum). Die mit der Weltschöpfung unstreitig gesetzte Veränderung betrifft nur das göttliche Außenverhältnis, das aber als Außenverhältnis dem Sein Gottes, wie es die Attribute festhalten, äußerlich bleibt: „Relatio ... illa [temporanea] Essentiam Attributi non ingreditur“ (16/7 i.m). Die Zeitlichkeit der Weltrelation darf nicht in die Allgegenwart selbst zurückgetragen werden. Damit entfällt der Grund, ihr den Status eines attributum essentiale zu bestreiten. Entsprechendes gilt für alle Idiomata relativa (18/7f): Deren erst zeitlich realisierte Bezogenheit auf die Welt (respectus ... quibus Relativa dicuntur); 18/7) setzt keine Veränderung im Sinne eines Zugangs oder Verlustes (accedere, decedere; 17/7), – wenn anders die Schöpfung nicht überhaupt als Übergang Gottes in einen inferioren Status gedacht werden soll (20/8).299 3.2.2.5 Mit dieser Entfaltung des Begriffs der praesentia divina hat Osiander für die Tübinger Seite fraglos eine strikte Gegenposition zu der von Mentzer und Feurborn verfochtenen Lösung formuliert. Weniger rasch ist die Frage zu beantworten, welches sachliche Gewicht diesem Dissens im theo-logischen ‚Vorfeld‘ des christologischen Streits zukommt. 3.2.2.5.1 So hat die gründliche, auf Schlichtung bedachte (erste) Sichtung der Kontroverse zwischen Tübingen und Gießen von sächsischer Seite, B. Meisners Brevis Consideratio (September 1621), gerade dieser Differenz im Präsenz-Begriff keine prinzipielle Bedeutung beimessen wollen. Meisner erklärt zwar einerseits, und dies ausdrücklich als Alternative zur Tübinger Rekonstruktion des Status controversiae,300 die Frage der definitio divinae prasentiae zum entscheidenden Kern des Streits; von diesem Hauptpunkt hingen die schwäbischerseits betont und vorrangig diskutierten christologischen Differenzen ab.301 Doch eben hier werde der Abstand der Positionen überschätzt und polemisch überTheologie in dieser Frage ist direkt auf die Diskussion dieses Themas in der kenotischen Kontroverse bezogen; dieser Zusammenhang kommt bei Pannenberg nicht in den Blick. 298 „Nos Dei Omnipraesentiam nequaqam ex Creaturis, sed ex Immensitate & Infinitate Essentiae divinae, tanquam immotum illius consequens describere, ut ex qua, primo & simpliciter, & non a Creaturis aut respectu ad illas, divina haec ... consequitur Omnipraesentia“ (16/7). 299 Zum weiteren theologischen Horizont der Frage vgl. SPARN, 1976, 144–146. 300 Die schwäbische Rekonstruktion der 4 Quaestionen des Dissenses (vgl. o. C.II.2.1; von Meisner aus Thumms Schreiben an Mentzer vom 22.11.1620 [Acta Mentzeriana 93– 127] referiert) laboriere an sachlichen und dispositionellen Unklarheiten („[quaestiones] nec adeo distinctae nec convenienter dispositae“ [Brevis Consideratio, 1621, 298]). 301 „Primum enim & primarium controversiae punctum, a quo caetera dependent omnia, est definitio divinae praesentiae ... Ex diversa illa praesentiae definitione fluunt alia
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zogen traktiert, denn, ‚offen gesagt‘: „Bei diesem Problem wird mehr über Worte und Begrifflichkeiten als über die Sache selbst gestritten“!302 – Diese Verwirrung sucht Meisner aufzuklären, indem er die positionelle Differenz der Parteien zurückführt auf den offenbar nicht durchschauten oder in seiner Bedeutung verkannten Gebrauch eines doppelten Präsenzbegriffs: Die Tübinger verfechten das Konzept einer praesentia divina „stricte & philosophice sumta“, welches nur die – von jeder Tätigkeit unterschiedene – ‚Anwesenheit‘ beinhaltet (sola adessentia, distincta ab operatione).303 Demgegenüber stehen die Gießener für die praesentia divina „complete & sensu scripturae accepta“; hier sei nicht nur ‚Nähe‘ notiert, sondern immer auch eine bestimmte Tätigkeit mit umfaßt (non sola propinquitas, sed una pro diverso praesentiae modo certa quaedam operatio).304 Doch wollen die Gießener die philosophisch gefaßte Gegenwart als solche nicht bestreiten; die Tübinger andererseits konzedieren, daß die biblischen Aussagen von Gottes Gegenwart auch zugleich eine Tätigkeit ‚ausdrücken‘, welches Tun freilich durch die umstrittenen Termini der Präsenz selbst nur ‚kon-notiert‘, nicht aber direkt bezeichnet werde. Unbeschadet der terminologischen Differenzen „kommen sie also in der Sache überein“, nämlich in der Annahme, daß die biblischen Sätze von Gottes Welt-Gegenwart stets zwei Aussagen umfassen: Gott ist seinen Geschöpfen substantiell nah; er regiert diese Geschöpfe auf spezifische Weise.305 Der Streit betrifft die formale Zuordnung dieser beiden Momente im theologischen Begriff: bilden Nähe und Tun gleichrangig die beiden wesentlichen Elemente der ‚Gegenwart Gottes‘ (so die Gießener); oder konstituiert allein
problemata“ (Brevis Consideratio 298). – Das diese Dependenzen vermeintlich verkennende Tübinger 4 Quaestionen-Schema ersetzt Meisner durch diese Trias: I. „In quonam sita sit vera & plena praesentiae divinae apud creaturas ratio?“ (299–311, hier: 299); II. „Num sola personalis unio omnipraesentiae Christi secundum carnem, causa & fundamentum sit?“ (311–314, hier: 311); III. „Num Christus secundum carnem in statu exinanitionis omnipraesens fuerit?“ (314–335, hier: 314); diese dritte Quaestio noch einmal differenziert: III./I. „Num Christus secundum carnem in statu exinanitionis per indistantiam affuerit omnibus creaturis, licet eas plenarie non gubernarit?“ (315–322, hier: 315; von Meisner mit Tübingen bejaht); III./II. „An Christus secundum carnem in statu exinanitionis etiam gubernarit mundum?“ (322–335, hier: 322; von Meisner mit Gießen verneint). – Dieser Versuch einer via media zwischen Gießener ‚Defekt‘ und Tübinger ‚Exzeß‘ („Giessenses … in defectu, Tübingenses in excessu delinquere videntur“; 315) beruht aber letztlich auf einer gegenüber Tübingen und Gießen eigenen dritten christologischen Option Meisners; vgl. dazu eingehender D.IV.5. 302 „Verum tanta mihi non videtur haec controversia, quantam isti [Tubingenses] faciunt. Ut enim ingenue dicam, quid sentio: Litigatur in hoc problemate magis de verbis & terminis, quam de reipsa“ (Brevis Consideratio 299). – Die von Meisner als Exempel überzogener Tübinger Polemik getadelte Meinung, die Gießener These befördere ‚Calvinismus‘ und ‚Photinianismus‘ (299), ist allerdings ein ursprünglich von den Gießener Kollegen Winckelmann und Gisenius an Mentzer adressierter Vorwurf (vgl. o. B.I.3)! 303 Brevis Consideratio 299. 304 Brevis Consideratio 300. 305 „... Tubingenses non negant, quod, quum dicitur in scriptura: Ego vobiscum: Deus habitat in coelo & terra, &c. hisce dictis una exprimatur divina operatio; dicunt autem illam per verba praesentiae connotari, non denotari; consignificari, non designari ... Conveniunt ergo in realibus, nimirum quod dicta scripturae, quae agunt de divina ad creaturas praesentia, duo nobis in memoriam revocent, (1.) DEUM substantialiter creaturis propinquum esse. (2.) DEUM easdem certo modo gubernare“ (Brevis Consideratio 300).
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die Nähe das Wesen solcher Gegenwart, während die Tätigkeit nur deren – allerdings notwendige – Beifügung oder Folge sei (die Tübinger Sentenz)?306 – Die hochgespielte Differenz reduziert sich so nüchtern betrachtet auf die Alternative, ob die als solche unbestrittene operatio als essentiale constituens oder als essentiale consequens der göttlichen Gegenwart zu gelten habe, – eine ‚rein scholastische Frage‘, die keinesfalls den Skandal eines öffentlich ausgetragenen binnenkonfessionellen Streites rechtfertigt.307
3.2.2.5.2 Die damit auch von Meisner rezipierte308 Gießener Antithetik von philosophischem und biblischem Begriff der Gegenwart Gottes werden die Schwaben nicht akzeptieren. Doch kommt Meisners Marginalisierung der Differenz im Präsenzbegriff mit der Tübinger Sicht insofern partiell überein, als die Schwaben selbst von Anfang an die Frage der scholastica vocabuli omnipraesentiae definitio als im Vergleich zum christologischen Problem nur sekundäres Thema eingestuft haben.309 Diese Gewichtung wird auch da nicht widerrufen, wo sich Thumm, Osiander und Nicolai dann ihrerseits der von Mentzer wie Feurborn forcierten Diskussion jener Nebenfrage eingehender gestellt haben. Ihr Widerspruch gegen eine operative Definition der Gegenwart Gottes mußte aber eindeutig und unbeirrbar bleiben, weil mit der Antwort auf diese ‚Quaestio praeliminaris‘310 die Weichen für die christologische Applikation gestellt werden. Die Tübinger Begründung der omnipraesentia carnis Christi aus der ontologischen Struktur der unio personalis selbst verlangt die Bestimmung der Allgegenwart als Attribut Gottes, während Mentzers voluntative Begründung und Konditionierung voraussetzt, daß die göttliche ‚Gegenwart‘ an sich selbst operativ verfaßt ist. Dieser auf beiden Seiten insoweit funktionale Zusammenhang bedeutet jedoch nicht, daß die Differenz im Omnipräsenzbegriff ausschließlich Epiphänomen der christologischen Kontroverse wäre. Dies macht vor allem 306
„Hoc utrumque Gießenses vocant partes essentiales vel requisita essentialia omnipraesentia: Tübingenses contra dicunt, solam propinquitatem esse de essentia[...] omnipraesentiae, operationem esse tantum necessarium connexum vel consequens“ (Brevis Consideratio 300). 307 „Tota proinde quaestio mere Scholastica est, & agit de terminis modoque loquendi, nempe, Num divina operatio, quam utraque pars dictis scripturae, de praesentia loquentibus, involvi concedit, vocari debeat pars formalis divinae praesentiae, an ejusdem connexum; Brevißimis, Num appellari debeat essentiale constituens, an vero essentiale consequens? An hi ergo termini sunt tanti aestimandi, ut propterea publicum in Ecclesia certamen, cum tanto scandalo & adversariorum tripudio moveri debeat?“ (Brevis Consideratio 300). 308 Vgl. o. Anm. 199. – Meisners Position ist hier selbstwidersprüchlich, insofern er andererseits eine ‚bloße‘ omnipräsente Anwesenheit auch der entäußerten Menschheit Christi vertritt (o. Anm. 301); sie zu negieren verletze das ‚Prinzip‘ lutherischer Christologie (‚illud ipsum Extra-Calvinisticum‘; Brevis Consideratio 319): u. [F.] Anm. 61. 309 Acta Mentzeriana 74, vgl. o. C.II.1.2. 310 LC. OSIANDER, Justa Defensio, 1622; 1–71, hier: 1.
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die Debatte um die modale Erläuterung der praesentia specialis gratiosa resp. unio mystica deutlich, auf die hinsichtlich der Gießener Streitigkeiten an früherer Stelle schon einzugehen war.311 Diese Gegenwart Gottes ‚allein für die Frommen‘ (solis piis)312 von seiner allgemeinen Gegenwart in der Welt klar zu unterscheiden, ist ein zentrales Anliegen von Mentzers wie Feurborns Präsenzlehre; in der These einer der praesentia gratiosa – wie jedem gradus praesentiae – eigentümlichen ‚Nähe‘ Gottes (propinquitas substantialis peculiaris), die jeweils im Wege besonderer ‚Annäherung‘ der göttlichen Substanz (approximatio peculiaris divinae substantiae) konstituiert werde, findet es seinen pointierten Ausdruck; die Inkonsistenzen dieses Konzepts werden offen eingestanden – effari non possum, sed firmiter credo.313 Die einschlägigen Passagen in den Tübinger Streitschriften werden sich auf den Nachweis der sachlichen Unhaltbarkeit dieser ‚nova subtilitas‘ konzentrieren.314 Doch erschöpft sich die Gegenrede nicht in dieser Polemik. In der durch V. Weigel angestoßenen Auseinandersetzung über die unio mystica315 entwickeln die Tübinger vielmehr auf der Basis ihres eigenen Präsenzbegriffs eine Konzeption der unterschiedlichen Weltrelationen Gottes, die den von Gießen betonten ‚Vorsprung‘ des Daseins Gottes für die Glaubenden keineswegs relativieren oder gar negieren muß, sondern ihrerseits stringent zur Geltung bringen kann. Einschlägig ist hier v.a. die Auseinandersetzung mit Weigels Konzept einer ‚unio essentialis‘, die Thumms Impietas Wigeliana von 1622 vorträgt.316 Dieser ‚orthodoxe‘ Gegenentwurf (nostra pietas e Scriptura; 139) der fraglichen „communio nostri cum Christo“ 317 hat sein Fundament in einer Differenzierung der Weltrelationen Gottes, die in der Sache das tradierte Modell der gradus praesentiae nun unter der alternativen Leitkategorie der communio reformuliert,318 indem sie unterscheidet: (1.) Gottes ‚communio generalis‘,
311
Vgl. o. B.IV.2; auch B.IV.3. „solis piis, non commune reliquis hominibus & aliis creaturis“: Mentzer; zitiert Brevis Consideratio 343; vgl. o. B.IV.3.3. 313 Vgl. o. B.IV.3(.3). 314 Vgl., pars pro toto, THUMM , Ταπεινωσιγραφια 1623, 180–187. 315 Vgl. o. B.IV.2.3. 316 T HUMM, Impietas Wigeliana, 1622, bes. 149–157. Unter Verweis auf O. R ITSCHL, 1927, nur notiert von MAHLMANN, 1996, 117; gründlicher: NÜSSEL 2000, 267–278. 317 So in Aufnahme der Themenformulierung F. Balduins, der in seiner Disputation von 1618 das Thema erstmals zu einem eigenen Lehrstück ausarbeitet (vgl. o. [B.] Anm. 263). Balduins Darlegungen ist Thumm auch sonst – oft wörtlich – verpflichtet. 318 Daß diese Systematisierung unter der Kategorie der ‚communio‘ in „Arndts Spur“ geschieht, wie MAHLMANN meint (1996, 100), scheint nicht nur angesichts der parallelen Attacke gegen Arndt durch Thumms Kollegen Lc. Osiander fraglich (Theologisches Bedencken, 1623; dazu MAHLMANN 1996, 162; J.A. STEIGER, 2007, 263–291). Schon das dominierende Stichwort ‚communio‘ – nicht wie bei Arndt: unio – deutet auf Balduin (so zu Recht MAHLMANN selbst, 1996, 117 bei u. mit Anm. 73). Der schon in der identischen Themenformulierung – „in C OMMUNIONE CUM CHRISTO ...“ (1622, 139; vgl. B ALDUIN, o. 312
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kraft deren er sich allen Geschöpfen ‚mitteilt‘ und Himmel und Erde erfüllt;319 (2.) Gottes ‚communio specialis‘, die den Gläubigen widerfährt; über die Erhaltung und Leitung kraft der communio generalis hinaus wird diesen die ‚Einwohnung‘ Gottes zuteil;320 schließlich (3.) die einzigartige ‚communio singularis‘ der inkarnatorischen Zuwendung Gottes in der Annahme allein der Menschheit Christi.321 Diese ihre Vorlage tiefgreifend modifizierende Relektüre des melanchthonischen Aufrisses, die mit dem Wechsel zur Leitkategorie ‚communio‘ der Sache nach im Blick auf die unio mystica wiederholt, was einst J. Brenz zur Ausgrenzung der unio personalis unternommen hatte,322 erweist sich von erheblicher systematischer Kraft. Denn sie erlaubt es, den Tübinger Begriff der einen und invarianten ‚Gegenwart‘ Gottes festzuhalten und dennoch konsistent auszusagen, was das Spezifikum der traditionell mit dem Terminus ‚praesentia gratiosa‘ benannten, unstreitig besonderen Gottesrelation der Gläubigen gegenüber dem allgemeinem Weltverhältnis Gottes sei. Dazu bedarf es nicht des aporetischen Konzepts einer qua besonderer ‚Annäherung‘ neu konstituierten speziellen ‚Nähe‘ der göttlichen Substanz, das unter den Voraussetzungen der tradierten Gotteslehre, die auch bei den Gießenern unbestritten bleiben, nicht konsistent expliziert werden kann.323 Dieses ‚Plus‘ besteht aber, anders als die Gießener Kritik des schwäbischen Präsenzbegriffs unterstellt, auch nicht lediglich in einem besonderen Tun (operatio, actio resp. affectio) des allen Geschöpfen identisch ge-
[B.] Anm. 263) anklingende Bezug auf Balduin ist angesichts der – zwar anonymen, aber durch Kursivierung deutlich gemachten – Zitate zentraler Bestimmungen evident, vgl. nur Thumms „DEFINITIO Generalis“: „COMMUNIO NOSTRI CUM Christo est arctissima conjunctio cum ipso, & T OTA adoranda Triunitate inclusive, per Verbum & Sacramenta, ut NOS vivificae suae virtutis redditi participes, idonei simus ad inserviendum Deo & proximo, ad superanda pericula, & extinguenda tela nequissimi ...“ (Impietas Wigeliana, 1622, 140; Kursivierung Th.) mit Balduins „Generalis descriptio communionis nostrae cum Christo“: „Est igitur communio nostri cum Christo, arctissima cum ipso & tota Sacrosancta Trinitate coniunctio, facta per verbum & Sacramenta, ut nos vivificae suae virtutis redditi participes organa eius simus & vasa gratiae, idonei ad inserviendum Deo & proximo, ad superanda pericula, & extinguenda tela nequissimi“ (BALDUIN, 1618, Th. 8; zitiert auch MAHLMANN, 1996, 128; vgl. dort weiter 128–135. 139). Entsprechend die Definition der communio spiritualis im engeren Sinn: THUMM, 1622, 145f = B ALDUIN, 1618, Th. 30 (vgl. M AHLMANN, 1996, 130). 319 „Communio est enim vel Generalis, qua Deus se omnibus creaturis communicare, & coelum ac terram implere dicitur, Jerem. 23. v.24“ (Impietas Wigeliana, 1622, 139). 320 „... vel [communio] specialis, qua Deus non tantum sanctos conservat & gubernat, ut in Generali, sed etiam in ipsis inhabitat, & tanquam organis potentiae suae utitur, ut absque Christo nihil possint facere, Johan.15.v.5 neque Christus absque ipsorum | ministerio facile aliquid velit“ (Impietas Wigeliana, 1622, 139|f). – Diese communio specialis, das eigentliche Thema des Abschnitts, gliedert sich dann näherhin in die communio spiritualis, die durch Wort und Sakrament, die der Glaube empfängt, vermittelte Verbindung mit Christus einerseits, die communio Sacramentalis – die Verbindung mit Christus speziell durch den Empfang des Abendmahls – andererseits (142–143; mit der Ausführung 145–147 [com. spiritualis] und 147f [com. Sacramentalis]). 321 „... vel [communio] singularis, κοινωνια μονοτροπος και εξαιρετος, qua verbum caro factum est Joan. 1.v.14. & participavit carnem & sanguinem, quemadmodum τα παιδια κεκοινωκηκε Hebr. 2.14“ (T HUMM , Impietas Wigeliana, 1622, 140). 322 Vgl. u. D.IV.1.3. 323 Vgl. o. B.IV.3.
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genwärtigen Gottes, sofern darunter nur eine kausale Einwirkung verstanden wird. Die gegen eine solche Interpretation allerdings nicht gesicherte lutherisch traditionelle Lösung, wie sie etwa die Erstfassung der Gerhard’schen Loci von 1610 vorträgt, 324 kann jetzt dahin erweitert (korrigiert?) werden, daß klargestellt wird: Die seine besondere Relation zu den Gläubigen konstituierende ‚Tätigkeit‘ Gottes ist nicht lediglich kausale Einwirkung, sondern ist in einem strikten Sinne ‚Gemeinschaft‘ (communio) und ‚Mitteilung‘ (communicatio). Sie meint das ‚Sich-Geben‘ und die Selbst-Investition Gottes in die Welt,325 der den Geschöpfen am eigenen Sein Anteil gibt und an deren Geschick Anteil nimmt – eine im Fall der communio specialis (unio mystica) so innige Vermittlung, daß sie in der christologischen Unio und Kommunikation von Gott und Mensch nicht nur ihr Analogon hat, sondern in dieser gründet und sie gleichsam soteriologisch ‚erweitert‘, ohne doch die kategoriale Differenz aufzuheben.326 Das mittels der Termini ‚Präsenz‘, ‚Einwohnung‘ und ‚Verbindung‘ Sagbare ist damit noch einmal überboten und zur eindeutigen Aussage der Gottesgemeinschaft als vorbehaltloser Liebesgemeinschaft gesteigert: „Certum amoris signum est conjunctio, certius communicatio. ... Multi cohabitant, sed sua non communicant. At vero Dei filius non tantum habitat in nobis, sed simul omnia sua communicat. O amorem vere singularem & sine modo!“327
Ein eigenständiges soteriologisches Profil gewinnt die Tübinger Position nicht erst mit dem Rekurs auf die Leitkategorie der communio, sondern bereits dadurch, daß sie die gnädige Gegenwart Gottes in Christus fundamental schon in der Ontologie der Person Christi, dem Vollzug der unio personalis selbst begründet sieht.328 Diese Gegenwart wird mithin nicht allererst 324
Vgl. o. B.II.2.2. – Vgl. auch die in dieser Hinsicht gegenüber Thumms Darlegungen ungeschützteren Formulierungen Lc. Osianders: die ‚praesentia specialis‘ sei ‚nichts anderes‘ als nur ein spezielles ‚Tun‘ des ‚schon vorher‘ anwesenden Gottes; o. Anm. 295. 325 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Luthers Auslegung des (trinitarischen) Seins Gottes als dessen dreifaches ‚Geben‘ – „der sich vns allen selbs gantz vnd gar gegeben hat / mit allem das er ist vnd hat ...“: Vom Abendmahl Christi, Bekenntnis, 1528, StA 4, 251,22–252,5 (Zitat: 251,22f). 326 „Nam quod ex unione personali humanae naturae cum λογω necessario sequitur, | idem etiam SUO MODO, κατα τυπον και αναλογιαν , ex Unione nostri cum Christo profluit, ita tamen, ut Christus in omnibus primas teneat“ (Impietas Wigeliana, 1622, 146|f). – Dieses Bedingungsverhältnis wird dann im Durchgang durch die 4 (zu dieser Zählung vgl. u. D.I.; E.II.) Genera der Idiomenkommunikation entfaltet: „Quemadmodum autem I. Filius hominis in consortium divinae naturae per Unionem hypostaticam devenit ... ita nos per fidem sumus κοινωνοι, consortes divinae naturae, 2. Pet.1.v.4. ... II. Sicut ο λογος omnes infirmitates & injurias assumptae carnis sibi appropriavit ... ita etiam patiente Christiano patitur ipse Christus ... III. Sicut ο λογος in omnibus operatur per suam carnem, ita etiam operatur per fideles suos ... IV. Sicut ο λογος carni assumptae divina plane communicavit idiomata ... ita etiam fidelibus suo modo ...“ (T HUMM, Impietas Wigeliana, 1622, 147). 327 So eindrücklich B. MEISNER in seiner zeitlich parallelen Bearbeitung des Themas: De Christiano Oratio, [5. Nov.] 1622, 58. – Dazu J. B AUR, 1968, 81–86; SPARN, 1973, 484–502; (gekürzt:) DERS., 1976, 180–187; vgl. auch DERS., 1992, 59–61. 328 Dies hat erstmals F. NÜSSEL eingehender herausgearbeitet: 2000, 267–278. 290– 294. – Vgl. insgesamt ihre Analysen der alternativen modalen Explikationen der Vereinigung mit Christus: 252–256 (Feurborn); 256–267 (Arndt); 276–278 (Thumm).
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durch einen neuen Willensakt und eine neue Tat des Logos konstituiert (Feurborns approximatio-These). Dies führt weiter zu einer spezifischen Zuordnung von Christusgemeinschaft und Glauben, die dann eine eigentümliche Akzentuierung der Rechtfertigungslehre einschließt.329 3.2.3 Kein ‚Winkel-Gott‘ – Die christologische Applikation 3.2.3.1 Die theo-logische Klärung des Ausdrucks praesentia divina präjudiziert den Ansatz des christologischen Diskurses. – Meint Gottes Allgegenwart seine adessentia, gegründet ausschließlich in der Unermeßlichkeit des göttlichen Wesens und so eine allem Handeln Gottes stets vorlaufende und diesem ‚konkurrierende‘ Bestimmung, dann läßt sich die Partizipation der Menschheit Christi an dieser Prärogative (communicata omnipraesentia) nicht wie von Mentzer verfochten im Rekurs auf das Handeln Christi und das dieses regulierende Prinzip der freien Willenssetzung Gottes (liberrima voluntas) entwickeln. Diese methodischen Implikationen des 1619 vorgetragenen Begriffs der Gegenwart Gottes stellen spätere Texte Osianders auch explizit heraus. Die allerdings als Tun bestimmte, in der göttlichen Allmacht begründete und willensregulierte praesentia specialis330 kann tatsächlich nur aufgrund des – als Gericht oder Gnade näherbestimmten – Effekts dieses Tuns erkannt werden (cognosci ab Effectu & a posteriori). Für sie – aber nur für sie – gilt, was Mentzer für die Rede von Gottes Gegenwart überhaupt einfordert: Ihre Behauptung ist strikt auf das Widerfahrnis dieses kontingenten Tuns Gottes auszurichten; ein deduktives Argument aufgrund ihres Wesens und der Beschaffenheit ihres Grundes (cognosci a priori) ist hingegen ausgeschlossen.331 Gerade dies benennt den Unterschied zur praesentia universalis, für die solche deduktiven Argumente möglich und zwingend sind. Vorgängig zu, ja völlig unabhängig von jeder Erfahrung göttlichen Handelns schließt der Glaube von der Unendlichkeit Gottes auf dessen Allgegenwart – der seinem Wesen nach unendliche Gott kann nicht als nicht anwesend gedacht werden.332
329 Zu diesen Zusammenhängen, die hier nur notiert werden können, vgl. eingehender NÜSSEL 2000, 276–278; vgl. auch S PARN, 1992, 59. 330 Vgl. o. (C.II.) 3.2.2.3.. 331 „Specialis quandoquidem Praesentia a priori cognosci non potest; tantum autem ab Effectu, & a posteriori ceu no|tiore cognoscitur: ideoque etiam a priore, ad illam argumentando, pervenire non possumus. Utrum enim Deus, per gratiam, per gloriam, an per Justitiam, &c. nobis adsit, id nullo alio argumento, quam a posteriori deducto, assequi possumus“; „Cognitio ab Actione, & ita a posteriori“ (Justa Defensio 1622, 17|f; 40). 332 „At longe alia est Ratio in universali divinae Essentiae Adessentia: quam rectissime a priori concludere possumus, ut quae ab Infinitate & Immensitate divinae Essentiae dependet. Ideoque, sive videam aliquam divinam Operationem sive non videam, quam primum Dei Essentiam infinitam, immensam, incircumscriptam, nusquam inclusam, nusquam exclusam credo: non possum non ad substantialis propinquitatis & omnipraesentiae ad creaturas, Conclusionem perduci. Cognitio ergo huius est a priore“ (Justa Defensio 18); „Cognitio est a priore & ex seipsa, ex Immensitate Essentiae“ (ibd. 40).
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3.2.3.2 Dieser zunächst im theo-logischen Kontext entwickelten Differenzierung entspricht in christologischer Hinsicht die Orientierung an der ontologischen Struktur der Person Christi, der Synthese der Naturen von Gott und Mensch in hypostatischer Identität mit der Folge einer Kommunikation der jeweiligen Eigenschaften. Osiander wiederholt der Sache nach die zentrale These des Fakultätsschreibens an Mentzer: „Primum autem Principale, Proprium, proprinquissimum & adaequatum, divinae Hominis Christi Omnipraesentiae Fundamentum esse dicimus, ipsam Personalem duarum in Christo Naturarum Unionem“ (23/8f). Dieser notwendige Konnex von Unio und Ubiquität ergibt sich (24/9–45/18): (1.) ex voce seu Nominis [sc. Unionis] Notatione (24/9); (2.) ex natura Unibilium (25/9f–26/10); (3.) ab Unionis personalis Termino (27/10f–28/11); (4.) ex Unionis Personalis Constituto (29/11); (5.) aus der περιχωρησις Naturarum mutua (30f/12); (6.) aus den biblischen und orthodox-kirchlichen Beschreibungen der unio personalis (32/12–34/13); (7.) aus den absurden Konsequenzen, die eine (auch nur befristete) Aufhebung der omnipraesentia carnis für die unter (1.)–(6.) genannten Konstitutionsbedingungen der unio personalis implizierte (35/13–45/18).
Die unter (3.), (5.) und (6.) notierten Gründe kommen sachlich mit dem bereits im Schreiben vom 1.9.1619 Dargelegten überein. Noch einmal eigene Akzente setzen die Argumente (1.), (2.), (4.) und (7.). Ad (1.): Das Argument aus der konventionellen Verwendung des Ausdrucks ‚Unio‘ (ex voce seu Nominis [sc. Unionis] Notatione) macht geltend, daß die Rede von einer Vereinigung (unio) zweier Dinge deren Einandergegenwärtigsein (adessentia) notwendig voraussetzt (24/9). Je vorbehaltloser die Vereinigung ist, desto strikter sind Unio und räumliche Trennung (Absentia; localis separatio; Distantia) alternativ (opposita). Die christologische Synthese – ja nicht ‚irgendeine‘, sondern schlechthin die ontologische Höchstform einer Vereinigung (perfectissima & nobilissima Unio) – konstituiert daher eine unüberbietbare Kopräsenz des Vereinigten (singularis arctissimaque Adessentia), die nur um den Preis einer Aufhebung dieser Unio selbst negiert werden könnte.333 Ad (2.): ex natura Unibilium: Dieselbe Konsequenz ergibt sich aus der spezifischen Beschaffenheit (natura) der vereinigten Größen. Die göttliche Natur des Logos ist, da in-
333
„... Quorum [sc. argumentorum, U.W.] primum ex voce seu Nominis Notatione [Unionis nimirum] desumitur: quae non qualemcunque, sed ut perfectissimam & nobilissimam Unionem: ita non nisi singularem acrtissimamque designare potest Adessentiam. Isthaec namque Unio, omni (quomodocunque dictae) duarum in Christo Naturarum Absentiae, earumve locali Separationi quam directissime & eum in modum opposita est, ut quam primum Absentiae naturarum a se invicem datur locus; statim Solutio ipsius Personalis inducatur Unionis. Unde e contrario consequitur; ut ubi ubi sit & subsistat ο λογος, ibi necessario unitam sibi humanam suam naturam; habeat quoque praesentissimam. Aliter; Unio haec Personalis, non amplius Unio, sed Separatio & Distantia dicenda fuerit: quod asseri citra blasphemam hujus Mysterij profanationem non potest“ (24/9).
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finita, spiritualis, nullis dimensionibus determinabilis, Quantitatis omnis expers, ohne jede Teilung oder Diffusion an jedem Ort ganz, als sie selbst gegenwärtig (25/9). Die Inkarnation kann darum kein Geschehen sein, das nur einen Teil (particula) des so bestimmten Logos beträfe: „TOTUS λογος est incarnatus“ (25/10). Diese Totalität der Neubestimmung wäre hintergangen, sobald im faktischen Rückgriff auf das vergangene Prae der Inkarnation ein Logos asarkos gedacht würde. Von einer Gegenwart des Logos ensarkos aber kann allein unter Voraussetzung einer Mit-Präsenz der Sarx die Rede sein: „Ubi ubi igitur λογος est ενσαρκος, ibi sine carne sua ne cogitari quidem debet ...“.334 Ad (4): Mit der unhintergehbaren Definität der inkarnatorischen Neubestimmung arbeitet auch das Argument ex Unionis personalis Constituto (28/11). Die Person des logos synthetos besteht per definitionem aus beiden vereinigten Naturen. Diese Synthese löst aber auf, wer – negata Omnipraesentia Carnis Christi – eine Präsenz des Gottmenschen nach beiden Naturen auf den Ort essentiell-definiter Gegenwart der natura humana beschränkt, überall sonst aber nur die Gegenwart des logos nudus & asarkos, damit nur eines der ‚Teile‘ des constitutum unionis anerkennen will (29/11). Ad (7): Analog konvergieren schließlich auch Osianders Analysen der aus der Gegenthese folgenden ‚Absurditäten‘ (35/13–45/18) in der Überlegung: Die Definität und Totalität der Neubestimmung von Gott und Mensch – dafür steht die Abbreviatur unio personalis – sind nur da konsequent gedacht, wo die Gegenwart der hier ‚synthetisierten‘ Person als Kopräsenz beider Naturen entfaltet, darum die kontinuierliche Partizipation der Menschheit an der Allgegenwart des Logos angenommen wird. Nur so ist auch die Neubestimmung Gottes, die der Name ‚Christus‘ indiziert, als ein Geschehen aussagbar, dessen Bedeutung die Welt umgreift. Hingegen denkt die Gegenthese einen Christus, der nur an einem Ort – in uno, eoque angustissimo totius universi quodam angulo – wahrhaft als ‚ganzer‘ Christus nach beiden Naturen, ansonsten aber nur als ‚geteilter‘ Christus anwesend ist.335 Dieser Christus aber wäre – ein „Winkel-Gott“ (angularis Deus)!336
334
25/10. – Dem Erfordernis beständiger Kopräsenz steht auch die wesentliche Begrenztheit der Menschheit Christi – Christi quasi pars altera constitutiva – nicht entgegen. Ihre Subsistenz in der unendlichen Logos-Hypostase darf nicht quantifizierend gedacht werden; als ganze subsistiert sie im ganzen Logos, woraus wiederum die beständige Kopräsenz der Vereinigten notwendig folgt: „Iterum igitur, ubicunque λογος totus (ut omnino totus) ibi quoque carnem, quae in Toto hoc est λογω, cum eodem λογω revera quam praesentissimam esse, necessario consequitur“ (26/10). 335 „Christus non nisi in uno, eoque angustissimo totius universo quodam angulo tantum vere CHRISTUS (qui post Incarnationem non est aliud, quam duae vel ambae suae Naturae in una Persona), & TOTUS quidem CHRISTUS, in caeteris vero locis omnibus, divisus Christus, dici merebitur“ (40/16 [Nr. V]). 336 „Christus ambabus naturis ... rebus omnibus, in coelo ac terra praesentissimus adest; nisi quis prodigiosa absurditate incarnationem omnem negare, Regnum Christi tollere, ex Christo angularem Deum constituere“: T HUMM, Disputatio Inauguralis 1618, 64/ 47 = DERS., Exegesis Primi Capitis Matthaei, 1619a, 90; offenkundig erneut in – anonymer – Aufnahme von Gedanken und Formulierungen aus Wegelins Disputation von 1608 (vgl. o. [C.II.] 2.5.3/4): „Hac stante sententia [die calvinistische Beschränkung der Gegenwart der Menschheit auf je den Ort von deren essentieller Präsenz], regnum Christi consistere non potest, multo minus durare in aeternum. Ad hoc enim regnum praesens requiritur dominium, ex Psal. 110. [v.2; cf ibd. 94/25] quod capessere non potest angularis DEVS vel Christus, qualis est Calvinisticus“ (WEGELIN, 1608, 95/25).
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3.2.3.3 Den Ertrag dieser ‚völlig evidenten‘ Argumente337: Unionem Personalem sine Omnipraesentia Universali Stare nequaquam posse (46/18) wendet Osiander in einem Exkurs eigens gegen die (Gießener) ‚Abweichler‘ (Dissentientes):338 Anders als die calvinistischen Kontrahenten bestreiten ‚gewisse Leute‘ (quidam) zwar nicht überhaupt die Omnipraesentia carnis, wollen diese als aktuale jedoch auf den Stand der Erhöhung beschränkt wissen. Doch auch diese limitierte Restriktion verletzt den notwendigen Zusammenhang von Unio und Ubiquität.339 Das Tübinger Contra nimmt nur eine zusätzliche Annahme in Anspruch, die als solche unbestritten ist: „Unio ... Personalis, non minus340 in Exinanitionis, quam in Exaltationis statu, vera, perfecta, integra & absolutissima fuit & mansit Unio“.341 Einmal konstituiert besteht die christologische Vereinigung in invarianter Stetigkeit und ist insoweit ‚gleich-gültig‘ gegenüber der Zäsur der Stände. Was als notwendiges Implikat dieser Unio erwiesen ist, partizipiert an dieser Beständigkeit seines Grundes.342 Diese Folgerung zu verweigern, führte hinsichtlich des Status Exinanitionis auf ein ruinöses Trilemma: faktische Leugnung der unio personalis; deren Neufassung gegen die Vorgaben von Schrift und theologischer Tradition; mindestens aber die Verdunkelung des orthodoxen Begriffs der Personeinheit.343 Ungeachtet der polemischen Diktion sieht Osiander doch zutreffend, daß mit der Frage des Konnexes von Personeinheit und Ubiquität der Begriff der unio personalis selbst zum Thema wird. Die rasche Ausweitung der Debatte zu einer Kontroverse über die christologischen Grundbegriffe trägt dieser Korrelation Rechnung. Dieser Kern des Streites klingt 337
„firmissima & evidentissima ... Argumenta“ (23/8f, hier: 8). Vgl. o. [C.II.] 3.2.1. 339 „Et hucusque recitatis Argumentis Quaestio quoque illa dissolvitur quorundam, qui Omnipraesentiam Christi hominis, praeterito & excluso Exinanitionis Statu, ad solum Exaltationis statum referendam, parum certe circumspecte, contendunt“ (46/18). – „Quaeritur etiam a quibusdam Effugium quoddam, quo elabi se posse sperant, quo minus Omnipraesentiam Christi hominis (licet in statu Exaltationis eam non negent) tempore durantis Exinanitionis status, concedere cogantur“ (Appendix, 1620a, 44/22). 340 So ist statt des offenkundigen Druckversehens unius zu lesen. 341 46/18. – Vgl. auch: „... Omnipraesentia[...] hominis Christi, quae, cum Unioni hypostaticae, tanquam primo, immediato & adaequato fundamento innitatur, non potest non a primo statim Conceptionis puncto, statui, nisi Unionis aliquam Imperfectionem concedere aliquis voluerit“ (Appendix, 1620a, 46/23). 342 „Qualis enim est Unionis Perfectio, talis quoque est Communicationis Perfectio; negata autem Unionis Perfectione, necesse est omnia quaecunque ad eam consequuntur, non minus esse imperfecta; quandoquidem causa, cum Effectu concordare debet“ (Appendix, 1620a, 47/24). 343 „… in Exinanitionis statu, aut Unionem Personalem prorsus negandam, aut aliam Unionem, S. Scripturae & Ecclesiae Dei hucusque ignotam, ipsis confingendam, aut doctrinam de Unione Personali Orthodoxam, multis in partibus, inflectendam, detorquendam, obtenebrendam: aut vi Unionis Personalis indissolubilis, nobiscum Omnipraesentiam Carnis Christi, cum λογω personaliter unitae, concedendam esse“ (46/18). 338
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im Dezember 1619 zumindest an, wenn Osiander die ruinöse Konsequenz benennt, die Mentzers These für die kontroverstheologische Auseinandersetzung zeitigt. Unter Voraussetzung der Gießener Restriktion wird es schlicht unmöglich, die reformierte Bestreitung jeder Omnipräsenz der Menschheit Christi mit Argumenten „ex unione personali“ zu kontern (47/18f). Hatte die christologische Vereinigung auch nur einmal Bestand ohne die ‚mutua Naturarum Adessentia‘, – warum dann nicht auch ‚heute‘, im Status exaltationis?344 Der Begriff der unio personalis verliert seine orientierende Leitfunktion; über das Sein Jesu Christi ist dann von anderen Instanzen her zu entscheiden. Die faktische Aufspaltung der ‚una & invariata Unionis Personalis Definitio‘ in zwei statusrelative Bestimmungen ist ‚nicht ohne Gefahr‘, ihr ‚janus-köpfiger‘ Christus öffnet das Tor für weitere Irrtümer – „Principiis ... obstandum“! 345
3.2.3.4 Seine systematischen Einwände ergänzt Osiander durch biblische Aussagen, die eine gottgleiche Gegenwart der Menschheit Christi (divina & supernaturalis, ad plura loca se extendens hominis Christi praesentia) auch im Stand der Entäußerung belegen (49/19–56/24f). Zu diesen Zeugnissen für eine Multipraesentia gehören Joh 3,13 (est!), Mt 18,20; 28,20 (sum!), ebenso auch die Einsetzung des Abendmahls; hier war der „naturaliter certo loco“ zu Tisch sitzende Christus doch zugleich „in ore quoque singulorum Apostolorum vere & realiter“ gegenwärtig (50/21). Diesen Belegen würde Mentzer nicht widersprechen, jedoch solche Multipräsenz als die je in einem besonderen Willensentscheid (liberrima voluntas) Christi gründende Erfüllung konkreter Verheißungen (promissio) erklären – eine partikulare und transitorische 344 „... quomodo ex | Unione Personali Calvinianos refutare velint amplius, diligentius expenderent, vellemus. Si enim semel Unio po[t]uit stare sine mutua & vera Naturarum Adessentia: quomodo non aeque hodie etiam stare possit illa in Statu Exaltationis salva & incolumis, si maxime λογος in coelo & in terris simul, homo vero a terris longissime absens ab Calvinianis fingatur?“ ((47/18|f). – Osiander rührt also hier an jenes zentrale Argument der reformierten Polemik, das, wie gesehen, eine genau konträre Rolle auch für die Ausbildung von Mentzers Konzeption spielt – den ‚noch nicht gelösten Syllogismus Olevians‘: Während Mentzer die Voraussetzung des reformierten Arguments (Beschränkung der omnipraesentia carnis auf den Status exaltationis) teilt und dann dem Einwand durch Rekurs auf die ‚interne‘ praesentia personalis der Naturen füreinander begegnet, die unabhängig vom zeitweilig inkongruenten Weltverhältnis die Personeinheit konstant verbürge, akzeptiert Osiander die Logik des Einwandes und wendet diesen in ein Argument für die Tübinger These – ein Konnex von Unio und Ubiquität läßt sich konsistent tatsächlich nur als ein kontinuierlicher, die Statusdifferenz übergreifender behaupten. – Vgl. o. C.II.2.4.3–5; u. C.IV.2.5. 345 „Res quoque periculo non caret, quando alia … fingenda nobis erit Personalis Unionis in Exinanitionis, alia in Exaltationis Statu, Definitio: per quam Unio in Exaltationis Statu per Carnis in & cum λογω apud Creaturas Adessentiam; in Exinanitionis vero Statu, per ejusdem ab jisdem Distantiam & Absentiam describenda fuerit. Nos autem non plures, sed Unam tantum Unionis Personalis habemus Definitionem. Quod si vero hanc Unionem, aliam atque aliam fingere licitum fuerit; an non januam plurimis, jisque gravissimis Personam Christi concernentibus Erroribus apertum iri, manifestum est? Principijs igitur obstandum: Una quoque & ea invariata veraque Unionis Personalis retinenda potius est Definitio“ (48/19).
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Aktualisierung des mit der unio personalis allerdings gesetzten ‚Potentials‘, die aber keinesfalls zu einer kontinuierlichen Bestimmung des Status exinanitionis generalisiert werden dürfe. Osiander fragt darum weiter: Was ist der Konstitutionsgrund dieser beiderseits konzedierten Multipräsenz (Multipraesentiae causa; 50/21)? Der isolierte Verweis auf die Willenskundgabe Christi, wie ihn Mentzer vorträgt,346 greift zu kurz. Die Verheißung vermag ihren Inhalt nicht durch sich selbst begründen – „Sola ... Promissio primo hanc [Multipraesentiam] non absoluit“ (50/21)! Sie ist zu transzendieren, hin auf den Grund, der das Verheißene ins Dasein zu bringen vermag. Dieses Vermögen bildet nicht die göttliche Allmacht, wie in Mentzers Linie zu denken wäre. Dieser voluntaristischen Konstruktion gegenüber hält Osiander die Spur seiner ontologisch ansetzenden Argumentation, wenn er diese Begründungsfunktion der unio personalis und der damit gesetzten Partizipation der Menschheit an der göttlichen Allgegenwart zuweist. Die allerdings besondere Gegenwart Christi (praesentia specialis), von der die Verheißung spricht, weist auf die allgemeine Omnipräsenz (praesentia universalis) als auf die ihr vorausliegende Möglichkeitsbedingung zurück; denn, strikt gesprochen, ist jene sog. praesentia specialis nur der Eintritt einer spezifischen Tätigkeit des ‚schon vorher‘ universal Anwesenden. Diese im theo-logischen Zusammenhang vorgetragene Verhältnisbestimmung 347 findet nun ihre christologische Reformulierung: „in speciali Praesentia, ea quae ex Unione Personali est Universalis, semper praesupponitur Omnipraesentia“ (50/21). Begründen läßt sich eine ‚spezielle Gegenwart‘ der Menschheit Christi im Stand der Entäußerung nur im Rekurs auf die ihr konstitutiv vorausliegende universelle Allgegenwart; insofern letztere ihrerseits in der unio personalis ihr direktes Fundament hat, besteht sie kontinuierlich für den gesamten Stand der Entäußerung. 348
3.2.3.5 Auch das Schrift-Argument aus der multipraesentia des Entäußerten führt so auf die von Mentzer bestrittene Koppelung von Unio und Ubiquität. Stärker an der Axiomatik des Kontrahenten orientiert scheint Osianders weitere Überlegung, die an Mentzers These einer stetigen Verknüpfung von Gegenwart und Tun Gottes ansetzt: „Operationem divi|nam non sine substantiali Praesentia intelligi debere“ (51/21|f). Nun hat aber Christus im Stand der Entäußerung auch an Orten, denen er lokal (naturali Praesentia) nicht gegenwärtig war, göttliche Taten gewirkt, nicht in manifester Glorie, sondern auf verborgene Weise.349 Von diesem Tun kann seine 346
Vgl. o. B.III.3. Vgl. o. [C.II.] 3.2.2.3. 348 „Quod si vero Multipraesentia, etiam in Statu Exinanitionis habuit locum: Causa quoque illius Multipraesentiae, quae est eiusmodi Unio Naturarum, ut nullo loco a se invicem ullove modo, abesse possint, locum habere debet. Sola enim Promissio primo hanc non absoluit; sed Unio Personalis, Hypostaseos Unitas, & Omnipraesentiae inde necessario Consequens Communio, primo hominem Christum, omnibus Creaturis sistit praesentem ...“ (50/21). 349 „Subsumimus autem: Christum hominem, in Exinanitionis quoque Statu, operatum ijs in locis fuisse, quibus tamen naturali Praesentia absens tum temporis fuerat ... Intelligimus autem hoc loco Operationem, non modo glorioso, Majestatico, & Creaturis conspicuo aut manifesto, sed modo tali factam, qui Exinanitioni conveniebat: id est occulto, neque coram Creaturis manifesto“ (51/21f, hier: 22). – Zum Gedanken der ‚Krypsis‘ (modo occulto) des Gebrauchs (operatio) der Majestät vgl. schon o. [C.II.] 3.1.3.2–3. 347
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Menschheit nicht ausgeschlossen werden. Denn soll die faktische ‚nestorianische‘ Einführung zweier personae operantes (52/22) vermieden werden, gilt vom ersten Augenblick der unio personalis an: „ο λογος non nisi in carne, cum carne, & per suam carnem suam cuncta fuit operatus“ (52/22). Gerade aus dem Axiom der Gießener folgt so notwendig, was diese vehement bestreiten: eine über die natürlich-lokale Präsenz hinausgehende Gegenwart (substantialis Adessentia) der kooperierenden Menschheit Christi auch im Stand der Entäußerung.350 Den Obersatz des von Osiander präsentierten Syllogismus müssen die Gießener akzeptieren; strittig ist, was die Minorproposition behauptet: „ο λογος per carnem cuncta fuit operatus“. Mentzer konzediert eine besondere Wundertätigkeit des Entäußerten samt einer korrespondierenden praesentia specialis, nicht jedoch die Teilhabe der entäußerten natura humana an schlechthin allen Tätigkeiten (cuncta) des Logos. Sein Tübinger Kontrahent beruft sich für diese Teilhabe der Menschheit Christi an der universalis operatio des Logos auf das Selbstzeugnis Christi in Joh 5,17: „Pater meus usque modo operatur, et ego operor“. Dieses ‚ego‘ schließt die natura humana ein; der Satz behauptet damit auch den Christus homo (exinanitus) als das Subjekt des universalen Gotteshandelns, das der Logos in trinitarischer Gemeinschaft ausübt (53/22f). – Mentzer wird auch diesen Text allein auf die spezielle Wundertätigkeit Christi beziehen. Mit der damit eröffneten Auseinandersetzung über die operatio universalis erhält die zunächst auf die omnipraesentia carnis zentrierte Debatte ihren zweiten Schwerpunkt. 351
3.2.3.6 Bemerkenswert ist schließlich, daß die Erfordernisse des Heilswerkes Christi, mit denen Mentzer die Restriktionen des Standes der Entäußerung begründet,352 von Osiander genau gegenläufig für die These einer uneingeschränkten Partizipation auch des entäußerten Christus homo am Tun Gottes beansprucht werden. Gerade die Eigenart dieser „Operationes, ... quae ad proprium CHRISTI TOTIUS spectant Officium“ (56/24), erfordert die vorbehaltlose Teilhabe der Menschheit Christi an der Majestät. Nur so können die ‚operationes omnium difficillimae & gravissimae‘ des satisfaktorischen Heilserwerbs vollbracht werden.353 Gegen Mentzer hält Osiander hier fest, daß die Niedrigkeit des Heilswerks nicht fraglos selbstverständlich354 als Grund einer Zurücknahme der ‚Implikation‘ Gottes in dieses Geschehen zu beanspruchen ist. Gerade im Blick auf diesen Zielpunkt der 350
52/22; vgl. 53/23; 55/24. Vgl. das zum Quaestionen-Schema Notierte (o. C.II.2.1) sowie u. E.II.2.1. 352 Vgl. o. (C.II.) 2.4.3; hier homophon mit Winckelmann und Gisenius (B.IV.1.2). 353 „Non enim in Statu Exinanitionis Christus homo se nude & mere passive habuit, quasi TANTUM nostras poenas in suo pertulisset Corpore: sed operationes fuerunt omnium difficillimae & gravissimae, quibus nostram in infimo quoque Statu & gradu Exinanitionis, operatus est Salutem puta; Satisfactio pro peccatis: Oblatio, qua semet in Ara Crucis obtulit: lucta seu duellum cum morte, & cum Satana, in horto: ablatio Chirographi, quod contra nos fuit: debellatio Inferni: acquisitio Gratiae: Reconciliatio humani generis, cum Deo patre: &c.“ (56/25). – Vgl. u. C.II.3.2.4.3. 354 „per se planum“: MENTZER, [1614d] DGT V. 15, 64/525. Vgl. o. (C.II.) 2.4.3. 351
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Inkarnation hat sich die Einheit des ‚ganzen Christus‘ zu bewähren. – Jedoch ist zu fragen, wie diese Überlegung das Beweisziel ihres Kontextes zu stützen vermag. Sie zielt ja zunächst nicht auf die Allgegenwart der natura humana, sondern gegenläufig auf die ‚Präsenz‘ Gottes am Ort des menschlichen Geschicks – auf die Teilhabe des Logos am menschlichen Leiden. Kurz: hier ist der Sache nach jene ‚altera quaestio de subiecto passionis‘ berührt, die das Tübinger Fakultätsschreiben ausgegrenzt hatte.355 3.2.4 ‚regnum in Exinanitione‘356 – Erniedrigung und Herrschaft 3.2.4.1 Die eben berührte Problematik rückt noch einmal intensiver in den Blick, wenn sich Osiander in der polemischen Sektion der Disputation357 nun ausdrücklich den Argumenten der Gießener ‚Dissidenten‘ stellt.358 Diese konvergieren darin, daß sie die Berücksichtigung der fundamentalen Zäsur, wie sie das biblische Zeugnis von der Auferweckung und Erhöhung vorgibt, für die Fassung der unio personalis reklamieren – durch eine Unterscheidung der beiden Status Christi, welche die Sequenz innerhalb der Geschichte Christi – erst in Niedrigkeit, dann in Herrlichkeit – in der Ausarbeitung des dogmatischen Begriffs einholt: (1.) Die omnipraesentia carnis gehört zum königlichen Amt Christi und ist so auf den Status exaltationis beschränkt: „Regium enim Officium non prius habuisse initium suum, quam post Ascensionem Christi ad coelos ...“ (82/40). (2.) Die omnipraesentia carnis setzt die sessio ad dexteram voraus, die aber ihrerseits erst durch die (nachösterliche) Himmelfahrt (ascensio) begründet wird (83/43). (3.) Die konstitutive Funktion dieser Ascensio für die omnipraesentia carnis wird schließlich durch die Schrift eindeutig bezeugt (86/45f); neben Ps 110,1 belegt dies v.a. Eph 4,10: „ascendit Christus super omnes coelos, UT(!) IMPLERET OMNIA“ (87/46). 355
Vgl. o. (C.II.) 1.3; vgl. weiter auch u. C.IV.2.6. MENTZER, Anti-Martinius (1604), Opera II, 263a (vgl. o. C.II.2.4.3). 357 Übergangen werden können hier die ‚Argumenta remotiora, & ex Unione consequentia‘, die Osiander dem Hauptargument aus der Unio folgen läßt: Ascensio in coelum (58/25f–59/27); Sessio ad dexteram (60/27–61/27f); Dominium Christo homini traditum (62/28–64/28f); communicata Gloria (Mt 16,27; Joh 17,5; – 65/29); Christi promissiones (66/29–67/29f); Exempla Scripturae (sc. Mk 16,20; Ac 7,55f. 9,5.23.11; 2.Kor 13,5; Röm 8,10; Eph 3,17; Kol 3,11; 2.Kor 13,13; Röm 15,8; Gal 2,20; – 68/30–69/30f). Osianders Ausführungen sind als solche lutherisch ‚traditionell‘; das Spezifikum liegt in der formalen Subordination: Erst aufgrund der Verankerung in der unio personalis als dem primum fundamentum, eben als argumenta remotiora & ex unione consequentia gewinnen sie ihre Beweiskraft. Die zunächst für die promissio geltend gemachte Relativierung (sola promissio non … [o. C.II.3.2.3.4]) wird nun auf alle Argumente hin erweitert, die die Gießener als Alternative zur Begründung aus der Unio selbst entwickeln. 358 In genauer Entsprechung zur Disposition des thetischen Teils arbeitet Osiander zunächst die calvinistischen Einwände ab, die eine omnipraesentia carnis grundsätzlich bestreiten (71/31–80/39f); anschließend werden die auf den status exinanitionis eingeschränkten Argumente der ‚Dissentientes‘ Gegenstand der Kritik (81/40–91/52–55). 356
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Diese Einwände stellen die Tübinger vor die Aufgabe, die von Gießener Seite als ‚per se klar‘ unterstellte Inkompatibilität von irdischer Niedrigkeit und kontinuierlicher Teilhabe an Gottes Allgegenwart und Allmacht359 zu widerlegen. Und sie haben darzulegen, daß und wie sie nun ihrerseits die Zäsur der Geschichte Christi zu integrieren vermögen. 3.2.4.2 Dem ersten Argument (1.) kann Osiander auf der Basis seiner Grundthese nur rundweg widersprechen. Die Allgegenwart der menschlichen Natur steht unmittelbar in keinem konstitutiven Zusammenhang mit dem Tun Christi, sondern ist direkt schon in der Struktur seiner Person begründet: „ideo nulla adhibita Officij mentione sed solius Personae consideratione, Christus Homo Omnipraesens necessario dicitur“.360 Die nachgeschobene Ergänzung konzediert dann freilich doch einen bestimmten Zusammenhang von Officium und Omnipräsenz, der allerdings nichts für die Gießener Restriktion austrägt. Das Officium regium als solches wird durch die Erhöhung Christi keinesfalls allererst begründet, doch modifiziert diese dessen Vollzugsgestalt: „Non ... Regii Officij, sed MODI illius Officij, quo illud administratur, initium in Ascensione Christi factum, dici oportet. Regium enim Officium in se consideratum (ut Regium) longe antiquius Ascensione in coelos, habet initium in ipso nimirum Assumptionis, & Unionis Personalis momento“ (82/41). Das ‚königliche Amt‘ Christi ist nichts anders als der Inbegriff seiner Partizipation an dem universal-gubernatorischen wie dem speziell-soteriologischen Tun Gottes. An diesem göttlichen Tun als solchem (in se) hat Christus seit und aufgrund der Konstitution der unio personalis und darum auch im Stand der Entäußerung kontinuierlich teil, allein mit dem Unterschied, daß der Entäußerte diese Herrschaft auf verborgene Weise ausübte, die gloriose Manifestation solcher Herrschaft hingegen erst nach der Erhöhung statt hatte.361
Die Teilhabe an dem Officium Regium als solchem ergibt sich für Osiander eindeutig aus dem Schriftzeugnis. Wenn dieses schon den Erniedrigten zwischen Geburt und Tod als einen Herrscher und König vorstellt,362 prädiziert es keinen leeren Titel (Rex ... verbalis sine Officio), sondern redet sachbedingt (propter officium).363 Dieses Königtum des Erniedrigten hat freilich eine Gestalt, die konventionellen Erwartungen entgegensteht – die Herrschaft des ‚wahren Königs‘ manifestiert sich in dem Dienst an den Bedrängten und Belasteten, in der Übernahme der Last ihrer Sünden- und 359
Vgl. dazu o. C.II.2.4.3 (bes. bei u. mit Anm. 213. 214); C.II.2.4.4. 82/41. – In dieser Antithese ist en passant das ‚Programm‘ der neuen Tübinger Christologie in methodischer Hinsicht auf den Punkt gebracht. Vgl. dazu u. C.III.1. 361 „… multo magis nostra (de Universali licet occulta Christi hominis, in Statu Exinanitionis, praesentia) confirmatur doctrina, contraria vero refellitur. Non autem Regij Officij, sed MODI illius Officij, quo illud administratur, initium in Ascensione Christi factum, dici oportet ... “ (82/41). – Vgl. o. (C.II.) 3.2.3.5. 362 Lk 1,33; 2,11; Micha 5,1; Lk 24,50; Mt 2,2.11; 21,5; Joh 18,36f; Mk 15,2; Mt 27,11; Lk 23,3; 1.Kor 2,8; die Opera Regia: Mt 8,26; Mt 12,3; Joh 18,8 (82/41–43). 363 „Rex autem non fuit verbalis sine Officio, sed propter officium Regis, Titulum quoque habet Regium“ (82/43). 360
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Todesverfallenheit.364 Diesen entscheidenden Skopus der biblischen Texte verfehlen die Gießener, wenn sie die Herrschaft Christi nur in strikter Antithese zur Erniedrigung denken und beide darum sequentiell ordnen. Das Gewicht der hier berührten Frage hat J. Baur unterstrichen: „In dem Gang der Debatte ab 1619 gehört es zum Stupendesten, daß Mentzer Wissen und Herrschaft nur unter den Vorzeichen manifester Glorie kennt. Die Tübinger widersprechen dieser Gleichsetzung, vielleicht nicht entschieden genug“.365 Der Tübinger Einspruch repetiert in der Sache Luthers Anliegen einer „neuen Rede von der ‚Ehre Gottes‘“,366 die gegenüber Zwinglis Distanzierungen auf eine analoge Synopse zielt: „Unsers Gotts ehre aber ist die, so er sich um unser willen auffs allertiefest erunter gibt, yns fleisch, yns brod, ynn unser mund, hertz und schos, und dazu umb unsern willen leidet, das er unehrlich gehandelt wird beyde auff dem creutz und altar“.367 In dieser Perspektive meint die der Menschheit Christi beigelegte Teilhabe an Gottes Herrschaft „keine einfach gegenläufige Bestimmung, durch die nach und neben der Schande nun die nicht länger ‚unehrliche Ehre‘ zu ihrem Recht kommt; denn, der ‚Mühe des Abendmahls‘ entsprechend ist auch die Allgegenwart der Menschheit Christi kein direkter Vollzug weltüberlegener Herrschaft, sondern empfangene Teilhabe an der ‚Mühe‘ der sorgenden Weltpräsenz der Gottheit, die in Christus nicht mehr ‚simpliciter deus‘ ist, der die Geschöpfe beherrscht und lenkt, sondern sich der Erfahrung von Welt … aussetzt. Die Allgegenwart ist damit neu bestimmt: Sie verwickelt – in Christus – Gott selbst mit der miseria des Weltlaufs“.368 Die Tragweite des Tübinger Einspruchs – „vielleicht nicht entschieden genug“? – kann erst nach einem Blick auf die großen Monographien der späteren Streitphase ermessen werden.369 Doch eindeutig kennzeichnet ein Contra gegen die unbedachte Gleichsetzung von Glorie und Herrschaft diesen christologischen Entwurf von Anfang an.
3.2.4.3 Analog vollzieht sich Osianders Umgang mit dem 2. und 3. Einwand. Sowohl die Existenz des Christus Homo zur Rechten Gottes (Adessentia ad Dexteram Dei; 85/44) als auch seine impletio omnium (Eph 4,10; 87/46) gründen unmittelbar in der unio, sie sind so in beständiger Identität gegeben. Die Himmelfahrt (Ascensio), verstanden als der sichtbare nachösterliche Akt, bildet kein von der Unio verschiedenes Fundament dieser Auszeichnungen; sie ist ‚Manifestation‘ und ‚Demonstration‘370 von deren Besitz,371 modifiziert nur die Deklaration des schon durch die Unio Gesetz364 „Mortem & Peccatum devicit ... aegris & obsessis varia praestitit auxilia & beneficia. REX ergo, & verus quidem REX, fuit CHRISTUS HOMO in Statu quoque Exinanitionis“ (82/43). 365 J. B AUR 1993h, 237. – Zum Sachproblem vgl. die – obschon anders begründete und gerichtete – Kritik W. PANNENBERGs am Konzept der ‚Kenose‘: 1980a, 140–143. 366 J. B AUR, 2007, 200. 367 M. LUTHER, Das diese Wort Christi …, 1527, WA 23, 64–283, hier: 157, 29–33. 368 So J. BAURs Pointierung der „Radikalität der Ubiquitätslehre“ – auch „von Luther nur angedeutet, durch die ‚orthodoxen‘ Erben meist unterdrückt“ (2007, 201). 369 Vgl. u. E.III.4; F.III. 370 „...demonstratio singularis & solennissima“ (88/51). 371 „Sessionem ipsam si intelligant secus sentientes, pro singulari & solenniore Actu, in quo coelitibus quoque, Christi hominis ex mortuis resuscitati, gloria & Majestas fuit
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ten.372 Das mit der Personeinheit Erlangte und dessen nachösterlicher ‚voller‘, ‚glorioser‘ Erweis (manifestatio, demonstratio, declaratio; spectaculum)373 verhalten sich wie res ipsa und modus rei (85/44); unio und ascensio können nicht gegeneinander ausgespielt werden. Von den intrikaten philologischen und exegetischen Details des sehr eingehend entfalteten Arguments (84/43–91/55) soll hier nur Osianders Versuch Erwähnung finden, das finale Verständnis des ‚ut (impleret omnia)‘ in Eph 4,10, das die Gießener vehement verfechten, auch von der Sachparallele in Phil 2,9 her zu widerlegen: ‚et donavit illi nomen super omne nomen‘. Diese Auszeichnung Christi als ein strikt nachösterliches Geschehen zu fassen, verbietet sich – anderenfalls degenerierte der satisfaktorische Weg Christi, der bar jeden Selbstbezugs ganz auf das Heil der Menschen ausgerichtet ist, in der Konsequenz zu einem meritorischen Akt, die Erhöhung zur ‚Prämie‘ der vorlaufenden Unterwerfung unter irdische Niedrigkeit.374 Die Teilhabe an der göttlichen Glorie wäre nicht Voraussetzung, sondern Ziel oder Konsequenz des Tuns Christi. Für diese scharfe Kritik beruft sich Osiander auf genau die soteriologischen ‚Motive‘, welche die Gießener für ihre Inanspruchnahme der Statusdifferenz geltend machen. Der Versuch, um der vermeintlichen Erfordernisse des Opus Redemptionis willen die Partizipation der Menschheit Christi an der göttlichen Majestät zu beschränken, verliert, was er zu sichern vorgibt: Im Widerspruch zum eindeutigen Schriftzeugnis 375 nimmt er die Teilhabe Gottes am menschlichen Leidensgeschick Jesu zurück auf die nachträgliche Ratifizierung und Belohnung (praemium) eines nur menschlichen Tuns gegenüber Gott; so isoliert aber verliert das Leiden Jesu seinen redemptorischen ‚Wert‘. Diese ‚ruinöse‘ Konsequenz sieht Osiander nur dort vermieden, wo die donatio Supremi nominis nicht als Erwerb zuvor entbehrter Würde, sondern als Manifestation der schon von Anfang an gültigen, aber zunächst verborgenen Auszeichnung gedeutet wird.376 Anderenfalls wäre die manifestata & demonstrata; facile assentimur, hunc actum antea Creaturis demonstratum non fuisse: hic enim jam non de RE IPSA, (quae est Esse in Dextra, aut sedere ad Dexteram) sed de modo rei, augustiore & magis Majestatico, illiusque gloriosissima manifestatione, sermo nobis erit“ (85/44). „Ad coelos vero ascendens Christus, eandem suam Majestatem & praesentissimam impletionem Coelitibus, ineffabili declaravit spectaculo ... ita ut hominem Christum, vere & potenter praesentem sciant & agnoscant nunc Coelites & Infernales, & qui ex terricolis sunt fideles“ (88/51). 372 „Revelationis modus“; „jam antea Entis manifestatio“ (88/51; zu Eph 4,10). 373 85/44; 86/45; 88/51; 90/52. 374 „Omnino αθεολογον esset statuere, Christum hominem, ante absolutum Redemptionis opus, hoc nomine & illa gloria (sub qua & Omnipraesentia) omnino & penitus caruisse, eamque in Exaltationis demum Statu, tanquam antea praemij loco promissam quasi, accepisse“ (90/52). 375 Dominum gloriae crucifixerunt (1.Kor 2,8); Deus adquisivit Ecclesiam sanguine suo (Ac 20,28); sanguis Jesu Filii eius [Dei] mundat nos ab omni peccato (1.Joh 1,[7]) (90/52 i.m.). 376 „Qui namque ita statuere vellet, is totum salutis nostrae ut evertat fundamentum, cogetur … Haec & similia ut effugiamus periculosissima Absurda; necessitate divini Verbi urgemur, Verba Paulina, de Exaltatione & supremi nominis donatione, non de novae alicujus dignitatis acquisitione, sed de Majestatis inde ab Un[io]nis Personalis primo puncto, acceptae & possessae, ad tempus Vero servili forma occultatae, plenaria ad omnes quoque Creaturas manifestatione & declaratione accipienda esse“ (90/52).
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‚Vollkommenheit‘ der Unio personalis in einer Weise eingeschränkt, die dem Meritum Christi seine Basis entzieht – womit nicht weniger als das ‚Christentum‘ selbst tangiert und der Ruin jeder Heilshoffnung herbeigeführt wäre.377
Erneut gerät hier Osianders Verteidigung der keine Einschränkung duldenden Erhöhung der Menschheit Christi auf jene soteriologischen Argumente aus der Leidensteilhabe Gottes, die in systematischer Hinsicht der gegenläufigen ‚altera quaestio de subiecto passionis‘ zugehören. Deren obschon 377 „... totus noster laborabit Christianismus, cum ex perfectione Unionis personalis, & consecutae inde communicationis Realis Naturarum & earundem Idiomatum, universum Meriti Christi precium unice dependeat; Absit igitur, ut aliquid Imperfectionis vel Unioni Personali vel Communicationi Idiomatum affingamus, nisi certam ruinam omnis spei & salutis nostrae, inde subsequi voluerimus“ (Appendix [1620a], 48/24). – Das hier (1619c; 1620a) eher nur berührte Thema hat Osiander dann in dem folgenden Beitrag der Reihe, der vom September 1620 datierenden ‚De NOMINE SUPRA OMNE nomen, Christo homini, beneficio Unionis Personalis, & inde consecutae Idiomatum Communicationis, donato & contributo, DISPUTATIO‘ (1620b), eingehender behandelt. Mit der dort geführten Auseinandersetzung um Phil 2,10f steht ein zentrales Thema der Kontroverse mit Mentzer zur Debatte; die Rede von der Verleihung des göttlichen ‚Namens‘ (verstanden nicht als ‚nudum Nomen‘, sondern als ‚REM nomine contentam‘, sc. als Inbegriff der ‚divina & plenissima Gloria & Maiestas‘ selbst; 18/5) aufgrund (διο) des vollbrachten Heilswerks scheint prima facie die Gießener Status-Differenzierung ins Recht zu setzen. Den status controversiae faßt Osiander in die ‚quaestio bimembris‘: „I. utrum Christus divinum isthoc Nomen ex merito ob perfectum videlicet & absolutum Redemptionis opus sibi acquisiverit. II. Quando, aut quo tempore Nomen illud, Christo homini datum atque donatum recte dicatur“ (50/12; mit der Ausführung 51/12–61/16 bzw. 62/17–77/ 21f). Zentral diese Frage eines meritorischen Selbstbezugs der Passion Christi steht zur Entscheidung: „haudquaquam quaestio nobis est: utrum Christus homo, patiendo & moriendo, ALIQUID fuerit promeritus; (id enim utrobique in Confessio est,) sed utrum, ALIQUID SIBI Gloriae nimirum & maiestatis aliquod Augmentum & aliquam Accessionem patiendo & moriendo fuerit“ (52/12). Neben scharfsichtigen und scharfsinnigen exegetischen Notizen (vgl. zum εχαρισατο/donavit ei Deus nomen: „Donum autem & meritum inter se opponi seseque mutuo tollere, alibi docet Paulus“, mit Verweis auf Eph 2,8f; Röm 4,4; 11,6 – die rechtfertigungstheologische Antithese wird christologisch appliziert; 58/15f) ist es wieder die ruinöse Konsequenz für das ‚Subjekt‘ der Passion, die den Tübinger Widerspruch begründet: „Si non habuit [gloriam & maiestatem], tum neque Passio neque mors ipisus, illius potuit esse valoris aut precij, ut vel unicum redimeret hominem; quandoquidem iam non Deus, sed homo nudus & merus passus fuisset“ (60/16). – Dieses soteriologische ‚Interesse‘ an der Implikation Gottes in die Passion entscheidet auch die zweite Teilfrage nach dem Zeitpunkt der Majestätsteilhabe des Christus homo: „Ruinam igitur Christianismo praesentissimam minatur fanatica hace de Nominis supremi Adeptione vel Readeptione, per meritum, vel post aliquod tempus ab Incarnatione facta opinio: Sic enim passus fuisset, gloria divina destitutus homo“ (74/21); „Aestimandum enim est Passionis precium a Dignitate patientis, non a gravitate eorum quae patienda illi fuerunt imposita“ (75/21); zum daraus folgenden positiven Begriff der exinanitio vgl. 76f/21f. – Doch: eben der offenkundig zentrale Zusammenhang der Leidensteilhabe ‚Gottes‘ und der Erhöhung des ‚Christus homo‘ wird auch hier nur reklamiert, nicht aber systematisch entfaltet. – Zum späteren Lösungsversuch vgl. E.III.4.
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nur pragmatisch begründete Ausblendung im Tübinger Fakultätsschreiben stellt insofern einen problematischen Tatbestand dar, als sich ohne eine systematische Entfaltung dieser faktisch auftretenden ‚Komplikation‘ Anliegen und These der neuen Tübinger Christologie nicht zureichend beschreiben lassen dürften.378
III. Christus – des Logos Ende. Systematische Konturen III. Christus – des Logos Ende. Systematische Konturen
Das Votum der Tübinger Fakultät vom 1. September 1619 zur omnipraesentia carnis Christi scheint nur einer Teilfrage des christologischen Lehrstücks zu gelten. Doch indem die Schwaben ihren Widerspruch von den grundlegenden Bestimmungen der unio personalis her entwickeln, geben sie der Auseinandersetzung eine grundsätzliche Bedeutung. Nicht weniger als diesen Zentralbegriff des christologischen Dogmas selbst sehen sie durch Mentzers konträre Lösung in Frage gestellt: die unio personalis ‚ist‘ fundamental die Teilhabe der Menschheit Christi am allgegenwärtigen Weltverhältnis Gottes kraft identischer Personierung in der Logoshypostase; ohne die kontinuierliche Allgegenwart der koexistierenden Menschheit kann diese Vereinigung gar nicht ‚bestehen‘.379 Im Sinne einer ersten Bilanz sollen jetzt einige Konturen der 1619 vorgetragenen Tübinger Grundthese skizziert, zugleich einige (An)Fragen notiert werden, die sich mit dieser Konzeption verbinden. Dazu wird besonders nach dem vorausgesetzten Begriff der unio personalis – nach der ‚Ontologie‘ der Personeinheit – zu fragen sein.380 1. Solius Personae Consideratione – Methodische Orientierung 1.1 In methodischer Hinsicht ist die Grundthese der ‚neuen‘ Tübinger gekennzeichnet durch den Anspruch, die materialen Bestimmungen einheitlich aus der Reflexion auf den Grundbegriff des christologischen Dogmas zu gewinnen. Auf dem Wege einer deduktiven Entfaltung des Begriffs der unio personalis von Gott und Mensch, die dessen ‚notwendige‘ Inhalte erhebt, können die konstitutiven Bestimmungen des (Da)Seins der Person Christi festgestellt werden. Auf den Punkt gebracht wird dieses Verfahren durch jene Wendung, die Lc. Osiander in seiner Dezember-Disputation Mentzers Verortung der Präsenzfrage innerhalb der Entfaltung des ‚Amtes‘ 378
Vgl. o. (C.II.) 3.2.3.6 bzw. (C.II.) 1.3. Vgl. o. C.II.3.1.2.2. 380 Die primäre Textbasis bilden weiterhin die vorstehend überblickten frühen Voten des Jahres 1619 (C.II.2/3). Doch werden daneben auch Tübinger Texte aus späteren Phasen der Auseinandersetzung heranzuziehen sein, die ‚in statu nascendi‘ noch nicht thematisierte Implikationen und Voraussetzungen dieser ‚neuen‘ Christologie entfalten. 379
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Christi entgegensetzt: „solius Personae consideratione Christus homo Omnipraesens necessario dicitur“.381 Im ursprünglichen Zusammenhang eher beiläufig formuliert, bildet dieser Satz das genaue methodische Pendant zur zentralen Tübinger Sachthese, welche die unio personalis zum fundamentum unicum der Allgegenwart Christi erklärt. Die konstruktive Ausrichtung auf die sola persona setzt einen bestimmten Begriff der Ontologie dieser Person voraus, der diese Begründungslast zu tragen vermag. Die Exklusivpartikel impliziert zugleich einen fundamentaltheologischen Anspruch, der der Tübinger ‚consideratio personae‘ ihr charakteristisches Gepräge gibt. 1.2 Nach der negativen Seite (solius personae consideratione) hin verwirft die Tübinger Christologie damit alle Versuche, einen anderen als den mit dem Stichwort „Persona“ oder „unio personalis“ benannten Zusammenhang als maßgebliche Basis (fundamentum) und Kriterium für Sätze zu beanspruchen, die das (Da)Sein Jesu Christi explizieren. Dieser Widerspruch gilt im konkreten Fall Mentzers Zentrierung des christologischen Diskurses auf den Zusammenhang des Handelns (Officium) Christi und damit auf den freien Willensentscheid (liberrima voluntas) als das regulative Prinzip dieses Tuns; dies führt bei Mentzer zur Forderung des stets unmittelbaren Rekurses auf die Schrift: allein sie überliefert die Verheißung (promissio) Christi, die allein dessen maßgeblichen Willen bezeugt.382 Nicht zufällig bildet die Auseinandersetzung mit diesem Postulat Mentzers den Kontext, in dem Osiander den Tübinger ‚Programmsatz‘ formuliert.383 Mentzers systematische Privilegierung des Zusammenhangs von promissio-voluntasactio verbindet sich mit einer ‚Entfunktionalisierung‘ des christologischen Dogmas. Zwar kommen Schrift und Dogma dabei nicht in ein Verhältnis strikter Konkurrenz zu stehen, doch eindeutig vollzieht sich eine Rückstufung der unio personalis auf den Status einer ‚entfernten‘ Möglichkeitsbedingung (fundamentum remotum), von der allein her sich die konkrete Gestalt des (Da)Seins Jesu Christi nicht gewinnen läßt. Die Unio umgrenzt das Feld der Möglichkeiten; welche dieser Möglichkeiten aber tatsächlich verwirklicht sind, bemißt sich allein nach der ausdrücklichen Bezeugung der Schrift.
1.3 Diesem aposteriorischen Ansatz gegenüber beanspruchen die Tübinger, die ‚Konstanten‘ der Person Christi im direkten Zugriff auf das ‚Dogma‘ darlegen zu können. Die als suffizient (‚solius‘) erachtete Personae consideratio ist konzipiert als Analyse der unio personalis als solcher. In diesem dogmatischen Zentralbegriff ist das Sein Christi so gültig und adäquat gefaßt, daß dieser zur Basis entfaltender Deduktionen werden kann. Seine analytisch erhobenen Implikate, seine ‚notwendigen‘ Konsequenzen stellen aufgrund dieses syllogistisch demonstrierbaren Zusammenhangs mit der orthodoxen, schriftgemäßen Prämisse (unio personalis) ihrerseits orthodoxe und schriftgemäße Sätze dar. Schon dieser logische Konnex, nicht erst ein separat geführter Schriftbeweis für die gefolgerten Sätze begründet deren Legitimität. Die Validität logischer Evidenz spiegelt der apodiktische 381
Disputatio de divina praesentia universali, 1619c, 82/41. Vgl. o. B.III. 3. 383 Vgl. o. C.II.3.2.4.2. 382
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Anspruch der Tübinger Programm-Formel: solius Personae consideratione Christus homo omnipraesens necessario dicitur. 1.4 Es ist diese Erhebung dogmatischer Konklusionen zu Argumenten eigenen Rechtes, die Mentzer als rationale und philosophische Verdrängung des Schriftzeugnisses kritisiert und mit dem Programm einer ‚rein‘ biblischen Theologie kontert. Die rigide Antithetik von Schrift und ‚Vernunft‘ (Philosophie; ‚Metaphysik‘) erlaubt es ihm, bestimmte Tübinger Argumente schlicht ins Leere laufen zu lassen – ohne sie ernsthaft zu prüfen geschweige denn eine Widerlegung zu formulieren. Exemplarisch geschieht dies in der Auseinandersetzung über den Präsenzbegriff. Das eigene operative Verständnis der göttlichen Gegenwart und deren Tübinger Bestimmung als (reine) adessentia fixiert der Gießener als die beziehungslose Alternative von theologischem und philosophischem Begriff.384 Das kritische Potential der philosophischen Perspektive ist damit a limine neutralisiert. Diese ‚argumentationsstrategisch‘ bequeme Separation kritisiert Thumm als theologisch wie philosophisch unhaltbare Neuerung und plädiert im Gegenzug für den modifizierten Zusammenhang theologischer und philosophischer Erkenntnis. Das Konzept der (allgemeinen) Gegenwart Gottes (praesentia Dei generalis) bildet kein exklusives Datum der Offenbarung (cognitio revelata). Es gehört, obgleich dort weniger klar und distinkt, schon zum Inhalt der cognitio naturalis; diese Überschneidung schließt es aus, das hier und dort Begriffene und gewiß zu Unterscheidende als schlechthin Verschiedenes und Beziehungsloses zu kontrastieren (toto genere & definitione diversa).385 Doch auf diesen Versuch, Schriftzeugnis (authoritas Scripturae) und dogmatische Tradition (authoritas Ecclesiae) einerseits, Vernunfterkenntnis (consensus Philosophorum; sobria Ratio) andererseits nicht zu identifizieren, wohl aber argumentativ zu verknüpfen,386 läßt Mentzer sich nicht einmal kritisch ein. Die ‚metaphysischen‘ Begriffe gesteht er den Tübingern als ‚an sich‘ richtig umstandslos zu; theologisch indes sind sie ohne Belang. 387 384
praesentia Theologice–Philosophice/Metaphysice considerata (Thumm an Mentzer, 22.11.1620; Acta Mentzeriana 1625, 93–127, hier: 113 [Referat Thumms]). 385 „Distinctio enim illa inter praesentiam Philosophice siue Metaphysice, & Theologice consideratam non tantum Theologis & Philosophis nova & inaudita est, sed omni insuper solido destituitur fundamento. Praesentia namque Dei generalis, de qua quaestio est, non pertinet ad cognitionem tantum revelatam, hoc est, ad illos fidei articulos, qui revelationis sint merae & non nisi ex singulari patefactione divina innotescunt, quales sunt articuli de Trinitate, Redemptione & sanctificatione, sed ad cognitionem etiam naturalem vel natura insitam, vel acquisitam ex qua vera Philosophia existentiae ratione considerata extructa est. Praesentia proinde Philosophice considerata a praesentia Theologica toto genere & definitione non potest esse diversa, cum quidditas praesentiae DEI generalis verbo expressa etiam menti hominis (minore licet claritate) naturaliter sit impressa“ (Acta Mentzeriana, 1625, 113). 386 Acta Mentzeriana 107–111; vgl. 93. 387 „Vos [Tubingenses] describitis nudam & solam praesentiam, sine modo. Relinquam igitur vobis, liberas cogitationes vestras de simplici adessentia, qua Deus immensitate suae essentiae necessario & simpliciter adest indistanter & immutabiliter omnibus & singulis creaturis, & non potest non adesse: Concedam etiam vobis, ab hac simplici & nuda adessentia longe differe actionem DEI, & usurpationem, sive ενεργειαν praesentiae ...
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Gerade die sich dezidiert als „biblische“ Theologie – de nostro nihil, omnia ex Scripturis388 – selbst interpretierende Position des Gießeners verliert damit, so wäre in der Perspektive neuzeitlicher Theologie zu urteilen, im Ergebnis jede Möglichkeit, die Differenz der eigenen dogmatischen Rekonstruktion im Gegenüber zum biblischen Zeugnis zu erfassen, weil sie beides unmittelbar identifiziert. Umgekehrt halten die Tübinger, so entschieden sie die Konkordanz mit dem biblischen Zeugnis beanspruchen, durch ihr Eintreten für Möglichkeit und Recht eines dogmatisch-rationalen Arguments neben dem biblischen Diskurs de facto die Differenz beider Perspektiven fest.
1.5 Allen Versuchen, ihre methodische Orientierung durch eine Antithetik von ‚biblischer‘ Theologie und ‚Philosophie‘ zu delegitimieren, beugen sich die Tübinger in der Debatte über den christologischen Grundbegriff so wenig wie im Streit um die praesentia divina. Mentzers Forderung, jede dogmatische Folgerung auch unmittelbar durch einen Schriftbezug zu begründen (consequentiae clara ratio in Verbo Dei fundata), welcher zusätzliche Nachweis erst, nicht schon systematische Schlüssigkeit allein, den Glauben zur Bejahung ermächtige – conscientia desiderat verbum Dei cui firmiter inniti queat –,389 wird als verengte Fassung des ‚Schriftprinzips‘ abgewiesen. Gewißheit und Vertrauen, die dem Glauben in der Tat allein aus dem Wort Gottes zuwachsen, erstrecken sich doch keineswegs nur auf das in der Schrift ausdrücklich Bezeugte (literaliter expressum). Dasselbe Vertrauen (eadem fides) umgreift ebenso die ‚evidenten Folgerungen‘ aus diesem Zeugnis; auch sie nimmt der Glaube an, ohne noch einmal je und je Scio enim per Dei gratiam, quantum intersit discriminis inter praesentiam simplicem, nudam, solam, & praecise dictam, & inter eius usurpationem, actionem & operationem: quam differentiam ipsi|met ex meis scriptis aliquoties repetivistis ... Ego vero in Schola Theologica requiro usitatem definitionem praesentiae generalis, sive omnipraesentiae, qui est primus praesentiae modus ...“ (Mentzer an Thumm, 6.2.1621; Acta Mentzeriana 127–149, hier: 135|f). Vgl. J. B AUR 1993h, 272–274, bes. 274. 388 Vgl. o. B.II.1.1. 389 „Ego vero peto ejus consequentiae [hier bezogen auf die Tübinger Folgerung der Weltgegenwart der Menschheit Christi aus der internen Gegenwart der Naturen füreinander] claram, perspicuam & certam rationem, in verbo Dei fundatam. Quamvis enim videatur nostro judicio non improbabilis, & firmitudinem habere: tamen conscientia desiderat verbum Dei, cui firmiter inniti queat“ (MENTZER, DISPVTATIO THEOLOGICA DE QUATUOR QUAESTIONIBUS CONTROVERSIS, 1621, 60/B3r), mit ausdrücklichem Rückverweis auf eine zuvor zitierte Mahnung Chemnitz’: „... respondeo primo generatim verbis D.Chemnitii: Scio, inquit, ac video, ex principio & fundamento hypostaticae unionis, dialecticis argumentationibus & consequentiis multa ac varia colligi & extrui posse: sed quod scriptum est: Lucerna pedibus meis verbum tuum ... Et simpliciores Ecclesiae filii ... hanc simplicitatem ... rectissimam & tutissimam esse judicant, ut de hoc mysterio, ex nostris consequentiis & argumentationibus, sine expressis scripturae testimoniis, nihil statuamus, sed potentiam Dei cum voluntate ejus in verbo patefacta conjungamus, ac totam hanc doctrinam non ad curiosas disputationum subtilitates, sed ad veram consolationem referamus“ (45/B1r). – Statt anderem vgl. nur M. NICOLAIs Replik auf diese Vereinnahmung Chemnitz’: Consideratio theologica [1622/1676], XIV/21–XV/22f.
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nach einem ‚neuen‘ Wort zu fragen.390 Anderenfalls wäre die kontroverstheologische Auseinandersetzung paralysiert; zentrale Lehraussagen lassen sich nur als – gewiß schlüssige und evidente, aber eben – Folgerungen aus dem Schriftzeugnis vertreten.391 2. In Tempore coiisse – Ensarkose und Theogenese Die methodische Option für die consideratio solius personae setzt eine bestimmte inhaltliche Fassung der Personeinheit voraus. Nur eine Bestimmung der unio personalis, die diese selbst als einen Zusammenhang ontologischer ‚Notwendigkeiten‘ versteht, welcher dann auch rational-begrifflicher Rekonstruktion offen steht, ermöglicht es, den Zentralbegriff des christologischen Dogmas als Basis deduktiver Demonstrationen seiner notwendigen Inhalte zu verwenden 2.1 Die Exklusivpartikel der Tübinger Formel richtet sich gegen Mentzers Versuch, das Dasein Christi entscheidend von dessen Willen und Tätigkeit her zu begründen, welche ratio essendi ihr Korrelat in der Erhebung der Verheißung zur maßgeblichen ratio cognoscendi findet. Das Postulat einer consideratio solius personae formuliert positiv, was die Kritik des Mentzer’schen Ansatzes (sola promissio non ...)392 negativ festhält. Als Versuch, die Personeinheit von jedem Interpretationshorizont zu isolieren, wäre der Tübinger Einspruch dagegen fehlinterpretiert. Nur muß dieser Rahmen nicht erst durch die Relativierung der Personeinheit auf ihr äußerliche Instanzen (officium; promissio) konstruiert werden. Er ist vielmehr unmittelbar mit der elementaren Bestimmung der Person(einheit) selbst gegeben, insofern diese vollständig als ‚unio personalis duarum naturarum‘ bestimmt ist. Schon diese Elementarbestimmung legt eine spezifische Struktur der Persona Christi fest, die dann auch auf ihre Konsequenz für das Dasein Christi hin entfaltet werden kann. Die consideratio solius Personae hat dementsprechend darzulegen, wie das christologische Beieinander von Gott und Mensch als unio naturarum bestimmt ist; sie hat zugleich 390 „… conscientia enim in iis quae recte & vere ex verbo Dei conclusa sunt, non quaerit novum verbum, quo de conse|quentia certa reddatur, sed ea fiducia, qua amplectitur ea, quae sunt expresso Dei verbo prodita, etiam apprehendit conclusiones ex iis deductas ... Concedimus ergo conscientiam niti debere verbo, neque aliter in tentatione posse stare, sed non eo solo, quod literaliter expressum est, verum omni eo, quod ex certissimo eo per certam & evidentem consequentiam deducitur“ (NICOLAI, Consideratio theologica, XXX/39|f). 391 „Quae haeresis unquam valide refutari posset, si nulla consequentia quantumvis ex Scriptura deducta, & evidentem consequentis cum antecedente habens connexionem, esset acceptanda, nisi & ipsa per expressum in Scriptura ostenderetur fundata ... consequentiis enim, firmis quidem & evidentibus, sed consequentiis tamen ... in arenam descendimus ...“ (NICOLAI, Consideratio theologica, XXX/39f, hier: 40). 392 LC. OSIANDER, 1619c, 50/21. – Vgl. o. C.II.3.2.3.4.
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darzustellen, welche Struktur die Persona Christi als unio naturarum, als Synthese dieser Naturen, aufweist. 2.2 Die Richtung, in der nicht erst die neuen Tübinger die Lösung dieser Aufgabe suchen, signalisiert konzis der Titel jenes grundlegenden Textes, mit dem Lc. Osiander im Mai 1619 den Zyklus christologischer Disputationen393 eröffnet: Synopticae Assertiones de Duarum in Christo Naturarum, Divinae et Humanae [1.] Veritate, illarum [2.] Unione personali, earundemque [3.] Communicatione Reali.394 Diese Abfolge, die den konsequent befolgten Aufbau der Disputation vorgibt,395 reproduziert zunächst nur den tradierten Themenbestand des christologischen Locus und das übliche Verfahren seiner Darstellung.396 Sie deutet aber zugleich ein spezifisches Verständnis der Personeinheit an, das sich auch in den Proportionen der Be393
Vgl. o. C.I.2.2. (7.8. Mai) 1619a; folgende Belegangaben hierauf bezogen. – Der Text lag der gemeinsamen Doktordisputation von Lc. Osiander (Verfasser und Praeses) und M. Nicolai (Respondent) zugrunde. Diese in ihrer Hierarchie problematische Rollenverteilung spielte hinein in die Fakultätsquerelen vom Sommer 1621, die durch Nicolais zeitweilige Distanzierung von der Position Thumms und Osianders ausgelöst wurden. Zu dieser „Krise der Fakultät“ vgl. WEIZSÄCKER, 1877, 54–56; J. B AUR, 1993h, 257–259 (Zitat: 257). Vgl. u. bei u. mit Anm. 588–596. 395 „Et quandoquidem CHRISTUS (qui est Λογος incarnatus) post assumptam Carnem, jam recte Compositus, aut Persona Composita dicitur: partes (ut ita loquamur) constituentes Christum, nimirum duas Naturas illius primo perspiciamus. Ubi vero earum Cognitio exposita fuerit: post de illarum Unione: denique, de earundem intra illam Unionem, mutua & Reali Communicatione aliquid dicemus“ (5/2); entsprechend dem hier skizzierten modus procedendi dann die Durchführung: 6/2–28/8 (veritas), 29/8–36/10 (Unio), 37/10–53/14 (communicatio). 396 Präzise: der ersten, grundlegenden Sektion des Traktats De Persona Christi. Das zweite große Thema bildet dann das ‚Amt‘ (officium; munus) dieser Person: „Constare ... veram solidamque Jesu Christi Cognitionem duabus partibus, asserimus: Cognitione nimirum Personae, & Cognitione Officii illius“ (3/2). – Die in der Hoch- und Spätorthodoxie üblich werdende Behandlung der Ständelehre in einem separaten dritten Teilstück De statibus Christi verselbständigt ein Thema, das ursprünglich seinen Ort innerhalb der Personlehre hatte, nämlich als Appendix zur Idiomenkommunikation, genauer: zur communicatio Majestatis, der den ‚Gebrauch‘ der stets ‚besessenen‘ Majestät relativ zur Zäsur der (nachösterlichen) Erhöhung entfaltet. Dieser systematische Zusammenhang spiegelt sich in der Lozierung der Statuslehre zunächst noch zwischen De Persona und De officio. Erst später rückt sie an den Schluß des Locus; verbunden mit dieser Metathese ist häufig eine Änderung in der Sequenz der Genera der Idiomenkommunikation. Vgl. dazu u. D.I.3.1/2. – Eine umsichtige Erläuterung der Systematik des orthodox-lutherischen Christologietraktats bietet B. MEISNERs Disputatio continens Synopsin Totius Articuli der Christo (Disputationes, 1624b, 649–668). Meisner unterteilt in De Persona (Th. I–XI/ 650–59), De Vita (! = Statuslehre; Th. XII–XXI/660–666) und schließlich (Th. XXII– XXV/666–668) De Officio („sine qua [cognitione] nuda cognitio personae & vitae ad salutem hominibus nihil prodest“ [Th. XXII/666] – muß man darin eine Distanzierung auch von der Tübinger ‚consideratio solius personae‘ hören?). 394
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handlung der drei Teilthemen niederschlägt. Die Einheit (Personae unitas; 29/8) der Person Christi wird dezidiert als Vereinigung der Naturen (naturarum unio) und so in Bezug auf die zuvor erläuterten Wesensbegriffe von Gott und Mensch (naturarum veritas) als den bleibenden Terminus a quo der christologischen Identität beider bestimmt. Diese Entfaltung kann adäquat nur so geschehen, daß alsbald eingehend von der Vermittlung (communicatio) dieser essentiell je für sich bleibend identischen Substanzen gehandelt wird, die aus beider Unio ‚notwendig‘ folgt.397 An dieser symmetrischen Mitteilung des wesentlich bleibend Verschiedenen hängt der Vollzug der Erlösung; ohne sie zerfiele die Lebens- und Leidensgeschichte Christi in ein parastatisches Nebeneinander von Gott(es-) und Mensch(entun), was nicht weniger als die Zerstörung jeder Heilsgewißheit und damit die Aufhebung des christlichen Glauben selbst bedeutete: Inde totus everteretur ... Christianismus!398 2.3 Der Versuch, die Personeinheit im Rekurs auf die Kommunikation der (bleibend) wesensdifferenten Naturen zu entwickeln, führt, wie zunächst nur notiert sei, auf eine eigentümliche ‚Reduktion‘ des ontologischen Status der Personeinheit selbst: als Verbund zweier wesentlich unveränderter, vollständiger Substanzen kann die Person Christi nicht ihrerseits als – neue, dritte – Substanz gegeben sein. Diesen in bestimmter Hinsicht allerdings „flachen Begriff von ‚Person‘“ als Folge einer unkritischen Fortschreibung der ‚Substanzmetaphysik‘ des alten christologischen Dogmas zu kritisieren,399 hieße die Intention dieser (‚formalen‘) „Entleerung des Persongedankens“400 in ihr Gegenteil zu ver-
397
„In isthac Unionis Personalis Descriptione [vgl. u. bei Anm. 423], Veram & Realem, eamque Personalem earundem Naturarum Communicationem, ita necessariam ponimus, ut illa ex hac non possit non fluere“ (37/10; vgl. 38/10). 398 „Realem etiam Naturarum, earundemque Idiomatum, in Persona Christi Communicationem, requirit Redemptionis nostrae firmitas & Certitudo: quae nec sufficiens, nec salutis nostrae efficax dici posset, si Effusio sanguinis, Passio & Mors Christi, ad solam humanam illius Naturam, sine Naturarum mutua & Reali Communicatione, pertinuisset. | Inde totus everteretur quoque Christianismus. Si namque omnia, quae Christus pro nobis vel fecit vel passus fuit, finita essent futura, neque vel infinita hominum peccata persolvere, vel Infinitum offensum Deum, humano generi reconciliare Christus homo potuisset: quod ab Alcoranismo parum abest“ 40|f/11). Vgl. die parallelen Aussagen in den folgenden Disputationen (1619b; 1619c): [C.II.] 3.1.3.1; 3.2.3.6; 3.2.4.3. 399 So, bezogen auf das analoge Phänomen bei Luther: K. HOLL, 1927a, 72 (Anm. ). 400 H.E. WEBER, 1940, I/1, 169–173, hier: 171; bezogen auf die schwäbische Christologie überhaupt. Das von Weber notierte „Übergehen de[s] Person- in den Naturbegriff“ (ibd. 171) kennzeichnet diese Christologie tatsächlich, doch dient es gerade nicht der ‚Entleerung‘, sondern der ‚Konkretion‘ der Person Christi als Vollzug von Kommunikation. Gerade die konsequente Ausarbeitung eines ‚reduktiven‘ Begriffs der Person Christi, die ‚nichts anderes ist als ihre beiden Naturen‘ („non est aliud, quam duae vel ambae suae Naturae“; LC. OSIANDER, 1619c, 40/16; vgl. o. C.II.3.2.3.2), bildet, so wird sich zeigen, eine entscheidende Leistung (nicht nur) der schwäbischen Christologie ‚zwischen‘ der FC und dem Kenosisstreit, von der her sich dann auch die nochmalige Progression von 1619ff verstehen läßt (D.I., D.II.5; D.IV; E.II.).
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kehren: die ontologische ‚Reduktion‘ der Personeinheit steht gerade im Dienst eines Plädoyers für die Relevanz der unio als des kontingenten Geschehens solcher Einheit, die nur im Widerspruch zur essentiellen (‚substanzmetaphysischen‘) Disparität des Vereinigten wirklich ‚ist‘ und bleibt. Denn soll nicht die perennierende Differenz der Naturen die Behauptung ihrer hypostatischen Identität dementieren, muß die Personeinheit als Vollzug der Vermittlung dieser Substanzen konzipiert werden. Das Teilthema der ‚naturarum communicatio‘ benennt den Ort, an dem diese Einsicht ausgearbeitet wird: Die Vorordnung der – bleibenden – Disparität der Naturen als terminus a quo ihrer Vermittlung in der Personeinheit bestimmt die Kommunikation der Naturen näherhin als einen Prozeß, der nie in der Konstitution einer (dritten) Substanz ‚resultiert‘. Die Person-‚Einheit‘ ist nur als ein auf Dauer gestelltes Eins-werden (fieri, constitui) in der Weise einer wechselseitigen Partizipation der Naturen. Der hier nur allgemein charakterisierte Ansatz401 ist jedenfalls durch die einfache Alternative von ‚Personeinheitslehre‘ und ‚Zwei-Naturen-Lehre‘ nicht zu erschließen. Mit dieser Gegenüberstellung hat Th. Mahlmann das spezifische Gepräge der ‚neuen‘ lutherischen Christologie – besonders in deren durch J. Brenz ausgearbeiteter Gestalt – zu fassen gesucht: „Was vor und außerhalb der lutherischen Christologie ‚Zweinaturenlehre‘ heißen kann, hat sie selbst zu einer ‚Personeinheitslehre‘ umgeprägt, die sich als Begriffsinstrument einer biblischen Christologie versteht“;402 lutherische Christologie „ist nicht Zweinaturenlehre, sondern Personeinheitslehre“.403 Hat sich lutherische Christologie von dem, was Mahlmann als Zweinaturenlehre charakterisiert,404 allerdings absetzen wollen, so bleibt diese antithetische Zuordnung doch problematisch. Denn sie verstellt, wie H.Chr. Brandy zurecht einwendet, den Blick auf jenen Skopus lutherischer Christologie, den präzise und für die neuere Forschung grundlegend gerade Mahlmann herausgearbeitet hat: „die Person Christi als Vollzug von Kommunikation aus der Schrift heraus zur Sprache“ zu bringen.405 Eben dies kann nur gelingen, wenn lutherische Christologie sich in formaler Hinsicht als Synthese entwirft und „zweierlei zugleich“ ist: „Sie ist Zweinaturenlehre, insofern sie die essentielle Unversehrtheit zweier distinkter Substanzen festhält. Und sie ist Lehre von der Kommunikationsgemeinschaft der Person“.406 Die Antithetik versagt im Blick auf den ‚komplexen‘ Gegenstand, die Tübinger Christologie zielt gerade auf eine spezifische Verknüpfung dessen, was hier alternativ gesetzt wird: Sie ist ‚Personeinheitslehre‘ als ‚Zwei-Naturen-Lehre‘, und umgekehrt. Ebenso verfehlt ist jene Behauptung eines Gegensatzes von ‚Zweinaturenlehre‘ und ‚communicatio idiomatum‘, wie sie H. Schultz407 als Alternative von ‚(substanzmeta)physischer‘ und ‚ethisch-religiöser‘ Konstruktion der Christologie vorgetragen hat. Seine Behauptung: „Innerhalb des Rahmens der Zweinaturenlehre hat diese ganze communicatio idiomatum doch eigentlich keinen rechten Sinn“, 408 wäre für die lutherischen Christologen völlig unerfindlich, die beides in ein Verhältnis von Grund und Folge setzen; aus der Kommunikation der Naturen folgt notwendig die Mitteilung der Eigenschaften, deren
401
Vgl. ausführlich und im Detail u. D.I., D.II.5; D.IV; E.II. T H. MAHLMANN, 1969, 184; vgl. 196f. 403 T H. MAHLMANN, 1969, 245–249, bes. 245f, hier: 245; vgl., mit anderer Zielrichtung, W. SPARN, 1976, 56 bei u. mit Anm. 12 (234). 404 T H. MAHLMANN, 1969, 244–246. 405 H.CHR. BRANDY, 1991, 169. 406 H.CHR. BRANDY, 1991, 192f, hier: 193. 407 H. SCHULTZ, 1881, vgl. hier v.a. 140ff. 182ff. 408 H. SCHULTZ, 1881, 230; hier bezogen auf den Entwurf von M. Chemnitz. 402
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Träger die Naturen sind.409 Die von K.O. Nilsson gegen H. Schultz gewendete Frage, „ob man sich im Grunde eine durchgeführte communicatio ohne die Zweinaturenlehre vorstellen kann“,410 ist im Blick auf die Tübinger wie überhaupt die klassische lutherische Christologie zu verneinen, und dies nicht nur wegen des ‚metaphysischen‘ Zusammenhangs von Naturen und Idiomen. Für die hier unmittelbar mit dem Bestand der Person Christi selbst verknüpfte Kommunikation ist es entscheidend, daß sie als Geschehen zwischen Verschiedenen entworfen ist; dies macht die bleibende Disparität der zwei Naturen als des Terminus a quo solcher Vermittlung unabdingbar.411
Um das besondere Profil des Tübinger Versuchs, die ‚mysteriis plenissima unio‘ (31/8) von Gott und Mensch im theologischen Begriff einzuholen, zu erfassen, bleibt so zu prüfen: wie löst er die Aufgabe, diese Simultaneität von Differenz und Identität zu explizieren? Wie kann die bleibende Identität der Naturen je für sich, damit ihre Disparität gegeneinander festgehalten und doch mit gleichem Realitätsanspruch die einheitsstiftende Kraft ihrer Vermittlung in der Person dargelegt werden? 2.4 Gleich eingangs der Entfaltung der unio (hier = unitio) naturarum ist Osiander bemüht, die Radikalität der inkarnatorischen ‚Zäsur‘ zu unterstreichen und die realitätssetzende Kraft des – kontingenten, unableitbaren, unvordenklichen, allein der Offenbarung der Schrift nachgesprochenen – Geschehens der Personeinheit gegenüber der zunächst entfalteten Wesensidentität der Naturen zur Geltung zu bringen. Die Inkarnation macht Geschichte – Veränderungsgeschichte: Die hier vollzogene Synthese, das in tempore coiisse der Naturen zur Personeinheit von Gott und Mensch eröffnet einen Prozeß radikaler Neubestimmung beider:412 „Has utrasque Naturas, non ab aeterno, sed in tempore, in personae unitatem coiisse, admirando & ineffabili modo, per inenarrabile, & Rationi humanae incomprehensibile mysterium, sacrae nos docent literae“ (29/8).
Was die in Christus vereinigten Naturen ‚für sich‘ sind, die zunächst festgestellte wesentliche Identität beider (veritas naturarum),413 wird in dieser Wende nicht einfach negiert und überholt. Aber neben diese ‚alte‘ Wahrheit der Differenz des Wesens, die immer galt und weiterhin gilt, tritt die Wahrheit des Füreinander-Seins in gemeinsamer Existenz, die nicht schon immer galt, sondern nun allererst ‚in der Zeit‘ wird, – allein deshalb wird, weil im Vollzug identischer Existenz kraft jenes inkarnatorischen coiisse Gott und Mensch in einem symmetrischen ‚Wechsel‘ je werden, was sie aus sich nicht sind: „Deus ... verus Homo, & Homo verus Deus factus est“ 409
Vgl. o. C.II.3.1.2.1 bei u. mit Anm. 246. K.O. NILSSON, 1966, 187 Anm. 72 (Hervorhebung N.). 411 Vgl. dazu ausführlicher v.a. D.II.5. 412 Zu dem hier Skizzierten vgl. in zusammenfassender Perspektive u. F.III. 413 Christum habere veram divinitatem (8/2); humanae naturae Christ veritas (20/6; vgl. 21/6). 410
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(30/8). Diese ‚neue‘ Wahrheit wird konstituiert durch die Konstitution der Persona Christi; in tempore geworden tritt sie neben (gegen!) die (für den Logos) ab aeterno geltende Wahrheit wesentlicher Identität, ihr Fundament ist allein der Vollzug der Kommunikation in dieser Person. Entsprechend ist die Struktur dieser Person zu bestimmen: als Prozeß der Partizipation des gegeneinander Fremden, der diese ontologische Distanz vermittelt, ohne sie abstrakt zu negieren. Dieses Geschehen eines doppelten Werdens meint die Schrift, wenn sie von der ‚Fleischwerdung‘ des Logos, der ‚Offenbarung Gottes im Fleisch‘ spricht;414 für die Geschichte dieser Bewegung steht die Abbreviatur: unio personalis. ‚Christus‘ ‚ist‘ dieser Vollzug der reziproken Vermittlung von Gott und Mensch: „die Koinzidenz der Theogenese des Menschensohns mit der Ensarkose des Gottessohnes“.415 2.5 In modaler Hinsicht unterliegt die Symmetrie gott-menschlichen Werdens einer bestimmten Einschränkung. Während der Logos der inkarnatorischen Vermittlung ‚in tempore‘ präexistent ist, wird die menschliche Natur in dieser, ja durch diese Vermittlung allererst geschaffen; kraft der ihr gewährten Partizipation an der Subsistenz des Präexistenten gelangt sie ins Dasein. Die Konstitution (im engeren Sinn) der gottmenschlichen Person ist so durch einen einlinigen Richtungssinn charakterisiert, der sachgemäß und theologisch unverzichtbar ist; er stellt sicher, daß die Inkarnation freie Selbstbestimmung Gottes zum Weg in die Tiefe ist. Die modale Näherbestimmung der Einigung (uni[ti]o) als assumptio (humanitatis) verankert dieses Gefälle, das Prae der göttlichen Initiative und das reine Emp414 „Ομολογουμενωσ [sic!] etenim, magnum (ut Paulus ait,) Pietatis (isthoc) est Mysterium, (quod) Deus manifestatus est in carne. 1.Timoth. 3.v.16. Et: Verbum Caro factum est. Joan. 1.v.14. id est; hac ineffabili & imperscrutabili Unione, Deus (secunda Trinitatis Persona) verus Homo, & Homo verus Deus factus est“ (30/8). – Osiander verknüpft mit 1.Tim 3,16 und Joh 1,14 zwei jener Belege, die dann auch das Schreiben vom 1.9.1619 zusammenstellt (o. C.II.2.2.3). 415 Die Formulierung entlehne ich A.W. HUNZINGER, 1908, 191,47f (dort als Zusammenfassung des ‚Grundgedankens‘ der Christologie J. Brenz’). – Die genaue Fassung der hier beiläufig notierten Koinzidenz von Theogenese und Ensarkose stellt eines der kardinalen Konstruktionsprobleme der lutherisch-schwäbischen Christologie dar, bei deren Begründer Brenz (vgl. u. C.IV.2.6.2/3) nicht anders als nun bei den neuen Tübingern. Diese streifen zwar schon 1619 dieses Problem, wenn sie die (‚ensarkische‘) quaestio altera de subiecto passionis Christi als zweiten Differenzpunkt neben der (‚theogenetischen‘) Frage der communicatio Majestatis notieren. Und die für die ‚theogenetische‘ These der kontinuierlichen Partizipation der Menschheit an der Allgegenwart vorgebrachten Argumente rekurrieren nicht nur einmal faktisch auf Motive des ‚ensarkischen‘ Themas der passio Christi, ohne daß der damit beanspruchte Zusammenhang beider Themen eigens thematisiert würde (o. [C.II.] 3.2.3.6; 3.2.4.3). Es wird sich zeigen, daß genau die Frage der Symmetrie der christologischen Kommunikation ein entscheidendes Movens der Geschichte lutherischer Christologie in der nachkonkordistischen Phase ist; die seit etwa 1600 zu notierenden Versuche einer optimierten Lösung dieser Frage bilden eine wesentliche Voraussetzung der neuen Tübinger Christologie (vgl. D.I.).
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fangen seitens der Menschheit, in der Beschreibung des inkarnatorischen fieri selbst: Logos assumpsit, natura humana assumpta est. Unter dieser Vorgabe stellt sich das Simul von wesentlicher Identität (manere; naturae veritas) und inkarnatorischer Neubestimmung (fieri; factus verus Homo/Deus), so entschieden es in der Sache beide Naturen betrifft, modal je unterschiedlich dar: Die Menschheit existiert von allem Anfang an als durch Wesen und Vereinigung doppelt bestimmte, weil sie durch das ‚factus verus Deus‘ allererst wird. Dagegen eignet dem Logos eine ‚Vorgeschichte‘ „ab aeterno“, die ausschließlich durch sein unveränderliches Wesen bestimmt ist. Diese Identität soll von der Inkarnation nicht schlicht aufgehoben werden; sie darf andererseits aber auch nicht dergestalt festgeschrieben werden, daß jene emphatisch reklamierte ‚geschichtliche‘ (in tempore) Neubestimmung auch des Logos unterlaufen wird. Vielmehr ist die für die Konstitution der Personeinheit allerdings unverzichtbare zeitliche und sachliche ‚Priorität‘ des Logos so mit der Symmetrie des inkarnatorischen Werdens zu vermitteln, daß die Personeinheit nicht auf Dauer durch ein intransigentes Gegenüber von Aktivität und Rezeptivität gekennzeichnet ist. Die Prävalenz des Logos ist als Moment der Einheit und Kommunikation der beiden Naturen zu fassen. Denn würde die asymmetrische Logizität der Konstitution festgeschrieben, wäre das vorgeblich radikal Neue – omnium novorum maxime novum416 – doch nur unter den Bedingungen des Alten gedacht, lediglich als dessen Ergänzung aussagbar.
2.6 Dieser Aufgabe, die konstitutive Prävalenz der Logoshypostase und zugleich die paritätische Bedeutung der angenommenen Menschheit für den Bestand und die Identität der Person Christi festzuhalten, sucht die Verwendung eines doppelten Personbegriffs gerecht zu werden. Osianders Erläuterung der Modalität der unio personalis macht dies deutlich: „Talis [sc. personalis] autem dicitur [vnio], (non quasi Persona Personae, sed) quia Natura humana in Persona του λογου Naturae divinae aeterni Filii Dei eo unita est modo, ut ambae pronunc Naturae non duas sed unam constituant Personam, quae est & appellatur CHRISTUS.“417
An der ersten Stelle benennt ‚Persona‘ (του λογου) die präexistente Hypostase des Logos als den ‚Ort‘ und das ‚Band‘418 der Vereinigung der göttlichen Natur des Logos mit der Menschheit. Hingegen steht ‚Persona‘ an der zweiten Stelle für das ‚Resultat‘ dieses Geschehens, die von beiden Naturen neu (pronunc) konstituierte Person ‚Christus‘. Terminus in quo und Terminus ad quem,419 ‚Prinzip‘ und ‚Resultat‘ der unio420 stehen hier nebeneinander. Die unio ist diese Bewegung vom Terminus in quo, der Persona simplex des Logos, zum Terminus ad quem, der persona composita Christi. Doch existiert das ‚gewordene‘ Neue andererseits nicht als die einfache Ablösung des Alten. Die Persona composita, Christus, entsteht aus den 416
M. HAFENREFFER, 1618a, 5 (vgl. o. C.II.2.2.1.1). 34/9; die Naturen als die „partes (ut ita loquamur) constituentes Christum“ (5/2). 418 ‚in persona‘: vgl. das zum ‚terminus (in quo) unionis‘ Dargelegte (o. C.II.2.2.1.1). 419 Vgl. o. C.II.2.2.1.1. 420 In Anlehnung an K. B EYSCHLAG, 1991, II/1, 16f. 417
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beiden Naturen, dies aber nicht als deren – wesensverwandelnde – Synthese zu einer neuen Substanz. Aber diese unerläßliche Abgrenzung dementiert nicht, sie unterstreicht, daß die unio die irreversible Konstitution einer neuen Größe – res κατ’ εξοχην nova421 – meint. Logos und Christus, persona simplex und persona composita sind nicht identisch. In diesem Sinne gilt: Christus ist des Logos Ende! Eine nähere Entfaltung des doppelten Personbegriffs fehlt. Sind die Konsequenzen dieses Ansatzes schon klar gesehen? Die summierende Beschreibung der unio personalis, die den mittleren Teil der Synopticae Assertiones abschließt (36/10), steht jedenfalls in auffälliger Spannung zu den bisher erhobenen Festlegungen. Osiander zitiert hier, ohne Verweis, für die Tübinger Hörer aber deutlich, die entsprechende Definition aus dem ‚offiziellen‘ Lehrbuch der Fakultät, M. Hafenreffers Loci Theologici.422 Osiander, Synopticae Assertiones, 1619
Hafenreffer, Loci Theologici, 1609
Unionem autem Personalem dicimus esse duarum in Christo Naturarum divinae nimirum & humanae
[Unio personalis] Est duarum in Christo Naturarum
indissolubilem & talem Coniunctionem, qua aeternus Dei Filius in temporis plenitudine humanam Naturam, in Personae suae Unitatem non sine Reali communicatione (salvis & inconfusis manentibus iisdem Naturis, & earum Proprietatibus) assumpsit; atque in ea & per eam personaliter assumptam, non tantum Redemptionis opus absolvit, sed & iam quoque in eadem, & per eandem omnibus creaturis ubique praesens, potenter dominatur.423
421
ineffabilis quidem, & omnem rationis humanae captum excedens indissolubilis tamen & talis Coniunctio, qua aeternus Filius DEI, in temporis plenitudine humanam naturam, in Personae suae unitatem, non sine reali naturarum, earundemque proprietatum κοινωνια
assumpsit: atque in ea non tantum Redemptionis opus absoluit, sed iam quoque per eandem omnibus ubique creaturis praesens & potenter dominatur.424
„Creatorem fieri Creaturam, Deum esse Hominem, & Hominem esse Deum, est Res κατ’ εξοχην NOVA“ (HOECKER, Clavis Philosophica, 1613, 418). Vgl. dazu auch o. C.II.2.2.1.1 bei u. mit Anm. 146 und weiter u. D.I. 6.2, 7.2; D.IV.2. 422 4. Aufl. 1609 (= 3. Aufl. 1603). Vgl. dazu näher u. D.I.2./3. 423 LC. OSIANDER, 1619a, 36/10 424 M. HAFENREFFER, Loci, 1609, 264.
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C. Die ‚neue‘ Tübinger Christologie in statu nascendi
Was Osiander hier der Vorgabe Hafenreffers entlehnt, trägt deutlich andere Akzente als seine vorangehenden Festlegungen. Es fehlt die Charakterisierung der unio als einer symmetrischen Neubestimmung der Naturen im Prozeß jenes fieri, durch den der Logos zum ‚Christus‘ ‚wird‘, Christus ‚konstituiert‘ wird. Wenn die assumptio die Mitteilung zwischen den vereinigten Naturen impliziert (non sine Reali Communicatione), die Unio grundlegend als Geschehen zwischen den Naturen bestimmt wird, ist jenes fieri gewiß nicht bestritten. Auch bei Hafenreffer gilt die unio selbstredend nicht als Episode (indissolubilis coniunctio), ist die Bewegung der assumptio irreversibel. Und doch wird hier die inkarnatorische Zäsur zwischen dem ewigen Logos und dem in tempore allererst konstituierten Christus, die der doppelte Personbegriff pointierte, abgeschwächt und gleichsam überbrückt. An die Stelle einer – recht verstandenen – Parität der vereinigten Naturen hinsichtlich der Persona Christi tritt das einlinige Gefälle von Aktzentrum (Logos) und instrumentell zugeordnetem Medium von Tätigkeit (natura humana): aeternus Dei Filius (humanam naturam assumpsit ... atque) in ea & per eandem ... Redemptionis opus absolvit ..., in eadem, & per eandem ... dominatur. Die syntaktische Konjunktion – atque – indiziert eine sachliche Kontinuität. Die ‚zeitlich‘-sachliche Priorität des Logos, der seiner inkarnatorischen Neubestimmung gegenüber prae-existent ist und zu Recht das bestimmende Prinzip der Konstitution der persona composita bildet (aeternus Dei Filius assumpsit), wird prolongiert und als bleibendes Strukturprinzip auch des Konstituierten fixiert. Das manere und das fieri sind nicht in jenes paritätische Verhältnis gesetzt, welches die Tübinger These fordert. Stattdessen bestimmt die Logizität der vorinkarnatorischen, mono-physischen persona simplex die Binnenverhältnisse auch der dyo-physischen persona composita. Daraus resultiert eine Asymmetrie, die der natura humana nur den Status eines – wenngleich persönlich verbundenen – Mediums spezifischer Wirksamkeit des Logos zuweist, während dieser auch das inkarnatorische Kompositum allein regiert (aeternus Filius Dei in ea [natura humana] & per eandem Redemptionis opus absolvit & ... dominatur). Das paritätische Verhältnis beider Naturen, die ‚in‘ der Logoshypostase die Person Christi gemeinsam ‚konstituieren‘, ist in dieser Hierarchie von Aktzentrum und disponiblem Organ nicht zur Geltung zu bringen.
2.7 Massivere Irritationen löst Osianders Rückgriff auf Hafenreffer in einer zweiten Hinsicht aus. Im originären Kontext des Zitats ist eindeutig festgestellt, was auch der transponierte Text noch deutlich genug festhält: Die zwei Elemente des in sich differenzierten Logoshandelns (Redemptio; Gubernatio) stehen, soweit sie durch die Menschheit vollzogen werden, in zeitlicher Abfolge; und das den Übergang markierende iam ist auf die Zäsur der beiden Status Christi bezogen: Das opus Redemptionis gehört dem Stand der Entäußerung an, der instrumentelle (in/per) Einbezug in das omnipräsente Weltregiment des Logos widerfährt erst der erhöhten natura humana. Kurz: Der Literalsinn des Zitats kommt überein mit jener These Mentzers, die die Tübinger Theologen wenige Monate später als Preisgabe lutherischer Christologie verwerfen werden. Hier, in dem Text aus dem Mai 1619, fehlt dagegen jede Abgrenzung von dieser Fassung der Statusdifferenz. Eine Frontstellung gegen Mentzer ist noch nicht erkennbar.425 425 Auch die Wendung (allein) gegen die ‚Calvinisten‘, welche die Unio per negatam Omnipraesentiam (sc. carnis) auflösen, ist noch ohne jeden Bezug auf die Statusdiffe-
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2.8 Auf der Folie solcher Unklarheiten426 wird die neue Grundorientierung umso deutlicher, die literarisch erst ab dem Spätsommer 1619 belegt ist.427 Normierender Bezugspunkt ist das Verständnis der unio personalis als Konstitution einer ‚neuen‘ Person, für die beide Naturen paritätischkonstitutive Bedeutung haben. Diese symmetrische Struktur unterscheidet die Persona Christi von der monozentrisch verfaßten Persona simplex des Logos (asarkos). Unverträglich mit dieser Festlegung ist jeder Versuch, die natura humana nur als instrumentelle ‚Erweiterung‘ der persona simplex zu denken und ihr konkretes Dasein einer voluntativen Konditionierung durch den Logos zu unterstellen. Bestimmt wird das Dasein der Menschheit fundamental und kontinuierlich allein durch die ‚Ontologie‘ der durch sie mitkonstituierten Persona composita, es muß der Grundbestimmung der Perrenz: „... diserte ... rejicimus & improbamus Calvinianos, arctissimam hanc Unionem per negatam Omnipraesentiam humanae Naturae Christi, in Λογω, quantum in ipsis, tollentes & solventes. Quamprimum enim λογοσ [sic!] sine carne (post Incarnationem) fingitur: statim quoque Unio Personalis solvitur & negatur“ (35/9). Vgl. dagegen die genau hier eindeutig akzentuierten Voten der Tübinger Texte vom August und Dezember 1619; pars pro toto: LC. OSIANDER, 1619b, 81/32 (o. C.II.3.1.2.2). 426 Weitere Exempel: Auch die vom Respondenten, L.O. Wallius, verfaßte, doch unter Hafenreffers Präsidium – also mit dessen Approbation – am 26./27. Februar 1619 verteidigte ‚De Servatore Jesu Christo Disputatio problematica‘ [HAFENREFFER 1619] vertritt noch ‚unbedenklich‘ die ‚Gießener‘ Fassung der Status-Differenz: „An Christo, ad Dexteram Dei sessione, infinita & increata gloria cesserit?“ – „Nos … affirmativam de idiomatum humanae in Christo naturae communicatorum plena usurpatione intelligentes“ (XXX/38f, hier: 38)! – Andererseits nimmt in der ebenfalls von Hafenreffer präsidierten ‚Disputatio Theologica De Persona Christi‘ vom 25. September 1618 (HAFENREFFER 1618) der Respondent und Verfasser Johannes Geilfusius gegenüber ‚Olevians Syllogismus‘ seine Zuflucht weder zur Restriktion der Omnipräsenz auf den Status exaltationis (so Mentzer; o. C.II.2.4.4 bei Anm. 220) noch auch zur bloßen ‚praesentia intima‘, sondern entwickelt eine modale Differenzierung, die eine übernatürliche Präsenz auch der entäußerten Menschheit kennt: „[Einwand:] Si carnem ubique non ponere est Christum in duos dividere, sequitur & nos [Lutheranos] duos Christos tempore exinanitionis credidisse. Nam caro in utero virginis, in partu, in stabulo, in templo, in cruce, ubique esse non potuit“ (124/13). – „Resp. Consequentiam nego, & probatio ad rem nihil fa|cit, quia expiat omnis contradictio, quando corpus Christi non nude consideramus ex proprietate Naturae, sed etiam ea quae ex gratia unionis personalis est“ (125/13|f), – so war Christi Menschheit „in uno loco & in pluribus locis, in utero & extra uterum“, das eine „ex proprietate naturali“, das je andere „ex subsistentia personali“ (126/14). „Nondum enim adversarii probarunt, actum Naturalem & Personalem esse oppositos, vel unum & idem, vel impossibile esse, duo actus primos in una persona Christi, ratione Humanitatis, inveniri“ (127/14; vgl. 132/14; zur Unterscheidung von actus naturalis/personalis vgl. u. D.IV. 2.2.2.1 bei u. mit Anm. 746). Diese Replik ist (scheint?) hinsichtlich der Allgegenwart jedenfalls ‚offen‘ für die ein halbes Jahr später belegte neue Tübinger These. Hinsichtlich der Allmacht schweigt der Text. 427 Sc.: T HUMM 1619a (13.14. Aug. 1619); OSIANDER 1619b (27. Aug. 1619); Fakultätsschreiben vom 1. Sept. 1619. Vgl. o. C.II.2.5.
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sona Christi als einer symmetrischen Neubestimmung der Naturen im Vollzug gemeinsamer Existenz – ‚nichts anderes‘ ist Christus428 – entsprechen. Im Gegenzug sind alle Bestimmungen ausgeschlossen, die de facto und in der Konsequenz die inkarnatorische Zäsur hintergehen und auf das Zuvor der Persona simplex zurückgreifen. – Dies bedeutet näherhin: (1.) Die konstitutive Bedeutung der natura humana, ohne die eine Differenz des inkarnatorisch gesetzten Neuen gegenüber dem Logos asarkos als dem Terminus a quo der Konstitution Christi nicht festzuhalten ist, muß in allen Aussagen über Dasein und Tun dieser neuen Person zur Geltung gebracht sein, – oder es wäre gar nicht vom Dasein und Tun dieser neuen Person die Rede. (2.) Aus dieser einfachen und als solche binnenlutherisch untrittigen Festlegung ziehen die Tübinger die elementare Folgerung einer Mit-Gegenwart der Menschheit an allen ‚Orten‘ der Gegenwart dieser Person. Nur als Kopräsenz der Naturen als der konstituierenden Teile Christi (partes constituentes Christum) ist die Gegenwart der persona composita ausgesagt, die ‚nichts anderes‘ ist als die (vereinigten) Naturen. Aufgrund der unaufhebbaren Allgegenwart der unveränderlichen göttlichen Natur realisiert sich diese Kopräsenz des Vereinigten näherhin als Mitbeteiligung der Menschheit an diesem ubiquitären göttlichen Weltverhältnis. Es ist dieser Konnex, der für die Tübinger die omnipraesentia carnis in den Rang einer christologischen Zentralfrage rückt: An ihr hängt nicht weniger als die Identität und Integrität der Persona Christi. (3.) Weil in der ‚Ontologie‘ der Person Christi selbst verankert, ist die Allgegenwart der Menschheit notwendig und invariant gegeben. Die Formel ihrer Demonstration ‚solius personae consideratione‘ formuliert die methodische Konsequenz dieser Sicht. Ausgeschlossen ist im Gegenzug Mentzers Versuch, die operativ gedachte Allgegenwart als Element des Handelns (officium) Christi zu begründen, das deswegen einer voluntativen Konditionierung unterliege und näherhin nach Maßgabe der biblischen Promissio zu entwickeln sei. In allem Tun Christi muß diese Allgegenwart vielmehr schon vorausgesetzt sein; als konstitutive Bedingung der Identität und Integrität des handelnden Subjektes kann sie keinesfalls erst Gegenstand und Resultat des Handelns sein. Jede Sistierung der Allgegenwart bedeutete eo ipso die Aufhebung des Subjektes ‚Christus‘. (4.) Der Grundbegriff dieser Christologie stellt die Aufgabe, die Verankerung der omnipraesentia carnis in der unio personalis selbst konstruktiv darzulegen – sie am Akt des componi der Person Christi, am Geschehen des coire in tempore von Gott und Mensch auszuweisen. Die Argumente aus dem terminus unionis, der Perichorese und aus dem Begriff der unio, wie sie das Fakultätsschreiben und die Disputationen vom August und Dezember 1619 vortragen, stellen sich diesem Anspruch – ihn umfassend und abschließend einzulösen vermögen diese frühen Texte indes noch nicht.
3. Ubi Deus, ibi necessario Homo 3.1 Das fundamentaltheologische (o. III.1) und das materiale (III.2) Charakteristikum des Tübinger Arguments kommen zusammen in jener Formulierung, mit der Osiander seine Begründung der omnipraesentia carnis unmittelbar aus der unio personalis resümieren kann: 428 „… qui [Christus] post Incarnationem non est aliud, quam duae vel ambae suae Naturae in una Persona“ (OSIANDER, 1619c, 40/16); vgl. o. C.III.2.3.
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„ubicunque λογος totus ... ibi quoque Carnem, quae in TOTO hoc est λογω, cum eodem 429 λογω quam praesentissimam esse, necessario consequitur“.
Der Tübinger Rekurs auf die Personeinheit erscheint hier in der Figur des Konditionalsatzes: ubi Deus, ibi (necessario) Homo. Die Gegenwart der tota persona ist notwendig als Kopräsenz beider Naturen zu denken, die dieses Ganze konstituieren. Als Implikat dieser Vereinigung – ipsa unio postulat430 – besteht diese Kopräsenz invariant, die Zäsur der Stände übergreifend. Daß die notwendige Mit-Gegenwart (ibi quoque) der Menschheit sich näherhin als deren Allgegenwart realisiert, ist mit dem Konditional ‚ubiibi‘ allein noch nicht gesetzt; dies ergibt sich aus der in der Protasis unterstellten weiteren Festlegung: Das ubi(cunque) Gottes meint in der Sache sein ubique-esse. – Die Tübinger Deduktion verknüpft also einen christologischen und einen theo-logischen Satz; sie lautet vollständig: – (1.) Ubi Deus (logos), ibi (necessario) Homo (caro). – (2.) Deus (logos) est ubique / omnipraesens. – Homo Christus (caro) (necessario) est ubique. 3.2 Eine konzise Beschreibung dieses Arguments gelingt, ein knappes Jahrzehnt vor dessen konsequenter Ausarbeitung durch die neuen Tübinger, en passant jenem scharfsichtigen Kritiker der schwäbischen Christologie, auf den schon einmal Bezug zu nehmen war. In seinem Brief an M. Hafenreffer vom 18.8.1610, der einige der neueren christologischen Entwicklungen in Tübingen rezensiert,431 moniert J. Kepler das völlig unzulängliche Fundament der lutherischen Christologie, wie sie in der FC ihre fatale Ausformung gefunden habe. Deren reformierte wie jesuitische Kritiker beriefen sich zu Recht auf das nach Umfang und Klarheit überwältigende Gegenwort der altkirchlichen Christologie. Was aber bietet die lutherische Apologetik gegen diese bezwingende vis antiquitatis auf? Verdächtigungen, umbiegende Interpretationen, keine klaren Schriftbelege, nichts Sachhaltiges, – „nur jene zuerst von Luther im Jahr [15]26 ersonnene und von Jacob Andreae und anderen ausgebaute Schlußfolgerung von der Allenthalbenheit Gottes und der Vereinigung mit dem Fleisch [Christi] auf die Allgegenwart d[ies]es Fleisches“: ratiocinatio ab (1.) ubiquitate Dei et (2.) Unione cum carne ad omnipraesentiam carnis.432 429 Disputatio de praesentia divina, 1619c, 26/10. – Weniger präzise die parallele Wendung: „ut ... ubi ubi sit & subsistat ο λογος, ibi necessario unitam sibi humanam suam Naturam habeat quoque praesentissimam“ (24/9). Auch wenn das sibi hier syntaktisch mit dem vorangehenden unitam zu verbinden ist, könnte dieser Satz, isoliert gelesen, im Sinne der Mentzer’schen Beschränkung auf die Erschlossenheit der Naturen für einander (sibi praesentem habere) in Antithese zur Weltpräsenz des Verbundenen verstanden werden. Demgegenüber hält der erste Satz die für die Tübinger charakteristische Verknüpfung von Ontologie und Weltverhältnis fest, wenn er von der Subsistenz der natura humana „in λογω“ auf deren Kopräsenz „cum eodem λογω“ schließt. 430 Vgl. o. C.II.3.1.2. 431 Werke (im folgenden: W) XVI, Nr. 586 (S. 324–327); bes. S. 326f, Z.71–113; vgl. o. C.I.1.2. – Kepler kommentiert hier die christologischen ‚Neuerungen‘ Michael Schaefers (Z.71–79; vgl. o. C.I.1.4) und Thomas Wegelins (vgl. o. C.II.2.5.3). 432 „Sensi vim antiquitatis in pectore ... frustra vos [Württembergici] me circa Personam Christi de studio Calvini suspectum habere (ut audio fieri); nihil in Calvini, qui no-
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3.3 Keplers genetische Verortung der schwäbischen ratiocinatio trifft jedenfalls im ersten Fall das Richtige. Ubi Deus, ibi (necessario) Homo – diese Auslegung der christologischen unio läßt die berühmten Sätze aus Luthers großer Abendmahlsschrift von 1528 anklingen; das dort vorgetragene christologische Argument für die Möglichkeit der Realpräsenz spitzt den Rekurs auf die Personeinheit auf ein – prima facie – identisches Fazit zu: „wo du kanst sagen / Hie ist Gott / da mustu auch sagen / So ist Christus der mensch auch da ... wo Gott ist / da ist auch der mensch“.433 Auf diese, ihnen v.a. durch die Rezeption in der Konkordienformel vermittelten Sätze des Reformators haben sich die ‚neuen‘ Tübinger, hier homophon auch mit Keplers Korrespondenzpartner Hafenreffer,434 von den frühen Voten im Briefwechsel bis hin zu den monumentalen Streitschriften aus der Hochzeit der Kontroverse unbeirrbar berufen.435 Dieser Rückgriff wiederholt auf seine Weise die analoge Anknüpfung jenes Mannes, der die schwäbische Christologie ein halbes Jahrhundert zuvor auf den Weg gebracht hat: Durch Luther angestoßen und doch eigenständig, baut nicht erst Jacob Andreae, sondern Johannes Brenz das Argument des ‚ubi Deus, ibi vus est, gratiam fieret, nisi antiquitas persuaderet. Tunc autem persuadet antiquitas, cum vos mussatis erraverit hic et ille Pater necne, cum haec et illa scriberet, et cum verba ejus a communi usu abducitis et cum sensui, qui Jesuitis et Calvinianis servit nihil opponitis, nisi illa a Luthero anno 26. primum inventam et a Jacobo Andreae et ceteris amplificatam ratiocinationem ab ubiquitate Dei et unione cum carne ad omnipraesentiam carnis. Nam si expressa verba scripturae opponeretis, caro Christi est ubique, citra figuram, caderet apud me antiquitas ...“ (ibd. [Anm. 431] Z.102–113). – Inwieweit die schwäbische Christologie um 1610 durch Keplers Beschreibung zutreffend charakterisiert ist, darf hier unerörtert bleiben. Das zentrale Argument der ‚neuen‘ Tübinger von 1619ff ist exakt getroffen: der Versuch einer deduktiven (ratiocinatio ab ... ad) Begründung der omnipraesentia carnis durch syllogistische Verknüpfung einer theo-logischen (1.) und einer christologischen (2.) Prämisse. 433 LUTHER, Vom Abendmahl Christi, 1528; StA 4, 91,32–34; 95,25; vgl. 92,10–12; 97,1f; 102,29–103,15 (bes. 102,31–103,1; 103,4–6). 434 „Carnem [Christi] suae Naturae proprietate esse in vno loco; sed respectu vnionis personalis, qua λογος extra suam carnem nunquam et nullibj est, esse omnipraesentem. Lutherus ait; wo du mir Christum Gott hinsetzest, da mustu mir auch Christum den Menschen hinsetzen. Haec enim Caro ipsius του λογου Caro est, et vbi λογος, ibidem eiusdem est Caro. Vel soluta est vnio personalis, et divisus Christus“ (Hafenreffer an Kepler, 31. Juli 1619, W 17, Nr. 847, 367–371, hier: 370, Z.119–124 [= Acta Mentzeriana 62–68, hier: 66]; Hervorhebung U.W.). – Vgl. o. C.I.1.2/4. 435 Vgl., pars pro toto, als Eckpunkte: einerseits Thumms Brief an Mentzer vom 22. Nov. 1620 (Acta Mentzeriana 93–127, hier 118f mit Zitat [deutscher Text] von FC SD VIII 81–84 [BSLK 1044,9–1045,16; vgl. StA 4, 91,20–92,12 / WA 26, 332,24–333,9]); anderseits T HUMM, Repetitio, 1624, 96–98; dort 97 Zitat (lat. Text) von SD VIII 81.82.84 (BSLK 1044,12–21.35–44; 1045,15–21 [vgl. StA 4, 91,20–24; 91,31–92,2; 92,10–12]). – Auf denselben Textzusammenhang (SD VIII 80ff) bezogen auch O SIANDER, Informatio, 1620c, 10–12.46; M. NICOLAI, Consideratio, 1622/1676, 36f.
IV. Problemgeschichtliche Profile
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Homo‘ zu einem zentralen Element seiner Christologie aus. – Das noch einmal besondere Profil, das diese tradierte ratiocinatio ab unione et ubiquitate nun bei den ‚neuen‘ Tübingern erhält, soll, einsetzend bei Brenz, durch den kontrastierenden Bezug auf wesentliche ‚Knotenpunkte‘ der vorlaufenden schwäbischen Christologie konturiert werden.
IV. ‚ratiocinatio ab ubiquitate Dei et unione cum carne‘? – Problemgeschichtliche Profile IV. Problemgeschichtliche Profile
1. Die ‚neuen Tübinger‘ und Johannes Brenz „... cum Deus & homo sint in Christo una persona & Christus sedeat ad dexteram Dei, necessario sequitur, quod ubicunque sit Deus, ibi etiam sit homo ille, qui in unitatem personae a Deo assumptus est“.
Die These der koextensiven Präsenz von Gott und Mensch als des notwendigen Implikats der personalen Einheit beider bildet die Summe des christologischen Arguments, mit dem Johannes Brenz 1557 in den 2. Abendmahlsstreit eingreift.436 Der Versuch des Stuttgarter Propstes, auf dieser Basis eine dem römischen Modell der Transsubstantiation konträre Begründung der Realpräsenz zu entwickeln,437 zieht den heftigen Widerspruch 436 Der Text findet sich im einleitenden ersten Teil des Abendmahlstraktats von Brenzens Verteidigungsschrift für die Confessio Virtembergica: Apologia ..., 1557, II/2, 790 (= Opera 8, 511). In diesen Ausführungen – Analyse bei MAHLMANN, 1969, 134–174 – entwickelt Brenz „knapp, aber sehr präzise alle wichtigen Grundzüge seiner späten Christologie“ (B RANDY, 1991, 47f, hier: 47). Etwas früher hatte Brenz das Argument des ubiibi schon auf dem Stuttgarter Kolloquium mit Johannes a Lasko (22.5.1556) vorgebracht (CR 44, 161; B RANDY, 1991, 46f, bes 47 bei u. mit Anm. 13). – Ergänzend hat W. J ANSE auf einen „Brief Brenzens an [Albert] Hardenberg über die Gegenwart des Leibes Christi im Abendmahl, geschrieben zwischen Dezember 1544 und Ende 1546“, hingewiesen, in dem der Sache nach „bereits alle Hauptpunkte der neuen, brenzschen christologischen Begründung der Ubiquität vorhanden sind“ (1994, 326.327): „Der Brief zeigt, dass Brenz nicht erst 1556 in Stuttgart oder 1557 in der Einleitung seines Kapitels De eucharistia in der Apologia Confessionis oder (vorläufig erst im Ansatz) 1547 in der ersten von | drei 1556 herausgegebenen Predigten seine neue Christologie entwickelt hat. Schon ansatzweise im zweiten Druck seines Johannes-Kommentars 1528 vorhanden, ist sie, wie sich herausstellt, bereits zwischen Ende 1544 und Ende 1546 ausgereift. Was 1557 veröffentlicht wird, steht bereits zehn Jahre vorher in nuce aufgeschrieben, wobei der Brief selbst viel von einem Entwurf für die Veröffentlichung von 1557 hat. Es ist Brenzens Konkordienwille, der ihn in diesen Jahren noch schweigen lässt, bis ihm 1556 seine Neutralität von beiden Seiten Feindschaft einzubringen droht“ (330|f). – Vgl. auch J. B AUR, 2007, 241 bei u. mit Anm. 436. 437 Zur Frage der systematischen Zuordnung von Christologie und Abendmahlstheologie bei Brenz vgl. die eingehende Analyse und Darstellung von BRANDY, 1991, 115–132. 133 –136.
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altgläubiger, calvinistischer und philippistischer Theologen auf sich. Doch auch innerhalb des lutherischen Lagers, auf das Brenzens Votum primär zielt,438 werden Bedenken laut. Jener Kritik und dieser Reserve durch eine ‚etwas ausführlichere‘ Erklärung jenes ‚von einigen‘ ‚krass‘ mißinterpretierten Spitzensatzes zu begegnen, nennt Brenz dann 1561 ausdrücklich als die Absicht seines erneuten Eintritts in die Debatte über Christologie und Abendmahl.439 Seine jetzt in dichter Folge entstehenden 4 christologischen Spätschriften440 entwickeln eine Neufassung des Begriffs der unio personalis, die in dem vielmals – „etwa fünfzigmal“441 – wiederholten Leitsatz des ubi Deus, ibi Homo ihre pointierte Formulierung findet.442 1.1. ‚Rationale‘ Auflösung des Schriftzeugnisses? 1.1.1 Gerade diese kardinale These der Grundlegung schwäbischer Christologie hat Th. Mahlmann zum Hauptpunkt seiner Kritik an Brenz gemacht.443 Sein Einspruch gilt nicht schon der Explikation der Personeinheit durch das ubi Deus, ibi Homo als solcher, sondern jener Näherbestimmung, die dann für die ‚neue‘ Tübinger Christologie von 1619ff konstitutiv sein wird: der Kennzeichnung dieser Kopräsenz von Gott und Mensch als eines ‚Notwendigkeitszusammenhangs‘ (necessario sequitur). Ihr Gewicht bezieht Mahlmanns Kritik nicht zuletzt daraus, daß sie sich von einem in der älteren Literatur recht stereotyp vorgetragenen Topos abgrenzt und nicht einfach mit der dem „schlichten Wirklichkeitssinn“ 444 vorgeblich evidenten Unmöglichkeit argumentiert, die Brenzens zentraler These anhafte: „es sei eben absurd, die notwendige Weltgegenwart Jesu von Gott her zu behaupteten und zu gleicher Zeit ... zu betonen, man meine mit diesem Namen den Lebenszusammenhang des Mannes aus Galiläa“. „Dieser Einwand greift zu kurz“, denn er ignoriert: Brenz will die Omnipräsenz Jesu nicht crasso modo als räumlich-lokale ‚Expansion‘ einer finiten Größe ins Unendliche,445 sondern strikt als Partizipation am Weltverhältnis Gottes und also unter Voraussetzung der Gott eigenen 438
Vgl. BRANDY, 1991, 48. De personali Unione (ed. MAHLMANN 1981), 4,4–22. 440 De personali Unione (Januar/Februar) 1561; Sententia (Sommer) 1561; De maiestate (September) 1562; Recognitio (Frühjahr) 1564. Vgl. BRANDY, 1991, 54–60.69. 441 MAHLMANN, 1969, 224. 442 Vgl., pars pro toto: De Personali Unione 18,19–26; Sententia 128,34–130,3; De Maiestate Christi 218,31–220,10; 228,5–10; 232,10–15; 254,19–24. 443 MAHLMANN, 1969, 153–165, bes. 158ff; DERS. 1970, 178–184.193–197.224f. – Die 1990 signalisierte Selbstkorrektur Mahlmanns in der Gesamtwertung der Entwicklung lutherischer Christologie (1990, 143) dürfte auch seine Brenz-Kritik betreffen. Doch interessieren seine Aufstellungen im folgenden nur als theologisch gewichtige Ausarbeitung jener Anfragen, die an Brenzens Argument und, soweit sie dieses in der Sache aufnimmt, auch an die Tübinger Christologie der Jahre 1619ff zu stellen sind. 444 H.E. WEBER, 1940, I/2, 168. Vgl. o. A.I.2.2; B.V.4.1; u. F.II.3. 445 „... ac si docerem corpus Christi corporali et crasso modo in omnia loca diffundi et extendi“ (De Personali Unione 4,11). 439
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„Nichtbestimmtheit ... vom Raum“ denken, welche eine „Distanz der Raumstellen“ nicht kennt. Diese modale Präzisierung akzeptiert Mahlmann: „Brenz zeigt, daß seine Konzeption widerspruchslos denkmöglich ist“.446
Als verfehlt gilt hingegen Brenzens Versuch, diese Teilhabe Jesu an Gottes Weltverhältnis unter die Modalität der Notwendigkeit zu stellen und so als eine von Anfang der Personeinheit an konstant gegebene Bestimmung zu behaupten. Diese weitergehende These sei zu kritisieren, „und zwar von Brenzens eigener Voraussetzung aus“.447 Denn dem Ansatz nach ziele dieser Neuentwurf darauf, den überlieferten Begriff der Personeinheit (unio personalis) strikt von dem biblischen Phänomen her zu bestimmen, auf das er bezogen ist. Indem Brenz wieder ursprünglich beim Gegenstand der dogmatischen Rekonstruktion ansetzt, kann er die doppelte Restriktion auflösen, welche die traditionelle Fassung der Personeinheit charakterisiert: Diese schreibt der Personeinheit „logisch ... die Funktion des einen Trägersubjekts zu zwei Seinsarten und sachlich ... die Funktion des Tragens, Unterstützens, Aufrechterhaltens des (selbst nur passiven) Menschseins durch Gott“ zu.448 In den Grundzügen von Melanchthon aufgenommen und ‚autorisiert‘ drohte dieses Konzept der Personeinheit als einer nur ‚suppositalen Union‘ dann die christologische Arbeit der spätreformatorischen Theologen auch ‚lutherischer‘ Ausrichtung zu paralysieren. Das Verständnis der Personeinheit Christi als einer suppositalen Union (unio suppositalis) wurde von der spätscholastisch-nominalistischen Christologie v.a. ockhamistischer Prägung (Ockham, Biel, d’Ailly) in einer eigentümlichen Weiterentwicklung der Subsistenztheorie ausgearbeitet.449 Orientiert am Axiom der Unvereinbarkeit von infinitum und finitum negieren diese Entwürfe eine Fassung der hypostatischen Union als einer seinsmäßigen Einheit (unio formalis), in der die menschliche Natur durch Mitteilung der Hypostase des annehmenden Logos selber personales Sein gewönne. 450 Die dagegen gesetzte Bestimmung: natura humana sustentificatur a persona divina451 behauptet, daß der – weil essentiell vollständig und darum prima substantia – an sich zum Sein als supposi-
446
Alle vorstehenden Zitate MAHLMANN, 1969, 160. MAHLMANN, 1969, 160. 448 MAHLMANN, 1970, 223. 449 Grundlegend SCHWARZ, 1966, bes. 292–301. Von dieser ‚meisterlichen Untersuchung‘ (J ÜNGEL, 1972a, 112) sind in der Regel alle jüngeren Voten abhängig; vgl. HILGENFELD, 1971, 335–338; S TREIFF, 1993, 59–62, H UND, 2006, 63f. 79–81; mit spezifisch römisch-katholischen ‚Akzenten‘: SCHMIDT, 1990, 178–278, bes. 234–250. – Zur Entwicklung der unio-Lehre in der mittelalterlichen Christologie, bes. zur Konkurrenz von Assumptus-Homo-, Habitus- und Subsistenz-Theorie: OBERMAN, 1965, I, 233–248, bes. 235–238; B ORCHERT, 1940; MALMBERG, 1960; KAISER, 1968; P ANNENBERG, 1972, 303– 305; W ILLIAMS, 1987, 748–755. 450 nulla proportio est finiti ad infinitum – der „neuralgische Punkt der ockamistischen Christologie“ (SCHWARZ, 1966, 300). 451 Belege s. SCHWARZ, 1966, 293 Anm. 20. 447
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tum452 fähigen Menschheit in der Vereinigung mit der Logosperson und um dieser Unio willlen solches subsistere per se abgeht. Stattdessen wird sie, aufgenommen in die Einheit des Suppositums der Logosperson, von dieser ‚getragen‘, ‚emporgehalten‘ (sustentari) und so zum Dasein, zur konkreten Einzelerscheinung gebracht.453 Eine reale Teilhabe an Person und Natur des Logos ist hingegen dezidiert ausgeschlossen.
Mit dem Konzept der suppositalen Union, auf das nicht nur seine Schweizer Gegner,454 sondern, vermittelt durch Melanchthon455 und dessen Rezeption radikalisierend, auch die Wittenberger ‚Kryptocalvinisten‘ zurückgreifen,456 sieht Brenz den Bezug auf das biblisch bezeugte Phänomen verlassen, dem der Begriff der Personeinheit dienen soll und um allein dessen willen er nötig wird: die „Repräsentation Gottes selbst in seiner Gottheit als der Mensch Jesus“, „die gleichwohl nicht zur Selbstaufhebung Gottes führt“.457 Nur wenn der theologische Begriff diese „Identität des Subjektes von Gottsein und Menschsein“458 expliziert, entspricht er seinem Gegenstand: „Schriftgemäß ist … die Christologie dann, wenn sie, wo immer sie
452 „Dem Begriff der persona wird der umfassendere Begriff des suppositum vorgeschaltet. Das suppositum ist die substantiale Einzelerscheinung, die als etwas Vollständiges selbständig besteht ... Die persona ... ist ein suppositum mit dem Spezifikum rationaler Natur“ (SCHWARZ, 1966, 295). 453 SCHWARZ (1966, 296) schlägt als schärfer akzentuierende Übersetzung von sustentari (stützen, tragen) vor: emporhalten; umschreibende Wiedergabe: zur Erscheinung bringen; zur Einzelerscheinung erheben. 454 P.M. Vermigli, weniger spezifisch H. Bullinger; vgl. BRANDY, 1991, 70–92, bes. 76–80; bzw. 92–114, bes. 105–111. 455 Melanchthon bestimmt das Binnenverhältnis der Naturen als ein der massa humanae naturae widerfahrendes Getragen- und Gestütztwerden (sustentari, gestari) durch die Logosperson; vgl. pars pro toto: Enarratio Symboli Niceni (1550), CR 23, 340–342; Responsio ... de controversiis Stancari (1553), StA 6, 266, 1–3.9–11.24f; Explicatio Symboli Niceni ([1557] 1561), CR 23, 369.510; Examen ordinand. (1559), CR 23, 5.6. – MAHLMANN, 1969, 72–76, bes. 74(f); J. B AUR, 1978a, 193(f); BRANDY, 1991, 32–37, bes. 32f. 35–37; HUND, 2006, 79–81. 456 So formuliert etwa die die Wittenberger Position pointiert vortragende Grundtfest, daß „die Person des Sons Gottes ... die angenomene Menschliche Natur hinfort in sich durch perso(e)nliche vereinigung trage und erhalte“ (Grundtfest, 1571, 13 r; vgl. 19v. 20 v [ed. DINGEL 2008, 406, 13–15; 414,9–11; 415,16–18]) – Zur Auseinandersetzung Brenzens und J. Andreaes 1563–65 mit den Wittenbergern P. Eber, G. Major und P. Crell, die dann mit der von Chr. Pezel (NEUSER, 1980, 292–296) verfaßten Grundtfest von 1571 (nicht: 1572, MOLTMANN, 1958, 63; LOHSE, 1980, 133; NEUSER, 1980, 293) eine heftige Wiederaufnahme erfährt, vgl. neben BRANDY, 1991, 61–67, bes. HUND, 2006, 97–111. – Zum ‚Kryptocalvinismus‘ vgl. neben den älteren Darstellungen bei T SCHACKERT, 1910, 544–549; O. RITSCHL, 1927, IV, 33–70; CALINICH, 1866, bes. 36–172, und MOLTMANN, 1958, 9–14. 60–75, jetzt umfassend HUND, 2006. 457 MAHLMANN, 1970, 223. 222. 458 MAHLMANN, 1970, 224.
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mit Gott zu tun hat, eben dort vom Menschen Jesus handelt; einem Menschen, der an der Stelle, die Gott einnimmt, steht“.459 1.1.2 Mit diesem letzten Satz erreicht Mahlmann auch in der Formulierung Brenzens Kanon des ubi-ibi. Dem Schwaben wird bescheinigt, daß er mit diesem „Ausschluß jeglicher Auseinandernahme von Gottes Dasein als Gott und Jesu Dasein als Mensch“460 den biblischen Sachgehalt der Personeinheit wahrt. Ebenso wenig ist die von Brenz gewählte sprachlogische Figur zu beanstanden, im Gegenteil: „Die logische ‚Wenn-Dann‘-Struktur dieses Satzes ist ... ein meisterhaftes christologisches Instrument“!461 Doch das durch den schriftgemäßen Ansatz zunächst Gewonnene verspielt Brenz wieder. Denn sein Versuch, als ‚notwendiges‘ Implikat dieser Personeinheit die kontinuierliche Teilhabe des Menschen Jesus an der illokalen Weltgegenwart und Weltherrschaft Gottes zu folgern, gerät in einen doppelten Selbstwiderspruch. In methodischer Hinsicht ist die deduktive Entfaltung des Begriffs unverträglich mit der von Brenz kritisch gegen die Tradition gewendeten Forderung, „den Inhalt der Personeinheit von Gott und Mensch grundsätzlich nicht rational, sondern aposteriorisch, aus dem konkreten Zeugnis von der Gegenwart Gottes als der Mensch Jesus“ zu bestimmen.462 Inhaltlich verliert Brenz das im Ansatz zutreffend benannte Thema biblischer Christologie, wenn er die Personeinheit auf die notwendige Erhöhung des Menschen zur Teilhabe am gubernatorischen Weltverhältnis Gottes auslegt: „Damit hat Brenz sich die Möglichkeit genommen, im Sinne des Zeugnisses den Beginn und das Bestehen der Personeinheit Jesu mit Gott aufzufassen als Einswerden der Ewigkeit Gottes gerade mit der Raumzeitlichkeit des Menschen Jesus“463, als das Eingehen des ewigen Gottes in die durch die Abfolge von Knechtsgestalt und Herrlichkeitsgestalt bestimmte Geschichte des Irdischen.464 Mit der Schrift intendiert Brenz zwar die „Personidentität“ von Gott und Mensch, seine das biblische Zeugnis de facto überlagernden Deduktionen aber lassen ihn stattdessen 459 MAHLMANN, 1970, 224 (Hervorhebung U.W.). Vgl. auch den unmittelbar vorangehenden Satz: „Es handelt sich um nichts anderes, als daß die von der Schrift bezeugte gänzliche Identität Gottes mit dem Menschen Jesus, Jesu mit Gott, eben mit dem Begriff der Personeinheit konsequent als die unbeschränkte Subjekteinheit von Gott und Mensch anerkannt und festgehalten wird, wie der immanente Sinn und Anspruch der Personeinheit die Identität des Subjektes von Gottsein und Menschsein ist. Schriftgemäß ...“ (ibd.). – Problematisch wird der Begriff der Subjektidentität freilich, wenn er nicht durch die für Brenz entscheidende Bestimmung der Binnenstruktur der Personeinheit als Vollzug von Kommunikation präzisiert wird; vgl. das zu Mahlmanns Entgegensetzung von Personeinheitslehre und Zweinaturenlehre Angemerkte (o. C.III.2.3). 460 MAHLMANN, 1970, 224. 461 MAHLMANN, 1969, 160. 462 MAHLMANN, 1969, 160 (Hervorhebung M.). 463 MAHLMANN, 1970, 182. 464 MAHLMANN, 1969, 161.
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bei dem schlechten Surrogat einer Duplizierung des Daseins des Menschen Jesus enden: „eine überirdische und eine irdische Existenz Jesu fallen auseinander, bestehen zugleich und nebeneinander und berühren sich“.465 Die letztlich entscheidenden Gründe für diese Diastase zwischen Anspruch und Resultat ortet Mahlmann in einer problematischen Grundannahme Brenzens, die dessen gesamte Theologie prägt und der am Ende auch die Christologie Tribut zollen muß: die „ZweiWelten-Lehre“.466 Sie entwickelt das Verhältnis des überräumlichen und überzeitlichen Daseins Gottes und der raumzeitlich verfaßten Schöpfung als das Gegenüber zweier ‚Welten‘ (duplex mundus/saeculum).467 Den mundus spiritualis, die raum- und zeitenthobene ‚Welt‘ Gottes, identifiziert Brenz mit dem biblischen ‚Himmel‘ im theologischen Sinn des Begriffs;468 er besteht neben der sichtbaren, Erde und Himmel im kosmologischen Sinn umgreifenden Welt der Schöpfung (mundus corporalis). Beziehungslos ist das so Unterschiedene allerdings nicht. Den mundus spiritualis bestimmt Brenz näherhin als die alle kreatürliche Wirklichkeit souverän bestimmende, durch räumliche Distanz und zeitliche Dehnung nicht behinderte allmächtige Herrschaft Gottes (regnum Dei),469 als die Umgriffenheit der geschaffenen Welt durch das regnare ihres Schöpfers – Brenzens historisch bis jetzt unableitbare Vorstellung der „Allgegenwart und Allzuhandenheit der Kreaturen und Dinge zu dem überzeitlichen und überräumlichen Gott“.470 Christologisch kommt es bei Brenz nun fatalerweise dazu, daß seine „Deutung der Personeinheit Jesu mit Gott zuletzt sich der Prämisse der Zwei-Welten-Lehre unterwirft, anstatt umgekehrt diese dem theologischen Prinzip der Personeinheit Jesu mit Gott“. 471 Die mit der unio vollzogene assumptio humanitatis in Deum meint unter dieser Vorgabe die Aufnahme des Menschen Jesus in die überräumliche und überzeitliche Existenzweise Gottes, seine Erhöhung zur Teilhabe an der göttlichen Weltherrschaft, und zwar mit und seit der Inkarnation, denn nichts anderes als diese Erhöhung zur so bestimmten göttlichen ‚Majestät‘ ist die assumptio oder unitio.472 – Neben diese überräumliche Existenz Jesu tritt dann für die Zeit der ‚Entäußerung‘ seine irdische Gegenwart in lokaler Definität. Dieses irdische Dasein konzipiert Brenz, analog zu den nachösterlichen Erscheinungen des Auferstandenen, in der Kategorie der ‚Offenbarung‘: als „eine (nur eben ausgedehnte 465
MAHLMANN, 1970, 182. – Vgl. H.E. W EBER, 1908, 152. MAHLMANN, 1970, 179–183, hier: 179. Vgl. schon O. R ITSCHL: „doppelte Welt“ (1927, IV, 79–81, hier: 79). 467 „Scriptura ... ponit duplicem mundum seu duplex saeculum. Unum saeculum est corporale, quod constat locis, spatiis et temporibus, et suo divinitus definito tempore transibit, sicut Christus dicit [Mk 13,31], et mutabitur [2.Petr 3,10f]; alterum est spirituale, quod ab omni tempore et loco absolutum est et perpetuo constat ...“ (BRENZ, Sententia 146,22–26). 468 Sententia 146,18–148,2, bes. 146,27ff; vgl. MAHLMANN, 1970, 180. Zum Zusammenhang bei Brenz s. BRANDY, 1991, 228–243, bes. 241ff. 469 „coelum ... non [est] certus locus spaciis localibus definitus, sed [est] regnum Dei patris coelestis tam in coelo quam in terra, ubicunque Deus omnipotentia et clementia sua regnat, nec [est] ad ullum certum locum alligatum ...“ (Sententia 168,8–12). 470 BRECHT, 1966, 11f. – Zur ‚Traditionsgeschichte‘: BRANDY, 1991, 250–255. 471 MAHLMANN, 1970, 197. 472 „... assumptio ... est arcanus et invisibilis ascensus hominis in coeleste regnum et exaltatio eius in summam maiestatem. Assumi enim in Deum non aliud est, quam in coelesti & divina gloria collocari“ (BRENZ, Recognitio, 1564, 166). 466
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und zusammenhängende) Offenbarung“ im Sinne einer „partielle[n] Verräumlichung und Verzeitlichung Jesu, der an sich über Raum und Zeit mit Gott existiert“.473
Es ist diese ‚Zwei-Welten-Lehre‘ Brenzens, der „Ausgangspunkt seiner Theologie überhaupt“,474 der Mahlmann im letzten das desaströse Resultat des initialen Entwurfs schwäbischer Christologie anlastet. Zwar will Brenz die irdisch-lokale und überirdische Existenz als zwei simultane Bestimmungen ein- und desselben verstanden wissen. Gegen die erklärte Absicht kommt es aber de facto zu einer Dualität ‚ontologisch geschiedener Ebenen‘, welche die intendierte Identität des überweltlichen Gottes mit dem irdischer Raumzeitlichkeit unterworfenen Menschen Jesus ausschließt. An die Stelle der Personidentität von Gott und Mensch tritt die Parallelität zweier Existenzweisen Jesu, die Brenz dann nur noch in der Kategorie der ‚Offenbarung‘, damit unter der Logizität von Wesen und (ablösbarer) Erscheinung verknüpfen kann. Der Vorwurf des ‚Doketismus‘, der der älteren Forschung schnell bei der Hand war, liegt dann auch der erheblich differenzierteren Kritik Mahlmanns nicht mehr völlig fern. Wie immer die christologische Begriffsarbeit Brenzens im einzelnen auch gewürdigt werden mag, das grundsätzliche Fazit kann nur kritisch lauten: „Brenzens Unternehmen“ ist „gescheitert“: „an mangelhafter Vermittlung seiner beiden Prämissen, der Überzeitlichkeit und Überräumlichkeit Gottes und der Raumzeitlichkeit des Menschen Jesus“.475 1.1.3 Gegen Mahlmanns These der Deformation der Christologie Brenzens durch dessen problematische ‚Zwei-Welten-Lehre‘ hat H.Chr. Brandy dezidierten Widerspruch erhoben. Ohne Frage greife Brenz in der Entfaltung zentraler Topoi seiner Christologie auf die Vorstellung ‚zweier Welten‘ (duplex mundus) zurück: „Die Auffassung vom Neben- und Beieinander der Überräumlichkeit Gottes und der lokalen irdischen Welt ... bildet den Horizont für die Möglichkeit der Simultaneität von Erniedrigung und Erhöhung oder für die Rede von einer doppelten, sichtbaren und unsichtbaren Himmelfahrt. In diesem Sinne sind zwei Wirklichkeitsbereiche bei Brenz unbestreitbar“.476 Dennoch lasse sich nicht begründet von einer „Zwei-Welten-Lehre“ im strengen Sinn sprechen. Nicht nur tragen die insgesamt spärlichen Belege eine solche Systematisierung nicht. Die These ist auch sachlich problematisch, weil sie es nahelegt, gegen Brenzens Absicht und Aussage das Verhältnis beider ‚Wirklichkeitsbereiche‘ dualistisch zu interpretieren. Zwar unterscheidet Brenz Gottes überirdische Existenz und die räumliche Verfaßtheit der kreatürlichen Welt, er will aber beides keineswegs verstanden wissen als das Nebeneinander getrennter ‚Welten‘, nicht als „zwei ontologisch geschiedene Ebenen“, die „auseinander“ „fallen“.477 473
MAHLMANN, 1970, 182.181; mit Bezug auf BRENZ, Recognitio 156; Majestas 336,
3–26. 474
MAHLMANN, 1970, 181. MAHLMANN, 1970, 197. 476 BRANDY, 1991, 265–267, hier: 265. 477 So MAHLMANNs Interpretation, 1970, 182. Dagegen BRANDY: „Es gibt bei Brenz … gerade nicht zwei geschiedene ontologische Ebenen, nicht zwei Welten, was doch 475
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Ganz im Gegenteil ist Brenz an dem Beieinander, der innigsten Vermittlung des Unterschiedenen interessiert. Dies gilt für den theo-logischen Zusammenhang, wo Brenz die Angewiesenheit der ontologisch unselb-ständigen Kreatur auf die konservatorische Nähe des Schöpfers zu einer „in bestimmter Weise vollzogenen Generalisierung der Zwei-Naturen-Lehre“478 zuspitzen kann: „Auf seine Weise“ – suo quodam modo – „besteht jeder Mensch aus zwei Naturen“, der je eigenen und der tragenden göttlichen.479 Und es gilt erst recht für die Christologie, die in noch einmal gesteigerter Weise der Aufgabe konfrontiert ist, das „Zugleich der größten Gegensätze“ zu explizieren, die in der Person Christi verknüpft sind: „Universales Weltregiment und größte Abhängigkeit, umfassende Lebenserhaltung und hilfloses Sterben“.480
Die Intention auf Simultaneität ‚extremer Gegensätze‘ wird Brenz nicht zu bestreiten sein. Doch gelingt es ihm, diese Simultaneität adäquat zu explizieren? In dieser Hinsicht hat J. Baur, in faktischer Abgrenzung von Brandy und auch in faktischer Korrektur älterer eigener Wertungen, kritische Anfragen an Brenzens ‚Zwei-Welten-Lehre‘ benannt,481 die mit Mahlmanns Einwänden durchaus konvergieren. Im Blick auf den entscheidenden Punkt, die Vermittlung der irdischen Gegenwart Jesu mit der Teilhabe am überräumlichen Weltverhältnis Gottes, hält auch Baur fest, daß Brenz die Simultaneität beider Bestimmung intendiert. Doch der Versuch, dieses Zugleich im Rahmen der Zwei-Welten-Lehre als Parallelität zweier Seinsweisen von Körpern – lokal und überräumlich – zu entfalten, wird darin problematisch, daß er die Möglichkeit dieser Parallelität durch eine „Vergleichgültigung der räumlichen, örtlichen Differenz“ (251) zu begründen sucht: „Die in der Schöpfung gesetzten Realdifferenzen von Orten sind eigentlich, in der Perspektive der göttlichen Majestät, nichtig“ (251). Die auf dieser Basis erläuterte Partizipation der Menschheit am Weltverhältnis Gottes wird als ‚Transzendieren‘ aller Örtlichkeit gedacht, sie „bricht ins gänzlich Jenseitige aus“ (251): „unum idemque corpus … erat cum deitate, ubicunque ea esset, extra omnia loca invisibiliter et illocaliter“.482 An diesem Punkt aber gerät Brenz in eine deutliche „Differenz zu Luther“ (251). Während der Reformator die ‚Welttranszendenz‘ Gottes als „Bekräftigung der |Weltgegenwart von Gott und Mensch in Christus“ (251|f) beansprucht, „verschweigt“ Brenz „die damit eröffnete Weltgegenwart der Menschheit“ (250) – er „inter-
wohl heißen soll: zwei geschlossene Seinsbereiche. Mahlmann löst die Rede vom duplex mundus aus ihrem Zusammenhang und prinzipialisiert und stilisiert sie auf Diastase hin. Damit wird er Brenz’ Ontologie nicht gerecht“ (1991, 266). 478 So treffend J. B AUR, 1993f, 148; vgl. den Zusammenhang ibd. 146–148. 479 Vgl. dazu näher u. D.IV.1.3/4. 480 BRANDY, 1991, 221. – Das wohl eindrücklichste Beispiel dieser ‚Aufgabenstellung‘ bietet der hymnische Passus aus Majestas 338,17–30; vgl. dazu die Wiedergabe bei BRANDY, 1991, 220f. 481 J. B AUR, 2007, 241–255, zum folgenden bes. 247ff; folgende Verweise im Text beziehen sich hierauf. – Zu abweichenden früheren Wertungen der Problematik der „weit überbewertete[n] ‚Zwei-Welten-Lehre‘“ vgl. DERS., 1993h, 208, dort noch in expliziter Wendung gegen Mahlmann. Demgegenüber werden nun, strukturanalog zu Mahlmann, die „Folgen“ der von Brenz vorgenommenen „Verknüpfung der kommunikativen Unio mit der ‚Zwei-Welten-Theorie‘ für das Verständnis des Irdischen“ entwickelt (249). 482 De personali unione 30, 32–34.
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pretiert die Majestas der Menschheit Christi … exklusiv als Teilhabe an der Welt- und Ortsüberlegenheit Gottes, dessen Weltverhältnis schon zuvor, anders als bei Luther, nur noch als Freiheit vom Ort und nicht als dialektisches Insein ausgelegt wird“ (254). Das raumüberlegene Sein der Menschheit Christi kraft personaler Einheit mit der Gottheit ist nicht länger als Bedingung und Grund ihrer illokalen Gegenwart an jedem Ort gedacht, sondern meint eine ‚weltfreie‘ Parallelexistenz. – Das bilanzierende Urteil Baurs fällt dann kaum weniger eindeutig aus als Mahlmanns Fazit: Brenz gerät „in einen Selbstwiderspruch, der seine auf Vermittlung von Schöpfer und Geschöpf zielenden Bestimmungen … zu gefährden droht“ (254); noch einmal zugespitzt: es wird „das Weltverhältnis dieser Menschheit prinzipiell problematisiert und eine paradox ‚nestorianische‘ Trennung zwischen einer inkarnierten Gottheit, die sich sogar mit dem Leiden ‚gemein‘ macht, und einer weltenthobenen majestätischen Menschheit hervorgebracht“ (252).
1.1.4 Die – von Baur noch einmal überzeugend dargelegte – problematische ‚Tendenz‘, die Brenzens Entwurf aus der Verknüpfung mit der ‚ZweiWelten-Lehre‘ zuwächst, stellt eine gravierende Hypothek für die weitere Geschichte schwäbischer Christologie dar. Was, eine Generation später, Ä. Hunn mit seiner Distinktion von praesentia intima und extima für das Verständnis der Personeinheit geltend macht, läßt sich als ‚Prinzipialisierung‘ der ‚akosmistischen‘ Tendenzen Brenzens verstehen; in dieser ‚verformten Schwäbischen Christologie‘ steht nunmehr endgültig beziehungslos antithetisch, was bei Luther dialektisch vermittelt war.483 Retrospektiv auf die Grundlegung und vorlaufende Entwicklung schwäbischer Christologie bedeutet der bei den Tübingern von 1619ff dann eindeutige Versuch, Personeinheit und Weltgegenwart der Menschheit Christi engstens zusammenzubinden, eine strikte Umkehr der ‚Tendenz‘. Wenn jetzt die Transzendenz des Daseins Gottes, an der Christi Menschheit partizipiert, dezidiert als Bedingung der Möglichkeit seiner universellen Weltgegenwart entfaltet und diese Weltgegenwart ebenso dezidiert als illokales Dasein (adessentia) am Ort der Geschöpfe (entis ad ens existentia) bestimmt wird,484 kommt es zum entscheidenden „Schritt weg“ „von Brenz und dessen Spiritualismus“.485 – Die theologische Intention dieses Insistierens auf der ‚Weltimplikation‘ Gottes ist zu ermessen. 1.2 Freiheit und Notwendigkeit 1.2.1 Wie gesehen, akzeptiert Mahlmann die Auslegung der Personeinheit durch die „logische Wenn-Dann-Struktur“,486 wie sie in dem Kanon: ‚ubi Deus, ibi (necessario) Homo‘ ihren pointierten Ausdruck findet; dies aber als Behauptung einer notwendigen Teilhabe am Weltverhältnis Gottes zu verstehen, sei ein heterogener Eintrag aus Brenzens ‚Zwei-Welten-Lehre‘: 483
J. B AUR, 2007, 272– 280, Zitat: 272. – Vgl. dazu näher u. C.IV.3.1.1. Vgl. o. C.II.3.2.2. 485 J. B AUR, 2007, 294–301, bes. 296–298, Zitate: 297. 486 T H. MAHLMANN, 1969, 160. 484
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„Die konditionale Form der Brenz’schen These [sc. ubi-ibi] läßt vielmehr die Personeinheit gerade als radikale Subjektidentität von Gott und Mensch offen für ihren konkreten biblischen Inhalt, offen für eine bestimmte Verfügung des ubi-ibi-Verhältnisses“.487 – Mahlmanns Unterscheidung zwischen adäquater ‚Form‘ und problematischem ‚Inhalt‘ ist indes irritierend, und dies schon in (sprach)logischer Hinsicht. Mahlmann bestimmt die Formalstruktur des ubi-ibi-Satzes zutreffend als „Wenn-DannAussage“ oder „Konditional“, m.a.W. als einen Bedingungssatz: (1) Wo Gott (ist), da (ist) (auch) der Mensch (Jesus). Dieser Satz ist synonym mit der Aussage: (2) Wenn Gott gegenwärtig ist, dann ist (auch) der Mensch (Jesus) gegenwärtig. Formallogisch bildet dieser Satz eine Implikation (p → q). Das Vorderglied (p) benennt die hinreichende Bedingung des Implikates (q). Wenn die Implikation gilt, dann ist es nicht möglich, daß p wahr und zugleich q nicht wahr ist (denn genau für diesen Fall der Wahrheitswertverteilung ihrer Glieder ist die Implikation falsch). Gilt: p → q und ist p gegeben, dann ist mit – logischer(!) – Notwendigkeit zu schließen, daß auch p wahr ist.488 In diesem logischen Sinn formuliert der Satz ubi Deus, ibi Homo einen „Notwendigkeitszusammenhang“, nämlich die koextensive Präsenz von ‚Deus‘ und ‚Homo‘. Man kann diesen Satz bestreiten. Wer ihn aber – wie Mahlmann – konzediert, ‚muß‘, wenn p (Deus adest [ubique]) erfüllt ist, notwendig auf q (Homo adest [ubique]) schließen. Das hier zunächst für den isolierten ubi-ibi-Satz Festzustellende gilt analog auch für die vollständige These Brenzens und der späteren Tübinger. Diese geht ja genauer dahin, daß die Personeinheit (unio personalis; una persona) von Gott und Mensch ‚notwendig‘ auszulegen sei als das Miteinandergegenwärtigsein beider, wie es der ubi-ibi-Satz feststellt. Die bereits notierte Bestimmung aus Brenzens Apologia von 1557 formuliert diesen Zusammenhang sehr präzise: „cum Deus & homo sint in Christo una persona ..., necessario sequitur, quod ubicunque sit Deus, ibi etiam sit homo“.489 Auch dieser erweiterte Satz läßt sich formal als – komplexere – Implikation verstehen, in der die Personeinheit als Implikans und die zunächst untersuchte einfache Implikation (ubi-ibi) als Implikat fungiert: Wenn Gott und Mensch in personaler Identität verbunden sind, dann folgt daraus notwendig die Kopräsenz des Vereinigten. – Auch hier kann man sehr wohl bestreiten, daß die Personeinheit ‚notwendig‘ auf die Kopräsenz der konstituierenden ‚Teile‘ hin ausgelegt werden muß. Denn es lassen sich Konzeptualisierungen der unio personalis entwickeln, die diesen Inhalt nicht notwendig fordern oder direkt ausschließen. Die Schweizer Gegner Brenzens stehen für die zweite, auf lutherischer Seite die Entwürfe Melanchthons, Chemnitz’ oder Mentzers bei aller Differenz im Ansatz wie im Detail für die erste Möglichkeit. Nicht möglich aber ist es, die ubi-ibi-Formel als
487
T H. MAHLMANN, 1970, 225 (Hervorhebungen U.W.). (p → q) & p → q; – die klassische Ableitungsregel des Modus ponendo ponens. 489 Vgl. o. C.IV.1. 488
IV. Problemgeschichtliche Profile
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legitime, ja ‚meisterhafte‘ „Abbreviatur der Entfaltung der Personeinheit“490 zu akzeptieren, zugleich aber die gottgleiche Präsenz des Homo Christus als eine unsachgemäße Verkehrung des legitimen Ansatzes zu kritisieren. Der vorgebliche ‚Eintrag‘ aus heterogenen Begründungszusammenhängen ist vielmehr mit der Festlegung des ‚ubi Deus, ibi Homo‘ notwendig verbunden; wer diese akzeptiert, muß, die Ubiquität Gottes vorausgesetzt, jener Konsequenz zustimmen.
1.2.2 Mit diesen sprachlogischen Klärungen ist die Frage der Wertung jener Auslegung der Personeinheit als eines ‚Notwendigkeitszusammenhangs‘, wie er im Grundsatz homophon bei Brenz und den ‚neuen‘ Tübingern begegnet, noch nicht beantwortet, aber nun präziser gestellt. 1.2.2.1 Eine Antwort wird die Eigenart der hier gemeinten ‚Notwendigkeit‘ und den spezifischen Charakter der Deduktionen genauer beachten.491 Wohl behaupten die Tübinger Texte der Jahre 1619/20 eine kausale Determination der omnipraesentia carnis durch die Personeinheit, wenn sie beide in das Verhältnis von Folge (necessarium consequens) und Ursache (causa unica) setzen. Doch wäre diese Zuordnung einer fremden Perspektive unterstellt, wo das so Verknüpfte als Konnex von zureichendem Grund und davon unterschiedener, abständiger Folge verstanden würde – dergestalt, daß von der zunächst für sich begriffenen Personeinheit nun in einem zweiten Schritt sekundär auf die omnipraesentia carnis geschlossen würde. Für Brenz und die späteren Tübinger ist die Allgegenwart das mit dem – an sich freilich kontingenten, freien (in tempore coiisse)492 – Faktum der Personeinheit eo ipso Gesetzte, ohne das die Personeinheit gar nicht bestehen kann.493 Denn diese unio personalis ist und besteht nur als perichoretische Kommunikation der Naturen, sie ist „nichts anderes ... als die Teilhabe des Menschen am Gottsein Gottes – einschließlich dessen Weltgegenwart“.494. In diesem Sinn unterstellt die Rede von der ‚notwendigen‘ Allgegenwart der Menschheit Christi nicht Gottes Freiheit und Allmacht der unangemessenen „objektive[n] Maxime der Notwendigkeit“495; – vielmehr entscheidet sich an der Konzession dieser „notwendigen Folge der Personeinheit“ erst, ob das mit dem Ausdruck ‚unio personalis‘ bezeichnete „kontingente[...] Handeln[...] Gottes in der Inkarnation“496 konsequent so gedacht ist, wie es 490
So MAHLMANN, 1969, 151, bezogen auf Brenz. Vgl. die in einem anderen Zusammenhang (Schluß von der Ubiquität auf die Realpräsenz) geäußerte Warnung J. Baurs vor dem unbesehenen Eintrag sachfremder neuzeitlicher Perspektiven: 1978a, 192f. – Vgl. weiter auch DERS., 1993h, 250; BRANDY, 1991, (203–) 205. 492 Vgl. o. C.III.2.4. 493 Vgl. bes. o. C.II.3.1.2. 494 BRANDY, 1991, 203–205, hier: 204 (Kursiv. U.W.), bezogen auf Brenz. 495 J. HÜBNER, 1975, 254, in Aufnahme der Brenz-Kritik Mahlmanns. 496 So, antithetisch als Position Brenzens und Luthers zuordnend, K.-H. Z. MÜHLEN, 1987, 766,44f. Vgl. zur Kritik BRANDY, 1991, 204. 255–263. 491
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die Schrift der Theologie zu denken vorgibt: die „Notwendigkeit postuliert nicht der Theologe; vielmehr denkt er dem nach, was der allmächtige Gott ... in der Inkarnation in Freiheit und Spontaneität der Liebe Neues tat. ... Diese Notwendigkeit ist keine äußere, sondern eine innere, sachimmanente“.497 1.2.2.2 Während Brenz die Kritik an seinen Notwendigkeitskonstruktionen eher nur pauschal abweist, haben die späteren Tübinger es unternommen, Mentzers analogen Einwänden samt deren positivem Gegenentwurf einer voluntativen Konditionierung der Gegenwart Gottes resp. Christi dadurch zu begegnen, daß sie die von dem Gießener mehr reklamierte als begründete Antithetik von ‚Freiheit‘ und ‚Notwendigkeit‘ auf den Prüfstand einer differenzierten Analyse bringen.498 Gegenüber Mentzers These, auch die allgemeine Weltgegenwart Gottes (praesentia universalis) sei nicht anders als seine praesentia specialis willensreguliert (praesentia voluntaria) und damit frei (praesentia libera),499 insistieren die Tübinger auf notwendigen Begriffsklärungen – erst dann läßt sich der Dissens sachgerecht formulieren: „In dem Wort ‚frei‘ und ‚willentlich‘ liegt eine Zweideutigkeit, die ausgetrieben werden muß“.500 Vertreten die Schwaben auch die Notwendigkeit und Unaufhebbarkeit der – von der göttlichen Unermeßlichkeit her begriffenen – Weltgegenwart Gottes, bestreiten sie damit keineswegs, daß Voraussetzung und Korrelat dieses Prädikats, nämlich die geschaffene Welt (creaturae), hinsichtlich Begründung und Dauer allein bedingt sind durch den an sich selbst unbedingten Willen Gottes, der keinerlei äußerem Zwang unterworfen sein kann. In diesem genau bestimmten Sinn, als Abgrenzung zu jeder necessitas coactionis, muß Gottes praesentia universalis darum auch nach Tübinger Sicht als frei bezeichnet werden.501 Diese Klarstellung hindert aber nicht, daß gleichwohl unter Voraussetzung der 497
BRANDY, 1991, 204f, bezogen auf Brenz. Die Tübinger Klarstellungen – instruktiv sind v.a. N ICOLAI, Consideratio Theologica 1622, 19/12; OSIANDER, Justa Defensio 1622, 26–28. 59f. 97–107 (gegen Mentzer); THUMM, Ταπεινωσιγραφια 1623, 153–157 (gegen Feurborn) – konzentrieren sich auf das theo-logische ‚Nebenthema‘ des Dissenses, sparen aber auch die christologische Frage keineswegs aus; aufgrund des systematischen Zusammenhangs beider Topoi (vgl. o. C.II. 3.2.2.1) sind hier im übrigen nur jene Festlegungen zu applizieren, die auf dem theo-logischen Vorfeld gewonnen wurden. 499 „Objicis, praesentiam universalem esse essentiae & immensitatis: specialem vero voluntatis divinae. | Atqui Deus etiam libere adest omnibus & singulis creaturis, easque conservat quomodo & quamdiu vult. Quare non minus voluntaria est Dei praesentia universalis, quam specialis“ (MENTZER, Disputatio De Quatuor Quaestionibus Controversis, 1621, Th. 31.|32/A4 r). 500 „Ambiguitas est in vocabulo liberi & voluntarij, quae evolvenda ...“ (M. NICOLAI, Consideratio Theologica, 19/12). 501 Vgl. in ‚prinzipieller‘ Wendung: „Si … ita intelligit [Feurborn], quod Deus sic voluntarie omnia sua exerat idiomata, quatenus το liberum opponitur coacto, habet nos sibi per omnia consentientes … cum ipsi … sciamus, Deum non coactione, aut necessitate quadam physica, sed ex interno principio libero agere omnia, quaecunque agat ...“ 498
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Existenz von Welt – „posita earum [sc. Creaturarum] existentia“;502 „IN HOC MUNDO & IN HAC VITA (hoc est existentibus creaturis)“503 – diese Weltgegenwart als eine notwendige Bestimmung Gottes ausgesagt werden muß ([Deus] non potest non in iis [Creaturis] Esse & operari)504 und Mentzers Behauptung einer Sistierbarkeit solcher Weltgegenwart (a creaturis in hoc mundo praesentia ... Dei est separabilis)505 als der ‚Tendenz‘ nach „photinianisch“ (i.e. sozinianisch) zu verwerfen ist506; und dies aus zwei Gründen: Diese indistantia im Verhältnis von Gott und Welt ergibt sich aus der Unermeßlichkeit des göttlichen Wesens, die ein gottfernes Sein der Schöpfung507 nicht zuläßt; sie folgt ebenso aus der ontologischen Bedürftigkeit der Kreatur, die – in sich un-selbständig – nur aufgrund der tragenden und konservatorischen Nähe des Schöpfers ‚ist‘ (propter immensitatem [Dei] & creaturarum dependentiam).508 Nur da ist die endliche Welt wirklich – in einem nicht-deistischen Sinn – als Schöpfung gedacht, wo ihre Existenz und
(T HUMM, Ταπεινωσιγραφια 154). Dieses ‚interne Prinzip‘ göttlichen Handelns (ad extra) ist die mit Gottes Wesen als bonitas ipsa unmittelbar gesetzte Ausrichtung auf das verum bonum, welche necessitas immutabilitatis indes der göttlichen Freiheit keinen Abtrag tut: „Si GENVS actionum divinarum respiciamus, cadit in Deum necessitas immutabilitatis. Ex perfectione enim naturae suae, quae a vero bono aberrare nequit, seipsum immutabiliter determinavit ad unum genere, hoc est, ad bonum tantum; quia enim essentialiter bonus est, imo bonitas ipsa, infallibiliter sequitur: Deum necessario bene agere cum agit, & non posse non bene operari, quae tamen necessitas libertati contraria non est ...“ (155). – Ihre ‚klassische‘ Anwendung findet diese strikte Ausrichtung allen Handelns Gottes „ad bonum tantum“ in der Abgrenzung gegen die reformierte Prädestinationslehre und deren Annahme eines decretum absolutum, welche Gott nach lutherischer Interpretation zur Ursache von Bösem macht. Vgl. SPARN, 1976, 176–180; DERS., 1992, 63–66. 502 M. NICOLAI, Consideratio Theologica, 19/12. 503 OSIANDER, Justa Defensio 27; vgl. T HUMM, Ταπεινωσιγραφια 154.156 – In theologischer Wendung: „SPECIEM … actionum divinarum si spectemus, distinguendum est inter eius [Dei] decretum & executionem. Decretum ipsum de externis actionibus non est necessarium, sed ita liberum, ut possit Deus etiam contrarium decernere; Executio autem post factam decretum hypothetice est necessaria. In electione igitur, non executione, spectanda potissimum est libertatis divinae indeterminatio. Sic liberrime, non necessario decrevit creationem mundi in tempore … gemina vero libertas in decretis divinis occurit, tum CONTRAREITATIS, qua pluribus propositis, unum eligit: tum CONTRADICTIONIS, quo uno proposito, istud vel eligit vel repudiat“ (T HUMM, Ταπεινωσιγραφια 155). 504 M. NICOLAI, Consideratio Theologica, 19/12. 505 „Quando iidem asserunt, Deum indistanter adesse omnibus creaturis: fatendum est, magnam esse in ea voce ακυρολογιαν. Est enim vere inter Deum & creaturas, ratione essentiae, distantia longe major, quam inter coelum & terram. Unde non minus Deus est extra creaturas, non exclusus, quam intra creaturas, non inclusus, absque ulla essentiae permixtione: ac proinde a creaturis in hoc mundo praesentia illa Dei est separabilis ...“ (MENTZER, Disputatio, 1621, Th. 11/A2v); vgl. das christologische Korrelat: „praesentia του θεανθρωπου apud creaturas sive generali[s], sive speciali[s], quae est separabilis in hace vita & est voluntaria, ut possit substrahi ...“ (ibd., Th. 50/B2 r). 506 OSIANDER, Justa Defensio, 26–28. 59 – gemeint ist die faktische Folge dieser Sicht, die ‚subjektive‘ Distanz Mentzers zum „Photinianismus“ wird nicht bezweifelt (27f). – Vgl. die analoge Kritik schon der Gießener Kontrahenten Mentzers (o. B.I.3). 507 „… Creaturae aliquando esse potuerint sine Deo“ (O SIANDER, Justa Defensio, 27). 508 M. NICOLAI, Consideratio Theologica, 19/12.
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Dauer als allein in der beständigen Gegenwart des Schöpfers begründet gedacht werden; die Weltimplikation Gottes ist das Korrelat der ontologischen Unselbständigkeit der Schöpfung.509 Solche Weltgegenwart Gottes ist insofern – unter Voraussetzung der Existenz von Welt – notwendig, weil unabänderlich. In diesem zweiten Sinn des Terminus, als Gegenbegriff zu einer necessitas immutabilitatis, darf Gottes Gegenwart darum niemals als ‚frei‘ bestimmt werden; Freiheit so verstanden ist kein Prädikat der praesentia universalis, sondern deren Negation. – Im Ergebnis liegen die Dinge so für die praesentia universalis im Wortsinn „komplizierter“, als es Mentzers pauschale Antithetik von Freiheit und Notwendigkeit postuliert: „Itaque cum libertate complicata est, hic, quam diu creaturae sunt & existunt, necessitas immutabilitatis“.510 Anders ist im Blick auf die praesentia Dei specialis zu urteilen. Sie hat im doppelten Sinn des Terminus, als Negation sowohl der necessitas coactionis als auch der necessitas immutabilitatis, als „frei“ zu gelten. Gottes gnädige Gegenwart unterliegt keinerlei ontologischen Unveränderlichkeiten; sie verdankt sich allein der Selbstbestimmung des göttlichen Willens, wie sie in der göttlichen Verheißung und Bundeszusage manifest geworden ist. Lediglich insofern diese freie Selbstbindung Gottes wirklich seine verläßliche
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Zur anderen Seite: die Weltimplikation Gottes ist das Implikat seines Gottseins: „Sin vero SPECIEI seu INDIVIDUI CONTINUATAM IN ESSE POSITIVO CONSERVATIONEM consideremus, non potest non Deus | (quam diu creatura aliqua in esse suo specifico, qua tali consistit, atque consistendo durat) tale individuum praesenter, potenter & omnisapienter regere: Licet enim Deus creaturam aliquam liberrime desere, atque deserendo liberrime immutare, destruere, imo in nihilum plane redigere possit; Deus tamen (qui per immensitatem praesens est; per omnipotentiam sustentat; per bonitatem foecundat; per sapientiam regit; &c.) non potest non (existente aliqua creatura, in quantum & quamdiu in esse suo formali & specifico conservatur) eandem praesenter, potenter & sapienter regere, alioquin ne ad momentum quidem illa existeret, sed in nihilum simpliciter redigeretur ...“ (T HUMM, Ταπεινωσιγραφια 155|f.) 510 „Libere Deus est in omnibus creaturis conservando & sustentando eas, & tamen posita earum existentia non potest non in iis Esse & operari propter immensitatem & creaturarum dependentiam. Itaque cum libertate complicata est, hic, quam diu creaturae sunt & existunt, necessitas immutabilitatis: libere etiam Deus est, libere justus & misericors! & tamen nihil horum nisi necessario!“ (NICOLAI, Consideratio Theologica, 19/12). – Was Nicolai und (ihm folgend?) Thumm (vgl. o. Anm. 501) durch die Unterscheidung von necessitas coactionis/immutabilitatis terminologisch auf den Punkt bringen, entwikkelt Osiander mit analoger Intention anhand einer Distinktion im Begriff der (Willens-) Freiheit Gottes, ebenfalls als Eliminierung von Äquivokationen (duplex libertatis in voluntate significatio; Justa Defensio, 60): „Quando Theologi de Dei voluntate loquuntur, eamque liberam dicunt, mutabilitatem in illa ad Creaturas, in materia contingenti, non gravatim concedunt: alioquin absoluta & immutabilia essent omnia divina decreta: quod asserere, Stoicis & Calvinianis haud foret ingnatum. Deinde alia significatione Deus libere velle aut agere dicitur, quando a nemine cogitur, sed ex seipso & de SUI natura est, quod est. Ut quod immensus est, immortalis est, sapiens est, &c. ad haec a nemine cogitur: & hic libertatis vocabulum, Coactioni (quae in Deo, praesertim in Attributis | Essentialibus nulla cogitari potest) opponitur. Itaque non libertate tali omnibus adest Creaturis, ut posset etiam essentialiter velle non adesse. Hoc enim esset contra divinae Essentiae suae Perfectionem & immensitatem: (neque enim potest Deus aliquid contra naturam suam velle:) & tamen libere, hoc est, non coacte, omnibus Creaturis per Essentiae Immensitatem adest ...“ (OSIANDER, Justa Defensio, 59|f).
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Selbstbindung ist, könnte auch die darin indizierte freie Gegenwart als zugleich konditioniert gedacht werden. Doch ist solche analog gedachte und nur uneigentlich so zu nennende necessitas pacti & promissionis von den ontologisch, im Sein Gottes wie der Kreatur, fundierten Notwendigkeiten im strengen Sinn unterschieden; sie darf die in dieser Hinsicht bestehende Differenz von praesentia universalis und specialis nicht verwischen.511 Die Unterscheidung von notwendiger, weil ontologisch fundierter praesentia universalis und frei-willentlicher praesentia specialis gilt den Tübingern als unerläßliche Differenzierung, die theologisch auseinanderhält, was in re verschieden ist; hingegen ebne Mentzers pauschaler Voluntarismus diese Differenz ein.512
1.2.2.3 Die theo-logische Differenz wiederholt sich analog in der christologischen Auseinandersetzung über Freiheit und Notwendigkeit.513 Wenn Mentzer die Teilhabe der Menschheit Christi an der göttlichen Gegenwart in deren doppelter Ausprägung als praesentia universalis und specialis jeweils auf ein „posse adesse & gubernare“ zurückstuft und dieses Potential in beiden Ständen der willentlichen Regulierung unterstellt (est liberae voluntatis),514 dann können die Tübinger aufgrund ihres ‚ontologischen‘ Ansatzes in beiden Fällen nur strikt widersprechen. Die unio personalis bedeutet die ungeminderte Teilhabe an der infiniten Subsistenz (der Logoshypostase) und damit auch an der Omnipräsenz, welche ihrerseits direkte Folge der Unermeßlichkeit Gottes ist. Die unmittelbare Koppelung von unio und Ubiquität schließt eine Restriktion der omnipraesentia carnis auf bloße Potentialität (in nudo posse) aus; anderenfalls wäre nicht weniger als die unio selbst, damit letztlich auch das von der Personeinheit Christi abhängige Heil des Menschen in den Status solcher Potenz zurückgestuft;515 von grundsätzlichen systemischen Inkonsistenzen – wie soll etwa die doch nume-
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„At non ea libertate est gratiosa praesentia! nulla hic necessitas coactionis, nulla immutabilitatis, sola autem, si ita loqui liceat, regnum suum obtinet necessitas pacti & promissionis: non ideo adest Deus gratiose creaturis quia non adesse non potest: alioquin isto gratioso modo omnibus creaturis adesset, sed quia taliter se adfuturum liberrime promisit ...“ (NICOLAI, Consideratio Theologica, 19/12). 512 „… non igitur Elenchum committimus oppositorum, quando Universalem praesentiam ab immensitate, specialem autem, qua talis, a promissione dependere affirmamus, sed cuique suum & proprium fundamentum assignamus“ (NICOLAI, Consideratio Theologica, 19/12). 513 Zum folgenden vgl. von Tübinger Seite v.a. OSIANDER, Justa Defensio, 97–107. 514 „Quae usurpatio communicatae divinae gloriae & majestatis cum sit liberae voluntatis, tam in exinanitionis statu, quam exaltationis: recte & plene respondetur ad propositam quaestionem: Ut poßit Christus juxta humanitatem suam adesse creaturis, easque gubernare, id totum ex sola unione, tanquam primo & unico fundamento, causaque adaequata & immediata dependet: (sicut ipse [sc. Osiander] poßibilitatem gratiosae sacramentalis praesentiae probas ex unione) ut autem velit hoc, vel illo vel isto tempore, loco, & modo adesse & operari, liberrimae est ipsius voluntatis. Idque tam verum est de praesentia universali, quam gratiosa, & gloriosa“ (MENTZER, Disputatio ..., 1621, Th. 43/B1 r). 515 „Qua ratione, sane, toto Exinanitionis tempore, omnia in nudo posse fuerunt, non in Re, non in Actu. Vae autem nostrae saluti, si omnia per το posse sint interpretanda: quandoquidem pro ratione hujus Subjecti omnia illius Praedicata in nudo POSSE se quo-
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risch identische Allgegenwart (unum numero ιδιωμα) aktuos (qua Logos) und doch zugleich quieszierend (qua caro) sein? 516 – ganz zu schweigen. Unter Voraussetzung der unio 517 – und wiederum stantibus creaturis518 – ist die Gegenwart der Menschheit Christi keine freie Setzung seines Willens, sondern notwendig mit Bestand und Vollzug der unio gegeben, wenn denn diese Unio konsistent gedacht sein soll.519
Der Transfer der notwendigen ‚Weltimplikation‘ Gottes aus der Theo-logie und Protologie in den christologischen Zusammenhang exekutiert nicht lediglich eine formale Konsequenz, insofern hier und dort dasselbe Attribut zugrundeliegt. Der Konnex ist ein sachlicher, er expliziert den der christologischen Union selbst und unmittelbar eignenden Weltbezug: „Die Erhöhung der Menschheit zu Gott in der Personeinheit Christi bedeutet, das ist der fromme Sinn der Tübinger Argumentation, in keinem Augenblick die Abwendung Gottes von der Welt, sondern umgekehrt immer seine Zuwendung zu ihr als der menschgewordene Gott“.520 que habitura fuissent“ (OSIANDER, Justa Defensio, 105); „... non enim Deus est, qui potentia, non actu creaturis praesens est“ (N ICOLAI, Consideratio Theologica, 31/42). 516 „… dicat ergo dissentiens [Mentzer] rationem, qua fieri possit, ut unum numero ιδιωμα simul sit operosum quoad λογον, non operosum quoad humanitatem. Hic nimirum Rhodus est, hic saltare convenit; dicet fortasse, omnipraesentiam convenire λογω per generationem aeternam, humanitati per | communicationem temporalem: at nondum vim argumenti exhaurit. Nam diversitas communicationis non efficit, ut unum numero ιδιωμα simul sit operosum & non operosum ...“ (NICOLAI, Consideratio Theologica, 22/28|f). – Dieses hier am partikularen Fall entwickelte Argument hat Nicolai dann auch in einer generalisierten Fassung pointiert: „mirandum est hoc toties Christo homini tribui, quod non ita est in λογω. Quaero unde humanae Christi naturae est haec potentia ubicunque adessendi? non certe ex principiis propriis |& nativis: illa enim non nisi ad unum locum determinare possunt. ergo ex unione cum λογω & consecuta inde communicatione! atqui λογος non habet potentiam solum adessendi, sed existentibus creaturis, actum adessendi perpetuum, immutabilem, invariabilem. Extricet se ex hoc nodo, & magnum quid praestiterit: ostendat λογον communicasse quod ita non habuit, quod habuit, non communicasse“ (30/ 39–41, hier: 40|f). Man wird sagen können: Diesen hier von Nicolai sachlich wie rhetorisch konzis benannten „Knoten“ hat die lutherische Kenotik – alter wie neuer Ausprägung – tatsächlich nie zu lösen vermocht! 517 OSIANDER, Justa Defensio, 98. 518 OSIANDER, Justa Defensio, 97.108. 519 „Quam admodum enim in infinita του λογου hypostasi per Unionem Personalem subsistere, aut non subsistere, liberae voluntatis in assumpta humana natura (postquam Unio semel facta & quidem in omnem aeternitatem indissolubilis) nequaquam, sed necessitatis (ut Unio sibi constare possit) omnino est: ita etiam quod immediate ex Vnione, & hac in hypostasi humanae naturae assumptione sequitur, hauquaquam voluntarium esse potest, neque minus necessarium est, quam ipsa Unio, & ipsa in infinitam του λογου hypostasin assumptio & in eadem hypostasi, subsistentia“ (OSIANDER, Justa Defensio, 98). – Osiander nimmt hier (vgl. auch daneben bes. 109) die Deduktion der omnipraesentia carnis direkt aus der Ontologie der Person Christi auf, die zugespitzt v.a. seine Disputation über die Idiomenkommunikation vom August 1619 vorträgt (o. C.II.3.1.2.2). 520 SPARN, 1992, 59. – Vgl. dazu, bilanzierend, u. F.III.3.
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2. Die ‚neuen Tübinger‘ und die württembergische Christologie in der Auseinandersetzung mit den Helmstedter Theologen 1585ff Angestoßen durch die Kritik der um T. Heshusius gruppierten Helmstedter Theologen kommt es wenige Jahre nach Verabschiedung der Konkordienformel noch einmal zu einer heftigen binnenlutherischen Auseinandersetzung über die christologische Frage, in die ab 1585 auch die schwäbischen Theologen eingreifen. Daß die Debatten dieses ersten binnenlutherischen ‚Schisma‘ für die genetische Einordnung der kenotischen Kontroverse von wesentlicher Bedeutung sein könnten, hat die bisherige Forschung vereinzelt vermutet.521 Diesen noch unzureichend geklärten Zusammenhang geht die zweite problemgeschichtliche Profilierung der neuen Tübinger Christologie an – beschränkt auf die Auseinandersetzung zwischen Helmstedt und Württemberg und konzentriert auf jene Frage, die mit der Grundthese der späteren Tübinger Christologie gestellt ist. 2.1. Kontext und Texte Den Horizont dieses älteren binnenlutherischen Streites über die Christologie bildet die Reserve im niedersächsischen Luthertum gegenüber der These einer allgemeinen ‚Ubiquität‘ des Leibes Christi, die sich in den Debatten um die Konkordienformel (1577/ 1580) und deren Apologie (1583) auf Seiten der braunschweigisch-wolfenbüttler Theologen in Helmstedt zum strikten Widerspruch verfestigt.522 Die trotz langwieriger Ausgleichsversuche unversöhnt bleibende Differenz führt dann in den folgenden Jahrzehnten in den Wolfenbüttler Territorien zur faktischen Außerkraftsetzung der FC und schließlich zum Ausscheiden des Herzogtums aus dem Verband des Konkordienluthertums.523 Diese zentral christologisch524 motivierte Sezession bildet eine der wesentlichen Voraussetzungen des Sonderweges der Helmstedter Theologie im 17. Jh.; entscheidend deren Protagonist G. Calixt, dem die „Vbiquitet“ schon „von Jugend auff gantz wiedrig fükommen“,525 besiegelt das Ende der FC in Braunschweig-Wolfenbüttel. 526 Anders als im Fall der Konkordie selbst sind die württembergischen Theologen an der Ausarbeitung der Apologie des Symbols und den darüber ausbrechenden binnenlutherischen Querelen nicht mehr direkt beteiligt. J. Andreaes überraschende Entlassung aus dem Amt des Wittenberger Superintendenten im Dezember 1580 verhindert seine Mitar521
Vgl. o. A.I.1.3. Vgl. aus der älteren Literatur v.a. HEPPE, 1859, IV, 271ff; hinsichtlich der Vorgeschichte auf Braunschweig-Wolfenbüttler resp. Helmstedter Seite bis 1583/85 wie alles andere überholt durch I .MAGER, 1993, bes. 325ff. 403ff (die Kontroverse HelmstedtTübingen selbst wird nur im Ausblick gestreift: 463–465. 468f. 472–474.487.) – Vgl. ferner I. DINGEL, 1996, 413–466, bes. 425–448 (Quedlinburger Colloquium; zu dessen literarischen Nachgefechten: 449ff), und bes. T H. KRÜGER, 2004, 277–292. 339–341. 523 Zu den – komplexen – Vorgängen vgl. MAGER, 1993, 476–495 bzw. 496–501. 524 Deutlich herausgearbeitet von M AGER: 1993, 417–419. 468f. 486. 495. 499f. 525 G. CALIXT, Wiederlegung der vnchristlichen Verleumbdungen ..., Helmstedt 1651, Th. 129 (zitiert nach MAGER, 1993, 500). 526 „Ohne Calixt wäre Braunschweig-Wolfenbüttel vermutlich nie ein Land ohne FC geworden ...“ (MAGER, 1993, 498–501, hier: 499). 522
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beit an dieser „letzte[n] Runde des Konkordienwerks“. 527 Dies war insofern nicht ohne Problem, als in dem Streit um die ‚Ubiquitet‘ der Menschheit Christi ein zentrales Element eben der württembergischen Christologie zur Debatte stand; die Helmstedter wurden nicht müde, diese These als schriftwidrige Sonderlehre ursprünglich nur der Schwaben zu geißeln und der um Chemnitz gruppierten Gegenpartei Verrat an der einst gemeinsam verantworteten anti-ubiquitistischen niedersächsischen Bekenntnistradition vorzuwerfen. Ganz zum Erliegen kam der christologische „Nord-Süd-Dialog“528 indes nicht. Die als nachträgliche Verfälscher der Konkordie geschmähten Württemberger suchen in nichtöffentlicher Korrespondenz den Kontakt zu den Helmstedtern, damit – wie dann folgenreicher 1619 – in eine ursprünglich externe Kontroverse eingreifend. Hinter den Kulissen kommt es 1585/86 zum Austausch theologischer Stellungnahmen. 529 Helmstedter Wünsche eines direkten Treffens mit den Württembergern530 scheitern dagegen nach einigem Hin und Her am Dissens über Verfahrensfragen; die Helmstedter wollten sich „mit dem gefehrlichen man D. Jacobo“531 nur unter vorab fixierten engen Debattenregeln (leges colloquendi) einlassen, die eine einseitige Präjudizierung in der Sache bedeutet hätten532. Heshusius’ Tod am 25.9.1588 bedeutet schließlich das Ende dieser Pläne für ein Kolloquium, vielleicht „glücklicherweise“,533 da angesichts der sachlichen Distanz der Positionen, wie sie dann in der 1588 eröffneten literarischen Fehde534 noch einmal manifest wird, keine realistischen Chancen für eine Annäherung bestanden. In diesem Schriftenkrieg werden dann auch die nichtöffentlichen Briefe und Akten der Jahre 1585/86 publiziert.535 Die in den Druckschriften breit debattierte Differenz ist in diesen früheren Positionsbestimmungen konzis und vergleichsweise unpolemisch entfaltet.536 – Die Sammlung umfaßt in vier separat paginierten Teilen (A–D): A: Das dem Wolfenbüttler Herzog Julius überstellte und an Herzog Ludwig von Württemberg weiter geleitete theologische Gutachten der Helmstedter Fakultät über die strittigen Fragen vom 15.8.1585 (a. St.).537 – Im folgenden zitiert: (ASch-)A. 527
MAGER, 1993, 404–406, hier: 404. Vgl. aber M AGER, 1993, 433–439: 439. MAGER, 1993, 466. 529 KRÜGER, 2004, 277f. 282. 530 MAGER, 1993, 472–474; KRÜGER, 2004, 289f. 531 Brief an Herzog Julius, 28.04.1587; zitiert nach MAGER, 1993, 473 Anm. 14. 532 Vgl. KRÜGER, 2004, 289; MAGER, 1993, 473f. 533 MAGER, 1993, 474. 534 D. HOFFMANN, Errores XVII. IACOBI ANDREAE ... CRASSIORES, 1588. Dagegen: Kurtzer Bericht der Württembergischen Theologen, 1589; ‚Langfassung‘: Grundtlicher außführlicher Bericht der Württembergischen Theologen, 1589. – Vgl. DINGEL, 1996, 449 (Anm. 168). 453f; KRÜGER, 2004, 289–291. 535 Acta und Schrifften zum Concordienbuch gehörig vnd nötig ..., 1589; im folgenden zitiert: ASch. – Vgl. DINGEL, 1996, 449, 451–458; K RÜGER, 2004, 278. 282. 286. 536 Eine primär an der Grunddifferenz interessierte Analyse darf sich auf dieses Material konzentrieren. – Die kontroversen Themen bündeln die Württemberger in 4 Fragen: die Stellung (1.) der FC, (2.) der niedersächsischen Bekenntnistradition, (3.) Luthers zur Ubiquitätslehre; schließlich (4.) die Kernfrage, „ob solche Lehr auch grund in H. Schrifft habe“ (C:3). Die Absicht unserer Untersuchung erlaubt die weitere Konzentration auf die über diese 4. Frage geführte Diskussion. 537 Bescheidliche gru[o]ndtliche Ableinung der gantz vnerfindlichen aufflagen/ darmit die Theologen der Iulius Vniuersitet zu Helmstatt bey hohes vnd niders Stands Personen hin vnd wider verunglimpfft/ vnd beschweret werden/ als solten sie von der Approbierten 528
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B: Begleitschreiben der Verfasser zu A vom 20.8.1585 (a.St.). – (ASch-)B. C: Antwort der württembergischen Theologen auf die ihnen – im März 1586(!) – überstellten Helmstedter Voten (A, B) vom 27.5.1586 (a.St.)538 – (ASch-)C. – Schließlich D: 8 Stücke aus der Korrespondenz der Jahre 1585f.539 – Zitiert: (ASch-)D mit angeschlossener römischer Ziffer I–VIII.
2.2. Der Gegenstand des Streites 2.2.1 Das Schreiben vom 17.12.1585, mit dem sich die führenden Theologen Württembergs an die Helmstedter wenden, um mit diesen „von wichtigen Sachen / so die Ehr vnsers Heilands / vnd Wolfahrt seiner Christlicher Gemein betreffen / Freundtlich vnd Brüderlich zu conferiern“,540 grenzt den Streit über die Gegenwart Christi präzise ein. Zweierlei, weiß und anerkennt man in Schwaben, wird in dieser Frage auch auf Helmstedter Seite vertreten: die reale Präsenz von Leib und Blut Christi im Abendmahl, ebenso eine Gegenwart Christi auch nach seiner menschlichen Natur bei seiner Kirche (in tota ecclesia; D-I, 2). So will es „will allein noch an diesem fehlen / daß die Herren Braunschweigische Theologen / dafür halten / daß die praesentia Christi secundum humanam naturam, und derselben gegenwertige Regierung bey allen Creaturen zu glauben / vnd zu lehren vnnöthig / als die auß klaren Zeugnussen der heiligen Schrifft nicht erwiesen werden möge“ (D-I, 2). Ausschließlich dieser Entschränkung der Präsenz der Menschheit Christi auf eine Gegenwart „auch ausser der Christenheit auf alle Creaturen sine exceptione“ (A:26) – von ihren Gegnern mit dem verkürzenden Schlagwort der ‚General-Vbiquität‘ etikettiert – gilt der Widerspruch der um Heshusius gruppierten Theologen.541 Formula Concordiae abgefallen seyn/ darumb daß sie die vngegründte vbiquitatem carnis Christi, (allenthalbenheit deß fleischs Christi) nicht billichen/ sondern bey zu setzen rathen vnd bitten; datiert: „Helmstadt am 10. Sontag nach Trinitatis Anno 85“ (= 15.8. [a.St.] 1585. – Vgl., auch für die Teile B–D, DINGEL, 1996, 455 Anm. 192; KRÜGER, 2004, 278 (Anm. 721–723), 282–286 (282 Anm. 752, 286 Anm. 785). 538 Betitelt: Ableinung/ Verantwortung vnd Gegenbericht der Würtenbergischen hienieden zu ende benembsten Theologen wider beyde obgesetzte der Braunschweigischen Theologen mit A. vnd B. gemerckten Schrifften. 539 Betitelt: Folgen etliche Missiuen so mit/ neben vnd bey ob einverleibten Schrifften hinc inde beyder seits gewechselt/ vnd zu mehrer erleitterung fürgelauffener Handlung anzuhengen für gut angesehen worden. 540 J. Mager (Probst), Lc. (I.) Osiander (Hofprediger), W. Holder (Stiftsprediger) und A. Varenbuller (Hofprediger) an die Helmstedter T. Heshusius, B. Sattler und Kollegen (Stuttgart 17.12.1585; abgedruckt ASch-D-I, 1–6, hier: 1). 541 Der Protest gegen eine universale Gegenwart der Menschheit Christi, positiv: die Interpretation der dieser Menschheit verliehenen Majestät als Beteiligung an der allmächtigen Herrschaft Gottes, die eine Mitgegenwart nicht einschließt, bildet die Konstante der Christologie Heshusens jedenfalls in dessen mittleren und späten Jahren. Vgl. KRÜGER, 2004, passim; zur ‚Ubiquität‘ bes. 74–87. 161–163. (203f.) 216–221.
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Diese Begrenzung unterscheidet den Helmstedter Protest von jeder Spielart reformierter oder philippistischer Kritik, die grundsätzlich jede ‚reale‘ Teilhabe der menschlichen Natur Christi an den Proprietäten der dieser vereinigten göttlichen Natur bestreitet. Die, historisch geurteilt, v.a. gegen den sog. ‚Kryptocalvinismus‘ der Wittenberger ‚Linksmelanchthonianer‘542 gerichtete Festschreibung der ‚lutherischen‘ Option durch die Konkordienformel wollen die Helmstedter uneingeschränkt mitgetragen (B:2); für „die Göttliche Mayestät deß Menschen Jesu Christi / wie die in Gottes wort / gewaltig gegründet vnd erklärt ist“ (B:3), hätten sie im Verbund mit allen (nieder)sächsischen Kirchen gegen die „Sacramentierer“ stets „trewlich gestritten“ und sie als einen ihrer „höchsten tröstlichen Lehrpuncten“ (A:23) verteidigt.543
2.2.2 Wie also ist die im Grundsatz homophon vertretene ‚Majestät‘ Christi näher zu bestimmen? Das Helmstedter Kriterium ist eindeutig und rigide: „was nicht in Gottes wort benennet ist“, darf nicht als Element der Majestät behauptet werden (A:23, vgl. 34. 38). Positiv entwickelt: „Christo nach seiner Menscheit“ ist die göttliche Allmacht und Allwissenheit verliehen. Seine menschliche Natur ist ‚una adoratione‘ mit der ihr vereinigten Gottheit anzubeten. Die Schrift legt diesem Menschen die lebensschaffende Kraft Gottes zu; durch seinen Tod hat er die ‚Reinigung von den Sünden‘ vollbracht. Schließlich: Als „vber alle Himmel“ zur Rechten Gottes Erhöhter hat er teil an Gottes Herrschaft „vberall / vnd vber alles“. „Vnd dieß ist die wahre Göttliche Mayestät deß Menschen Jesu Christi / die in Formula Concordiae erklärt / vnnd so wol auß Gottes wort / als auß den Patribus ... gründlich erwiesen wird“ (B:3). Anders steht es hingegen mit der „leidigen Ubiquitet“ (B:25). Sie gehört nicht zu dieser ‚wahren Majestät‘: „auß der ursachen / daß die omnipraesentia carnis Christi, in allen Creaturn in Gottes wort nicht außgetrucket ist / vnd menniglichen bewust / daß vns in Religionssachen und articulis fidei ... nicht zu setzen / noch zu adseriren gebürt / dann allein was klaren deutlichen grund hat in Gottes wort“ (B:3f, hier: 4). Die Schwaben identifizieren die schriftgemäße These der ‚Majestät‘ Christi mit ihrer schriftwidrigen Neuerung544 der ‚Ubiquität‘ oder setzen beides doch in ein Verhältnis von Grund und Folge – „dessen können wir mit jnen nicht einig sein“.545 – Mit der unhaltbaren Verknüpfung fällt zugleich die gegen Helmstedt erho-
542 J. B AUR, 1993h, 210. – Zur Wittenberger Abendmahlslehre und Christologie 1567– 1574 jetzt umfassend: J. H UND, 2006. 543 Vgl. etwa T. Heshusius’ Adsertio 1574 gegen die Wittenberger (u. D.III.3.1.1). 544 „... eine solche neue Lehr / von welcher die gantze Christenheit / vor so viel hundert Jahren nichts gewußt“ (B:7). 545 „Daß aber die Wu(e)rtenbergischen Theologen / die Ubiquitet oder omnipraesentiam carnis Christi in omnibus creaturis ... fu(e)r die Mayestet deß Menschen Christi außrufen / vnd eins vor das ander halten / vnd eins auß dem andern schliessen vnd folgern wo(e)llen, dessen können wir mit jnen nicht einig sein ...“ (B:4, vgl. 3. 25f).
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bene Anklage auf Abfall von der FC.546 Mögen auch einige bei der Schlußredaktion ‚eingeschobene‘ Lutherzitate etwas für die Ubiquitätsthese austragen, gilt dies doch keineswegs für die letztlich allein verbindlichen Festlegungen über die Majestät Christi, die der explizierende Text des Symbols selbst (in verbis dispositiuis) bietet.547 Entsprechend bedeute der in der Er546
„... ist klar zu befinden/ woher der missverstand ru(e)rt … daß die Wu(e)rtenbergischen Theologi vns in verdacht nehmen/ deß abfalls von der Formula Concordiae, | Nemlich daß sie keinen vnderscheid machten/ zwischen der Lehr von der Mayesta(e)t deß Menschen Christi/ vnd von der Vbiquitet/ Sonder eines fu(e)r das ander/ vnd beyde Lehr vor [für] eine halten“ (B:2|f). 547 „Als zu Berge die Torgawische Formula gemehret / seind zwar etliche Dicta Hern Lutheri hineingesetzt / welche / wenn sie bloß für sich vnd ohne Herren Lutheri anderweit gebrauchten Limitation betrachtet werden / etwas pro Vbiquitate generali ... gelten mögen. Aber weil in verbis dispositiuis auch damals nichts verendert / können die allegata weiter nicht / als nach denselbigen die Formulam angehen“ (A:9; vgl. A:15.18f.21f. 38). Es „were wol gut daß solch zeugnuß [Lutheri] fleissiger were erwogen worden / vnnd da ein Synodus, wie verheissen war / were gehalten worden / würden ohne zweiffel von dem vnderredung vnd freundliche Collation gefallen sein / wer auch ohne zweiffel expungirt worden / wie dann im Torgawischen Exemplar das gantze zeugnuß nicht also gestanden“ (B:9; vgl. 27). Zur württembergischen Antikritik vgl. C:4–7.19–22.64f. – Im Blick haben die Helmstedter jene bei der bergischen Endredaktion der Konkordie in den christologischen Artikel eingefügten Zitate aus Luthers Abendmahlsschriften, welche die Ubiquität im Rekurs auf die Personeinheit begründen (FC SD 81–84; BSLK 1044,9–1045, 16). – Die en passant reklamierte ‚anderweitige Limitation‘ Luthers zielt auf jenen „raht Lutheri“ (B:8) aus dem 8. Band der Jenaer Lutherausgabe: De Ubiquitate non est disputandum (vgl. WA 48, 236. 237,2–10), den die Helmstedter für ihre Restriktion vereinnahmen: „So ist ... kund vnd offenbar / daß Lutherus selbst die meinung von der Vbiquitet deß Leibs Christi hat fallen lassen ...“ (B:8; vgl. A:8.10.12.17.19.23.32). Tatsächlich handelt es sich bei diesem Text um ein irrtümlich Luther zugeschriebenes Votum Melanchthons, das in der Geschichte lutherischer Christologie immer wieder seine fatale Rolle spielen konnte, nicht zuletzt deshalb, weil kein geringerer als M. Chemnitz von der frühen Repetitio (vgl. den Verweis: B:10) bis in die letzte Fassung seines christologischen Opus magnum (De duabus Naturis in Christo) an der lutherschen Herkunft festhielt. Die von anderen (Ä. Hunnius, J. Wigand) schon früh bezweifelte Authentizität konnte dann L. Hutter 1614 definitiv widerlegen (MAHLMANN, 1969, 219–223, bes. 220–222; vgl. MATTHIAS, 2004, 162–165; KRÜGER, 2004, 294–297). Anders als die Helmstedter („eine leidige außflucht“, B:9) teilen die Tübinger diese Zweifel („halten wir dafu(e)r, daß die phrasis vnd weise zu reden in selbigen angezognen Worten selbsten lauter zuverstehen gebe/ daß solches nicht D. Luthers / sondern Philippi Melanchthonis Wort seyen“; C:54), sind aber ganz unabhängig von der Verfasserfrage der Überzeugung, daß die fraglichen Sätze in keinem Fall hergeben, was die Helmstedter hineinlesen: „So sagt auch dieser Spruch nicht/ wann es gleich D. Luther geschrieben hette/ das die Vbiquita(e)t/ falsch / vnrecht vnd in Gottes Wort nicht gegru(e)ndet seye/ sondern sagt allein es seye hier ein ander ding im Abendtmal/ da von Sacramentlicher Vereinigung deß Leibs Christi/ mit dem Brodt geredt wirdt“ (C:54; vgl. C:15). – Auch der ‚anti-ubiquitistischen‘ Interpretation der FC widersprechen die Tübinger entschieden: „Hie ist kein Papist/ Caluinist/ Flaccianer/ oder anderer Sectirer/ so diß buch der Concordi gelesen/ der nicht bekennen muß/ daß solche Lehr [der ‚Ubiquität‘] außdruckenlich darinnen begriffen/ Jnmassen
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furter Apologie unternommene Versuch einer ubiquitistischen Normierung der FC das haltlose Unterfangen, „das herrliche Concordibuch/ das unser mit ist“ (A:20), nachträglich zu verfälschen.548 2.3. Die fundamentalchristologische Differenz 2.3.1 Aufgrund des strikten ‚Biblizismus‘ der Helmstedter gerät die Debatte über weite Strecken zur exegetischen Auseinandersetzung. Im Zentrum stehen dabei zwei Texte aus dem Epheserbrief, die Aussagen über die Himmelfahrt und die sessio ad dexteram in Eph 1[,20] und Eph 4[,10]. Die Helmstedter sehen hier zwar die universale Herrschaft (dominatio & operatio) Christi bezeugt, bestreiten aber, daß das für die Sachfrage entscheidende omnia implere (Eph 4,10) „zur bestettigung der Vbiquitet“ im Tübinger Sinn angezogen werden kann, mithin „das alles erfüllen / also zu verstehen sey / daß die Substantz deß Fleisch Christi / in allen Creaturn sey / vnd allenthalben gegenwertig sey“ (B:6). Doch diese Antithetik von ‚Allgegenwart in allen Kreaturen‘ und universaler ‚Herrschaft‘549führe, so die schwäbische Replik, unweigerlich auf die These einer „abwesende(n) Regierung“ und gerate so in eine fatale Nähe zu jener von den ‚Sacramentieren‘ zugestandenen abständigen ‚Würckung‘ Christi im Abendmahl (C:16). Das Konzept einer „Regierung ohne Gegenwertigkeit“ (C:52) ist schon semantisch inkonsistent: „Dann soll Christus nach seiner Menschheit vber alle Creaturen herrschen vnd regieren / vnd sie in seiner Hand haben / so muß er ja denselben auff irgendt eine weiß gegenwertig seyn / diese weiß werde gleich gedacht oder genennet wie man wo(e)lle“ (C:16). Ist doch die göttliche Weltherrschaft, an der Christi Menschheit partizipiert, keine durch „der Creaturn dienst“ vermittelte Repräsentanz eines Abwesenden, der sich nur gelegentlich hier und da, durch „hin vnd wider fahren“ als er selbst einstellte (C:17). So denke es die reformierte Partei, wenn sie Christi Herrschaft der Regierung eines irdischen Königs analog setzt, der zwar ein ganzes Land regiert, dies jedoch nicht überall „Perso(e)nlich durch sich selbsten“, sondern durch autorisier-
dann diß auch von den Jesuitern vnd Caluinisten vnter andern Articuln auch deßhalben angefochten vnd darwider geschrieben wirdt“ (C:6). Noch einmal massiver – von den Helmstedtern entsprechend übel aufgenommen – formulierte es das von Lucas (I.) Osiander, dem auch sonst für klare Worte bekannten Stuttgarter Hofprediger, kolportierte Dictum, „daß der muste das Hirn zu weschen gegeben haben / der das Concordienbuch gelesen / vnd die Vbiquitet ... nicht solten darinn lauter vnd klar gefunden haben“ (referiert A:23; die Württemberger Replik: C:31). 548 A:21f, B:20f. So hätten keineswegs sie, die Helmstedter, sondern „die [Ver]fasser der Apologiae, den streitt der Vbiquitet erst erreget“ (A:34). 549 „... ein anders sey omnipraesentia carnis Christi in omnibus creaturis / vnd ein anders / vberall vber alles herrschen“ (C:16).
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te Vertreter.550 Doch „solche meynung/ hat es mit der Regierung Christi gar nicht / sonder er selbst sihet / ho(e)ret / weist / regiert / wu(e)rcket vnd thut alles ...“.551 Er selbst – eben dies meint die Rede, daß Christi zur Rechten Gottes erhöhte Menschheit ‚alles erfülle‘ (Eph 4,10). Für die Deutung auf die Präsenz, nicht nur auf die – wenngleich allmächtige – ‚Würckung‘, berufen sich die Württemberger auf die theo-logische Parallele Jer 23,23(f); hier bezeichnet das ‚implere‘ die unbeschränkte Weltgegenwart des Schöpfers kraft der Unermeßlichkeit der göttlichen Natur (C:18). Genau dieser Weltgegenwart aber, so bezeugt Eph 4, wird die Menschheit Christi teilhaftig kraft ihrer Erhöhung zur Rechten Gottes. Die Modalität dieser repletiven Präsenz ist eine dem menschlichen Denken nicht erschließbare „Geheimniß“ (C:18). Diese fraglose Grenze theologischer Erkenntnis erlaubt indes nicht, die dem Glauben durch die Schrift verbürgte Faktizität umzustoßen, für den christologischen Fall so wenig wie im Blick auf die Gegenwart Gottes selbst, die doch nicht weniger unbegreiflich ist (C:52f). 2.3.2 In ihrem Schreiben vom 17.12.1585 konzentrieren sich die Württemberger auf die Ausführung des biblischen Arguments und tun so dem methodischen Kanon der Helmstedter faktisch Genüge. Doch schon dieses knappe Votum beschränkt sich nicht darauf, aus Eph 4,10 in Verknüpfung mit Jer 23,23 die Ubiquität als biblisch bezeugtes Faktum zu belegen. Die Konjunktion jener christologischen und dieser theo-logischen Aussage unterstellt über das hermeneutische Verweisverhältnis hinaus einen systematischen Sachzusammenhang: – „Weil nun der Allmächtig Gott Himmel vnd Erden also erfüllet [Jer 23,23] / daß er nicht allein mit seiner Krafft vnd Würckung / sondern auch warhaftig gegenwertig bey allen Creaturn ist / vnnd dieselbigen nach seinem wolgefallen gegenwertig regiert/ – so erfüllet jetzo auch Christus / nach seiner heiligen Menschheit / als die mit dem Sohn Gottes ein einige vnzertrente Person worden ist / alle ding [Eph 4,10]/ das ist / sie regiert gegenwertig vber alle Creaturn / als die zur Gerechten Gottes / das ist in einen unentlichen Gewalt eingesetzt ist / nicht daß sie müssig seye / sondern daß sie vber alle Creaturen gegenwertig herrsche“ (D-I, 3).
Die von der Schrift klar bezeugte Ubiquität der Menschheit Christi (Eph 4) meint deren Teilhabe an dem Weltverhältnis Gottes (Jer 23). Der Realgrund dieser Partizipation und damit der Gültigkeit des Schlusses von der theo-logischen auf die christologische Aussage kann nicht die Tatsache ihrer biblischen Bezeugung als solche sein; er liegt in der realen Vermittlung jener beiden Subjekte, von denen die Schrift Identisches prädiziert. Genau 550
„Diener ... im Namen des Königs“ (C:17). C:17, vgl. C:52f. – Vgl. auch: „Dann er [Christus] herrschet ... vber alle Creaturen/ nicht weit abwesendt/ als der König von Spanien vber die Jndianer oder newe Welt herrschet: Sondern er hat jhm alle Creaturen gegenwertig“ (Apologia, 1583, 169 v). 551
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für diese Vermittlung stehen die fundamentalen Aussagen des christologischen Dogmas: die Personeinheit von Gott (in der Subsistenz der 2. Person) und Mensch („als die [Menschheit Christi] mit dem Sohn Gottes ein einige ... Person worden ist“) und die der Menschheit widerfahrene sessio ad dexteram („... als die zur Gerechten Gottes ... eingesetzt ist“). 2.3.3 Die Helmstedter Kritik des so eröffneten Versuchs, für die Ubiquitätsthese zu „argumentieren vnd consequentias ... [zu] machen / ex vnione hypostatica duarum naturarum in Christo“,552 setzt ein mit einer konzisen Reformulierung des Arguments: „weil [1] die zwo Naturen / die Göttliche vnd Menschliche / persönlich mit einander vereinigt / vnd [2] die Göttliche allenthalben ist / so muß auch [3] die Menscheit allenthalben sein“ (B:4).553 – Die Helmstedter negieren den Inhalt der Konklusion ([3]). Die Wahrheit der Prämissen ([1], [2]) als solcher steht außer Streit. So ist auffällig, daß die Helmstedter nicht die eigentlich anstehende Aufgabe in Angriff nehmen, die Vitiosität des Schlusses nachzuweisen. Die Schlüssigkeit bedarf keiner eigenen Widerlegung, weil – fundamentaler – schon die Legitimität eines solchen deduktiven Gebrauchs des christologischen Begriffs a limine verneint wird: Die schwäbische Deduktion „bestehet nicht / dann vnio Hypostatica est mysterium excedens omnem captum humani Ingenij, ... darumb können wir nach vnser vernunft / die blind ist in Gottes sachen / vnd stets anleufft / wann sie nicht Gottes helles wort für sich hat ex unione hypostatica solche consequentias ... nicht machen“ (B:4).554 Dieses Contra appliziert die notierte grundsätzliche Ausrichtung auf die explizite Schriftaussage – das ‚außgetruckte wort‘ – als das notwendige und exklusive Fundament legitimer theologischer Sätze. Darüberhinaus deutet sich in dieser Abfuhr schon jene fundamentaltheologische Überzeugung an, die dann ein Jahrzehnt nach Heshusius’ Tod (1588) dessen Helmstedter Mitstreiter Daniel Hoffmann im Streit um die These einer ‚doppelten Wahrheit‘ verfechten wird. Die reklamierte Entzogenheit des göttlichen ‚Geheimnisses‘ gilt den Helmstedtern als eine unaufhebbare, – für das göttliche Tun ist die Vernunft 552 B:4. – Der Versuch, den Dissens über das Dasein der Menschheit Christi mit i.e.S. christologischen Argumenten (unio, sessio) zu entscheiden, ist den Helmstedtern aus den voraufgehenden Diskussionsgängen vertraut; vgl. das Quedlinburger Kolloquium (Januar 1583): MAGER, 1993, 454–459; KRÜGER, 2004, 232f. 241–245/249. 553 Diese Reformulierung kommt exakt überein mit J. Keplers Analyse des ‚schwäbischen‘ Arguments: ratiocinatio ab ([2]) ubiquitate Dei et ([1]) unione cum carne ad ([3]) omnipraesentiam carnis; vgl. o. C.III.3.2. 554 Vgl. Heshusius’ analoge Voten in Quedlinburg: „In mysterijs diuinis, absconditis rationi & verbo Dei non reuelatis, non sunt texendae consequentiae ex iudicio rationis, quae caeca est in diuinis. Vnio hypostatica duarum naturarum in Christo est mysterium absconditum vniuersae rationi, nec est explicatum in verbo Dei. Ergo in vnione hypostatica non sunt texendae consequentiae iuxta iudicium rationis“ – und die Anwendung auf das konkrete Argument: „Demnach soll man nicht also folgen vnd schlissen: Quod vnitum est λογω vnione hypostatica, hoc necesse est, vt ibi sit, vbi sit Deus ...“ (Bericht von dem COLLOQVIO … zu Quedelburg, 1585, Fiiij v).
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vollständig und bleibend ‚blind‘. Der Einspruch markiert nicht allein die Angewiesenheit menschlicher Erkenntnis auf die biblische Bezeugung des Handelns Gottes, das in seiner Unvordenklichkeit der Vernunft unerschwinglich ist und bleibt. Verneint wird auch nicht lediglich die Möglichkeit einer vollständigen Erkenntnis der Modalität des göttlich gesetzten Mysteriums. Ausgeschlossen wird vielmehr jeder intellectus fidei im Sinne eines nach-denkenden Verstehens derjenigen Inhalte, die dem Glauben durch das Schriftzeugnis gegeben und gewiß sind. Die irreduzible Duplizität der Erkenntnisquellen (Schrift, Vernunft) wird prolongiert in eine Duplizität der Erkenntnisinhalte, die keine Vermittlung kennt: sei es, im Falle der Konkordanz, im Sinne einer positiven Verknüpfung, sei es, bei Kontradiktion, im Sinne einer vernünftigen Erklärung dieser Differenz. Die Vernunft „vernimmt“ wohl das biblische Zeugnis, „versteht“ dieses aber nicht eigentlich. Steht dessen Inhalt im Widerspruch zu dem, was die Vernunft aus sich weiß, wird sie, der göttlichen Autorität des sie übersteigenden ‚Geheimnisses‘ gehorsam, diesen Widerspruch ertragen, ohne ihn durch eine – vernünftige! – Limitierung der Reichweite der eigenen Erkenntnis einordnen zu können. Auch wo keine Kontradiktion waltet, schließt dennoch die prinzipielle Entzogenheit des geoffenbarten Mysteriums aus, daß der Vernunft eine positive Funktion in der aposteriorischen Entfaltung des vom Schriftzeugnis Bezeugten zukommen könnte.555
2.3.4 Das mit dem Helmstedter Einspruch virulent werdende fundamentaltheologische Problem wird vorrangig im Zusammenhang der Auseinandersetzung über Luthers Abendmahlschristologie thematisiert. Die Kritik an ‚etlichen‘, die ‚consequentias machen aus der unio personalis‘, trifft, so ‚erinnern‘ die Württemberger, an erster Stelle den Reformator selbst – gegen die ‚Zwinglianer‘ habe Luther mit Nachdruck, nicht nur beiläufig gerade jenes nun pauschal inkriminierte Argument „auß der persönlichen Vereinigung beyder Naturen in Christo“ gebraucht: „weil sie [die Naturen] Persönlich mit einander vereinigt so mu(e)sse auch eine seyn / da die ander ist / vnd also auch sein Menschheit allenthalben seyn“.556 2.3.4.1 Die Debatte um Luthers Position erwächst ihrerseits aus der Auseinandersetzung um die Konkordie. Deren Abendmahlsartikel beansprucht ausdrücklich Luthers Streitschriften als authentische Explikation der eigenen These (SD VII 91) und belegt diesen summarischen Verweis durch Zitation einschlägiger Passagen aus der großen Abendmahlsschrift von 1528 – an der Spitze Luthers vier „Gründe, darauf ich stehe in solchem Stück [in der Behauptung der Realpräsenz von Leib und Blut Christi]“: Neben den Einsetzungsworten und diesen voran stehen hier die Personeinheit und die Erhöhung zur Rechten Gottes (SD VII 92f.94–97).557 – In diesen Streitschriften habe der Reformator,
555 Zu D. Hoffmanns Thesen und dem darüber 1598ff geführten heftigen Streit – und dessen Zusammenhang mit christologischen Positionen! – vgl. v.a. SPARN, 1979, 53–78; MAGER 1975, 83–98, KRÜGER, 2004, 297–298/305; sowie in umfassenderer Perspektive: FRIEDRICH, 2004, passim. – Zum Sachproblem vgl. auch u. D.I.6.2. 556 C:49, mit Bezug auf B:4 (o. bei Anm. 552.553); vgl. C:4–7. – Vgl. o. C.III.3.3. 557 „1. Der erste [Grund] ist dieser Artikel unsers Glaubens: Jesus Christus ist wesentlicher, natürlicher, wahrhaftiger, völliger Gott und Mensch in einer Person, unzertrennt und ungeteilt. 2. Der ander: daß Gottes rechte Hand allenthalben ist. 3. Der dritte: daß Gottes Wort nicht falsch ist oder lügen. 4. Der vierde: daß Gott mancherlei Weise hat und
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so interpretieren die Württemberger diese „scho(e)ne[n] argumenta Lutheri“ (C:43) dann genauer, gegen die ‚Sakramentierer‘ „zwei ding wöllen handlen“, (1.) daß Christus nach seiner Menschheit bei seiner Kirche, ja „allenthalben auff Erden gegenwertig seye“, – hätte er auch nie das Abendmahl eingesetzt; (2.) daß Christus nach beiden Naturen nicht nur universal ‚überall‘, aber unidentifizierbar präsent sei, sondern darüberhinaus „im heiligen Abendtmal gewißlich vns gegenwertig seye“ und seinen Leib und sein Blut austeile.558 Diese hier angenommene Duplizität des Beweiszieles strukturiert für die Schwaben dann weiter die Sequenz der 4 ‚Gründe‘; deren beiden erste werden dem Beweis jener allgemeinen Gegenwart Christi „allenthalben auff Erden“ (1.) zugeordnet, die beiden letzten der Vergewisserung seiner besonderen, identifizierbaren und auf Zueignung zielenden Gegenwart ‚für uns‘ in der Handlung des Abendmahls (2.). Damit erhalten Luthers Argumente eine gegen den Helmstedter Biblizismus gerichtete Pointe. Luthers 3. ‚Grund‘, der Verweis auf das Schriftzeugnis,559 wird von der ihm durch Helmstedt zugewiesenen Aufgabe entlastet, dem Glauben exklusiv die Gegenwart der Menschheit Christi allererst zu begründen. Er dient vielmehr „fürnemblich“ (C:37) der nachgeordneten Vergewisserung der besonderen eucharistischen Modifikation dieser Präsenz. Das von Luther reklamierte ‚Gottes Wort‘, das die Helmstedter zum alleinigen Erkenntnisgrund der Gegenwart Christi überhaupt erheben, meint so „eigentlich“ (C:37) die Einsetzungsworte.560 Der dadurch verbürgten Realpräsenz im Abendmahl sachlich vorauf aber steht die universale Gegenwart Christi, sie ruht auf den von jeder Verheißung unterschiedenen ersten zwei Gründen Luthers, der Personeinheit von Gott und Mensch sowie der Allenthalbenheit der Rechten Gottes – zwei christologischen Argumenten eigenen Rechts. An dieser Binnendifferenzierung des Ensembles der 4 ‚Gründe‘ hinsichtlich Gegenstand und Beweisziel scheitert für die Württemberger jede antithetische Zuordnung von Schriftzeugnis und dogmatischer ‚Deduktion‘. Ein solcher Antagonismus spielt gegeneinander aus, was tatsächlich in einer Beziehung gegenseitiger Verweisung und Dependenz steht.561 Dieser „Zusammen-hang“ gilt auch für die Frage der Realpräsenz im Abendmahl. Unstreitig weiß sich der Glaube dieser spezifischen Gegenwart Christi durch die Einsetzungsworte suffizient vergewissert; diese Ausrichtung auf das Wort Christi wird nicht durch dogmatische Deduktionen abgelöst. Dennoch kann sich eine theologische Explikation auch der eucharistischen Realpräsenz nicht allein auf die isolierte Verheißung stützen. Gerade um die dem Glauben gewiße ‚einfältige‘, d.h. literale Deutung der Einsetzungsworte, die ja – natürlicherweise – Unmögliches behaupten, sicherzustellen, muß der Übergang zur Reflexion auf die Qualifikation des Sprechers dieser Zusage vollzogen werden – nicht als Verabschiedung, sondern gerade als konsequente Bewahrung jener Ausrichtung auf die Verheißung, an der der Glaube hängt: „weil man im H. Abendtmal auff die Person sehen muß / welche die Wort der Stifftung geredt hat / so weisen vns die
weiß, etwan an einem Ort zu sein, nicht allein die einige, ... welche die philosophi localem oder raumlich nennen“ (FC SD VII 94–97 [BSLK 1006,4–17]; vgl. WA 26,326f). 558 C:37. Vgl. C: 9–15. 559 „daß Gottes Wort nicht falsch ist oder lügen“ (C:37; SD VII 96; vgl. o. Anm. 557). 560 „da Lutherus eigentlich redet von den worten der Einsatzung ...“ (C:37). 561 Luthers ‚Gründe‘ „greiffen alle sampt einander wol unter die Arm / vnd bestettigt je ein beweisung die andern / vnd mo(e)gen also alle abgemeldte fundamenta / wider die Caluinisten / wol bey einander vnd neben einander stehen / Derowegen sie auch nit sollen einander entgegen gesetzt ... werden“ (C:38).
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Wort deß Testaments Christi selbs dahin“.562 Nur auf dem Wege dieser Rückfrage kann begründet werden, was die literale Interpretation der Einsetzungsworte impliziert, die Multilokalität des Leibes Christi – eine natürlicherweise unmögliche Behauptung, die die Vernunft aus sich heraus nur negieren kann. 2.3.4.2 Der für die Sicherstellung des Sinns der Verheißung notwendige Übergang zur Reflexion auf deren Sprecher ist nicht nach Helmstedter Muster auf den Verweis auf die unbedingte Wahrhaftigkeit und die unbegrenzte göttliche Allmacht Christi zu beschränken. Die Unbegrenztheit göttlicher Allmacht ist unbestritten, doch läßt sich allein daraus noch nicht auf die Realisierung konkreter Inhalte dieses Vermögens – vom posse auf das (factum) esse – schließen. Dazu kommt der materiale Einwand der reformierten Kontrahenten, es introduziere die Realpräsenz eine wesenszerstörende Aufhebung der „Eigenschafften eines warhafftigen Leibs“,563 – ein den chalcedonischen Normierungen widersprechender theologischer Ungedanke, den auch Gottes Allmacht nicht ins Werk setzen wolle; der Sinn der Einsetzungsworte sei darum in Konkordanz mit dieser unaufgebbaren ‚Wahrheit‘ des Leibes Christi zu halten. Den lutherischen Anspruch, „daß solches [die Realpräsenz] Gott nicht allein vermo(e)g zu thun / sondern daß es sich mit der That vnd Warheit auch also halte“ (C:40), durchzusetzen erfordert die Widerlegung dieses Arguments aus der ‚Eigenschaft des wahren Leibs‘; positiv: den Nachweis, „[d]aß es mit dem Leib Christi / weil er deß Sohns Gottes eigner Leib ist / anderst gschaffen seye / dann sonst mit eines andern Menschen Leib“ (C:40). Diese Aufgabe aber zwingt auf den Weg eines eigenständigen christologischen Arguments, das die reklamierte Realitäts-Differenz aus der ontologischen Struktur der christologischen Personeinheit („deß Sohns Gottes eigner Leib“) entwickelt. Nicht in der vermessenen Absicht spekulativer Überbietung des Schriftzeugnisses, sondern „auß noth getrungen“ (C:40) muß lutherische ‚Apologetik‘ die Ausarbeitung jener Sachzusammenhänge in Angriff nehmen, die die ersten 2 (christologischen) ‚Gründe‘ Luthers benennen: Aus der unio personalis und der sessio zur Rechten Gottes ergibt sich die im eigenen Wesen nicht begründete, dieses Wesen aber auch nicht destruierende Teilhabe der menschlichen Natur an den göttlichen Prärogativen. Unter diese „mitgetheilte Mayesta(e)t“ (C:40) aber fällt auch die Allenthalbenheit.
2.3.5 Diese These einer Inklusion der ‚Ubiquität‘ in jener der Menschheit Christi verliehenen ‚Majestät‘ erreicht wieder die Ausgangsfrage der Debatte.564 Wie lösen die Schwaben die selbst gestellte Aufgabe, die Ubiquität als einen „theil ... der Göttlichen Mayestät“ (C:48) dadurch zu erweisen, daß deren Begründung in der unio und sessio dargetan wird? Der schwäbische Umgang mit der Sessio, Luthers zweitem Grund, beschränkt sich einerseits auf die – strittige – Exegese von Eph 4,10, andererseits auf den Nachweis, daß sich die von den Helmstedtern als Konsequenz der Sessio zugestandene ‚Regierung‘ auch der Menschheit Christi nicht ohne die Anwesenheit des Regenten denken lasse. Eine i.e.S. deduktive Begründung der Ubiquität aus der raumüberlegenen Allenthalbenheit der Rechten Gottes findet sich in den hier zugrunde gelegten Texten dagegen nicht.
562
C:41. Vgl.: „da diese Person in diesen Worten der Stiftung eingeschlossen ist / darumb es nicht aus blosser Vernunfft / in diesem Geheimnuß geurtheilt ist ...“ (C:41). 563 „... weil es sich wider die Zwinglianer auß der blossen Allmacht nicht lasse schliessen / die fu(e)rgeben / Gott vermo(e)g viel ding zuverschaffen / daß er nicht thue / vnd daß sie von den Eigenschafften eines warhafftigen Leibs reden ...“ (C:40). 564 Vgl. o. (C.IV.) 2.2.2.
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C. Die ‚neue‘ Tübinger Christologie in statu nascendi
Hingegen intendiert das luthersche Argument aus der unio – es „müsse ... eine [Natur] seyn / da die ander ist / vnd also auch sein Menschheit allenthalben seyn“ (C:49) – eindeutig einen deduktiven Rekurs. Dem dagegen vorgebrachten ‚erkenntnistheoretischen‘ Einwand der Helmstedter, dem Verweis auf das aller Vernunft entzogene Geheimnis der Personeinheit, beugen sich die Württemberger nicht: „Dann ob wol solche persönliche vereinigung allen Menschlichen verstandt vbertrifft / so hindert doch solche nicht darauß zu schließen / daß die heilig Schrift sonsten Christo mit außtrücklichen Worten zuschreibt“ (C:50). Diese Gegenrede, generalisiert zur Unterscheidung eines legitimen Schlusses „nach Gottes Wort“ (C:50) von der illegitimen Deduktion „nach der blin|den Vernunfft“ (C:49|f), bringt die zunächst für die Realpräsenz entwickelte Zuordnung von Schriftargument (Einsetzungsworte) und christologischer Deduktion (Ubiquität) nun für diese christologische Begründung selbst zur Geltung – beide Argumente greifen auch hier ‚einander wohl unter die Arme‘ (C:49): das Schriftzeugnis ist auf das verstehende Denken hin zu öffnen, im Gegenzug der intellectus fidei seines bleibenden Anhaltspunktes an der Verheißung zu vergewissern. Dabei geht es nicht um eine Ableitung des einen (Ubiquität) aus dem anderen (Unio), die das Schriftzeugnis durch die Konstruktion eines Zusammenhangs von notwendiger Folge und zureichendem Grund verabschiedet. Vielmehr soll das in der Schrift als verwirklicht Bezeugte als ein durch die Personeinheit Mögliches ‚verstanden‘ werden; die unio personalis als der christologischer Grundbegriff bewährt werden am Schriftzeugnis als der Vorgabe, deren Explikation er dient. Die schwäbische Ausgrenzung eines Schlußes ‚nach Gottes Wort‘ trägt zwar dem Helmstedter Legitimitätskriterium565 Rechnung, reduziert aber zugleich das deduktive Argument auf eine nachträgliche Bestätigung des schon vorgängig und anders Begründeten. Das Urteil über strittige Thesen wird de facto wieder auf den exegetischen Diskurs zurückgeschoben; allein hier kann ja entschieden werden, was „die heilig Schrift sonsten Christo mit außtrücklichen Worten zuschreibt“ (C:50). Auf einen im strikten Sinne deduktiven Schluß aus dem Begriff der unio personalis scheinen die Württemberger letztlich gar nicht aus. Luthers Argument des ‚ubi Deus, ibi necessario homo‘ wird zwar rezipiert, aber so restriktiv durchgeführt, daß es seine eigentliche Spitze einbüßt. 2.4. ‚keine exceptio‘ – Der Zusammenhang von Unio und Ubiquität 2.4.1 In dieser restriktiven Handhabung des Arguments ‚ex unione‘ dürfte sich eine Verlegenheit niederschlagen, in die die Württemberger angesichts eines materialen Einwandes geraten, den die Helmstedter ihrem fundamen565
Vgl. o. (C.IV.) 2.2.2.
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taltheologischen Contra an die Seite stellen. Der schwäbischen ‚Konsequenzmacherei‘ wird gleichsam von höchster Stelle widersprochen: „Der Herr Christus Ioh. XI [v.15; vgl. v.21.32] zeuget selbst/ daß er nicht sey zu Bethania gewesen/ als Lazarus ist gestorben“.566 Solche Abwesenheit aber kann nicht für die stets allgegenwärtige Gottheit gelten, wird also von der Menschheit Christi ausgesagt – „auß welchem heller erscheinet dann die Sonne im Mittage/ daß auß der persönlichen vereinigung / beyder Naturen in Christo / die allenthalbenheit des Fleisches Christi / mitnichten folget“ (B:5). Denn diese Abwesenheit tat ja der unio personalis keinen Abbruch: „damals die Persönliche vereinigung keineswegs ist getrennet worden / Christus der nach Bethanien hat gewandert / ist ewiger vnd allmechtiger Gott“ (B:5). Schon dieser eine Fall eines Simul von unio personalis und Abwesenheit der menschlichen Natur widerlegt definitiv den vorgeblich ‚notwendigen‘ Zusammenhang von Unio und Ubiquität, denn dieser ließe sich nur als ein ausnahmslos kontinuierlicher denken. Kurz – die Helmstedter präsentieren hier jenen ‚Syllogismus Oleviani‘, dem sich später auch Mentzer gegenüber sieht567 – in der Zuspitzung, die Heshusius 1583 auf dem Quedlinburger Colloquium seinen Kontrahenten entgegenhielt: „Ergo so kan aus der Persönlichen vereinigung die Vbiquitet nicht statuiert [werden]. Denn wann die Vbiquitet volgen solte aus der unione personali, so musse stets vnd alle Zeit der Leib Christi sein wo die gottheit ist, vnd kont hie keine exceptio stad haben“!568 Heshusius und die Helmstedter waren sich völlig im klaren, hier ein Argument aufzugreifen und in die binnenlutherische Debatte einzubringen,569 das ursprünglich von refor566 B:4 – kein neues Argument; vgl. schon die Auseinandersetzung von J. Brenz mit H. Bullinger und P.M. Vermigli: BRANDY, 1991, 81. 567 Vgl. o. C.II.2.4.3/4.. 568 Abtruck, 1597, 114 (mit Verweis ebenfalls auf Joh 11,15). – Zitiert (nach dem handschriftlichen Protokoll) auch bei MAGER, 1993, 457 bei Anm. 123; vgl. KRÜGER, 2004, 234 bei Anm. 469. – „Vnd kann nicht gelten / daß man sonst hoch treibet / im Standt der nidrigung sey exceptio“ (A:32). 569 Der Einwand begegnet schon auf früheren Stationen der Auseinandersetzung – die Helmstedter Notationes zur Apologie der FC halten ihn fest (u. Anm. 570), und auch auf dem Quedlinburger Kolloquium (1583) wirft Heshusius das Argument in die Debatte: „Quae stante vnione hypostatica asseruntur a Spiritu sancto, haec non soluunt vnionem hypostaticam. Sed Spiritus sanctus affirmat corpus Christi fuisse in vno loco, cum tamen diuinitas impleuerit omnia, & Spiritus sanctus non soluit vnionem. Ergo ex vnione personali non potest extrui vbiquitas“ (Bericht von dem COLLOQVIO, 1585, Ciiij r/v); vgl. MAGER, 1993, 454–461; KRÜGER, 2004, 232–234. 241–244. – Das Argument kontert dabei stets die Anklage, die Helmstedter Verweigerung der Ubiquität bedeute eine ‚nestorianische‘ Auflösung der Personeinheit, weil sie eine Gegenwart des Logos denke, die über die finite Präsenz der angenommenen Menschheit hinausgeht – eine Übernahme des calvinistischen Extra! Die Helmstedter Replik ist zweistufig. Das biblische Zeugnis belegt, wie an Joh 11,15 exemplifiziert, eine Abwesenheit der Menschheit Christi, die doch
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mierter Seite gegen die württembergische und jetzt die konkordistische Christologie vorgebracht wurde – letzteres etwa in der von Z. Ursin verfaßten Neustädter Admonitio (1581).570 Daß die Kontrahenten über diese Verletzung des lutherischen Korps-Geistes und Heshusens kühle Zumutung der Korrektur571 und Rücknahme des NestorianismusVorwurfs 572 „hoch verwundert“ waren,573 ist verständlich – doch ersetzt diese Aufregung nicht die Antwort auf das damit gestellte Sachproblem.
niemand als Auflösung der Personeinheit werten wolle. Und: der Vorwurf des ‚Nestorianismus‘ fällt auf die Ankläger zurück, da sie – für die Zeit der Erniedrigung – ebenfalls eine nur begrenzte Gegenwart der Menschheit vertreten, damit aber selbst eine, wenn auch befristete, Inkongruenz der Präsenzmodi der Naturen Christi konzedieren müssen. 570 „... instant [die Verf. der Konkordie], vrgentes Vbiquitatem hoc argumento. Naturae diuelluntur, quarum non vtraque est, vbicunque est altera: Ergo necesse est, vbicunque est Deitas, ibi esse humanitatem Christi, ac proinde vbique“ – „Sed hoc argumentum, cui multum tribuunt, ipsi diluunt, cum fatentur, Christum non semper vbique fuisse corpore“; „ipsi fatentur, carnem Christi humilitatis tempore non fuisse substantialiter vbique; Et tamen vnitatem personae saluam fuisse“ (Admonitio christiana, 1581, 269. 270. 310; vgl. KRÜGER, 2004, 204–206). Wie dann auch Heshusius kontert Ursin hier die Anklage auf Nestorianismus („falsa et iniusta est accusatio, cum nobis obiiciunt Nestorianismum, quasi personam dissoluamus“ [Admonitio christiana, 1581, 74]). Die Wurzeln des Arguments reichen freilich noch weiter zurück, wie notiert (o. Anm. 217) wird es in dieser Stringenz erstmals von C. Olevian, einem der Wortführer der Heidelberger Theologen, 1564 auf dem Maulbronner Kolloquium (vgl. u. Anm. 602) gegen J. Andreae vorgebracht; der Pfälzer Delegation gehörte auch Ursin an. – Auf diese Vorgabe der Neustädter Admonitio nehmen dann Heshusens (Helmstedter) Spezialnotationes zur Apologie ausdrücklich und zustimmend Bezug: „Dann also Lautet das Argument [der Verf. der Apologie]. Naturae divelluntur, Si alicubi sit divinitas Ubi non est humanitas substantia sua. Sed Vos Carnem tantum in Coelo esse contenditis, diuinitatem λογου in Coelo et in terra. Ergo Vos divellitis personam et separatis naturas. Hirauf andtworten die Neustedter: An non Vos Lutherani fateminj. Christi Carnem tempore humilitatis non fuisse ubique substantialiter? Et nihilominus saluam mansisse Unionem personalem naturarum: Non, Ergo diuelluntur naturae, Etiamsi humana natura non sit Ubicunque est diuinitas. Diese andtwort vndt solution mussen wir annehmen vndt gelten lassen ... [folgen Verweise auf die in der evangelischen Geschichte bezeugte Nicht-Gegenwart Christi nach seiner Menschheit, u.a. Joh 11,15, mit der Konklusion:] Et salua mansit Unio personalis naturarum, obgleich [nur] die gottliche Natur war bei dem sterbenden Lazaro. Darumb schleust sichs hiraus Vnwiedersprechlich, quod naturae non divelluntur etiamsi adseratur quod sit alicubi diuinitas λογου, Ubi substantia sua non existit Caro“ (zitiert nach KRÜGER, 2004, 219 bei Anm. 372). 571 „Wo wir zuweit gangen seindt, da mussen wir zurück, Vndt nicht alles Vertheidigen, was nicht grundt hatt, gleichsam als wehr es nicht vmb Erhaltung gottlicher Wahrheit, Sondern vmb vnser Ehre zuthun“ (Spezialnotationes, zitiert nach KRÜGER, 2004, 219 bei Anm. 373). – Entsprechend auch in Quedlinburg: „Was recht ist/ vnd in Gottes Wort grund hat/ das muß man jhn/ den Caluinisten gut sein lassen/ oder man legt sich wider die warheit selbs. Vnd wenn man auff unser seiten zu weit ist gangen/ vnd das gesetzet/ das in Gottes wort nicht grund hat/ das muß man ja bekennen/ vnnd nicht vertheidigen/ sondern fallen lassen“ (Bericht von dem COLLOQVIO, 1585, Giijr/v). 572 „Wan man aber saget, das Christi Leib nur an Einem ort ist vndt vmschrieben, die gottheit aber allenthalbenn, das daraus der Nestorianismus folgen solte, das bestehet
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2.4.2 Wie die Verfechter der ‚General-Ubiquität‘ diesem Einwand begegnen, ist den Helmstedtern nicht unbekannt – zu oft schon wurden die Argumente ausgetauscht. Man weiß, „daß etliche574 auf den Spruch Christi [Joh 11,15] also antworten: Es sey damals die Zeit der nidrigung Christi gewesen / zur zeit der erhöhung / hab es eine andere meinung“ (B:5). Die problematische Abwesenheit Christi sei befristete Ausnahme – ein in der Erniedrigung begründeter und auf deren Dauer beschränkter Verzicht. Auf diesen Versuch, den Zusammenhang von Unio und Ubiquität durch Rekurs auf die zwischeneintretende ‚nidrigung‘ zu retten, läuft tatsächlich auch die aktuelle schwäbische Antwort auf den Helmstedter Einwand575 hinaus. Lediglich eine Präzisierung wird noch geltend gemacht: „das auch solches abwesen [Joh 11,15] nicht bloß nach dem standt der ernidrigung zuverstehen seye / ist auch wahr / Dann solche auch von Christo wegen der Eigenschafft deß warhafftigen Leibs gesagt wirdt“ (C:51). Die Abwesenheit des Irdischen, positiv gewendet: seine lokal definite Existenz ist nicht ausschließlich das Resultat eines Verzichts auf eine gegenteilige Möglichkeit, die mit der unio konstant gegeben ist. In ihr realisiert sich vielmehr zugleich die wesentliche Verfassung der Menschheit Christi, die auch in der Vereinigung mit der allerdings kraft ihres Wesens allgegenwärtigen Gottheit nicht aufgehoben wird. Die Verknüpfung von Erniedrigung und begrenzter Präsenz ist damit zwar gelockert (nicht bloß, ... sondern auch), aber grundsätzlich wird die ‚Entäußerung‘ als modifizierte Restriktion der mitgeteilten Majestät verstanden. An diesem Konzept der Entäußerung als einer Modifikation des Zusammenhangs von Unio und Majestät/Ubiquität scheitert der Helmstedter nicht. Die Apostel haben glaubet, das Christi Leib nur an Einem ort war … vndt nicht an allen orten. Sie haben aber geglaubet, das die gottheit den Himmel vndt Erden erfullet, Vndt seindt gleichwol keine Nestorianer gewesen“ (Specialnotationes, zitiert nach KRÜGER , 2004, 219 bei Anm. 375). 573 „Diß hat sich D. Kirchnerus [auf dem Quedlinburger Kolloquium] so hoch verwundert/ das Heshusius, der so viel Jar wider die Caluinisten gestritten/ der Caluinisten argumenta führet ...“ (Bericht von dem COLLOQVIO, 1585, Gij v). 574 Vgl. nur die Apologie der FC, die dem Inkonsistenzvorwurf Ursins (o. Anm. 570) entgegenhält: „Dann diese Maiestet/ alles zu erfüllen/ Jn seiner Kirchen vnd im heiligen Sacrament mit seinem Leibe gegenwertig zu sein/ gantz vnd gar nit haben/ Das löset das Geheimnüs der vnzertrenlichen Vereinigung beyder Naturen in Christo auff/ vnd scheidet die Person/ nach Raum/ Ort vnd Städte von einander: Aber dieselbige Maiestet/ von wegen vnd nach Art der persönlichen Vereinigung/ haben/ vnd nit allzeit/ als sonderlich zur Zeit der Ernidrigung nit gebrauchen/ lest die vnzentrenliche Vereinigung beyder Naturen in Christo einen Weg als den andern stehen“ (Apologia, 1583, 71v). 575 Das Helmstedter Argument wird korrekt referiert: Weil „die unio hypostatica seye so starck vnd fest gewesen / tempore extremae exinanitionis als tempore exaltationis“, müsse gefolgert werden, daß „solches abwesen nicht nach dem standt der niderigung zuverstehen seye“ (C:50f).
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Einwand. Zwar hat Christi Menschheit bereits mit und aufgrund der unio Teil an Gottes Majestät; „[d]aß aber Christus seyn Mayestät im standt der ernidrigung / allezeit gebraucht hab / wie er sie jetzunder als er erhöhet gebraucht / Daß streittet stracks wider Paulum zu den Philippern da er ausdrücklich bezeugt [Phil 2,7f] / daß er sich derselben geeussert hab / wie solches sonderlich am Creutz in seiner tieffsten ernidrigung geschehen“ (C:51). Die Erniedrigung setzt die (partikulare) Beschränkung im ‚Gebrauch‘ der Majestät, deren Empfang als solcher mit der Konstitution der Unio selbst verknüpft sein soll.576 Der Verzicht auf den ‚Gebrauch‘ der empfangenen Majestät, eine Tat freiwilligen Gehorsams des Sohnes gegenüber dem Vater,577 ermöglicht die lokal definite Präsenz und irdische Erscheinung Jesu in ‚Knechtsgestalt‘,578 so unbestritten darin zugleich eine wesentliche Bestimmung der Menschheit zum Zuge kommt. Unstrittige Majestätserweise schon des Irdischen, welche die Helmstedter geltend machen (Seewandel, Einsetzung des Abendmahls, sichtbare Himmelfahrt), werden konsequent als „Stückwerk“ (C:42) gefaßt, als nur partikulare, vorübergehende und jedenfalls für die Frage der Präsenz irrelevante Ausnahmen.579 Denn erst die Erhöhung hebt, nach Ablegung jener „Knechts ge576 „Dann ob wol solche Mayestät dem Herren Christo / nach der Menschheit im Mutter Leib geschenckt / hat er sich doch derselben geeussert vnd Knechts gestalt an sich genommen“ (C:41) und darin „solche Mayestät nicht plene ... gebraucht“ (C:42). 577 „Weil er [Christus] dem Vatter hat sollen gehorsam seyn / vnd Knechts gestalt biß in Todt tragen / hat er es [den Verzicht auf den vollen Gebrauch der Majestät] zwar nicht mit vnwillen gethan / oder auß zwang müssen thun / sondern hats freywillig gethan / weil er knechts gestalt einmal an sich genommen hat ...“ (C:42). 578 „… welche [Knechtsgestalt] er [Christus] nicht getragen hette / wann er sein Göttliche Mayestät / wie sie an jhr selbst ist / hette jeder zeit erzeigen wöllen / wie er am Jüngsten tag thun wirdt“ (C:42). 579 In der noch in den Status exinanitionis fallenden Multipräsenz bei der Einsetzung und Austeilung des ersten Abendmahles „hat doch gleichwohl Christus solche Mayestät nicht plene / sonder diß Orts allein / wie hernach auch im Garten gebraucht / aber gleich wider hinder sich gehalten“ (C:42); die Manifestation der Majestät beim Seewandel „ist auch nur Stückwerck / vnd nicht vollkommener gebrauch vnd erzeigung solcher Mayestät gewesen“ (C:42). Zur Helmstedt-Württemberger Diskussion über die Zuordnung von Erniedrigung und Unio/Majestät vgl. auch das Referat bei KRÜGER, 2004, 339–341, wo allerdings die Brisanz der Helmstedter Kritik für die schwäbische Position nicht klar in den Blick kommt. – Nach dem für die Gegenwart des Irdischen zwischen Empfängnis und Kreuz entworfenen Muster werden dann auch die Erscheinungen des Erhöhten zwischen Auferstehung und Himmelfahrt begriffen. Allerdings kehrt sich hier das Verhältnis zwischen prinzipiellem Verzicht und exzeptioneller Aktualität gleichsam um. Im Stand der Erniedrigung setzte die kontinuierliche definite Präsenz Christi den grundsätzlichen Verzicht auf den Gebrauch der Majestät voraus, nur vereinzelt durchbrochen von transitorischen Manifestationen; nach der Erhöhung wird gegenläufig die nun prinzipiell kontinuierliche majestätische Omnipräsenz vereinzelt eingezogen in den lokal definiten Erscheinungen des Erhöhten „von seiner Aufferstehung an / biß auf sein sichtbarliche Him-
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stalt“ (C:41), diese Einschränkung definitiv auf: „jetzo im standt seiner Herrligkeit“ kommt Christi Menschheit mit der universalen Herrschaft auch die Gegenwart bei allen Kreaturen zu.580 2.5 ‚Umgekehrte Vorwegnahme des kenotischen Streites‘? 2.5.1 Der christologische Schlagabtausch von 1586 antizipiert eine zentrale Debatte des kenotischen Streites. Indem die Helmstedter als Gegner jeder Ubiquität auf der strikten Kontinuität des hypothetisch akzeptierten Konnexes von Unio und Ubiquität insistieren, präsentieren sie ihren Württemberger Kontrahenten jenes Argument, das dann deren Erben um 1620 – materialiter identisch, aber mit strikt gegenläufiger Intention – gegen die Gießener Verweigerung einer ausnahmslos aktuellen omnipraesentia carnis vorbringen werden.581 Und: Das schwäbische Votum des Jahres 1586 vertritt umstandslos („stracks“) ein Verständnis der Entäußerung, das schlagend Mentzers Position582 entspricht, wenn es anstelle der für die späteren Tübinger wesentlichen Simultaneität des per se Gegensätzlichen eine Antithetik von kommunizierter Omnipräsenz und biblisch bezeugter begrenzter Erscheinung Jesu unterstellt und beide darum sequentiell ordnet. Die eigentümliche Korrespondenz zum Kenosisstreit setzt sich fort in der Bewertung der Entäußerung. Wie der Rekurs der Schwaben von 1586 auf die antithetisch gefaßte Statusdifferenz mit den Lösungsversuchen der späteren Gießener übereinkommt, so antizipiert die Helmstedter Abfertigung dieses Rettungsversuchs die Replik der ‚neuen‘ Tübinger: „Diß [die Statusdifferenz] thut allerdings nichts zur sachen / dann die vnio hypostatica ist je so starck vnd fest gewesen / tempore extremae exinanitionis ... als tempore exaltationis ...“ (B:5). Die Kontinuität der unio schließt es aus, die Entäußerung als partielle Sistierung des vorgeblich mit der Unio Gesetzten zu fassen.583 Mit dieser Kontinui-
melfahrt / vnd auch darnach“ (C:43): Der nach der Ablegung der Knechtsgestalt nun eigentlich in seiner Majestät unsichtbar Allgegenwärtige verzichtet sporadisch auf die ihm adäquate Glorie und erscheint „nach Eigenschafft seines Leibs / per modum dispensationis“ (C:43), sichtbar und greifbar. – Diese Erklärungen schreiben das von Brenz entwikkelte Modell fort; vgl. BRANDY, 1991, 211f. 219ff. 580 „… daß er [Christus] auch nach seiner heiligen Menschheit (jetzo im standt seiner Herrligkeit) ... allen Creaturen warhafftig gegenwertig / vnd alle Creaturen im gegenwertig seyen / vnd er nicht allein / als Gott sonder auch Mensch vber alle Creaturen gegenwertig regiere vnd herrsche“ (D-I, 3). 581 Vgl. o. C.II.2.2; C.II.3. 582 Vgl. o. C.II.2.4.3/4. 583 „Die ernidrigung zeigt wol an sein leiden/ aber die vnionem schwechet sie nicht“ (Heshusius; – Bericht von dem COLLOQVIO, 1585, Ciiijr); „die vnio hypostatica bleibet einen weg als den andern/ so wol tempore exinanitionis, als tempore exaltationis, von dem anfang an da die Gottheit Christi seine Menscheit in Mutterleib hat angenommen/ vnd mit jr Persönlich vereinigt. Da ist die vnio arctissima, inseparabilis, & aeterna gewesen. Durch die exaltationem ist die vnio nicht stercker worden/ Darumb thut die distinctio inter exinanitionem & exaltationem aller ding nicht zu diesem argument“ (ibd., Cijr).
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C. Die ‚neue‘ Tübinger Christologie in statu nascendi
tät verträglich ist nur, mit den Helmstedtern einen notwendigen Zusammenhang von unio und Ubiquität zu bestreiten – oder es wäre, dann gegen das klare Zeugnis der Schrift, zu behaupten, was auch die Gegenseite nicht vertritt: eine ebenso kontinuierliche, die Statusdifferenz übergreifende Allgegenwart der Menschheit Christi. – Auch die theologisch ponderable Begründung, die das Helmstedter Argument komplettiert, nimmt vorweg, was dann im kenotischen Streit von Tübinger Seite geltend gemacht wird. Unio und „nidrigung“ in der Weise antithetisch zuzuordnen, wie es die Württemberger von 1585 versuchen, verbietet ein eminentes soteriologisches Interesse: „Als der Herr Christus für unsere Sünde am Creutz henget / wirdt ein Fluch für vns / vnd stirbet eines schmertzlichen todts / da ist die eusserste exinanitio ... gewesen / gleichwohl ist die vnio hypostatica nicht schwecher gewesen / illo tempore crucifixionis, ... denn Gott hat vor [=für] vns gelitten / vnd ist gestorben“ (B:5). Die Rede vom Leiden und Sterben Gottes hängt, soll sie sachhaltig bleiben, an der ungeminderten Aktualität der Vereinigung und Kommunion der Naturen gerade in der ‚äußersten exinanitio‘; nur dann ist das Recht der Prädikation dieses menschlichen Todesgeschicks von Gott gesichert. Jeder Versuch, unio und exinanitio auch nur tendentiell in ein Verhältnis der Konkurrenz zu setzen, lädiert das Fundament der soteriologischen Finalität der unio personalis.584
2.5.2 Der Vergleich der innerlutherischen Kontroversen von 1586 und 1619 über die Christologie zeigt so einen frappanten Tausch der Rollen im theologischen Theater. Die Württemberger von 1586 vertreten jene später von den Gießenern verfochtene These, die die ‚neuen Tübinger‘ als heillose Destruktion lutherischer Christologie bekämpfen werden; und sie tun dies mit gerade den Argumenten, die die späteren Gießener gegen das zentrale Argument der späteren Tübinger wenden. Das umstandslos auf Phil 2 gestützte Verständnis der Entäußerung als befristeter Limitation im Gebrauch der Majestät, die soteriologisch fundierte Überzeugung von der Unvereinbarkeit des Majestätsgebrauchs mit der „tieffsten ernidrigung“ am Kreuz (C:51), überhaupt der Antagonismus von Herrschaft und ‚Knechtsgestalt‘, – dies alles trägt entscheidend auch den Gießener Widerspruch, während die späteren Tübinger darauf zielen, die Plausibilität solcher Antithetik von Herrschaft und Leiden zu überwinden.585 Und als Sachwalter des zentralen Arguments der späteren Tübinger treten die Helmstedter auf, jedoch, wieder gegenläufig, zur Widerlegung jenes Zusammenhangs von Unio und Ubiquität, wie ihn die späteren Tübinger geltend machen. Gemeinsam ist diesen konträren Handhabungen indes die Überzeugung, daß jener Konnex sich konsistent nur als ein strikt kontinuierlicher denken lasse. Diesen ursprünglich von der reformierten Polemik ausgebildeten Einwand gegen die Ubiquitätsthese – ‚Olevians Syllogismus‘ – ratifizieren die Tübinger von 1619 positiv und ziehen die von ihren Vorgängern des Jahres 1586 explizit negierte Konsequenz, wenn sie den Zusammenhang von Unio und Ubiquität nun tatsächlich als einen kontinuierlichen – „keine exceptio“ duldenden – verfechten. 584 585
Vgl. o. C.II.3.2.3.6; C.II.3.2.4.3. Vgl. o. C.II.3.2.4
IV. Problemgeschichtliche Profile
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2.5.3 Angesichts dieser ‚Umkehrung‘ der Konstellation, wie sie gründlicher kaum zu denken ist, wird man die Frage Th. Mahlmanns: „der spätere Streit Tübingen versus Gießen als umgekehrte Wiederholung des früheren Streites Helmstedt versus Tübingen“?586 bejahen können. Denselben Punkt markiert auf ihre Weise auch Mentzers Wertung der neuen Tübinger Christologie als eines ‚revisionistischen‘ Programms, das einen alten binnenlutherischen Konsens unerwartet aufkündigt und „längst verglichene controversien“ noch einmal neu auf die Tagesordnung setzt.587 Die mit Mentzers Diagnose berührte ‚traditionsgeschichtliche‘ Frage wird zu einem Nebenthema der kenotischen Debatte avancieren. Gegenüber dem Vorwurf, die nun in Tübingen vorgetragene These zur omnipraesentia carnis Christi bedeute einen klaren Bruch auch mit der württembergischen Tradition selbst, reklamieren Thumm wie Osiander, adressiert auch an Zweifler in Tübingen selbst,588 entschieden das auch historische Recht ihres nur reaktiven Einspruchs589 gegen die im Gegenteil Mentzer anzulastenden ‚Abweichungen‘ vom Konsens orthodoxer Lehre. In dieser Frontstellung unterziehen beide Parteien zahlreiche Texte (v.a.) württembergischer Christologie seit Brenz einer genauen Inspektion.590 Schwäbischerseits ist man zuversichtlich, die prima facie ‚harten Reden‘ mancher Vorgänger591 doch so ‚erläutern‘ und ‚versöhnen‘ zu können, daß die behauptete Kontinuität außer Frage stehe – auch ‚jenen‘, denen dieser Ausgleich „etwas schwierig“ erscheine.592 Die hierfür entwickelten Interpretationsregeln beeindrucken durch Scharfsinn und legen durchaus ‚Ambivalenzen‘ der diskutierten Texte offen.593 Doch angesichts
586
MAHLMANN, 1981c, XIs, hier: XII (kursiv U.W.); vgl. o. bei [A.] Anm. 125. Vgl. o. B.I.1.1; C.II.2.4.1. 588 Vgl. die interne Tübinger Debatte in der „Krise der Fakultät“ (J. B AUR, 1993h, 257) vom Sommer 1621, ausgelöst durch die nun offengelegten ‚Bedenken‘ des Extraordinarius Melchior Nicolai hinsichtlich des historischen Rechts wie der sachlichen Haltbarkeit der ‚neuen‘ Thesen Thumms und Osianders; WEIZSÄCKER, 1877, 54–56; J. B AUR, 1993h, 257–259. – Handschriftliches Akten-Material: UAT 12/6; Nr. 18a. 589 ‚bellum defensivum‘; vgl. o. B.I.1.1. 590 Für die schwäbische Seite vgl. neben Thumms und Osianders Versuchen v.a. die ‚ASSERTIO SANAE ET ORTHODOXAE DOCTRINAE DE FILIO Hominis gloria & honore coronato‘, mit der (der 3. Ordinarius) J.U. P REGITZER 1625 „den material ausgebautesten Traditionsbeweis der Tübinger“ (J. B AUR, 1993h, 261) vorlegt. 591 Zur Begründung seiner ‚Bedenken‘ verwies Nicolai (vgl. o. Anm. 588) auf „etlich zimlich harte Reden in D. Gerlachij und D. Hunnii Scriptis, die D. Menzer zu seinem Vortheil zugebrauchen“ (UAT 12/6, Nr. 18a, Bl. 9; vgl. dazu WEIZSÄCKER, 1877, 55). – Vgl. den Nachklang in T HUMMs Wendung gegen ‚jene‘, „qui phrasibus nonnullis durioribus Nostrorum Theologorum fascinati, falso autumant, Nos ab ορθοδοξια defecisse“ (Ταπεινωσιγραφια 1623, 120 [Kursivierung Th.]; zum Kontext: Anm. 596.) 592 LC. OSIANDER, Orthodoxae Conciliationis Modi, SIVE CANONES THEOLOGICI. QVIBVS ORTHODOXORVM Theologorum, de Statu Exinanitionis carnis Christi, dicta & scripta quaedam, in speciem obscuriora, proprio & genuino suo sensui, ad Fidei Analogiam, orthodoxe, dextre & perspicue, restituuntur & explicantur. In gratiam eorum, quibus Conciliatio illa nonnihil difficilis visa fuit, 1621 (kursiv U.W.). 593 Neben dem in Anm. 592 genannten Text vgl. v.a.: T HUMM, Ταπεινωσιγραφια 1623, 44–134: „Pars … continet Generales quasdam Regulas respondendi ad Testimonia Ortho587
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C. Die ‚neue‘ Tübinger Christologie in statu nascendi
der durch die Voten von 1586 belegten Disparität im Fundamentalen, die von vielen weiteren Texten bis unmittelbar in das Vorfeld der Wende von 1619 geteilt wird,594 ist dieser Rettungsversuch ein objektiv aussichtsloses Unterfangen595 – wie bei den Protagonisten selbst bisweilen am Rande anklingt.596
2.6. Kenose und theopaschitische Frage 2.6.1 Von Bedeutung für die problemgeschichtliche Einordnung der späteren Kontroverse ist jener Topos, den die Helmstedter als der württembergischen Kenosis-These zugrundeliegende Annahme identifizieren und dessen Recht sie bestreiten: die soteriologisch fundierte Überzeugung von der Unvereinbarkeit des Majestätsgebrauchs mit der „tieffsten ernidrigung“ am Kreuz.597. Damit wird, dies sehen die Kritiker zutreffend, die Entäußerung faktisch als partielle Rücknahme (‚Schwächung‘) der unio personalis gedacht, und dies unter Berufung auf genau die Argumente, die andererseits gerade zur Begründung der soteriologischen Notwendigkeit und Finalität der unio personalis herangezogen werden. Demgegenüber dringt die Helmstedter Christologie, so problematisch auch ihre Alternative sein mag, zu Recht auf einen Begriff der kommunizierten Majestät, der mit der vorausliegenden Bestimmung der unio personalis und deren soteriologischer Abzweckung durchgehend vereinbar bleibt. Völlig sachgemäß verweisen die Helmstedter gerade in diesem Zusammenhang auf die ‚theopaschitische‘ These lutherischer Christologie, hier kommt das Problem auf den Punkt: doxorum Theologorum circa hoc negotium ( φαινομενως seu in speciem) Antilogicas, eaque conciliandi“ (44). Dem Aufweis einer ‚perpetua harmonia‘ (63) auch jener ‚scheinbar‘ widersprechenden Thesen in älteren Texten dienen detaillierte hermeneutische ‚Canones‘; vgl. 73–86 (6 Canones zur Omnipraesentia), 86–118 (8 Canones zur universalis operatio), 116–118 (2 Canones zur Omniscientia); schließlich 119–134: 3 Canones Generales hinsichtlich verbleibender ‚Schwierigkeiten‘ (119). 594 Vgl. nur o. C.III.2.7. 595 Die dissonante Lehrtradition war „ein sehr beschwerlicher Tatbestand, den eine Theologie, der die Differenzierungen neuzeitlicher historischer Hermeneutik nicht zu Gebote standen, kaum bewältigen konnte“ (J. BAUR, 1993h, 225). 596 „... si maxime verum esset, veteres theologos a nobis dissensisse (quo nomine nonnulli plurimum sibi blandiuntur, nos autem traducunt) nihilominus Nos nostra causa nondum cecidisse, cum illi Theologi nobis non sint vel fidei vel cultus norma“ (T HUMM, Ταπεινωσιγραφια 1623, 120f, hier: 120; im Zusammenhang des ersten ‚Canon Generalis‘ (o. Anm. 593): „SOLA Scriptura … est Regula regulans, Norma normans, & mensura mensurans omnium cum credendorum tum faciendorum“ (120–122, hier: 120). – „Quod si autem duriora quaepiam occurant, meminisse debemus, quid & quantum Augustinus sibi, & omnibus Orthodoxis patribus, tribui voluerit, cum inquit, in omnibus meis libris non solum pium Lectorem, sed etiam liberum correctorem, desiderem, multo maxime in his, ubi ipsa magnitudo quaestionis utinam tam multos inventores habere posset, quam multos contradictores habet“ (N ICOLAI, Consideratio Theologica, 1622, XXV/117–119, hier: 118). – Vgl. auch J. B AUR, 1993h, 225f. 597 C:51; vgl. o. (C.IV.) 2.4.2.
IV. Problemgeschichtliche Profile
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Diese These vom ‚Leiden Gottes selbst‘ fällt, wenn die „äußerste exinanitio … illo tempore crucifixionis“ faktisch als Restriktion jener Vermittlung von Gott und Mensch gedacht wird, für die der Begriff der unio personalis steht.598 Die Erniedrigung Christi darf nicht als ‚exceptio‘ des Vollzugs der unio personalis gedacht werden, sie benennt vielmehr deren ‚Ernstfall‘. 2.6.2 Der Helmstedter Einspruch gegen die Kenosis-These der Schwaben von 1586 berührt jenen Zusammenhang, der als unzureichend geklärte Frage wiederholt in den frühen Texten der ‚neuen‘ Tübinger Christologie auftrat. Die kontinuierliche Majestätsteilhabe der Menschheit Christi suchen diese Voten – auffällig ‚gegenläufig‘ – damit zu begründen, daß sie auf die soteriologisch erforderte ‚Implikation‘ Gottes in Dasein und Tun der Menschheit Christi rekurrieren599 – dies aber ist das genuine Thema jener ‚quaestio altera de subiecto passionis Christi‘,600 die in diesen frühen Texten nicht eigenständig behandelt wird. Ein Konnex (die Koinzidenz?) von ‚Theogenese‘ und ‚Ensarkose‘601 wird faktisch beansprucht, erfährt aber keine Bearbeitung und bleibt systematisch ungeklärt – eine problematische vorläufige Leerstelle der neuen Tübinger Christologie. Die hier bei den Württembergern von 1585ff, aber auch noch bei den ‚neuen‘ Tübingern zu beobachtende Unklarheit reicht weit zurück, bis an den Ursprung schwäbischer Christologie. Der – erstmals auf dem Maulbronner Kolloquium (10.–15. April 1564) manifest werdenden – Rücknahme der communicatio Majestatis auf die Phasenlösung des ‚gemäßigten Ubiquismus‘,602 wie ihn dann auch die Tübinger gegenüber Helmstedt ver598 „Als der Herr Christus für unsere Sünde am Creutz henget/ wirdt ein Fluch für vns/ vnd stirbet eines schmertzlichen todts / da ist die eusserste exinanitio ... gewesen/ gleichwohl ist die vnio hypostatica nicht schwecher gewesen/ illo tempore crucifixionis ... denn Gott hat vor [=für] vns gelitten / vnd ist gestorben“ (B:5; vgl. o. C.IV.2.5.1). 599 Vgl. o. C.II.3.2.3.6; C.II.3.2.4.3. 600 Vgl. o. C.II.1.3. 601 Vgl. dazu o. C.III.2.4. 602 Eine eingehende Behandlung des ‚gemäßigten Ubiquismus‘ (o. A.II.1.1) zwischen Brenz und den neuen Tübingern, der Gründe seiner Ausbildung und seiner unter lutherischen Prämissen ungelösten und unlösbaren Aporien kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht erfolgen. Hier werden nur einige Probleme soweit thetisch skizziert, als es zum Verständnis des im nächsten Hauptteil anzugehenden ‚Weges zur klassischen Tübinger Christologie‘ nötig ist. – Zum Maulbronner Kolloquium zwischen den Württemberger und Pfälzer Theologen, der ‚Geburtsstunde‘ des gemäßigten Ubiquismus, vgl. als Überblick: HEPPE, 1853, II, 71–96; SUDHOFF, 1857, 260–290; B IZER, 1940, 335–362; MÜLLER -STREISAND, 1960/61, 367–371; HOLLERBACH, 1982, 230–236; HENSS, 1983, 48f; PRESS, 1970, 236f; DINGEL, 1997, 665f. – Die bislang eingehendste Analyse der christologischen Frage hat BRANDY vorgelegt: 2000, 58–84, bes. 68–77 (der Aufsatz fußt zu Teilen auf einem Abschnitt der masch. Dissertation Brandys von 1989, 84–109, der in die Druckfassung von 1991 nicht aufgenommen wurde). – Gegen ursprüngliche Verabredungen geben beide Streitparteien 1565 jeweils ein vollständiges Protokoll des Kolloquiums in den Druck; im folgenden wird verwendet das württembergische Protocoll.
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C. Die ‚neue‘ Tübinger Christologie in statu nascendi
treten, korrespondiert eine Ermäßigung auch der theopaschitischen These, – ebenfalls schon früh, noch bei J. Brenz selbst.603 2.6.2.1 Ursprünglich hatte Brenz die christologische Kommunikation im Grundsatz als ein wechselseitiges Geschehen bestimmt, in dem je eine Natur der anderen ihre Eigentümlichkeiten und Tätigkeiten mitteilt. 604 In der Auseinandersetzung mit den Schweizern dominiert zwar die These von der Erhöhung des Menschen zur göttlichen Majestät Brenzens Darlegungen, aber in konsequenter Entfaltung der Grundentscheidung tritt ihr doch die Aussage über das Leiden und Sterben Gottes kraft der Idiomenkommunikation an die Seite.605 Nur in modaler Hinsicht ist insofern zu differenzieren, als solche Teilhabe Gottes am menschlichen Leiden nicht – in einfacher Umkehrung der communicatio Majestatis – als Resultat einer von der menschlichen Natur ausgehenden Wirkung (communicatio im engeren Sinn) auf die Gottheit zu denken ist, sondern Gottes selbstbestimmte Aneignung des Fremden meint: „Deus ... passionem et mortem Christi ... sibi communem faci[t]“.606 In der Klammer dieser modalen Unterscheidung aber insistiert Brenz entschlossen auf der ‚Realität‘ des Leidens Gottes: Deus ipse passus est et mortuus.607 2.6.2.2 Unter dem „‚Druck‘ des Postulates der Immutabilität Gottes“608 und in einer Extrapolation des für die Konstitution der Personeinheit wesentlichen Gefälles zwischen Gottheit (assumens) und Menschheit (assumpta)609 kommt es bei Brenz, je länger je
603 Diese Restriktionen schon bei Brenz selbst hat, in Präzisierung und Korrektur älterer Annahmen, überzeugend BRANDY herausgearbeitet: 1991, 193–198. 604 „... ut altera [natura] alteri suas proprietates seu actiones communicet, quod ‚communicatio idiomatum‘ vocant“ (Sententia 132,12f); „proprietates earum [naturarum] tanta familiaritate substantiis communicantur, ut quae est unius naturae proprietas, eam altera sibi communem faciat ...“ (De personali Unione 40,25–27); „quia essentiae duarum naturarum in Christo una persona ... unitae sunt, necesse est, ut et proprietates una coniunctae sint et alteri naturae ab altera communicentur“ (Sententia 134,29–33). 605 „... per communicationem idiomatum de Christo dicimus Deum esse passum et mortuum“ (De personali Unione 32,30–32; vgl. den Kontext 32,14–34,15; der gegenläufigen Prädikation göttlicher Idiome von der Menschheit (34,16–25) parallelisiert, s. die Überleitung: „Sic etiam ...“ (34,16). – Vgl.: „quia [divina natura] est in Christo cum humana natura in indiuiduam personam unita, non fuit tantum cum ea praesens in passione et morte sicut cum aliis sanctis, verum etiam facta est earum tam personaliter particeps, ut vere dici potuerit: Deus ipse passus est et mortuus“ (Sententia 132,27–31). – Vgl. De Maiestate Christi 238,26–32:32; 240,1ff. 606 Sententia 32,34f. – Brenz gibt dieser Unterscheidung keine große Emphase, und an anderer Stelle (De personali Unione 40,25–27 [zitiert Anm. 604]) bezeichnet dieser Ausdruck undifferenziert beide Kommunikationsvollzüge. Die spätere Christologie wird diesen Punkt schärfer ausarbeiten. Dennoch dürfte BRANDY (1991, 194 mit u. bei Anm. 117) diese Differenz zu Recht betonen. 607 Sententia 132, 26–31:31; vgl. De Maiestate Christi 238,26–32:32. – „... ο λογος seu Deus verbum patitur et moritur ... vere et reipsa … non quidem ex natura deitatis, sed ex natura humanitatis, cui ο λογος est unitus“ (De personali Unione 34, 3.5–7). 608 BRANDY, 1991, 197. 609 „… quia in hac vnione diuinitas assumit humanitatem, non autem humanitas diuinitatem, idcirco illa huic nihil imbecillitatis confert: haec autem confert illi“ (Recognitio 1564, 29). Vgl. BRANDY, 1991, 196. – Anders noch (in Aufnahme eines Basilius-Zitats): „deitas in Christo unita assumpsit humanitatis eius passionem et mortem, non ut ipsa
IV. Problemgeschichtliche Profile
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mehr, zu einer Restriktion der Symmetrie der Idiomenkommunikation, die dann schließlich diese Mitteilung auf eine Bewegung nur von der Gottheit zur Menschheit beschränkt: „das ist die rechte Communicatio Idiomatum, nicht daß die menschliche Eigenschafft der Go(e)ttlichen Natur, sonder daß die Go(e)ttliche Eigenschafft ... Der Menschlichen Natur in der Menschwerdung Christi mitgetheilet worden“.610 Die Idiomenkommunikation ist damit von Brenz als „ein völlig einseitiger Vorgang“611 konzipiert. 2.6.2.3 Um die ‚theopaschitische‘ Aussage unter diesen Restriktionen festhalten zu können, suchen Brenz und, mit ihm, J. Andreae einen neuen Ansatzpunkt. Gelitten hat nicht die ewige Gottheit, gelitten hat ‚nur‘ der Mensch Christus, – aber dieser Mensch ist der zur göttlichen Majestät Erhöhte, der Mensch, der Teil hat am Sein Gottes selbst. Über diesen ‚Zwischenschritt‘ glauben die Schwaben den problematischen Satz doch noch einholen zu können: „Gott hat also in Christo gelitten, daß er diesem Menschen seine Göttliche Majestät mitgetheilet, um welcher willen der Mensch Christus Gott genennet und der Mensch als Gott (doch exinanitione) gelitten hat“.612 Die These des Leidens Gottes formuliert nun kein eigenständiges Thema neben der communicatio Majestatis mehr; sie soll als Folge und als Implikat der göttlichen Selbstmitteilung an die Menschheit gedacht werden, als „umschlagende Konsequenz des genus majestaticum“: 613 „Indem der erhöhte Mensch leidet, leidet Gott.“614
2.6.3 Es dürfte in bestimmter Weise diese ‚Lösung‘ der theopaschitischen Frage auf dem ‚Umweg‘ über die communicatio Majestatis sein, die sich in den ungeklärten Verknüpfungen beider Themen bei Brenzens ‚Erben‘ von 1585ff und zunächst auch noch von 1619ff manifestiert. Sie darf als „originelle Interpretation“615 gelten, ist aber sachlich darin ganz unzureichend, daß sie unter der Hand das Thema wechselt; anstelle der angezielten Erläuterung des Leidens ‚Gottes selbst‘ ist am Ende die Rede vom Leiden des pateretur et moreretur, sed ut passionem et mortem eius absorberet ac ipsam coelesti maiestate ornaret“ (De personali Unione 36, 5–13, hier: 10ff – mit allerdings problematischer Festlegung nach der positiven Seite hin, dazu gleich u. 2.6.2.3). 610 BRENZ/ANDREAE, Apologia ad Electorem Augustum, 1564 (dazu BRANDY, 2000, 60 Anm. 11; DERS. 1991, 61–67, hier: 65; HUND, 2006, 97f. 102–109), 81. – Vgl.: „das Eisen gibt dem Feuer nicht seine Ha(e)rte und seine Eysengraue Farb, sondern das Feuer gibt dem Eysen, das es feurig, klar und scheinbar wird“ – „Also in der Vereinigung Go(e)ttlicher und Menschlicher Natur verwandelt die Menschheit nicht die Gottheit, sondern die Gottheit verwandelt die Menschheit“, „nicht, daß das Menschliche Wesen … vera(e)ndert werde“, sondern daß „das Menschlich unvera(e)ndert wesen mit der Go(e)ttlichen Majesta(e)t begabt und gezieret werde“ (ibd., vgl. BRANDY, 1989, 277). 611 BRANDY, 1991, 196; vgl. entsprechend DERS., 1989, 282: „Kommunikation als exklusiv einliniger Weg von Gott zum Menschen“. 612 Apologia ad Electorem Augustum, 1564, 81. 613 So treffend J. B AUR, 1978a, 197. – Vgl. auch: „Brenz will ... die Rede vom Leiden Gottes festhalten, indem er sie systematisch der Übereignung der Majestät zu- und unterordnet. Das ‚genus tapeinoticum‘ bekommt seinen Ort innerhalb des ‚genus maiestaticum‘. Die Rede vom Leiden Gottes ist damit kein Thema sui generis mehr; sie ist nur die Rückseite der Medaille, um deren Prägung es Brenz geht: Die Majestät der Menschheit Christi“ (BRANDY 1991, 197; Hervorhebungen Br.). 614 BRANDY 1991, 197. 615 BRANDY 1991, 196.
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C. Die ‚neue‘ Tübinger Christologie in statu nascendi
zur göttlichen Majestät erhöhten Menschen. Zudem – diese Verschiebung entgeht gar nicht den Schwierigkeiten, die sie veranlassen. Die Probleme wiederholen sich auf neuer Ebene. 2.6.3.1 Die Bestimmungen der Unveränderlichkeit und Apathie Gottes, die Brenz wie auch Andreae zum Rückzug in der Frage der Passio Dei bewegen, gelten ohne Einschränkung auch für die Christi Menschheit mitgeteilte göttliche Majestät: Diese ist – als divinitas communicata – realiter identisch mit der divinitas communicans des Logos; hier wie dort wird das eine göttliche Wesen, nur in verschiedener Perspektive, in den Blick genommen.616 Brenz und seine Erben betonen penibel diese numerische und qualitative Identität von empfangener ‚Gabe‘ und ‚Geber‘, göttlichem Wesen des Logos und empfangener Majestät; allein so bleibt die These der „realen“ Idiomenkommunikation unterschieden von dem (Miß)Verständnis, das die reformierte und jesuitische Polemik präsentiert: der Behauptung eines transfusiven Übergangs zwischen diskreten Subjekten mit der Folge einer Verdoppelung des Mitgeteilten je im Geber und Empfänger.617 2.6.3.2 Unter Voraussetzung dieser Identität muß dann die für die naturale Gottheit des Logos negierte Betroffenheit durch menschliche Niedrigkeit, menschliches Leiden, menschlichen Tod auch für die mitgeteilte ‚Majestät‘ ausgeschlossen werden. Als der aktuell an der göttlichen Majestät Partizipierende kann auch der Mensch Christus nicht in einem strikten Sinn zugleich (simul) durch Leid und Tod bestimmt sein. Die theo-logisch beachtete Distanzierung von Herrlichkeit und Niedrigkeit ist ohne Einschränkung auch für das christologische Subjekt zu wiederholen und in Geltung zu bringen. 2.6.3.3 Diese christologische Reformulierung der theo-logischen Grenzziehung ist bekannt: Das Konzept der ‚Entäußerung‘ als der modal und zeitlich limitierten Einschränkung der Teilhabe des Menschen Christus an der Majestät Gottes zielt genau auf jene Distanzierung von göttlicher Hoheit und menschlicher Niedrigkeit. Nur als ‚Potenz‘ (‚Besitz‘, actus primus), nicht aber als aktuell vollzogene scheint die Teilhabe der Menschheit an der Majestät verträglich mit dem Leidens- und Todesgeschick, das derselben Menschheit zwischen Empfängnis und Kreuz widerfährt. M.a.W.: Die kenotische These ist das christologische Seitenstück der theopaschitischen Restriktion. An der Menschheit Christi als dem veränderbaren Subjekt soll eingelöst werden, was für die unveränderliche Gottheit auszuschließen war. Die negative Begrenzung der theopaschitischen These, das Apathieaxiom: ‚Divinitas nec pati nec mori potest‘ liegt der kenotischen These nicht nur begründend voraus, sondern wird innerhalb ihrer – nun in positiver Wendung – als causa finalis der Notwendigkeit der Exinanitio wiederholt: ut pati & mori posset.618
2.6.4 Der prinzipielle Ausschluß der Gottheit vom Leiden der Menschheit, der limitierte Ausschluß des Menschen von der Weltherrschaft Gottes zum Zweck der Ermöglichung dieses Leidens – beide Restriktionen bedeuten allerdings eine Verletzung der Personeinheit, jedenfalls nach den Maßstäben einer Theorie, die diese Synthese als kontinuierlichen Vollzug kommunikativer Vermittlung der Naturen bestimmt. Und: Beide Restriktionen erweisen sich als Folgen ein- und desselben Defizits. Brenz selbst belegt 616 Zur Terminologie: Brenz, De Maiestate Christi, 340,21–23; zum theologischen Horizont: MAHLMANN, 1970, 253–259; BRANDY, 1991, 172f. 617 Vgl. die lutherischen Präzisierungen, o. C.II.3.1.2.1/2. 618 Vgl. nur das o. zu Mentzer Notierte (C.II.2.4.3).
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dies faktisch dadurch, daß seine ‚Lösung‘ der theopaschitischen Frage über den Umweg der communicatio Majestatis den kenotischen Vorbehalt (den christologischen Platzhalter des theo-logischen Apathieaxioms) direkt aufnimmt, wenn sie festhält: „daß der Mensch als Gott (doch exinanitione) gelitten hat“.619 – Den schwäbischen Christologen gelingt es nicht, einzulösen, was ihr Grundbegriff der Personeinheit als Kommunikation der Naturen hier wie dort als Aufgabe stellt: göttliche Herrlichkeit und menschliche Niedrigkeit als simultan aktuale Bestimmungen ein- und desselben zu denken. Die kenotische und die theopaschitische Aporie bilden zwei Aspekte ein- und desselben Grundproblems.620 2.6.5 Schon von ihren Anfängen her ist die schwäbische Christologie so mit zwei fundamentalen Inkonsistenzproblemen belastet, die eine konsequente Entfaltung des kommunikativen Begriffs der Personeinheit blockieren. Im Blick auf die weitere Entwicklung ist festzuhalten: Die Bewältigung der kenotischen Frage wird nicht möglich sein ohne eine vorgängige Lösung des tiefer liegenden Grundproblems, ein striktes Simul per se konträrer Bestimmungen denken zu müssen – „das ein ding zugleich ja vnnd nein / weiß vnd schwartz soll sein“621. Dieses ‚radikale‘ Grundproblem manifestiert sich direkter und deutlicher in der theopaschitischen Frage. 619
Apologia ad Electorem Augustum, 1564, 81; vgl. o. bei Anm. 612. – Vgl. hier auch R. Schröders These, das lutherische genus maiestaticum denke die Menschheit Christi als ‚Doppelgänger des metaphysischen Gottes‘, um so die veränderliche Geschichte Jesu als Gott betreffende Geschichte explizieren zu können: 1983, 181–209, bes. 195ff. 620 In beiden Restriktionen manifestiert sich – jedenfalls bei Brenz – die Grenze des ontologischen ‚Modells‘, mit dessen Hilfe die These der christologischen Kommunikation expliziert wird (Überblick: MAHLMANN, 1970, 234–244; BRANDY, 1991, 179–193). Voraussetzung ist die Unterscheidung der Eigenschaften eines Seienden in unveränderliche wesentliche Bestimmungen einerseits und akzidentelle Proprietäten andererseits, welch letztere als akzidentelle ‚ohne Zerstörung ihres Subjektes‘ einer Veränderung (mutatio) unterliegen oder ganz entfallen können. Auf dieser Basis erläutert Brenz die christologische Kommunikation als ‚Ersatz‘ der – sehr weit gefaßten – akzidentellen Eigenschaften der Menschheit (e.g.: in loco esse) durch die konträren göttlichen Idiome (e.g. Allgegenwart). Diese Explikation der Idiomenkommunikation als effektiver ‚Veränderung‘, die eine simultane Bestimmung ein- und desselben durch konträre Attribute gerade nicht denkt, ist nicht nur von vornherein für das theopaschitische Problem (immutabilitas Dei), sondern am Ende auch für die Frage der communicatio Majestatis untauglich. Auf dieser Grundlage ist nicht zu leisten, was allein die Lösung der theopaschitischen und der kenotischen Frage voranbringen könnte: die reale „Veränderung“ der Naturen in der Personeinheit bei bleibender Integrität des jeweiligen Wesensbestandes, die Simultaneität von in Koexistenz begründeter wechselseitiger Neubestimmung bei perennierender Identität je für sich auszusagen. – Vgl. u. D.IV.1.4/5. 621 „Gott nicht will / das ein ding zugleich ja vnnd nein / weiß vnd schwartz soll sein“ – so ein zentraler Einwand der Pfälzer Kontrahenten (Z. Ursin) auf dem Maulbronner Kolloquium (vgl. Anm. 570. 602) gegen die Württemberger (Protocoll 221): Eine Verknüpfung finiter Lokalität und majestätischer Omnipräsenz, wie sie Andreae zunächst als
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C. Die ‚neue‘ Tübinger Christologie in statu nascendi
Die kontroverstheologische Debatte und so auch die konstruktive Arbeit der lutherischen Christologen konzentrieren sich indes lange Zeit auf die These der communicatio Majestatis. Eine Zäsur setzt hier Ägidius Hunns nochmalige Transformation des ‚gemäßigten Ubiquismus‘ durch das Konzept der ‚praesentia intima‘. Dieser Versuch, das kenotische Problem ‚akkurater‘ zu lösen, nimmt jedoch einen Weg, der die zugrundeliegende Antithetik von göttlicher Majestät und menschlicher Niedrigkeit gerade nicht ‚auflöst‘, sondern im Gegenteil ‚prinzipialisiert‘; die korrelierte theopaschitische These wird damit erst recht uneinholbar. – Diesen Zusammenhängen soll die dritte problemgeschichtliche Profilierung der ‚neuen‘ Tübinger Christologie nachgehen. 3. Die ‚neuen Tübinger‘ und Ägidius Hunn 3.1 Hunns Transformation des ‚gemäßigten Ubiquismus‘ Das von Ägidius Hunn(ius) (1550–1603)622 entwickelte, seit 1585 literarisch vorgetragene Konzept der ‚praesentia intima‘623 markiert eine nochsimultane Bestimmungen der Menschheit Christi schon in utero vertritt, formuliere eine logische wie theologische Monstrosität – eine Verletzung des Widerspruchsaxioms, die zugleich unverträglich mit der Wahrhaftigkeit des niemals widersprüchlichen Gottes sei: „Kurtz zuantworten / ist erstlich diß gewiß / das Gott von wegen seiner vnwandelbaren Warheit / nicht will noch macht / das ein ding / oder ein einiger Leib / zugleich oder auff eine zeit / sichtbar vnnd vnsichtbar / vmbschrieben / an einem gewissen ort / vnnd onendlich[!] / onumschrieben an andern / oder allen orten sey“ (Protocoll 170f). – Christologisch enden diese logischen wie theologischen Absurditäten nach Pfälzer Sicht im Doketismus. Bestehen menschliche Niedrigkeit und göttlicher Majestät in dieser Weise zusammen, dann müßte von jedem Datum der Geschichte Jesu zwischen Empfängnis und Tod zugleich das kontradiktorische Gegenteil behauptet werden: Christus hätte „gelitten ... vnd nit gelitten“, er wäre „gecreutziget ... vnd nicht gecreutziget/ gestorben vnd nit gestorben/ begraben vnd nicht begraben“ (Protocoll 211). „Dann in allen diesen ... stücken ... das eine der natürlich Leib kan leiden/ vnnd die ernidrigung Christi erfordert hat/ Die Maiestet aber solches nit leidet/ sonder das gegenspiel [Gegenteil] gentzlich erfordert“ (211f). Die Sätze des zweiten Artikels des Credos wären wahr und zu bejahen „nach der natürlichen weiß“, sie wären aber zugleich „nit war nach der Maiestetischen weiß“, – diese Parallelität aber bedeutet nichts anderes als die doketische Vernichtung der irdischen Geschichte Christi: „das ist so vil als nichts“ (212). 622 Überblick zu Person und Werk: MAHLMANN, 1986a. Für Hunns Weg und Wirken bis zum Wechsel von Marburg nach Wittenberg: M ATTHIAS, 2004 (Lit.: 405–442; Verzeichnis der gedruckten Werke Hunns: 334–392 [im folgenden zitiert: WV, Seite, Nr.]). 623 Grundlegender Text: Libelli IIII. de Persona Christi, eiusque ad Dexteram Dei sedentis Divina Maiestate; Frankfurt, 1585 (= 1592; im folgenden benutzt; s. WV, 339 Nr. 17; Wiederabdruck auch Opera Latina I, 135–444; – zur Vorgeschichte und zum Kontext der Publikation: M ATTHIAS, 2004, 197f), hier v.a. die systematische Entfaltung im Libellus I: 1–161 (= Op. Lat. I, 141–218). – Bereits 1577 hatte Hunnius auf Verlangen von Landgraf Wilhelm IV. seine von diesem kritisierte Christologie in einem handschriftlichen ‚Bekenntnis‘ festgehalten, das dann jedoch erst 1590 im Druck publiziert wurde:
IV. Problemgeschichtliche Profile
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malige Transformation des ‚gemäßigten Ubiquismus‘. Sie zielt auf die Bearbeitung jenes Konsistenzproblems, das die kenotische These einer Theorie stellt, welche die Personeinheit auf eine Teilhabe der Menschheit Christi an der göttlichen Majestät – zentral an der Allgegenwart – hin auslegt. 3.1.1 Seit ‚Maulbronn‘624 markiert die konfessionelle Polemik scharfsichtig und hartnäckig die Unzulänglichkeit des üblichen Explikationsversuchs, der mit der Differenz von ‚Besitz‘ und ‚Gebrauch‘ argumentiert. Indem Hunn die lutherische Apologetik hier neu orientiert, erkennt er faktisch die Untauglichkeit dieser bisherigen Lösung jedenfalls für die Frage der Omnipräsenz an.625 Dem konzis in ‚Olevians Syllogismus‘ formulierten Vorwurf der inkonsistenten Konzession eines extra carnem (exinanitam)626 sucht seine nun neu entwickelte ‚akkurate und solide‘ Erläuterung627 so zu begegnen, daß sie die unio personalis konsequent in der Weltlosigkeit ‚extra omnia loca‘ ‚in‘ der Person des Logos „verortet“. Den Ausgangspunkt bildet die Bestimmung der Aufnahme (assumptio) der Menschheit Christi ‚in‘ die Hypostase des Logos; ‚hier‘ kommt es zur vollständigen Durchdringung (immanentia) und Vermittlung beider Naturen füreinander, die kein extra beider mehr zuläßt. ‚IN λογω‘; ‚INTRA hypostasin‘ – die nicht seltene Versalierung der Präpositionen bei der Angabe des terminus in/ad quem628 jener Assumptio stellt den typographischen Reflex eines systematiEin kurze / einfältige ... Bekandtnuß ... Darinn von der Person Christi vnd jhrer Mayestet nach der angenomenen Menschheit / vnd sonderlich de Omnipraesentia hominis Christi gehandelt wird; Straßburg 1590 (WV, 349 Nr. 47; zu Entstehung und Inhalt: ibd. 169– 197). – Für eine präzise Rekonstruktion der Position Hunns, besonders auch für die Diskussion der durch MATTHIAS’ Interpretation aufgeworfenen Fragen (vgl. A.II.1.4; u. [D.] Anm. 838) unerläßlich ist der Einbezug einschlägiger Passagen aus späteren Schriften Hunns, die v.a. die Auseinandersetzung mit Chr. Pezel führen (zu dieser Debatte: WEISGERBER , 1955, 73–78; M ATTHIAS, 2004, 313–320): Epheser-Kommentar 1587 (zitiert: Eph; WV, 343 Nr. 30), De Sacramentis 1590 (WV, 348 Nr. 46), Assertio Sanae et orthodoxae Doctrinae de Persona et Maiestate Christi 1592 (WV, 352 Nr. 58). 624 Vgl. A.II.1.1; o. bei u. mit Anm. 602. 625 Hinsichtlich der kommunizierten Allwissenheit und Allmacht hingegen wiederholt Hunn die übliche statusrelative Unterscheidung von Besitz und (vollständigem) Gebrauch des Mitgeteilten (I, 70–73 bzw. 73–78). Für die Frage der Allgegenwart setzt das Argument dagegen neu und anders an (I, 79–93; vgl. dazu gleich im Text). 626 In Hunns Referat: „Etenim si tum [im Stand der Entäußerung] non fuit soluta Vnio, tametsi Christus iuxta carnem vbique non esset: ne nunc [im Stand der Erhöhung] quidem soluetur, etiamsi omnipraesentia illi non adscribatur?“ (I, 78; vgl. Eph 177). – Vgl. dazu o. C.II.2.4.4; C.IV.2.6.2. 627 „Quod argumentum quia pars aduersa fluctuantis suae opinionis sacram anchoram facit, ideo solida & accurata explicatione id dissoluemus“ (Eph 177; vgl. I, 78). 628 Zum Begriff vgl. o. C.II.2.2.1.1 sowie bei Hunn selbst: „... si quaeratur, vbi sit facta incarnatio: Recte respondetur, in vtero virginis. Si autem de ASSUMPTIONIS TERMINO quaeratur, quo vel quorsum sit as|sumpta in ea incarnatione Humanitas: respondendum nobis est, assumptam illam quidem esse in vtero materno, sed non in vterum, as-
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C. Die ‚neue‘ Tübinger Christologie in statu nascendi
schen Interesses Hunns dar. Die in die göttliche Hypostase aufgenommene (assumere) oder ‚aufgehobene‘ (elevare)629 Menschheit gewinnt kraft dieser Partizipation eine illokal-raumtranszendente Existenz, die ihrem essentiell begründeten finiten Dasein parallel geht.630 Der ‚Eingang‘ in die Logoshypostase und die ‚Auf-Nahme‘ in das welttranszendente ‚Jenseits‘ geschöpflicher Begrenzung sind die zwei Seiten der Assumptio, einander notwendig korreliert und einander auslegend: „ex infallibili neceßitate ... ipsa quoque caro Verbi extra & supra locum omnem erit in ipsa purißima Divinitate & hypostasi verbi“.631 Hatte lutherische Christologie bisher die ‚Illokalität‘ Gottes als Weltüberlegenheit konzipiert, so denkt Hunn sie nun zunächst und primär als ‚Weltlosigkeit‘, als Außer-Weltlichkeit und ‚Abständigkeit‘ von der geschöpflichen Welt.632 Er beansprucht so Illokalität nicht nur als Grund und Modus weltüberlegener Allgegenwart – als „positive Raumfreiheit“, sondern – christologisch – zuerst als „negative Raumfreiheit“:633 als ein weltloses Dasein, das von der Frage der Anwesenheit in der räumlich verfaßten Welt gänzlich unbetroffen ist. Illokale Existenz kraft der Aufnahme in die Logos-Person heißt nun zuerst: ontologische Distanz der Menschheit Christi zur raumzeitlich verfaßten Welt, ‚wie sie
sumptam in loco, sed non in locum, siue hunc siue alium quemlibet: alias ei perpetuo affixa maneret Humanitas Christi“ (Eph 363|f; vgl. De Sacramentis 570); der assumptionis terminus ist vielmehr „[n]on vllus alius, quam sola diuinissima Persona seu υποστασις“ des Logos, dort hat die natura humana ihr Personale subsistere, kraft dessen sie über alle Orte erhoben ist (Assertio 133). 629 „… in illum [λογον] assumpta & eleuata“ (Eph 344); vgl. Assertio 212. 630 „Quae [hypostasis] quia omnem localitatem transcendit imcomparabiliter: etiam id quod reali as|sumptione eo per vnionem transfertur & euehitur, loca omnia transscendat, necesse est“ (Eph 176|f; vgl. Assertio 138.141.147). – Vgl. als parallele einschlägige Formulierungen dieses ‚extra locum‘ Gottes: „INTRA λογου υποστασιν, in qua cessat omnis localitas“ (Eph 330); „A loco enim absoluitur [caro], respectu personalis |existentiae: ... E λογω autem non emouetur, non eximitur vnquam Caro semel in illum assumpta & eleuata“ (Eph 343|f); „[caro] reali assumptione translata supra loci conditionem in ipsammet personam του λογου cuncta loca toto genere infinitaque altitudine transcendentem“ (Assertio 134). – Der Sohn Gottes hat die Menschheit „in sein Göttliche person hinein (quae supra extraque omne tempus & locum est) an sich genommen vnd erhaben“ (Bekandtnuß, Bl. Bij v). 631 I, 30. – So „müssen wir ... bekennen/ daß eben dise vnd kein andere Menschliche Natur/ vnmäßlich/ tieffer/ vnd näher in die Person Gottes hinein gesetzt wirt ... Hie kommen wir mit Christi menschlicher Natur/ ausser vnd vber alle Creaturn/ ort/ raum/ vnd stätt/ schlecht in die Person des Sohns Gottes hinein/ in welche sie mit nichten raumlicher oder jrdischer weiß besteht“ (Bekandtnuß Bl. Cjr). 632 „etsi [humanitas] Filio Dei erat … omnipraesens, hoc est nullibi ab eo distans, tamen haec praesentia & existentia humanitatis ponitur extra creatu|rarum respectum & considerationem intra λογον ipsum, qui non eo modo, quo in creaturis est efficax, sed quo intra sese vel intra suam hypostasin consideratur, Humanitatem habuit sibi iunctam in illa ipsa hypostasi sua, intra quam sola est Humanitas, caeterae vero creaturae non intra sed extra eam“ (Eph 182|f; vgl. 176. 343). 633 Die Formulierungen entlehne ich I.A. DORNER, 1856a, II, 778.
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größer gar nicht gedacht werden kann‘: „Qua ratione non posset Saluatoris humanitas a rebus creatis distare longius“!634 Der häufig gebrauchte Terminus der ‚Transcendenz‘ (transcendere omnem localitatem)635 charakterisiert Hunns ‚akosmistische‘ Akzentuierung treffend: Zunächst nicht als die Modalität gottgleicher Weltpräsenz, sondern als das Fundament einer weltentnommenen, dem essentiell begründeten Dasein ‚in loco‘ parallelen Existenz kommt das ‚esse in λογω‘ in den Blick. Das ‚IN(TRA) hypostasin‘ bezeichnet den weltabgewandten, aller anderen Kreatur bleibend entzogenen ‚Binnenraum‘ der exklusiven Gemeinschaft der ‚hier‘ nur einander zugewandten Naturen. Wider Hunns Intention gewinnt dann dieser Terminus ad quem der assumptio – gerade wegen der strikten Abgrenzung gegen jedes räumliche Verständnis – Züge einer dem geschöpflichen Bereich konkurrierenden ‚Gegenwelt‘: IN Λογω, darum EXTRA omnia Loca – gleichsam das Extra-Hunnianum!636
3.1.2 Die ‚transcendente‘ Fassung der initialen assumptio bestimmt Hunns Verständnis der unio personalis überhaupt. Die Konstitution der Personeinheit ‚ist‘ gerade diese ‚Erhebung‘ (eleuare) der Menschheit Christi aus der geschöpflichen Welt, ist deren Ein-Gang ‚in‘ die Logoshypostase, ist deren strikt zu verstehende ‚IN-Hypostasie‘. Die mit dem Terminus In-karnation eigentlich intendierte ‚katabatische‘ Bewegungsrichtung kehrt Hunn insoweit um: zur Zusammenkunft (conventus) von Gott und Mensch kommt es nicht durch den Eingang Gottes in die Grenzen geschöpflicher Existenz, sondern durch die Auf-nahme des Geschöpfes in das Innere des Seins Gottes: Mit dieser Antithetik wird die Inkarnation des Logos modal als ‚Entweltlichung‘ der angenommenen Menschheit entworfen.637 634
Eph 183 – die für Hunns Konzept der praesentia intima konstitutive Distanzierung von unio personalis und Weltgegenwart erfährt hier ihre wohl strikteste Formulierung! – „Quae | humanitatis in ipso λογω subsistentia & immanentia longe maiorem ponit inter humanitatem reliquasque creaturas διαστασιν , quam si immenso omnium, quae vspiam sunt, locorum intervallo a creaturis remota esset & seiuncta“ (Assertio 226|f). 635 Vgl. o. Anm. 630. 636 So eindeutig diese ‚akosmistische‘ Fassung der unio als Eigenthese Hunns gelten muß, steht sie doch auch in einer Fluchtlinie schwäbischer Christologie – sie radikalisiert jene problematischen ‚Tendenzen‘, die schon deren initialem Entwurf eignen: Bereits Brenz „interpretiert die Majestas der Menschheit Christi … exklusiv als Teilhabe an der Welt- und Ortsüberlegenheit Gottes, dessen Weltverhältnis schon zuvor, anders als bei Luther, nur noch als Freiheit vom Ort und nicht als dialektisches Insein ausgelegt wird“ (J. B AUR, 2007, 241–255, bes. 247ff, hier: 254; vgl. o. C.IV.1.1.3). Diese „Saat des Zeit und Raum nichtenden Brenzschen Akosmismus ist bei Hunn voll aufgegangen“; in seiner ‚verformten Schwäbischen Christologie‘ kommt es zu einer jetzt völlig „weltlosen Fassung von illocalis“, die beziehungslos antithetisch setzt, was bei Luther dialektisch vermittelt war: „Die Erhöhung der Menschheit zur Majestät der Gottheit kommt ungebrochen zur Sprache, doch gerade so wird ihr Weltbezug sistiert“ (J. B AUR, 2007, 272– 280, bes. 276ff, Zitate: 279. 272. 278). 637 An dieser ‚akosmistischen‘ Ausrichtung entscheidet sich für Hunn rechtes und falsches Verständnis, ja geradezu die Möglichkeit der Personeinheit überhaupt: Illokalität ist der einzig denkbare – sit venia verbo – „Ort“ einer Übereinkunft (unio; conventus) der ihren wesentlichen Daseinsweisen nach strikt getrennten Naturen von Gott und Mensch.
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C. Die ‚neue‘ Tübinger Christologie in statu nascendi
Diese so – IN λογω – begründete und sich vollziehende Personeinheit ist von jeder Weltrelation grundsätzlich unabhängig. Hunn denkt sie konsequent ‚an sich‘, als Funktion allein der internen Relation der Naturen, Folge von deren wechselseitiger Erschlossenheit füreinander in der göttlichen Hypostase (intima naturarum ad se inuicem praesentia), kraft deren der Logos überall seine hypostatisch geeinte Menschheit ‚sich‘ (sibi) gegenwärtig(er) hat (als jede andere Kreatur).638 Die „Kongruenz“ der Naturen, Ein ‚Abstieg‘ (immigrare; demergi) des unveränderlichen Logos aus illokalem Dasein in beschränkte Lokalität (in statum Locationis Physicae), wie sie der Menschheit wesentlich eignet, ist ausgeschlossen; soll es zur Existenzeinheit von Gott und Mensch kommen, bleibt nur die gegenläufige Alternative einer „Erhebung“ (eleuare) der Menschheit in die Welttranszendenz Gottes – „ex localitate mundi eo, vbi nulla regnat localitas“. Die illokale Subsistenz der Menschheit in der Logoshypostase zu bestreiten, hieße die unio selbst zu negieren: „Quoniam hac ratione maneret utraque natura Christi in suo statu, sine omni conventu & vnione reali. Λογος maneret in illocali suo statu extra locum (vt certe manet), Caro itidem ... in suo duntaxat statu locali, nulla plane ratione aut modo extra loci conditionem eleuata. Sic inter naturas aeterna permaneret διαστασις, vt in vnum υφισταμενον coalescere nunquam possent. [...] necesse omnino est, si debeant in vnum conuenire υφισταμενον , vt aut λογος e suo statu illocali per quandam sui ipsius mutationem immigret in carnem tantum in loco existentem, atque sic qui illocalis fuerat, demergatur in statum locationis Physicae: aut (quia hoc absurdissimum est) requiritur ad vnionem, vt λογος in aeterno suo statu illocali permanens assumat humanitatem intra seipsum, eamque hoc modo intra sese assumendo, eleuet ex localitate mundi eo, vbi nulla regnat localitas, nulla vel cogitentur saltem loca locorumque differentiae: atque sic personalem existentiam, praesentiam ac perpetuam immanentiam suam caro non habeat in hoc vel illo loco (vt neque in hunc vel illum locum est |assumpta) sed in ipsissima aeterni λογου illocali hypostasi: ita quidem, vt nihilominus possit exinanitionis tempore, ratione quadam locali, vt & temporali conuersatione circumiri in Judaea ad explendum opus, ob quod missus erat, quin etiam nunc localiter esse & apparere, quando & vbi uult“ (Assertio 212|f). Vgl. auch Assertio, Praef. Apol. 4f; Eph 177.(185).330f.338f. 638 „Quanquam Filius Dei, vbi vbi est, creata omnia sibi habet extra loci rationem praesentissima: tamen haec inter Dei Filium & res creatas interuenit aeter|na διαστασις, vt etsi λογος essentia sua est repletiue in omnibus: tamen sit etiam extra omnia ... Vicißim creaturae etsi sunt & mouentur in Deo, quoad sustentationem; tamen sunt manentque extra Deum Deique Filium, quatenus nec essentiam Deitatis nec hypostasin Dei verbi ingrediuntur“ (Assertio 221|f). – Vgl. schon: „In jhm wohne all vo(e)ll der Gottheit leibhafftig: mit welchen Worten [sc. Kol 2,9] der Apostel ein grossen vnderscheit zwischen dem fleisch Christi/ vnd aller andern Creaturen macht. Dan(n) der Sohn Gottes gleich wol sonst auch in andern Creaturen ist/ welche kein augenblick bestehn ko(e)nden/ wenn sie nicht gegenwertig von jhm erhalten wu(e)rden. Aber gleich wie er in denselben ist/ also ist er auch gantz vnd gar ausser denselbigen. Deus enim ita in omnibus est vt etiam sit extra omnia. Aber allein bei dem eynigen Fleisch ist diese Mayestet widerfahren/ daß omnis plenitudo Deitatis του λογου also leibhafftig vnd in summo gradu in derselbigen wohnet/ daß Er der Sohn Gottes nit auch zumal ausserhalb derselbigen sey/ vnd also die gegenwertigkeit/ nach welcher λογος sein menschliche Natur innerhalb seiner Person bey jhm vereynigt gegenwertig hat / toto genere vberschreit / vbertrifft die ander gegenwertigkeit/ durch welche λογος bey andern Creaturen praesens ist“ (Bekandtnuß, Bl. Bj v).
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das lutherisch entscheidende ‚nec logos extra carnem nec caro extra λογον ‘ 639 ruht allein auf dieser internen Präsenz der Naturen füreinander, völlig unabhängig von der Weltpräsenz der Naturen, die erst als nachgeordnete Frage in den Blick kommt. Entsprechend kann sie durch eine Inkongruenz der Weltrelationen der Naturen prinzipiell nicht gefährdet werden;640 der hier ansetzende Inkonsistenzvorwurf der konfessionellen Kontrahenten – der Syllogismus Oleviani – geht ins Leere.641 639 „... in rebus aliis ita est λογος, vt totus etiam sit extra eas. In sola Humanitate sic plenitudine suae Deitatis habitat, vt postquam incarnatus est, sua divina hypostasi extra eam non sit uspiam“ (I, 79). – „Quae διαστασις & existentia Dei extra creaturas, & creaturarum vicißim extra Deum efficit, vt λογος infinitis locis praesto sit, vnde ipsae omni modo reali absunt. Talem vero inter λογον & carnem διαστασιν vnio secludit[, – vgl. die Corrigenda Bl. Cc8 v] naturas Christi arctissima, intima, profundissimaque praesentia in vnam inseparabilem personam ineffabiliter deuinciens. Itaque nec λογος extra suam carnem vllibi est, postquam incarnatus est, nec vicissim caro extra λογον vnquam vel vsquam est“ (Assertio 222). 640 War auch die Menschheit im Stand der Entäußerung nur je an einem Ort zugegen, der Logos aber allen Orten gegenwärtig – die ‚intern-welttranszendent‘ konstituierte Personeinheit wird durch diese Inkongruenz des Weltbezugs nicht tangiert: „Interim ... iuxta alterum existentiae modum τω λογω extra loci rationem omnem ineffabiliter unita mansit Humanitas: ita ut λογος nullibi ab ea esset seiunctus, sed illam intra semetipsum, id est intra suam hypostasin, ut Damascenus loquitur, αδιαστατως, ac sine ullis locorum διαστημασι praesentiorem haberet quam ullam creaturam aliam in coelo & in terra. Siquidem in rebus aliis ita est λογος, vt totus etiam sit extra eas. In sola Humanitate sic plenitudine suae Deitatis habitat, vt postquam incarnatus est, sua divina hypostasi extra eam non sit uspiam“ (I, 79). 641 Eine statusrelative Differenzierung der ratio Majestatis glaubt Hunn nun konsistent mit dem Begriff der unio durchführen zu können, indem er seine Neufassung der Personeinheit zum Tragen bringt. Ich gebe die zentrale Passage, die diese ‚akkurate und solide‘ Lösung des leidigen Inkonsistenzvorwurfs (Anm. 627) vorträgt, im Zusammenhang wieder (vgl. auch MATTHIAS, 2004, 212 bei Anm. 238; J. BAUR, 2007, 277f): „Hic probe tenendum, quomodo haec, quae diximus, respectu status exinanitionis sint accipienda. Alia enim nunc est eius Maiestatis ratio, quam fuit in statu humiliationis. Siquidem λογος tum quidem SIBI Naturam assumptam arcano quodam tacitoque modo unitißime praesentem extra locum habuit, sed non habuit eam caeteris in orbe creaturis praesentem (quibus gubernandis tum h[umana] n[natura] nondum adhibeatur) sed extra creaturas omnes intra perfectissimae Personae complexum intimum praesentißime iunctam SIBI habuit. Iam autem in statu gloriae λογος non sibi tantum illam habet praesentem personaliter: sed eandem quoque creaturis ratione gubernationis praesentem sistit, quatenus λογος per exaltatam Humanitatem omnia gubernat & administrat in coelo & in terra. Vides igitur, quomodo λογος Carnem suam in statu exinanitionis sine ullo respectu aut consideratione locorum aliarumve creaturarum SIBI praesentißimam habuerit, ut nullibi ab ea per locorum intervalla distaret & abesset, quantumvis illa localiter in uno duntaxat loco simul & semel consisteret. Ita secundum Vnionis Maiestatem erat τω λογω, ubi ubi is erat, praesentißima Joh. 3.[v.13]. Alterum vero illud, nempe in utero matris esse, in cruce & sepulchro esse, Christo conveniebat κατα φυσιν, non secundum Maiestatem illam, gratia cuius nec in | cruce, nec in sepulchro, sed in ipsa Deitate carnem Christi fidei oculis aspicimus“
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C. Die ‚neue‘ Tübinger Christologie in statu nascendi
3.2 ‚Nec in cruce, sed in ipsa Deitate‘ – Zur Kehrseite von Hunns These 3.2.1 In Hunns Konzept der praesentia intima manifestiert sich ein Entwurf von eindrücklicher systematischer Kraft; er formuliert nicht weniger als eine Synthese der großen Entwicklungslinien lutherischer Christologie, die Diskussion eines Viertel-Jahrhunderts bündelnd.642 Die rasche und breite Rezeption dieses Elements643 erklärt sich nicht zuletzt durch den verheißungsvollen Anspruch, den mit dem Syllogismus Oleviani gestellten hochnotpeinlichen Anfragen eine ‚akkuratere‘ Antwort geben zu können. Doch mit dieser Rezeption zahlt die lutherische Christologie einen hohen Preis. Hunns Rettungsversuch hat eine fatale Kehrseite: Er fixiert und verschärft (I, 83|f). – Die von MATTHIAS gegen den bisherigen Konsens der Forschung vorgebrachte These, Hunn denke gleichwohl eine ‚reine‘ (untätige) Allgegenwart der Menschheit Christi auch im Stand der Entäußerung (2004, 190–192. 210–223; vgl. A.II.1.4), setzt voraus, daß die hier entscheidende Wendung ‚quoque creaturis ratione gubernationis praesentem sistit‘ ‚eng‘, d.h.: als Bestimmung nur der Teilhabe am (aktualen) Weltregiment gelesen werden kann. Zur Auseinandersetzung mit dieser für das Verständnis Hunns und die Genese der ‚Mittelpartei‘ gewichtigen These vgl. u. [D.] Anm. 838. 642 Eine ausgeführte Interpretation hätte die hier nur notierte These zu entwickeln, daß Hunn eine i.e.S. erste ‚konkordistische‘ Christologie vorlegt: was im Symbol als Kompilation von Texten ursprünglich (methodisch) unterschiedlicher ‚Tendenz‘ (vgl. A.II.1.1) vorliegt, das schmilzt erst Hunn um in einen kohärenten, systematisch geklärten Entwurf. Vgl. nur die zusammenfassende Definition der unio personalis, die auch schon die konstitutiven Status-Differenzierungen des ‚gemäßigten Ubiquismus‘ integriert: „Vnio personalis est, qua λογος in seipso permanens quod est, quod est immutabiliter, assumit Naturam humanam, nec tantum gestat eam, ac sustentat, ne in nihilum redigatur: Sed se totum illi communicando, unum cum ea υφισταμενον constituit, quod est & dicitur Christus, ut non duo sint filii, sed Persona & Christus unus, Dei scilicet Filius, Naturam, humanam ita sibi uniens, ut exinanitionis quidem tempore per eam opus redemptionis mundi perfecerit: Nunc vero per illam omnia in coelo & in terris agat & operetur“ (I, 32) 643 In den oben überblickten Voten der Württemberger gegenüber Helmstedt fehlt dieses Element noch (o. C.IV.2.4). Doch wird es, soweit ich sehe, in Schwaben bereits 1585 rezipiert in ST. GERLACHs ‚Assertio PIAE SANAEQVE DOCTRINAE DE DIVINA MAIESTATE CHRISTI HOMINIS. „De vbiquitate vel omnipraesentia Humanitatis Christi“ – erklärtermaßen das „praecipuum huius Disputationis caput“ (373) – handelt hier ausführlich das 7. Kapitel (373–423); die Begründung für die Korrelation von unio und Ubiquität liefert v.a. ein Schriftbeweis (374–393), dem gegenüber die systematischen Argumente aus der unio (393f) und der (nachösterlichen) sessio ad dexteram (394–396) knapp bleiben. Doch bereits die einleitende These des Beweises der Ubiquität aus der Unio präsentiert das neue Element: „Nusquam est Dei Filius, vbi non sit incarnatus. Et quia totus est incarnatus, nec natura humana in partem aliquam hypostasis, sed in totam & infinitam personam Dei verbi exaltata est: sequitur quod ubique naturam assumptam supra & extra locum sibi intime coniunctam secum habeat, nec vlla res alia creata in coelo vel in terra ipsi proprior esse possit“ (393). Vgl.: „[Filius hominis] iam ab vtero matris in communionem personalem Dei Verbi ... & possessionem diuinae Majestatis venerat, ita vt Filius Dei nusquam fuerit, vbi non hominem assumptum supra & extra rationem loci in personae suae unitate & communione sibi praesentissimum habeat“ (399).
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gerade die problematischen Tendenzen schon der älteren Fassung des ‚gemäßigten Ubiquismus‘, die Hunn vorfindet. Bereits diese erste – ‚Maulbronner‘ – Modifikation der ursprünglichen Konzeption Brenzens644 limitierte de facto die Funktion der unio personalis, Zentralbegriff der dogmatischen Explikation des Daseins Jesu Christi zu sein – des Geschehens der Koexistenz von Gott und Mensch in der Einheit gemeinsamer Geschichte, wie sie das biblische Zeugnis vorstellt und das ‚Ubi Deus, ibi Homo‘ formelhaft pointiert.645 Noch immer gilt zwar die ‚reale‘ communicatio idiomatum (Majestatis) – die der Menschheit Christi gewährte Teilhabe am göttlichen Sein, (so) der Eingang Gottes in die menschliche Existenz – als entscheidendes Kriterium jeder sachgemäßen Fassung der Personeinheit. Doch gegenläufig zu dieser Soll-Bestimmung erscheint diese Kommunikation zugleich als Infragestellung der konkreten Gestalt des Daseins Christi zwischen Krippe und Kreuz: Für die Zeit des status exinanitionis – d.h. für die Zeit dieser irdischen Geschichte! – wird sie zurückgestuft auf ein bloßes ‚Potential‘ (Besitz, actus primus), das den Vollzug dieser Geschichte lediglich funktionslos begleitet; potuisset – er hätte können. Aktuell ist die communicatio Majestatis nicht in der Geschichte des Irdischen als der diese unterfangende Prozeß von Teilgabe und Teilhabe, aktuell und manifest ist sie allein in den gelegentlichen Akten der Wunder als der okkasionellen Durchbrechung dieser Normalgestalt, wenn der die Personeinheit regierende Logos der ihm vereinigten Menschheit je und je seine Majestät auch zum transitorischen Gebrauch (usus extraordinarius, particularis) mitteilt.
Aus dieser den gemäßigten Ubiquismus ab ovo kennzeichnenden Restriktion zieht Hunn die anstehende Konsequenz, wenn er die Personeinheit nun prinzipiell ‚an sich‘, unabhängig von der Bewegung und dem Ort der Geschichte dieser Person denkt. Dies geschieht im Wege jener konsequent einlinigen Auslegung des Inkarnationsgeschehens, die den Eingang Gottes ins Fleisch nicht mehr als eigenes Thema‚ sondern nur als Konsequenz und Korrelat der gegenläufigen Bewegung denkt, der Erhöhung der Menschheit ‚in‘ die Illokalität der Logos-Hypostase. ‚Dort‘, in dem welttranszendenten Intra dieser Hypostase als dem Ort der „allerinnerlichste[n] Gemeinschafft beyder vereinigten Naturen“,646 habe die Personeinheit ihre nicht tangierbare Integrität. ‚Dort‘, jenseits der irdischen Welt und ihrer Antagonismen, vollziehe sich das nächst der Dreieinigkeit „aller gro(e)ste Wunder“ der Vermittlung des zuhöchst Gegensätzlichen, „nemlich das der creator vnd creatura, finitum & infinitum, coporeum & incorporeum, Deus & homo ... vnausprechlicher weiß inn ein eynige Person vereiniget“ sind.647 Die Personeinheit, die doch auch nach Hunn das ‚große Geheimnis‘: Deus manifestus in carne (1.Tim 3,16), das Eingehen Gottes in Raum und Zeit, entfalten soll, legitimiert genau konträr die ‚Entweltlichung‘ der angenommenen Menschheit. ‚Manifest‘ ist diese Einheit allein in der Überwelt der transzendenten Logoshypostase; auf der raumzeitlichen Ebene zerfällt das dort 644
Vgl. o. A.II.1.1; o. bei u. mit Anm. 602. Vgl. o. C.III.3; C.IV.1. 646 Bekandtnuß, Bl. Aiij v. 647 Bekandtnuß, Bl. Aiijr; wohl in Bezug auf FC SD VIII 33f (BSLK 1027, 18–35). 645
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innigst Vermittelte hingegen in eine Parallelität gubernatorischer Allgegenwart (Logos) einerseits, lokal definitiver Geschichte (natura humana) andererseits. So aber gerät die ‚transcendent‘ begründete unio personalis selbst in ein Jenseits zur irdischen Geschichte Jesu, die doch das ‚Thema‘, der Ort der Evidenz, die anschauliche Gestalt und der manifeste Vollzug jenes emphatisch beschworenen ‚allergrößten Wunders‘ der Koexistenz von Gott und Mensch hätte sein sollen. 3.2.2 Rigoros spitzt sich diese Antithetik von ‚Majestät‘ und irdischer Existenz zu hinsichtlich des Endes der Geschichte Jesu – des Ziels der Sendung des ewigen Gottessohnes ins Fleisch.648 Göttliche Herrlichkeit und Kreuzestod kann der so orientierte Glaube nicht mehr zusammendenken. Was bei Brenz im Grundsatz gedacht war als Simultaneität zweier polarer Bestimmungsgrößen der in sich spannungsvollen, aber einheitlichen Geschichte eines Subjektes, in der zusammenkommt, was außerhalb dieser kontingenten Vermittlung unvereinbar bleibt, Kreuz und Majestät649 – diese spannungsvolle Syn-These gerät bei Hunn zum Nebeneinander zweier Wirklichkeiten. Aufgrund der Majestät (secundum Vnionis Maiestatem) war Christi Menschheit im Stand der Entäußerung dem Logos stets und überall gegenwärtig, – aber das bleibt für ihren Weltbezug ohne Belang. Dieses Weltverhältnis, also: die Geschichte zwischen Empfängnis und Grab ist gegenläufig bestimmt durch die Endlichkeit menschlichen Wesens (κατα φυσιν, non secundum Maiestatem). Beide Wirklichkeiten will Hunn festhalten, aber es kann dies nur, indem er sie zugleich distanziert: „aufgrund der Majestät erblicken wir mit dem Auge des Glaubens Christi Menschheit weder am Kreuz noch im Grab, sondern [allein] in der Gottheit selbst“!650
Die durch die Grenzen menschlichen Lebens bestimmte Geschichte Christi zwischen Empfängnis und Kreuz kann nicht mehr als der Ort in den Blick kommen, an dem sich die göttliche Doxa manifestiert (Joh 1,14b). Die Majestas divina bleibt Potential im Jenseits dieser irdischen Geschichte, Raum und Zeit enthoben; in dieser Entzogenheit ist sie wahrnehmbar allein der Schau des Glaubens,651 der diese Distanz zu überbrücken vermag. Das galt für die gläubigen ‚Zeitzeugen‘ des Status exinanitionis selbst,652 es gilt analog für die Rückschau all der Späteren, denen diese Geschichte durch das 648
„…opus, ob quod missus erat“; vgl. o. Anm. 637. Vgl. nur BRANDY, 1991, 205–228, bes. 220f. 226–228. 650 „Vides igitur, quomodo λογος Carnem suam in statu exinanitionis sine ullo respectu aut consideratione locorum aliarumve creaturarum SIBI praesentißimam habuerit, ut nullibi ab ea per locorum intervalla distaret & abesset, quamtumvis illa localiter in uno duntaxat loco simul & semel consisteret. Ita secundum Vnionis Maiestatem erat τω λογω, ubi ubi is erat, praesentißima Joh.3[,13]. Alterum vero illud, nempe in utero matris esse, in cruce & sepulchro esse, Christo conveniebat κατα φυσιν , non secundum Maiestatem illam, gratia cuius nec in |cruce, nec in sepulchro, sed in ipsa Deitate Carnem Christi fidei oculo aspicimus“ (Libellus I, 83|f). 651 fidei oculus; intuitus fidei – vgl. I, 84.86. 652 „Soli fideles per fidem statuebant, eam humanam carnem, quae in Judaea versabatur, esse personaliter intra λογον ...“ (Eph 182). 649
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biblische Zeugnis vermittelt ist:653 Damals wie jetzt ent-deckt der intuitus fidei nicht die Präsenz des sub contrario, in menschlicher Niedrigkeit Verborgenen. Der Glaube vollzieht vielmehr die der Menschheit Christi widerfahrene ontische ‚Transzendierung‘ nun gleichsam noetisch nach; das Vorfindliche zurücklassend, erhebt er sich zum jenseitigen ‚Ort‘ majestätischer Existenz der natura humana.654 3.2.3 Hunns antithetische Zuordnung von göttlicher Majestät und irdischer Geschichte hat ihr Fundament resp. ihr Korrelat in einer asymmetrischen Bestimmung der Binnenstruktur der Person Christi, welche die für die Konstitution der unio personalis gegebene Asymmetrie als Prinzip auch von deren Vollzug festschreibt. Der Erhöhung zur Teilhabe an Gottes Majestät, die der Menschheit mit der Inkarnation widerfährt, korrespondiert keine gegenläufige Bewegung der Gottheit in die Tiefe menschlicher Existenz. Der qua Gottheit unveränderliche Logos ist das aktive Subjekt dieser die Menschheit erhöhenden Mitteilung, er selbst bleibt indes gänzlich unbetroffen von einer Bestimmung durch Fremdes.655 Diese asymmetrische Fassung der inkarnatorischen Neubestimmung gerät allerdings objektiv in einen Konflikt mit einem weiteren wesentlichen 653 „... fidei oculo Naturam assumptam supra non modo loca, sed supra omnes omnino creaturas in ipsa purißima Divinitate existentem aspice“ (I, 86). 654 An diesem Punkt gewinnt der Glaube in Hunns Konzeption eine Funktion, die seiner lutherischerseits scharf kritisierten Beanspruchung in der reformierten Abendmahlstheologie eigentümlich korrespondiert: ihm eigne die Kraft zur Repräsentation lokal entzogener Dinge für das gläubige Subjekt. 655 „Diuersitatis [der Asymmetrie der inkarnatorischen ‚Veränderung‘] causam efficit, quod in vnione non H[umana] n[atura] λογον assumit in sese, sed vicißim λογος Humanam naturam in suam transfert & assumit hypostasin. Et λογος sine omni translatione sui (quae mutabilem illum efficeret) factus est Caro. Nequaquam enim e suo statu emotus per immigrationem quandam in Humanitatem se demiserit: sed potius naturam Humanam e statu terrenae conditionis in suam propriam hypostasin transtulit“ (Eph 186). – Gegen die Ausgangsthese wird ein inkarnatorisches fieri (Joh 1,14) hinsichtlich des Logos faktisch revoziert, dieser ‚bleibt‘ (manet), was er war und ist (in Fortsetzung des zuletzt Zitierten): „Manet ergo Deitas Verbi tantum illocalis, nec fit per Vnionem localis: Natura humana vero per vnionem extra omnes creaturas in ipsius creatoris λογου hypostasin exaltata, eo ipso ineffabili modo vere transcendit loca omnia“ (Eph 186). – Mit diesen Grenzziehungen – sc. der Verknüpfung des Immutabilitätspostulates mit der Priorität des Logos bei der Konstitution der Persona composita – ist Hunn erneut der Erbe vorgefundener Bestimmungen, schon bei Brenz (vgl. o. C.IV.2.6.2.3). Aber ebenso ist erneut festzustellen: dieses schon problematische Erbe wird durch Hunns christologisches Proprium noch einmal stabilisiert und verschärft. Die mit der Verortung der unio personalis in der Weltlosigkeit der Logoshypostase einhergehende Distanzierung von göttlicher Majestät und irdischer Niedrigkeit schwächt die Anfragen an das Immutabilitätsaxiom und die asymmetrische Fassung des inkarnatorischen fieri, – Anfragen, die zu stellen allein ein Verständnis der irdischen Geschichte Jesu nötigen könnte, das diese gerade als Ort und Vollzug göttlicher Majestät sub contrario auslegt.
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Interesse lutherischer Christologie. Grundsätzlich mit gleichem Nachdruck wie auf der communicatio Majestatis insistiert diese im Gefolge Luthers bzw. der den Reformator zitierenden Konkordienformel darauf: Gott selbst ist durch das Leidens- und Todesgeschick Jesu real betroffen – nicht allein die Menschheit, sondern der Sohn Gottes und damit ‚Gott selbst‘ hat gelitten und ist gestorben. Allein diese Implikation Gottes in die irdische Geschichte Jesu vermag deren soteriologische Valenz zu begründen. – Als den systematischen Ort dieser zwischen den Konfessionen strittigen Sätze vom Leiden und Sterben ‚Gottes‘ hatte die Konkordienformel das erste Genus der Idiomenkommunikation bestimmt.656 Hunns schulmäßige Entfaltung der Idiomenkommunikation greift die Vorgaben der Konkordie auf. Grundlegend ist die – nicht weiter begründete – Unterscheidung von 3 genera der communicatio Idiomatum. 657 Das 1. Genus bestimmt die Grundstruktur der Idiomenkommunikation als Vermittlung der polaren Determinanten der Personeinheit Christi: die Duplizität der bleibend distinkten Naturen einerseits; die Identität der beiden Naturen gemeinsamen Hypostase andererseits. Die Eigentümlichkeiten der Naturen kommen darum nicht nur exklusiv ihrem je unmittelbaren Träger (soli ei naturae, cuius proprium est, seorsim), sondern dem durch die Vereinigung konstituierten gottmenschlichen Ganzen (toti Personae, quae Deus simul & Homo est) zu; dabei halten distinktive Zusätze den Geltungsgrund dieser ungewöhnlichen Sätze fest.658 – Das 1. Genus versteht die Kommunikation so zwar als ein symmetrisches Geschehen, dies aber im Sinne einer Mitteilung von den Naturen an die Person. Ein Geschehen zwischen den Naturen faßt dann erst und allein659 das 3. Genus in den Blick.660 Die hier entwickelte communicatio Majestatis an die
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FC SD VIII 39–45 (BSLK 1029, 17–26/31). – Vgl. dazu auch u. D.I.4(.1). „Quot sunt genera communicationis Idiomatum? Tria“ (I, 36) – die Darlegung geht nach dieser Eingangsthese sofort zur Erläuterung des ersten Genus über (I, 36–39)! – Hunns diskussionslose Rezeption der konkordistischen Trichotomie (FC SD VIII 36–45. 46s. 48ss) markiert einen Einschnitt in der Geschichte ‚schwäbischer‘ Christologie; noch sein Tübinger Lehrer J. Heerbrand hatte in der 1578 publizierten 2. Auflage seines Compendium Theologiae, die ansonsten die zwischenzeitlich (Bergisches Buch 1577) fixierten konkordistischen Bestimmungen durchaus rezipiert, am älteren schwäbischen Aufriß des Lehrstücks festgehalten und die (Chemnitz’sche) Differenzierung dreier Genera ignoriert; vgl. dazu eingehender u. D.I.1. 658 „Quod est primum genus? Quia in Christo duae distinctae Naturae sunt, ac citra omnem essentiae, proprietatumque conversionem saluae & integrae manent: earum vero una duntaxat Persona est: idcirco sub primum genus referri debet, quando id, quod uni naturae proprium est, non soli ei naturae, cuius proprium est, seorsim, sed toti Personae, quae Deus simul & Homo est, tribuitur: & rursus per distinctiva par|ticula ostenditur, secundum quam Naturam id Personae competat: Vt, Homo est creator coeli & terrae, iuxta Diuinam Naturam: Deus est e virgine genitus, secundum carnem: Deus passus est carne“ (I, 36|f). – (Z.T. wörtliche) Aufnahme von FC SD VIII 36. 37. 659 Das apotelesmatische 2. Genus (I, 39–41) redet zwar mit dem Chalcedonense von einer ‚Kommunikation‘ der Naturen „in executione officii Christi“ (una natura operatur cum communicatione alterius, quod cuiusque proprium est“; I, 39), doch bestimmt Hunn auch diese Kommunikation als Mitteilung der je spezifischen Beiträge der Naturen an die 657
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menschliche Natur661 aber bleibt ohne Ergänzung durch ein korrespondierendes Genus, das gegenläufig die Teilhabe der göttlichen Natur an den Eigentümlichkeiten der angenommenen Menschheit zu seinem besonderen Gegenstand hätte.
3.2.4 Innerhalb des 1. Genus, das grundsätzlich die Kommunikation der Eigenschaften beider Naturen an die Person umgreift, behandelt Hunn wie bereits die Konkordie primär die theopaschitische Frage – diejenigen Aussagen, die dem ewigen Gottessohn selbst, nicht allein der ihm geeinten Menschheit die Widerfahrnisse der evangelischen Geschichte zwischen Empfängnis und Grab beilegen.662 Hunn plädiert entschieden für die wirklichkeitsverändernde Relevanz der inkarnatorischen Zuwendung des Logos, die das Wesen des Vereinigten nicht abstrakt negiert,663 aber doch in den Prozeß der Kommunikation bringt: Hat der Gottessohn die Menschheit ‚angenommen‘ (assumere) und sich ‚angeeignet‘ (appropriare), dann auch alle deren Eigentümlichkeiten und Affektionen.664 Das Schriftzeugnis ermächtigt zu dem soteriologisch unverzichtbaren665 Satz: Der Sohn Gottes selbst hat gelitten und ist gestorben, wahrhaft und wirklich. Dieser biblisch gesetzte Anspruch wird dort verfehlt, wo eine Leidensteilhabe des Logos lediglich als bloße Bezogenheit (relatione quadam) auf die allein leidende Menschheit gedacht wird; ebenso, wenn die fraglichen Aussagen auf den Status uneigentlicher, keinen Sachanspruch erhebender Rede (verbali praedicatione seu phrasi) zurückgenommen werden (I, 38). Diesen starken ‚Postulaten‘ folgt indes ein Vorbehalt. Das 3. Genus der communicatio Majestatis erlaubt, ja erfordert zur Sicherung seines Realitätsanspruchs die ‚abstrakte‘ Aussage, welche die menschliche Natur selbst als zwar nicht essentielles, aber doch vermitteltes Subjekt der göttlichen Eigenschaften prädiziert: „Humanitatem Christi omnipotentiae caeterorumque idiomatum του λογου factam esse κοινωνον“ (I, 42; vgl. I, 44). Doch Person: „quae in illo officio cuique Naturae distinctim competunt, tribuuntur per communicationem Idiomatum toti Personae, quae Deus & Homo est“ (I, 39). 660 Auch nach Hunn erkennen die Calvinisten – wenngleich nicht vere & sincere – die ersten zwei genera an (I, 41)! – recht eigentlich spezifisch wird die lutherische Position so erst mit dem zusätzlichen 3. Genus („Restatne tertium aliquod genus ...?“; I, 41). 661 „Tertium genus est, quo explicatur, quid divina Natura Verbi, per unionem hypostaticam, assumptae suae Carni, ultra ac supra naturales eius proprietates … conferat: nempe quod ei suas divinas proprietates communicet: omnipotentiam, omniscientiam, vivificandi virtutem, omnipraesentiam, &c. dum in horum realem κοινωνιαν Carnem assumit, eorumque vere participem illam efficit ...“ (I, 42). 662 „… quod non humana tantum natura, sed FILIVS DEI natus ex virgine, passus & crucifixus sit“ (I, 37). – Vgl. FC SD VIII 38–45. 663 „Attamen nasci, tangi, videri, crucifigi, mori, non sunt Divinae Naturae, sed solius Humanae Idiomata? Verum est ...“! (I, 37). 664 „assumendo & appropriando sibi Naturam ipsam humanam, simul quoque huius assumptae Naturae propria sibi appropriavit [λογος]“ (I, 37). 665 „Id enim nostra postulabat redemptio ...“ (I, 38).
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den formal analogen Satz: ‚Deitatem esse mortuam‘ (I, 42) lehnt Hunn ab. Der ‚Sohn Gottes‘ (konkreter Terminus) ist real gestorben; der göttlichen Natur (abstrakte Aussage) darf dieses Prädikat nicht beigelegt werden.666 Zur Begründung dieser insoweit zwischen den Sätzen des 1. und 3. Genus waltenden ‚ingens diuersitas‘ (I, 42) wird erneut das einlinige Aktivitätsgefälle von assumens und assumptum benannt – Divinitatis est dare, Humanitatis vero accipere! Ebenso schließt das Axiom der Unveränderlichkeit und Apathie Gottes eine Betroffenheit der göttlichen Natur aus.667 Eine Differenz des Realitätsanspruchs sei damit nicht gesetzt.668 Die Verweigerung der abstrakten Aussage im theopaschitischen Falle, die auf den am Maßstab der Veränderlichkeit bestimmten Unterschied der Naturen Rücksicht nehme (I, 44), betreffe auschließlich die Modalität der Partizipation (realis communicatiois ratio), nicht jedoch deren Wirklichkeitsgehalt selbst: „Primum autem genus communicationis reale est, quia ex ipsarum naturarum κοινωνια exurgit, quatenus Filius Dei se totum Humanitati communicat, & assumendo Humanitatem in sui ipsius κοινωνιαν eandem sibi realiter propriam facit, omniaque eius idiomata per ιδιοποιιαν sibi appropriat, vt tam vere ipse Filius Dei passus sit, dum carne passus est, ac si Divinitate sua (quod fieri tamen non potuit) passus fuisset. In tertio autem genere ipsa Natura Christi humana omnipotentiae, reliquarumque proprietatum λογου vere realiterque particeps per unionem est facta. Vnde discrimen vtriusque intelligitur & tamen utrumque genus praedicationis reale esse cernitur ...“ (I, 44).
3.2.5 Im Griff des Apathieaxioms endet so Hunns These einer ‚Aneignung‘ menschlichen Leidens durch den Gottessohn eben dort, wohin zuvor schon Brenz seine Zuflucht nahm: bei der Versicherung, der Gottessohn habe ‚im Fleisch‘ so wahrhaft gelitten, ‚als ob‘ er nach seiner Gottheit gelitten hätte.669 Aus dieser Sackgasse führen auch Hunns spätere Versuche einer Präzisierung670 des ‚summus maximeque necessarius articulus‘671 der theopaschitischen Frage nicht hinaus. Die Abweisung einer ‚abstrakten‘ Leidens-
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Zur Frage abstrakter und konkreter Aussagen innerhalb der Christologie vgl. D.III. „Siquidem diuina natura simpliciter est immutabilis & omnium passionem expers, proinde nec in meliorem nec deteriorem statum mutari potuit, quemadmodum scriptum est: Deus Ego & non mutor [Mal 3,6]. Vicissim Humanitas mutabilis est, quae perfici & in meliorem statum per Vnionem transferri potuit. Adhaec | Diuinitatis est dare, Humanitatis vero accipere: Natura assumens perficit assumptam, non econtra assumpta assumentem“ (I, 42|f). 668 „Est utrobique & praedicatio & κοινωνια non verbalis sed realis“ (I, 44). 669 Vgl. o. C.IV.2.6.2. 670 Vgl. v.a. Eph 415–427 – eine Entfaltung des an Eph 5,2 („Christus dilexit nos, & traditit SEMETIPSUM pro nobis“ [415]) angeschlossenen Locus communis ‚De Passione Domini nostri Jesu Christi‘ (415). 671 Eph 418; in offensichtlicher Aufnahme einer Formulierung Luthers in der Abendmahlschrift von 1528: „... diesen ho(e)hesten no(e)ttigsten artickel ‚das Gottes son fur vns gestorben sey‘“ (StA 4, 105,4f / WA 26, 342). 667
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teilhabe der göttlichen Natur bleibt rigide,672 legitim ist nur die These einer Leidensteilhabe Gottes in concreto: „DEUM λογον, Dominumque gloriae [1.Kor 2,8], filium Dei REALISSIME passum est confiteor, propter REALISSIMAM κοινωνιαν, qua se Carni communicat: impaßibili interim in omnem aeternitatem permanente Natura Deitatis ipsius“.673 Über die unstrittige essentielle Leidensunfähigkeit der göttlichen Natur hinaus schließt Hunn explizit auch eine Leidensteilhabe der Gottheit kraft der unio personalis aus: „Nos respondemus, Diuinitati, si abstracte intelligas, nec ex proprietate Naturali, nec ex unione provenire, vt patiatur“.674 Eine bemerkenswerte Auskunft, ist es ja diese hier als irrelevant erklärte Differenzierung von wesensmäßiger Identität (ex proprietate Naturali) und inkarnatorischer Neubestimmung (ex unione), der für die Erläuterung der gegenläufigen communicatio Majestatis zentrale Bedeutung zukommt. Eine analoge Anwendung im Blick auf die göttliche Natur kennt Hunn nicht. Nicht anders als Brenz ist ihm in diesem Zusammenhang die „völlige[...] Identifikation der Perseität Gottes mit dem inkarnierten Gott“675 unhinterfragte Voraussetzung. Nur für den Gottessohn im Unterschied von der leidensunfähigen Gottheit soll die inkarnatorische Zäsur wirklichkeitsverändernde Relevanz besitzen: „τω λογω autem PROVENIRE hoc ex unione, vt ipsemet λογος vere & realißime patiatur, nequaquam vero secundum Deitatem in aeternum immutabilem permanentem, sed secundum suam carnem“.676 3.2.6 Angesichts dieser klaren Grenzziehungen677 verdient eine Beobachtung gesteigerte Aufmerksamkeit. Im Streit über die Passio Dei(tatis) können die Gegner eine Dissonanz innerhalb des lutherischen Lagers ausbeuten: Die Rede von einem Leiden der Gottheit selbst (divinitas passa), die Hunn so kategorisch abweist, ist belegt als positive These nicht nur 672 Die von einigen Kontrahenten kolportierte Behauptung, „me statuere, Diuinitatem Christi esse passam“, weist Hunnius als ‚fluchwürdige Verleumdung‘ vehement zurück: „Quod ego nunquam scripsi, nunquam dixi, nunquam cogitavi“ (Eph 420). 673 Eph 420. 674 Eph 421. – Auch damit geht Hunn in Brenz’ Spur: „de diuina quidem natura manifestum est, quod siue vniatur cum homine, siue per se consideretur, nunquam in aeternum mutetur, sed semper & perpetuo |seruet suam essentiam inviolatum, nec quicquid est in ea aduentitium, Omnia enim in Deo sunt essentia ipsa. Ego Deus, inquit, & non mutor [Mal 3,6]“ (J. BRENZ, Recognitio, 1564, 27|f). Vgl. MAHLMANN, 1970, 237 bei Anm. 19; BRANDY, 1991, 198 bei u. mit Anm. 131. 675 BRANDY, 1991, 198; mit Bezug auf BRENZ, Recognitio 27. Vgl. o. Anm. 674. 676 Eph 421. 677 Das eben Skizzierte und Hunns gleich zu notierende Abweisung der These der ‚divinitas passa‘, wie sie zeitgleich andere Schwaben (Andreae) vertreten, widersprechen der hoch taxierenden Einschätzung MATTHIAS’: „Hunnius … ist … grundlegend für alle folgenden Ansätze eines genus tapeinoticum“ (2004, 225f, hier: 226 [Kursivierung M.]). – Die spätere schwäbische Ausbildung eines eigenständigen ‚idiopoietischen‘ Genus wird über das von Hunn als ‚appropriatio‘ Gefaßte entscheidend hinausgehen; u. D.I.
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Luthers, sondern auch einiger ‚Tübinger‘. Hunns Ausgleichsversuch bestreitet jeden sachlichen Dissens.678 Für Luther wird als Kanon der korrekten (Selbst)Interpretation jener Passus aus der großen Abendmahlsschrift von 1528 zitiert, den schon die Konkordienformel (SD VIII 41) übernommen hatte.679 Hunn interpretiert: Der Bezug des Leidens auf die Gottheit (Diuinitati adscribi) gründe für Luther darin, daß „in diesem Leiden die Gottheit auch ihr Teil beitrug“: Sie stand dem leidenden Fleisch unterstützend bei; und sie gab diesem Leiden das besondere Gewicht und den Wert, ohne welche es kein die Versöhnung bewirkendes Lösegeld gewesen wäre.680
Analog zu dieser Einordnung des Luther-Votums sucht Hunn auch die problematischen Sätze der „Tübinger“, der Theologen seiner schwäbischen Heimat, auf die eigene Position hin zu regulieren Tatsächlich werde dort gesagt, daß die Gottheit des Logos am Leiden teilhabe; in der Sache könne indes näherbesehen auch hier von einer Differenz keine Rede sein – „nihil dißident Tvbingenes“!681 Die Schwaben hätten ihre umstrittene Sentenz selbst schon zureichend ‚erklärt‘ durch den Verweis auf das altkirchliche Diktum: ‚Deitas patitur IMPASSIBILITER‘: „Vbi Aduerbium (impaßibiliter) ostendit in Deitatis Naturam nulla ratione penetrare paßibilitatem illam, ac nihilominus id, quod in hac passione praestantissimum est, Deitati acceptum fertur, vt videlicet paßio vergeret ad redemptionem mundi“,682 – das Leiden einer ‚Humana natura a Deitate vacua‘ hätte nichts für die Versöhnung der Menschen mit Gott bewirkt.683 Hunns ausgleichende Interpretation dürfte sich konkret um die Voten J. Andreaes auf dem Mömpelgarder Kolloquium684 mit Th. Beza mühen, auf dem 1586 diese Frage breiter 678
„... nihil dißident“ (Eph 423f, hier: 423). „Si forte ratio obijciat, quod Diuinitas nec pati nec mori poßit, tu vicissim responde: verum hoc quidem est. Sed tamen quia Diuinitas & humanitas vna sunt persona: ideo scriptura propter vnitatem istam personalem etiam Diuinitati adscribit omnia, quae Humanitati competunt, & econtra. Et quidem in veritate res ita habet. Hactenus Lutherus ...“ (Eph 424; s. WA 26, 321,19ff / StA 4, 82,21–83,3; FC SD VIII 41 [BSLK 1029,36/39– 1030,4/9]). 680 „Diuinitati adscribi dicit Lutherus, quia in hac paßione Deitas quoque peragebat partes, non solum sustentando carnem, ne tantae moli succumberet, sed insuper precium & pondus largiendo paßioni, vt pro totius Humani generis reconciliatione, perfectißimum esset λυτρον ...“ (Eph 424). 681 Eph 423. 682 Eph 424. – Hier dürfte Hunn ein Mömpelgarder Votum J. Andreaes vor Augen haben: „[J. Andreae:] Contra [Nestorium] autem Cyrillus dicit: Verbum passum esse impassibiliter. Patitur, inquit, corpore patiente, eo quod ipsius dicitur fuisse proprium, cui se totum communicauit. Manet vero Deus ipse impassibilis, eo quod ipsius est porro proprium, vt pati non possit“ (Acta [u. Anm. 684], 1587, 238). – S. gleich im Text. 683 Eph 424. 684 Zu Anlaß und Verlauf des Gesprächs vgl. ADAM, 1970, 31–33; RAITT, 1977a, 180– 190. – Protokoll: Acta Colloquij Montis Belligartensis, 1587 (zitiert: Acta). Vgl. weiter 679
IV. Problemgeschichtliche Profile
271
debattiert worden war.685 Bemerkenswert: Die von Hunn umstandslos beanspruchte Unterscheidung von Logos und dessen göttlicher Natur kommt überein mit einem dort von Beza vorgebrachten Argument,686 dem Andreae als der Absurdität eines „Deus absque Deitate“ entschieden und mit einem durchschlagenden Contra widerspricht: „Tolle enim diuinitatem a λογω, & λογος non amplius erit Deus“! 687 Die konkrete Vokabel (Deus) bezeichne in eigentlicher Weise, stehe mithin für die ‚ipsa Deitas‘ (des Logos).688
3.2.7 Hunns Erläuterung des Leidens ‚Gottes‘ verbleibt so in einem objektiven Konflikt mit dem lutherischen Verständnis der Personeinheit als realer Gemeinschaft (κοινωνια) der Naturen, wie es im 2. Genus für deren gemeinschaftliches Handeln, im 3. Genus dann weiter für die Teilhabe der Menschheit am Sein Gottes ausgesagt ist. Diese Restriktion ist ihrerseits tief verankert in jener asymmetrischen Fassung schon der Personeinheit selbst, die dann auch Hunns Konzept der ‚praesentia intima‘ zugrundeliegt, hier ihre noch einmal forcierte Durchführung erfährt. In beiden Fällen steht diese asymmetrische Ausrichtung konträr zur ‚Logik‘ der Tübinger Christologie von 1619. Daneben aber bringt die Auseinandersetzung Hunns mit der ‚prekären‘ Sprachregelung der ‚Divinitas passa‘ das Faktum einer jedenfalls terminologischen Dissonanz innerhalb der lutherischen – schwäbischen! – Christologie um 1585 vor Augen, deren sachliches Gewicht noch nicht ausgelotet ist. Doch deutet sich an, daß die theopaschitische quaestio altera689 in der frühen nachkonkordistischen Christologie noch keine zureichende Klärung gefunden hat; die lutherische Theologie steht hier vor der Aufgabe einer nochmaligen Weiterarbeit – mit absehbaren Folgen dann auch für die korrelierte ‚kenotische Frage‘.
Bezas literarische Replik: Ad Acta ... Responsio (Genf I, 1587 [2: 1588, 3: 1589], II, 1588 [3: 1589]; hier benutzt die überarbeitete 3. Aufl.; zitiert: Responsio), sowie Andreaes darauf antwortende Epitome Colloquii Montisbelgartensis, 1588 (zitiert: Epitome). 685 Die Acta der Debatte (o. Anm. 684) werden im Frühjahr 1587 publiziert (Praefatio 11.2.1587; Bl. c4r) und dürften Hunn noch vor dem vom Herbst desselben Jahres datierenden Druck seines Epheserkommentars (Praefatio: 10.9.1587, Bl. h7r) bekannt geworden sein. – De Persona Christi wurde in Mömpelgard, im Anschluß an die zunächst verhandelte Abendmahlsfrage, in 2 Sitzungen am Nachmittag des 25.3. und dann weiter am Vormittag des 26.3.1586 disputiert; Protokoll: Acta 192–283 (dort 193–216 die vorgängig gewechselten schriftlichen Voten) und Acta 284–373; aus der literarischen Nachlese vgl. B EZA, Responsio I, 78–181; ANDREAE, Epitome 22–39. – Zur Debatte über die These der Divinitas passa vgl. v.a. Acta 233ff. 686 „Aliud enim est: Deum esse ex muliere natum, passum, crucifixum. Aliud vero diuinitatem esse natam, passam, crucifixam“ (Acta 238); vgl. B EZA, Responsio I, 83.84.87. 687 Acta 238. 688 Acta 238. – Zum Problem der christologischen Abstraktion/Konkretion vgl. D.III. 689 Vgl. o. C.II.1.3.
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C. Die ‚neue‘ Tübinger Christologie in statu nascendi
V. „... nihil dißident Tvbingenses“? – Zwischenbilanz 2 V. „... nihil dißident Tvbingenses“? – Zwischenbilanz 2
1. Der Blick zurück auf zentrale systematische Knotenpunkte der schwäbischen Christologie brachte folgende Konturen des problemgeschichtlichen Ortes der Tübinger Neuorientierung von 1619 vor Augen. (1.) Die Korrektur der kenotischen These durch die neue Tübinger Christologie war auszuarbeiten nicht nur gegen den Gießener Einspruch, sondern auch in Ablösung der Hypothek, die mit den gleichlautenden Restriktionen der eigenen schwäbischen Lehrtradition gegeben war. Der Blick auf die württembergische Position in der Debatte mit den Helmstedtern hat die Radikalität dieses Bruches vor Augen geführt; die ältere Kontroverse läßt sich geradezu als ‚umgekehrte Vorwegnahme des kenotischen Streites‘ verstehen, bei gleichsam spiegelbildlichem Tausch der Argumente und Thesen (C.IV.2.5). – Und die ab 1619 vorgetragene Zentralthese der neuen Tübinger, es bestehe eine notwendige Verknüpfung von Personeinheit und Weltpräsenz der Menschheit Christi, widerspricht diametral jener in Hunns Konzept der praesentia intima stabilisierten systematischen Distanzierung beider Topoi, die die vorlaufende lutherische – auch schwäbische – Christologie gerade zur Demonstration der systemischen Konsistenz ihrer kenotischen These entwikkelt hatte (C.IV.3.1). Gemessen am ‚Stand‘ der in sachlicher Hinsicht abschließend durch Hunn formulierten konkordistischen Christologie erweist sich die neue Tübinger Christologie als ein eindeutig ‚revisionistisches‘ Unternehmen – sie bringt tatsächlich vermeintlich ‚lang verglichene controversien‘ (Mentzer) noch einmal auf den Prüfstand und formuliert neue – konträre – Antworten. (2.) Dennoch läßt sich das Verhältnis der neuen Tübinger Christologie zu der voraufgehenden (nicht allein) schwäbischen Lehrtradition keineswegs ausschließlich antithetisch fassen – die Dinge liegen hier komplizierter. Zunächst: die neuen Tübinger kommen de facto überein mit bestimmten Grundüberzeugungen, die J. Brenz ‚am Anfang‘ schwäbischer Christologie formuliert (C.IV.1). Die in der Generation ‚dazwischen‘ in der Auseinandersetzung mit Helmstedt vorgetragene württembergische Position stellt ihrerseits eine deutliche – früh (Maulbronn 1564) vorgenommene – Korrektur dieses initialen Entwurfs schwäbischer Christologie dar. Bezogen auf diese erste Transformation schwäbischer Christologie, die den Weg zur konkordistischen Synthese allererst eröffnete, lenkt die ‚neue‘ Lehrgestalt von 1619ff zugleich zurück (‚Brenz-Renaissance‘) – sie bedeutet eine ‚Revision der Revision‘. (3.) Weiter: Schon dem zuvor war deutlich geworden, daß die 1619ff formulierte ‚Revision der Revision‘, so eindeutig sie die ‚Tendenz‘ der konkordistischen Christologie an einem zentralen Punkt umkehrt, doch zugleich auch Anknüpfungspunkte in der ihr unmittelbar voraufgehenden – chronologisch: nachkonkordistischen – Generation besitzt. Das Tübinger Fakultätsschreiben vom 1.9.1619 nimmt, vermittelt über Thumm, Festlegungen eines Textes von Th. Wegelin aus dem Jahre 1608 auf; diese kommen jedenfalls partiell mit der neuen Tübinger These überein, wenn sie zwar nicht eine Teilhabe der entäußerten Menschheit Christi am Weltregiment vertreten, wohl aber deren ubiquitäres Dasein (adessentia) auch im Stand der Entäußerung (C.II.2.5.3/4). Diese Position einer – gemessen an den ‚Extremen‘ des Gießener-Tübinger-Konflikts – ‚Mittelpartei‘ wird 1621 auch von der sächsischen Brevis Consideratio vorgetragen;690 dieses Votum galt keineswegs als marginalisierbare Einzelstimme, sondern als diejenige These, die „unsere Vorfahren immer vertreten haben“, wie prominente sächsische Theologen in ihrer vehementen Kri690
Vgl. o. Anm. 301; zu dieser Position in der Sache genauer: D.IV.5.2.
V. „... nihil dißident Tvbingenses“? – Zwischenbilanz 2
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tik an dem dann mit der Decisio Saxonica allerdings vollzogenen Rückzug zu Protokoll geben.691 Und: Der scharfsichtig die theologische Diskussion in der alten Heimat beobachtende J. Kepler glaubt bei jüngeren Vertretern der schwäbischen Christologie im ersten Jahrzehnt des 17. Jh.s (wieder: Th. Wegelin; daneben: M. Schaefer) Weiterentwicklungen (multae novationes) ausgemacht zu haben, die in einen Dissens zu der von B. Mentzer repräsentierten Lehrform führen (C.I.1.4).
2. Die zuletzt notierten Beobachtungen deuten alle darauf hin, daß es in der nachkonkordistischen Epoche innerhalb und außerhalb Schwabens zu Aufbrüchen kommt, die bis ca. 1610, damit bereits deutlich vor der kenotischen Kontroverse, zu einer nochmaligen Auffächerung des Spektrums lutherischer Christologie führen und jedenfalls partiell bestimmte Thesen der noch einmal späteren Neuorientierung der Tübinger von 1619 vorbereiten. Ein zusammenhängendes und klares Bild liefern diese Schlaglichter freilich noch nicht. Diese ‚Fragmentarizität‘ aber scheint nicht allein der noch zu schmalen Textbasis der Retrospektive geschuldet. Hier dürfte sich vielmehr auch eine spannungsvolle Komplexität niederschlagen, die dem Gegenstand der ‚problemgeschichtlichen‘ Rückfrage selbst zu eigen ist. Von einer ‚Entwicklungsgeschichte‘ (I.A. Dorner692) läßt sich im Blick auf das halbe Jahrhundert zwischen Brenz und dem Kenosisstreit nicht begründet sprechen, sofern darunter eine zwar nicht spannungsfreie, aber doch kontinuierliche Entfaltung hin auf ein immanentes Telos verstanden wäre: Eine derartige Kontinuität und teleologische Ausrichtung weist die Geschichte der schwäbischen, überhaupt lutherischen Christologie in dieser Epoche näher besehen nicht auf.
691 SOLIDA Verboque Dei & Libro Concordiae Christianae congrua DECISIO, 1624. – Diese dem Anspruch nach definitive ‚Entscheidung‘ des Streits vermeidet jede eindeutige Stellungnahme zur Frage einer (reinen) adessentia des Christus homo im Stand der Entäußerung – „doch so, daß ihr Schweigen sie verneint“ (T HOMASIUS, 1886, I, 610). Die damit vollzogene Distanzierung von der an diesem Punkt gegen die Gießener votierenden Brevis Consideratio (B. Meisner; Anm. 301) haben selbstredend die Tübinger scharf angegriffen (Amica Admonitio 1624); sie ist aber, hinter den Kulissen, auch im sächsischen Raum selbst als klarer Bruch mit der hier eindeutigen und homophonen eigenen Tradition kritisiert worden: „daß die universalis adessentia carnis Christi in statu exinanitionis verschvvigen & hoc insperato silentio tacite negirt vvird, scheinet, als ob Herrn D. Menzeri autoritati gar zu viel tribuirt vverde, in cujus gratiam hoc vultis reticere, quod nostri majores semper asseruerunt und die Herren selber in Consideratione brevi stattlich asserirt haben“, gibt etwa Nicolaus Hunnius, der 1623 ins Lübecker Kirchenamt gewechselte vormalige Fakultätskollege Meisners (MAHLMANN, 1986b, 707) diesem seine Analyse zu Protokoll und unterschlägt – „liberius pro amicitia nostra“ – auch nicht die katastrophale Resonanz dieser Leisetreterei: „Certum est, es vvird bey unsern Leuten ein greulich ärgerniss geben und vvürde sich nicht vvohl jemand bereden lassen, dass die Herrn nicht soltten seyn Calvinisch[!] vvorden“ (N. Hunnius an B. Meisner, Lübeck 15.7.1624; mitgeteilt bei CHR.M. P FAFF, 1718, 69 Anm. (r)). 692 Vergl. o. A.I.2 (bes. bei und mit Anm. 30).
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C. Die ‚neue‘ Tübinger Christologie in statu nascendi
Wohl lassen sich durchaus verschiedene ‚Stadien‘693 der Diskussion erkennen und abgrenzen. Aber es handelt sich dabei nicht um ‚Stufen‘ einer ‚Entwicklung‘ dergestalt, daß der Ertrag eines Stadiums den Ausgangspunkt und die Basis des je folgenden Stadiums vorgäbe, um dann hier (nur) transformiert und weiter ‚entwickelt‘ zu werden. Zu beobachten sind vielmehr eindeutige Brüche, im Extremfall genaue ‚Umkehrungen‘ bisheriger Konstellationen; neue Positionen stehen in Diskontinuität zu vorlaufenden Thesen, was wiederum mit Kongruenzen zu anderen – noch einmal früheren – Stationen der Debatte einhergehen kann. Auch der christologische Diskurs der Lutheraner vollzieht sich offenkundig in jener „Form eines konfessionsinternen Streit- und Dissonanzprozesses“, die kirchenhistorische Forschung als für die (frühe) „lutherische Konfessionskultur im ganzen charakteristisch[...]“ benannt hat.694 Die in dieser „konfliktreiche[n] theologische[n] Auslegungs- und Aneignungsarbeit“695 entstehenden Entwürfe beanspruchen in allen ‚Stadien‘ dieselben Kriterien, Schriftadäquanz und systematische Konsistenz. Nur – diese methodische Homophonie begründet und sichert keine inhaltliche Kontinuität, im Gegenteil: Die als solche identischen Kriterien theologischer Arbeit werden offenkundig ganz verschieden – auch hier bis zum Extremfall der ‚Umkehrung‘ – gehandhabt. Insonderheit das Bemühen um systematische Konsistenz und Kohärenz des jeweils vorgetragenen Begriffs der Persona Christi stabilisiert keineswegs die doktrinale Kontinuität: der Tübinger „Mut zum Bruch mit der Tradition“696, der auch den Preis einer ‚Taufe‘, i.e. der konstruktiven Ratifizierung bisheriger Gegenargumente der konfessionellen Kontrahenten nicht scheut,697 die vehemente Beschwörung der ‚lutherschen‘ „Freiheit der Gewissen, die wir in Christus haben“698 – sie speisen sich aus dem Bewußtsein der sachlichen Notwendigkeit und systematischen Überlegenheit der nunmehr vorgelegten ‚stimmigen‘ consideratio Personae.699
3. Was die in sich kontroverse Disputationsgeschichte lutherischer Christologie dennoch ‚integriert‘, ist die Kontinuität einer Herausforderung. Es ist die mit der initialen Grundthese lutherischer Christologie gestellte Aufgabe, die ‚reale‘ Identität von Gott und Mensch in der Person Christi zu denken: kraft der realen Idiomenkommunikation kommt es hier zur ‚exorbitant 693 „Es bewegt sich diese Geschichte im Kampf mit großen Gegensätzen durch mehrere Stadien hindurch“ (T HOMASIUS, 1886, I, 519); vgl. o. A.I.2 bei Anm. 42. 694 KAUFMANN, 2006, 17 (dort bezogen auf die Phase von 1548–1577). Vgl. A.IV.2.1 bei und mit Anm. 172. 695 KAUFMANN, 2006, 9 (wiederum bezogen auf die Phase von 1548–1577). 696 J. B AUR, 1993i, 298–301, hier: 298. 697 Vgl. die Ratifizierung von ‚Olevians Syllogismus‘: C.II.2.4.5, C.IV.2.5.5. 698 „... illam conscientiarum, quam in Christo habemus, libertatem“ (Amica Admonitio, 1624, 12; zum originären Kontext vgl. J. B AUR, 1993i, 299f, bes. 300). 699 Zu diesem fundamentaltheologischen Profil des Entwurfs von 1619 vgl. o. C.III.1. Die ‚neuen‘ Tübinger stehen hier in der Linie der vorangehenden Generation schwäbischer Christologie, bereits diese fasziniert von der inneren Folgerichtigkeit, die eine Rekonstruktion des Offenbarungsdatums im Rekurs auf (onto-)logische Kategorien erzielt – „Quam pulchre unum ex alio deducatur“!; vgl. dazu u. bei u. mit [D.] Anm. 767. – Die durch J. Baurs Einschätzung angerissene Frage: „Der Bruch mit der Traditon ... kommt nicht aus den Kriterien einer Vernunft, die sich in der Kraft ihres intelligiblen Vermögens eine konstruierte Welt errichtet und so über das Mögliche und Wirkliche entscheidet“ (1993i, 299), wird in der Sache noch einmal aufzunehmen sein: u. D.V.2(.3); F.II.3.
V. „... nihil dißident Tvbingenses“? – Zwischenbilanz 2
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neuen‘ Identität des sonst zuhöchst Geschiedenen, zur Kongruenz von Geschöpf und Schöpfer im versöhnten Beieinander von humana divinitas und divina humanitas. In allen ‚Stadien‘ geht es darum, diese Identität des per se Konträren – unum omnia700 – zu entfalten und sie zugleich von der Behauptung einer Auflösung aller Bestimmtheit (‚so viel als nichts‘701) abzugrenzen. Der Bezug auf diese Aufgabe verbindet die nicht immer homophonen Antworten zur Einheit einer Problemgeschichte. 4. Als ‚komplementäre‘ Ausprägungen dieses einen Grundproblems haben sich die kenotische und die theopaschitische Frage erwiesen.702 Hier aber war eine auffällige Disparität zu konstatieren. Während Hunns Neufassung der kenotischen These rasch auch in Schwaben übernommen und bis in das unmittelbare Vorfeld der grundlegenden Wende von 1619 vertreten wird,703 zeigt sich in der theopaschitischen Frage spätestens 1586 eine gewichtige Differenz. Die in Hunns württembergischer Heimat vertretene, von ihm aber explizit negierte abstrakte Rede von der divinitas passa erscheint als Indiz für ein systematisches Interesse schwäbischer Christologie, das im Rahmen der eben etablierten konkordistischen Bestimmungen zur Idiomenkommunikation offenkundig nicht unterzubringen ist. 5. Diese an der quaestio altera704 des theopaschitischen Problems manifest werdende Devianz schwäbischer Christologie bereits eine Generation vor dem kenotischen Streit verdient hohe Aufmerksamkeit. Sie markiert eine mögliche ‚Bruchstelle‘, von der her sich ein Zugang zum Verständnis der Genese der neuen Tübinger Christologie überhaupt finden ließe. Damit ist der Ansatz für die weitere Untersuchung benannt. Es ist jetzt gründlicher zu prüfen, ob und wie die ‚Entwicklung‘ der lutherischen Christologie in den Jahren von ca. 1590 bis gegen 1610 – forschungsgeschichtlich weithin terra incognita – tatsächlich signifikante ‚Neuerungen‘ (novationes – J. Kepler) zeitigt, die sich retrospektiv als Stationen ‚auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie‘ (J. Baur) verstehen lassen. Heuristische Leitfrage wird dabei sein: Wie geht die schwäbische Christologie ‚zwischen‘ Konkordie und Kenosisstreit mit der communicatio idiomatum, insonderheit mit der Komposition dieses Lehrstücks und der Integration der ‚theopaschitischen‘ Frage, um?
700
Vgl. o. C.II.2.2.2. Vgl. o. Anm. 621 (Z. Ursin). 702 Vgl. o. C.IV.2.6. 703 Vgl. o. C.III.2.6/7. 704 Vgl. o. C.II.1.3. 701
D. ‚multas novationes‘ – Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
I. Die Revision der konkordistischen Idiomenkommunikation I. Die Revision der konkordistischen Idiomenkommunikation
Läßt die schwäbische Theologie Ansätze einer Neufassung des Lehrstücks der communicatio Idiomatum erkennen? Die Prüfung setzt an bei den einschlägigen Passagen in den offiziellen – „amtlich anerkannten und eingeführten“ – dogmatischen Lehrbüchern der Tübinger Theologie1 im fraglichen Zeitraum. 1. Jakob Heerbrand 1573. 1578 1.1 J. Heerbrands2 1573 in 1. Auflage vorgelegtes Compendium theologiae3 trägt die Lehre De communicatione Idiomatum – wie der gesamte christologische Locus eher knapp entwickelt4 – in einer von den konkordistischen Bestimmungen nicht beeinflußten Gestalt vor;5 es repräsentiert darin den 1
Als Überblick vgl. KOLB, 1951, 3–77 (Zitat: 3); bes. 4–19 (zu Heerbrand) und 20–30 (zu Hafenreffer). Vgl. auch HOLTZ, 1993, 32–38. Im Blick auf Hafenreffer (u. 2., 3.) ist Kolbs Darstellung überholt durch JUNG, 1996, 30–58; OHLEMACHER, 2010, 321–413. Zu Heerbrand: RAEDER, 1986, 81–98; 1985, 524–526; O HLEMACHER, 2010, 211–320. – Im Rahmen ihrer entwicklungsgeschichtlichen Untersuchung der Rechtfertigungslehre in der konkordistischen und nachkonkordistischen Theologie hat F. N ÜSSEL die Tübinger ‚Christologie und Rechtfertigungslehre‘ behandelt (2000, 178–238) und dabei auch, in Weiterführung von J. B AURs Skizze (1993h, 226–240), die ‚Entwicklung der Lehre von der Idiomenkommunikation in den Tübinger Dogmatiken‘ in den Blick genommen (2000, 207–223). – Zur Gattung des ‚Dogmatikkompendiums‘ und dessen Funktion im dogmatischen Unterricht des 16. und 17. Jahrhunderts: STEGMANN, 2006, 100–185. 2 Biographische Skizze: RAEDER, 1986, 81–89; Kurzfassung: DERS., 1985, 524f. 3 Compendium Theologiae, Qvaestionibvs Methodi Tractatvm, Tübingen 1573; zum Aufriß vgl. N ÜSSEL, 2000, 183–185. 4 ‚De Christo‘ handelt die erste Auflage p. 21–38. – Zur 2. Auflage vgl. u. Anm. 8. 5 Diese Feststellung ist nicht trivial – die allerdings erst später in der Konkordie kodifizierte Trichotomie der Genera lag als Entwurf ihres Begründers, M. Chemnitz, seit 1561 vor und war von diesem 1570 in der Erstfassung seines christologischen opus magnum wiederholt und vertieft worden; mit der gleichfalls maßgeblich von Chemnitz verantworteten Schwäbisch-Sächsischen-Concordie (SSC) geht das Konzept dann 1573 in den Redaktionsprozeß der werdenden Konkordie ein. – Vgl. dazu weiter u. D.I.4.1.
I. Die Revision der konkordistischen Idiomenkommunikation
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frühen schwäbischen Lehrtypus, allerdings nicht ohne einige in Heerbrands theologischer Prägung begründete Besonderheiten.6 Auch die schon nach der Endredaktion der FC (1577), wenngleich noch vor der Publikation im Konkordienbuch (1580) veröffentlichte 2. Auflage des Compendiums von 15787, die eine stark ausgeweitete Darstellung des christologischen Locus enthält,8 nimmt die nunmehr symbolisch festgeschriebene Systematik dreier ‚Genera‘ nicht auf.9 Dies ist insofern auffällig, als Heerbrand in seiner Neubearbeitung ansonsten durchaus die Festlegungen der von ihm hoch geschätzten10 Konkordie berücksichtigt. Der Tübinger teilt augenscheinlich die schwäbische Reserve gegenüber der Chemnitz’schen Eigenthese seit Brenz,11 wie sie auch für Andreae belegt ist, der die mit der Schwäbisch-Sächsischen Concordie (1573) eingeleitete Übernahme der Trichotomie in den werdenden Bekenntnistext nur widerwillig erlitten haben wollte.12 1.2 Einen Fortschritt in der theopaschitischen Frage indiziert diese Verweigerung indes nicht. Heerbrand bestimmt die Idiomenkommunikation zwar einleitend als ein symmetrisches Geschehen zwischen den Naturen;13 6 Dazu gehört auch die Prägung durch Melanchthon: Heerbrand hatte 1538–43 in Wittenberg studiert; dort noch „[u]nmittelbarer Schüler Luthers und Melanchthons gewesen zu sein, war ihm Anlaß zu beständiger Dankbarkeit, der er oftmals Ausdruck gab“ (RAEDER , 1986, 83; Hervorhebung U.W.); vgl. K OLB , 1951, 7. 7 Compendium Theologiae, Nunc paßim Avctvm et Methodi Quaestionibus Tractatum, Tübingen 1578 (= [im folgenden benutzt:] 1579). – O HLEMACHER, 2010, 212–217. 8 1579, 71–125 (3-facher Umfang der Erstfassung von 1573; vgl. Anm. 4). – Vgl. KOLB, 1951, 5f; NÜSSEL, 2000, 207f; OHLEMACHER, 2010, 217–221. 9 Richtig KOLB: „Die communicatio idiomatum entwickelt Heerbrand noch nicht nach dem bekannten Schema“ (1951, 7, bezogen auf die Ausgabe 1579). Dagegen geht J UNGs pauschale Charakterisierung des Textes von 1578/79 als einer „nach dem Maßstab der Konkordienformel theologisch bearbeitete[n] Neuauflage“ (1996, 40 Anm. 40) jedenfalls an diesem Punkt fehl und müßte wohl insgesamt noch einmal im Detail überprüft werden. Auch NÜSSELs zurückhaltendere Formulierung: „Eine Unterscheidung verschiedener Genera der Idiomenkommunikation wird bei Heerbrand nur angedeutet“ scheint mir durch die beigebrachte Begründung – „... indem er die Idiomenkommunikation einleitend allgemein als Übertragung der Eigenschaften auf Christus beschreibt, was sachlich der Formulierung des ersten Genus der Idiomenkommunikation in der Konkordienformel entspricht“ (2000, 208f, hier: 209) – nicht belegt: ‚Einleitend‘ bestimmt Heerbrand die Idiomenkommunikation als Geschehen zwischen den Naturen, woraufhin dann erst von einer Zueignung an die ‚Person‘ die Rede sein kann; – dies entspricht dem konkordistischen 1. Genus gerade nicht; vgl. u. Anm. 13. 10 Vgl. RAEDER, 1986, 91 bei u. mit Anm. 26 (bezogen auf Compendium, 1579, 15). 11 Vgl. BRANDY, 1991, 169(. 202f), der auf die mit Chemnitz’ Konzept einer Kommunikation ‚an‘ die Person (1. genus) gestellte Problematik hinweist; vgl. dazu D.I.4.1. 12 Vgl. u. bei u. mit Anm. 106.107. – Wie auch die den achten Artikel der SD strukturierende Trichotomie der Genera in Andreaes Epitome schlicht ignoriert wird. 13 „Quid est communicatio idiomatum? Cum ea, quae vnius naturae in Christo sunt propria, tribuuntur alteri in concreto: & sic[!] de toto Christo accipiuntur, & sunt inter-
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
doch in der Durchführung wird diese Kommunikation dann faktisch auf die Mitteilung der göttlichen Majestät an die menschliche Natur beschränkt.14 Eine gegenläufige reale Partizipation der göttlichen Natur an menschlicher Schwachheit kann Heerbrand, ‚starken‘ Formulierungen von einer ‚Aneignung‘ des menschlichen Leidens durch ‚Gott‘ zum Trotz, nicht denken15. pretanda“ (1579, 104) – Dieser Grund-Satz definiert eine symmetrische communicatio zwischen den Naturen (vnius naturae ... propria, tribuuntur alteri ...), worauf dann allererst die Zuschreibung an die ‚ganze Person‘ gründet (& sic de toto Christo accipiuntur...; vgl. schon: „propter unionem personalem, propria vnius naturae, communicantur alteri: quia una persona“ [90; s. auch 102f]). Mit dieser Verknüpfung formuliert Heerbrand faktisch eine Alternative zu den Festlegungen des konkordistischen ersten Genus. Dort wird eine Zuschreibung an die ‚ganze Person‘ nur von der gleichsam vorausgesetzten Einheit dieser Person her begründet; eine dieser Zuschreibung der Sache nach vorausliegende Kommunikation zwischen den Naturen kennt das 1. Genus der FC nicht: „... erstlich, weil in Christo zwo unterschiedliche Naturen an ihren natürlichen Wesen und Eigenschaften unvorwandelt und unvormischet sein und bleiben, und aber der beiden Naturen nur ein einige Person ist, so wird dasselbe, was gleich nur einer Natur Eigenschaft ist, nicht der Natur allein, als abgesondert, sondern der ganzen Person, welche zugleich Gott und Mensch ist (sie werde genennet Gott oder Mensch) zugeschrieben“; – „Primo, cum in Christo duae sint distinctae naturae, quae essentiis et proprietatibus suis neque mutantur neque confunduntur, utriusque naturae una tantum sit persona: ea, quae unius tantum naturae propria sunt, alteri naturae non seorsim, quasi separatae, sed toti personae (quae simul Deus et homo est) attribuuntur, sive Deus sive homo nominetur“ (SD VIII 36; BSLK 1028, 14–24/14–23). Ein die Naturen betreffendes Geschehen entfaltet – einseitig, nur im Blick auf die Menschheit – dann erst und als etwas auch gegenüber der bis dato dargelegten Attribution an die Person „viel ein anders ...“ (1032,1 – „longe aliud“) das 3. Genus (SD VIII 48ff; BSLK 1031,1ff). 14 Die der grundsätzlichen Festlegung (Anm. 13) folgende Erläuterung kennt nur, einlinig reduzierend, die Bewegung von der göttlichen zur menschlichen Natur: „Quod videlicet diuina natura του λογου in Christo, humanae naturae assumptae communicauerit suas proprietates, quae communicari possunt: ita, ut, quod Filius Dei habet per naturam, id hominis filius habeat per gratiam, sibi ex unione personali communicatam, vt Omnipotentia, Omnipraesentiam, viuivicationem, & c.“ (1579, 104). 15 Vgl. hier bes. die Auseinandersetzung mit ‚Nestorius‘ (1579, 96–99): Mit Luther (Von den Konziliis und Kirchen, 1539; StA 5, 448–617; vgl. u. D.I.7.3.2) ortet Heerbrand den Grundfehler des Patriarchen in dessen Ablehnung der Idiomenkommunikation: „error Nestorij fuit, quod Idiomatum communicationem ... non intellexit, nec concedere voluit, quod videlicet unius naturae propria, tribuantur alteri in concreto, per participationem“ (97). Mit dieser Verweigerung aber bestreitet Nestorius selbstwidersprüchlich die notwendige Folge (consequens) der von ihm formell bejahten unio personalis (antecedens, 99; weiter in Aufnahme von Luthers Argumenten). Aus diesem – schon logisch defizitären („Nam qui concedit antecedens bonae consequentiae ... non potest negare consequens“, 99) – theologischen Irrtum resultiert bei Nestorius die Verwerfung der Aussage vom ‚Tod Gottes‘. Demgegenüber verteidigt Heerbrand diese scheinbar absurde Rede vom Tod ‚Gottes‘ – präziser: nicht des ‚Deus separatus‘, wohl aber des ‚Deus incarnatus‘ (99, vgl. LUTHER, StA 5, 547,24–28) zunächst souverän mit dem Verweis auf die nicht minder ‚absurde‘ Inkarnation selbst, meint diese ja, elementar und fundamental verstanden, nicht weniger als dies: „der unsterbliche Gott wird das, was sterben kann“ („Aeque
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Im Gegenteil: einige Eigentümlichkeiten der Christologie Heerbrands16 – darunter v.a. die kategorische Bestreitung einer Vereinigung der göttlichen absurdum videtur, affirmare: Deus est homo factus. Hic enim Deus immortalis fit id, quod mori potest“, 99; vgl. LUTHER, StA 5, 547,28–31). In diesem der Vernunft unerschwinglichen ‚Werden‘ aber empfängt Gott alle Eigentümlichkeiten der angenommen Menschheit, der er zugleich ‚gegenläufig‘ die uneingeschränkte Teilhabe am göttlichen Sein gewährt: „et omnia idiomata humanae naturae, Deus cum vnione personali accipit. Sicut et econtra, homini per communicationem idiomatum tribuenda, quae sunt Dei propria“ (99, vgl. LUTHER, StA 5, 547,31–33). Doch dann stoßen Heerbrands Überlegungen in bekannter Weise auf die Barriere des Axioms der Unveränderlichkeit Gottes – der natura divina selbst ein Leiden beizulegen (est passa), hieße, diese als an sich selbst leidensfähig (est passibilis) zu denken und also eine Wesensveränderung zu behaupten. Die Alternative einer nicht essentiell begründeten ‚Kapazität‘ der Gottheit für menschliches Leiden vermag Heerbrand nicht zu denken; eben das, was im gegenläufigen Fall der communicatio Majestatis unverzichtbare Spitzenformulierung der lutherischen These ist (finitum capax infiniti), wird hier ebenso kategorisch negiert – minime capax: „Est ne igitur passa vel passibilis diuina natura? Sicut nec carnem habet [natura divina], nec sanguinem, ita nec passa est, nec crucifixa: vtpote, quae passionem omnium & mutabilitatis, sit expers, ac minime illarum capax“ (99). Die dann gleichwohl wiederholte These vom Zueigenmachen der Menschheit durch den ‚Gottessohn‘ – ‚und so‘ durch Gott – kann unter diesen Restriktionen nicht mehr behaupten als dieses: der Sohn Gottes wollte ohne die angenommene und angeeignete Menschheit nichts tun, alles durch sie wirken, woraufhin mit dem Apostolikum von ihm (als dem Handlungssubjekt des vereinigten Ganzen) ein natus – passus – mortuus ausgesagt werden kann: „Sed quia hoc corpus, & hunc hominis Christi sanguinem, filius Dei, & sic Deus, proprium sibi fecit assumptione humanae naturae: adeo, vt sine eo nihil, sed per illum omnia facere voluit“ (99). 16 In jüngerer Zeit hat nach J. B AURs knapper Stichprobe (1977, 216–218 [= 1993h, 227–229]) und unter Bezug auf sie S. RAEDER die Frage nach dem entwicklungsgeschichtlichen Ort der Christologie Heerbrands gestellt (1986, 91–93). Parameter der Einordnung ist näherhin das Verständnis der Entäußerung Christi und dessen Vermittlung mit der vorlaufenden These der communicatio Majestatis. Dabei werden Heerbrands Ausführungen unmittelbar auf die Grundalternative des späteren kenotischen Streites bezogen. Eine für die Umbrüche im „Übergang von der Reformation zur Orthodoxie“ (91) noch charakteristische Unschärfe der Formulierung und die nicht völlig konsistente Verknüpfung ursprünglich heterogener Elemente erklären für Raeder die ganz konträre Einordnung, die Heerbrand zuteil geworden ist: Während CHR. KOLB bei Heerbrand bereits genau die „Folgerungen“ wahrnahm, „welche die Tübinger als Kryptiker gegen die Kenotiker vertreten“ (1951, 6f, hier: 7 [Hervorhebung U.W.]; bei allerdings ganz schmaler – und nicht stichhaltiger – Begründung), kommt J. B AUR zu dem entgegengesetzten Ergebnis: „Heerbrand deutet Jesu Erniedrigung faktisch als Zurücknahme der ihm mitgeteilten göttlichen Wesenseigentümlichkeiten; er muß unter die Ahnen der Gießener gerechnet werden“ ([1977, 218 =] 1993h, 229). Die dagegen von Raeder für Kolbs Deutung ergänzend beigebrachten Belege aus Heerbrands Compendium (92f) vermögen nicht zu überzeugen. Sosehr durch manche Aussagen über die allgegenwärtige Herrschaft der Menschheit Christi „der volle Brenz-Ton“ (B AUR, [1977, 217 =] 1993, 228) klingen mag, stehen sie doch allesamt unter der grundlegenden Bestimmung der Entäußerung als Einschränkung der Majestät: Auch für Heerbrand gilt die durch die Unterscheidung von Besitz und Gebrauch der Majestät explizierte Ansicht des ‚gemäßigten Ubiquismus‘, „daß vor der
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Natur mit der Menschheit17 – blockieren geradezu jede weiterführende Explikation der These vom Leiden Gottes, die die schwäbische Christologie zwar seit Brenz vertritt, aber nicht überzeugend zu begründen vermag.18 2. Matthias Hafenreffer 1600 2.1 Die Dinge kommen in Bewegung mit M. Hafenreffers19 Loci theologici,20 die das Heerbrand’sche Compendium als dogmatisches Lehrbuch der Erhöhung der Sohn Gottes ohne seine Menschheit am universalen Werk ist“ (J. BAUR, [1977, 217 =] 1993h, 228; mit Bezug auf den hier eindeutigen Beleg Compendium, 1579, 104); mit der Teilhabe am Weltregiment ist der erniedrigten Menschheit auch die Gegenwart bei allen Dingen entzogen. 17 Die These einer Vereinigung der Menschheit mit der göttlichen Natur weist Heerbrand ab wegen der darin – vermeintlich – implizierten Konsequenz einer gesamttrinitarischen Inkarnation: „Cuiusmodi est haec unio? Non naturalis. Quia non natura divina vnitur homini: alias tota Trinitas incarnata & vnita diceretur. Sed personalis est & dicitur unio, quia Persona του λογου unita est humanae naturae, quam assumpsit“ (Compendium 1573, 29 / Compendium 1579, 90; vgl. J. B AUR, 1993h, 227). In dieser Grenzziehung dürfte sich auch die unzureichend geklärte Rezeption bestimmter Elemente des Verständnisses der Personeinheit als suppositaler Union (o. C.IV.1.1.1), wie es Heerbrand bei seinem Lehrer Melanchthon gelernt hatte, niederschlagen (vgl. im folgenden Zitat das einschlägige Stichwort sustentari): „Non ... persona est per se subsistens, natura humana Christi, sed subsistit in persona Filij Dei, a quo in personae unitatem assumpta est, eique unita personaliter, a quo etiam sustentatur: ita ut illa extra unionem personalem nunquam possit existere“ (Compendium 1579, 80). An späterer Stelle findet sich dann freilich die ‚schwäbische‘ (Brenz; u. D.IV.1.3) These der Kommunikation als der „Differentia ... specifica inhabitationis Dei in Christo homine [Kol 2,9], & nobis“: „filius Dei, personaliter, se & totum, ei [Christo homini] communicauit Realiter, hoc est, personam suam, Maiestatem & Omnipotentiam“ (ibd., 88). Wie sich beide Bestimmungen – sustentari, communicari – näherhin zueinander verhalten, bleibt ungeklärt; in Heerbrands zusammenfassender Definition der unio personalis fehlen beide Termini: „Quid est vnio personalis? Est coniunctio, siue copulatio duarum naturarum in Christo, perpetua & inseparabilis, qua Persona του λογου, hoc est, filij Dei, in se permanens immutabilis, humanam naturam ... in se quoque cum omnibus essentialibus suis proprietatibus permanentem, in vnam Personam, (quae dicitur Christus) assumpsit, seque ei non no|minetenus, sed reuera ... tanquam μορφη vniuit, ita ut unum υφισταμενον constituant, saluis utriusque naturae substantia & proprietatibus, ita quod neutra in alteram sit conuersa, aut transfierit, uel sit mutata: propter quam unionem concreta naturarum de se inuicem praedicantur, actionesque omnes & passiones communes sunt, & totius personae: Sicut in homine Animae & corporis“ (ibd., 86|f). – So bleibt zu fragen: Wie weit trägt angesichts dieser Grenzziehungen der Rekurs auf die unio als das Sterblich-‚Werden‘ Gottes (o. Anm. 15), wie läßt sich die Idiomenkommunikation als Partizipation der Naturen (o. Anm. 13) denken? 18 Zu Brenz vgl. C.IV.2.6.2. 19 Zur Person vgl. [B.] Anm. 25; J UNG, 1996, 33–38. 20 Loci Theologici: CERTA METHODO AC RATIONE IN Tres Libros tributi ..., Tübingen 1600 (folgende Belegangaben hierauf bezogen). – Verwirrte und verwirrende Angaben älterer und neuerer (NÜSSEL, 2000, 185 Anm. 33) Literatur zum Titel der Erstauflage klärt JUNG 1996, 38f Anm. 29, hier: 39; vgl. OHLEMACHER, 2010, 322–324.
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Tübinger Fakultät sukzessive ablösen. Die 1600 publizierte 1. Auflage dieses „Jahrhundertwerk[s]“21 steht in ihrem christologischen Traktat deutlich unter dem Einfluß des Hunn’schen Entwurfs, der die zeitgenössisch grundlegende Darstellung der konkordistischen Christologie bietet.22 So findet auch die christologische Eigenthese des im Ausland berühmt gewordenen, nach den Marburger Jahren seit 1592 in Wittenberg lehrenden Landsmannes, die Auslegung der Personeinheit als ‚praesentia intima‘, 23 Aufnahme und wird so mit der Autorität des „amtlich anerkannten und eingeführten“ Lehrbuchs24 württembergischer Theologie versehen. Doch geschieht diese Rezeption mit einer gewissen Zurückhaltung; die eher knappen Festlegungen bleiben deutlich hinter der Emphase der Hunn’schen Formulierungen und dem dort erreichten Grad der ‚Prinzipialisierung‘ dieses Theorems zurück. 25 21
J. B AUR, 1993h, 235. Zur Wirkungsgeschichte: KOLB, 1951, 29; J UNG 1996, 38–42. Zu Hunn s. C.IV.3. – Hafenreffer konzipiert den Traktat ‚De Christo‘ nicht mehr als Teil der Gottes- oder Trinitätslehre (so noch, in Fortsetzung der älteren Methode Melanchthons, Heerbrand [NÜSSEL, 2000, 179–185, bes. 184f]), sondern „am richtigen Platz, nach der Lehre von der Sünde“ (KOLB, 1951, 24), nämlich als soteriologisches Teilstück des ‚anthropologischen‘ dritten Buches seiner Loci: Liber III: De Homine, dort der zweite Locus des mit dem ‚Status Restaurationis per Christum‘ befaßten dritten Teilstücks (lib. III, III. Status, II. Locus, p. 119–173). Zu Hafenreffers noch der synthetischen Methode verpflichteten Einteilung der Loci überhaupt vgl. J UNG, 1996, 42; NÜSSEL, 2000, 185f Anm. 35 (dort nach der 3. Aufl., die bis auf die vorgeschalteten Prolegomena aber die Abfolge der Erstfassung übernimmt; vgl. u. 2.3), W IEDENROTH, 2003a, 480; zur theologischen Bedeutung dieser Tübinger Neuverortung der Christologie, die ein eigenes Profil auch gegenüber zeitgenössischen Wittenberger (L. Hutter) und Jenenser Entwürfen (J. Gerhard) aufweist: NÜSSEL, 2000, 185–194. – Näherhin umfaßt Hafenreffers christologisches ‚System‘ nach der einleitenden Onomatologie (119–121) die beiden Abschnitte (121) De Persona (121–160) und, wesentlich knapper, De Officio (160–173) Christi. Die Personlehre ist weiter unterteilt: I. De unione personali (121–129), II. De communicatione Idiomatum (130–153) sowie III. De Statuum Carnis Christi Diversitate (153–157); es folgen noch abschließend knappe Darlegungen zum usus des Lehrstücks (157; zur Funktion vgl. J UNG, 1996, 42–44, bes. 43; 47–58 – mit allerdings diskussionsbedürftigen Ausführungen zum „Stil und Inhalt der Hafenrefferschen Nutzanwendungen“ [44] und zum intendierten ‚Praxisbezug‘ dogmatischer Lehre; vgl. zur Neufassung des Praxis-Begriffs am Anfang des 17. Jh.s und dessen „einschneidende[n] Folgen für das Selbstverständnis des Theologen“ sowie die wissenschaftstheoretische Klärung der Theologie: SPARN, 1992, 72–82, bes. 72–74 [Zitat 73]) und eine häresiologische Sichtung der christologischen Irrtümer (157–160). – Die Anlehnung an Hunn – im Blick dürfte vor allem dessen Libellus I von 1585 (o. C.IV.3.1) sein – zeigt sich neben inhaltlichen Übereinstimmungen auch in einer dispositionellen Besonderheit: Hafenreffer unterscheidet drei Status carnis Christi (sc. exinanitionis, Glorificationis [in der Auferstehung], Maiestatis; 153–156); diese von der vorherrschenden Zweiteilung abweichende, aber nicht einfach ‚überflüssige‘ (gegen KOLB, 1951, 24) Differenzierung hat ihre vorlaufende Parallele bei Hunn: status exinanitionis – exaltationis – Maiestatis (Libellus I, 1585, 61–93. 93–100. 100ff). 23 Vgl. o. C.IV.3.1. 24 KOLB, 1951, 3. 25 „Tandem vero, Omnipraesentiae carnis Christi manifesto repugnare videtur, quod vno loco natus, passus, nunc hic, nunc ibi adfuisse vel abfuisse multoties in Scripturis le22
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2.2 Auch hinsichtlich der Idiomenkommunikation scheinen die Loci mit dem Aufriß Hunns und so mit der Konkordie übereinzukommen, wenn sie – ohne Begründung – eine Unterscheidung dreier distinkter ‚Genera communicationis Idiomatum‘ vortragen.26 Doch gerade angesichts dieser Übereinstimmung in der Komposition tritt eine jedenfalls partielle Divergenz in der Sache deutlich hervor. – Hafenreffers thetische Differenzierung der ratio communicationis unterscheidet die drei Genera als (131): 1. communicatio propriorum carnis; 2. communicatio propriorum Deitatis; 3. communicatio operationum.
Diese Konzeption weicht in doppelter Hinsicht von der Konkordie ab. Ohne großes Gewicht ist die – unkommentierte – Metathese von communicatio Majestatis (2.; FC: 3. genus) und communicatio operationum (3.; FC: 2. genus); die materialen Festlegungen koinzidieren.27 Anders aber steht es im gitur?“ Antwort: „Christus homo, secundum naturae suae proprietatem, etiam secundum naturae modum, vere in vno tantum loco fuit, & etiamnum corpus ipsius glorificatum, corpus finitum & circumscriptum manet. Sed quia idem corpus non tantum naturale, verum etiam deificatum corpus est, nimirum cum filio DEI, qui sine omni LOCALITATE vbique est, personaliter vnitum; Ideo diuina & ineffabili ratione ex natura vnionis & communicationis personalis filius DEI, aßumptam suam humanam naturam, vbique sed illocaliter sibi praesentem habet: & iam in statu exaltationis per eandem praesenter & potenter omnibus creaturis dominatur“ (147; vgl. Hunn, Libellus, 1585, I, 83f; [C.] Anm. 641). Vgl. auch: „Filius Dei, neque locus est, neque in loco, sed illocaliter coelum & terram implet, idem etiam supra & extra omnia loca humanam naturam in SVAE personae vnitatem assumsit, quae IN ipso citra omnem extensionem, vbique praesens est“ (149). – Die Statusdifferenz beschreibt Hafenreffer ansonsten mit der Standard-Auskunft des gemäßigten Ubiquismus, der Distinktion von ‚Besitz‘ und ‚vollständigem Gebrauch‘ der Majestät: „Quam Maiestatem ... Christus in hoc statu [sc. Maiestatis] consequutus est? Non nouam quidem, quoad possessionem: sed il|lius INFINITAE quam ab Incarnationis momento per vnionis gratiam habuit, in statu vero exinanitionis, sumpta seruili forma, occultauit, plenariam vsurpationem“ (155|f). Das hier begegnende ‚occultauit‘ meint unspezifisch die ‚Verdeckung‘ der empfangenen Majestät durch Übernahme irdischer Niedrigkeit unter Einschluß des Verzichts auf einen – kontinuierlichen – Gebrauch, nicht präzise die Verbergung des gleichwohl statthabenden Gebrauchs der Majestät; keineswegs vertritt bereits Hafenreffer „die bekannte Tübinger κρυψις“ (gegen KOLB, 1951, 25; vgl. das analoge Fehlurteil im Blick auf Heerbrand, o. Anm. 16). – Diese Festlegungen werden nicht nur die späteren Auflagen der Loci (1603, 387–389. 401f [= 1609, 328– 330. 340]; vgl. D.I.2.3) wiederholen, sondern in der Sache auch von Hafenreffer verfaßte resp. verantwortete Texte bis an die Schwelle der ‚neuen‘ Tübinger Christologie vertreten: Templum Ezechielis, 1613, 292–306 (bes. 298); DE SERVATORE JESU CHRISTO Disputatio problematica, (26.27. Febr.) 1619, Th. XXX/38. Vgl. o. [C.] Anm. 426. 26 „Est ne vero vna ratio communicationis Idiomatum? – Non. Sed tria sunt eius genera“ (Loci 1600, 130–153, hier: 131). Ebenso diskussionslos Hunn (o. C.IV.3.2.3). 27 Vgl. 134–149 mit FC SD VIII 48–79, 149–153 mit SD VIII 46f. Ebenso deutlich ist die Nähe zu HUNN: Libellus I, 1585, 39–41. 41ff. – Zur Metathese vgl. u. [D.I.] 3.1/2.
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Fall des 1. genus. Die Konkordie faßt dieses symmetrisch, als Attribution der Idiome beider Naturen an die ‚ganze‘ Person.28 Dagegen hat Hafenreffers ‚communicatio propriorum carnis‘ zum Gegenstand die Mitteilung der Eigenschaften allein der menschlichen Natur an den Sohn Gottes (Filius Dei).29 Mit dieser Restriktion avanciert das 1. genus zum Gegenstück der communicatio propriorum Deitatis, die das 2. (FC: 3.) Genus entfaltet. Zugleich beseitigt die nunmehr klare Differenzierung der Prädikate die für die Konkordie zu konstatierende auffällige Doppelung hinsichtlich der Mitteilung der göttlichen Idiome: einerseits an die menschliche Natur (FC: 3. genus), andererseits an die ganze Person (Teilmoment des 1. FC-Genus).30 Hafenreffer scheint auf dem Weg, die konkordistische, von Hunn rezipierte und explizit verteidigte31 Asymmetrie der Idiomenkommunikation zwischen den Naturen zu verabschieden – Voraussetzung einer überzeugenderen Explikation der These vom Leiden ‚Gottes‘. Doch was die thetische Festlegung erwarten läßt, löst die Durchführung nicht ein. Anders als ihr Korrelat, die communicatio Majestatis, vollzieht sich die communicatio propriorum carnis nicht als ein Geschehen zwischen den Naturen. Hafenreffers Erläuterung verschiebt die ‚in‘ der identischen Person realisierte Partizipation des Gottessohnes an den menschlichen Eigentümlichkeiten auf eine Mitteilung dieser propria carnis ‚an‘ die beide Naturen umfassende ‚ganze Person‘: „[Primum genus est,] Quando humanae naturae propria, Filio Dei, seu Personae Christi, quae Deus & homo est, attribuuntur“ (131); distinktive Partikel halten fest, „secundum quam naturam illi [personae] tribuatur“ (131). Mit dieser auffälligen, weil inkonzinnen Erweiterung (seu) des Subjekts ist die communicatio propriorum carnis in den Rahmen des konkordistischen 1. genus zurückgeführt, dessen einschlägige Bestimmungen hier deutlich anklingen.32 Die Differenz der Entwürfe zum 1. genus reduziert sich damit auf einen Punkt. Die FC entwickelt die Zuteilung an die Person symmetrisch, für die 28 SD VIII 36f; vgl. HUNN, Libellus I,36f (o. C.IV.3.2.3). Die FC SD VIII 37 genannten Beispiele (Röm 1[,3]; 1Petr 3[,18]; 4[,1]) und der dort folgende ‚Exkurs‘ zum Leiden Gottes (SD VIII 38–45) beschränken sich allerdings auf die Mitteilung der menschlichen Idiome; entsprechend ist die Auswahl der Belege bei Hunn (Röm 1,3; Gal 4,4; Lc 1,35; Ac 3,15; 20,28; 1.Kor 2,8; Joh 3,16; Röm 5,10; 8,32; Gal 2,20 [Libellus I, 37f]) und nun bei Hafenreffer (Röm 1,3; 9,5; 1.Petr 3,18; 4,1; Ac 3,15; 1.Kor 2,8; Gal 4,4; 1.Joh 1,1 Röm 8,32; Ac 20,28 [132f]). 29 „Quod est primum genus communicationis Idiomatum? Quando humanae naturae propria Filio Dei, seu personae Christi, quae Deus & homo est, attribuntur“ (131). 30 Vgl. schon die einleitende summarische Bestimmung der Idiomenkommunikation: „Est vera & realis praedicatio, qua vel humanae naturae propria Filio Dei: vel propria diuinae naturae, assumptae naturae humanae: vel denique officia Saluatoris, Christo secundum vtramque naturam vere & realiter attribuuntur“ (130). 31 Vgl. o. C.IV.3.2.4. 32 Vgl. SD VIII 36f (BSLK 1028,14–30).
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Idiome beider Naturen, Hafenreffer hingegen übernimmt dieses Muster nur für die eine ‚Hälfte‘, die communicatio propriorum carnis. Diese Restriktion unterscheidet sein Votum zwar bleibend von den konkordistischen Bestimmungen und deren genauer Reproduktion bei Hunn; und sie vermeidet immer noch die dort auffälligen thematischen Überschneidungen des 1. und 3. genus. Die sich zunächst andeutende Fassung des 1. genus als eines gegenläufigen Pendants zur communicatio Majestatis aber bricht am hier entscheidenden Punkt, der Frage des Einbezugs der göttlichen Natur, ab. Mit der Begründung dieser Asymmetrie der Idiomenkommunikation schließt Hafenreffer dann vollends zu Hunns Festlegungen33 auf. Die ratio diuersitatis (135) liegt in der unterschiedlichen Beschaffenheit der vereinigten Naturen. Während die natura divina als unveränderliche keiner Bewegung fähig ist, kann die veränderliche natura humana einer Erhöhung unterworfen sein.34 Schon die Vereinigung der Naturen ist so kein symmetrisches Geschehen. Die göttliche Natur teilt der angenommenen menschlichen sich selbst und so ihre Majestät mit; sie selbst aber empfängt von der Menschheit nichts – nihil quicquam accipit.35 Diese Asymmetrie strukturiert dann auch die aus der unio personalis – tanquam effectus36 – folgende communicatio Idiomatum. Während das 2. genus die Mitteilung der göttlichen Majestät an die menschliche Natur lehrt, behauptet das 1. genus die Teilhabe des Gottessohnes an den menschlichen Idiomen kraft der Identität der Person; die unveränderliche göttliche Natur aber ist davon – „in se“ – nicht betroffen. 37 Dieser Ausschluß bringt das 1. genus zugleich in eine Modalitätsdifferenz zum 3. genus, das eine Teilhabe beider Naturen an den (essentiell je nur einer Natur zukommenden) officia Mediatoris aussagt: Leiden und Sterben kommen zwar – „propter Personae VNITATEM“ – der ganzen Person zu, dies aber nur nach einer (der menschlichen) Natur.38 Den Verdacht, solch
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Vgl. o. C.IV.3.2.4. „Quia diuina natura simpliciter immutabilis est: Propterea ILLI per incarnationem, non quicquam vel dari vel derogari potuit, ac proinde, nec in meliorem nec in deteriorem statum mutari: Mal.3.6. Ego enim Dominus, & non mutor. Humana vero naturam quia mutabilis est, propterea per vnionem personalem, perfici, in meliorem statum transferri, & diuina Maiestate, per communicationem Idiomatum EXALTARI potuit“ (135). 35 L.c., 126; vgl. 133. 135. 36 „quaero ... quomodo … Idiomatum communicatio ab vnione personali differat? Differunt vt prius & posterius. Nam vnio, naturae ordine prior est (non tamen tempore). Et ab illa, communicatio Idiomatum ordinis ratione posterior, tanquam effectus dependet“ (130; vgl. 121.127f). 37 „In primo genere humanae naturae proprietates, propter personae vnitatem Filio Dei, adeoque toti quidem personae Christi vere & realiter attribuun|tur, ita tamen vt diuina natura IN SE ab humana, neque perfectionis neque imperfectionis quicquam accipiat. In ... secundo genere, humana natura, vltra & supra naturales suas proprietates, & omnia finitae perfectionis dona, vere & realiter diuinae naturae Maiestatem acquirit“ (134|f). 38 „In primo genere, humanae naturae pro|prietates propter personae VNITATEM, etiam Filio Dei, adeoque toti personae tribuuntur. ... In tertio genere; officia Mediatoris, de alterutra naturarum, distinctim enunciata: propter naturarum, quae ad Mediatorem necessario requiruntur, DVALITATEM, per communicationis operationis, etiam de altera natura intelligenda sunt“ (151|f). 34
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vorgebliche Modaldistinktion setze in Wahrheit eine Realitäts-Differenz,39 weist Hafenreffer zurück (135f) – in beiden Fällen handelt es sich um eine communicatio realis. Der Gottessohn hat ‚wahrhaft‘ Teil am Leiden und Sterben: „Sed cum in SVA natura sit impaßibilis passus est secundum PROPRIAM carnem“ (136); – d.h.: „patitur non ... in SVA natura ... sed in PROPRIA carne“ (133). „Quae paßio non minus ad Filium Dei pertinet, ac si in ipsa sua diuinitate passus esset ...“ (136).
2.3 Die Aporien dieser Apologetik sind an früherer Stelle benannt worden.40 Im gegenwärtigen Zusammenhang ist wichtig, daß die in den Loci von 1600 vertretene, relativ zur Konkordie offensichtlich unausgeglichene Position – der Versuch eines ‚Ausbruchs‘, der am entscheidenden Punkt dann doch abbricht – nicht Hafenreffers letztes Wort zur Sache ist. Zwar liefert die schon 1601 notwendig werdende (Tübinger) 2. Ausgabe (Editio) der Loci nur einen unveränderten Nachdruck.41 1603 jedoch legt Hafenreffer dann mit der 3. (Tübinger) Auflage (Tertia cura)42 eine Neubearbeitung und Erweiterung43 seiner Dogmatik vor. Die Epistula ad Lectorem (Tübingen 6.9.1603) erläutert eigens die vorgenommenen Veränderungen. Die ‚Prolegomena‘ enthalten jetzt neu eine Abhandlung De Feliciter Instituendo et continuando Studio Theologico (p. 1–22), die anhand der lutherschen Trias44 oratio–meditatio–tentatio ins theologische Studium einführt – Hafenreffers Beitrag zu der im Anschluß an Melanchthon45 entwickelten Gattung der ‚Studienanleitungen‘ (Ho39
„Ex hoc discrimine sequi videtur: In primo genere communicationis Idiomatum esse tantum praedicationem verbalem: Quomodo enim, nisi verbaliter Filio Dei passio tribuitur: cum diuina natura sit immutabilis & impassibilis?“ (135). 40 Vgl. o. C.IV.3.2.5. 41 Titel s. Literaturverzeichnis. 42 Loci Theologici, CERTA METHODO AC RAtione, in Tres Libros tributi … TERTIA CVRA Ab Auctore Recogniti, & Prioribus Locupletiores ..., Tübingen 1603. Die bereits hinsichtlich des Titels der ersten Auflage in der Literatur begegnenden Verwirrungen (o. Anm. 20) finden dadurch eine Fortsetzung, daß neben den Tübinger Nachdrucken resp. Neuauflagen auch anderenorts – so v.a. und schon früh (1602) in Wittenberg – eigene Ausgaben der Loci Hafenreffers veranstaltet werden (vgl. J UNG 1996, 39), die teilweise eine eigene Auflagen-Zählung erhalten. So ist die bei NÜSSEL 2000, 185 Anm. 33, genannte „Editio tertia Wittenberg 1602“ wohl der erste Wittenberger Nachdruck der Loci (J UNG 1996, 39; vgl. STEGMANN, 2006, 138 mit u. bei Anm. 118; vorhanden: WLB, Sign.: Theol.oct. 7127), der aber noch den Text der ersten Tübinger Ausgabe 1600 (= 2. Tübinger Ausgabe 1601) bietet und wohl im Blick auf diese beiden Tübinger Vorläufer als ‚Editio tertia‘ klassifiziert ist. Eine tatsächliche Neubearbeitung stellt erst die o.g. dritte Tübinger Auflage – Tertia cura – von 1603 dar. 43 Synopse der Aufrisse: OHLEMACHER, 2010, 325–327. – Die Veränderungen finden sich nicht erst in der 4. Auflage 1609 (gegen JUNG, 1996, 44), die abgesehen von kleinen Überarbeitungen – bei anderer Paginierung – den Text der 3. Auflage von 1603 bietet. Zu marginalen Fortschreibungen der Christologie vgl. u. Anm. 49. 44 M. LUTHER, Vorrede zum ersten Band der Wittenberger Ausgabe seiner deutschen Schriften, 1539 (WA 50, 657–661); NIEDEN, 2006, 80–87; B AYER, 1994, 55–106. 45 Brevis discendae theologiae ratio, 1529/30; NIEDEN, 2006, 69–79; B AYER, 1994, 136–142. – Vgl. weiter ausgreifend auch MELANCHTHONs: Oratio de necessaria coniunc-
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
degetiken; Isagogiken).46 Erweitert sind sodann alle Loci47 des 1. Buches (De Deo, Creatione, Providentia, Scriptura Sacra) und auch die Christologie (Lib. III, 292–427). – Mit dieser 3. Auflage hat jedenfalls die Christologie der Loci ihre Endgestalt erreicht. Die 4. (Tübinger) Auflage von 160948 bietet, in anderer Paginierung, einen identischen Text.49 Im Falle des jetzt auf weit mehr als den doppelten Umfang angewachsenen christologischen Traktats50 sind keine grundsätzlichen Revisionen zu beobachten; bei den Änderungen handelt es sich i.d.R. um z.T. allerdings umfangreiche und sachlich gewichtige Zusätze, die einzelne Themen umfassender erläutern oder durch Aufnahme von Detailproblemen die Diskussion auffächern. Von dieser Regel gibt es genau eine Ausnahme – die Passage über die Idiomenkommunikation. 51 Hier finden sich Weiterentwicklungen, teilweise auch stillschweigend vorgenommene Korrekturen des ersten Entwurfs, die eine neue Auffassung des Themas erkennen lassen. Zugleich wird die in der 1. Auflage nur faktisch vollzogene Abgrenzung zur Konkordienformel eigens thematisiert und das Verhältnis der neuen Lösung zur Vorgabe der symbolischen Norm eingehend entwickelt.
tione Scholarum cum Ministerio Evangelii, 1543 (CR 11, 606–618); dazu STEGMANN, 2006, 104–115, bes. 105–111. 46 Diese „Studienanleitungen stammen aus dem akademischen | Unterrichtsbetrieb und sind für Studenten bestimmt, sie führen in den Ablauf, die Fächer und die Hilfsmittel des Studiums ein. Das Interesse der Studenten an konkreten Hinweisen zur Studiengestaltung im allgemeinen wie im besonderen sowie das Interesse der Professoren an der Vermittlung ihrer Erwartungen und Erfahrungen an die Studenten lassen immer neue Anleitungen von unterschiedlicher Gestalt entstehen“ (STEGMANN, 2006, 147|f). Vgl. STEGMANN, 2006, 147–156 (148 Anm. 140 Lit.) sowie N IEDEN, 2006, bes. 69ff., 98ff., 160ff. – Einen weiterführenden Beitrag zu der um die Jahrhundertwende einsetzenden Debatte über Begriff und wissenschaftstheoretischen Ort der Theologie bieten Hafenreffers Darlegungen noch nicht (W ALLMANN, 1961, 6, Anm. 2 – ein Urteil, das mir durch J UNGs Hinweis auf einige Passagen in der Praefatio nicht widerlegt scheint [1996, 44 bei u. mit Anm. 57]). Zum Problem selbst vgl. H.E. WEBER, 1908, 19–74; HÄGGLUND, 1951, 45–63; WALLMANN, 1961; P ANNENBERG, 1977, 230–244, J. B AUR , 1962, 95–101; SCHRÖDER, 1983, 26–61; SPARN, 1976, 23–35; DERS., 1992, 71–78/82; NÜSSEL, 2000, 300–312. Vgl. auch SCHMIDT-B IGGEMANN, 1983, 1–139. – Texte (Auswahl): R ATSCHOW I, 1964, 27–57. 47 Abfolge und Einteilung der Loci bleiben gegenüber der Erstfassung unverändert. 48 Voran gehen unveränderte Tübinger Nachdrucke der 3. Auflage: 1605 [VD17 23: 324923X], 1606 [VD17 39:145604G]). 49 Abgesehen von den bedeutungslosen Differenzen in Marginal-Anmerkungen (vgl. etwa 4: 296f. 298. 357. 367. 403ff mit 3: 349f. 351. 303. 311. 341ff) sowie der abweichenden Liste der Schriftbelege 4: 298 // 3: 351 (u. Anm. 92); ferner ist die Ketzerliste 3: 411. 421f in 4: 348–350. 359 erweitert. – Auffällig ist eine nach Hafenreffers Tod (1619) 1622 – mitten im voll entbrannten kenotischen Streit – in Stuttgart (Typis Johannis Wyrichii Rößlini) verlegte Ausgabe, die einen Nachdruck des Textes der überholten, von Hafenreffer selbst verabschiedeten Erstfassung 1600 bietet – ein innerwürttembergischer editorischer ‚Einspruch‘ gegen die aktuelle, von Thumm und Osiander noch einmal fortentwickelte Tübinger Christologie? 50 1603, 297–427 (= 131 S. gegenüber 55 S. in der formatidentischen ersten Auflage; vgl. o. D.I.2.1 [Anm. 22]). Entsprechend die 4. Aufl.: 1609, 254–364. 51 Loci 1603, 336–399 (=1609, 286–336). NÜSSEL (2000, 213–220) legt, aufgrund der Verwirrung der Ausgaben (Anm. 20) unthematisiert, nur diese Neubearbeitung von 1603 zugrunde; deren Status als Revision der Erstfassung kann so nicht in den Blick kommen.
I. Die Revision der konkordistischen Idiomenkommunikation
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3. Matthias Hafenreffer 1603 3.1 Hafenreffers Neubearbeitung kritisiert die konkordistischen Festlegungen zur Idiomenkommunikation nicht offen. Aber was hier als Erläuterung dieser – breit dokumentierten52 – symbolischen Vorgabe vorgetragen wird, stellt in der Sache eine Modifikation dar. Näherhin gelten diese faktischen Korrekturen der Disposition des Lehrstücks – ordo, methodus, dispositio (349, vgl. 346. 347) lauten hier die einschlägigen Stichworte – und, in unmittelbarem Zusammenhang damit, der Anzahl (numerare) der Genera der Idiomenkommunikation. Diese Frage nach der Darstellung der theologischen Inhalte – hier auf der Ebene eines einzelnen Locus – fügt sich ein in den zeitgleich, seit der Wende zum 17. Jh. neu intensivierten Diskurs über den Begriff der Theologie und die darin implizierten Konsequenzen für deren Methode und Disposition.53 In allerdings modifizierender Rezeption v.a. der von J. Zabarella erarbeiteten wissenschaftstheoretischen Klärungen setzt sich eine Bestimmung der Theologie als einer ‚praktischen‘ Wissenschaft (scientia practica) durch. Mit dieser Definition ist entschieden, daß die Darstellung des theologischen Stoffes in seiner Gesamtheit (ordo generalis) der analytischen Methode – genauer: dem analytischen Ordo zu folgen hat. Als erster Teil des theologischen ‚Systems‘ ist der dieser Wissenschaft eigentümliche – ‚praktische‘ – Zweck (finis) darzulegen; von hieraus geht der Blick dann (in der entwickelten Form) auf den ‚Gegenstand‘ (subjectum [sc. operationis]) dieses Tuns, um schließlich im dritten Teil nach den (‚Prinzipien‘ und) ‚Mitteln‘ (media) zu fragen, mittels derer das eingangs deklarierte Ziel theologischer Praxis erreicht wird. 54 Diese aus einem einheitlichen Gesichtspunkt entwickelte Trichotomie ersetzt die ältere, maßgeblich von Melanchthon geprägte Präsentation einer Folge von Loci, die den theologischen Stoff ‚heilsgeschichtlich‘ nach der series historica disponierte. – Weniger strikt ist die Zäsur hinsichtlich der parallelen Weiterentwicklungen des ordo particularis, des „Vorgehen[s] einer Wissenschaft im Blick auf einen einzelnen ihrer Gegenstände“.55 Hier kommt es zu einer konsequenten Ausarbeitung des schon älteren Kausalschemas, das – so die ausgereifte Form56 – nach der einleitenden ‚Onomatologie‘ (Klärung der aktuellen Verwendung des Ausdrucks in der Sequenz von ετυμολογια, συνωνυμια und ομονυμια) in der auf die ‚Sache selbst‘ bezogenen ‚Pragmatologie‘ den theologischen Sachverhalt nach dessen konstituierenden (4 aristotelischen) ‚Gründen‘ (causae; αιτιαι) entwickelt, – scire sit rem per causas cognoscere.57 Diese ‚neue‘ Partikularmethode wird zur vorherr52 Hafenreffer zitiert (340–346) als ‚Fundament‘ des Themas den Passus FC SD VIII 36–51 (lat. Text): „Concordiae Formula totum hoc negotium tribus praecipue capitibus, seu Regulis comprehendit; hisce verbis rem omnem fundamentaliter explanans ...“ (340). 53 Vgl. neben der Anm. 46 genannten Literatur: SPARN, 1992, 72–82; APPOLD, 1998, 16–29; STEGMANN, 2006, 161–177; NIEDEN, 2006, 186–198. 54 Vgl., am Beispiel des Entwurfs von J.F. König: STEGMANN, 2006, 187–197. – Zum ‚Praxis‘-Begriff: SPARN, 1992, 72–82; DERS., 1976, 30–35. 55 SCHRÖDER, 1983, 39 (Hervorhebung U.W.). 56 Zum „Endstadium“ des ausgearbeiteten Schemas bei J. Gerhard vgl. die Notiz bei SCHRÖDER, 1983, 39 Anm. 144. Für J.F. König: STEGMANN, 2006, 198–201, bes. 200. 57 „Ab ονοματολογια transitum facimus ad πραγματολογιαν , quae ab expositione causarum merito sumit initium, cum scire sit rem per causas cognoscere“ (J. GERHARD, Ex. Loc. I [De Scriptura sacra], 1625; cap. II, § 11; ed. PREUSS tom.1, 16a). Im Hintergrund
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schenden Form, ohne allerdings die im 16. Jh. dominierenden älteren Verfahrensweisen58 völlig zu verdrängen.59
Es ist diese Wendung zur ‚Sache selbst‘, wie sie mit der Neuaufnahme ontologischer Fragestellungen im Zusammenhang der ‚Wiederkehr der Metaphysik‘ die theologische Arbeit am Beginn des 17. Jh.s überhaupt kennzeichnet, die nun auch Hafenreffer leitet, wenn er die für den neuen ordo particularis zentrale Frage nach den kausalen Relationen für die Darstellung (ordo) und Anordnung (dispositio) der Genera der Idiomenkommunikation zur Geltung zu bringen sucht. Hinsichtlich der Abfolge der Genera hatte, wie notiert, schon die 1. Auflage die Sequenz der Konkordie variiert und die dort an dritter Stelle behandelte communicatio Majestatis vor das apotelesmatische Genus gezogen, ohne allerdings diese Umstellung zu begründen. Die Neubearbeitung schließt diese Lücke insofern, als sie die konkordistische Anordnung als Resultat der pädagogisch-apologetischen Ausrichtung des Symbols erklärt; die zwischen den Konfessionen zentral strittige communicatio Majestatis werde hier zum Zwecke eingehender und pointierter Darlegung an letzter Stelle behandelt.60 Dieser pragmatischen Gesichtspunkten61 verpflichteten Disposition gegenüber zielt Hafenreffer auf eine systematische Konstruktion, die eine am Sachgeschehen selbst ausgerichtete Disposition (naturalis communicationis ordo; 349) entwickelt. Solcher ordo naturalis aber erfordert die Vorordnung der communicatio Majestatis (3. FC-Genus) vor die gemeinschaftliche apotelesmatische Tätigkeit der Naturen (2. FC-Genus),62 die jene Partizipation ja schon voraussetzen muß – ohne die Majestätsteilhabe entbehrt die behauptete Mitwirkung der menschlichen Natur am göttlichen Tun ihres sachlichen Grundes (propter).63 stehen die aristotelischen Bestimmungen (STEGMANN, 2006, 171 Anm. 197.198). Zu Gerhards Bestimmungen von Begriff und Methode der Theologie vgl. sein – erst die Neubearbeitung von 1625 eröffnendes – Prooemium de Natura Theologiae (ed. PREUSS tom.1, 1–8); dazu: W ALLMANN, 1961, 30ff. 58 Katechetisches Frage-Antwort-Schema; methodi quaestiones; methodus dialectica; vgl. STEGMANN, 2006, 165. 171. 59 R. SCHRÖDERs Notiz: „Die methodus particularis ... wurde nur immer weiter verfeinert“ (1983, 39 Anm. 144) dürfte jedoch die Kontinuität überbetonen; vgl. STEGMANN, 2006, 171. 60 „Concordiae Form[ul]a, Maiestatem Christi hominis, quae maxime controversa fuit, tertio loco, & copiosiori explicationi reseruauit ...“ (349). 61 „temporum, rerum atque personarum circumstantiae ...“ (349). 62 (In Fortsetzung des Anm. 60 Zitierten:) „quae [Maiestas Christi hominis] alioquin in naturali communicationis ordine praecesisset ...“ (349). 63 349. 350. – „... λογω humana, & assumpto Homini diuina [Idiomata] attribuuntur: & propter eandem κοινωνιαν vnaquaeque natura operatur cum communicatione alterius“ (337). Deutlicher hier L. HUTTERs etwas jüngere Libri Christianae Concordiae Explicatio: „Porro autem Quaeritur, Quo Ordine tria isthaec Communicationis genera sint numeranda? Et hactenus quidem in Scholis Theologorum maximam partem obtinuit haec series, ut nimirum ιδιοποιια appropriatio, ad primum: κοινοποιια sive Communicatio officii ad secundum: μεταποιια denique sive υπερυψωσις της σαρκος Exaltatio Carnis, ad tertium genus referretur. Quam eandem seriem Liber etiam Concordiae per omnia tenet. Sed reperiuntur nonnulli Orthodoxi Theologi, qui a recepto isto ordine nonnihil hodie
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3.2 Diese erste Abänderung ist unproblematisch und setzt sich in der Folgezeit im Bereich lutherischer Christologie weithin durch.64 Auch spielt Hafenreffer die Frage der Disposition herunter – parum refert; die Methode verdient keinen Streit, bleibt nur die Wahrheit der Sache selbst unangetastet.65 Doch ist die alternative Option des ordo naturalis, der Hafenreffer selbst dann folgt,66 darin ‚brisant‘, daß die hier wirksame Ausrichtung auf das Sachgeschehen der Idiomenkommunikation ein Kriterium für die Organisation des Lehrstücks zur Geltung bringt, das jetzt auch an einer zweiten Stelle zur Korrektur der konkordistischen Festlegungen drängt. 3.2.1 Diese tiefergehende Neuorientierung deutet sich an in Hafenreffers Bestimmung der Anzahl der Genera (Modi) der Kommunikation und der korrespondierenden Muster christologischer Aussagen. Die FC ordne dieses vielfältige, ohne sorgsame Unterscheidung leicht verwirrende67 Marecedentes, Tertium genus Secundo: & Secundum tertio loco numerant: & quidem si vera fateri liceat, accuratiore Methodo. Nam negari non potest, Communicationem officii, necessario tanquam causam suo effectu praesupponere Communicationem Maiestatis, factam assumtae humanitati: ac proinde hanc quoque, tanquam Causam suo Effectu, Ordine Naturae, modis omnibus priorem esse. Nunquam enim Humana Christi natura, ad perficienda divina illa Redemtionis αποτελεσματα ενεργητικως concurrere potuisset: nisi actu ipso iam habuisset communicatam“ (1608, 802). 64 Vgl., bündig am Ende der orthodoxen Epoche, D. HOLLAZ: „Ordo locandi genera, seu classes communicationis Idiomatum a nonnullis Theologis invertitur; qvippe qvi distingvunt inter ordinem doctrinae & naturae, atque ob difficultatem & prolixitatem majorem μεταποιιαν τη κοινοποιια postponunt. At cum ordo accomodandus sit rebus, non res ordini, nos salvo aliorum judicio prius agendum censemus de αυχημασι H[umanae] N[aturae] Christi communicatis, quam de αποτελεσμασι , propterea quod communicatio officii necessario tamquam causam pri|orem suo effectu praesupponit communicationem majestatis factam assumptae carni ...“ (D. HOLLAZ, Examen, 1707 (ND 1971), p. III, s. II, c. III, Q. 38 Obs.; II, 173|f). Vgl. auch, exemplarisch für diesen Anfang des 17. Jh.s einsetzenden Wechsel, die beiden Entwürfe J. Gerhards (SCHRÖDER, 1983, 45.104f): Während die Loci von 1610 das genus maiestaticum mit der FC an 3. Stelle erörtern (Lc. V., §§ 83ff; COTTA I, 349ff), rückt es die Exegesis 1625 an die 2. Stelle (Ex. Lc. IV., § 201; COTTA III 489 / PREUSS, tom.1, 544). – Die ältere Anordnung der FC findet jedoch bis in die späte Orthodoxie Aufnahme: A. CALOV, Systema VII, 1677, Art. III, c. IV; 290–300, bes. 291.294.298; bei auch hier grundsätzlicher Präferenz des ordo naturae: „Aliis autem ordo naturae probatur, qui & nobis placet. Nam apotelesmatum communicatio praesupponit communicationem Maiestatis: quae etiam facta est intuitu officii CHRISTI“ (291). 65 „Ad ordinem ... quod attinet, parum refert, quo quisque ordine seu Methodo quoduis argumentum seu quaestionem tractet; modo veritati vis non inferatur ...“ (349). 66 Daß diese Neuorientierung nicht unumstritten sein könnte und also die methodische Frage nicht so harmlos, wie versichert (Anm. 65), deutet Hafenreffer selbst an, wenn er für die Abweichung von der Konkordie ausdrücklich wirbt: „Quae Methodi ratio, neminem (spero) pium & candidem Lectorem est perturbatura ...“ (350). 67 „plurium refert, vt haec doctrina de communicatione Idiomatum, conuenienti discrimine & distincte tractetur & explicetur. Propositiones enim & praedicationes, quibus vtimur, cum de Persona Christi, eiusdemque Naturis ac proprietatibus loquimur, non omnes
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terial der biblischen resp. dogmatischen Sätze in drei Klassen. Hafenreffer protokolliert diese konkordistische Systematik ausführlich (340–346), setzt dann aber noch einmal ursprünglicher beim sachlichen Zentrum des Christuszeugnisses der Schrift selbst an: Wird die Idiomenkommunikation als ‚Nachzeichnung‘ von Konstitution und Vollzug der unio personalis als des Inbegriffs dieser biblisch bezeugten Geschichte Christi entfaltet, führt dies auf eine Abfolge – ordo! – von vier Momenten,68 denen weiter je ein spezifisches genus communicationis entspricht:69 (1.) In der Inkarnation nimmt der Sohn Gottes eine menschliche Natur in die Einheit seiner Hypostase auf und ‚macht sie sich zu eigen‘ (appropriare). Damit nimmt er zugleich alle Eigenschaften und Schwachheiten der menschlichen Natur an (347). (2.) In demselben Akt der Inkarnation teilt der Sohn Gottes der angenommenen Menschheit im Gegenzug mit seiner Hypostase die ganze göttliche Majestät mit (347.348). (3.) Die inkarnatorische Bewegung konstituiert die eine Person Christi, der als hypostatische Übereinkunft von Gott und Mensch kraft wechselseitiger Kommunikation existiert: Christus constitutus est, qui verus DEVS & verus Homo, in vna Persona existit: mutua facta Proprietatum communicatione (347). – Aufgrund dieser wechselseitigen Mitteilung prädiziert die Schrift von dieser Person als ganzer, nicht nur von je einer der vereinigten Naturen göttliche und menschliche Proprietäten (347.348). (4.) Dem ‚ganzen Christus‘ obliegt das gottmenschliche Erlösungswerk, dessen Durchführung notwendig die wechselseitige Mitteilung der Tätigkeiten der Naturen erfordert (vtriusque naturae operationum mutua communicatio) (347.348).
vnius sunt generis aut modi. Et si quando, non satis dextre & distincte hoc negotium tractatur, tum & doctrina hac inuoluitur, & lector simplex facile perturbatur“ (339). 68 „Si totum incarnationis, & redemptionis nostrae negotium, vti in Sacris Literis nobis propositum est, animis nostris contemplamur, haec ordine deprehendimus. | [1.] Primum, DEVS de salute nostra clementer & paterne ab aeterno deliberans, in temporis plenitudine, Filium suum in mundum misit, factum ex muliere; atque sic Verbum caro factum, & Filius DEI Incarnatus est, in Hypostaseως suae vnionem assumendo, & appropriando sibi verum Hominem. [2.] Hic ipse Filius Dei, assumptum ex Maria virgine, & in Personae vnitatem vnitum hominem, in suae diuinae maiestatis & celsitudinis Thronum Proprium euexit: atque sic humana Christi naturam per vnionem hypostaticam ad diuinam maiestatem & gloriam est exaltata. [3.] Per Incarnationem itaque Filii DEI, assumendo hominem in DEVM , Christus constitutus est, qui verus DEVS & verus Homo, in vna Persona existit: mutua facta Proprietatum communicatione. [4.] Denique hic Christus, totus, & secundum utramque naturam, nostrae Redemptionis opus, cuius gratiam in hunc mundum venerat, absoluit ...“ (346|f). 69 (In Fortsetzung des Zitats Anm. 68:) „Ex hisce, & genera & ordo Communicationis Idiomatum eleganter efflorescunt. [1.] Nam Λογος & Filius DEI in Personae suae vnitatem hominem assumendo, omnes eiusdem infirmitates & Proprietates assumpsit. | [2.] Idem, suam ipsius propriam Hypostasin, assumpto homini Communicando; seipsum illi & omnem diuinam suam maiestatem communicauit. [3.] Hac mutua naturarum, earundemque Proprietatum facta Communicatione, scriptura non tantum de naturis ipsis; sed de Christo, qui vtraque natura est, easdem enunciat. [4.] Quia denique Redemptionis opus ita comparatum fuit, vt neque D EVS solus, neque homo solus id efficere valeret ... ad illud efficiendum, vtriusque naturae operationum mutua communicatio concurrit“ (347|f).
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3.2.2 Den in dieser Reihe verknüpften Momenten eignet eine gewisse Inhomogenität. Neben drei Vollzügen realer Partizipation (1.,2.,4.)70 steht an dritter Stelle ein nur sprachlogisches Phänomen (3.), das keinen weiteren Vollzug realer Mitteilung, sondern nur eine in den vorausliegenden Realvollzügen (1., 2.) begründete Prädikationsweise benennt.71 Dieses gemessen am Kriterium des ordo naturalis sperrige Element reserviert jenen Sätzen einen Ort, die die Konkordie als 1.genus der Idiomenkommunikation zusammenfaßt. Damit wird einer Konziliation der methodisch alternativen Entwürfe, der nach dem ordo naturalis entwickelten Vierer-Disposition und der konkordistischen Trichotomie, der Weg geebnet. Diesen Ausgleich verlangt v.a. das von Hafenreffer an erster Stelle rubrizierte Genus einer ‚Annahme‘ oder ‚Aneignung‘ menschlicher Eigenschaften durch den Sohn Gottes, das kein formelles Pendant im System der Konkordie besitzt. Nicht mehr zur Disposition stehen für Hafenreffer Recht und Notwendigkeit einer Differenzierung von vier sachlich distinkten Genera, wie sie zwingend und zugleich ‚elegant‘72 aus der Orientierung am ordo naturalis der christologischen Einigung selbst folgt. So sind die Vorschläge derjenigen Zeitgenossen nicht zu beanstanden, die, bestimmt durch den Willen zu akademischer Präzision, nun auch formell vier separierte Genera lehren.73 – 70
„[1.] λογος ... [hominis] infirmitates & Proprietates assumpsit ... [2.] seipsum illi omnem diuinam suam maiestatem communicauit“; |„[4.] ad illud [Redemptionis opus] efficiendum vtriusque naturae operationum mutua communicatio concurrit ...“ (347|f). 71 „Hac mutua naturarum earundemque Proprietatum facta Communicatione [(1.); (2.)], Scriptura non tantum de naturis ipsis, sed de Christo, qui vtraque natura est, easdem enunciat ...“ (348). 72 „Ex hisce, & genera & ordo Communicationis Idiomatum eleganter efflorescunt“ (347, vgl. Anm. 69). – Das ‚eleganter‘ hat hier keine große Emphase, signalisiert aber beiläufig, was sich nicht viel später deutlicher aussprechen wird: Mit der ‚ontologischen Wende‘, der Rekonstruktion der ‚Sache selbst‘, wie sie die eine nur pragmatische Ordnung des biblischen Materials verabschiedende Frage nach dem ordo naturalis intendiert, gewinnt die begriffliche Rekonstruktion des Schriftzeugnisses eine Transparenz, Kohärenz und Folgerichtigkeit – geradezu: intellektuelle ‚Schönheit‘ (D.IV.3.2), die deren Protagonisten beeindruckt, ja ‚fasziniert‘ hat. Ihre Vertreter verstehen dies rein rezeptiv – als ‚fromme Betrachtung‘ der im Schriftzeugnis präsentierten Heilsgeschichte (redemptionis negotium, vti in Sacris Literis nobis propositum est, animis nostris pie contemplamur; 346), die gleichsam nur entdecke (deprehendimus, 346), was aus der biblischen Vorgabe selbst ‚hervorblüht‘ (efflorescere; 347); der ‚produktive‘ Anteil dieser Schriftauslegung – und dessen mögliche Problematik – kommt nicht vor Augen. – In der Fluchtlinie dieser Entwicklung steht dann die methodische Option der späteren Tübinger: ‚solius Personae Consideratio‘ (o. C.III.1). – Vgl. weiter u. D.V.2(.1–3). 73 „Omnia distincte numerando, in Scholis maxime docentibus, quatuor genera seu modos Praedicationum efflorescere. Quam ob causam reprehendi non possunt, qui singulos modos euoluentes, singulos illos, in singulas Praedicationum Classes digerunt numerantque“ (348f). Der Marginaltext nennt als Beispiele solch weitergehender Abweichungen nur zwei Disputationen von Hafenreffers Fakultätskollegen St. Gerlach aus den Jah-
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Hafenreffer selbst will an dem tradierten Muster der konkordistischen Trichotomie festhalten, ohne jedoch den Ertrag seiner auf 4 Genera führenden Sachanalyse zurückzunehmen. Wie ist beides zu verknüpfen? Die ‚Lösung‘ dieser Aufgabe gewinnt Hafenreffer aus einer mit verblüffender Umstandslosigkeit vorgetragenen Behauptung. In dem formell einheitlichen ersten Genus der FC74 seien sachlich zwei thematisch differenzierte Elemente (membra) komponiert – dieses Genus kontrahiere näher besehen zwei distinkte Klassen christologischer Sätze:75 es behandle zunächst die Prädikation der Eigenschaften jeweils einer Natur von der ganzen Person Christi (das ordine naturali 3. genus); dieser Grundlegung füge dann eine ‚Erläuterung‘ (diexodus)76 die Aneignung der menschlichen Idiome durch den Logos hinzu (ordine naturali 1. genus). Abgesehen von der bereits notierten Umstellung von communicatio Majestatis (FC: 3., ordine naturali 2. Genus) und communicatio operationum (FC: 2., ordine naturali: 4. genus) reduziert sich so für Hafenreffer die Differenz auf einen inhaltlich irrelevanten Umstand: Die in der Sache ebenfalls vier genera differenzierende FC stelle die ordine naturali an 3. Stelle verortete Prädikation von der ganzen Person dem sensu stricto 1. genus (Appropriation) und damit den 3 genera communicationis idiomatum i.e.S. voran.77 3.2.3 In konsequenter Applikation dieser Analyse bietet Hafenreffers systematische Durchführung des Lehrstücks eine nach dem Selbstverständnis ihres Autors der FC sachlich exakt entsprechende, lediglich deren dispositionelle Unschärfen aufklärende Fassung. Der Tübinger separiert die zwei vorgeblich kontrahierten Teilstücke des 1. genus der FC, läßt aber deren erstes ohne eigene Zählung und beginnt die Reihe der 3 Genera i.e.S. ren 1596 bzw. 1602. – Wie Hafenreffer und wohl unter seinem Einfluß auch L. H UTTER: „Quatuor istis distinctis propositionibus accurate expensis, manifestum evadit, haud sine causa quosdam Orthodoxos Theologos eo inclinare, ut statuant, Quatuor etiam distincta Communicationis Idiomatum genera dari posse ac debere“ (Libri Christianae Concordiae Explicatio, 1608, 800f, hier: 801). Vgl. zu Hutter auch u. D.II.3.3. 74 FC SD VIII 36–45, zitiert 340–344. 75 „Prima [regula Concordiae Formulae] ... cum adiuncta diexodo bimembris est (Ibi namque, & de Proprietatibus vtriusque Naturae agitur, quae Christo: & de Proprietatibus humanis, quae Filio DEI attribuntur)“ (348); „primam illam Regulam duorum esse membrorum. Quorum prius totam Christi Personam[,] posterius alteram naturam considerat“ (350). – Vgl. wieder HUTTER (in Fortsetzung des Anm. 73 Zitierten): „Caeterum cum Liber Christianae Concordiae duas priores | propositiones, uno, nempe primo Communicationis Genere comprehendat: uti mox ostendemus: certe a recepta illa τριχοτομια ut recedamus, religio nobis est“ (Libri Christianae Concordiae Explicatio, 1608, 801|f). 76 348; vgl. das Zitat in Anm. 75. 77 „Primum Communicationis genus est, quo assumptae humanae naturae propria, de assumente Λογω seu Filio Dei enunciantur. Sed huic generi, & caeteris omnibus in Concordiae Formula, illud Praedicationum genus praemittitur, quo de tota Persona Christi, vtriusque naturae propria, secundum alterutrius ... Proprietatem enunciantur“ (350).
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erst mit dem zweiten ‚membrum‘, der Appropriation menschlicher Eigentümlichkeiten durch den Gottessohn. – Der endgültige Aufriß des Lehrstücks in der 3. Auflage der Loci weist so folgende Gestalt auf: Prämisse: praedicatio propriorum vtriusque naturae de tota persona (εκατερωσις; συναμ− 78 φοτερισμος,); 1. genus: Appropriation der Idiome menschlicher Natur durch den Sohn Gottes ( ιδιοποιησις; οικειωσις);79 2. genus: communicatio proprietatum diuinitatis (μετα− 80 81 δοσις, υπερυψωσις); 3. genus: communicatio operationum ( ενεργειων κοινωνια).
Im Vergleich zur Erstfassung von 1600 erfahren die Darlegungen zur communicatio Majestatis (2. genus) und communicatio operationum (3. genus) zwar Ausweitungen, aber keine sachlichen Korrekturen. Anders die praedicatio de tota persona (3.2.3.2) und das idiopoietische Genus (3.2.3.1). 3.2.3.1 Das idiopoietische (1.) Genus (357–366) unterscheidet Hafenreffer nun strikt von der (konkordistischen) praedicatio de tota persona. Subjekt der hier rubrizierten Sätze ist präzise der ‚Sohn Gottes‘ (Filius Dei) oder die ‚eine Natur‘ im Unterschied zur beide Naturen umfassenden ‚ganzen Person‘.82 In der ersten Auflage wurden hingegen ‚Filius Dei‘ und ‚tota persona‘ identifiziert, wurden so im Resultat die idiopoietischen Aussagen als Teilklasse in den Rahmen des konkordistischen 1. genus de tota persona zurückgestuft. 83 Diese Passagen korrigiert Hafenreffer 1603 stillschweigend.84 – Keinen Fortschritt bringt der Gewinn an dispositioneller Klarheit für die theopaschitische Frage. Hier besteht eine uneingeschränkte Kontinuität der Entwürfe: die unveränderliche göttliche Natur ist ‚in se‘ nicht von Leid und Tod betroffen; nur „im Fleisch“ hat der Gottessohn gelitten. 85
78 349. 350. 351–356; die griechischen Termini bietet hier, anders als im Fall der drei folgenden Realgenera, erst die 4. Auflage von 1609 (dort 297. 298). 79 349. 357–366. 80 349. 367–389; der Terminus υπερυψωσις erst in der 4. Auflage (dort 311 i.m.). 81 349f. 389–399; in der 4. Auflage (297 i.m.) auch: κοινωνια των ενεργηματων . 82 „Quorum [membrorum] prius totam Christi Personam, posterius alteram naturam [sc. divinam] considerat“; „primum Communicationis genus est, quo assumptae humanae naturae propria, de assumente λογω seu Filio Dei enunciantur“ (357). Entsprechend neu konzipiert ist die Liste der Schriftbelege: Ac 20,28; Gal 2,20; Joh 1,14; Röm 8,32; Gal 4,4; 1Tim 3,16; 1Joh 1,1f; Lk 1,2; 1Joh 3,8 (357f). Die 1600 noch zur communicatio propriorum carnis gezählten Aussagen über ‚Christus‘ (tota persona) in Röm 9,5; 1Petr 3,18; 4,1 (1600, 132) belegen nun konsequent die praedicatio de tota persona (352). 83 Vgl. o. D.I.2.2. – Vgl. bes. die entscheidende Festlegung der 1. Auflage: „Filio Dei, seu personae Christi, quae DEVS & homo est“ (1600, 131) mit der in der vorstehenden Anmerkung zitierten neuen Bestimmung (357): „de assumente λογω seu Filio Dei“. 84 „Quia tamen hanc [humanam naturam] Filius Dei in SVAE vnitatem sibi associauit & APPROPRIAVIT: vt non sit alius Filius Dei, & alius filius hominis: sed Deus & homo in vna persona; propterea TOTI personae (quae vnica & simul verus Deus & homo est) recte tribuitur, quod alterutrius naturae proprium est“ (1600, 132f). Das hier Kursivierte lautet 1603: „propterea Filio DEI quoque vere & realiter attribuuntur, quae assumptae naturae humanae Propria sunt“ (358; entsprechende Korrekturen der Vorlage [1600, 134] bietet 369). – Vgl. auch die neue Abgrenzung zur zwinglischen Alloiosis (361–365). 85 359f; in Ausweitung der Festlegungen 1600, 133. – In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Idiopoiesis des 1. genus vom metapoietischen 2. genus, das der Menschheit
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3.2.3.2 Die 1603 als ‚Prämisse‘86 ohne eigene Zählung vorangestellte praedicatio de tota persona versteht Hafenreffer mit der FC als Aussagemodus, „quo de Tota Persona Christi, alterutrius Naturae Idiomata enunciantur“.87 Gleichfalls übernommen wird der antieutychianische Rekurs auf die particulae distinctiuae; sie indizieren, „nach“ jeweils welcher der beiden Naturen das Prädikat der ‚ganzen‘ Person zukommt.88 In Spannung zu dieser Rezeption des Symbols stehen andere Aussagen. Bereits Hafenreffers einleitende Sichtung der Genera hatte die praedicatio de tota persona als eine Sprachregelung bestimmt, die auf der wechselseitigen – sc. idiopoietischen resp. metapoietischen – Mitteilung zwischen den Naturen aufruht und durch diese reale Partizipation erst legitimiert wird.89 Impliziert dies aber nicht die Annahme einer Attribution an beide Naturen – allein so kann mit Recht die Rede sein von einer Betroffenheit des ganzen „Christus“, der doch nichts anderes ist als „beide Naturen“?90 Jedenfalls an einer Stelle hat Hafenreffer dieses Postulat berührt, wenn er die konkordistischen Festlegungen genau um die Behauptung einer – modal differenzierten – Betroffenheit beider Naturen ‚ergänzt‘: „Quia in Christo duae distinctae naturae sunt, vtriusque vero vna tantum composita Hypostasis, de qua vtrumque constituentium, & DEVS & Homo vere praedicatur: eam ob causam vtriusque etiam naturae Idiomata de eadem Hypostasi enunciantur: & ea, quae selbst die Teilhabe an den göttlichen Proprietäten zuschreibt. Die einschlägigen Bestimmungen der Erstfassung werden 1603 wiederholt (369f = 1600, 134–136 [vgl. D.I.2.2]). Die 1600 noch nötige Klärung des Verhältnisses der communicatio propriorum carnis (1. genus) zum apotelesmatischen 3. genus (1600, 151f) entfällt dagegen 1603 – der Unterschied der Genera ist mit der Differenz der Subjekte (Filius Dei / altera natura; tota persona) nunmehr eindeutig festgestellt. 86 „Primum Communicationis genus est, quo assumptae humanae naturae propria, de assumente Λογω seu Filio Dei enunciantur. Sed huic generi, & caeteris omnibus in Concordiae Formula, illud Praedicationum genus praemittitur, quo de tota Persona Christi, vtriusque naturae propria, secundum alterutrius (naturae) Proprietatum ennunciantur“ (1603, 350; entsprechend 349). – F. NÜSSEL deutet, mit Bezug auf diese Festlegung, das hier ‚vorausgeschickte‘ Genus Praedicationum als sachliche „Voraussetzung“ des idiopoietischen 1. Genus (2000, 218 bei u. mit Anm. 180; 220). Doch benennt das ‚praemittitur‘ (nicht: praesupponitur o.ä.) nur die dispositionelle Voranstellung dieser Regel, die als Genus Praedicationum terminologisch stets von der erst mit der Idiopoiesis eröffneten Reihe der genera communicationis unterschieden wird. Das sachliche Verhältnis des Sprachmusters ‚de tota persona‘ zu den ordine naturali von der Kommunikation zwischen den Naturen her entwickelten Realgenera bleibt, wie gleich zu zeigen, bei Hafenreffer gerade problematisch un(ter)bestimmt. 87 349; vgl. 350; vgl. FC SD VIII 36 (BSLK 1028,14–23/24). 88 352f; vgl. FC SD VIII 37 (BSLK 1028,25–35). 89 Vgl. o. Anm. 69. 90 „Hac mutua naturarum, earundemque Proprietatum facta Communicatione scriptura non tantum de naturis ipsis; sed de Christo, qui vtraque natura est, easdem enunciat“ (348).
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vnius Naturae propria sunt, Toti Personae, quae simul Deus & Homo est, attribuuntur,91 alterius quidem naturae respectu per Communicationem Idiomatum, alterius per Naturae Proprietatem“ (351).
Die entscheidende Schlußwendung erfährt keine Erläuterung. Stellt die dort notierte Attribution an die je essentiell fremde Natur nur eine sprachliche Operation dar, durch die Identität der Hypostase zwar gerechtfertigt, aber auch nur das Faktum dieser hypostatischen Übereinkunft abbildend – oder ist eine Betroffenheit im Sinne und als Folge realer Kommunikation zwischen den Naturen gemeint? Der Sinn der für die Klärung dieser Frage zentralen Bestimmung ‚per Communicationem Idiomatum‘ bleibt in der Schwebe. Einmal: Hafenreffer exemplifiziert die Prädikation göttlicher Idiome von „Christus“ an den biblischen Sätzen Joh 8,56; 1Kor 10,9 und Eph 3,9 (351), die sämtlich vorinkarnatorische ‚Ereignisse‘ und Bestimmtheiten benennen.92 Kann die erst später geschaffene natura humana selbst Subjekt dieser Prädikate sein, in einer Weise, die über die hypostatische Verbundenheit mit der ewig präexistierenden Person und Gottheit des Logos hinausgeht? Weiter: Der Anklage auf Eutychianismus begegnet Hafenreffer nicht mit modalen Differenzierungen (per Naturae proprietatem / Communicationem Idiomatum), sondern teils mit dem Rekurs auf die distinktiven Partikel (352f), teils mit der Entwicklung hermeneutischer Regeln, die lediglich zur Bestimmung der essentiellen Begründung des jeweiligen Prädikats anleiten (353–355). Schließlich: Im Verein mit der Begründung der ‚praedicatio de tota persona‘ auf die idiopoietische und metapoietische Realkommunikation implizierte die modal differenzierte Attribution an beide Naturen folgende Annahme: Die praedicatio de tota persona spiegelt keinen eigenen Vollzug von Mitteilung neben Idiopoiesis und Metapoiesis, sie bildet vielmehr genau die Synopse jener symmetrischen Kommunikation zwischen den Naturen. Die Prädikationen de tota persona wären ‚nur‘ perspektivisch variierte Reformulierungen der Sätze des ersten oder zweiten Genus; in der Sache können und müssen sie auf genau je einen Satz entweder der Idiopoiesis oder der Metapoiesis re-duziert werden. – Doch eben diese in der Konsequenz seines Ansatzes liegende rekursive Verschränkung der praedicatio de tota persona nimmt Hafenreffer nicht vor. 91 Bis hierhin folgt Hafenreffer der Konkordie (SD VIII 36 [BSLK 1028,10–24]); das Folgende geht über die FC hinaus und muß als ‚Ergänzung‘ zur dort (SD VIII 37 [BSLK 1028,25–35]) geforderten und an anderer Stelle auch von Hafenreffer (352f; vgl. o. bei Anm. 88) eingeschärften Distinktion der essentiellen Zusammenhänge gelesen werden. 92 Vgl., im Blick auf dieselben Exempel: „ea tempora respiciunt, quae Incarnationis dispensationem sunt antegressa ...“ (354). – Interessanterweise ersetzt die sonst im Text identische 4. Auflage von 1609 diese frag-würdigen Belege durch die metapoietisch ‚sachhaltig‘ abgesicherten Texte Mt 28,20; [1Kor 8,6;] 2Kor 13,5; Kol 3,11 (1609, 298); ohne Änderung aber die Parallele zu 1603, 354 in 1609, 300.
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Allenfalls in diese Richtung weisende Ansätze sind zu entdecken. So zählt Hafenreffer zu den von Christus ausgesagten menschlichen Prädikate nicht nur Wesenseigentümlichkeiten dieser Natur i.e.S. (Hominis propria; 355), sondern auch die der Menschheit mitgeteilten Majestätsattribute samt den korrespondierenden Bestimmtheiten durch die Erniedrigung, insoweit letztere ja die Rücknahme des Gebrauchs dieser Majestät meint.93 Bei den Prädikaten der zweiten Klasse schwindet so die sachliche Differenz der praedicatio de tota persona zum metapoietischen 2. genus: „Et sic explicata huius generis [sc. praedicationis de tota persona] Testimonia maiestatem quoque Christi Hominis confirmant, de qua in secundo Communicationis genere tractatur“ (355). In diesem Fall ist die eine Attribution menschlicher Prädikate an die ‚ganze‘ Person erlaubende ‚communicatio‘ genau die metapoietische Mitteilung an die menschliche Natur.94 Mit dieser ‚Synopse‘ der formal distinkten Genera ratifiziert Hafenreffer faktisch die postulierte Konsequenz einer Begründung der Sätze de tota persona in je einem Genus der Realkommunikation. Eine Verschränkung der praedicatio de tota persona mit dem idiopoietischen Genus – auch nur in dieser problematischen Form – dagegen fehlt und muß fehlen, weil die Idiopoiesis erklärtermaßen kein die göttliche Natur ‚in se‘ betreffendes Geschehen aussagt,95 mithin keine ‚per Communicationem Idiomatum‘ gegebene Betroffenheit der göttlichen Natur durch das von der ‚ganzen‘ Person prädizierte menschliche Idiom begründen kann. Unter der Grenzziehung des Apathieaxioms läuft das Gefälle hier umgekehrt: Trotz der dispositionellen Separierung muß die Idiopoiesis faktisch nach dem Muster der praedicatio de tota persona im konkordistischen Sinne begriffen werden; die formell überholte Position der 1. Auflage der Loci96 ist insoweit sachlich nicht revidiert.
4. Die Sachaporie des 1. FC-Genus Hafenreffers Versuch, die nach dem ordo naturalis entworfene Disposition mit der abweichenden Vorgabe der Konkordie auszugleichen, darf als originell gelten. Am Selbstverständnis des Symbols geht er vorbei: Die praedicatio de tota persona, die die FC als Kern ihres grundlegenden 1. Genus vorträgt, stuft Hafenreffers ‚Erläuterung‘ zurück zu einem noch unspezifischen Prolog (praemittitur) jener erst mit der Idiopoiesis anhebenden Folge der 3 Genera communicationis Idiomatum im strikten Sinn. Dennoch kann 93
„... homini ... communicata Maiestas, & Maiestati opposita Exinanitio“ (355). Eine analoge Doppelung der menschlichen Prädikate entwickelt Hafenreffer auch für die Idiopoiesis (1. genus). Vom Filius Dei werden nicht nur Wesenseigentümlichkeiten (Proprietates) der angenommenen Menschheit, sondern auch die dieser metapoietisch widerfahrende Majestätsteilhabe (acquisita gloria & Maiestatis) prädiziert (365; Ps 110,1; Joh 5,26f; Hebr 1,3.8f). Hier muß die Analyse eine ‚gedoppelte‘ Mitteilung („geminata ... & reciproca Communicandi ratione“; 365) annehmen: (1) metapoietische Mitteilung an die Menschheit (2. genus); (2) idiopoietische Attribuierung an den Filius Dei (1. genus). Damit werden die Aussagen, die vom Gottessohn Abhängigkeiten oder ein (erhöhendes) Empfangen aussagen, ‚entschärft‘; die idiopoietischen Sätze stellen sachlich metapoietische Aussagen dar. – Dieses Resultat entspricht den in anderem Zusammenhang notierten Versuchen, die Leidensteilhabe der Gottheit als ‚umschlagende Konsequenz‘ der communicatio Majestatis zu explizieren (vgl. o. C.IV.2.6.2). 95 Vgl. o. (D.I.) 3.2.3.1. – Vgl. auch Anm. 94. 96 Vgl. 1600, 131 (o. D.I.2.2). 94
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diese schwäbische Lesart nicht als reines Konstrukt abgetan werden. Die in Hafenreffers Unterscheidung zweier membra97 vorausgesetzte thematische Binnendifferenz eignet dem fraglichen Passus (FC SD VIII 36–45) tatsächlich, und dies in genau der Abfolge, die Hafenreffer beansprucht: Zunächst ist (§§ 36f) die Rede von der Zueignung der Eigenschaften beider Naturen an die ganze Person; der angeschlossene, weitgehend aus Luther-Zitaten kompilierte98 Abschnitt (§§ 38–45) konzentriert sich dann auf die Leidensteilhabe (des) Gottes(sohnes), also auf das Thema der von Hafenreffer als eigenständiges Genus communicationis separierten Idiopoiesis. 4.1 Ein Blick in die Textgeschichte des christologischen Artikels der FC ergibt, daß dem thematischen Wechsel eine literarische Zäsur korrespondiert. Der innerhalb des 1. Genus positionierte Passus zur Leidensteilhabe Gottes, den Hafenreffer verselbständigt, ist in seiner vorliegenden Gestalt (§§ 38–45) ein erst in der bergischen Endredaktion vorgenommener Einschub. Die Zielrichtung entspricht dem Sachinteresse, für das die schwäbische Idiopoiesis steht. Die Ambivalenz des als solches mit dem melanchthonischen Lehrtyp übereinkommenden99 und so auch von den Wittenberger Philippisten – den direkten Kontrahenten der Konkordienväter – bejahten100 1. Genus (§ 34f) soll beseitigt werden. Gegen „heimliche und öffentliche Sakramentierer“, die „wohl die ganze Person nennen, aber gleichwohl nur bloß die eine Natur darunter verstehen“ und so das Leiden Christi nur dessen Menschheit beilegen,101 stellen die bergischen Redaktoren im Rückgriff auf Luther klar: die ‚ganze Person‘ ist eine die Wesensdifferenz der Naturen übergreifende reale Vermittlung von Gott und Mensch, mit der Folge einer Teilhabe des Gottessohns am menschlichen Leiden. Die un-
97
S. o. (D.I.) 3.2.2. Vgl. die Nachweise BSLK 1029 Anm. 2 u. 3; 1030 Anm. 1. 99 Zur Lehre von der Idiomenkommunikation beim späten Melanchthon: Enarratio Symboli Niceni, 1550, CR 23, 340–344; Responsio Philippi Melanthonis de controversiis Stancari, 1553, StA 6, 261–266; Examen Ordinandorum, 1559, CR 23, 5–7; Refutatio erroris Serveti, 1559, StA 6, 372–377; Explicatio Symboli Niceni (1557), 1561, CR 23, 509–511; Loci Praecipui Theologici, 1559, StA 2/1, 199–201. – Zur Interpretation vgl. MAHLMANN, 1969, 64–72; BRANDY, 1991, 34–37; HUND, 2006, 79–91. 100 Vgl. v.a. die 1571 publizierte ‚Grundfest‘, das bes. gegen M. Chemnitz gerichtete „christologische Manifest der Wittenberger Theologen“ (H UND, 2006, 311–392, hier: 311): Chemnitz’ erstes Genus akzeptieren auch seine Wittenberger Kritiker als „die rechte vnd einige Communicatio Idiomatum, welche den alten Lerern bekandt gewesen ist“ (142 r [ed. H. J ÜRGENS/J. HUND 586,3–5]; zur Kritik an Chemnitz insgesamt 135r–146 v [576,7–591,29]; zur positiven These der Wittenberger: 10 v–24 v [403,19–420,2]; HUND, 2006, 323–332), während eine ‚reale‘ Teilhabe der Naturen aneinander als „nagelnewe vnd vnbekandte Definition“ abzulehnen sei (124 v [561,1–12, hier: 561,7], hier bezogen auf J. Wigand, De communicatione Idiomatum [vgl. o. C.II.3.1.1]). 101 BSLK 1028,36–1029,9; Zitate: 1029,3f. 5–7. 98
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strittige bleibende Differenz der Naturen darf niemals im Sinne der zwinglischen ‚Alloiosis‘ oder einer ‚praedicatio verbalis‘ interpretiert werden.102 Ein Blick auf die intrikaten Details des redaktionsgeschichtlichen Befunds:103 Die den bergischen Einschub (§§ 38–45) rahmenden Passagen §§ 36f (1. Genus) und §§ 46ff(–61. 62. 64) (2./3. Genus) selbst gehören zur Textstufe der von Chemnitz konzipierten Schwäbisch-Sächsischen Concordie (SSC) von 1575,104 mit der der Autor seine erstmals 1561 vorgestellte Unterscheidung dreier Genera der Idiomenkommunikation105 in den werdenden Konkordientext einträgt und auf Dauer als Gerüst des christologischen Artikels festschreibt. Die von Chemnitz damit gründlich revidierte Vorlage, die Schwäbische Concordie (SC) von 1573, kennt diese Systematik nicht; deren Autor Andreae „bejahte die Auffüllung seines Artikels an dieser Stelle nicht“106 und hat die Chemnitz’sche Trichotomie jedenfalls in privaten Äußerungen abgelehnt – „ist meine Meinung ... nicht“.107 – Der breite ‚theopaschitische‘ Einschub der bergischen Schlußredaktion (§§ 38–45)108 verdrängt resp. ergänzt einen thematisch analogen, doch kürzeren Passus schon der SC, 109 den die SSC zwischen dem von ihr neu eingeführten 1. und 2. genus stehen gelassen hatte;110 diese Kompilation übernahm unverändert das TB.111 Hier entwickelte die SC, im
102
BSLK 1028,36–1031,26, hier: 1029,17.35.37; 1030,17f; 1031,20–22. Zur Entstehung der FC: MAGER, 1993, 165–282, bes. 175ff; W ENZ, 1997, II, 467– 539; KOCH, 1990b, 476–483; EBEL, 1978; 1980. – Mangels neuerer kritischer Editionen der Vorstufen des Konkordientextes sind die älteren Publikationen (GREEN, 1977, 20–23) heranzuziehen: HACHFELD, 1866, 234–302 (SC; M AGER 1993, 186–189, bes. 188f bei u. mit Anm. 14.15; auch 200–202); P FAFF, Acta, 1720, 381–511 (SSC-A; MAGER, 1993, 203–206, bes. 203 bei u. mit Anm. 15–17); HEPPE, 1857a, III, Beilagen Nr. II (SSC-B; MAGER, 1993, 200–202, bes. 200 bei u. mit Anm. 3–5, 202 Anm. 13); Beilagen Nr. III (SSC-C; MAGER, 1993, 203 Anm. 18); PRESSEL, 1866 (MF; M AGER 1993, 241f, bes. 242 Anm. 4); HEPPE, 1857c (TB, BB; MAGER 1993, 255–257, bes. 255f). 104 P FAFF, 1720, 400–404; HEPPE 1857a, III, Beilagen 141. 142–146. 287f. 288–293. 105 Nämlich in dem Chemnitz’ Abendmahlsschrift von 1561 – Repetitio sanae et orthodoxae doctrinae de vera praesentia corporis et sanguinis Domini in Coena – beigefügten Tractatus complectens doctrinam de Communicatione idiomatum (= Cap. XXXII: Doctrina de communicatione Idiomatum duarum naturarum in persona Christi, Repetitio 349–400); MAHLMANN, 1969, 205–238, bes. 225ff. – Das hier entwickelte Konzept wird von Chemnitz ausgebaut und in Diskussion v.a. der patristischen Tradition verteidigt in seinem christologischen Hauptwerk De duabus naturis in Christo. De Hypostatica earum unione. De Communicatione Idiomatum, Jena 1570; stark erweiterte und inhaltlich noch einmal ‚lutheranisierte‘ (M AGER, 1993, 230 Anm. 167) zweite Auflage Leipzig 1578 (= 1580); hier capp. XII. XIII–XXVI. 106 MAGER, 1993, 229 Anm. 166. 107 „Meint ihr, daß ich mit dem Buch der Formula Concordiae zufrieden sei? Es hat Chemnicius die tria genera communicationis der persona Christi hineingebracht; solches ist aber wider meinen Willen geschehen und ist meine Meinung auch nicht also, wie darin steht“ (Äußerung Andreaes gegenüber N. Selnecker aus dem Jahr 1577, abgedruckt bei PRESSEL, 1877, 246; danach auch bei MAGER, 1993, 229 Anm. 166.) 108 Vgl. HEPPE, 1857c, 160–164. 109 HACHFELD, 1866, 281. 110 P FAFF, Acta, 1720, 400; HEPPE, 1857a, III Beilagen, 141f bzw. 288. 111 HEPPE, 1857c, 160f. 103
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Anschluß an das Bekenntnis zur Einheit zweier bleibend distinkter Naturen in einer Person,112 als erste Konsequenz dieser Identität die Betroffenheit des Sohnes Gottes durch das menschliche Geschick, das Leiden Gottes ‚im Fleisch‘.113 Daran angeschlossen wird – was schon die SSC nicht übernimmt – als die zweite („auch“) Konsequenz der Personeinheit die gegenläufige Teilhabe der menschlichen Natur an den göttlichen Eigenschaften entfaltet.114 M.a.W.: Andreaes SC konzipiert die christologische Kommunikation in der Spur schwäbischer Christologie115 dem Ansatz nach symmetrisch als Doppelbewegung von – mit den späteren Termini formuliert – Idiopoiesis und Metapoiesis. Indem dann Chemnitz’ SSC vor die idiopoietische Passage der SC ihr 1. Genus (praedicatio de tota persona secundum alterutram naturam) stellt, diesen SC-Passus selbst aber noch folgen läßt,116 ‚zerstört‘ sie die ursprüngliche, von der symmetrischen Kommunikation der Naturen her entworfene Konzeption der Schwaben – es entsteht nun genau jene ungeklärte Addition (bimembris) von praedicatio de tota persona und Idiopoiesis, an der eine Generation später sich Hafenreffer abarbeiten wird.
4.2 Retrospektiv geurteilt, stellt Hafenreffers Interpretation des 1. genus der FC eine Revision jener schwäbischerseits nur ‚erlittenen‘ Revision dar, welche die SSC der SC angedeihen ließ; unter Beibehaltung des konkordistischen Rahmens wird die schwäbische Symmetrie der Idiomenkommunikation re-etabliert. Hafenreffer reproduziert die redaktionelle Addition als systematische Unterscheidung, wenn er die sachlich unklare Kompilation der Konkordie in das Nebeneinander zweier distinkter Genera überführt. Dabei wechselt der Schwerpunkt: Die ‚idiopoietische‘ Ergänzung der konkordistischen Schlußredaktion gewinnt in der ordine naturali entworfenen Konzeption Hafenreffers hermeneutische und sachliche Priorität. Hafenreffers ‚Erläuterung‘ sucht faktisch ein sachliches Defizit zu beheben, das dem 1. genus der Konkordie anhaftet – und schon dessen be112
HACHFELD, 1866, 280f (= SD VIII 5–11!). „Doher glauben, lehren vnd bekennen wir auch daß nicht ein Pur lautter mensch für vns empfangen, vnd geboren, ... sonder obwol die Gottheit von der Jungkfrawen Marien Ihren Anfang nicht hat, so hat doch der Sohn Gottes die Menschlich Natur Im Leib der Jungkfrawen An sich genommen, vnd ist also Christus, wahrer Gott vnd Mensch von Marien Geboren ... Wie dann auch nicht ein Pur Lauter mensch, oder allein menschlich Natur für vns gelitten, ... sonder der eingeboren Sohn Gottes, Christus, hatt für vns gelitten[;] Im Flaisch vnd mit dem Bluot des Sohns Gottes ... sind wir erlöset worden. Dann obwol die Göttlich Natur für sich selbst nicht leiden kan, weil leiden ein eigenschafft ist der Menschlichen natur, die der Göttlich Natur eigenschafft in ewigkeit nicht werden kan, so hat doch nicht ein bloße Menschliche Natur für vnns gelitten, weil sie für sich selbst kein abgesönderte Person gewesen, sonder es hat der Sohn Gottes, Christus, nach diser Natur gelitten, die deß leidens vähig gewesen, wölche doch nicht von dem Sohn Gottes abgesöndert gelitten hatt“ (HACHFELD, 1866, 281). 114 „Wir glauben, lehren vnd bekennen auch, weil Gott vnd Mensch In Christo, ein vnzertrennet Person, ... das alles was des Sohns Gottes aigen ist, der Sohn Gottes mit der Angenommenen Menschlichen Natur gemein habe“ (HACHFELD, 1866, 281f, hier: 281). 115 Vgl. das o. zu Brenz Notierte (C.IV.2.6.2[.1]). 116 Die metapoietische Passage der SC übernimmt die SSC dagegen nicht, sondern ‚ersetzt‘ sie – nach dem 2. (apotelesmatischen) Genus – durch ihr drittes Genus. 113
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
wegte, in den bergischen Einschüben kulminierende Redaktionsgeschichte kann als ein erster ‚Rettungsversuch‘ gelten. Eine ebenso gründliche wie scharfsichtige Analyse der systematischen Schwäche der FC-Konzeption hat F.H.R. Frank vorgelegt. Diese nahezu ohne Resonanz gebliebene Kritik verdient eine ausführlichere Erinnerung.117 4.2.1 Franks Kritik anerkennt durchaus den besonderen Charakter ihres Gegenstandes als eines ‚Bekenntnisses‘, „an welches die Anforderung wissenschaftlicher Systematik gar nicht gestellt werden darf“ (244). Das besondere Genus des Textes hindert aber nicht überhaupt eine dogmatisch-wissenschaftliche Prüfung seiner Sachaussagen. Diese Analyse führt Frank auf das nüchterne Ergebnis, daß die konkordistische Unterscheidung von 3 genera der Idiomenkommunikation „wissenschaftlich gesehen sich nach allen Seiten als unhaltbar erweist“ (243f). Das vernichtende Resümee ergeht dabei weniger im Blick auf Inhalt und Intention der Genera, als vielmehr „um ihrer formalen Anordnung und Aufeinanderbeziehung sowie um ihrer Unvollständigkeit willen“ (244). Mit den von Hafenreffer verwendeten Termini 118 zu reden: Problematisch sind ordo und numerus der Genera. 4.2.2 Diese Monita gewinnen ihre Durchschlagskraft nicht zuletzt dadurch, daß sie Ansatzpunkt und Maßstab aus jener Selbstfestlegung des christologischen Artikels gewinnen, die Frank zutreffend als „das oberste Princip des Bekenntnisses“ (208) identifiziert: Die unio hypostatica vollziehe sich notwendig als reale Gemeinschaft der Naturen von Gott und Mensch (195. 208). Denn erst die Auslegung der christologischen Personeinheit als Naturengemeinschaft konstituiert die unabdingbare „Grundlegung für die den Glauben an den Erlöser und das Werk der Erlösung unmittelbar betreffenden Lehrpuncte“ (195); „auf diesem practischen Gebiete“ (196) steht über die Faktizität der Naturenkommunion hinaus nun deren konkrete Modalität zur Entscheidung (196). Solcher soteriologisch-‚practischer‘ Lehrpunkte unterscheidet das Bekenntnis näherhin zwei: Es insistiert (1.) auf der „Realität der Erlösung“ durch den Tod Christi, die allein dann gegeben ist, wenn dieser Tod als ein nicht bloß dessen Menschheit betreffendes Geschehen verstanden wird;119 darin sucht es die „Verbürgung wahrhaftiger Erlösung“ (196). Es insistiert (2.) auf der Realität der Erhöhung der menschlichen Natur zur göttlichen Majestät;120 damit zielt es auf „die Vergewisserung jener der Menschheit Christi zukömmlichen Herrlichkeit, wie sie insonderheit bei der sacramentlichen Gegenwart seines Leibes und Blutes sich kundgiebt“ (196f). Diese „beiden Stücke“ aber lassen sich zureichend nur „als Folgerungen und Thaterweise der realen weil persönlichen Naturengemeinschaft“ (196) begründen; und es muß diese Kommunikation – der Duplizität des soteriologischen Interesses entsprechend – nach beiden Seiten entwickelt werden: als Partizipation der göttlichen Natur an der Menschheit (1.) sowie als Teilhabe der menschlichen Natur an der göttlichen Natur (2.).121 117
FRANK, 1863, III, 167–396, bes. 195–198.238–274 (Anmerkungen: 334.359–373); folgende Belegangaben hierauf bezogen. – Auch die anders ansetzende, im Resultat aber mit Franks Anfragen konvergierende Kritik des (chemnitianisch-)konkordistischen Konzepts der Idiomenkommunikation durch J. B AUR (1978a, 201f, bes. 202; 2007, 229–235, bes. 230f. 261f) nimmt auf Franks Darlegungen keinen Bezug. – Vgl. o. A.II.2.2. 118 Vgl. o. D.I.3.1. 119 196; mit Verweis (Anm. 48 S. 334) auf FC SD VIII 20f. 120 196; mit Verweis (Anm. 49 S. 334) auf FC SD VIII 23. 121 197. – „Das erstere Stück lehrt die Gemeinschaft der Naturen in Christo erkennen nach Seiten der Participation der göttlichen an den Widerfahrnissen der menschlichen,
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4.2.3 Die detaillierte Entfaltung der soteriologisch geforderten Naturengemeinschaft ist Gegenstand der Lehre von der Idiomenkommunikation, welche die „zweite Hälfte des Artikels“ bildet122 – hier muß sich entscheiden, ob es der Konkordie gelingt, ihre axiomatische These der Naturenkommunion samt den daran angeschlossenen zwei soteriologischen Folgesätzen konsequent zu entwickeln. 123 – Die Sequenz der auf Chemnitz zurückgehenden124 Trichotomie erklärt Frank als Resultat pädagogisch-polemischer Abzwekkung: Die FC setzt ein bei dem formell, tatsächlich oder vermeintlich Unstrittigen (1. genus) und führt über das apotelesmatische Genus dann „zu dem am Meisten ventilirten Differenzpunkt des genus auchematicum [i.e.: majestaticum]“. 125 Auf ein ganz unbefriedigendes Resultat führt dagegen die inhaltliche Nachfrage. – Das 1. genus spricht noch gar nicht von einer realen Mitteilung zwischen den Naturen; deutlich ist nur, daß es „nach vorwärts den Schluss involvirt, es werde wohl eine thatsächliche Mitteilung der Eigenschaften, wie immer, vorhanden sein, weil es sich sonst nicht erklären würde, dass menschliche Prädicate von dem Concretum der göttlichen und göttliche Prädicate von dem Concretum der menschlichen Natur ausgesagt werden“ (241f, hier: 242). Darum kann es nur als eine „allgemeine Voraussetzung“ (241) für die folgenden Genera gelten (241f).126 – Das apotelesmatische 2. genus ist thematisch gar nicht mit einer Mitteilung essentieller Idiome befaßt; es setzt lediglich, soll die Behauptung gemeinschaftlichen Handelns der Naturen sachlichen Grund haben, eine solche reale Kommunikation der Eigentümlichkeiten schon „nach rückwärts“ voraus (242). Das damit erzielte Zwischenergebnis ist der Ausgangspunkt der Analyse des 3. genus: „Beide genera [1., 2.] reden somit nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar von dem, was im Grunde hier in Frage steht, und zu beiden setzt sich das genus auchematicum in ungefähr gleiche Beziehung“ (242f). Denn erst127 und ausschließlich in diesem 3. genus wird „wirklich“ (243) jene reale Mitteilung der Idiome entwickelt, die die vorangehenden Genera ‚nach vorwärts‘ (1. genus) resp. ‚nach rückwärts‘ (2. genus) implizieren. Hier aber stößt der Leser alsbald auf die – jedenfalls in der ‚neuen Kenotik‘ – „viel besprochene Schwierigkeit“ (243), auf die sich Franks eingangs zitiertes Monitum der „Unvollstän-
das andere Stück zeigt umgekehrt dieselbe Gemeinschaft an der Erhöhung der menschlichen Natur zur Majestät der göttlichen“ (197). 122 226, im Blick auf SD VIII 31ff (Anm. 100 S. 350). 123 „Denn hier erst wird zur völligen Klarheit gebracht werden können, was unter der communio naturarum, dem nächsten Ergebniss der unio hypostatica, gemeint sei“ (226; Hervorhebungen Frank). 124 „... finden wir alsbald jene Dreitheilung durchgeführt, welche von Chemnitz zuerst auf die Bahn gebracht“ (239); allerdings, wie notiert, nicht erst (so FRANK, Anm. 122, S. 359) in De duabus Naturis (1570. 1578), sondern schon mit der Repetitio von 1561; vgl. o. Anm. 105. – Franks weitere Behauptung, daß jene von Chemnitz inaugurierte Trichotomie „späterhin mit wenigen Modificationen der Typus der lutherischen Lehrdarstellung blieb“ (239), bedarf allerdings im Blick auf die hier bisher schon vorgeführten und noch weiter zu verfolgenden Tübinger ‚Modificationen‘, die Frank nicht kennt oder unterschätzt, der Korrektur. 125 239. – Dies entspricht den orthodoxen Selbstdeutungen; vgl. o (D.I.) 3.1(/2). 126 Diese Wertung korrespondiert Hafenreffers Klassifizierung dieser Bestimmung als ‚Prämisse‘ (praemittitur) der folgenden Real-Genera (o. [D.I.] 3.2.2) – Denselben Punkt markiert auf seine Weise auch I.U. DALFERTH, wenn er feststellt: „Es [sc. das genus idiomaticum] formuliert … die Aufgabe, bietet aber keine Lösung“ (1994, 151). 127 „Das genus maiestaticum … geht einen Schritt weiter“ (D ALFERTH, 1994, 151).
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
digkeit“ bezieht: Die FC beschränkt diese fundamentale Realkommunikation einseitig auf die Mitteilung allein der göttlichen Idiome an die menschliche Natur, schließt hingegen eine gegenläufige Bewegung von der Menschheit zur göttlichen Natur ausdrücklich aus. Dieser „Mangel an Gegenseitigkeit in der Mittheilung“ (243) entzieht in der Folge nicht nur jener lutherischen Polemik den Boden, die die reformierte Verweigerung ‚realer‘ Idiomenkommunikation als Trennung der Personeinheit geißelt. Die Asymmetrie verhindert darüberhinaus und v.a. die Einlösung jener zwei soteriologischen ‚Interessen‘, an denen dem Bekenntnis so entschieden gelegen ist. In seiner konkordistischen Fassung sichert das 3. genus zwar die Partizipation der natura humana an der göttlichen Majestät, nicht jedoch die soteriologisch ebenso unverzichtbare Teilhabe der Gottheit am menschlichen Leidens- und Todesgeschicks (243). Die ‚theopaschitischen‘ Passagen innerhalb des 1. Genus können diesen fatalen Mangel nicht beheben. Denn diese vornehmlich mit antizwinglischen Lutherzitaten operierenden Erläuterungen verwerfen zwar entschieden die Annahme eines Leidens bloß der Menschheit – doch tritt dieser eindeutigen Negation keine ebenso eindeutige Position an die Seite (251). Die positive Ergänzung muß fehlen, da das die Luthertexte rahmende 1. Genus eine reale Mitteilung zwischen den Naturen gerade nicht kennt; zudem konzediert ja auch Luther selbst den Vertretern der Alloiosis, daß das ‚eine Stück‘ der Person, die Gottheit, nicht leide.128 Unter dem Vorzeichen dieser doppelten Restriktion ist eine klare Position nicht zu erreichen. Daß das menschliche Leiden statt des sachlich gebotenen Subjekts der natura divina (nur) dem ‚Sohn Gottes‘ attribuiert wird, könnte noch als Respektierung der durch die biblische Terminologie gezogenen Grenzen gewertet werden (197) – diese „zunächst formale Incorrectheit“ (197) müßte nicht notwendig ein negatives Sachurteil implizieren. Denn es tadelt die Konkordie ja ausdrücklich die ‚Zwinglianer‘, die ein Leiden allein der menschlichen Natur annehmen und die „andere Natur[!] gänzlich ausschließen“.129 Aber dieser Negation „die, wie es scheint, logisch unvermeidliche Position beizufügen, dass wirklich die göttliche Natur an jenem Leiden sich betheiligt habe“ (251), daran sieht sich das Symbol durch die Grenzziehung des Immutabilitätsaxioms gehindert. Das Leiden Christi war, so lautet die vermittelnde These, nicht nur der bloßen Menschheit eigen, es kam der ganzen Person und darum auch dem Sohn Gottes zu, diesem allerdings nur ‚nach‘ der angenommenen menschlichen Natur. Der ‚Sohn Gottes selbst‘ leide, doch unter Ausschluß der göttlichen Natur: wie das positive und das negative Element dieser These näherhin zusammen bestehen sollen, ist eine Frage, der jedenfalls die wissenschaftliche Theologie nicht ausweichen darf (198). Die Konkordie indes läßt diese Frage offen und gelangt nicht über eine „mindestens formale Inconsequenz der Aussagen“ (251) hinaus: „es wird die Antheilnahme der göttlichen Natur an dem Leiden der menschlichen einerseits gefordert und andererseits negirt“ (252). Lediglich im Bereich der württembergischen Theologie, namentlich bei J. Brenz, will Frank immerhin Versuche erkennen, „jene Schranke [des Immutabilitäts- und Apathieaxioms], die sich der vollen Consequenz entgegenstellte, zu durchbrechen“ (251). Aber auch dort bleibt es bei Ansätzen; und schon Brenzens Nachfolger, etwa Andreae, fühlten „wohl zu lebhaft, wie leicht man auf diesem Wege den Schein der Häresie auf sich laden könne, als dass man den Muth gehabt hätte, ihn weiter zu verfolgen“. 130
128
251; mit Verweis (Anm. 138, S. 362) auf SD VIII 42, vgl. 41. SD VIII 38 (BSLK 1029,7f); vgl. 250f. 130 252; vgl. ibd. Anm. 139. 140 (S. 362–364.364). Vgl. auch H.E. WEBER, 1940, I/2 166 Anm. 8. 129
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4.2.4 Franks ‚neokenotisch‘ inspirierter Versuch, die aus der Verweigerung eines „reciproke[n] Austausch[s] der Idiome“ (260) resultierende Aporie durch eine Neufassung des Begriffs göttlicher Immutabilität und Apathie zu überwinden,131 darf hier ebenso übergangen werden wie seine Voten zur Position Luthers, Brenzens und Chemnitzens.132 Seine tiefgreifende Kritik der FC-Konzeption muß als im Kern zutreffend anerkannt werden. So emphatisch die ins 1. Genus der Konkordie ‚eingeschobenen‘ Lutherzitate die Involvierung ‚Gottes‘ in das Leiden der menschlichen Natur behaupten – angesichts der letztlich eindeutigen Distanzierung der göttlichen Natur von diesem Leiden, angesichts der eingeschärften Regel, stets zu beachten, „nach welcher Natur ein jdes der Personen zugeschrieben wird“,133 bleibt unerfindlich, wie die Gegenthesen der Alloiosis und ‚praedicatio verbalis‘ über heftige Polemik hinaus mit Argumenten widerlegt werden könnten. 4.3 Hafenreffers 1603 vorgetragene Modifikation von ordo und numerus der Genera der Idiomenkommunikation läßt sich so als Versuch lesen, die von Frank beschriebene Unzulänglichkeit des 1. genus der FC im Blick auf die theopaschitische Frage zu beheben. Die Entwicklung eines eigenständigen idiopoietischen Genus zielt jedenfalls darauf, ein der communicatio Majestatis analoges Pendant und damit die von Frank eingeforderte Wechselseitigkeit der Idiomenmitteilung zwischen den Naturen zu etablieren, wodurch die These vom Leiden Gottes jenes Fundament gewönne, das im Rahmen des konkordistischen 1. genus nicht einzuholen ist. Doch was er intendiert, erreicht auch dieser ‚zweite Anlauf‘ Hafenreffers von 1603 nicht, – es bleibt bei einem zwiespältigen Fazit. Mit der Ausrichtung des Lehrstücks De communicatione Idiomatum an dem Realgeschehen der christologischen Vermittlung gelingt Hafenreffer zwar ein wichtiger Schritt voran. Die aus dem ordo communicationis naturalis gefolgerte Separierung eines eigenständigen idiopoietischen Genus neben der praedicatio de tota persona erreicht die geforderte Symmetrie der Kommunikation: Idiopoiesis und Metapoiesis korrespondieren einander als die beiden Vollzüge der Mitteilung zwischen den Naturen, aufgrund deren der Logos an den menschlichen, die angenommene Menschheit an den göttlichen Eigentümlichkeiten Anteil gewinnt; auf dieser wechselseitigen Partizipation von Gott und Mensch ruht die apotelesmatische Kommunion der Naturen.134 131
252–254.264–274; vgl. zu Frank BREIDERT, 1977, 232–247. – Vgl. o. A.I.2.1. 252f. Anm. 139–141 (S. 362–365). – Daß z.B. Franks ‚optimistisches‘ Urteil über Brenz zu differenzieren ist, macht zu Recht BRANDY, 1991, 198 Anm. 132, geltend. Vgl. o. C.IV.2.6.2. 133 SD VIII 37 (BSLK 1028,29f). 134 „Communicatio Idiomatum est diuinarum humanarumque Proprietatum vera & realis Participatio, qua propter Vnionem duarum naturarum in Christo Hypostaticam, non tantum vtriusque Naturae Idiomata Personae (quae simul DEVS & | Homo est) verum etiam alterutriusque naturae Propria alteri, hoc est, Λογω humana, & assumpto Homini diuina attribuuntur: Et propter eandem κοινωνιαν vnaquaeque natura operatur cum communicatione alterius, naturis tamen earumque proprietatibus seruatis illaesis“ (336|f). 132
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In der theopaschitischen Frage hingegen gelangt Hafenreffer auch 1603 nicht entscheidend über die älteren Lösungen hinaus, da er die geforderte Wechselseitigkeit der Kommunikation jener (vorgeblich nur) modalen Differenzierung unterwirft, die die jeweilige ‚Communicationis ratio‘ von der ‚naturarum diuersitas‘ her normiert. Die unveränderliche göttliche Natur ‚leidet‘ auch christologisch keine ‚Bewegung‘; nur der veränderlichen menschlichen Natur widerfährt in der Unio eine ‚perfektionierende‘ Erhöhung. Unter dieser Restriktion aber kann ein Fortschritt über die für die erste Auflage der Hafenreffer’schen Loci notierten Aporien hinaus nicht erfolgen. Ohne die Konzession einer Betroffenheit der göttlichen Natur wird das idiopoietische Genus nur der Disposition nach, nicht aber auch sachlich zum Korrelat der metapoietischen Kommunikation an die menschliche Natur.135
Hafenreffer versäumt es, über vage Andeutungen hinaus, das nach dem Kriterium des ordo naturalis sperrige Element der praedicatio de tota persona konsistent auf die Realkommunikation zwischen den Naturen zu beziehen. Diese Aufgabe (und einen möglichen Lösungsansatz?) formuliert schon der Begriff der tota persona Christi, den Hafenreffer – eher beiläufig – notiert: ‚Christus‘ ist genau seine ‚beiden Naturen‘ (utraque natura),136 – welchen Ort im System aber kann dann noch eine Kommunikation von den Naturen ‚an‘ die (so begriffene) ‚Person‘ haben? 5. Stephan Gerlach 1596 Die auch Hafenreffers Anlauf von 1603 verbleibenden Inkonsistenzen lassen es angeraten erscheinen, noch einmal genauer die ‚Kon-Texte‘ seiner Lösung zu prüfen. Hafenreffer notiert selbst, daß er die Neuorientierung des Lehrstücks nicht allererst einleitet, sondern bereits auf ältere Revisionsversuche im eigenen Lager reagiert. Dokumentiert ist diese ältere Revision in jenen Texten, die Hafenreffer als Beispiele einer ordine naturali konsequenten Differenzierung von vier Genera nennt und rechtfertigt, ohne dieses akademisch-präzise Muster für die eigene Disposition zu übernehmen:137 zwei unter dem Präsidium seines Fakultätskollegen Stephan Gerlach138 in Tübingen gehaltene Disputationen ‚De communicatione Idiomatum‘ aus den Jahren 1596139 und 1602.140 135
Vgl. o. D.I.3.2.3.1. „de Christo, qui vtraque natura est ...“ (Loci, 1603, 348). Diese Identifizierung schließt es, konsequent genommen, aus, eine Kommunikation ‚zwischen den Naturen‘ und ‚von den Naturen an die Person‘ in der Weise additiv (‚etiam‘) zu verknüpfen, wie es Hafenreffers Grundbestimmung der Idiomenkommunikation unkommentiert – und ungeklärt – vorträgt (1603, 336f; vgl. das Zitat in Anm. 134). 137 Vgl. o. (D.I.) 3.2.2 (Anm. 73). 138 Zu Person und Biographie vgl. neben den einschlägigen Lexika-Artikeln auch W ENDEBOURG, 1986, passim, bes. 35. 373–382. 139 Disputatio De Communicatione Idiomatum Dvarum Naturarum in Christo (Resp. Michael Marschalk), Tübingen (3. Sept.) 1596 (64 Thesen auf 13 S. Quart). – Diesen bis dahin weithin übersehenen Text (vgl. aber J. B AUR, 1993h, 229) hat F. NÜSSEL etwas 136
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Die (originäre) Zählung des Textes von 1602 als ‚zweite‘ Disputation nimmt nicht Bezug auf die themenidentische ältere Disputation von 1596, sondern weist zurück auf einen dritten Text, die vom Juni desselben Jahres 1602 datierende ‚I. Disputatio ... De unione personali‘. Zusammen mit drei weiteren Disputationen gehören diese beiden Texte einem Disputationszyklus gegen verschiedene ‚Irrtümer einiger Scholastiker‘ an, der in den Jahren 1602/3 unter Gerlachs Präsidium in Tübingen absolviert wird. Der identische Respondent aller Disputationen, Michael Schäfer, ist auch deren Verfasser.141 Für den hier zunächst zu behandelnden Text von 1596 läßt sich die Verfasserfrage nicht völlig eindeutig entscheiden. In der Dedikation (Bl. A1v) erklärt der Respondent Michael Marschalk, die nunmehr vorgelegten Thesen auf Anraten seines Lehrers Johann Georg Sigwart142 selbst ‚zusammengestellt‘ (congestas) und dann der Prüfung (censura) durch Gerlach unterworfen zu haben. Der Text dürfte also auf Marschalk zurückgehen, ist aber in seiner vorliegenden Gestalt jedenfalls von Gerlach approbiert und mitverantwortet, unter dessen Namen er im folgenden auch zitiert wird.143
eingehender analysiert (2000, 210–212); das Verhältnis zu Hafenreffers Thesen von 1603 kommt nicht in den Blick. 140 II. Disputatio opposita Scholasticorum Qvorundam Erroribus, De Communicatione Idiomatum in Persona Domini nostri Jesu Christi. Eorvndem qvoqve de Officio Christi Errores, in tertio Communicationis Genere percensentur ac confutantur (Resp. Michael Schaefer), Tübingen (24./25. Sept.) 1602 (236 Thesen auf 61 S. Quart). – Auch dieser Text ist in der bisherigen Forschung nahezu unbeachtet geblieben. Summarische Notizen bietet H.E. WEBER, 1940, I/2, 161f Anm. 2 (dort Druckversehen: 1502); 166 Anm. 7; 171 Anm. 4; 178 Anm. 8; Schaefers Konzeption der Idiomenkommunikation wird dort nicht thematisiert. 141 Vgl. u. D.I.6. 142 Zu Sigwart vgl. HOLTZ, 1993, 420; KOLB, 1951, 30–33. –Marschalks Auskunft ist auch deswegen von Interesse, weil Sigwart in seinen 1603 publizierten XXIII. Disputationes Theologicae in der hier einschlägigen Disputatio IV. De Communicatione Idiomatum, eiusque Generibus (1603b, 24–32) eine Darstellung der Idiomenkommunikation bietet, die nicht nur Hafenreffers Loci von 1600, sondern eindeutig auch diesem Entwurfs Gerlachs von 1596 verpflichtet ist; vgl. J. B AUR, 1993h, 229–234, bes. 229f. 143 Für Marschalks Autorschaft spricht auch die persönliche Adresse im Titel (Praeceptoris sui honorandi; so auch Schäfer 1602); ebenso der Umstand, daß diese Disputation in die Sammeledition der Gerlach’schen Disputationen (Tomus Prior/Posterior Disputationum Theologicarum, Tübingen 1610) nicht aufgenommen ist, wie auch Schäfers Text nicht. Auch der Vergleich mit anderen Texten Gerlachs erhärtet diese Zuweisung. In Gerlachs Streitschriften aus den 1580er Jahren gegen reformierte (L. Danäus; vgl. Antidanaeus, 1580; Hyperaspistes Antidanaei, 1581; Decertatio, 1583; vgl. D INGEL, 1996, 84–87; W ENDEBOURG, 1986, 373–382) und römische (J. Busäus; v.a. Assertio 1585; zum Anlaß vgl. D INGEL, 1996, 320 Anm. 181, 584 Anm. 202; zum größeren Horizont, der Auseinandersetzung mit der katholischen Kontroversliteratur gegen die Konkordie, ibd. 542–600) Kontrahenten spielt die Frage der Zahl und Sequenz der Genera der Idiomenkommunikation keine herausgehobene Rolle. Ähnliches gilt von Gerlachs christologischen Disputationen v.a. der Jahre 1590ff, die die Auseinandersetzung mit Busäus und anderen ‚Scholastikern‘ fortsetzen; vgl. bes.: Disputatio (III.) De Persona Salvatoris Nostri Jesu Christi, Adversus Joannem Busaeum (Resp. M. Lucas [II.] Osiander[!]), 1591 (DERS., 1610a, 71–209; 462 Th.); Disputatio (V.) Adversus Impias et Detestandas nugas Joannis Busaei, 1592 (1610a, 393–514; 284 Th.); Disputatio (IV.) De Persona Servatoris
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5.1 Das bei Hafenreffer 1603 zugrundegelegte Dispositionsprinzip des ordo naturalis144 kommt in Gerlachs 7 Jahre älterem Text schon konsequent zur Anwendung, ohne daß der Terminus selbst fällt und ohne daß diese – hinsichtlich der FC – einschneidende Weichenstellung kommentiert würde. In schnörkelloser Präzision formulieren die einleitenden Thesen die den Entwurf strukturierende Grundentscheidung: Unio personalis und communicatio idiomatum stehen zueinander im Verhältnis von Grund (causa; fons; fundamentum) und abhängiger Folge (effectus; consequens).145 Dieser Hervorgang (emanat) der Idiomenkommunikation ‚ex personae constitutione‘ (1/1) verlangt die genaue Ausrichtung ihrer systematischen Entfaltung am Vollzug der hypostatischen Einigung. Konsequent wird als orientierende Norm (2/1) eine zusammenfassende Beschreibung (descriptio) der unio personalis vorangestellt: „Vnionem autem personalem duarum naturarum in Christo esse dicimus, qua Filius DEI in se immutabilis permanens [1.] in communionem personae assumpsit Naturam humanam nobis per omnia similem absque peccato: [2.] cui se totum communicauit, vnumque personale cum ea constituit, [3.] quo Redemtoris, Salvatoris, Sacerdotis & Regis munus in se recipere & perficere posset, Hebr 2.v.17. Luc.1.v.32. & 33.“146
Durch die hier genannten Momente im Vollzug der unio personalis sind Inhalt, Zahl und Abfolge der Genera der Idiomenkommunikation festgelegt.147 Gerlach unterscheidet entsprechend drei genera communicationis: 1. Annahme der menschlichen Idiome durch den Gottessohn;148 2. Gegenläufige Zueignung göttlicher Majestät an die menschliche Natur;149 3. Wechselseitige Teilhabe der Naturen in der Durchführung des der ganzen Person zukommenden Heilswerkes. 150 Christi. Adversus Apologeticum Joannis Busaei, 1595 (1610a, 210–392; 375 Th.); Disputatio (II.) De Persona Christi: Adversus Apologeticum Johannis Busaei (DERS., 1610b, 23–36; 71 Th.); De Christo Mediatore Disputatio: Opposita Perniciosis Erroribus Papistarum & Caluinianorum: Inprimis Joannis Bvsaei (Resp. M. Schaefer), 15./16. Dez. 1598 (478 Th.; 1610a, 515–656). – „Zur Frage der Autorenschaft von theologischen Disputationen“ vgl. grundsätzlich APPOLD, 2004, 80–84 (Zitat: 80). 144 Vgl. o. (D.I.) 3.1. 145 GERLACH, 1596 (folgende Belege [These/Seite] hierauf bezogen), 2.4/1; 8/2; 64/3. 146 3/1; Numerierung U.W. 147 „... quae [genera] Vnionis ... descriptio nobis denotat & commonstrat“ (12/3). 148 „Primum genus inde emergit: quod Filius Dei dicitur assumpsisse humanam naturam vna cum proprietatibus & infirmitatibus ejus. Huc omnes illae referuntur propositiones, quae propria, affectiones, passiones & infirmitates hominis assumpti, Deo tribuunt“ (13/3 [–21/4]). 149 „Secundum Communicationis Genus inde scaturiginem ducit: quod λογος se totum homini assumpto communicavit. Hoc genus omnia illa recipit enunciata, quibus effertur, quid ultra naturales proprietates & dona finita, Deus Verbum per Vnionem hypostaticam carni assumptae contulerit“ (22/4 [–58/12[!]]). 150 „Ad hoc [Tertium genus], omnes propositiones de Christi officio disserentes, revocantur. | Ac secundum hoc genus, operationes & passiones officij Christi ad Totam per-
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Diese Konzeption entspricht Hafenreffers Aufriß von 1600 bzw. den Festlegungen der 3. Auflage seiner Loci von 1603 hinsichtlich der drei Genera im engeren Sinn.151 Gerlachs beiden Entwürfen Hafenreffers vorausliegender Text ist darin präziser, daß er das Verhältnis des apotelesmatischen Genus zur Mitteilung der Idiome i.e.S. schärfer faßt, wenn er das partizipative Wirken der Naturen als Ziel und Folge der idiopoietischen und metapoietischen152 Kommunikation zwischen den Naturen benennt: „gratia cuius participationis mutuae [1.; 2. Genus] actiones & passiones officij ad totam personam ejusque utramque Naturam pertinent“.153 Strikt verstanden wären so nur zwei, einander symmetrisch-gegenläufig korrelierte Grundvollzüge realer Mitteilung der Eigenschaften anzunehmen (1.; 2. Genus), die der im 3. Genus ausgesagten Gemeinschaft im heilsmittlerischen Amt begründend vorausliegen, zugleich auf diese final hingeordnet sind.154 5.2 Mit den drei Genera ist der als Konstruktionsprinzip beanspruchte Realvollzug der unio personalis auf der effectus-Ebene der Idiomenkommunikation vollständig reproduziert. Ohne Begründung in der unio bleibt ein – insofern überständiges – 4. genus, das unvermittelt die vorletzte[!] These als Möglichkeit[!] freistellt (63/13): Erst jetzt, als Appendix, für den die einleitende Definition der unio keinen Platz ausgespart hatte,155 erscheint das 1. genus der – bis dahin ignorierten und auch jetzt nicht explizit genannten – Konkordienformel, die praedicatio de tota persona: „His generibus addere libet[!] Quartum: Vbi quaedam personae tribuuntur non secundum utramque,156 sed secundum alterutram duntaxat naturam: & additur particula distinctiva, docens iuxta quam Naturam ista personae competant“ (63/13).157
sonam & utramque illius naturam pertinere dicimus, quatenus Vtraque Natura agit cum communione alterius quod cuiusque proprium est“ (59|60/12 [–62/12]). 151 Vgl. o. (D.I.) 2.2 bzw. 3.2.1. – Mit Gerlach 1596 und Hafenreffer 1600 überein stimmt S IGWART, Disputatio IV., 1603b, 10/27–22/29, was die sachliche Bestimmung der Genera anbetrifft; nur loziert er das apotelesmatische Genus (15f/28) an 2. Stelle vor der communicatio Majestatis (17/28). 152 So mit Hafenreffers Termini (D.I.3.2.3); bei Gerlach fehlen die Gräzismen. Vgl. S IGWART, 1603b: ιδιοποιια (10/27); κοινωνια ενεργειων (15/28 i.m.); κοινωνια παντο− κρατοριας (17/28 i.m.). 153 So in der bilanzierenden Schlußthese 64/13 (vollständig u. Anm. 158). 154 Hafenreffer setzt dieses Begründungsverhältnis sachlich voraus, deutet es aber nur für die communicatio Majestatis, nicht hingegen für die Idiopoiesis an (o. D.I.3.2.3.2). 155 Die Wendung ‚vnum personale constituit‘ (3/1; o. bei Anm. 146) könnte als ‚Platzhalter‘ gewertet werden (vgl. die Parallele bei Hafenreffer, o. D.I.3.2.1), der Text selbst stellt einen solchen Bezug nicht her (anders der Rückverweis für das 3. Genus, 59/12). 156 So dagegen das apotelesmatische 3. Genus (60/12; vgl. o. Anm. 150). 157 Repetiert von S IGWART: „His tribus addi posset Quartum Genus eorum, qui personae tribuuntur non secundum utramque: sed secundum alterutram duntaxat Naturam: addita particula distinctiua, quae doceat, secundum quam Naturam ista personae competant“ (1603b, 31/32). – „Die Tübinger Eigenwilligkeit läßt also das der Zählung der Kon-
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Die sachlich überzählige Adoption des 1. FC-Genus erklärt sich am ehesten als Konzession an die Dignität des Symbols. Im Gegensatz zu Hafenreffers aufwendiger Konziliation von 1603 unternimmt Gerlach jedoch keinerlei Versuch, die Differenz der Systeme auszugleichen.158 Beiläufig notiert wird der Grund der Divergenz. Anders als die apotelesmatische Zueignung an die ‚tota persona secundum utramque naturam‘ (3. genus), welche sich ‚gratia participationis mutuae‘ vollzieht, erfolgt die dem 4. genus eigene Zuschreibung an die Person secundum alterutram naturam nur ‚Vnionis causa‘ (64/13).159 Sie verdankt sich dem bloßen Vereinigtsein der Naturen in hypostatischer Identität, ohne daß ihr eine darüber hinausgehende (4.) Weise von Mitteilung (communicatio; participatio) zugrunde läge. 5.3 Wie erscheinen Hafenreffers Voten von 1600 und 1603 im Licht der älteren ‚Vorgabe‘ Gerlachs? (1.) Hinsichtlich der materialen Bestimmungen der drei Realgenera nimmt Gerlach den 7 Jahre jüngeren zweiten Entwurf Hafenreffers vorweg. Er kennt ein eigenständiges idiopoietisches Genus, das nicht im Rahmen der Prädikation „de tota persona“, sondern als gegenläufiges Korrelat der communicatio Majestatis entwickelt wird. (2.) Gerlach verzichtet darauf, den nach dem Sachgeschehen der unio personalis entwickelten Entwurf mit dem abweichenden System der Konkordie auszugleichen. Zwar konzediert er das 1. genus der FC als mögliche Ergänzung der Trias der Realgenera – der diesem gewährte Status eines bloßen Appendix signalisiert ebenso wie die inhaltlichen Grenzziehungen die Sperrigkeit dieses Elements. Gerlach interpretiert das 1. FC-Genus dabei ‚authentisch‘ als Prädikation eines Idioms zwar von der ‚ganzen‘ Person, aber nur ‚nach‘ der ihm jeweils essentiell zugrundeliegenden Natur. Genau wegen dieser Gebundenheit an den jeweiligen Wesenszusammenhang bildet es keinen Vollzug von Mitteilung ab, sondern indiziert nur die Vereinigung der Naturen. – Demgegenüber behauptet Hafenreffer eine – der FC fremde – kommunikative Attribution auch an die je wesentlich fremde Natur; jedoch gelangt dieser Ansatz zu keiner eindeutigen Durchführung. 160 (3.) Der erste Entwurf Hafenreffers von 1600 scheint darin ‚radikaler‘, daß er die von Gerlach immerhin als Appendix rezipierte konkordistische praedicatio de tota persona dispositionell – zunächst – völlig übergeht. Sachlich wird dann jedoch die als erstes Genus verselbständigte ‚communicatio propriorum carnis‘ genau im Rahmen dieses Musters einer Attribution an die ‚ganze Person‘ nach einer Natur entwickelt,161 die konkordistische Grundbestimmung ist stillschweigend zumindest ‚halb‘ aufgenommen. Gerade so kordienformel nach erste Genus nur eben auch noch gelten“ (J. B AUR, 1993h, 230 [Hervorhebung B.]). 158 Die Zusammenfassung beläßt es bei der bloßen Addition: „Communicatio Idiomatum est Vnionis Personalis duarum Naturarum in Christo effectus seu consequens: quo λογος carnis assumptae proprietates, actiones & passiones sibi proprias fecit: illique vicissim Essentiae & Maiestatis suae attributa non quidem physice, realiter tamen, communicavit: gratia cuius participationis mutuae, actiones & passiones officij ad totam personam ejusque utramque Naturam pertinent: quaedam vero Vnionis causa secundum alterutram Naturam personae conveniunt & tribuuntur ...“ (64/13). 159 64/13. – S. Anm. 158. 160 Vgl. o. (D.I.) 3.2.3.2. 161 Vgl. o. (D.I.) 2.2.
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wird das innovatorische Potential des Entwurfs Gerlachs, das Konzept einer von der praedicatio de tota persona unterschiedenen, als eigenes Genus der communicatio Majestatis gegenläufig zugeordneten Idiopoiesis, verspielt. – Jedoch verwirft dann auch Gerlachs Erläuterung der Idiopoiesis (1. genus) in bekannter Weise eine Betroffenheit der natura divina ‚in seipsa‘ (18/4) durch Leiden und Tod als ‚arianisierende‘ und ‚eutychianische‘ Verdrehung der These vom Leiden (des Sohnes) Gottes selbst (15/3; 17/3f), als Verletzung der Unveränderlichkeit Gottes;162 das hier gegebene ‚ingens discrimen‘ der Naturen erfordert die modale Begrenzung der Wechselseitigkeit der Kommunikation.163 – Am Ende kann so auch Gerlach, nicht anders als Hafenreffer, die Idiopoiesis doch nur nach dem Muster der konkordistischen Attribution an die ‚ganze Person‘ explizieren.
5.4 Soweit sich sehen läßt, stellt Gerlachs Text von 1596 den frühesten Tübinger164 Versuch dar, die konkordistische Bestimmung der Idiomenkommunikation durch eine Neufassung des Lehrstücks abzulösen. Gewinne an dispositioneller und sachlicher Klarheit verbleiben aber letztlich innerhalb der Grenzen, die durch das strikt verstandene Immutabilitätsaxioms gezogen sind. Hafenreffer komponiert in seinen Entwürfen Gerlachs Einsichten in je verschiedener Weise, gelangt jedoch sachlich nicht über sie hinaus. – Welche Bedeutung hat der zweite von Hafenreffer genannte Text, der der 3. Auflage seiner Loci (1603) unmittelbar vorausgeht und seine dort vollzogene Selbstkorrektur maßgeblich angestoßen haben dürfte: die unter St. Gerlachs Präsidium am 24./25. September 1602 von M. Schaefer verteidigte II. Disputatio Opposita Scholasticorum Quorundam Erroribus, De Communicatione Idiomatum in Persona Domini nostri Jesu Christi? 162
„Quae tamen non eo torqueri patimur, quasi divina natura in seipsa passa & mortua sit: ni Arianismi & Eutychianismi tricis nos implicare velimus. Divina enim natura ut omnis mutationis Malach.3.[v.6] sic quoque passionis in se est expers: sed haec omnia Filio Dei tribuuntur, quia naturam humanam cum ejus proprietatibus & infirmitatibus per Vnionem personalem sibi propriam fecit“ (18/4). – Die so präzisierte These besagt, daß Gott gelitten hat ‚im‘ oder ‚nach dem Fleisch‘. Solche Restriktion sieht sich auch durch die biblischen Distinktionen (secundum, etc.; Röm 1,3) bestätigt (19/4). Der Wille, trotz der Grenzziehung des Immutabilitätsaxioms sachbedingt zu reden, schreibt diesen Partikeln eine doppelte Funktion zu: zunächst (primum) die Distinktion der Naturen und deren Proprietäten nach Maßgabe essentieller Identitäten (vis discernendi; 20/4); doch: „Deinde quoque connotat [vocula] causam & modum, quo Naturae assumptae propria Filio Dei adscribantur: docens haec carni primo & per se, Deo vero secundario & consequenter, propter unionem cum carne, tribui“ (21/4); so schon früher J. Andreae: „particulae illae distinctiuae non tantum naturam monstrant, cuius proprium est, quod toti personae tribuitur: sed causam quoque significant, quare alteri naturae tribuatur, videlicet, quia cum ea personaliter vnita est“ (Acta Colloquij Montis Belligartensis, 1587, 252). – Der ‚richtige‘ Versuch, die für die communicatio Majestatis entwickelte Differenzierung auf die Idiopoiesis zu applizieren, scheitert an dem Axiom der Immutabilität der göttlichen Natur. 163 „Et quamvis mutuam communicationem proprietatum in Vnione personali statuamus: ejus tamen eandem rationem esse negamus, propter ingens Naturarum discrimen. Nam divina nec evehi nec deprimi; at humana perfici & exaltari potest“ (11/2f). – Vgl. (D.I.) 2.2; 3.2.3.1. 164 Vgl. aber außerhalb Schwabens den etwas früheren Entwurf S. Gesners (u. D.II.5).
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6. Michael Schaefer 1602 Die – ganz spärliche – Literatur notiert diesen Text,165 wie auch Hafenreffer, unter dem Namen des Praeses St. Gerlach.166 Verfasser ist indes der Respondent Michael Schaefer,167 wie der ‚überlieferungsgeschichtliche‘ Befund belegt. Fünf Jahre nach der Erstveröffentlichung gibt Schaefer den Text unter eigenem Namen und jetzt explizit als Autor – im Verbund mit vier weiteren Disputationen aus seiner Feder – in seiner ‚ Ακροπολις Christianae Religionis‘ (1607) noch einmal neu heraus.168 In gemeinsamer Wendung gegen ‚verschiedene Irrtümer‘ der ‚Scholastiker‘ verteidigen die hier versammelten Texte die ‚5 höchsten Glaubensartikel‘ (unio personalis, communicatio idiomatum, Abendmahl, Rechtfertigung, Erbsünde). Den Band eröffnet eine Disputation über die Unio personalis, ursprünglich wieder unter Gerlachs Präsidium am 12. und 14. Juni 1602 in Tübingen von Schaefer verteidigt. Es ist diese Disputatio I. De Personali Duarum Naturarum in Christo Vnione169, auf die die Zählung des drei Monate jüngeren Textes über die Idiomenkommunikation als ‚II. Disputatio‘ Bezug nimmt. Beide Arbeiten sind von vornherein als zusammenhängender Entwurf konzipiert170 und bieten eine geschlossene Behandlung des christologischen Locus.171
6.1 Eine neue Stimme 6.1.1 Mit Schaefers Texten erklingt eine neue Stimme im Chor der schwäbischen Christologie – neu nicht nur in dem, was sie sagt, neu schon darin, wie sie es sagt. Ein so hellhöriger Kritiker des ‚württembergischen Dogmas‘172 wie J. Kepler hat den neuen Ton alsbald wahrgenommen. Daß Kepler über die – ihm wohl erst in der Neuedition der Akropolis bekannt gewordenen – ‚disputationes Schaeferi‘ ein ‚Examen‘ anfertigte, das er dem berühmten Mentzer vorzulegen gedachte, dürfte kein Zufall sein; mit der durch vergleichende Lektüre befestigten Einschätzung, diese von Schaefer vorgetragenen Thesen stünden in Spannung zu der ihm selbst näheren Po165
Vgl. o. Anm. 140. – Folgende Belegangaben hierauf bezogen (These/Seite). Vgl. o. Anm. 140; zu Hafenreffer o. Anm. 73 167 Michael Schaefer (1573–1608): Extraordinarius Tübingen 1604/05; 2. Hofprediger Stuttgart; FISCHLIN, Memoria II, 1709, 57ff. – Einer der theologischen Lehrer J.V. Andreaes, von diesem hoch geschätzt, vgl. R.V. DÜLMEN, 1978, 212 Anm. 35. 168 Ακροπολις Christianae Religionis, sive, Sanae et Orthodoxae Doctrinae de Summis Fidei Articulis Quinque, Assertio, Opposita Scholasticorum qvorundam Erroribus … Avctore Michaele Schaefero … Praefixa etiam est Avctoris ad S. Theologiae Studiosos Paraenesis, Tübingen 1607. 169 Dazu vgl. u. D.IV.2. 170 Ausdrücklich verweist die zweite Disputation auf den vorausgehenden Text zurück (1/2r). Die Neuausgabe von 1607 spricht von den ‚ambae illae de Persona Christi Disputationes‘, die nun conjunctim ediert würden (Ακροπολις, Paraenesis, 1607, Bl. b1 v). 171 Eigentlich nur des Teiltraktats ‚De Persona Christi‘; doch behandelt die zweite Disputation im Zusammenhang des apotelesmatischen 3. genus (182/25r–206/28 r) auch einige der scholastischen ‚De Officio Christi Errores‘ (vgl. den Titel, o. Anm. 140) und skizziert hier elementare Festlegungen über das ‚Amt‘ Christi. 172 Vgl. u. F.I.1. 166
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sition Mentzers, täuscht Kepler sich nicht.173 Auch für Schaefer gilt, was Kepler für die etwa gleichzeitigen Texte Thomas Wegelins – eines weiteren ‚innovativen‘ Christologen in Tübingen zu Beginn des neuen Jahrhunderts174 – abwehrend diagnostiziert: multas continere videbantur novationes!175 Es sind, wie im folgenden deutlich werden wird, diese Vertreter einer ‚neuen‘ Generation,176 die, in ihrer eigenen theologischen Ausbildung bereits durch die jetzt vollzogene ‚Wiederkehr der Metaphysik‘ (W. Sparn) geprägt, im Wege einer ‚ontologischen‘ Präzisierung die um 1600 stagnierende Tübinger Christologie in eine Bewegung bringen, die der nochmaligen – dann weitaus einschneidenderen – Wende von 1619ff vorarbeitet.177. 173
„... impossibile est vobiscum per omnia in illo articulo sentiat [Mentzer]“ (Brief an Hafenreffer, Prag 18.8.1610; Werke XVI, Nr. 586, Z.71ff). – Vgl. o. C.I.1.4. 174 Zu Wegelin vgl. o. C.II.2.5.3/4; u. D.I.7.1; D.III.1; D.IV.3. 175 Kepler an Hafenreffer, Prag 18.8.1610; Werke XVI, Nr. 586, Z.95–102, hier: Z.96. – Kepler kommt hier kritisch auf Th. Wegelins Streitschrift gegen den Jesuiten J. Gretser (Υπομνημα Theologicum, X. CAPITIBVS comprehensum, DE HYMNO TRISAGIO … Adversus Calumnias JACOBI GRETZERI adornatum, 1609; gegen J. GRETSER, PETRVS CNAPHEVS SEV FVLLO IN THOMA VVEGELINO, LVTHERANO THEOPASCHITA REDIVIVVS, 1609) zu sprechen, über die er ebenfalls ein ‚Examen‘ angefertigt hatte und dem Autor zu übermitteln suchte. HÜBNERs Referat dieser Vorgänge (1975, 26–28) verwirrt, wie schon im Blick auf Schaefer (C.I.1.4), die Fronten: Keineswegs unterstellt Kepler bei seiner Kritik an Wegelin das „Einverständnis“ Hafenreffers (gegen H ÜBNER, 1975, 27). Die Anmerkungen zu Schaefer und Wegelin stehen in einem Abschnitt (ZZ. 71ff), in dem Kepler – nach den zunächst dargelegten Übereinstimmungen mit den Tübingern (bes. Z.34ff, mit dem Abschluß: „Haec pro“ [(Z. 70]) – nun seinen Widerspruch zur Tübinger Position offenlegt (vgl. die Überleitung: „Contra“ [Z. 71]). Dabei geht Kepler ganz selbstverständlich von Hafenreffers Zustimmung zu Wegelins „novationes“ aus, während er selbst sich auf die Seite von dessen Kontrahenten schlägt – Gretser habe für sich die Konkordanz mit der alten Kirche, wogegen die Tübinger letztlich nichts als nur die von Luther ‚erfundene‘ ratiocinatio aufzubieten hätten (vgl. o. C.III.3.2). 176 Neben Schaefer und Wegelin ist für den schwäbischen Bereich noch Jonas Hoekker (D.I.7.2) zu nennen. Bis auf Schaefer, der kurze Zeit (1604/05) als Extraordinarius an der Tübinger Fakultät lehrte (WEIZSÄCKER, 1877, 43f), gelangt zunächst kein Mitglied dieser neuen Generation in ein akademisches Lehramt, hier dominieren noch Vertreter der vorausgehenden ‚Theorie-Generation‘: M. Hafenreffer (*1561; Prof. 1592–1619), St. Gerlach (*1546; Prof. 1580–1612), J.G. Sigwart (*1554; Prof. 1590/1605–1618), A. Osiander (*1562; Prof. 1605–1617). Zum ‚Generationswechsel‘ kommt es in Tübingen erst mit den Revirements der Jahre 1618–1620 (J. B AUR, 1993h, 255–261; o. C.I). – Wesentliche Anstöße für die ‚Neuerungen‘ gibt freilich 1595 der noch der älteren Generation angehörende S. Gesner (1559–1605; Prof. in Wittenberg 1593ff; D.II.5; D.III.5; D.IV.6; D. V.2.4.). Und in Tübingen selbst hatte Schaefers Lehrer St. Gerlach in den Jahren 1590ff die Auseinandersetzung mit der ‚scholastischen‘ Christologie aufgenommen und dabei ontologische und fundamentaltheologische Fragen nicht ausgespart (o. Anm. 143). 177 Zwischen dieser fortentwickelten Tübinger Position und Mentzer kommt es schon Jahre vor dem großen Bruch zu kleineren Auseinandersetzungen, die ex eventu als Vorgefechte des kenotischen Streites erscheinen (u. E.I.2). – Vgl. auch D.V.1/3; F.I.
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6.1.2 Was ist, noch vor den materialen Thesen, der ‚neue Ton‘, der Schaefers Arbeiten kennzeichnet? Ein entscheidendes Stichwort ist schon gefallen: In Schaefers Texten manifestiert sich der Gewinn an theoretischer Bestimmtheit, den die theologische Arbeit durch die um die Jahrhundertwende einsetzende ‚Wiederkehr der Metaphysik‘ (W. Sparn) erfährt. Dieser auffällige Vorgang innerhalb der protestantischen Schulphilosophie steht in einem teils offenen, teils untergründigen Zusammenhang mit theologischen, in Sonderheit christologischen Problemstellungen.178 Die Spitzenthesen lutherischer Christologie, die der Topos der Communicatio Majestatis sammelt, stehen in Spannung zu als solchen unbestrittenen Axiomen der tradierten (peripatetischen) Ontologie. Wo die damit anstehende Aufgabe der Verhältnisbestimmung nicht durch Flucht in die Antithetik einer ‚doppelten Wahrheit‘ in Theologie und Philosophie abgewiesen wird (Hofmann’scher Streit 1598ff),179 bemüht sich die lutherische Theologie um eine Präzisierung dieser konfessionsspezifischen Theologumena, die deren ontologische Implikate klärt resp. die bleibende Differenz zur ‚Metaphysik‘ des natürlichen Seins begründet. Auf reformierter wie jesuitischer Seite korrespondiert diesem Prozeß der Versuch, die – gemessen an der lutherischen Alternative – Restriktionen der eigenen Christologien ebenfalls auf dem neuen Diskussionsstand ontologisch zu entwickeln; diese Selbstvergewisserungen werden nach ‚außen‘ wirksam als Bestreitung der lutherischen Position mit noch einmal geschärften ontologischen Argumenten. Insgesamt führt dieser neue – ‚metatheoretische‘ – Diskurs bei allen Parteien zu einer präzisierten Erfassung des jeweiligen theologischen Propriums. Im schwäbischen Bereich sind es, soweit zu sehen, gerade Schaefers Texte von 1602, die die Aufgabe einer ontologischen Präzisierung der christologischen Theoreme gründlicher und zusammenhängend in Angriff zu nehmen. Mit der polemischen Ausrichtung dieses Unternehmens gegen die ‚Irrtümer‘ der „Scholastiker“ wählt Schaefer seinen Gegner sehr gezielt. Zwar begleitet die Auseinandersetzung mit jesuitischer Theologie – v.a. hier ortet Schaefer die aktuellen ‚scholastischen‘ Kontrahenten180 – die Entwicklung
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Dies hat im Detail SPARN, 1976, nachgewiesen; vgl. o. A.I.3.2. Vgl. das o. C.IV.2.3.3 Notierte. 180 Der Sammeledition der Ακροπολις (o. Anm. 168) gibt Schaefer eine ausführliche – „Ad omnes sincerae Theologiae, ac Purioris Philosophiae Studiosos“, zumal die Tübinger ‚Stiftler‘ (b1r) gerichtete – ‚Paränese‘ bei (Bl. b1 r–d8 v; Stuttgart 6.3.1607 [d8v]), die eigens in die Ausrichtung der zwei christologischen Disputationen einführt. Die attackierten ‚Scholastiker‘ sind, wird der Leser aufgeklärt, zunächst im historischen Sinn des Begriffs jene mittelalterlichen Theologen, die mit Ausnahme nur des trinitätstheologischen Locus „omnes fundamentales Articulos“, v.a. Christologie und Rechtfertigungslehre – „praecipue salutaria Fidei Capita, de Persona Christi, ac Iustificatione Peccatoris (ARCEM Christianismi vtrvmque meritissimo vocaueris)“ – depraviert hätten (b2 r). Diese finstere Epoche schien überwunden, „posteaquam Megalander Lutherus, squalore, puluere & coeno hoc Scholastico obsita Biblia in lucem Cathedras & Ecclesiam reduxit“ (b2 r). Doch: „Veruntamen quid quaeso fuit vnquam, nisi quod porro futurum est? nihil enim sub sole noui“ (b2 r) – auch ‚heute‘ verteidigen ‚einige‘ die scholastische Theologie und deren Irrtümer (b2v). Zu diesen ‚neuen Scholastikern‘, Schaefers aktuellen Gegnern, zählen einmal die ‚moderni Jesuitae‘, daneben zweitens die Calvinisten: lehrten letztere im Blick auf die Rechtfertigung zugestanden ‚besser‘ als die Jesuiten, teilten sie mit diesen gleichwohl den christologischen Irrtum, womit in der Konsequenz so doch die Rechtfertigungslehre Schaden nehme („cuius [doctrinae de Persona Christi] puritate sublata, 179
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schwäbischer Christologie schon auf früheren Stufen; J. Andreaes Auseinandersetzung mit dem Ingolstädter Gregor de Valentia,181 St. Gerlachs literarischer Schlagabtausch mit dem Mainzer J. Busäus182 wären hier zu nennen. Aber was bis dato als Problematik eher nur gestreift wird,183 das macht Schaefer zum eigenen Thema. In einer ‚metatheoretischen‘ Wendung sucht er die Auseinandersetzung mit der hinter der kontroversen Sachposition vermuteten fundamentaltheologischen Fixierung, die den Zugriff auf den theologischen Gegenstand reguliert; innerhalb dieses weiter gezogenen Horizontes wird die materiale Differenz formuliert und ausgetragen. Die Debatte mit der ‚neuscholastischen‘ (i.e. jesuitischen) Partei führt Schaefer darüberhinaus auch zur Auseinandersetzung mit den dort tradierten Argumenten der klassischen (Spät)Scholastik selbst. Und weiter: Schaefer arbeitet daneben auch eine Hypothek der eigenen Tradition ab. Die 1565 von Jacob Schegk erbetene ‚philosophische‘ Apologie der durch Brenz neu orientierten schwäbischen Christologie hatte auf zentrale Theologumena der scholastischen Christologie, v.a. G. Biels, zurückgegriffen – im Ergebnis formulierte sie ein Dementi des vorgeblich Verteidigten, welche Diastase allerdings zunächst lange Zeit kaum durchschaut wurde und erst im Eklat von 1585 endgültig zu Tage trat.184 – Schaefers Texte intendieren nun eine Klärung in der Sache auf dem durch die Argumente des Kontrahenten gesetzten Niveau.
Die fundamentaltheologische Weiterung der christologischen Debatte ist in den Disputationen von 1602 immer wieder schon an den materialen Argumenten ablesbar. Ihre Motive und Themen eigens und zusammenhängend skizziert hat Schaefer dann in jener der Neuedition von 1607 vorangestellten ‚Paränese‘.185 – Dieser unbekannt gebliebene Text ist zunächst vorzustellen (6.2), bevor dann Schaefers inhaltliche Neubestimmung der Idiomenkommunikation in den Blick genommen wird (6.3). 6.2 Fundamentalchristologische Abgrenzungen 6.2.1 Als gemeinsame Wurzel der materialen Irrlehren, mit denen alte wie neue ‚Scholastiker‘ die Kirche verheeren,186 identifiziert Schaefer ein dort verfolgtes methodisches Verfahren ([novum] docendi genus; b2r), das seinerseits Folge und Ausdruck einer fundamentaltheologischen Fehlorientierung ist. Dieses Verfahren besteht in der Verknüpfung theologischer (aus der Schrift gewonnener) und philosophischer (aus der Vernunft und ihren etiam articulus de Iustificatione labefactatur“; b2v). – Zum größeren Kontext dieser ‚charismatischen Stilisierung‘ der Person Luthers als ‚heilsgeschichtlicher‘ Zäsur in einer Geschichte von Verfall und Erneuerung, wie sie nach Anfängen bereits in der Mitte des 16. Jh.s mit dem ersten Reformationsjubiläum von 1617 eine intensive Verdichtung erfahren wird, vgl. P OHLIG, 2007, 100–132, bes. 107–117; 405–417; vgl. auch K AUFMANN, 2010. 181 J. ANDREAE, Confutatio DISPVTATIONIS GREGORII DE VALENTIA, 1583. 182 ST. GERLACH, Assertio PIAE SANAEQVE DOCTRINAE DE DIVINA MAIESTATE CHRISTI HOMINIS, 1585. 183 Vgl. etwa die o. Anm. 143 notierten Texte St. Gerlachs. 184 Vgl. zum Vorgang das u. (D.I.) 6.3.3.1 Notierte. 185 Schaefer, Ακροπολις, 1607, Bl. b2r–c7r/d8 v; folgende Belege hierauf bezogen. 186 „Ecclesiae ... Dei plurimum sua doctrina nocuerunt ...“ (b2r).
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Prinzipien geschöpfter) Argumente im theologischen Diskurs (b2r). Diese Mischung des unvereinbar Gegensätzlichen187 zeitige ein desaströses Ergebnis. Es komme nicht zur angezielten produktiven Synthese von Schrift und Vernunft, die das theologische Datum durch Erhebung der es konstituierenden Gründe für das Denken erhelle.188 Vielmehr geraten beide Erkenntnisprinzipien in ein Konkurrenzverhältnis, – und aus diesem Konflikt geht die Vernunft als eindeutige Siegerin hervor, wie verschleiert ihr Triumph auch immer sein mag: Ihre Axiome avancieren zum hermeneutischen Kriterium des biblischen Zeugnisses, das nur noch sagen darf, was innerhalb dieser ‚Grenzen der Vernunft‘ gedacht werden kann.189 Gegen dieses Diktat der Vernunft (rationis dictamen; b5r), dessen Kehrseite die Abwertung des assertorischen Schriftzeugnisses und des darauf ohne Vorbehalt vertrauenden Glaubens sei,190 setzt Schaefer ein emphatisches Plädoyer für das ‚Schriftprinzip‘: Verpflichtende Norm (dux; regula) für Glauben und Leben des Christen ist ‚allein‘ das ‚klare‘ Wort Gottes; und diese Autorität erwächst dem biblischen Zeugnis nicht erst aus der rational durchsichtigen Begründung seines Inhalts, sondern kommt ihm bereits aufgrund der Formalbestimmung göttlicher Urheberschaft zu.191 Schaefers Contra erschöpft sich freilich nicht in einer schlichten Umkehrung des scholastischen dictamen rationis in den exklusiven Primat der Schrift. Die gegnerische Polemik greift zu kurz, wenn sie den Rekurs auf die ‚simplicitas Verbi & Fidei‘ als Flucht in einen vernunftfeindlichen, sich selbst absolut setzenden und darin orientierungslos werdenden Fideismus karikiert: „Quod non capis, quod non vides, inquiunt Vbiquitarij, id animosa firmat Fides“.192 Ein in dieser Weise ‚blinder Glaube‘, weiß und sagt auch Schaefer, lieferte sich statt der prätendierten Objektivität des göttlichen Wortes gerade der ungewissen Norm menschlicher ‚Subjektivität‘ aus – diese kriterienlose Akzeptanz mensch-
187 „corruptam Philosophiam S. Theologiae, stercus puta nobilissimo auro, tenebras luci, mendacia veritati miscuere [Scholastici]“ (b2r). 188 Vgl. die kritische Wertung des „omnium quaesitorum in Theologia & S. Scriptura causas expetere“ (b5 r; zum Kontext vgl. u. Anm. 191). 189 „Rationis principia in Judicium tanquam Veritatis coelestis mensuras [aduocare]“ r (b5 ). 190 „... contemnunt Scholastici Verbi ac Fidei simplicitatem“ (b4 v). 191 „... ne in Articulis salutem aeternam hominum spectantibus, sensuum nostrorum ne rationis nostrae, Verbo DEI carentis, dictamen, ne communissima etiam Rationis principia in Judicium tanquam Veritatis coelestis mensuras aduocemus: ne, quae clarissimis scripturae asserevationisbus extant diuinitus tradita, eam ob causam, quod rationis humanae (vtcunque alias certissimis) principiis aduersentur, improbe abijciamus: neve omnium quaesitorum in Theologia & S. Scriptura causas expetamus: Sed unicum spectemus DEI Verbum, Ducem & Regulam Fidei ac vitae nostrae: cui etiam sine assignata dictorum ratione propter Auctorem Deum sit credendum ...“ (b5r). 192 So Schaefers Referat, Bl. b4v. – Das polemische Etikett ‚Vbiquitarij‘ verweist auf den christologischen Kern der fundamentaltheologischen Kontroverse – analog richtet D. Hofmann seine Kritik (binnenlutherisch) an die „patroni ubiquitatis“ (S PARN, 1979, 72).
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licher Autorität wäre weder Glaube noch Einfalt, sondern schlicht Dummheit.193 Davon sieht sich Schaefers allerdings eindeutige Bestimmung des Gefälles von Schrift und Vernunft weit geschieden: ihr gilt als gewiß, daß die als exklusives Erkenntnisprinzip beanspruchte Schrift aus sich heraus ‚klar‘ ist – den Gegenstand des Glaubens „durch völlig klare Behauptungen“194 eindeutig zur Darstellung bringt.
6.2.2 Diese der scholastischen Praxis konträre Zuordnung von Schrift und Vernunft gilt Schaefer nicht als nur theologische Differenzbestimmung, die dem Kontrahenten im übrigen das philosophische Feld kampflos überließe. Gegenüber einer solchen (im doppelten Sinn:) ‚Lösung‘ des Verhältnisses von theologischer und philosophischer Wahrheit, die als binnenlutherische Alternative zeitgleich die um D. Hofmann gruppierten Theologen verfechten,195 bestreitet Schaefers theologischer Einspruch dem Gegner auch das philosophische Recht. Damit ist die Aufgabe gestellt, die bisher nur unterschiedenen Disziplinen samt ihren divergenten Erkenntnisprinzipien jetzt auch positiv ins Verhältnis zu setzen. 6.2.2.1 Schaefers Klärung setzt an bei einer Differenzierung im Philosophiebegriff selbst, die ‚richtige‘ (reine; ernsthafte) und ‚falsche‘ Philosophie kontrastiert.196 Wo immer die Philosophie es unternimmt, aus der Schrift gewonnene theologische Sätze einzuschränken oder zu bestreiten, da handelt es sich um ‚philosophia falsa‘, eine ihre Grenzen (termini; vgl. c6v/7r) vitiös überschreitende Philososphie, – um deren ‚Mißbrauch‘ durch den konkreten Philosophen.197 Das in dieser Antithese rechter und falscher Philosophie implizierte Postulat der Konkordanz theologischer und philosophischer Erkenntnis, d.h. der Einheit aller wahren Erkenntnis, wird eingeholt in einer differenzierten Zuordnung von Theologie und Philosophie: (1.) Negativ in beider genauer Unterscheidung als je für sich selbständiger Disziplinen mit je spezifischem Gegenstandsbereich (Natur;198 Offenbarung199) und Erkenntnisprinzip; diesem zweiten Kriterium einer selbständigen Disziplin entspricht die Theologie mit dem notierten Rekurs auf die Schrift und die darin proponierten ‚klaren Behauptungen‘ des göttlichen Willens und Tuns als dem ihr eigentümlichen und eigenständigen, da von den principia rationis der Philosophie unabhängigen Erkenntnisprinzip.200 Dieser 193
So die deutliche Abgrenzung: „Nolumus sane nobis quicquam asserentibus quicquam simpliciter credi. Haec enim non fides, nec simplicitas, sed quaedam est stoliditas, in causis & negotio salutis maximo, hominum sententijs, dictis & auctoritate niti“ (b4v). 194 „clarissimis scripturae asseverationibus ...“ (b5r, vgl. o. Anm. 191). 195 Vgl. o. C.IV.2.3.3. 196 corrupta Philosophia (b2 r); vera philosophia (c3r), sincerior philosophia (c6r). 197 „Tatsächliche Widersprüche der Philosophie zur Theologie dürfen daher nicht der Philosophia sobria, sondern müssen der Person des Philosophen, seinem Irrtum oder seinem Übelwollen zugerechnet werden; sie werden | unter den Formeln vitiosa applicatio oder abusus illegitimus neutralisiert“ (SPARN, 1976, 14|f; bezogen auf B. Meisner; Kursivierungen Sp.) 198 ‚in (universa) Natura‘ (b6 v, b7r.v, b8 v). 199 Scripturae asserevationes; diuinitus tradita (b5r); DEI oraculis promulgata (b5 v). 200 Vgl. (D.I.) 6.2.1. – Vgl. hier auch die an die Konkordienformel – „Von dem summarischen Begriff, Grund, Regel und Richtschnur, wie alle Lehr nach Gottes Wort geurteilt … werden soll[…]“ (BSLK 833–839, hier: 833,1–8) – anschließende fundamental-
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
insoweit theologisch regulierte Dualismus ist auch aus Sicht der Philosophie nicht problematisch: Schaefers Kritik der ‚scholastischen‘ Verknüpfung heterogener Erkenntnisprinzipien als vitiöser μεταβασις εις αλλο γενος (c2 v), positiv: die Forderung der Homogenität der in einer Disziplin gehandhabten Prinzipien, Beweise und Argumente erinnert nur ein genuin philosophisches Postulat.201 – Diese Verhältnisbestimmung von Theologie und Philosophie meint dann weiter (2.) positiv die schon berührte asymmetrische Zuordnung beider Disziplinen, die Schaefer im Rückgriff auf den traditionellen Topos formuliert: Die ‚wahre Philosophie‘ herrscht nicht über die Theologie – dies die scharf getadelte scholastische Depravation –, sondern ist der Theologie dienend zugeordnet: „[sincera philosophia ...] S. Theologiae non dominatur, sed ancillatur“ (c5v). 6.2.2.2 Mit dieser These der ancilla theologiae ist der neuralgische Punkt im Blick. Problematisch ist noch nicht der näherhin positive Aspekt dieser Zuordnung, 202 die Nutzung des durch die Philosophie erarbeiteten natürlichen Wissens durch die Theologie zu deren Zwecken; diesen Zusammenhang streift Schaefer, wenn er die ‚sincera philosophia‘ als nicht genug zu preisende Gottesgabe,203 ja als göttliche Wahrheit204 den Tübinger Studenten nachdrücklich anempfiehlt. Der Streit betrifft die negative Konsequenz der von theologischer Seite eingeforderten Unterordnung: Im Fall der Kontradiktion theologischer und philosophischer Sätze hat – in Umkehrung der scholastischen Praxis – die auf die natürliche Wirklichkeit beschränkte Philosophie der durch das ‚höhere‘, da übernatürliche Erkenntnisprinzip verbürgten Feststellung der Theologie zu weichen. 205 Vollständig wird Schaefers Position auch hier wieder dadurch, daß diese Forderung nicht einer theologisch legitimierten ‚Unterdrückung‘ philosophischer Wahrheit das Wort redet. Gegenüber dieser in D. Hof(f)manns Behauptung einer duplex veritas allerdings implizierten und ausdrücklich bejahten Annahme 206 zielt die von Schaefer repräsentierte lutherische Mehrheitsthese der Einheit allen wahren Wissens auf jenes Postulat, das die Unterscheidung wahrer und falscher Philosophie schon grundsätzlich andeutet: Das theologisch Falsche ist auch philosophisch nicht wahr,207 – und diese Konkordanz hat die Philosophie aus ihren eigenen Prinzipien, nicht als bloße Übernahme eines theologischen Diktats, darzutun. Sie tut dies durch die – philosophische – Limitation ihrer eigenen Prinzipien; durch den Nachweis, daß diese Prinzipien nicht schlechthin universal, sondern auf den der Philosophie eigentümlichen Bereich des natürlich Wirklichen beschränkt sind
theologische Bestimmung der Hl. Schrift als des ‚Prinzips‘ der Theologie, die etwa zeitgleich zur Ausbildung eines eigenen Locus De scriptura sacra führt: HÄGGLUND, 1951, 64f; SPARN, 1976, 25. 30; NÜSSEL, 1996, 19f; (Texte:) RATSCHOW, 1964, I, 71–131. 201 Vgl. SPARN, 1976, 16; mit Verweis auf ARISTOTELES, Anal. Post. I,7. 202 Zu dieser Differenzierung und zum folgenden vgl. SPARN, 1976, 15. 203 „pro praeclaro & utilissimo Dei dono permagno suo merito ... agnoscamus“ (c6v). 204 „Philosophia intra terminos suos manens, est VERITAS DEI“ (c6v/7 r; mit Verweis auf die hier ‚klassischen‘ Belege Röm 1,18.25). 205 Vgl. die o. Anm. 191 zitierten ‚Antithesen‘ (b5r). 206 „rationalis et spiritualis veritas differunt ut veritas et falsitas“: Als Christ negiert der Philosoph die Wahrheit der Philosophie, sofern diese theologischer Wahrheit widerspricht; diese ursprüngliche Antithese wird aber nicht an sich vermittelt, sie bleibt als solche bestehen und wird nur durch die ‚gewaltsame‘ Distanzierung der Philosophie entschieden: „ cedente Philosopho, non cedit Philosophia, quae conqueritur sibi a possessore vim inferri“ (D. HOFMANN, Pro duplici veritate, 1600, 17.18). Vgl. SPARN, 1979, 65f. 207 Die verfehlten dogmata der konfessionellen Kontrahenten widersprechen nach Schaefer „& Theologiae & sinceriori Philosophiae“ (c5 v).
I. Die Revision der konkordistischen Idiomenkommunikation
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und darum nicht als negatives Präjudiz der Möglichkeit einer übernatürlichen Erweiterung von Wirklichkeit beansprucht werden dürfen. Indem so die Philosophie selbst daran geht, in erkenntnistheoretischer Klärung der Reichweite ihres Erkenntnisprinzips die Grenzen des für sie Wißbaren zu bestimmen, spart sie ‚negativ‘ den Raum für das theologisch behauptete übernatürliche Datum aus, – ohne dieses allerdings als philosophisch möglich in positiver Weise in ihr System integrieren zu können.208
6.2.3 Diese der Philosophie selbst zukommende Aufgabe der Limitierung nimmt Schaefers theologisches Votum folgerichtig nicht in Angriff. Dem Theologen verbleibt allerdings das positive Gegenstück des Unternehmens. Zwischen den konfessionellen Parteien strittig ist nicht die in der ancilla theologiae-Formel verdichtete grundsätzliche Verhältnisbestimmung, sondern die Frage, hinsichtlich welcher theologischer Positionen diese zum Tragen kommt. Konsequent macht sich Schaefer daran, nachzuweisen, daß die strittige theologische res – die Person Christi – von schlechthin singulärer ontologischer Struktur sei. Dies geschieht im Rückgriff auf Kategorien der philosophischen Logik und Ontologie; Ziel ist eine Konturierung des theologischen Datums via negativa. Dieses Verfahren sieht Schaefer aufgenötigt durch die ‚scholastische‘ Regulierung christologischer Sätze nach philosophischen Prinzipien, der auf diesem Feld begegnet werden muß (c5v). Unverkennbar aber dient der Rekurs auf philosophische Begriffe auch dazu, die positive Intention und die Kohärenz der eigenen theologischen Position präziser zu formulieren.209 Mit dieser doppelten Zielstellung unterzieht sich Schaefer der theologischen Aufgabe, die Inkommensurabilität des christologischen Datums relativ zu allem natürlichen Seienden im Medium philosophischer Kategorien darzustellen. Seine These: Das ‚μεγα mysterium‘ (b6r – 1.Tim 3,16) der Vereinigung von Gott und Mensch ist schlechthin neue, einzigartige Setzung Gottes – plane NOVUM, εξαιρετον και μονοτροπον τι (b6v; Jer 31, 32); die so konstituierte Einheit der Person Christi entzieht sich jeder Einordnung in die reguläre Ontologie des Natürlichen. Gerade die philosophische Perspektive führt nicht auf die scholastische Synthese, sondern bringt die unaufhebbare Differenz des theologischen Datums vor Augen – eine konsequente ontologische Rückfrage demonstriert, „quam ab omni Natura remotum sit hoc de Persona Christi Mysterium“ (b6v). 6.2.3.1 Diese pauschale These spezifiziert Schaefer, indem er die einzelnen ‚Geheimnisse der Person Christi‘ (b6 v), die christologischen „Paradoxa“ (b8r), d.h. die gemessen an den natürlichen Mustern logischen und ontologischen Irregularitäten der Personeinheit, eingehender auflistet.210 Diese Paradoxien gruppieren sich näherhin um einen Themenkreis: 208
Die göttlichen ‚Mysterien‘ „non αποδεικτικα, sed duntaxat Verbo DEI πιστα existant“ (c1 r). Vgl. gleich im Text, 6.2.3.2/3. 209 Vgl. dazu auch u. D.V.2(.2). 210 v r Ακροπολις, 1607, Paraenesis, b6 –8 . – Vgl. auch die thematische Ausarbeitung in Schaefers Disputation über die unio personalis (u. D.IV.2.).
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
Die christologische Synthese von Gott und Mensch läßt sich keinem regulären Muster der Konstitution natürlicher Ganzheiten analogisieren. Die Beziehungen des christologischen Totum (Person) zu seinen Teilen (Naturen) und der Teile untereinander differieren von den Verhältnissen wesentlich oder akzidentell konstituierter Synthesen; dieselbe Differenz gilt für die logische Struktur der jeweiligen Prädikationen. M.a.W.: Die christologische Personeinheit entzieht sich der – ‚natürlicherweise‘ vollständigen! – Alternative wesentlichen oder akzidentellen Seins.211 6.2.3.2 An diesem schlechthin singulären Status der Person Christi muß der scholastische Versuch scheitern, die christologischen Sätze auf dem Weg der Analysis demonstratiua (c2 v), im apodiktischen Schluß, zu beweisen. Das analytische Demonstrativverfahren – nach der aristotelischen Wissenschaftskonzeption das Beweisverfahren der (theoretischen) Wissenschaften im strengen Sinn – ‚demonstriert‘ die einem Seienden prädizierten Bestimmungen als diesem kraft spezifischen Wesens, darum universal und immer zukommende Kennzeichnungen. Es logisiert die Prädikate als accidentia propria oder affectiones (operationes) propriae, die ihrem Subjekt notwendig zu eigen sind; gegenläufig begrenzt es das streng Beweisbare auf das aus dem identischen Wesen des Seienden, dessen konstitutiven Prinzipien notwendig zu Folgernde.212 6.2.3.3 Die spezifisch christologischen Aussagen sind mittels dieses identisches Wesen explizierenden Verfahrens nicht einzuholen – nicht „accurata ... αναλυσει“ (c1 r) zu demonstrieren. Die notwendige Voraussetzung solch accurata αναλυσις – durch homogenes Wesen konstituierte Identität (ein wesentlich identisches Subjekt [essentiƗ unum; c1 r]; der im identischen Wesen begründete reziproke Konnex von propria und Subjekt [c1 r–c2 r], die Gültigkeit der allgemeinen Prinzipien des Seins [Entis communissima principia; c2r.v]) – all dies ist nicht gegeben, wie Schaefer im Rückgriff auf die notierten christologischen Paradoxa geltend macht. Die Person Christi ist zwar unstrittig ‚eines‘, dies aber ‚nur‘ als Verbund zweier wesentlich bleibend verschiedener Substanzen (Naturen), die als disparate voneinander prädiziert werden;213 die Person bleibt für sich selbst ohne eigenes Wesen. Dies hat zur Folge, daß dieser Person beigelegte Prädikate nicht von ihrem wesentlichen Träger prädiziert werden – dies bleibt allein die jeweilige Natur, die aber wiederum nicht mit dem kategorialen Subjekt der Person identisch ist. Aussagen, die den ‚Leges demonstrationis‘ (c1 v) genügen, sind zwar im christologischen Zusammenhang nicht ausgeschlossen. Doch dieser Fall – die Prädikation der propria (naturarum) von deren jeweiligen prima subjecta, d.h. der jeweils zugrundeliegenden Natur – erreicht als solche reguläre analytische Wesensprädikation gerade nicht die besondere Problematik, die mit dem biblischen Zeugnis von der unio und communicatio des wesentlich Verschiedenen gestellt ist (c1 v). Die für die Idiomenkommunikation charakteristische Prädikation eines Idioms von der je anderen, wesentlich fremden Natur Christi widerspricht dem analytischen Muster diametral; diese These kollidiert mit dem logischen Begriff des Propriums als eines allein und ausschließlich seinem wesentlichen Subjekt Zukommen-
211 „Nuspiam quicquam est in Natura compositum, cuius compositionis Modus non sit vel Essentialis, vel Accidentalis. At in Christo, licet compositus, & ex duabus Naturis constitutus sit, neuter tamen locum habet“ (b7r). – Vgl. dazu weiter u. D.IV.2.2(.1). 212 Vgl. SPARN, 1976, 15f. 24f. 34–36. 213 „Et quod longe maximum & singularissimum est, nuspiam ita singularis Natura de singulari Persona, & vicissim, singula|ris persona de singulari Natura, praedicari & enunciari potest: Sicut hoc in loco, quo Deus esse Homo, & Homo esse Deus dicitur: cum nihilominus praedicata de se inuicem etiam τη ουσια differant“ (b7 r.|v). – Zu dieser Frage der (a)logischen Struktur christologischer Prädikationen vergl. im Detail u. E.I.3.
I. Die Revision der konkordistischen Idiomenkommunikation
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den. Die christologischen Aussagen explizieren nicht die Bezüge einheitlichen Wesens und können nicht nach dessen Maßgabe begründet oder hermeneutisch restringiert werden. Sie sind bleibend allein der Vorgabe der Schrift zu entnehmen: „non αποδεικτικα, sed duntaxat Verbo DEI πιστα existant“ (c1r).
Schaefers Ausgrenzung des christologischen ‚Mysteriums‘ als eines ontologisch irregulären (‚paradoxen‘) Verbandes zweier Substanzen formuliert als philosophische Differenzbestimmung, was die Theologie positiv in der Entfaltung der Hauptbegriffe des christologischen Locus, der unio personalis und der communicatio Idiomatum, darlegt. Eben diesen Themen gelten Schaefers christologische Disputationen aus dem Jahre 1602, die die ‚Paränese‘ von 1607 ‚hermeneutisch‘ einordnet. Im folgenden werden nun diese Texte zu prüfen sein, am gegenwärtigen Punkt der Untersuchung zunächst die Disputation über die Idiomenkommunikation. 6.3 Schaefers Begriff der Idiomenkommunikation 6.3.1 Die Gesamtkomposition Die Schlußthese resümiert das Ergebnis der umfangreichen214 Disputation: „... quatuor genera Communicationis, ex Scriptura hucusque tradita, Ordine quasi Naturali se inuicem sequuntur. In primo enim docetur, Quod Filius DEI assumendo Hominem, sibiipsi Naturam Humanam eiusque attributa appropriarit. Et quod vicissim (vt in secundo genere demonstratur) Homini assumpto sua propria communicarit. Ad tertium Genus referuntur ea, quae Personae CHRISTI, ex DEO & Homine constitutae, secundum vtramque Naturam adscribuntur. Et denique in Quarto exprimitur: Quid huic personae compositae, secundum alterutram Naturam conueniat“.215
Dieses Konzept entspricht in der Makrostruktur der aus Gerlachs Text von 1596 bekannten Disposition.216 Orientiert an dem ordo naturalis der Kommunikation – der für Hafenreffers Selbstkorrektur von 1603217 entscheidende Gesichtspunkt wird hier ein Jahr früher benannt – differenziert Schaefer vier Genera, die sich noch einmal in 2 Paare gruppieren: (1.) In der inkarnatorischen Annahme (assumptio) der natura humana eignet sich der Gottessohn zugleich auch alle Attribute dieser Menschheit an (appropriare; 3/2r[–30/5 r]). – (2.) Der Appropriation korrespondiert gegenläufig (vicissim), als die andere Seite der inkarnatorischen Zuwendung, die Mitteilung (communicatio i.e.S.) der göttlichen Idiome an die menschliche Natur (31/5r[–181/25 r] [!]).
Mit diesen zwei Genera ist die Konstitution der unio personalis hinsichtlich der ‚Effekte‘ für die Naturen vollständig entfaltet. Die nun noch weiter folgenden Genera rubrizieren jene Prädikationen, die die schon konsti214
236 Thesen auf 61 S. Quart. 236/31 v–32r (Paragraphierung U.W.). 216 Vgl. o. D.I.5.1. 217 Vgl. o. D.I.3.2. 215
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
tuierte ganze Person (tota persona composita) zum Subjekt haben. Sie halten fest, (3.) was dieser Person nach beiden (secundum utramque) Naturen zugeschrieben wird – sc. die apotelesmatischen Akte des Officium (182/25 r.v[–206/28 r]); und (4.) was der Person nach nur je einer (secundum alterutram) Natur beigelegt wird (207/28v[–235/31 v]).
Die bewegte Diskussion innerhalb der Tübinger Christologie am Beginn des 17. Jh.s spiegelt der Umstand, daß die Disputation über die Idiomenkommunikation in der Sammeledition von 1607218 eine im Umfang etwas erweiterte, v.a. jedoch dispositionell veränderte Fassung erhält. Die Darlegungen zum (1602:) 4. genus rücken jetzt an die Spitze (1607: Th. 10–38 [/40]); dann folgen die 1602 an erster bis dritter Stelle gezählten Genera in unter sich nicht variierter Anordnung (1607: Th. 41–274). Die darüber hinaus begegnenden Erweiterungen219 gelten einem Thema: Sie klären das Verhältnis zur divergenten Disposition der Konkordienformel, die der Text von 1602 völlig ignoriert hatte. Schaefers nachgeschobener Ausgleichsversuch vertritt die durch breite Zitate der einschlägigen Passage220 unterlegte These, im 1. genus der FC seien die in der eigenen Disposition separierten Genera der Praedicatio de tota persona secundum alterutram naturam und der Appropriatio in einem einzigen Komplex zusammengefaßt (1607: Th. 3b–8) – die Unterscheidung von 4 Genera biete so eine nur formell klarere, sachlich aber identische ‚Erklärung‘ der symbolischen Festlegungen. Kurz: Mit Rücksicht auf die FC nimmt Schaefer seine ursprüngliche Disposition zurück auf den, gemessen am Kriterium des ordo naturalis, weniger konsequenten Entwurf, den die 3. Auflage der Loci Hafenreffers von 1603 vorgetragen hatte. Damit schließt sich ein Kreis: Hafenreffers Selbstkorrektur von 1603 ist offenkundig angestoßen durch Schaefers Text von 1602, den sie aber zugleich modifiziert;221 diese Modifikation seines eigenen ersten Entwurfs durch Hafenreffer rezipiert Schaefers Neuedition; eine Reverenz gegenüber dem offiziellen Lehrbuch der Tübinger Fakultät, vielleicht auch Reaktion auf Irritationen, welche die unvermittelte Alternative zur konkordistischen Norm ausgelöst haben mag. Die folgenden Ausführungen legen die Erstfassung von 1602 zugrunde, notieren aber signifikante Abweichungen der Neubearbeitung. Dabei werden die hier nicht thematischen – wenngleich wegen ihrer Auseinandersetzung mit einer problematischen Linie der Tübin218
Vgl. o. Anm. 168. Keine Entsprechung in der Erstfassung haben in der Neubearbeitung 1607 die Abschnitte: Th. 3b–8; Th. 38f; Th. 43–46; Th. 48–66; Th. 92–95. 220 1607, Th. 5 (p. 49–53) zitiert FC SD VIII 36–45. Vgl. weitere Bezüge auf: SD VIII 38 (Th. 50.51), 39 (Th. 53), 40 (Th. 58); 41 (Th. 54.61), 42 (Th. 57), 44 (Th. 59.60). 221 Hafenreffers einleitende Analyse des Inkarnationsgeschehens gelangt genau auf die von Schäfer 1602 vertretene Sequenz und ändert diese erst anschließend im Blick auf die Konkordie: vgl. o. (D.I.) 3.2.1 mit 3.2.2. 219
I. Die Revision der konkordistischen Idiomenkommunikation
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ger Tradition (Schegk!) interessanten – Darlegungen zum metapoietischen (2.) und apotelesmatischen (3.) Genus übergangen222 und nur die Aussagen zum 1. und 4. Genus unter-
222
Vgl. 1602b, 31/5r–181/25 r(!) bzw. 181/25r–206/28 r. – Lediglich zwei für das Verhältnis zur nochmaligen Tübinger Revision von 1619ff wichtige Punkte seien notiert. (1.) Im Blick auf die Teilhabe der Menschheit an der göttlichen Allgegenwart (71/12r–88/13 v) betont Schaefer zwar, im faktischen Anschluß an Ä. Hunn, den Charakter der Assumptio als Aufnahme in die Illokalität der Logoshypostase (73/12r), beansprucht diese aber zunächst dezidiert als Modus des raumüberlegenen Daseins in loco: Gegen alle Separierungsversuche nicht allein der konfessionellen Kontrahenten, sondern auch ‚einiger, die mit uns übereinzustimmen scheinen‘ (82/13r; gemeint ist hier v.a. J. Schegk mit der These einer Ubiquität der Menschheit nicht localiter sondern personaliter; vgl. C.II.2.2.1.4), dringt Schaefer auf den konstitutiven Zusammenhang von ‚Ontologie‘ und Weltpräsenz: „Verum, quia hoc personalis su[b]sistentiae modo, Humanitas in λογον evecta, & extra omnia loca & spacia ipsi vnita est: nullius etiam loci respectu a λογω distat“ (74/12 r); „quod [humanitas] nullius loci gratia ab ipso [Filio Dei] segregata, & sic vbique existens, non localiter tamen, id est, nullo locali, Naturali & Physico modo, sit vbique, sicut etiam ipse filius DEI est in omnibus locis, sed illocaliter, nullo locali modo“ (86/13 v). Nur – wo es dann im Blick auf die Verhältnisse des Status exinanitionis zum Schwur kommt, konzediert auch Schaefer die übliche statusrelative Differenzierung der Majestas: „Porro; Majestas haec humanitatis differentiam quandam suscipit, respectu status exinanitionis, eique oppositi status exaltationis … Quamuis enim, sicut vnio, ita quoque Idiomatum του λογου Communicatio (ratione actus pri|mi definita) eadem fuerit in vtroque statu; tamen Filius Dei gloriam suam (ratione actus secundi) per humanitatem nec semper, nec semper manifeste, nec plenarie exeruit; sed vsum eius respectu Humanitatis quasi ad tempus retraxit, & varijs infirmitatibus (peccatorum nostrorum poenis) obtexit“ (136/19 v.|20r); „Suas vero proprias operationes Filius Dei humanitati communicat tanquam organo personaliter proprio; quo in statu exinanitionis opus Redemptonis, in statu vero gloriae jam vniuersa vniversalis dominij & gubernationis opera perficit“ (133/19 v; vgl. 139/20r, 144/ 20 v–21 r; 146/21r). Hinsichtlich der Allgegenwart kommt es dann, konträr zu den grundsätzlichen Festlegungen, zur Hunn’schen Diastase, wenn auch Schaefer nun doch ein illokales Sein der Menschheit zum Logos (sibi) von der erst mit der Erhöhung gesetzten Teilhabe an dessen allgegenwärtigem Weltregiment unterscheidet: „Hac sessione ad dextram Dei consequuta est Humanitas, vt Filius Dei ipsam non tantum extra omnia loca vbique sibi praesentem habeat: verum etiam cum illa & per illam Creaturis omnibus in | dextera Dei praesentem, omnipraesenter & omnipotenter dominetur (158/22r.|v; zu Hunn vgl. [C.] Anm. 641). – (2.) Mit dieser Festlegung wird zugleich eine andere wesentliche Einsicht ‚neutralisiert‘, die Schaefer, erneut in – anonymer – Wendung gegen J. Schegk, vorträgt. Scharfsichtig benennt Schaefer die in Schegks Konzept einer nur ‚psychologisch‘ vermittelten (conscientia Mentis, conformitate Voluntatis; vgl. dazu Anm. 834) ‚Teil-Habe‘ der Menschheit Christi am Tun des Logos (99/14 v–15 r; – statt der biblisch geforderten seinsmäßigen Partizipation: τω ειναι hypostatico/secundum ESSE personale, nicht nur ‚habendo‘; 124/18r–132/19 r.v) implizierte Reduktion der Personeinheit auf ‚selbstgenügsame‘ Binnenvollzüge, während die Schrift im Gegensatz zu solcher Introversion (sibi!) gerade das ‚pro nobis‘ des Seins Christi in der soteriologischen Zuwendung zur Welt betone: „Et quid obsecro ad nos utilitatis redundat? Quid solatij, quod FRATIS nostri omnis in uniuersum gloria (eam enim omnem SCIENDO & VOLENDO definiunt) INTRA ipsum manet, INTRA Mentem voluntatemque ipsius vertitur: Si foras ad nostros vsus nihil potenter expediat?“ (107/16r); – „... praeter mentis noticiam & voluntatis conformitatem, Scriptura tri-
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
sucht. Hier kommen die entscheidenden Themen der Tübinger Neuorientierung zur Sprache: zum einen die Frage der Symmetrie der Idiomenkommunikation, die sich am Konzept der im 1. Genus entwickelten Idiopoiesis entscheidet (6.3.2); zum andern der mit dieser Symmetrie konsistente Begriff der ‚ganzen Person‘ Christi, von der die Sätze des 4. Genus sprechen (6.3.3).
6.3.2 Creator voluit esse creatura – Das 1. Genus Schaefer leitet, in vertrauter Weise, die Idiomenkommunikation im allgemeinen als ‚Effekt‘ (2/2r) aus dem ihr sachlich vorausliegenden Geschehen der unio personalis,223 das 1. genus im besonderen aus der inkarnatorischen Assumptio der Menschheit in die Personeinheit mit dem Gottessohn ab: „Primum ... genus communicationis Idiomatum est; quo considerantur Humanitatis propria, actiones & passiones: quae omnia Filius DEI assumendo Humanitatem in Vnitatem Personae, realiter quoque sibi appropriauit, vel propria fecit“ (4/2 r.v).
6.3.2.1 Die entscheidende Differenz zu früheren (Hunn, Gerlach 1596, Hafenreffer 1600) wie folgenden (Hafenreffer 1603) Entwürfen bildet Schaefers Bestimmung des Subjektes dieses Genus. Die in den anderen Texten hier eingeschärfte Unterscheidung des Filius Dei von seiner göttlichen Natur (natura divina; divinitas)224 vertritt Schaefer nicht: Beide Termini gelten
buit homini asssumpto plenitudinem Deitatis; non quod tantum intus ea maneat sciendo & volendo, sed quod ex illo capite, in quo secundum humanitatem plenitudo illa Deitatis inhabitat, nos etiam accipiamus gratiam, Ioh.1.17 … Gloria Humanitati data non terminatur tantum noticia & voluntate; sed foras eam profert in operibus regni & Administrationis Ecclesiae“ (109/16r.v; vgl. 110–112/16v); vgl.: „Exinanitio subsequentis exaltationis non est promerens causa. Non enim sibi sed noster est Mediator“ (138/20 r, gegen jedes ‚meritorische‘ Verständnis der Abfolge der Status; vgl. die analogen Argumente Lc. Osianders, o. C.II.3.2.4.3!). Auch diesen Festlegungen zuwider wird, wie notiert, für die Zeit der Entäußerung das hier verworfene bloße ‚sibi‘ dann doch konzediert und der gemeinsame Weltbezug der Naturen sistiert. – Die von Schaefer nicht durchgehaltene Einsicht erfährt erst bei den neuen Tübingern 1619ff ihre Ratifizierung, wenn diese – im Rückgriff auf die noch einmal früheren, Schaefers Thesen analogen Klarstellungen S. Gesners – die Unterscheidung von usus reflexus und usus externus im Majestätsgebrauch einführen und die Restriktionen des Status exinanitionis nur auf den usus reflexus beziehen, den usus externus davon aber unberührt sein lassen. Vgl. dazu u. E.III.4. 223 Diese – ontische wie noetische – Korrelation betont noch einmal die Paraenesis von 1607: „cum Unio personalis & hanc secuta Idiomatum Communicatio sese mutuo, vt effectus & causa respiciant, sic apud animos vestros [sc. die Tübinger Studiosi] habetote: Neminem vnquam in alterutra parte cum fructu & feliciter versaturum, nisi qui vtramque coniungat, principia conclusionis, ac vicissim effectus causis suis conferendo. Nam ex unione ceu fonte quodam emanant omnia, quae de Idiomatum Communicatione in Scripturis pie credenda traduntur: ac vicissim per Idiomatum Communicationem, velut effectum, ad pleniorem & solidiorem Vnionis, tanquam causae cognitionem retrogredientes prouehimur“ ( Ακροπολις, 1607, Bl. c7v). 224 Vgl. o. C.IV.3.2.4–6; D.I.5.3; D.I.2.2; D.I.3.2.3.1.
I. Die Revision der konkordistischen Idiomenkommunikation
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als sachlich äquivalent; die zweite Bestimmung legt die erste aus und allererst eindeutig fest. Die Neuedition von 1607 betont diese Synonymität in einem Zusatz zur zitierten These: Die menschlichen Eigentümlichkeiten, Tätigkeiten und Widerfahrnisse werden aufgrund der Appropriation „Filio DEI, λογω, seu Diuinitati Christi“ beigelegt.225 Dies stellt aber keine Korrektur der Erstfassung dar, die eine solche Identifizierung wiederholt formuliert226. Schaefer beruft sich dabei auf das biblische Zeugnis vom Leiden des Gottessohnes,227 das ohne diese Einbeziehung der ‚anderen‘, göttlichen Natur in das menschliche Geschick den Status sachbedingter Rede verlöre. Eine Restriktion des Leidens auf die menschliche Natur bedeutete zudem die Auflösung der Personeinheit selbst, weil so eine reale Menschwerdung des Gottessohnes negiert (7/2 v) und faktisch die Menschheit als selbständiges Handlungssubjekt unterstellt würde;228 einem dann nur menschlichen Leiden käme keinerlei soteriologische Bedeutung zu – perit nobis Euangelium!229
6.3.2.2 Schaefer profiliert seine These in Auseinandersetzung mit Theologumena der ‚Scholastiker‘,230 die grundsätzlich die Zulässigkeit einer sachbedingten Prädikation der Eigentümlichkeiten einer Natur von der je anderen, insonderheit die Kommunikation der menschlichen Idiome an die unveränderliche Gottheit, bestreiten.231 Ausgeschlossen sei damit auch jede 225
1607, Th. 42. Vgl. dagegen die abweichenden ‚seu‘-Bestimmungen Hafenreffers, o. D.I.2.2 (1600) bzw. D.I.3.2.3.1 (1603). 226 „Diuinitas Christi vel Filius DEI“ (13/3 v); „Diuinitas Christi, vel Vnigenitus Dei Filius“ (15/3 v); „Christus & Filius D EI realiter non differunt, sicut nec Filius DEI & Diuinitas ipsius“ (16/3 v). 227 Gal 4,4; Röm 8,32; Gal 2,20; 1Kor 2,8; Ac 3,15f; Röm 5,10; 1Joh 1,1f; 3,8; 1Tim 3,16 (5/2 v); Ac 20,28; Hebr 2,14.17 (8/2 v.3r). 228 „hac opinione diuiditur Christus, & Humanitas Propria Persona constituitur. Nam diuisis energijs, diuisa est Persona: quoniam actiones & passiones Naturarum, reducuntur ad Personas, quae suis Naturis sunt efficaces. Cum igitur, quae propria sunt Humanitatis, sic ad eam pertinere dicantur, vt Filio DEI nullo vero modo possint attribui: necesse est Humanitatem seipsa Personam constitui“ (9/3r). – Im Hintergrund steht das von der Konkordie rezipierte Argument Luthers: FC SD VIII 43 (BSLK 1030, 22–26 bzw. 29–33). 229 10/3 r, 14/3 v, 22/4 r.v–26/4 v.5r; bes.: „Ita doctrina illa de accidentali, Synecdochica, hectica, verbali, & Figurata Communicatione ... dulcissima solatia Scripturae nobis annihilantur: Cardines salutis ex imis fundamentis concutiuntur & emouentur: perit nobis Euangelium: Christus nobis est factus inutilis: miserimi sumus omnium Creaturarum“ (25/4v [vgl. 1.Kor 15,19]); „Idem ille Iehoua aeternus & creator Israelis, Esa. 43.v24 dicit: ME seruire fecisti in peccatis tuis, praebuisti MIHI laborem in iniquitatibus tuis, EGO SVM, EGO IPSE, qui deleo iniquitates tuas[,] mea videlicet obedientia, passione, & morte“ (26/4 v.5 r; Kursivierung Sch.). 230 Zu dieser polemischen Ausrichtung vgl. o. Anm. 180. 231 „Hanc Communicationem assignatis Scripturis [o. Anm. 227] clarissime traditam, perperam negant, qui de Christo agentes scribunt: Quod propria partium, hoc est, Naturarum in Christo, de altera Natura praedicari, nec simpliciter, nec quoquo modo, nec per se, nec per accidens, hoc est, nulla ratione, nullo respectu, nisi sophistice, aliene, & falso possint. Item: Quod propria humanitatis, alij Naturae sint incommunicabilia ...“ (6/2 r; Hervorhebung Sch.).
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
Leidensteilhabe der ‚Gottheit‘ – während von ‚Gott‘ oder ‚Christus‘ allerdings ein Leiden prädiziert werden dürfe.232 Schaefers Kritik zielt nicht auf jene lutherische Position, wie sie durch Gerlachs und Hafenreffers Texte repräsentiert ist. Zwar findet sich dort eine terminologisch prima facie analoge Unterscheidung von Divinitas und Deus. Doch der Intention wie der positiven Aussage nach gehen diese lutherische und die von Schaefer referierte ‚scholastische‘ These auseinander. Im scholastischen Verständnis der Personeinheit als einer ‚suppositalen Union‘233 supponieren die Termini ‚Deus‘ und ‚Christus‘ (a) für die gesamte vereinigte Person Christi oder (b) für die Logoshypostase. Die konzedierte These eines Leidens ‚Gottes‘ oder ‚Christi‘ unterliegt im ersten Fall (a) der synecdochischen Interpretation: gelitten hat lediglich die menschliche Natur; aber dieses Leiden darf aufgrund der personalen Verbundenheit der Naturen von der ganzen Person ausgesagt werden, auch wenn diese gegebenenfalls nach der ‚anderen‘, der göttlichen Natur benannt ist. Auf dasselbe Ergebnis führt der Sache nach auch die zweite Interpretation (b.): Eigentümlichkeiten und (konkrete) Prädikate der menschlichen Natur (so auch das passum esse), die im regulären Fall eigenständiger Subsistenz der Menschheit deren kreatürlicher Hypostase beizulegen wären, dürfen christologisch von der göttlichen Hypostase des Logos prädiziert werden, welche die (suppositale) Existenzbegründung der Menschheit extraordinär wahrnimmt.234 Auch hier sagt der Satz ‚Filius Dei/Deus passus est‘ keine Betroffenheit der göttlichen Natur des Logos – realidentisch mit dessen Hypostase – selbst aus, weil eine über das bloße suppositale Dependenzverhältnis der Menschheit zum tragenden Logos hinausgehende direkte Partizipation der Naturen selbst nicht besteht. – Eben dieser Restriktion des Leidens nur auf die menschliche Natur widersprechen vor und neben Schaefer eindeutig auch Hunnius, Hafenreffer und Gerlach; ihre These einer ‚realen‘ Leidensteilhabe des Gottessohnes (Filius Dei) oder Gottes (Deus) soll die Annahme eines Leidens der sola Humanitas gerade ausschließen.
Doch trotz der homophonen Intention trifft Schaefers Abweisung der scholastischen Differenzierung mittelbar auch die formell analoge Unterscheidung seiner lutherischen Vorgänger und Zeitgenossen, insofern auch diese die von Schaefer geforderte Identifizierung von ‚Filius Dei‘ und ‚divinitas Christi‘ zwar für die Inkarnationsaussage verfechten, im theopaschitischen Kontext indes ausdrücklich ablehnen.235 Für seine so auch binnenlutherisch kontroverse These beruft sich Schaefer neben den soteriologischen Argumenten spezifisch christologisch auf die grundsätzlich unbestrittene Realidentität von Filius Dei (/Deus) und göttlicher Natur (divinitas) – nur denkweise (non realiter, sed tantum ratione) ist beides zu unterscheiden (16.17/ 3v.4r). Zu beachten ist lediglich eine analog in den Inkarnationsaussagen236 232
„... Diuinitatem non habere quidpiam, quo sit passa; siue per se, siue per accidens, siue simpliciter, siue aliquo modo: licet DEUS seu Christus aliquid habuerit quo pateretur, aut moreretur“ (11/3 r). 233 Vgl. o. C.IV.1.1; zur Frage der Idiomenkommunikation vgl. bes. SCHWARZ, 1966, 299–334; HILGENFELD, 1971, 338–341, OBERMAN, 1965, 244–246. 234 Zur dieser ‚denominatio concretiva‘ vgl. SCHWARZ, 1966, 299 Anm. 38. 235 Vgl., pars pro toto, Hunn, o. C.IV.3.2.4–6. 236 Vgl. 13.15/3 v und die thematischen Ausführungen der 1. Disputation (u. D.IV.2).
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vorgenommene Bestimmung: Christologisch geht die Rede von der divinitas nicht undifferenziert auf das göttliche Wesen als ganzes (divinitas absolute considerata), sondern auf dessen Besonderung in der Hypostase des Logos (characteristica Differentia Geniti determinata; 12/3r.v). In dieser Bestimmtheit aber bildet, so die von Schaefer mit Nachdruck geltend gemachte Konsequenz, die Gottheit selbst eine der kommunizierenden Naturen (in) der Person Christi.237 Die scholastische Differenzierung muß dann fallen: „si DEVS habet aliquid, quo passus est: etiam de Diuinitate Christi hoc erit affirmandum“.238 Im Blick auf die Begründung und Modalität der – nicht unvermittelten (habet aliquid quo passus(/a) est) – Leidensbetroffenheit Gottes wiederholt Schaefer schon bekannte Festlegungen; diese müssen nun aber unter Voraussetzung der differierenden Subjektsbestimmung 239 gelesen werden. Das Leiden der Gottheit Christi gründet in der Teilnahme am Leiden der angenommen Menschheit.240 Vollständig und präzise lautet die These: „divinitas Verbi incarnata carne [est] passa“ (15/3 v). Unmittelbar betroffen durch das Leiden ist nur die natura humana; aber diese durch eigenes Wesen gesetzte Differenz wird in der Kommunikation der Person Christi gerade überholt. Das essentiell fremde Leiden ‚appropriiert‘ sich der seiner Menschheit hypostatisch geeinte Gottessohn. Kraft dieser Selbstzueignung wird das wesentlich nur der Menschheit Eignende ein beiden Naturen Gemeinsames; als kraft geschichtlicher Vermittlung (unio) „angeeignet Eigenes“241 bestimmt es als ‚ur-sprünglich‘ bleibend Fremdes doch den Gottessohn ebenso ‚real‘ wie dessen ewiges Wesen, allein so ist die Zäsur der Inkarnation theologisch eingeholt. In der Person Christi wird die Grenze zwischen göttlicher Ewigkeit und geschöpflichem Werden nicht abstrakt negiert, aber doch vermittelt – hier hat sich der Schöpfer frei zur Existenz als Geschöpf bestimmt: Creator voluit esse Creatura!242 Das durch ‚Aneignung‘ des Frem237
„... Diuinitas non absolute considerata, sed characteristica Differentia Geniti determinata | ... siue verbum aeternum, est altera Natura Christi“ (12/3 r.|v). 238 16/3 v. – Vgl. das o. notierte Argument J. Andreaes auf dem Mömpelgarder Kolloquium (1586): „Tolle … diuinitatem a λογω, & λογος non amplius erit Deus“! (Acta Colloquij Montis Belligartensis, 1587, 238. – Vgl. o. C.IV.3.2.6). 239 „... Diuinitas Christi vel Vnigenitus DEI Filius“ (15/3v). 240 ... passus/passa carne (16/3 v); secundum carnem (13/3 v). 241 So wird wenig später J. HOECKER (u. D.I.7.2) die christologisch vollzogene Überschreitung wesentlicher Grenzen auf den ‚(onto)logischen‘ Punkt bringen: „Deinde est proprium appropriatum, quod per unionem & communicationem rei attribuitur, & quamvis realiter communicetur, nunquam tamen fit proprium eius, cui communicatum est“ (Speculum I, 1610, 85). Was Hoecker hier als disjunktive Erweiterung des Begriffs (deinde, neben dem aristotelischen ‚proprium εμφυτον vel innatum‘, ‚quod ex rei natura & essentia fluit‘; ibd.) beansprucht, stellt nach Sicht der regulären Logik allerdings ein hölzernes Eisen dar; vgl. den von Hoecker referierten Einwand B. Keckermanns: „commune esse, & proprium esse sunt opposita, diversa & contradistincta. Ergo proprium in se includit communitatis negationem“ (84); „proprium faciunt non proprium“ (100). Vgl. insgesamt HOECKER, I, 1610, 84–110; zum Sachproblem: SPARN, 1976, 40–61, bes. 40–46. 242 „De Deo vel Hypostasi verbi, praedicare creaturam, blasphemum esse: non approbare possumus simpliciter. Nam si Deus est Homo factus, Ioh. 1.v.14 certe Deus qui semper est, & qui semper erat, factus est creatura: Et qui est Creator; voluit esse creatura“
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
den ‚wirklichst‘ gewordene Neue (realissime appropriauit) wird eklatant verfehlt, wo die Leidensteilhabe des Gottessohnes beschränkt wird auf dessen Funktion als hypostatischer Träger der Menschheit oder als nur – synecdochisch – über das Handlungssubjekt der ganzen Person vermittelt gedacht wird.243
6.3.2.3 Neben der emphatischen Formulierung – realissime appropriauit – steht, auch bei Schaefer, die vertraute modale Grenzziehung. Der positiven Bestimmung ‚in carne/secundum carnem‘ korrespondiert negativ die Abgrenzung ‚nicht in sich selbst‘; die Realität des Leidens der Gottheit impliziert nicht die Begründung in deren Wesen.244 Doch die ‚natürlicherweise‘ strikte Alternative von wesentlicher Bestimmung (essentialiter; 19/4r) und uneigentlicher Sprachkonvention (figurate, verbaliter; 18/4r) wird überholt mit der These ‚persönlicher Aneignung‘ (personaliter appropriauit; 19/4r) – der Behauptung einer der Wesensverfaßtheit parallelen Bestimmung durch koexistierendes Fremdes, wie sie analog für die Metapoiesis gedacht wird: „Filius Dei, sicut natus Rom.1.v.3 ita quoque passus est carne, & nihilominus illi passio non verbaliter tantum, sed realiter adscribitur secundum Modum Unionis & appropriationis ipsius Humanitatis verissimum, & realissimum“ (27/5r). Mit diesen Grenzziehungen leitet Schaefer wieder in die von Hunn, Gerlach und Hafenreffer her bekannten Bahnen zurück. Er hat aber anders als seine Vorgänger und Mitstreiter die Frage nach dem Modus und dem Grund (causa) der partizipativen Leidensbetroffenheit schärfer von der Frage nach dem (vermittelten) ‚Subjekt‘ dieses Leidens unterschieden und muß darum aus der unstrittigen Ablehnung einer essentiellen Begründung (non in seipso) nicht den Ausschluß der göttlichen Natur folgern. Diese schärfere Entkoppelung schlägt sich auch nieder in einer Hunns, Andreaes und Gerlachs Voten245 kontrastierenden Gewichtung der Funktionen der particulae distinctiuae (Filius Dei passus secundum carnem/quia Homo; etc.). Diese Zusätze indizieren zuerst (primum) den Grund (causa), weshalb das im eigenen Wesen nicht Begründete vom fremden Subjekt (Logos) ausgesagt wird; erst an zweiter Stelle (deinde) bezeichnen sie das „subjectum, cui passio primo & immediate competit“. 246 Die wesentliche Differenz der Naturen bleibt auch in (28/5r). – Zu dieser ‚res κατ’ εξοχην Nova‘ (HOECKER, Clavis Philosophica, 1613, 418) der Identität von Schöpfer und Geschöpf vgl. auch o. C.II.2.2.1.1. 243 „Neque Filius Dei passus dicitur Synechdochice: eo sensu, quia pertineat ad Christum, cui passio attribuatur propter & secundum Humanitatem. Neque κατ’ αλλο & habendo; hoc sensu, quod Filio Dei accidat Humanitas, ad quam solam realiter pertineant passiones. Sed passus dicitur Filius Dei, quia ad ipsum tanquam Humanitatis Hypostasin passiones non tantum reducere oportet, verum etiam cum Humanitate realiter appropriata omnia etiam Idiomata Humanitatis sibi realissime appropriauit“ (20/4r). 244 „Non ... si λογος [für Schaefer: = natura divina verbi] realiter passus dicitur; consequens est, quod in seipso passiones senserit“ (27/5 r). 245 Vgl. o. C.IV.3.2.3; D.I.2.2; D.I.3.2.3.2; D.I.5.3 (Anm. 162). 246 „Ijsdem rationibus ... ostenditur, propositionem, Filius Dei, quia Homo, est passus: & consimiles, non esse Reduplicatam simpliciter, nec simpliciter Aetiologice, nec Synecdochice; sed limitationibus eiusmodi primum causam, quare passum esse de filio Dei praedicetur: deinde subjectum, cui passio primo & immediate competit, designari ...“
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der Personeinheit, aber sie bildet den – in ‚sekundärer‘ Rückfrage erreichten – Terminus a quo der Kommunikation dieser Naturen, nicht deren Dementi.
6.3.2.4 Schaefers Klärungen zur Idiopoiesis markieren einen wesentlichen Fortschritt der Tübinger Neuorientierung in Sachen communicatio Idiomatum. Das Konzept der Symmetrie der Idiomenkommunikation, mit der Ausgrenzung der ‚Idiopoiesis‘ als eines selbständigen, der Metapoiesis gegenläufig korrespondierenden Genus intendiert, erfährt nun dadurch seine konsequente Durchführung, daß Schaefer die menschlichen Prädikate dezidiert auf die göttliche Natur bezieht, damit jene Restriktion verabschiedet, die bisher einer überzeugenden Einlösung des Intendierten im Wege stand. Zugrunde liegt Schaefers Schritt voran die klare Einsicht, daß die ‚ordine naturali‘ zu entfaltende Idiomenkommunikation der Symmetrie ihres Fundamentes entsprechen muß: Idiopoiesis und Metapoiesis gründen unmittelbar in der inkarnatorischen Gemeinschaft (κοινωνια) der Naturen selbst, die sich als wechselseitige Vermittlung von Gottheit und Menschheit vollzieht – eben daraus (eadem veritate) folgt ‚unfehlbar‘ auch die symmetrische Mitteilung der Eigenschaften, deren Subjekte diese Naturen sind.247 Idiopoiesis und Metapoiesis bilden insofern das Fundamentalgeschehen der symmetrisch konzipierten Idiomenkommunikation, ja erschöpfen in einem bestimmten Sinn schon den gesamten Umfang der idiomatischen Vermittlung von Gott und Mensch.248 Jedes weitere Genus der Idiomenkommunikation muß dann in einem geklärten Verhältnis zu diesem (ontisch) fundierenden und (hermeneutisch) normierenden Grundvollzug stehen. Die Zuordnung des apotelesmatischen 3. Genus gelingt ohne Mühe. Die als Zielursache der In(30/5r). Genau gegenteilig hatte Gerlach 1596 gewichtet (primum vim discernendi ...; Deinde quoque connotat causam & modum; 1596, 20.21/4; o. Anm. 162). – Vgl. weiter auch die Analyse der distinktiven Partikel im 4. Genus; u. D.I.6.3.3.4. 247 Diese schon 1602 leitende Einsicht (vgl. D.I.6.3.1) hat Schaefer in der Ακροπολις 1607 noch einmal pointiert: Aus der „fundatissima duarum in Christo Naturarum personalis κοινωνια, secundum quam ... Deus est Homo, & reciproce, Homo est Deus“, „duo illa reciproca Communicationis Idiomatum genera, ... de quibus hodie Caluiniani ac Jesuitae praecipuam nostris Ecclesijs controversiam mouent, ιδιοποιησις nimirum & υπερυψωσις infallibiliter & solidissime concluduntur. Cum enim Deus sit Homo (Verbum enim, ο λογος aeternus, FACTUS est Caro seu Homo [Joh 1,14]), & vicissim Homo assumptus realissime Deus sit (FACTUS enim est Spiritus viuivicans I.Cor.15.v.45.46) consequatur oportet vt & Deus Idiomatum Humanitatis, quoniam Homo est; & Homo assumptus Idiomatum Deitatis, quoniam Deus est, eadem veritate factus sit κοινωνος, qua veritate Deus est Homo; & qua realitate Homo est Deus, verissime vtique & realissime. Semper enim subiecta συνεπιφερει vna secum important sua propria, & vicissim: sicut etiam sese mutuo tollunt; quae de λογω adhuc verius dicitur, quippe cum ipse & Idiomata ipsius (quae quidem sunt actus primi) realiter prorsus non differunt. Necessaria igitur & irrefragabilis est argumentatio[:] De quocunque in unione subiectum ιδιωματος vere dicitur, de eodem necesse est in Communicatione vicißim Idioma subiecti vere enunciari ...“ (c8 v–d1 r; durchgeführt dann je für Idiopoiesis wie Metapoiesis [d1 r.v]). 248 Vgl. schon die Formulierungen: „duo illa summe controuersa Genera Communicationis Idiomatum“ (Ακροπολις, 1607, c8 v); „duo illa reciproca …genera“ (d1r).
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
karnation (Finis factae Vnionis) verstandene Durchführung des Erlösungswerkes (Redemptio) setzt die idiopoietische und metapoietische Mitteilung einerseits (ontisch) voraus (requirit), andererseits belegt (comprobat) sie (noetisch) deren Vollzug. Die Erlösung ist nur als Tat des ‚unendlichen Gottes‘ selbst denkbar, dabei aber nach dem biblischen Zeugnis vollzogen in der Gestalt eines menschlichen Lebens zwischen Empfängnis und Tod. Die Synopse beider Wahrheiten formuliert die These der Idiomenkommunikation: die Geschehnisse dieser menschlichen Existenz gehören zugleich Gott zu (Idiopoiesis); sie sind Taten des Menschen, der am Sein Gottes selbst teil hat (Metapoiesis).249
Und das 4. (1607: 1.) Genus, die praedicatio de tota persona secundum alterutram natura? Eine dritte Kommunikation der Naturen neben Idiopoiesis und Metapoiesis kann, nach der Systematik des ordo naturalis, nicht im Blick sein. Und anders als das 3. genus läßt sich das 4. genus prima facie in kein plausibles Dependenzverhältnis zum 1. und 2. genus setzen. Indem es die Attribution eines Prädikates zwar an die ganze Person, doch nach jeweils nur einer Natur feststellt, scheint es überhaupt keine Mitteilung, sondern nur die essentiellen Zusammenhänge zu benennen. Allerdings soll das hier Prädizierte von der ganzen Person gelten. Liegt also eine ‚Kommunikation‘ von den Naturen an die Person zugrunde? Wenn ja, wie verhält sich diese ‚Kommunikation‘ an die Person zur idiopoietischen und metapoietischen Mitteilung zwischen den Naturen? Und worauf zielte eine solche nach Absicht und Funktion klärungsbedürftige Doppelung zum Verbund der ersten zwei Genera? 250 Gelingt Schaefer eine Antwort, die über die unzulänglichen Versuche Gerlachs und Hafenreffers hinausgeht? 6.3.3 Christus ambae suae Naturae simul – Das 4. Genus 6.3.3.1 Die im 4. (1607: 1.)251 Genus (207/28v–235/31v) lozierten Sätze ‚de tota persona‘ begegnen als elementare Vorgabe der Schrift. Was der am ordo naturalis entworfenen Konstruktion des Lehrstücks gewisse Verle249
Vgl. 206/28r. Auch dies betont Schaefer 1607: „hanc ipsam reciprocam κοινωνιαν Humanitatis Idiomatum ad λογον & του λογου Idiomatum ad Carnem assumptam, etiam Finis factae Vnionis, qui secundum Epistolam ad Heb.2.v.14 est Redemptio & salus nostra, cum requirit, tum comprobat. Nam actiones & passiones, quibus infinitae virtutis aeterna salus est acquisita & reparata, non possunt esse nisi infiniti DEI passiones & actiones. Sed conceptione, natiuitate, crucifixione, morte Humanitatis &c. est infinitae virtutis redemptio nobis promerita. Nequunt igitur haec quae sunt Humanitatis propria, non etiam infinito & omnipotenti τω λογω esse communicata [sc. = Idiopoiesis]. Vicissim cum passio, mors, &c. Humanitatis, sit infiniti meriti & virtutis (ea enim passione & morte infinita mala sublata, infinita bona reparata sunt) sit autem haec passio, haec mors, cuius est infinita virtus, Humanitatis propria: necessario concludendum est, Humanitati tam vere, tam realiter Idiomata, potentiam & infinitam virtutem Filij Dei propriam, esse | communicata [= Metapoiesis], quam vere ipsa passa est & mortua, quam vere hac passione hac morte redempti sumus“ (d3r.|v). 250 Vgl. F.H.R. Franks Analyse der konkordistischen Aporien, o. D.I.4.2.1/2. 251 Zu dieser Metathese vgl. o. D.I.6.3.1.
I. Die Revision der konkordistischen Idiomenkommunikation
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genheiten bereitet, stellt im neutestamentlichen, zumal evangelischen (214/ 29r) Zeugnis geradezu das Hauptkontingent der christologischen Prädikationen: „quae Naturae alterutrius propria sunt, tribuuntur Christo“ (208/ 28v). Nach lutherischer Onomatologie bezeichnet ‚Christus‘ stets die ganze Person aus beiden Naturen („tribuuntur Christo constitutae Personae“);252 demgegenüber supponieren die Subjektstermini der idiopoietischen und metapoietischen Sätze nur je für eine der vereinigten Naturen. Diese Differenz im Subjekt konstituiert unbeschadet der identischen Prädikate (propria naturarum, im Unterschied zu den im 3. Genus prädizierten actiones/ passiones) die Sätze de Christo als eigene Klasse neben den Aussagen der Idiopoiesis und Metapoiesis. Schaefer steht damit vor der Aufgabe, dieses seinem Sprachmuster nach spezifische Genus in Konkordanz zu halten mit dem einheitlichen Sachbegriff der Idiomenkommunikation als einer symmetrischen Mitteilung zwischen den Naturen, wie ihn die ersten zwei Genera entfalten. Er tut dies auch hier in Auseinandersetzung mit den ‚Irrtümern‘ der ‚Scholastiker‘ – offenkundig einen divergenten Begriff der Personeinheit zugrundelegend, interpretieren diese die fraglichen Sätze fundamental anders, wenn sie geltend machen: (analytische Wesens-)Prädikate der menschlichen253 Natur kommen in keiner Weise der ‚Person Christi‘ zu.254 Welches Gegenüber hat Schaefer konkret im Blick? Die eingestreuten, durch Kursivierung kenntlich gemachten, aber ohne Belegnachweis bleibenden Zitate255 der Gegenposition weisen in die Richtung der occamistisch-nominalistischen Christologie. Namen fehlen – wohl nicht zufällig, das Schweigen hat Gründe. Der im folgenden angegangene ‚Irrtum gewisser Scholastiker hinsichtlich dieses Genus‘ 256 war keine 40 Jahre zuvor auch im lutherischen Tübingen selbst formuliert worden: Wieder257 ist es die Rezeption scholastischer Thelogumena durch den Tübinger Aristotelikers Jacob Schegk, gegen die Schaefer sich – anonym – wendet. 258 Ein spätes Kapitel in einer peinlichen Geschichte:259 Denn
252 208/28 v. Eine nicht triviale Feststellung – die scholastische Christologie bestimmt die Semantik des Ausdrucks ‚Christus‘ anders; vgl. bei u. mit Anm. (267.)274.307. 253 Auf dieses Teil-Thema konzentriert Schaefer hier die Auseinandersetzung; die Kritik der Restriktion der Mitteilung göttlicher Attribute an die Person resp. die Menschheit hat ihren Ort innerhalb des 2. (metapoietischen) Genus (vgl. o. Anm. 222). 254 „Hoc Communicationis genus negant, quicunque affirmant: quae per se insunt Naturae humanae, Personae Christi nequaquam ineße neque per se neque secundum accidens, hoc est, omnino non, nulloque modo inesse, Tantum enim illis diuisio haec significat“ (209/28v; Kursivierung Sch.). Vgl. die weiter spezifizierenden Zitate ‚scholastischer‘ Thesen: 213/29 r; 215/29 r; 217/29 r.v; 233/31 v. 255 Neben den in der vorstehenden Anm. genannten Belegen vgl. noch 226/30 v. 256 „Error Scholasticorum quorundam circa hoc genus“ (209/28 v i.m.). 257 Vgl. o. Anm. 222. 258 Dies belegen zweifelsfrei die – anonymen, aber eindeutigen – Bezugnahmen auf Texte Schegks (v.a.: Sententia; Responsum); vgl. die Einzelnachweise im folgenden.
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der 1564 zum philosophischen Schwurhelfer für die neue, heftig angegriffene schwäbische Christologie bestellte Schegk hatte zu deren ‚Verteidigung‘ eine Darstellung der kontroversen Themen vorgelegt, die tatsächlich der von Brenz und Andreae formulierten Neuorientierung im Kern widersprach. Die also Verteidigten gaben zwar zu Protokoll, ‚nicht alles‘ in den subtilen, 1565 zum Druck gebrachten Analysen Schegks260verstanden zu haben; die Differenz aber schon im Fundamentalen blieb lange Zeit unerkannt. Erst 1584 kam es in Tübingen zum definitiven Skandal, als Schegks Abweichung, von den Kontrahenten der Schwaben längst polemisch ausgebeutet, unübersehbar geworden war und nach Klarstellungen verlangte.261 Aber soweit zu sehen geht, in sachlicher Fortführung einzelner Vorstöße St. Gerlachs, erst Schaefer gründlicher daran, die inhaltliche Auseinandersetzung mit den zentralen Theoremen scholastischer Christologie zu führen, die Schegk fortgeschrieben hatte. Er tut dies in dem Bewußtsein, diese überfällige Klärung auf dem Niveau und an den Themen leisten zu können, die der keineswegs zu unterschätzende262 ‚scholastische‘ Gegner vorgibt – nunmehr die eigene These auch hinsichtlich der darin implizierten (onto-)logischen Setzungen stringent entwickeln und stichhaltig verteidigen zu können. 263
6.3.3.2 Quae per se inesse Naturae humanae, Personae Christi nequaquam inesse: Mit dem Referat nur dieser einen Gegenthese (209/28v) gibt Schaefer keine erschöpfende Zusammenfassung der ‚scholastischen‘ Position, greift aber einen zentralen Punkt heraus, auf den sich der Widerspruch der lutherischen Christologie richten muß: Die Behauptung, spezifische Bestimmungen (per se inesse) der menschlichen Natur seien der Person Christi in keiner Weise, weder als wesentlich Begründetes (per se) noch auch 259 Zum Vorgang: SIGWART, 1889a, 256–291; BRANDY 1989, 100–102; DERS., 2000, 77–79; zur Christologie: LINDSTRÖM, 1939, 79–102; BRANDY 1989, 102–109; DERS., 2000, 79–82; FRANK, 2003, 92–100. – Hier werden Schegks Thesen nur als Widerpart der Position Schaefers in den Blick genommen. Noch immer gilt: „Eine präzise Analyse sämtlicher christologischer Schriften von Schegk in ihren zahllosen Distinktionen bleibt ein Desiderat“ (BRANDY 1989, 102). 260 J. SCHEGK, Sententia, 1565. – Von Schegks weiteren Schriften (SIGWART, 1889a, 288–291) sind christologisch von Bedeutung: Responsio, 1566; Responsum, 1568. 261 SIGWART, 1889a, 274–284; BRANDY 1989, 100f; DERS., 2000, 78f Anm. 126. 262 Verfehlen sie auch aufgrund fundamentaltheologischer Verirrung (D.I.6.2[.1]) die biblische Marke – eine Karikatur verbietet sich: „Non fuere Scholastici navis obesae, quod dicitur, & obtusi ingenii homines, qui non nisi quae ante pedes sunt iudicio & mente prehenderent, sed caetera valde perspicaces & docti ...“ (Ακροπολις, 1607, Bl. b4 r). 263 Schaefers Einordnung Schegks als Vertreter ‚scholastischer‘ Christologie unterstellt den Kontrahenten keiner fremden Perspektive. Die Anknüpfung an die vorlaufende Tradition hatte – der noch im vorreformatorischen Tübingen theologisch ausgebildete – Schegk nie kaschiert, vielmehr selbst erklärt, wesentliche Festlegungen ‚ex Scholasticorum officina‘ (Responsum 1568, 29) übernommen zu haben. In Fragen der Idiomenkommunikation beruft sich Schegk näherhin auf den großen Tübinger Vorgänger Gabriel Biel (‚scriptorum Occam compilator‘; Responsum 1568, 51); er vereinfacht die Vorlage lediglich dadurch, daß er nicht allen Pfaden der Argumentation dieses ‚letzten Scholastikers‘ folgt. – Orientiert an Schegks Rezeption wird hier die scholastische Position (Übersicht: SCHWARZ, 1966, HILGENFELD, 1971; B ORCHERT, 1940; STREIFF, 1993) nur soweit skizziert, wie es zum Verständnis des Gegenentwurfs Schaefers erforderlich ist.
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als akzidentell Zu-Kommendes (per accidens), real zu eigen (inesse), zieht die genaue Konsequenz aus dem zugrundeliegenden scholastischen Begriff der christologischen Vereinigung als einer suppositalen Union. Dieses Konzept der Personeinheit gibt der nachgeordneten Sprachregelung der ‚Idiomenkommunikation‘ genaue Restriktionen vor. Die strikte Distanzierung des göttlichen Suppositums und der bleibend apersonalen natura humana, die beide ohne reale Partizipation nur im ordo dependentiae als sustentificans und sustentificatum verbunden sind,264 schließt es aus, die abstrakten (Wesens)Begriffe der Naturen (divinitas, humanitas; infinitas, finitas, aeternitas, etc.) voneinander zu prädizieren.265 Legitim sind grundsätzlich nur ‚konkrete‘, über das identische Suppositum vermittelte Termini: konkrete Prädikate der göttlichen und menschlichen Natur (Deus, homo; aeternus, passibilis; etc.) dürfen voneinander (Deus/Homo est ...) und vom Suppositum beider Naturen (Christus est ...) prädiziert werden.266 Der Begriff der suppositalen Union setzt aber auch dieser prinzipiell konzedierten Prädikation konkreter Termini noch einmal genaue Grenzen, die der Asymmetrie der Naturen im Verhältnis zum identischen Suppositum (in wesentlicher Identität; in suppositaler Dependenz) Tribut zollen. Unlimitiert zugelassen ist die Prädikation der concreta divina vom göttlichen (Deus; Verbum), menschlichen (Homo) oder gott-menschlichen (Christus) Suppositum. Hier nimmt der Subjektsterminus stets auf ein- und dasselbe, die göttliche Logoshypostase, Bezug: auch ‚Christus‘ und ebenso ‚Homo‘(!) supponieren nur für diese Hypostase (und die damit realidentische göttliche Natur) des Logos; sie konnotieren zwar daneben die Subsistenz dieser Hypostase in der menschlichen Natur als eine dem Logos nebensächliche Bestimmung – niemals aber stehen sie für die menschliche Natur selbst. ‚Christus‘ bildet den ontologischen Sonderfall eines ‚Homo‘ in realer Differenz zu einer menschlichen Natur.267 Eben diese Realdifferenz veranlaßt dann die weitere Unterscheidung der konkreten (menschlichen)268 Prädikate: (1.) in solche, die der menschlichen Natur immediat – aufgrund ihres spezifischen Soseins, als analytische Wesensbestimmungen – zukommen, 269 und (2.) in solche, welche die Menschheit mediat – aufgrund unwesentlich kontingenter Bestimmung, nicht aber (ausschließlich) analytisch – kennzeichnen.270 264
Zur unio suppositalis vgl. C.IV.1.1.1. – Zur im folgenden thematischen Frage der Idiomenkommunikation vgl. v.a.: SCHEGK, Sententia, 1565, 32–40(.59–64), bes. 32–35; Responsum, 1568, 15–51. Die Vorlage, der Schegk, z.T. in wörtlicher Zitation, folgt, bildet: B IEL, III, d.7, q. un. (ed. WERBECK/HOFFMANN, III, 152,2ff.). 265 „Quod abstracta non praedicentur de se inuicem“ (S CHEGK, Sententia 33); – „abstracta naturarum non praedicantur de seinvicem“ (B IEL, III, d.7, qu. un., a. 1, not. 1 [III, 154,20–24, hier: 21f]). 266 B IEL, III, d. 7, qu.un., a .2, concl. 3 (III, 159,48–160,59). 267 Vgl. SCHWARZ, 1966, 302.322.325 sowie u. mit u. bei Anm. 274.307. 268 B IEL entwickelt die Unterscheidung für die konkreten Prädikate überhaupt (a. 1, not. 2 [III, 155,1–156,40]), praktisch relevant ist sie nur für die menschlichen Prädikate. 269 B IEL, a. 1, not. 2 (III, 155,2–11): „ratione alicuius intrinsecae et essentialis“ (155, 9), „immediate et primo“ (155,2); „immediate ratione suae propriae essentiae vel naturae“ (155,14); e.g.: ‚finitum‘, ‚limitatum‘ (155,7f). So auch SCHEGK, Sententia, 1565, 33: „immediate“; „de ipso per se“. 270 B IEL, a. 1, not. 2 (III, 155,12–21[/–165,32]): „mediate ... id est ratione alicuius distincti et extrinsici“ (155,2f); „ratione accidentium“ (155,16); SCHEGK, Sententia, 1565,
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6.3.3.3 Auf der Basis dieser Festlegungen ergeben sich für die Redeweise der ‚communicatio idiomatum‘ dann näherhin folgende Regeln: (1.) Immediate konkrete Prädikate (nur) der menschlichen Natur, die diese qua Geschöpf kennzeichnen, dürfen dem göttlichen Suppositum (Deus, Christus) nicht beigelegt werden. Sätze der Art: ‚Christus est finitus/limitatus‘ bilden keine wahren Aussagen.271 (2.) Immediate Prädikate der göttlichen Natur (in der Subsistenz der zweiten Person) dürfen von dem suppositalen Träger der menschlichen Natur und dessen konkreten Bestimmungen prädiziert werden;272 denn dieses ‚suppositum naturae humanae‘ ist in jeder Hinsicht identisch mit dem göttlichen Suppositum, der Logoshypostase.273 Unzulässig ist dagegen die Attribution dieser Prädikate an die natura humana: diese ist etwas vom Sup-
33: „mediate“, ‚propter aliquid/accidens‘, ‚τυχοντως‘. E.g.: ‚album‘, ‚nigrum‘, ‚logicus‘, ‚humilis‘ (B IEL a. 1, not. 2 [155,15f]). – Biel unterscheidet weiter (156,33–40) als dritte Gruppe solche Bestimmungen, die sowohl immediat als auch mediat zukommen: einem Teil direkt (parti immediate), dem Ganzen indirekt, vermittels dieses Teils (toti ... ratione partis mediate; 156,38); e.g.: comedere, bibere, pati, mortale, immortale (156,37f). Diese weitere Differenzierung kann im christologischen Zusammenhang vernachlässigt werden (vgl. Biels Zusammenfassung der zweiten und dritten Klasse, a. 2, concl. 3 [159,48ff]), da dort nur die Möglichkeit auch mediater Prädikation als die entscheidende Differenz zu den ausschließlich immediaten Prädikaten von Bedeutung ist. – Schegk behandelt diese dritte Gruppe nicht eigens (vgl. Sententia, 1565, 33). 271 „Idiomata primi ordinis (quae scilicet tantum immediate praedicantur) dicta de natura assumpta non praedicantur vere de supposito divino (puta de Christo, Deo vel Verbo et similibus personam Filii significantibus) per naturam assumptam. … Sunt … illa: ‚limitatum‘, ‚finitum‘, ‚ens per participationem‘, ‚creabile‘, ‚annihilabile‘ … Et per hoc patet quod illae non sunt verae: ‚Christus … est finitus, est limitatus, creabilis‘ etc.“ (BIEL, a. 2, concl. 1 [III, 158,5–14]). – „Praedicata propria primi ordinis, quae nimirum immediate tantum praedicantur de natura humana, non possunt praedicari de Hypostasi Verbi, aut de Christo, aut de Deo“; – e.g.: finitum esse (SCHEGK, Sententia, 1565, 34). 272 „Idiomata primi ordinis naturae divinae de supposito divino dicta de supposito naturae humanae eiusque concretis praedicantur, non autem de natura humana. Huiusmodi idiomata sunt ‚Deus‘, ‚creator‘, ‚infinitus‘, ‚aeternus‘, ‚impassibilis‘, ‚incorruptibilis‘, ‚immutabilis‘. Illa omnia dicuntur de Christo temporaliter genito ex Virgine, crucifixo, mortuo, passo, resurgente etc.“ (B IEL, a. 2, concl. 2 [III, 159,22–26]). – „Praedicata primi ordinis, id est, immediata, quae enunciantur de hypostasi diuina, seu de Verbo, praedicari etiam de hypostasi humana, id est, de homine possunt, & eius concretis Idiomatibus, de natura uero humana praedicari nequeunt“ – e.g.: Deus, Creator, Infinitus, Aeternus, Impatibilis, Immutabilis (SCHEGK, Sententia , 1565, 34). 273 „Probatur conclusio: Quia quaecumque conveniunt supposito divino, conveniunt etiam supposito humano et eius idiomatibus. Nam suppositum divinum et humanum sunt idem omnibus modis et nullo modo distincta. Christus enim, qui est suppositum divinum, quia Verbum, ipse idem realiter et formaliter est suppositum humanum, quia homo. Persona enim Verbi ipsa eadem omnibus modis est persona divina et persona humana. Ipsa enim persona Filii subsistit in natura divina, et propter divinam est Deus, propter humanam est homo. Et ideo omnibus modis idem est Deus et homo. Et per consequens, quidquid praedicatur de persona divina, praedicatur et de persona hominis“ (B IEL, a. 2, concl. 2 [III, 159,27–35]). – SCHEGK, Sententia, 1565, 34: „quandoquidem Esse hypostaticum, & humanum, sit simpliciter, id est, numero unum & Idem“.
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positum (Deus, Christus, Homo[!]) real Verschiedenes – ist ‚pura creatura‘, auf die Hypostase nur in suppositaler Dependenz ohne jede reale Partizipation bezogen. 274 (3.) Die mediaten konkreten Prädikate beider Naturen dürfen vom Suppositum sowie auch – vermittels dieses identischen Suppositums – voneinander prädiziert werden. 275 Dieses uneingeschränkt zugelassene Prädikationsmuster bildet das Zentrum der scholastischen ‚communicatio idiomatum‘; die diese Klasse repräsentierenden Aussagen ‚Deus est Homo; Homo est Deus‘ erfahren eine eingehende Analyse.
So zielt der scholastisch-nominalistische Traktat über die Idiomenkommunikation darauf, diese christologische Redeweise präzise an den normierend vorausliegenden Sachbegriff der Personeinheit als einer unio suppositalis anzupassen, d.h.: den aufgrund des identischen Suppositums sprachlogisch möglichen ‚Austausch‘ der Prädikate nach der ontischen Diskretion der Naturen als Sustentans und sustentificatum zu regulieren. Alle zulässigen, z.T. „sehr volltönende[n]“276 Sätze bringen so nicht mehr als diese ihre Voraussetzung, die Identität des Suppositum, zur Sprache – eine christologische Neubestimmung von Gott und Mensch als Folge realer Kommunikation ist hingegen nicht im Blick.277 6.3.3.4 Gegenüber dieser Wertung der communicatio Idiomatum als eines Sprachvorgangs auf dem logischen Grund der Personeinheit, die letztlich die ‚communicatio‘ auf das Faktum der ‚unio‘ zurücknimmt, intendiert lutherische Christologie ein Verständnis der communicatio Idiomatum als einer realen Partizipation der Naturen aneinander. Gleich eingangs der Disputation hatte sich Schaefer gegen eine Identifizierung der communicatio 274 „... quia humana natura non est ipse Christus, neque ipse homo Christus, sed a Christo quiddam definitione est diuersum, nempe τω ειναι, seu ut Scholae loquuntur, realiter discrepans quiddam a Christo ... Quare Nat[ura] humana assumpta, seipsa & naturaliter considerata, neque est Christus, neque Homo, neque Deus, neque omnipotens, neque aeterna, neque creatrix, sed est pura creatura assumpta a Deo, in qua Deus Verbum subsistit, communicans tamen Deo suam denominationem, qua vere dicitur, & est Homo“ (SCHEGK, Sententia, 35, in Aufnahme von B IEL a. 2, concl. 2 [III, 159,40–46]; das nach der Ellision Kursivierte wörtlich = BIEL III, 159,43–46). 275 „De concretis secundi et tertii ordinis idiomata utriusque naturae nata mediate praedicari de supposito praedicantur de Christo et de seinvicem mutuo ...“ (B IEL, a. 2, concl. 3 [III, 159,47–160,57/59, hier: 159,48–50]). – „Idiomata utriusque naturae, quae mediate praedicari etiam possunt de Persona, seu Christo, de sese mutuo etiam praedicari possunt ...“ (SCHEGK, Sententia, 1565, 35). 276 SCHWARZ, 1966, 319. 277 Konzis: „Die Rücksicht auf die philosophischen Prinzipien und die entsprechend entworfene Idee der suppositalen Union haben ... zur Folge, daß die christologischen Sätze nur noch ein Ausdruck der suppositalen Union sind und im übrigen nicht anders von Gott und Mensch, vom Schöpfer und vom Geschöpf reden als alle übrige theologische und philosophische Rede: Gott ist Gott und der Mensch ist Mensch. In Christus bestehen zwar göttliche | und menschliche Natur zugleich, aber in bezug auf beide Naturen kann bloß das Nebeneinanderbestehen beider oder eine nebensächliche Mitbezeichnung der einen Natur für die andere ausgesagt werden“ (SCHWARZ, 1966, 333|f).
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Idiomatum mit der bloßen unio der Naturen verwahrt. Die Sätze ‚Deus/ Homo est Homo/Deus‘, das Grundmuster der scholastischen ‚Idiomenkommunikation‘, gehören als Explikation der unio selbst nicht schon zur communicatio Idiomatum.278 Und folgerichtig konzentriert Schaefer, wie notiert, die Debatte über die Praedicatio de tota persona auf das scholastische Verbot, ‚immediate‘ Prädikate der menschlichen Natur der Person Christi beizulegen; dieses Verbot ist direkte Folge des Ausschlusses jeder Realkommunikation aus der Unio der Naturen. Sein Einspruch ist scharf: die Restriktion bedeute nicht weniger als eine Negation dieses Genus der Kommunikation überhaupt (209/28v); die so de facto vollzogene Erhebung der Menschheit zum eigenständigen Handlungssubjekt impliziere zudem eine ‚nestorianisierende‘ Auflösung der Personeinheit279 im eklatanten Widerspruch zum Schriftzeugnis, das eindeutig und konstant alle spezifisch in der menschlichen Natur begründeten Eigentümlichkeiten und Ereignisse der irdischen Geschichte von ‚Christus‘ prädiziert.280 Schaefers emphatische Berufung auf das biblische Zeugnis markiert den Gegensatz allerdings noch nicht präzise. Natürlich akzeptiert und vertritt auch die scholastische Christologie die von Schaefer benannten biblischen Sätze ‚de Christo‘. Nur geht sie davon aus, daß diese Aussagen mit den vorausgesetzten Wesensbegriffen von Gott und Mensch vereinbar sind – die essentielle Identität von Gott und Mensch je für sich und so deren Disparität gegeneinander nicht in Frage stellen. Das Lehrstück der Idiomenkommunikation hat die Aufgabe, genau diejenigen sprachlogischen Kategorien, Regeln und Satzmuster auszuarbeiten, welche die perennierende ontologische Diskretion der Naturen, wie sie der Begriff der unio suppositalis für die Christologie fixiert, ‚zuläßt‘ – und nach Maßgabe dieser ontologisch normierten Hermeneutik sind auch alle Sätze der Schrift zu interpretieren. Einen eigenen ontologischen Anspruch gegen die festgeschriebene Wesensdifferenz von Gott und Mensch stellen die biblischen Texte nicht, ein Konflikt von Prädikation und Ontologie ist immer zugunsten der letzteren aufzulösen. Hierin gründet die Inkongruenz von Aussage (praedicari) und Sache (inesse), die die von Schaefer angegriffene These voraussetzt: die Person Christi ist zwar Prädikationssubjekt (bestimmter) menschlicher Idiome, ohne von diesen aber in ihrem Sein betroffen zu sein. 278
Vgl.: „[Personalem Vnionem] aduersariorum quoque concessione, sequitur aliqua Idiomatum communicatio. | Haec non est ipsa Naturarum Vnio: sed ipsius consequens & effectus. Ac proinde praedicationes has: Deus est Homo: Homo est Deus: Christus est Deus: Christus est homo Communicationem nemo recte vocauerit: cum ijs ipsamet Vnio describatur“ (1.|2/2 r) 279 „Naturarum enim (quibus Persona constat) Idiomata, actiones ac passiones ipsi personae tribui possunt ac debent. Nisi cum Nestorio Haeretico insanire, & ... fingere |velimus Humanitatem in Christo seipsa personam esse: quippe cuius Idiomata ad Personam Christi transferri, & de ipsa praedicari nequeant“ (211/28v.|29 r). 280 „Haec sententia clarissimis verbis Scripturae contradicit. Ea enim de Christo enunciat, quod sit ex Patribus exortus, natus, passus, esurierit, sitiuerit, constritatus sit, vsque ad mortem, fleuerit, flagellatus, crucifixus, mortuus, sepultus, resuscitatus sit, & consimilia plura: quae tamen omnia primo insunt Humanae Naturae Christi; id quod Scriptura particula distinctiua ostendit“ (211/28v).
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Demgegenüber setzt Schaefer das hermeneutische Gefälle genau gegenläufig an. Keineswegs sind die Sätze der Schrift einem vorgegebenen Begriff der Personeinheit unterstellt, der seinerseits durch die vorausgesetzte und auch christologisch nicht problematisierte Ontologie der Wesensbezüge abschließend normiert wäre. Es sind im Gegenteil die biblischen Aussagen, denen die hermeneutische und sachliche Priorität zukommt. Sie allererst erschließen der Theologie, welches die ‚Sache‘ ist, die der Begriff der Personeinheit von Gott und Mensch intendiert. In den, gemessen an den regulären (onto-)logischen Mustern, ungewöhnlichen Aussagen der Schrift bekundet sich die exorbitante ‚Neuheit‘ jenes Geschehens selbst, das hier zu Sprache kommt: Creator voluit esse Creatura – „plane NOVUM, εξαιρετον και μονοτροπον τι“!281 Wird die unio personalis so begriffen, wie sie das biblische Zeugnis präsentiert: als diese Vermittlung von Schöpfer und Geschöpf und so als Überschreitung der fundamentalsten Differenz des Seins, dann kann dieses ‚schlechthin neue‘ Datum nicht zurückgebogen werden unter die ‚alte‘ Ontologie, die gerade in dieser Differenz ihr letztes Maß findet. Vielmehr hat die Theologie der biblischen Vorgabe so gerecht zu werden, daß sie die dort bezeugte radikale Neubestimmung von Gott und Mensch in der Ausarbeitung des Begriffs uneingeschränkt zur Geltung bringt. In der Schule der Schrift lernt sie, diese der neuen Sache folgende ‚neue Sprache‘ der Christologie zu sprechen – novis linguis loqui (Luther).282 Aufgrund der in der unio vollzogenen Teilhabe wird von Gott und Mensch zu recht ausgesagt, was in den – daneben ebenso zu recht festgehaltenen – ontologischen Begriffen beider nicht enthalten ist, diesen im Gegenteil fundamental widerspricht: Gottes Teilhabe an menschlicher Niedrigkeit, die Erhebung des Menschen zu göttlicher Majestät. Diesen Vollzug radikaler Neubestimmung von Gott und Mensch auszusagen, ist das einheitliche Thema der Idiomenkommunikation – auch jener Sätze ‚de Christo‘, die deren 4. Genus konstituieren.
6.3.3.5 Schaefer stellt den Gegner an dessen prima facie stärkstem Punkt: die ‚bisweilen‘ schon im biblischen Zeugnis selbst begegnende Präzisierung der fraglichen Sätze de Christo durch distinktive oder limitierende Partikel (secundum; quia; quatenus)283 scheint die scholastische Restriktion auf die essentiellen Bezüge ins Recht zu setzen – das prädizierte Proprium komme in der Personeinheit doch nur jeweils ‚seiner‘ Natur zu. Die scholastischen Traktate analysieren das hier berührte sprachlogische Problem zusammenhängend in einem eigenen Abschnitt. So rubriziert Biel, in sachlichem Anschluß an Occam, 3 Grundmuster christologischer Sätze:284 (1.) Unbedingt prädizierende Aussagesätze mit in keiner Weise determinierter Subjekt-Prädikat-Struktur; diese gelten, wenn sie gelten, zeitinvariant.285 – (2.) Situations- und zeitrelative Sätze mit darum kontingenter 281 „cum Vnione duarum Naturarum in Christo (vt apud Prophetam |legitur) plane NOVUM, εξαιρετον και μονοτροπον τι condiderit omnium creator Deus ( Ακροπολις, 1607, Bl. b6r.|v, mit Bezug auf Jer 31,32; vgl. o. [D.I.] 6.2.3). – Vgl. auch C.II.2.2.1.1. 282 Vgl. dazu u. D.III.4.2. 283 „Quo in genere [sc. quarto] Scriptura interdum particula limitante & distinctiua ostendit, propter & secundum quam Naturam eiusmodi proprium Christo tribuatur ...“ (208/ 28v; vgl. 210/28v). 284 „... in hac materia occurrunt triplices propositiones“ (BIEL, a. 1, not. 3 [III, 157,1– 10, hier: 157,1]); vgl. SCHWARZ, 1966, 318 Anm. 110. 285 „Quaedam [propositiones] de inesse et simplici inhaerentia praedicati ad subiectum, ubi praedicatum dicitur de subiecto simpliciter, mediante copula praesentis temporis
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Subjekt-Prädikat-Verknüpfung. 286 – (3.) Sätze, deren Subjekt oder (/und) Prädikat eine spezifizierende Determination (secundum quid; inquantum) beigefügt ist. Diese dritte Gruppe liegt quer zu den anderen Satzmustern; die Sätze der ersten zwei Klassen können sowohl ohne als auch mit Limitation auftreten.287
Im Blick auf die determinierenden Zusätze unterscheidet die scholastische Tradition, der die Logik des 16. und 17. Jh.s grundsätzlich folgt, drei Arten resp. Deutungen.288 Weiter in Wendung gegen Schegks Rezeption der Festlegungen Biels289 prüft Schaefer diese drei Interpretationen: als Limitatio (1.) simpliciter reduplicativa; (2.) Aetiologica vel specivoca, sive causalis; (3.) Synecdochica. (1.) Die einfache Reduplikation (simplex Reduplicatio; αναδιπλωσις) zeigt an, daß das ausgesagte Prädikat seinem Subjekt schlechthin als solchem zukommt. 290 So zielen solche Zusätze auf die wesentliche Verfaßtheit des Subjektes und bringen dieses als Exemplar einer Species zur Sprache. Sätze dieser Art bilden in diesem Sinne propositiones universales (221/29v). – Schon aus diesem Grund scheidet diese erste Interpretation für den Fall der christologischen Aussagen aus; deren singuläres Subjekt ist nicht Exemplar einer Species des Seienden, sie selbst bilden darum propositiones singulares.291 Darüber hinaus wären nach diesem Muster erklärte Sätze – e.g.: ‚Christus quia Christus est aeternus / est subjectum passionis‘– im Kontext der Christologie schlicht falsch: „Christus“ existiert genau als Verbund der zwei Naturen von Gott und Mensch;292 die Christus ‚quia
et sine determinatione rationem inhaesionis praedicati specificante; ut: ‚Homo est Deus‘, ‚Homo est creator‘ et similes“ (B IEL, a. 1, not. 3 [III, 157,2–5]). 286 „Quaedam [propositiones] vero sunt ampliativae, ut propositiones de praeterito, futuro, possibili vel imaginabili, sub quibus comprehenduntur propositiones de incipit, desinit ...“ (BIEL, a. 1, not. 3 [III, 157,6f]). 287 „Tertiae sunt propositiones sive de inesse sive ampliativae, in quibus extremo vel extremis additur specificatio vel reduplicatio; ut ‚secundum quod‘ seu ‚inquantum‘ ...“ (B IEL, a. 1, not. 3 [III, 157,8–10]). – „... quaedam non simpliciter, sed determinate solent praedicari, seu cum quadam limitatione“ (SCHEGK, Sententia, 1565, 36). 288 „... vulgo tres limitationis species tradi“ (SCHAEFER 218/29 v). – „Limitatio ... praedicati respectu subiecti principalis, triplex est“ (SCHEGK, Sententia, 1565, 36). 289 SCHEGK, Sententia, 1565, 36–41. Schegk folgt hier, z.T. vereinfachend: B IEL, a. 2, concl. 6–8 (III, 165,1–168,53); diesen anonymen, aber aufgrund der Parallelen eindeutigen Bezug macht Schegk in seinem Responsum von 1568, das noch einmal eine Analyse der praedicationes limitatae vorträgt (31–51), auch explizit: „Autorem huius formae Limitationis habeo Byelum, scriptorum Occam compilatorem“ (51). – Daß dann Schaefer sich wiederum auf Schegk bezieht, belegen neben den Übereinstimmungen in der Sequenz der species limitationis die fragmentarischen, aber deutlichen wörtlichen Übereinstimmungen (vgl. 220/29 v mit Responsum 49; 226/30 v mit Sententia 36; 229/30v.31 r mit Sententia 36; 230[vgl. 232]/31r mit Responsum 32). – Vgl. auch u. Anm. 297. 290 „in qua [Reduplicatione] subjectum primo, per se & quia ipsum, subijcitur praedicato“ (220/29 v). – „subiectum illud primo, & per se, & quia ipsum subijciatur praedicato“ (SCHEGK, Responsum, 1568, 49); „de subiecto dicitur … aliquid, quia ipsum“ (SCHEGK, Sententia, 1565, 36). 291 221/29 v. – Zur singulären ‚Ontologie‘ der Person Christi vgl. o. (D.I.) 6.2.3. 292 „... Christus nihil est aliud, quam duae Naturae, Deus, Homo“ (223/30 r).
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Christus‘, reduplikativ beigelegten Prädikate würden dann notwendig ‚secundum utramque naturam‘ gelten (223/30r), und zwar gemäß der Definition näherhin so, daß sie beiden Naturen wesentlich (primo, per se, & non aliunde; 224/30r) zukämen. Solche Deutung der Limitation hätte damit die Wesensdifferenz der Naturen beseitigt (223/30 r). (2.) Die kausale oder auch ‚ätiologische‘ Limitation bzw. Reduplikation benennt den – vom ganzen Subjekt selbst verschiedenen – Grund (causa), dessentwegen das Prädikat dem Subjekt zukommt und inhäriert.293 In christologischen Sätzen der Art ‚Christus quia Deus/Homo est ...‘ ist auch sie nicht anzunehmen,294 obwohl Schaefer eine gewisse Parallelität konzediert. Denn allerdings werden idiomatische Bestimmtheiten (aeternum, infinitum esse; nasci; pati ...) als ‚Christus‘ zukommend ausgesagt ‚propter alterutram naturam‘ (227/30 v). Die in der Limitation genannte jeweilige Natur stellt insofern die ‚causa‘ der Prädizierung des Idioms dar. Aber zugleich ist allein diese eine Natur auch bleibend das subiectum primum, der wesentliche Träger des Prädizierten, während das formale Subjekt der Aussage – (totus) Christus – nicht als solches (seipso), sondern je nur hinsichtlich dieser einen Natur Träger des Proprium ist. 295 Diese einzigartige ontologische Struktur, die die christologische Person von den natürlich komponierten Größen (aliae a Natura constitutae res; 227/30 v) unterscheidet, faßt Schaefer wie im ersten Fall in den Satz: „Christus ... nihil est praeter suas naturas“ (228/30v). D.h. hier: „Christus“ ist kein essentiell homogenes neues Drittes neben und aus den ihn konstituierenden Naturen, das dann als solches unmittelbar Träger der Propria wäre, welche die Naturen ihm als dem neuen Ganzen mitgeteilt hätten. Christus ‚ist‘ nur der Verbund zweier essentiell vollständiger und bleibend distinkter Naturen; deren hypostatische Verbundenheit erlaubt zwar die Prädikation der Idiome vom vereinigten Ganzen, dies aber so, daß je allein nur eine Natur selbst essentieller Träger des Idioms bleibt.296 (3.) Entsprechend liegen die Dinge im letzten Fall, der synecdochischen297 Limitation: „quando partis cuiusdam gratia (quae [pars] de subiecto praedicari nequit[)] dicitur toti inesse praedicatum, quod absolute tamen de illo praedicari nequeat“ (230/31r).298 Beiden
293 „Eam [limitationem] definiunt; quod determinatione illa NON subiectum, sed causa quaedam exprimatur, propter quam praedicatum insit subiecto“ (226/30 v); „... qua exprimatur causa, quae sit aliud quiddam, quam subjectum“ (229/31 r). – „Altera [limitatio] est αιτιολογικη, ut qua intelligitur, & exprimitur causa, quae sit aliud quiddam quam subiectum, propter quam praedicatum insit subiecto, eam suo more Scholastici appellant Speciuocam propter ειδος nimirum causae“ (SCHEGK, Sententia, 1565, 36). 294 „[non] simpliciter“ (226/30v); „non per omnia conuenienter“ (229/31r). 295 „... Christus non seipso, sed ratione alterutrius Naturae sit subjectum primum cuiusque proprietatis“ (227/30 v). 296 „Quapropter natura propter quam proprietas aliqua de Christo dicitur, ex necessitate etiam primo illi proprietati subijcitur“ (228/30v). 297 Der Terminus wohl im Anschluß an Schegk, der seinen Gewährsmann hier ergänzt: er nennt ‚limitatio per/propter Synecdochen partis‘ (Sententia, 1565, 40; Responsum, 1568, 32.51), was bei Biel ‚diminuens vel distrahens determinatio‘ heißt (a. 2, concl. 8 [III, 167,1f(–13), 31ff–168,36]; so alternativ SCHEGK, Sententia, 1565, 40). – Bei Schaefer nur diese Umprägung: Limitatio Synecdochica (218/29 v; 230/31r; 232/31 r). 298 „[i.m.: Tertia species Limitationis, nempe diminuens seu distrahens] Praeterea per Synecdochen partis cuiusdam quaedam praedicantur de Subiecto“ (SCHEGK, Sententia, 1565, 40); „Tertiam Reduplicationem posui ... quando scilicet propter Synecdochen partis, de toto praedicatum enuntiatur, vt quum dico, Homo secundum animam, est immorta-
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Restriktionen unterliegen die christologischen Sätze nicht. Die in den Limitationen genannten Naturen werden von ‚Christus‘ direkt prädiziert (Christus est Homo/Deus). Während die reguläre Synecdoche eine Realdifferenz von pars limitans und subjectum unterstellt, gilt christologisch: „Filius Dei autem & Homo assumptus, a Christo non differunt realiter“ (232/31r). Und zweitens können jene Idiome, die von Christus „mediantibus Naturis“ (231/31 r) prädiziert werden, ausweislich der Praxis der Schrift auch ohne Nennung der fundierenden Natur (sine expressa limitatione, 231/31r; simpliciter & absolute, 230/ 31r) ausgesagt werden, ohne daß sich der Wahrheitswert änderte. Die Begründung dieser Eliminierung der regulären Synecdoche wiederholt das zentrale Argument aus dem 2. Fall (limitatio aetiologica) und letztlich auch aus dem 1. Fall (limitatio reduplicativa simplex). Im Regelfall einer natürlich konstituierten Ganzheit (e.g.: homo aus anima und corpus) teilen die konstituierenden Teile ihre idiomatischen Bestimmtheiten dem neuen Ganzen mit, dem sie insofern wegen der Teile, aus denen es besteht, zukommen. Da die Teile aber nunmehr in dem neuen – dritten – Wesen aufgegangen sind, können sie nicht mehr die Träger (Subjekte) der prädizierten Idiome sein; diese inhärieren, wenngleich wegen der Teile, dem neuen Ganzen aus den Teilen.299 Im christologischen Fall dagegen ist die Person zwar komponiert aus den Naturen als ihren Teilen, dies aber nicht im Sinne der Konstitution eines neuen Wesens.300 Die Personeinheit – ‚Christus‘ – ist nur das Zugleich der zwei Naturen bleibend als sie selber: „Christus [est] ambae suae Naturae simul“ (235/31 v); negativ: „Christus [est] nihil praeter suas naturas“ (232/31 r). Die vom ganzen Christus prädizierten Wesenseigentümlichkeiten von Gott und Mensch werden nicht nur wegen je einer der Naturen prädiziert; sie haben bleibend nur diese Natur, nicht das Ganze, als ihr (inhaesives) Subjekt. Die ‚ganze Person‘ bleibt ohne eigenes Wesen; ihre Einheit gründet nicht in essentieller Identität.
6.3.4 Kein tertium quid – Der implizierte Personbegriff Von zentraler Bedeutung für Schaefers Kritik der scholastischen Position301 ist offensichtlich jene eigentümlich ‚reduktive‘ Identifizierung von Person und Naturen: Christus – nihil (tertium) praeter suas Naturas.302 Diese Festlegung samt ihrem sinngleichen positiven Gegenstück – Christus est ambae suae naturae (235/31v) – bildet den konstant gegen die scholastische Hermeneutik der christologischen Sätze vorgetragenen Kanon.303 Und es ist lis, Christus secundum humanitatem, est creatura“ (SCHEGK, Responsum, 1568, 32; das erste Beispiel aufgenommen bei Schaefer, 232/31r). 299 „... propria partibus vel Naturis non insint: sed propter Naturas, realiter a Toto differentes, insint toti & composito“ (234/31v). 300 „... aliquid praeter ... naturas, nec DEVM, nec Hominem, tertiam ab his compositam Essentiam & Naturam“ (234/31v). 301 Es darf hier unerörtert bleiben, inwieweit Schaefer dem Gegner gerecht wird. Entscheidend ist nur, welchen eigenen Begriff der Personeinheit seine Kritik impliziert. 302 223/30 r; 228/30 v; 232/31 r. 303 Schaefer rezipiert hier – wie andere lutherische Theologen vor und neben ihm (vgl. D.I.7.1.2; 7.2.2; 7.3.1; D.II.5.2; D.IV.5.1.1, 6.2) – einen zentralen Satz der Christologie von Maximus Confessor, der die tradierten Bestimmungen der Personeinheit Christi als ‚aus‘ (εκ) und ‚in‘ (εν) zwei Naturen um diese dritte Bestimmung: ‚als‘ (α[περ]) die zwei Naturen ergänzt: „ουδεν ετερον εστιν ο Χριστος παρα τας αυτου φυσεις, εξ ων και εν αις
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gerade dieser Punkt, auf den sich dann die Erläuterung im Vorspann der Neuedition von 1607 richtet; die dort von Schaefer rubrizierten ‚Paradoxa‘ der unio personalis belegen seine zentrale These des völlig singulären ontologischen Status dieses Ganzen der Person Christi im Verhältnis zu den konstituierenden Teilen der Naturen.304 6.3.4.1 Die von Schaefer pointierte Antithese scheint allerdings dadurch in Frage gestellt, daß sein ‚heimlicher‘ Kontrahent Schegk diesen zentralen Kanon nicht nur nicht bestreiten würde – er trägt ihn explizit als eigene These vor: „Christus non est quaedam tertia 305 ουσια praeter ambarum naturarum ουσιας“! Niemals dürfe die Einheit der Person als ‚Mischung‘ der Naturen zu einer neuen dritten Wesenheit und Substanz gedacht werden; die christologische Synthese der Naturen bilde kein von diesen Komponenten essentiell differentes Kompositum, kein unum aus forma und materia.306 Hinter dieser Übereinkunft in der Formulierung verbirgt sich aber sachlich der entschiedenste Gegensatz. Für Schegk wie für die nominalistische Christologie kann die Person ‚Christi‘ schon aus folgendem Grund kein ‚Drittes‘ aus den vereinigten ουσιαι der Naturen sein: Die Termini ‚Christus‘ und, christologisch verwendet, ebenso ‚Verbum‘, ‚Deus‘ oder ‚Homo‘(!) stehen, wie hier nur erinnert werden muß, stets allein für die Person des Logos resp. die mit dieser real identische Gottheit in der Subsistenz dieser Hypostase. Die Menschheit im Sinne der supposital ‚getragenen‘ Natura humana selbst ist dabei nie direkt bezeichnet; sie gewinnt in der unio zwar als getragene ihr Dasein, ohne aber selbst konkret und personal, Suppositum oder Person (Homo) zu sein. Sie exiυπαρχει “ (Disput. Cum Pyrrho; PG 91, 573A); „ουκ αλλο τι παρα των εξ ων , εν οις τε και απερ εστιν γνωριζομενος … αλλ ’ αυτα κατ’ αληθειαν κυριως ων τα εξ ων και εν οις κατ’ αληθειαν κυριως εστιν“ (Op. 9; PG 91, 121A–B). „Diese Erweiterung der Glieder ‚εξ ων ‘ und ‚εν αις‘ um das ‚α‘ darf als schöpferische Tat des Maximos gelten“ (B AUSENHART, 1992, 170 Anm. 456). – Schaefer greift jedoch, soweit zu sehen, nicht unmittelbar auf Maximus Confessor selbst, sondern auf dessen Tradierung durch den Damascener zurück: die Person Christi „non est a suis Naturis ετερον τι, sed … est εξ ετερων τα v αυτα“ (SCHAEFER , Ακροπολις 1607, Bl. d7 , mit Verweis auf De Fide Orthodoxa III,3 [= 47, ed. KOTTER, 111,17–21, hier: 19]). Das genaue Verhältnis dieser lutherischen Rezeption zum genuinen Sinn der ‚Vorlage‘ (vgl. B AUSENHART, 1992, 168–178) bedürfte einer eigenen Untersuchung. – Zur Rezeption patristischer Theologie in der frühen Neuzeit überhaupt vgl. die Beiträge in FRANK u.a. (Hg.), 2006. 304 Vgl. o. (D.I.) 6.2.3. 305 SCHEGK, Sententia, 1565, 41, vgl. 61.62. 306 Sententia, 1565, 41. Schegk verweist hier zurück auf den 4. Artikel seiner Darstellung, der den ‚modus unionis‘ thematisch behandelt (Sententia, 1565, 20–23). Wird dort die Einheit der Person Christi im Modell der suppositalen Union entfaltet als „ordinis unitas, qua significatur posterioris a priore dependentia quaedam“ (22), dann formuliert dies die christologisch einzig legitime Annahme neben den denkbaren ontologischen Alternativen: (1.) einer unio zweier ουσιαι „causa informationis“, in der Logizität von forma und materia (20.21f); sodann (2.) einer unio „causa Aggregationis“ als einer akzidentellen Mischung (unum Mixtum; 22) homogener Teile (20.22). – Streng genommen darf so gar nicht von den Naturen als den ‚Teilen‘ Christi oder von Christus als einem ‚compositus‘ aus Gott und Mensch gesprochen werden, weil dies das Mißverständnis eines die ursprünglichen Identitäten aufhebenden „tertium quiddam & neutrum“ (30–32, hier: 32) nahelegte.
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stiert nur in suppositaler Dependenz als das sustentificatum der Logoshypostase; als solches ist sie von der Persona Verbi, darum auch von ‚Christus‘ real verschieden.307 Unter diesen Grenzziehungen lautet dann Schegks positive Weiterführung der Negativabgrenzung konsequent: „... est evidens, Christum aliud nihil esse, quam λογον, seu Filium Dei, ratione naturae humanae personaliter subsistentem, ratione cuius subsistentiae non tantum Deus, sed Homo etiam appelletur“.308 Der rigide Ausschluß einer realen Partizipation der Menschheit an Person und Natur des Logos – an ‚Christus‘! – vermeidet a limine das Problem, die ‚ganze Person Christi‘ mit der Naturendifferenz überhaupt in einem fundamentaleren Sinn vermitteln zu müssen: ‚Christus‘, das identische Suppositum göttlicher und menschlicher Natur, ist, auf seine wesentliche Konstitution hin betrachtet, nur ‚einer‘ und ‚eines‘, nicht ‚zwei‘ – „neque personaliter, neque neutraliter“!309 Kurz: Bei Schegk steht die Bestreitung einer ‚tertia ουσια‘ im Dienst der Fixierung der Wesensdifferenz von Gott und Mensch auch in der christologischen Unio beider.
6.3.4.2 Das genau konträre Interesse verfolgt hingegen Schaefers positive Vervollständigung seines Axioms: „Christus est nihil aliud, quam duae Naturae, Deus et Homo“,310 „nihil est praeter suas Naturas“,311 „[est] ambae suae Naturae simul“.312 Weil die ganze Person nichts Drittes für sich neben den Naturen, sondern ‚nur‘ „ihre Naturen zugleich“ ‚ist‘, kommen von dieser Person ausgesagte Prädikate immer den Naturen zu313 – oder es wäre gar nicht von diesem Ganzen die Rede. Die wesentlichen Bezüge sind dadurch nicht in Frage gestellt. Immediates ‚Subjekt‘, dem das prädizierte Proprium inhäriert, ist je nur eine der vereinigten Naturen. Prädiziert wird es von der ganzen Person, also – ist ja die Person ‚nichts anderes als beide Naturen‘ – unter Einschluß der je anderen, wesentlich fremden Natur. Dieser aber kann es nicht qua essentiellem Zusammenhang zukommen; andererseits aber auch nicht lediglich äußerlich, per accidens. Eine weitere reguläre Substruktion des Konnexes von Subjekt und Prädikat kennt die tradierte Ontologie nicht; die Alterna307
Vgl. o. Anm. 274; sowie: „Christus usurpatur pro natura Verbi divina subsistente in humana natura, non autem usurpatur pro humana natura, quia natura humana reipsa seu τω ειναι distincta est ab Verbi Persona ...“ (SCHEGK, Sententia, 1565, 30); „nec Natura humana pars est Christi, quia non est pars Verbi“ (ibd. 31). 308 Sententia, 1565, 41. 309 „... perspicuum est, Christi uocabulo non significari duo quaedam, neque personaliter, neque neutraliter discrepantia“ (30). – Vgl. auch: Christus „non est aliud distinctum τω ειναι a Persona Verbi, quum sit ipsum Verbum ... Christus nomen est Personae, & principaliter significat Verbum, consignificans tamen seu connotans na|turam humanam, rem quandam discrepantem a persona“ (Sententia, 1565, 29|f). 310 223/30 r. 311 228/30 r; vgl. 232/31 r und auch 196/27 r. 312 235/31v. 313 „... quaecunque de Christo dicuntur, tribuuntur ipsi secundum Naturas: Cum Christus sit nihil praeter Naturas“ (232/31 r). – „Cum autem Christus sit ambae suae Naturae simul: secus, quam in essentialiter compositis, fit, vt, quaecunque Christo propria tribuuntur, eorundem etiam subjecta sint Naturae“ (235/31 v).
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tive von wesentlicher oder akzidenteller Verknüpfung ist hier vollständig – tertium non datur. M.a.W.: Schaefers Analyse der Sätze de Christo führt auf ein noch nicht geklärtes ontologisches Problem. Als wahre Sätze unterstellen diese Prädikationen, daß das durch Subjekt und Prädikat Bezeichnete realiter (im Gegenstand der Aussage) verknüpft ist; diese Verknüpfung sei aber für die je wesentlich fremde Natur weder essentiell noch akzidentell, dennoch nicht nur verbal (Synecdoche), sondern real gegeben – damit aber ist die geforderte Korrespondenz von Aussage und Sache auf dem Boden der regulären Ontologie nicht mehr darstellbar. Welcher Art ist der gleichwohl beanspruchte Zusammenhang? 6.3.4.3 In dieser Zuspitzung hat die Frage ihren systematischen Ort in der Entfaltung der unio personalis und wird dort von Schaefer auch ausführlicher aufgenommen.314 Sie markiert aber zugleich auch eine Unklarheit in Schaefers sonst so eindrücklicher Entfaltung der Idiomenkommunikation selbst. Die Zuschreibung eines Idioms nicht nur an die essentiell konveniente Natur, sondern auch an die ganze Person, die nur als Zugleich ihrer Naturen sei, wirft die Frage nach einer vorlaufenden Kommunikation dieses Idioms auf – nicht ‚an‘ die Person, die als ohne eigenes Wesen für sich dieser Rezipient nicht sein kann, sondern an die je andere Natur. Und es muß diese von der praedicatio de tota persona als Bedingung ihrer Wahrheit geforderte Kommunikation ‚zwischen den Naturen‘ in ein Verhältnis zur idiopoietischen und metapoietischen Mitteilung gesetzt werden, die die Kommunikation zwischen den Naturen bereits – vollständig? – beschreiben. – Eine Klärung dieser verbliebenen ‚Leerstelle‘ in der schwäbischen Revision der konkordistischen These kann Schaefer ebenso wenig attestiert werden wie dem ein Jahr jüngeren Entwurf Hafenreffers.315 7. Präzisierungen und vorläufiger Abschluß Trotz einzelner verbleibender Unschärfen markiert Schaefers Disputation De communicatione Idiomatum von 1602 eine entscheidende Station in der seit 1596 nachweisbaren schwäbischen Neukonzeption des Lehrstücks. Die dann bereits mit der 3. Auflage der Hafenreffer’schen Loci von 1603 (o. D.I.3) fortgesetzte Reihe der Tübinger Beiträge zum Thema führt die durch Schaefer geleisteten Klärungen an verschiedenen Punkten weiter (7.1, 7.2). Um 1610 gehört die zunächst maßgeblich von Vertretern einer ‚neuen‘ Generation betriebene Revision zum festen Besitz auch der offiziellen schwäbischen Theologie, wie sie in von der Tübinger Fakultät gemeinsam verantworteten Texten dokumentiert ist (7.3).
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Vgl. dazu u. D.IV.2. Zu Hafenreffer vgl. o. (D.I.) 3.2.3.2.
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7.1 Thomas Wegelin 1608 Mit Nachdruck kann nun die Symmetrie der Idiomenkommunikation entwickelt werden. Auch in dieser Hinsicht sperrige Elemente werden in die neue Perspektive eingeholt. So die ontologische Disjunktion von informierendem Akt (εντελεχεια, forma) und informierter Potenz (δυναμις), die 40 Jahre zuvor J. Schegks ‚Verteidigung‘316schwäbischer Christologie rezipiert hatte. Wird das Verhältnis von Gott und Mensch in Christus in dieser Weise der Relation von tätigem und rezeptivem Prinzip analogisiert, scheint notwendig ein unumkehrbares Gefälle und eine strikte Hierarchie von Aktivität und Rezeptivität zwischen der ‚höheren‘ und der ‚niedrigeren‘ Natur als bleibende Binnenstruktur der Personeinheit festgeschrieben. Die Möglichkeit einer alternativen Rezeption des Elements, die mit der symmetrischen Neufassung der Idiomenkommunikation kompatibel bleibt, dokumentiert Thomas Wegelins monographische Breite erreichende ‚Disputatio Theologica De Christo‘, die der gebürtige Augsburger im Rahmen seiner Doktorpromotion am 27./28 Mai 1608 in Tübingen verteidigt.317 7.1.1 Im Zusammenhang der Erklärung und ‚Illustration‘ des übernatürlichen Mysteriums der hypostatischen Union durch die natürliche Verbindung von Seele und Leib greift Wegelin wiederholt auf den Entelechiegedanken zurück.318 Der Skopus dieser Erläuterung ist jedoch nicht die strikte Hierarchisierung des Verbundenen, und dies gilt schon für das anthropologische Muster. Gewiß gelangt der an sich leblose Leib erst aufgrund der Vereinigung mit der entelechischen Seele, die ihn ‚informiert‘ und belebt, zu aktualem Daseinsvollzug; und er bleibt auf diese Einwirkung kontinuierlich angewiesen (151f/39). Entsprechend kommen der Menschheit Christi die Prädikate göttlichen Tuns nicht kraft eigenen Wesens zu, sondern nur aufgrund des ihr kommunizierten göttlichen actus personalis319 oder der göttlichen Entelechie (153/40; 156/40f). Wegelin geht es jedoch hierbei nicht um ein hierarchisches Gegenüber von menschlichem ‚Organ‘ und göttlicher Entelechie, das dann die voluntative Konditionierung der Partizipation legitimierte. Vielmehr gilt das Interesse der konkreten Handlungseinheit des durch die Verbindung des wesentlich Verschiedenen allererst konstituierten Ganzen. Diese Handlungseinheit läßt sich nur als Folge vorgängiger Mitteilung (der göttlichen Entelechie an die Menschheit) begreifen, und sie illustriert diese Kommunikation zugleich schlagend.320 Anderenfalls müßte das von der Schrift präsentierte Phänomen, der ‚Homo Christus‘ (156/40) als das Subjekt 316
Vgl. das o. (D.I.) 6.3.3.1 Notierte. 333 Thesen auf 95 Seiten Quart, zzgl. 18 Seiten Praefatio (Tübingen 5. Mai 1608); Praes. J.G. Sigwart, die Thesen stammen vom respondierenden Wegelin; Belegangaben im folgenden hierauf bezogen. – Zur Person: TSCHACKERT, 1896; zu Wegelins Christologie auch: o. C.II.2.5.3/4; u. D.III.1; D.IV.3. 318 149/38–156/40f, hier: 150/38f; 152/39; 153/40; 156/40f. 319 Zu diesem Begriff vgl. u. bei u. mit Anm. 746. 320 „Quae itaque insania est, sanctissime velle negare Naturarum in Persona communicationem, quam Spiritus Sanctus veracissime astruit, & ipse Christus efficacissime divini sui corporis virtute demonstravit, dum per mortem Corporis sui eum vicit, qui Mortis habuit dominium, quae Mors nisi infinitae esset efficaciae, mortem in aeternum vincere nequivisset ...“ (154/40). 317
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göttlichen Heilshandelns, „per summam blasphemiam“ als Folge einer naturalen Vergottung menschlichen Wesens verstanden werden.321 Demgegenüber gewinnt allein die Bestimmung der Personeinheit als Vollzug von Mitteilung und Teilhabe die Möglichkeit, dieses biblische Zeugnis vom gott-menschlichen Handeln Christi einzuholen; anderenfalls löste sich das vereinigte Ganze auf in seine ‚abstrakten‘ Teile, die je für sich gerade nicht Subjekt jener soteriologischen Prädikate des Schriftzeugnisses sein können. Das christologische ‚Subjekt‘ ist allerdings der ‚Homo[!] Christus‘, – dies aber nur, weil und insofern er selbst in seinem Dasein durch die mitgeteilte göttliche Entelechie bestimmt ist, die als empfangene doch seinen actus personalis bildet, aufgrund dessen ihm neben den menschlichen Prädikaten auch die essentiell fremden göttlichen zukommen. 322 Und das christologische ‚Subjekt‘ ist ‚andererseits‘, in gegenläufiger Perspektive auf dasselbe Geschehen, der Logos, – dies aber nur, weil er gerade als ‚Entelechie‘ des vereinigten Ganzen notwendig selbst durch die Idiome und Geschicke der angeeigneten Menschheit bestimmt ist.323 In der Sache betreffen die der Person Christi beigelegten Prädikate darum stets beide Naturen.
7.1.2 Wegelin zieht diese Konsequenz explizit auch für die Prädikation menschlicher Attribute: Christus, der „auf ewig nichts anderes ist als seine Naturen“,324 hat hinsichtlich (quoad) beider Naturen gelitten, obschon ihm dieses Leiden im Sinn essentieller Begründung (Terminus a quo) unstrittig nur aufgrund (secundum) einer – der menschlichen – Natur zukam.325 Auf dem Hintergrund dieser klarer als bei den zeitgenössischen Tübingern selbst326 ausgesprochenen Distinktion zwischen subjektiver Betroffenheit (quoad utramque naturam) und dem formalen Grund des Prädizierten (secundum alterutram naturam) revoziert so auch Wegelins ‚allgemeine 321 „Mors ... Christi ... efficaciam habet infinitam, quod si non per Communicationem, habebit eam Naturaliter, atque sic Naturaliter Homo erit DEUS per summam blasphemiam“ (155/40). 322 „Quemadmodum ... Homo Christus potentiam videndi habet ab anima sua sanctissima, ut Corporis εντελεχεια; ita potentiam videndi Nathanaelem localiter absentem sub ficu [Joh 1,48], habet ab Actu DEI, ut VNIONIS εντελεχεια. Quemadmodum item virtutem vivendi habet ab Anima sua, ita virtutem vivificandi per communicationem Actus Personalis seu εντελεχειας υποστατικης. Per actum Animae vivit ανθρωπαθως, per actum DEI Personalem vivit θεοπρεπως, actu communicato realissime ...“ (156/40f). 323 „Etenim Filius DEI seu λογος est forma συστατικη Personalis, Naturae humanae, seu εντελεχεια: quare qui sangvis dicitur proprius Christi Hebr.8[!, 9(,12)] quoad humanam Naturam proprietate naturali: idem etiam dicitur proprius D EI sanguis, Actor.20[,28] sine confusione idiomatum proprietate Personali, seu subsistentiae“ (202/56). 324 „totum Christum, qui in aeternum nihil aliud est, quam suae Naturae: sc. εξ ετερων τα αυτα“ (73/20); „[Christus] non alius est a sua Deitate & humanitate, sed το συναμφοτερον ...“ (135/35). 325 „Christus ... QVOAD utramque Naturam est passus, sed non secundum utramque Naturam. QVOAD, enim actum notat, & eius veritatem: SECVNDVM, modificationem actus formalem. Ita Filius DEI passus est, sed humanitatem assumsit, qua passus est. 1. Pet.4.v.1 ...“ (143/37). – Diese Position Wegelins provoziert den Angriff J. Gretsers, der zum Schlagabtausch über die ‚theopaschitische‘ Häresie führt; vgl. o. Anm. 175. 326 Vgl. o. 2.2, 3.2.3.1 zu Hafenreffer; 6.3.2(.3) zu Schaefer; u. 7.2 zu Hoecker.
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
Regel‘ zur Idiomenkommunikation nicht das fundamentale Verständnis der Personeinheit als Vollzug wechselseitiger Mitteilung: „Quicquid de Christo praedicatur, vel secundum alterutram Naturam accipiendum est, vel secundum utramque simul“ (176/49). Dieser Satz scheint der 1603 vorgetragenen Forderung Hafenreffers zu widersprechen, von Christus ausgesagte Prädikate stets auf beide Naturen zu beziehen.327 Doch ist Wegelins Unterscheidung anders orientiert, sie blickt auf eine satzlogische Differenz der Genera. Die Restriktion ‚secundum alterutram naturam‘ gilt einheitlich für das erste (idiopoietische) und das zweite (metapoietische) Genus, soweit die wesentliche Begründung des Prädikates in Frage steht; der parallele Einbezug der je anderen Natur im Sinne sachlicher ‚Betroffenheit‘ bleibt davon in beiden Fällen unberührt. Diesen idiopoietischen und metapoietischen Sätzen gemeinsam gegenüber stehen die apotelesmatischen Prädikate des dritten Genus, die in einem strikten Sinn ‚secundum utramque naturam‘ ausgesagt werden: Aufgrund der voraufgehenden idiopoietischen und metapoietischen Kommunikation handelt hier jede der beiden Naturen in gottmenschlicher Wirksamkeit, so daß Christus sein Heilswerk ‚per utramque Naturam formaliter‘ bewirkt.328 7.1.3. Hinsichtlich der formalen Disposition der communicatio Idiomatum rezipiert Wegelin die zwischenzeitlichen Tübinger Modifikationen des Lehrstücks (Schaefer, Hafenreffer), setzt aber in der Begründung eigene Akzente. (1.) Aus der Perichorese der Naturen folgt zwingend die communicatio Idiomatum als wechselseitige Mitteilung der Proprietäten der Naturen ( εκατερας φυσεως αντιδιδουσης τη ετερα τα ιδια ... δια την περιχωρησιν ; 133/34). (2.) Aus dieser wechselseitigen Kommunikation der Idiome (im engeren Sinn) folgt die reziproke Gemeinschaft der Naturen im apotelesmatischen Handeln des Amtes (133/34f). – Von hier aus nimmt die Entfaltung folgenden Weg. Die αντιδοσις ‚in der Person‘ vollzieht sich als wechselseitiges Geschehen zwischen den Naturen: „vtraque Natura sibi inuicem εν τω συαμφοτερω per reciprocationem conferunt, quod suum cuiusque est“.329 Diese Einsicht bestimmt konsequent die technische Differenzierung des ‚modus (conditio) αντιδοσεως‘ (134/35). Die idiomatische Vermittlung i.e.S. differenziert sich in zwei Genera, 1. die Aneignung der menschlichen Proprietäten durch den Gottessohn und so Gott selbst (136/35; 140/36); 2. gegenläufig die Mitteilung der göttlichen Majestät des Logos an die menschliche Natur (137/35f; 141/36). Auf diesem duplexen Vollzug ruht das gemeinsame Handeln beider Naturen im heilsmittlerischen Amt, wie es das 3. Genus aussagt (138f/36; 142[.144]/37; 270/78). – In den ersten beiden Genera wird, wie notiert, zwar jeweils ‚secundum alterutram naturam‘, aber gleichwohl ‚quoad utramque naturam‘ prädiziert.330. 327
Vgl. o. 3.2.3.2; vgl. auch J. Hoeckers ‚Canon‘, u. 7.2.2. 270/78; vgl. 143/37 (o. Anm. 325) zu den Gegebenheiten der ersten beiden Genera; vgl. auch 144/37, 279/80. – Zu der sich hier andeutenden spezifischen Fassung der apotelesmatischen Kommunikation vgl. u. E.III.2. 329 135/35; vgl. 140f/36 (vtriusque Naturae), 143/37 (quoad utramque Naturam). 330 143/137, vgl. o. bei und mit Anm. 325. – Nicht explizit ausgeglichen mit dieser Strukturierung steht die von Wegelin alternativ vorgetragene, deutlich Hafenreffers Konstruktion von 1603 (D.I.3.2.2) aufnehmende Differenzierung der Genera im ‚Capvt IV. 328
I. Die Revision der konkordistischen Idiomenkommunikation
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7.2 Jonas Hoecker 1610 In J ONAS HOECKERS331 Speculum Logico-Theologicum – der die christologischen Fragen behandelnde Band I erscheint 1610332 – kommt die Tübinger Revision der Idiomenkommunikation der Sache nach zu einem jedenfalls vorläufigen Abschluß. Hoeckers Votum ist auch deswegen von Interesse, weil er das von Schaefer in ‚antischolastischer‘ Wendung Formulierte nun in Abgrenzung gegen die reformierte Position entwickelt. 7.2.1 Hoecker gibt dem Problem der Attribution der Idiome beider Naturen an die ‚ganze Person‘, wie es mit der praedicatio de tota persona gestellt ist, ein grundsätzliches Gewicht. Hier geht es ums Ganze – auf dem Spiel steht die Verteidigung des Verständnisses der ‚communicatio Idiomatum in Persona Christi‘ als einer „realissima & verissima κοινωνια“ (55) gegen die Zurücknahme auf das bloß verbale Phänomen einer ‚communicatio Nominum‘ (55)333, wie man sie lutherischerseits der reformierten Christologie attestiert. Hoeckers Kritik gilt näherhin dem Versuch, die Sätze de tota persona nach dem sprachlogischen Muster der Synecdoche zu regulieren: Das von der ‚ganzen Person‘ prädizierte Idiom komme real dem vereinigten Ganzen nur je hinsichtlich des Teils (alterutra natura) zu, dessen wesentliche Eigentümlichkeit es ist. Hoeckers Referat der Gegenposition (55f) nennt als Belege einschlägige Äußerungen A. Polanus’, Th. Bezas und v.a. B. Keckermanns. In der Tat erklärt jedenfalls Keckermanns Erläuterung der Limitatio Synecdochica334 die dort entwickelte Logizität von Ganzem und Teil explizit zum hermeneutischen Kanon bestimmter christologischer Aussagen: De communicatione Idiomatum in Specie‘ (174/48–290/83). Zweites (Metapoiesis; 212/ 63–269/77) und drittes (apotelesmatische Kommunikation; 270/78–284/81) Genus werden identisch gezählt und definiert. Hingegen differenziert Wegelin das erste Genus nunmehr in zwei Species, deren erste die Attribution der Propria beider Naturen an die ganze Person (εκατερωσις; 178/50[–190/53]) umfaßt, während Gegenstand der zweiten Species die Aneignung der menschlichen Proprietäten durch den Gottessohn (ιδιοποιια; κοινωνια ιδιωματων κατ’ εξοχην ; 191/53–211/62f) ist. – Hier sucht auch Wegelin den Ausgleich mit der divergierenden Systematik der FC. 331 Jonas Hoecker 1581–1617 (Diakon Tübingen; Superintend. Marbach). – F ISCHLIN, Memoria II, 1709, 113–115; S PARN, 1976, 20 (mit Anm. 16 [222]). 332 J. HOECKER, Prior Pars Speculi Logico-Theologici, Tübingen 1610; die folgenden Belegangaben beziehen sich hierauf. – Zum Genus des Werkes vgl. u. D.II.1.2. 333 Theor. X: An Communicatio Idiomatum in persona Christi sit tantum communicatio Nominum, τροπος inter verba consistens, Enallage, Modus attributionis, &c. An vero realissima & verissima κοινωνια, &c. (55–110). – Vgl.: Theor. XI: An propria & Idiomata insint Toti Christo, quae tamen Naturis non tribuantur (110–113), und Theor. XII: An Synecdochica limitatio dominetur in his propositionibus; Christus est ubique:, Christus est passus carne, 1.Petr.4.1, Christus est ex Patribus secundum carnem. Roman.9.v.5 &c. (113–117; mit deutlichem ‚Echo‘ der Vorgaben Schaefers; vgl. o. D.I.6.3.3.5). 334 B. KECKERMANN, Systema Logicae, 1606, 338–340.
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„In Theologia ... vtilitas [synecdochicae limitationis] ingens est, ad explicandam orthodoxam doctrinam de persona Christi, quae cum totum etiam quoddam sit, ... idcirco hanc quoque proprietatem retinet, vt recte tribuatur toti personae, quod est alterutrius naturae. Atque huc pertinet terminus ille veterum Theologorum, videlicet κοινωνια ιδιωματων: is enim Logicus est, ad vsum Theologicum applicatus, & nihil aliud notat, quam limitationem seu permutationem illam, qua propter partium & totius vnionem, id recte dicitur esse totius personae, scilicet quod est altervtrius partis seu naturae“.335
Die synecdochische Limitation gilt nach Keckermann präzise für die prädizierten Idiome der Naturen. Nicht tangiert sind jene Prädikate, die tatsächlich unlimitiert dem Ganzen als Ganzem eigen sind (praedicata totorum absoluta) – christologisch fallen darunter v.a. die apotelesmatischen Attribute (esse Mediatorem, etc.).336 Doch diese Einschränkung kann den Widerspruch Hoeckers nicht mildern. Eine synecdochische Deutung verfehlt prinzipiell den mit dem Titel ‚Idiomenkommunikation‘ formulierten Anspruch: „Nulla enim est communicatio, si de Deo proprietas divina, & de homine affectio humana enunciatur“ (58) Das πρωτον ψευδος (58) dieser Trivialisierung liegt in einem verfehlten Begriff der Binnenstruktur der christologischen Person. Hoecker nimmt hier sachlich die von Schaefer337 vorgetragene Verknüpfung der Analyse der Sätze de tota persona mit der Frage nach der ontologischen Struktur ihres Subjekts auf. Keckermann macht hier geltend: wie alle sonstigen Ganzheiten ist auch die christologische Person als ein von den konstituierenden Naturen verschiedenes Drittes zu begreifen: „Christum esse Totum aliquod Integrale, & diversum quiddam praeter suas naturas“.338 Näherhin grenzt Keckermann die Persona Christi zwar als ein totum extraordinarium ab gegen die natürlicherweise konstituierten tota ordinaria;339 insofern kann der christologi335 Systema Logicae, 1606, 339. – „Est autem nihil aliud communicatio Idiomatum, quam participatio proprietatum; seu communio praedicatorum, quae est inter partes personae Christi, & ipsam personam, tanquam totum ex partibus constans: ita nimirum, vt quod alterutri naturae absolute inest, toti etiam personae insit, & attribui possit, respectu illius naturae. Quae communicatio fluit ex naturae totius & partium & ex illo certissimo canone Logico, Quicquid parti inest absolute, etiam toti inest limitate, secundum illam partem. Cum ergo persona Christi sit totum quid, constans ex duabus naturis, tanquam partibus; ideo necesse est proprietates quoque & indolem eam, quae omnibus totis inest, personae Christi inesse, vt nimirum, sicut partes sunt totius, & in toto, ita quoque partium praedicata sunt totius & in toto“ (DERS., Systema Theologiae, 1607, 316f, hier 317). 336 „Absoluta totorum praedicata ea sunt, quae toti competunt secundum vtramque partem: aut toti, qua totum est, aut tertium quiddam a partibus diuersum: limitata vero sunt, quae competunt toti, non qua tertium quid est a partibus diuersum; sed secundum certam aliquam sui partem, quae cum toto necessariam vnionem habet“ (Systema Theologiae, 1607, 318). 337 Vgl. o. (D.I.) 6.3.3.5. 338 Auch dieses Referat Hoeckers (58) bilanziert die These des Kontrahenten korrekt: vgl., auch zum folgenden, v.a. KECKERMANN, Systema Logicae, 1606, 198 (im Zusammenhang des Passus 192ff) zum ‚totum integrale‘ (zum Begriff u. Anm. 340). 339 Systema Logicae, 1606, 192.194.200.
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sche Verbund der Naturen – „directe“ – weder als ‚totum essentiale‘ noch als ‚totum integrale‘ verstanden werden.340 Gleichwohl habe die christologische Person grundsätzlich eine „αναλογιαν magnam cum Toto integrale“.341 Und jedenfalls gilt auch für sie, was für alle aus Teilen jedweder Art zusammengesetzten Einheiten Gültigkeit hat: „Partes a Toto suo differunt etiam simul sumtae“. 342 Diese ontologische Differenz des vereinigten Ganzen auch gegenüber der Summe seiner Teile verbietet es, die Bestimmungen des Ganzen unlimitiert auf die konstituierenden Teile zu übertragen;343 umgekehrt kommen Prädikate eines Teils dem vereinigten Ganzen nur synecdochisch zu, kennzeichnen also nicht auch zugleich den (die) anderen Teil(e).344
7.2.2 Gegenüber dieser modifizierten Einordnung in reguläre ontologische Muster verteidigt Hoecker, in sachlicher Übereinstimmung mit Schaefer und in Applikation vorangehender Darlegungen,345 entschieden die These einer völlig singulären Struktur des christologischen Totum. Das Ganze der Person Christi kann nicht derart von seinen konstituierenden Teilen abgehoben werden, wie es die reformierte These unterstellt; es ist genau und ausschließlich das Zugleich dieser Teile: „Christum non esse aliquid praeter suas naturas, sed το συναμφοτερον , ambas suas naturas, εξ ετερων τα αυτα“.346 Aus dieser Identität ergibt sich der für das Verständnis der Idiomenkommunikation verpflichtende Leitsatz:347 „Quicquid commune est Toti personae CHRISTI, illud de utraque natura intelligendum est: sed hoc modo, ut de altera per naturae proprietatem & conditionem; de altera vero per communicationem Idiomatum, secundum Scripturae sensum sumatur & praedicetur“.348 340
Totum integrale meint den Verbund quantitativ begrenzter Teile (e.g.: Homo als Verbund von caput, venter, pes ...), Totum essentiale das Konstitut aus materia und forma (e.g.: Homo als Verbund von corpus und anima). Vgl. dazu KECKERMANN, Systema Logicae, 1606, 192–194; HOECKER, Clavis 1613, 357f. 341 Systema Logicae, 1606, 194. 342 Systema Logicae, 1606, 195f, hier:195. – Zur Totum-partes-Logizität in ihrer christologischen Applikation vgl. auch u. D.IV.5(.1). 343 „Non quicquid Totius est, etiam partis est ...“ (Systema Logicae, 1606, 197f, hier: 197; vgl. die christologische Applikation, ibd., 198). 344 „Quod est partis qua pars, id etiam est Totius secundum illam partem“ (Systema Logicae, 1606, 196f, hier: 196; vgl. die christologische Applikation, ibd., 197). 345 Vgl. hierzu Theor. III: An Duae in Christo Naturae constituant Christum, ceu totum INTEGRALE ... quemadmodum ventriculus & homo, vel, ut pedes & homo Integrale unum constituunt (Speculum I, 1610, 21–25; hier gegen KECKERMANN, Systema Logicae, 1606, 197f. 442); auch Theor. IV: An duae in Christo naturae constituant unum ουσιωδες, essentiale & naturale, ut anima & corpus TERTIUM quoddam constituunt ... (Speculum I, 1610, 26–29; gegen KECKERMANN, Systema Logicae, 1606, 197f). 346 Speculum I, 1610, 59, vgl. 29 – Schaefers zentraler Kanon; vgl. o. (D.I.) 6.3.4. 347 „... inconcussus & irrefragibilis Canon“ (59); „Canon Theologicus“ (29 i.m.). 348 Speculum I, 1610, 59. Vgl. die Herleitung dieses Canon Theologicus (29 i.m.) aus dem Axiom der realen Identität von Person und Naturen: „Canon Keckermanni, quo probat id, quod Totius est, non esse partis, vel propria quaedem Toti composito tribui, quae tamen partibus & naturis non insint, nec tribuantur; duntaxat verus est de toto Integrali;
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Hoeckers gegen den ‚enormen Irrtum‘349 der Reformierten gerichteter Canon entspricht genau jener Bestimmung, die Hafenreffer schon 1603 für die Sätze des Synamphoterismos vertreten hatte, ohne sie allerdings stringent durchzuführen:350 Was der ganzen Person zukommt, betrifft stets beide Naturen – die jeweils eine kraft wesentlicher Verfassung, die je andere in der Weise kommunikativer Teilhabe am fremden Wesen. 351 Hoecker erläutert seine Regel für beide Grundmuster der Prädikation. Vom ganzen Christus – de tota persona, quae ambae naturae est (59) – werden zum einen (a.) menschliche Proprietäten und Widerfahrnisse (est natus, passus, mortuus; etc.), zum andern (b.) göttliche Idiome (est omniscius, omnipotens, omnipraesens; etc.) ausgesagt. Die Prädikate kommen jeweils einer Natur kraft wesentlicher Verfassung zu: der natura humana (a.) resp. dem Logos (b.). An diese unverletzte Identität des Wesens erinnern die particulae distinctiuae, die auch in den biblischen Aussagen begegnen. Wenn die reformierten Logiker und Theologen allerdings diese Zusätze für die synecdochische Restriktion des Prädikats auf die wesentlich zugrundeliegende Natur beanspruchen, verkehren sie deren distinktive Funktion in eine separierende. Unbestritten indizieren die Zusätze den auch in der Personeinheit bleibenden essentiellen Zusammenhang der prädizierten Eigentümlichkeit mit je nur einer Natur,352 aber diese Feststellung zielt nicht auf den Ausschluß der je anderen Natur. Im Gegenteil: Die Markierungen stehen – quasi via negationis – im Dienst der Affirmation des Kommunikationsvollzugs. Indem die Zuweisung an eine Natur erfolgt, was den essentiellen Zusammenhang anbelangt, wird ipso facto als Korrelat die Mitteilung an die je andere Natur behauptet: „Scriptura ideo his distinctivis utitur particulis ..., ut, si aliquid de Tota persona Christi dicitur, distincte explicetur, secundum cuius naturae proprietatem illud dicatur, ut constet, illud ipsum quoque enunciatum de altero quoque natura per Idiomatum κοινωνιαν sumendum esse“ (60).
7.2.3 Über die sprachlogische Klärung hinaus deutet Hoecker eine zweite Präzisierung der Tübinger These immerhin an, wenn er die geforderte Inklusion der je fremden Natur ‚per communicationem Idiomatum‘ de facto auf die Idiopoiesis (Fall [a.]) bzw. Metapoiesis (Fall [b.]) zurückbezieht und von dorther zu begründen sucht. Die göttliche Natur des Logos hat an den von der ganzen Person prädizierten Widerfahrnissen menschlicher Niedrigkeit teil aufgrund der appropriatio – sie macht sich all dies ‚zu eiaut etiam Essentiali, in quo tertia quaedam ex naturis componitur essentia: falsus autem est de Toto personali. Si enim Christus est ipsae suae naturae, nec εξ ετερων ετερον ; sequitur nullum proprium posse praedicari de Christo, quod non etiam de naturis praedicetur; & vicissim nihil praedicari de naturis, quod non de Christo quoque possit enunciari; & per consequens, quod Totius Christi est, id quoque esse partium vel naturarum Christi“ (28f, hier: 29). – Für Hoecker bündelt sich hier geradezu die Auseinandersetzung: „Omnis enim pene controversia inter nos & modernos Calvinianos consistit in eo; An idiomata praedicentur de toto Christo, sed non de naturis“ (29; vgl. auch 62.176). 349 „enormis ... error“; „error pestilentissimus“ (29). 350 Vgl. o. D.I.3.2.3.2. 351 „per naturae proprietatem & conditionem“ (59); – „per communicationem Idiomatum“ (59), „per gratiam unionis hypostaticae“ (60). 352 „secundum cuius naturae proprietatem illud dicatur“ (60).
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gen‘;353 gegenläufig partizipiert die Menschheit an der göttlichen Herrlichkeit, weil ihr der Logos seine Majestät zugeeignet hat.354 So ruht die Attribution an die ‚ganze Person‘ Christi auf dem Geschehen wechselseitiger Kommunikation zwischen den Naturen, wie sie das idiopoietische und metapoietische Genus vorangehend entfaltet haben.355 Die volle Konsequenz dieser rekursiven Verknüpfung zieht indes auch Hoecker nicht. Sie hieße: Die Prädikationen de tota persona repräsentieren keinen dritten Vollzug realer Mitteilung, sie reformulieren nur in bilanzierender Perspektive jenes Geschehen der Vermittlung der Naturen, das im 1. und 2. genus distinkt und sequentiell ausgesagt wird. Doch jedenfalls in der Fluchtlinie der Festlegungen taucht hier die Möglichkeit auf, jene die Entwürfe Gerlachs, Hafenreffers und auch noch Schaefers kennzeichnende Spannung zu beseitigen, die dadurch entsteht, daß der Ort der praedicatio de tota persona in dem nach dem ordo naturalis entworfenen System der Idiomenkommunikation keine konsistente Klärung erfährt. 7.2.4 Über die damit in den Blick geratende Gesamtarchitektur der Idiomenkommunikation stellt Hoecker, dem literarischen Genus seines Beitrags entsprechend, keine besonderen Reflexionen an. Doch ist das Kompositionsprinzip erkennbar. Im Anschluß an die hier skizzierte Apologie der Realität der Idiomenkommunikation anhand der praedicationes de tota persona356 behandelt Hoecker die in diesen Sätzen sachlich immer schon vorausgesetzten Grundvollzüge der Idiomenkommunikation: zunächst das „utilissimum & consolatione plenissimum communicationis genus“ (117) der Idiopoiesis357 und dann – extensiv – die communicatio Majestatis.358 Das abschließende Theorema ist mit der apo353 „De λογω accipitur per appropriationem & Idiomatum communicationem. Cum enim λογος in suae naturae proprietate, nec nasci, nec pati, ne mori propter naturae simplicitatem possit; iccirco natus, passus, mortuus est, in propria sua assumpta carne, quam in personae suae unitatem assumendo, simul omnes eius infirmitates & proprietates assumpsit, & sibi appropriavit ...“ (59). 354 „... at de humanitate assumpta [dicitur] per κοινωνιαν Idiomatum. Nam λογος assumptae suae naturae hypostasin suam & seipsum Totum communicando, omnem quoque gloriam & maiestatem suam eidem communicavit, ut, quam ipse gloriam & maiestatem habet ex naturae | suae proprietate, eandem assumpta, & personaliter τω λογω unita natura humana habeat per gratiam unionis hypostaticae“ (59|f). 355 Vgl. ebenso die Rede von der ‚mutua communicatio in ιδιοποιησει & υπερυψωσει‘ oder der ‚mutua & αντιστροφος communicatio proprietatum‘ (73). 356 Theor. X(–XII) (55–110[/117]). 357 Theor. XIII: „An ιδιοποιησις, vera & realis appropriatio, quo λογος vel Filius Dei, humanitatem in suae personae unitatem, intimo, arctissimo, & profundissimo modo assumens; omnia quoque propria, omnes actiones, passiones, infirmitates & imbecillitates illius hominis assumpsit, sibi associavit, & realiter appropriavit ... fundamentum habeat in Scriptura ...“ (117–134, hier: 117). 358 Theor. XIV: „An Idiomata Divinitatis του λογου sint realiter communicata humanitati assumptae“ (134–142, hier: 134), mit den Spezifikationen einzelner Idiome in Theor. XV–XXI: Omnipraesentia (Th. XV–XX; 142–291!); Omniscientia, Omnipotentia, Potestas remittendi peccata, virtus vivificandi, religiosa adoratio (Th. XXI, 292–339).
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telesmatischen Mitteilung zwischen den Naturen ( κοινοποιια) befaßt.359 – Diese Sequenz kommt formell überein mit der von Hafenreffers zweitem Entwurf und Schaefers Neubearbeitung von 1607 gebotenen Darstellung des Stoffs.360
7.3. Die Auseinandersetzung mit der reformierten ‚Irenik‘ 1606ff Die an der Schwelle des 17. Jh.s vollzogene Neufassung der Idiomenkommunikation, wie sie in den Arbeiten Gerlachs (1596), Hafenreffers (1600, 1603), Schaefers (1602, 1607), Wegelins (1608) und Hoeckers (1610) dokumentiert ist, führt in Tübingen zu einer präzisierten Formulierung des christologischen Propriums im Gegenüber zu den konfessionellen Alternativen. Die etwa zeitgleich in den Jahren 1606ff neu aufflackernde Auseinandersetzung mit der reformierten (Heidelberger) ‚Irenik‘361 belegt den Gewinn an theoretischer Bestimmtheit: Programmatisch wird gegen die Pfälzer Kontrahenten die Wechselseitigkeit der Idiomenkommunikation zuge359
Theor. XXII: De Mediatore. An Christus secundum Divinam quoque Naturam sit noster Mediator & Salvator (339–350). 360 Vgl. o. (D.I.) 3.2.2/3; 6.3.1. 361 Vgl. neben HOLTMANN, 1987, 268–273 (272f Lit.), bes. 269,21–270,40, NEUSER, 1980, 349–351, hier: 350; LEUBE, 1928, 50–58, sowie BENRATH, 1986, 349–358 v.a. HOLTMANN, 1960, hier: 205–225. – Ausgelöst wird die Debatte durch die von (dem Heidelberger Hofprediger) Bartholomaeus Pitiscus verfaßte, amtlich approbierte Trewhertzige Vermahnung, Heidelberg 1606 (HOLTMANN, 1960, 205–212, bes. 210f). Auf die sofort einsetzenden lutherischen Proteste gegen die hier vorgetragene Marginalisierung der konfessionellen Lehrdifferenzen – darunter als erste Tübinger Reaktion die theologisch weniger ergiebige Kurtze bescheidentliche Antwort / Auff die ... Trewhertzige Vermahnung, 1608 (HOLTMANN, 1960, 221; zu außerwürttembergischen Stellungnahmen: 213–220) – antwortet der Pfälzer Außführliche Bericht / Was die Reformirten Kirchen in Teutschland glauben oder nicht glauben, Heidelberg 1607 (im folgenden zitiert: B). Dieses Votum avanciert zum Ausgangspunkt einer über mehrere Runden laufenden literarischen Kontroverse: (Württemberger) Examen vnd Gegenbericht, Tübingen 1608 (im selben Jahr die hier benutzte 2. Auflage; zitiert: E); (Pfälzer) Kurtzer Anhang Deß Außführlichen Berichts, Heidelberg 1609 (A); (Württemberger) Continuatio Examinis, Tübingen 1609 (C); (Pfälzer) Antwort ... auf die Continuationem Examinis, Heidelberg 1610 (nicht eingesehen, vgl. HOLTMANN, 1960, 221 Anm. 9); (Württemberger) Promotio Gehaltenen Examinis, Tübingen 1611 (HOLTMANN, 1960, 222 Anm. 3: 1610; P); (Pfälzer) Endtliche Überweisung (s.l., s.a. [Heidelberg 1611]; nicht eingesehen, HOLTMANN, 1960, 222); (Württemberger) Schluß=Rede Oder Abfertigung der Jüngsten Heidelbergischen ... Endtlichen Vberweisung, Tübingen 1612 (HOLTMANN, 1960, 222 Anm. 6: 1611; S); (Pfälzer) Beschluß / der Heidelbergischen Endtlichen Vberweisung, Heidelberg 1611 (nicht eingesehen, HOLTMANN, 1960, 222 Anm. 7); Sieg und Triumph der unüberwindlichen württembergischen Schlußrede, Tübingen 1614 (nicht eingesehen). – Vgl. zur Bibliographie der Quellen HOLTMANN, 1960, 220–222 (dort fehlt [221] das Tübinger Examen) sowie die ältere Liste der württembergischen Schriften bei FISCHLIN, 1709, II, 21f. – Verfasser der schwäbischen Texte ist Hafenreffer (FISCHLIN, ibd.; KUNZE, 1899, 331,23–25; vgl. Acta Mentzeriana 187; Kepler an Hafenreffer, 18.8.1610; Werke XVI, Nr. 586; Z. 42.69[.58]: „tua … Examinis continuatio“).
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spitzt, wie sie zwingend aus deren Fundament, der wechselseitigen Gemeinschaft schon der Naturen, folge. Dieser sachlich vorausliegende Begriff der Naturenkommunion ist „ist die Braut / darumb man allhie tantzet“ (C:156, vgl. P:201), das (reformierte) „Schlupffloch von Vereinigung beider Naturen / welche doch auch ohn alle andere Gemeinschaft getichtet würde“, soll „vermauret“ werden (S:189).362 Konsequent wird die christologische Differenz nicht nur in altbekannter Weise am Thema der communicatio Majestatis, insonderheit der Ubiquität ausgelegt. Ebenso intensiv richtet sich das polemische Interesse nun auch auf die gegenläufige idiopoietische Kommunikation; die damit verknüpfte theopaschitische Frage rückt sogar in den Vordergrund der Debatte. 7.3.1 Nachdrücklich wird der Zusammenhang der strittigen Themen unterstrichen. Idiopoiesis und Metadidosis, die ‚beiden Genera‘ der Idiomenkommunikation, erscheinen als symmetrische Ausprägungen eines einheitlichen Grundbegriffs der christologischen Unio selbst, der in der These der mutua (reciproca) communicatio (E:461) seine bündige Formulierung findet. Als Konsequenz dieser „sampt der Schrifft vnd Luthero“ verfochtenen Überzeugung, „d[a]z alle Eigenschafften / | vnd zwar Reciproce, das ist hin vnd wider beeden Naturen gemein werden“363, formuliert dann Hafenreffers Continuatio Examinis schon 1609 jenen ‚Canon‘, auf den hin ein Jahr später Hoecker die lutherische These zuspitzen wird: die Forderung der – nur modal differenzierten – Übertragung aller von der ganzen Person ausgesagten Prädikate auf beide Naturen: „Was auff der gantzen Person bleibt/ das bleibt auff beyden Naturen Christi: dann die gantze Person ist nichts anders/ dann zwo Persönlich vereinigte Naturen.364 Vnd sollen demnach von jeglicher Natur / beyderley Eigenschafften gesagt werden“ (C:204). – „Also daß sie [sc. die Eigenschaften] der Natur/ welcher Eigenschafften sie seind/ wesentlich eigen bleiben: der andern Natur aber/ in vnnd vmb persönlicher Vereinigung willen/ mitgetheilt werden“.365
7.3.2 Die klare Erfassung der Wechselseitigkeit der Idiomenkommunikation als Bedingung der Einheit der Person selbst366 spricht sich auch aus in
362
Zu dieser Stoßrichtung vgl. v.a. C:159–169; S:88–154(.172–175). E:501–514, hier: 502|f; vgl.: „welche [Mitteilung der Eigenschaften] Mutua oder Reciproce seye/ das ist/ so wol von der Menschlichen Natur/ auf die Go(e)ttliche/ als von der Go(e)ttlichen auff die Menschliche Natur gehe“ (E:512). Vgl. auch E:461. 364 Auch hier das entscheidende Argument Schaefers (o. D.I.6.3.4). 365 C:187–209, hier: 190. Hafenreffer geht hier in der Klarheit der Formulierung über das Votum seiner Loci von 1603 (D.I.3.2.3.2) hinaus, das die im selben Jahr 1609 erscheinende 4. Auflage unverändert wiederholt. – Zu Hoecker vgl. o. D.I.7.2.2. 366 „... Wer lehret / daß nit von jeglicher Natur / beederley Eigenschafften ko(e)nnen vnnd sollen gesagt werden (als von der Go(e)ttlichen Natur / Go(e)ttliche vnnd Menschliche; vnd widerumb von der Menschlichen Natur/ auch Go(e)ttliche vnd Menschliche) der 363
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einer eigentümlichen Rekonstruktion der christologischen Haupthäresien der Alten Kirche. Auch damit repetieren die Schwaben eine Deutung Luthers, ohne daß diese Anknüpfung explizit vermerkt würde.367 Die gemeinhin strikt antithetisch zugeordneten Abweichungen des Nestorius und des Eutyches erscheinen hier – „assez frappant de voir“? – als symmetrische Ausprägungen einund desselben Grunddefizits.368 Beider Irrtum betraf, so machen die Schwaben gegen die opinio communis geltend, nicht schon die These der unio personalis selbst; sei es, daß die Einheit der Person geleugnet (Nestorius) oder die Duplizität der Naturen grundsätzlich bestritten (Eutyches) worden wäre. Erst im Blick auf die notwendige Folge der unio personalis, die communicatio idiomatum,369 gehen beide in die Irre. Nestorius bestreitet, orientiert an der Ewigkeit, Unveränderlichkeit und Leidensunfähigkeit der göttlichen Natur (E:509), die Zuschreibung menschlicher Eigenschaften und Widerfahrnisse an (die) Gott(heit); er hat damit „nur 370 das Eine Genus Communicationis Idiomatum (welchs bey den Gelehrten οικειωσις vel ιδιοποιησις genennet wird / wann nämlich Menschliche Eigenschafften von GOtt gesagt werden) geläugnet“ (E:111; vgl. S:163). Eutyches hingegen „fällt auff der andern Seiten zum Schiff hinauß“ (S:177); fixiert auf die Inkapazität der endlichen Menschheit Christi (S:179[.178]) ist er „auff der andern Seiten Communicationis Idiomatum, das ist in Mittheilung Göttlichen Eigenschafften gegen der Menschlichen Natur / welches man in den Schulen Μεταδοσιν oder υπερυψωσιν [nennt] ... bestu(e)rtzt vnd jrr worden“ (S:178): Die begrenzte Menschheit kann nicht Träger der unendlichen göttlichen Eigenschaften sein; um die Einheit der Person zu retten, zieht Eutyches die Konsequenz einer Auflösung der menschlichen Natur auf dem Wege ihrer Vermischung mit der Gottheit.371
zerreißt die Person Christi / als ob er nicht wahrer Gott/ oder nicht wahrer Mensch were“ (C:205). 367 LUTHER, Von den Konziliis und Kirchen (1539); StA 5; 539,9–562,35 (WA 50, 581 –604). Vgl. dazu v.a. NILSSON, 1966, 228–244. Luthers Skopus verfehlt dagegen LIENHARD, 1979, 234–237 (u. Anm. 371). – Auf Luthers These rekurriert die württembergische Christologie auch sonst; so Andreae auf dem Mömpelgarder Kolloquium 1586 (Acta Colloquij Montis Belligartensis, 233); vgl. auch Heerbrand (o. Anm. 15). – In der Konkordie selbst findet sich lediglich eine knappe ‚theopaschitische‘ Aussage: FC SD VIII 44 (BSLK 1030,43–1031,16; = StA 5, 548,10–21; WA 50, 590, 11–23). Die Aussagen zur ‚Reziprozität‘ der Idiomenkommunikation finden keine Rezeption – und wären mit der asymmetrischen Konzeption der FC auch nicht vermittelbar. 368 So, bezogen auf Luther, Y. CONGAR: „Il est assez frappant de voir, que pour lui, l’erreur de Nestorius et celle d’Eutyches sont radicalement identiques“ (1954, 480; Hervorhebung U.W.). 369 So mit Luther: „Qui concedit antecedens bonae consequentiae, non potest negare consequens“ (StA 5, 546,21f; vgl. 548,32; 553,9; 554,13; 555,24f; 556,6–16). 370 Die Haltung des Nestorius zum ‚anderen‘ Genus, der Metadosis (communicatio Majestatis), gilt Tübingen als unklar, jedenfalls nicht eindeutig ablehnend (S:163)! 371 „Hat also dem Eutycheti daran gefehlet / daß er nicht in sein Vernunfft bringen ko(e)nnen/ wie ein Endtliche Natur/ Vnendtlicher vnd Go(e)ttlicher Eigenschafften sollte feihig vnd theilhafftig werden ko(e)nnen: darumb er die mit dem Sohn Gottes in ein Natur vermischen wo(e)llen“ (S:179). – Vgl.: „Eutyches gestehet zwo Naturn vor der Perso(e)nlichen Vereinigung/ weil aber der Menschlichen Natur/ seinem Kopff nach/ keine Go(e)ttliche Eigenschafften gebu(e)ren wo(e)llen/ so mu(e)ssen sie ihm beide in eine ver-
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Auch nach schwäbischer Sicht können die Verfehlungen des Nestorius und Eutyches als einander konträr betrachtet werden.372 Aber diese Antithetik ist doch erst da adäquat erfaßt, wo sie als die gleichsam alternierende Variation eines hier und dort identischen fundamentaleren Defizits begriffen wird. Es ist dies das Unvermögen, das in der These der communicatio Idiomatum beanspruchte Zugleich von Identität und Differenz festzuhalten – die Einheit des wesentlich bleibend Verschiedenen kraft der wechselseitigen realen Partizipation. Divergent ist lediglich der Ansatzpunkt: Der Bestreiter der Idiopoiesis distanziert die Gottheit von den menschlichen Widerfahrnissen und löst damit in der Konsequenz die Einheit der Person auf, die er doch formell nie in Frage stellt; der die Metadosis Verweigernde kann die emphatisch intendierte Identität der Person Christi nur um den Preis einer Aufhebung der Differenz der ‚Teile‘ denken und verfehlt so das Wesen dieser Person als Vereinigung.373 Die historische Rekonstruktion munitioniert die aktuelle Polemik. Lehnen die Heidelberger sowohl die Idiopoiesis wie die Metapoiesis ab, kumulieren sie die in altkirchlicher Zeit separat vertretenen Irrtümer – „mit gedoppelter Nestorianischer Ketzerey in vtroque genere communicationis Idiomatum“ (S:181) behaftet, gelten sie den Schwaben als „ärger ... dann Nestorius“ (E:111), weil eben „zwifache Nestorianer“ (S:163).
7.3.3 Möglich wird die offensive Einforderung der Reziprozität der Idiomenkommunikation374 durch die konsequente Entwicklung des Idiopoiesis. Die Württemberger setzen gerade in dieser Frage einen Schwerpunkt. Geht es, wie gegen alle ‚irenischen‘ Versuche einer Marginalisierung der Lehrdifferenzen beschworen wird, in dem Streit um die Idiomenkommunikation keineswegs nur um „etliche wenige Nebenfragen/ vnd schlechte Händel“ (E:529), dann hat diese Wertung insonderheit das idiopoietische resp. theopaschitische Thema im Blick. Hier steht nicht weniger als der „Grunde des gantzen Christenthumbs/ vnd ewiger Seligkeit der gantzen Welt“ (E:529) zur Entscheidung. Betreffen Christi Leiden und Tod allein die menschliche Natur, dann verliert sein Geschick jede soteriologische Relevanz (C:178; S:160.190) – es „fallet“ „das gantz
mischet werden“ (S:178). – Vgl. ähnlich LUTHER, StA 5, 552,28–553,27/561,34 (WA 50, 595,1ff). Darin eine ‚monophysitische‘ Tendenz Luthers sich auswirken zu sehen (L IENHARD, 1979, 236f, vgl. 259), verkennt ‚radikal‘ die Pointe dieser Synopse der prima facie antithetischen christologischen Haupthäresien als näherbesehen ‚radicalement‘ identisch (o. Anm. 368). Vgl. NILSSON, 1966, 237f, und gleich im Text. 372 „... widerwertige [i.e. gegensätzliche] Irrthumb“ (S:178; zum Kontext vgl. Anm. 373); wohl in Anlehnung an Luther („widerwertige Ketzerey“ [StA5, 552,2f; WA 50; 594,7f]), der seinerseits eine Wendung Leos des Großen aufnimmt, ohne dessen Sachzuordnung einfach zu teilen; vgl. StA 5, 560,29–561,34; WA 50, 602. 373 „... also er [Eutyches] vnd Nestorius widerwertige Irrthumb gehabt haben. Dann Nestorius kann der Go(e)ttlichen Natur nichts Menschliches zuschreiben lassen: dadurch die beede Naturen getrennt werden. Eutyches gestehet zwo Naturn vor der Perso(e)nlichen Vereinigung/ weil aber der Menschlichen Natur/ seinem Kopff nach/ keine Go(e)ttliche Eigenschafften gebu(e)ren wo(e)llen/ so mu(e)ssen sie ihm beide in eine vermischet werden“ (S:178). 374 Die Reziprozitätsthese schließt eine modale Differenzierung beider Genera keineswegs aus; zur Frage, „ob es zu beeden Theilen/ gleicher Weise zugegangen/ oder was sich hier für Unterschied halte?“, vgl. E:507–514 (Zitat: 507) und gleich im Text.
354
D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
Euangelium ... zuhauffe“ (S:157):375 „Dann es kostet ein Menschen zuviel/ daß er eine Seele erlöse/ er muß es lassen anstehen ewiglich“ (C:154, vgl. E:171). Gegen die auf den „Vntergang des gantzen Christenthumbs“ (S:190) führenden calvinistischen Restriktionen steht das Postulat: „GOTTES Creutz/ GOTtes Leiden/ GOTTES Marter vnd Tod/ der muß allhie die Kraft geben vnd Sieg erhalten“.376 Dem entspricht die These der Idiopoiesis, die solche Teilhabe als Implikat unmittelbar der inkarnatorischen Zuwendung entwickelt: Mit der Annahme der Menschheit hat sich der Sohn Gottes unabdingbar auch alle deren Idiome und Widerfahrnisse zu eigen gemacht – „[s]onsten es kein Mensch/ sondern ein Gespänst gewest were“.377 Das Leidensgeschick der angenommenen Menschheit bleibt dem Sohn Gottes nicht äußerlich, es betrifft seine Gottheit selbst: „Dann so warhafftig Göttliche Natur deß Sohns Gottes/ die Menschliche Natur/ in Einigkeit der Person angenommen/ so warhafftig hat die Göttliche Natur/ in angenommener Menschlichen Natur/ gelitten vnd das gantz Werck der Erlösung außgerichtet“ (E:511). Natürlich – „daß in Warheit die Göttliche Natur des Sohns Gottes leidet“ (E:510), das widerspricht der Unwandelbarkeit und Leidensunfähigkeit der Gottheit. Den Pfälzer Rekurs auf das Apathie- und Immutabilitätsaxiom, der sich aus dem Arsenal der altkirchlichen Polemik gegen die ‚Theopaschiten‘ munitioniert,378 kontern die Schwaben mit der Anklage auf Erneuerung der nestorianischen Ketzerei,379 die die Plausibilitäten der „Wettermacherin/ vnser Vernunfft“ (E:508) verabsolutiert.380 Das Tübinger Contra negiert dabei die – nach dem Konsens der Zeit biblisch vorgegebene (Mal 3,6) – Unveränderlichkeit und Leidensunfähigkeit Gottes keineswegs abstrakt: Auch für die Schwaben wäre es „vnsinnig“ (E:510; S:192), zu bestreiten, „daß die göttliche Natur oder der Sohn GOTTES ... an vnd vor [=für] sich selbsten/ weder geboren werden/ weder leiden noch sterben / noch einiger Menschlichen Eigenschafft/ an vnd für sich selbsten/ nach natürlicher Eigenschafft/ vähig seyn kann“.381 Diese essentielle Inkapazität hindert aber nicht, sondern fordert, gerade für die Relevanz der mit der Inkarnation gesetzten ‚Veränderung‘ zu argumentieren – „vmb solcher Persönlichen Vereinigung willen“ muß ein auch die Gottheit betreffendes Werden ausgesagt werden.382 Das wesensmäßig unstrittig nur der natura humana eigene Leiden betrifft auch die göttliche Natur, „mit seiner Maß“ (S:191), nämlich kraft der idiopoietischen Aneignung des Leidens des ‚eigenen‘ Fleisches (E:509f): „Vnd
375 „Sintenmalen das Euangelium nichts anders ist/ dann daß Christi Leiden vnd Sterben/ ein genugsame volkommene Bezalung seye fu(e)r vnsere Su(e)nde“ (S:157). 376 E:172; vgl. wieder die Parallele in Luthers Konzilsschrift: „Gottes marter/ Gottes blut/ Gottes tod“ (StA 5; 548,18; WA 50; 590,19; vgl. FC SD VIII 44; BSLK 1031,10f). 377 E:507; erneut in Aufnahme Luthers: StA 5, 547,31–33:33; WA 50; 589,31–33:33. 378 Vgl. etwa C:183f zur Debatte über die von den Pfälzern angezogene AlamundarusAnekdote (zu dieser s. E LERT, 1957, 129–132. 309–312). 379 „Diese Gedanken [über die Unveränderlichkeit und Apathie Gottes]/ haben dem Nestorio/ seinen Hagel gemacht/ vnd in die schädliche Ketzerey geschlagen“ (E:509). 380 Sc.: die Antithetik von göttlicher Unveränderlichkeit und der geschichtlichen Leidensexistenz des Menschen (E:508f). Vgl. LUTHER, Vom Abendmahl Christi (1528); WA 26, 321,19–28 (StA 4, 82,21–83,7; FC SD VIII 41f [BSLK 1029,36–1030,16]). 381 E:509; vgl. E:510.512; S:192. 382 „Dann weil GOtt das Wort Fleisch worden/ das ist/ weil der Sohn GOttes Menschliche Natur in Einigkeit seiner Person an sich genommen/ so ist vmb solcher Persönlichen Vereinigung willen/ alles GOttes des Wortes worden was sonsten der Natur nach des Fleisches ist“ (S:192f); „... durch vnnd von wegen Perso(e)nlicher Vereinigung/ vnnd dahero erfolgter Gemeinschafft der Eygenschaften“ (C:204).
I. Die Revision der konkordistischen Idiomenkommunikation
355
solch Leiden/ ist nicht weniger warhafftiges Gottes Leiden/ Gottes Sterben/ Gottes Tode / als wann es Gott in seiner eigenen Natur außgestanden“.383
7.3.4 Gegenüber dieser These, in Christus leide die göttliche Natur des Logos, bestehen die Heidelberger darauf, in den christologischen Sätzen strikt zwischen (legitimen) ‚konkreten‘ und (unzulässigen) ‚abstrakten‘ Termini zu unterscheiden – konkret verstanden, darf vom Leiden des ‚ganzen Christus‘, des ‚Sohnes Gottes‘ oder auch schlicht ‚Gottes‘ gesprochen werden. Unterstellt ist dabei in jedem Fall die synecdochische Regulierung: Alle Termini bezeichnen ‚konkret‘ die ganze Person Christi, der das Prädizierte näherhin aber nur nach einem ‚Teil‘, der menschlichen Natur, zukommt. Dieser Einwand nötigt die Tübinger, eigens auf Sinn und Notwendigkeit der abstrakten Rede vom Leiden der Gottheit oder der göttlichen Natur zu reflektieren.384 Im Blick ist dabei nicht die göttliche Natur als der ganzen Trinität gemeinsame, sondern nach der Besonderung der 2. Hypostase.385 Unter dieser Kautele ist dann aber gegen die Pfälzer Unterscheidung die volle Konsequenz zu ziehen: Der Sohn Gottes oder Gott das Wort ist nichts „anders/ dann seine Gottheit“; und umgekehrt gilt: „die Göttliche Natur des annemmenden Sohns Gottes“ ist nichts „anders/ dann der Sohn 383 E:510. – Vgl. den ganzen Zusammenhang: „Damit aber Gottes Sohn dem Menschlichen Geschlecht zu guten vnd Heil/ solche [menschliche Tätigkeiten]/ Vnd dardurch das Werck der Erlösung verrichten könnte: So hat die Göttliche Natur des Sohns Gottes/ Menschliche Natur/ in Einigkeit seiner Person angenommen/ vnd sich mit jhr also verbunden/ das nunmehr dieser Mensch/ dieses Fleisch vnd Blut/ welches er [|510] in Einigkeit seiner Person angenommen/ kein frembdes Fleisch oder Blut/ sondern seyn eigen Fleisch vnd Blut ist/ vnd in Ewigkeit bleibet/ also/ daß was dieser angenommene Mensch Marien Sohn/ ist vnd hat/ solches alles deß Sohns Gottes/ eigen ist; vnd was diesem Menschen widerfehret/ Gott selbst wiederfehret: Dann es ist Gottes eigener Leibe/ Gottes eigenes Fleisch vnd Blut; wie die Schrift sagt ... [Ac 20,28]. Darauß sihet man/ daß in Warheit die Göttliche Natur des Sohns Gottes leidet/ aber nicht an jhr selbs/ oder nach Eigenschafft jhrer Natur/ dann das were vnsinnig zugedencken/ sondern sie leidet an jhrem eigenen/ in Persönliche Einigkeit/ angenommenen Fleische. Vnd solch Leiden/ ist nicht weniger warhafftiges Gottes Leiden/ Gottes Sterben/ Gottes Tode/ als wann es Gott in seiner eigenen Natur außgestanden. Dann was die Göttliche Natur/ nach Natürlicher Eigenschaft außzurichten nicht vermochte/ darzu hat sie ihr die Menschliche Natur Persönlich vereinigt; daß, weil es nicht könnte heissen/ Göttlicher Natur eigenes Leiden/ es dannoch heissen vnd seyn solte/ Göttlicher Natur eigenen Fleisches Leiden/ eigenen Fleisches Sterben [|511] vnd Todte. Welchs ja/ vnd in Warheit/ Gottes Leiden/ Sterben vnd Todt ist“ (E:509–511). 384 „Mit was für Worten wir solche Lehre vorzutragen pflegen ...“ (S:200–216, hier: 200 i.m.). 385 „... daß wir nicht schlecht vnd ohne vnterschiede von der Go(e)ttlichen Natur oder Gottheit reden/ wie diese jhrem einigen Wesen nach allen dreyen Personen/ der H. vnd hochgebenedeyten Dreyfa(e)ltigkeit gemein ist: sondern wir reden mit guter Limitation vnd deutlichem außgetrucktem Vnterschiede/ von der Gottheit oder Go(e)ttlichen Natur des eingebornen Sohns Gottes/ na(e)mlich von der Gottheit/ Gottes des Wortes“ (S:202).
356
D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
Gottes/ oder Gott das |WORT“ (S:202|f). Soll die Rede vom Leiden ‚Gottes‘ Grund haben, muß die abstrakte Rede vom Leiden der göttlichen Natur gewagt werden, mit der Schrift und der orthodoxen Tradition.386 – Nur so ist für die ‚theopaschitische‘ Frage zur Geltung gebracht, was das Axiom der Realidentität der ganzen Person mit den (vereinigten) Naturen fordert: Was von dieser Person gilt, kommt, kraft der symmetrischen Idiomenkommunikation, lediglich modal differenziert, stets und notwendig beiden Naturen zu (C:187–207).
II. Rekonstruktion der konkordistischen Konzeption – Sächsische Alternativen II. Rekonstruktion der konkordistischen Konzeption
1. Kontexte und Texte 1.1 Die in ihren wesentlichen Stationen überblickte schwäbische Revision des konkordistischen Systems der Idiomenkommunikation hat ein entscheidendes Movens in der ‚theopaschitischen‘ Frage. Die darauf bezogene Ausbildung eines eigenständigen idiopoietischen Genus, das die asymmetrische Konzeption der FC aufbricht, konzipiert die communicatio idiomatum fundamental als wechselseitige Mitteilung zwischen den Naturen von Gott und Mensch und bestimmt so die Personeinheit als Ort und Vollzug dieser Vermittlung, in der nicht weniger als die Grenze von creator und creatura aufgehoben ist. Diesen theologischen Prozeß gefördert aber hat, wie an Schaefers Prolog von 1607 abzulesen war,387 die um die Jahrhundertwende intensivierte Neuaufnahme ontologischer Fragestellungen durch die Schulphilosophie aller Konfessionen.388 Im Rückgriff auf das erneuerte logische und ontologische Instrumentarium gelingt einer neuen Generation Tübinger Theologie die präzisierte Formulierung der eigenen Position gerade in Hinsicht auf deren konfessionsspezifische Thesen. 386 Vgl. den Beweis aus Schrift und Tradition, S:203–216. – Zu der mit dem Pfälzer Vorwurf, es würden die Württemberger „auß hinderlist/ den vnterschied zwischen den Wo(e)rtern Mensch vnnd Menschheit: Item Gott vnnd Gottheit vertuschen“ (so das Referat C:179), angeschnittenen Frage der christologischen Abstrakta und Konkreta vgl. bes. den Passus C:179–183. In der Sache hat die Pfälzer Polemik recht: Tatsächlich impliziert bzw. fordert der schwäbische Begriff der Idiomenkommunikation eine gründliche Korrektur auch dieses Topos, welche die tradierte Unterscheidung in bestimmter Weise allerdings ‚vertuscht‘; dazu vgl. u. D.III(.1). 387 Vgl. o. D.I.6.2. 388 Grundlegend SPARN 1976 (o. A.I.3.2). Daneben auch (Forschungsgeschichtliches: SPARN, 1976, 6–9/13): PETERSEN, 1921; W UNDT, 1939; W EBER, 1907, 1908; LEWALTER, 1935; ESCHWEILER, 1928; neuere Lit.: LEINSLE, 1985; W OLLGAST, 1993; SPARN, 2001a, 2001b; SCHMIDT–B IGGEMANN, 2001a.
II. Rekonstruktion der konkordistischen Konzeption
357
1.2 Freilich repräsentieren die in den Blick genommenen Tübinger Texte nicht schlechthin ‚die‘ Gestalt und Tendenz der ontologisch präzisierten lutherischen Christologie. Was die im engeren Sinn philosophische Debatte anbelangt, so steht die Tübinger Universität, die ein Menschenalter zuvor mit Jacob Schegk einen der anerkanntesten Philosophen der Zeit zu ihren Lehrern zählen konnte,389 nun, am Anfang des 17. Jh.s, eher am Rande der neuen Diskurse.390 Deren – lutherische – Zentren liegen, nach den Helmstedter Aufbrüchen (Cornelius Martini), zunächst eindeutig in Wittenberg (v.a. Jacob Martini) und Gießen (Christoph Scheibler), später auch, mit noch einmal eigenen Akzenten, in Jena (Johannes Musäus).391 In Wittenberg entsteht mit Balthasar Meisners392 dreibändiger Philosophia Sobria393 auch das umfassende und für die lutherische Partei auf lange Zeit hin maßgebliche „Standardwerk“ einer „Selbstverständigung über kontroverse theologische Positionen mit philosophischen Mitteln“394 – i.e. einer Klärung ontologischer Fragestellungen unter dem Gesichtspunkt der Relevanz für zentrale Fragen nicht nur der Christologie, sondern der Theologie als ganzer. Daneben hat Meisner vorher und später schultheologische Bearbeitungen des christologischen Themas geliefert,395 die eine eigenständige Position innerhalb des sich seit der Jahrhundertwende noch einmal ausfächernden Spektrums lutherischer Christologie erkennen lassen.396 Wie in Tübingen Schaefer oder Hoecker gehört in Wittenberg Meisner zu jener neuen Generation von Theologen, die bereits in ihrer akademischen Ausbildung durch die – gerade an der Leucorea intensiv betriebene – Neuorientierung der philosophischen Disziplinen entscheidend geprägt wird. Insonderheit durch seinen Lehrer J. Martini „ist Meisner mit den neueren Entwicklungen der Logik und der Metaphysik fast von Anfang an verbunden“.397 Mit seiner ‚Disputatio de natura Metaphysicae‘ (Wittenberg 1606) leistet der 19jährige Magister einen eigenen Beitrag zu der noch jungen Grundlagendebatte. – In der Ausbildung seiner eigenen Christologie hat Meisner selbst sich durch L. Hutter und F. Balduin beeinflußt gesehen.398 Die nach dem Ende der (2.) ‚kryptocalvinistischen‘ Phase
389
Vgl. FRANK, 2003, 89–128 und die o. Anm. 259 notierte Literatur. W UNDT, 1939, 140; SPARN, 2001b, 532–534 (‚ein gewisser Stillstand‘; 533). 391 Übersicht: LEINSLE, 1985, 206–221. 221–239. 322–332, W UNDT, 1939, 97–106. 106–118. 118–126. 126–132; S PARN, 2001b, 554–565. 498–514. 534–541. 522–531. 392 B. Meisner (1587–1626): 1602–04 Studium der Philosophie, 1604–09 der Theologie in Wittenberg; 1608 Adjunkt der philosophischen Fakultät. 1609–11 iter academicum (Straßburg, Tübingen, Gießen). 1611 in Wittenberg Professor der Ethik, 1613 der Theologie. – THOLUCK, 1852, 14–37; SPARN, 1976, 18f; DERS., 1993; DERS., 2001b, 507–509. 393 I, 1611; II, 1613; III, 1623; vgl. S PARN, 2001b, 507f. – Dazu SPARN, 1976 passim. 394 SPARN, 1976, 18.19. 395 MEISNER, 1606b, 1609 (u. Anm. 406); Mysterium 1624a, Disputationes 1624b. 396 Hier entwickelt Meisner bereits jene ‚vermittelnde‘ Position, die im Kenosisstreit seine Brevis Consideratio vortragen wird (o. [C.] Anm. 301): vgl. u. D.IV.5.2. 397 SPARN, 1976,19. 398 Scholae Academicae, 1612, 65. 390
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
(1586–1591) durchgeführte lutherische ‚Restauration‘ hatte in Wittenberg zwei Linien christologischen Denkens zu einer produktiven Vermittlung geführt. Die prägende Gestalt der neu formierten Fakultät ist der 1592 von Marburg berufene Ägidius Hunn (1550– 1603; Primarius in Wittenberg 1592–1603), der überhaupt anerkannt ‚erste‘ Mann seiner – der dritten – Generation lutherischer Theologen.399 Nach eigenem Verständnis treuer Wahrer der Christologie seiner schwäbischen patria400 gerät Hunn mit seiner Eigenthese der praesentia-intima auf eine ‚prinzipielle‘ Distanzierung von Personeinheit und irdischer Geschichte, welche die Aporien des ‚gemäßigten Ubiquismus‘ problematisch verschärft.401 – Die neben und kurz nach Hunn berufenen Schwaben Polycarp Leyser402 und v.a. Leonhart Hutter403 repräsentieren eine Lehrtradition, die direkter durch die württembergische Christologie Andreae’scher Prägung bestimmt ist.404 – Ein wieder eigenständiges Profil schließlich zeigen die Voten Salomon Gesners; die Bedeutung des weithin Vergessenen für die Weiterentwicklung lutherischer Christologie um die Jahrhundertwende – mit einem späten Kapitel im kenotischen Streit! – kann nicht leicht überschätzt werden.405
2. Alternative Präzisierung: Balthasar Meisner 1609 Erstmals belegt ist die hier interessierende Position in zwei christologischen Disputationen über die unio personalis und die Idiomenkommunikation ursprünglich aus den Jahren 1606 und 1609,406 die Meisner mit seinen 399
Vgl. KUNZE, 1900, 459,1ff; MAHLMANN, 1986, 706, 15–22. „... hanc de persona Christi doctrinam |(quam in patria didici, indubiamque & invictam veritatem esse per Dei gratiam exploratum habeo)“ (H UNN, Assertio, 1591, Praef. 9|f; vgl. 49f). Zu Hunns Bildungsgang vgl. MATTHIAS, 2004, 42–61, bes. 53ff. 401 Dazu vgl. o. C.IV.3. 402 Polycarp L(e)yser (sen.), 1552 Winnenden – 1610 Dresden; Generalsuperintendent u. Professor in Wittenberg 1577–1583; erneute Professur 1593–94; Hofprediger in Dresden 1594–1610 (MAHLMANN, NDB 14, 436f; SOMMER, 1988, 111–134). 403 Leonhart Hutter, 1563 Nellingen/Ulm – 1616 Wittenberg; Prof. 1596–1616. 404 SPARNs Notiz, Meisner sei „durch L. Hutter und Aeg. Hunnius mit der lutherischen Christologie Brenz-Andreae’scher Prägung“ verknüpft (1976, 19; Hervorh. U.W.), bedürfte insofern der Differenzierung. – Vgl. zu Hutter auch u. (D.II.) 3.3. 405 Zu S. Gesner vgl. u. D.II.5; D.III.5; D.IV.6. 406 MEISNER 1606 bzw. 1609. – Die erste Disputation wurde unter Fr. Balduins Präsidium von Meisner am 6.12.1606 in Wittenberg verteidigt: Articulus secundus, De Persona Christi, Disputatio IV. De unione Duarum Naturarum in Christo, Complectens εξεστασιν duarum priorum thesium Libelli Visitatorij. Vgl. den Abdruck in der von Balduin veranstalteten Sammeledition von 1607 (Praef. 9.3.1607 [Bl.a2v]): Disputationes Tredecim Pro Aureolo Visitationis Misnicae Libello. Diese aus einem Privatkolleg (zu dieser sich Ende des 16. Jh.s im Universitätsbetrieb ergänzend durchsetzenden Lehrform vgl. STEGMANN, 2006, 140–147) Balduins von Oktober 1606 bis März 1607 hervorgegangene Disputationsreihe dient einer Apologie der sächsischen Visitationsartikel von 1593. Die Thesen stammen durchgehend von den Respondenten. Hier benutzt nach dem Wiederabdruck in den Scholae Academicae (I und These/Seite). – Die zweite Disputation über die communicatio Idiomatum hat Meisner während seines Aufenthalts in Straßburg (o. Anm. 392) verfaßt und dort unter J. Pappus’ Präsidium am 18./19. Mai 1609 verteidigt: Disputatio ... De Reali Donorum vere infinitorum Communicatione, Assumptae Christi humani400
II. Rekonstruktion der konkordistischen Konzeption
359
Scholae Academicae 1612 der gelehrten Öffentlichkeit neu vorstellt407 – wie M. Schaefers themenidentische Disputationen im Verbund eine in sich geschlossene Bearbeitung des Traktats De Persona Christi. Meisner formuliert hier eine zwar nicht polemisch gezielte, in der Sache aber von der Tübinger Revision dissentierende Fassung einer ontologisch präzisierten Christologie, besonders des Teilthemas der Idiomenkommunikation. 2.1 Meisner folgt nicht der neuen Tübinger Komposition des Lehrstücks – die er kennt408 –, sondern rezipiert die konkordistische Trichotomie. Auch ihm gilt die communicatio idiomatum als ‚Effekt‘ der sachlich prioritären unio personalis der Naturen; mithin könne das a priori unerkennbare ‚Mysterium‘ der Personeinheit von Gott und Mensch nicht anders und nicht besser als in aposteriorischer Orientierung an deren Konsequenzen und Effekten erkannt werden (6/68f). Doch systematisiert Meisner diesen ontischen wie noetischen Nexus nicht dergestalt, daß er nach Tübinger Muster eine genaue Korrelation von unio und communicatio unterstellt, um dann das Geschehen der Idiomenkommunikation ordine naturali als Nachzeichnung des Realvollzugs der hypostatischen Einigung und Perichorese der Naturen zu entwickeln.409 Die Unterscheidung einer Mitteilung der Naturen und der Kommunikation ihrer Idiome (duplex communicatio: naturarum, idiomatum; 7/69) steht, anders als bei den Tübingern, gerade im Dienst einer Entkopplung beider Topoi. Doch die zeitgleich intensivierte interkonfessionelle Debatte über die ontologische Problematik der Idiomenkommunikation,410 v.a. aber die bintati, propter unionem personalem, ab assumente λογω facta (ebenfalls zitiert nach dem Abdruck in den Scholae, II und Thesen-Nr./Seite). 407 Scholae Academicae, Wittenberg 1612. Diese Sammeledition Meisners entspricht im literarischen Genus der 5 Jahre älteren Ακροπολις Schaefers (o. bei u. mit Anm. 168): Gegen die Front der calvinistischen und jesuitischen Alternativen kommen zentrale Kontroverslehren – hier: Christologie, Prädestinationslehre und Ekklesiologie – zur Darstellung, wobei ein besonderer Akzent auf den in den materialen Differenzen implizierten ontologischen Voraussetzungen liegt. Diese fundamentaltheologische Dimension macht Meisner mit der anhangsweise beigegebenen Oratio de Antiqua Vitiosa Theologice Disputandi Ratione (Scholae 1612, 469–534; vorangehender Separatdruck: MEISNER 1611b; auch: P FEIFFER, 1742) explizit zum Thema; der ursprünglich im August 1611 vor der Tübinger Fakultät vorgetragene Text bildet ein Pendant zum ‚paränetischen‘ Vorspann der Sammlung Schaefers (o. Anm. 180). 408 Der Hinweis auf einige recentiores, die den ersten Gradus der Idiomenkommunikation als συμαμφοτερισμος oder εκατερωσις bezeichnen (II, 8/69f), dürfte die Tübinger im Blick haben (vgl. o. D.I.3.2.3). Auch Meisners Wittenberger Lehrer Hutter hatte sich ein Jahr zuvor mit deren Neu-Entwurf auseinandergesetzt (u. D.II.3.3). 409 Zu dieser Tübinger Entwicklung der Idiomenkommunikation ex personae constitutione vgl., pars pro toto, St. Gerlach 1596; o. D.I.5.1. 410 Vgl. von lutherischer Seite die logico-theologischen Entwürfe: J. SCHROEDER, Problema Theologo-Logicum De Communicatione Proprii, 1608; J. M ARTINI, De Communicatione Proprii Liber Unus Contra Barthol. Keckermannum, 1609.
360
D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
nenlutherische Alternative in Gestalt der schwäbischen Revision machen die Organisation des Lehrstücks zum diskussionsbedürftigen Thema – die schlichte Reproduktion des Tradierten ist jetzt auch dort ausgeschlossen, wo man die Position dieser Vorgabe bejaht. Meisners Versuch, den konkordistischen Aufriß konstruktiv einzuholen, setzt an beim Spektrum möglicher Kommunikationsvollzüge, wie es durch das Gegenüber von Person und Naturen umrissen ist: Die Idiomenkommunikation kann sich vollziehen (a.) als Mitteilung von (a.1) einer bzw. (a.2) beiden Naturen an die Person oder aber (b.) von Natur zu Natur (7/69). Auf der Basis dieses diskussionslos vorausgesetzten Rasters (unde constituuntur) gelangt Meisner dann zur Unterscheidung dreier Gradus oder ‚Klassen‘, die mit den konkordistischen Vorgaben übereinkommen: a.1. Im ersten Gradus wird die Eigentümlichkeit (je) einer Natur von der persona in concreto ausgesagt: κοινωνια ιδιωματων κατ’ εξοχην . – a.2. Der zweite Grad umfaßt die Attribution eines von beiden Naturen in wechselseitiger Gemeinschaft ‚produzierten‘ heilsmittlerischen Aktes ( αποτελεσμα) an die ganze Person: κοινοποιια; κοινωνια ενεργειων. – b. Im dritten und letzten Grad werden von der menschlichen Natur jene ungeschaffenen Gaben ausgesagt, die ihr aufgrund der persönlichen Einheit von der Gottheit des Logos kommuniziert wurden: μεταποιια, κοινωνια υπερυψωσεως.411
An dieser Liste fällt auf, was sie ausspart: Meisner übergeht die nach dem gewählten Raster an sich mögliche Attribution menschlicher Idiome an die göttliche Natur – ein in der Sache eindeutiges Votum gegen die schwäbische These eines separaten idiopoietischen Genus.412 Die Aussage menschlicher Schwachheiten vom ‚Gottessohn‘ erhält nur den Status des primären Elements (potior pars) des 1. genus.413 Diese Subsumption schreibt in der Sache Ä. Hunns Lösung fort.414 Auch Meisners Begründung der Asymmetrie der Kommunikation zwischen den Naturen führt nicht über die älteren Argumente hinaus, hat aber den Vorzug präziser Formulierung. Jede Mitteilung ist durch 4 Bestimmungen (requisita communicationis) zu beschreiben (143/15): 1. Die mitteilende Instanz (id, quod communicat); 2. das mitgeteilte Objekt (id, quod communi411
8/69. – Entsprechend auch 1611: Phil. Sobria I, sect. I, c. V, Q. XII (I, 199). Dieser Absage korrespondiert die Wertung allein der metapoietischen Kommunikation als des primären Streitpunktes der interkonfessionellen Auseinandersetzung – „illa est Helena, pro qua tot annis hactenus pugnatum fuit“ (73/92–291/168, Zitat 73/92; vgl. 10/69f, 11.12/70f). Vgl. dagegen die symmetrische Bestimmung der Differenz seitens der Tübinger in der Debatte mit den Heidelberger Irenikern; o. D.I.7.3.1. 413 8/69. – Entsprechend wieder die etwas jüngere Philosophia Sobria: „Primum [genus] ιδιοποιησις a principaliori parte nominatur, cum propria alterutrius[!] naturae de persona tota[!], & inprimis, quando humana de λογω praedicantur, qui ista sibi appropriavit“ (I, 199). Meisners ‚Ιδιοποιησις‘ bezeichnet also synecdochisch die konkordistische praedicatio de tota persona nach deren Hauptelement der Attribution menschlicher Eigentümlichkeiten an den Logos; bei den Tübingern benennt derselbe Terminus dagegen diese Attribution als ein separates Genus im Unterschied von jener Prädikation. 414 Vgl. o. C.IV.3.2.3/4. 412
II. Rekonstruktion der konkordistischen Konzeption
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catur); 3. eine bestimmte Disposition der kommunizierenden Instanzen zueinander, die eine Mitteilung erst ermöglicht (id, propter quod communicatur); schließlich 4. die das Mitgeteilte rezipierende Instanz (id, cui communicatur). Der Ausschluß einer Mitteilung menschlicher Idiome an die göttliche Natur ist nicht Indiz einer Asymmetrie der Vereinigung selbst, wie die konfessionellen Gegner folgern, um von hier aus die lutherische communicatio Majestatis aus den Angeln zu heben (142/15). Die Asymmetrie der Kommunikation gründet in einer differenten Beschaffenheit dieser Naturen selbst.415 Im Fall der communicatio Majestatis an die Menschheit (3. Gradus) sind alle 4 spezifizierten Bedingungen erfüllt (146/116). Die an sich mögliche Annahme einer gegenläufigen Bewegung hingegen verbietet sich angesichts der Vollkommenheit, Unveränderlichkeit und reinen Aktualität der natura divina; auch die Gottheit Christi darf nicht im Sinne der 4. Bedingung als der Rezeption fähige Instanz (habile ... & idoneum κοινωνιας δοχειον seu receptaculum) unterstellt werden; von ihr gilt: „dat, non accipit, perficit, non perficitur“ (147/116). Meisners abschließende Resümee trifft sich mit den jüngeren Schwaben in der Anerkennung der auch dort nie bezweifelten ‚Perfektion‘ der Gottheit; es ignoriert aber vollständig deren Versuche, unbeschadet des Immutabilitätsaxioms eine parallele Betroffenheit der göttlichen Natur kraft idiopoietischer Vermittlung zu denken: „Ex his satis patet, non inaequalitatem unionis, sed summam potius perfectionem divinitatis efficere, ut soli humanitati divina, non contra divinitati humana communicentur“ (148/116f.)
2.2 Die für den Ausschluß der ‚Tübinger‘ Idiopoiesis entscheidende Betonung der Vollkommenheit Gottes, die die Kommunikation zwischen den Naturen nur als einseitigen Prozeß – soli humanitati divina – denken kann, schlägt auch auf Meisners Fassung der communicatio Majestatis zurück. Wie die Idiomenkommunikation überhaupt, hat auch die communcatio Majestatis ihre vermittelte Begründung in der Hypostasenkommunikation, ihr immediates Fundament in der Kommunion und Perichorese der Naturen.416 Die Perichorese wird zwar in Aufnahme altkirchlicher Bestimmungen dezidiert als wechselseitiges Geschehen gedacht,417 das die doppelte Neubestimmung der Naturen als Deus incarnatus und caro deificata setzt418 und so das christologieexterne Gegenüber von Gott und Mensch in die differenzierte Einheit des ‚intra λογον caro & intra carnem λογος‘ überführt (I,110/40f). Gleichwohl unterstellt Meisner für diese Vermittlung des Disparaten einen einlinigen Richtungssinn und ein eindeutiges Gefälle. Die göttliche Natur ist die aktiv durchdringende und mitteilende Instanz, die menschliche Natur wird passiv durchdrungen und empfängt. In Aufnahme der Festlegung J. Schegks419 expliziert Meisner dieses Verhältnis von tätigem und rezeptivem Prinzip als Gegenüber von informierendem Akt (εντελεχεια, forma) und informierter Potenz (δυναμις).420 Konträr zur Rezeption in Th. Wegelins ein Jahr äl415
„ingens ... diversitas, orta non ex inaequalitate unionis, sed dispari unitorum conditione“ (145/115). 416 I, 145f/51, II, 11f/70; Perichorese: I, 110–113/40–42; communcatio der natura divina: II, 33/78–72/92, bes. 34/79–44/82f. – Zum Konzept der Perichorese vgl. u. D.IV.4. 417 „intima ac profundissima εις αλληλα περιχωρησις & immeatio“ (II, 87/97). 418 I, 110/40; vgl. II, 41/81 (verbum incarnatum, caro Verbificata). 419 Vgl. zu Schegk das o. D.I. 6.3.3.1 Notierte. 420 II, 38/80. – „Modus communicationis personalis hic est, quando id, quod proprium est & manet assumentis λογου tanquam εντελεχειας, fit assumptae carni, velut δυναμει non proprium, sed sine confusione commune, per & propter artissimam συνδυασιν cum
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
terer Disputation, die Schegks Analogisierung symmetrisch umformt, 421 schreibt Meisner damit ein striktes Gefälle von Aktivität und Rezeptivität zwischen der ‚höheren‘ und der ‚niedrigeren‘ Natur als bleibende (Binnen)Struktur der christologischen Person fest. Diese Fixierung geht zum einen ein in Meisners Ablehnung der Idiopoiesis als einer der communicatio Majestatis gegenläufig korrelierten Bestimmung der Gottheit durch die menschliche Natur,422 sie prägt aber auch die Fassung der communicatio Majestatis. Auf der Basis dieser Voraussetzungen tendiert Meisner – konsequent – dazu, die Mitteilung der göttlichen Idiome primär als eine Beanspruchung der instrumentell gedachten natura humana durch den agierenden Logos zu konzipieren. Christologisch nicht anders als im illustrierenden ontologischen Regelfall vollzieht sich die in der Logizität von Form und Potenz gedachte Gemeinschaft im eigentlichen Sinn (specialiter sumta) als energetische Vermittlung: 423 Das jeweils höhere aktive Prinzip wirkt als bestimmendes Aktzentrum durch das ihm verfügbare passive ‚Organ‘.424
λογω, atque ob intimam ac profundissmam εις αλληλα περιχωρησιν & immeationem“ (II, 87/96f). – „Quaecunque κατα συνδυασιν uniuntur, atque ita quidem, ut alterum εντελεχειας, alterum δυναμεως locum habeat, inter eorum idiomata vera & realis oritur commu-
nicatio. Ita forma suam actum materiae, sic ignis virtutem splendendi & urendi ferro, anima suas potentias & virtutes corpori communicat“ (II, 126/109f). – „λογος sit instar εντε− λεχειας & perfectibilis [!? l. perficientis], humanitas autem velut δυναμις perficienda & evehenda“ (II, 127/110). – „[Divinitas] est perfectissima, Igitur nequit perfici“, „est summa εντελεχεια, nihil habens υλικης δυναμεως, Igitur dat non accipit, perficit, non perficitur“ (II, 147/116). – „... quaevis superior natura rationem habeat εντελεχειας, inferior δυναμεως“ (II, 150/117). 421 Vgl. o. D.I.7.1(.1). 422 Der göttlichen Natur als ‚summa εντελεχεια‘ (II, 147/116) kommt keinerlei rezeptive Potenz zu, wie es nach Meisner die von ihm negierte Annahme einer communicatio menschlicher Eigenschaften an die Gottheit forderte (II, 147/116–149/117). Das schwäbische Konzept einer – diese perfectio und immutabilitas der natura divina nicht abstrakt negierenden – ‚Aneignung‘ als eines passivem Empfangen kontrastierten Vorgangs von Selbstbestimmung wird nicht diskutiert. 423 In Anspruch genommen v.a. zur Entfaltung der Ständedifferenz, mit den üblichen Thesen des gemäßigten Ubiquismus: Die Behauptung der Exklusivität des Logoshandelns durch die vereinigte Menschheit („quod divinitas sine humanitate divinorum operum nihil peragat, propter unionem personalem cum humanitati“; II, 129/110), die der kontinuierlichen energetischen Gemeinschaft von Entelechie und informiertem Subjekt analog ist (II, 128/110), steht unausgeglichen neben der Einräumung des exinanitorischen Verzichts – erst die erhöhte Menschheit hat regulär am allgegenwärtigen Weltregiment des Logos teil: „[Christus secundum naturam humanam] semetipsum exinanivit, non exerendo suam omnipotentiam, quo pati morique & Patri pro humani generis culpa satisfacere posset. Nunc vero sedet in dextera Dei Patris, constitutus super omnem principatum, & potestatem, & virtutem, & dominationem, Ecclesiam suam potenter & praesenter regens, omniaque in omnibus adimplens“ (II, 124/108; vgl. 130/110f). 424 II, 150/117, vgl. 151/118–156/120f; die christologische Durchführung: 126/109– 130/110f. Meisner verknüpft diese Akzentuierung mit der tradierten (o. C.II.3.1.1) Unterscheidung des ‚Objektes‘ der communicatio Majestatis in die operativen und die quieszierenden Attribute der Gottheit (II, 89ff, bes. 95.98). Die Einfachheit des göttlichen Wesens bedingt, daß, wenn überhaupt, ausnahmslos alle Attribute der natura humana mitgeteilt wurden. Den daraus entwickelten Argumenten der gegnerischen Polemik gegenüber
II. Rekonstruktion der konkordistischen Konzeption
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3. Spätere Modifikationen Meisners additive Verknüpfung einer (symmetrischen) Mitteilung von den Naturen an die Person und einer (asymmetrischen) Kommunikation zwischen den Naturen repräsentiert einen breite(re)n Konsens der sächsischen Theologie um das Jahr 1610.425 Sie wird in der ebenfalls 1609 publizierten monographischen Bearbeitung des Themas durch J Martini diskussionslos zugrunde gelegt;426 ebenso bleibt ein Jahr später J. Gerhard in diesen Bahnen.427 Die kontroverse Diskussion auch der Idiomenkommunikation im kenotischen Streit428 bringt diesen Konsens dann noch einmal auf den Prüfstand. 3.1 Nur geringe Verschiebungen lassen sich bei J. Gerhard beobachten. Seine Neubearbeitung auch des christologischen Locus in der Exegesis von 1625429 diskutiert nun expli-
unterscheidet Meisner: (1.) die Mitteilung in einem weiteren Sinn (generatim) meint die bloße ‚Teilhabe‘ (generalis κοινωνιας modus, II,94/99; simplex κτησις, possessio; II, 93/ 98; μετοχη, II, 95/99) der natura humana an allen, auch den quieszierenden, göttlichen Attributen, ohne daß diese auch in jedem Fall von der Menschheit direkt prädiziert werden dürften (communicatio indenominans; II, 94/99); (2.) die Mitteilung im engeren Sinn (speciatim) umfaßt nur die Teilhabe an denjenigen Eigenschaften, die von der Menschheit auch direkt prädiziert werden dürfen (communicatio denominativa; II, 95/99). – Kriterium der Unterscheidung ist die (biblisch bezeugte; II, 90/97) Äußerung eigentümlicher Wirksamkeit (II, 110/103f). Die denominierende communicatio i.e.S. umgreift nur die energetischen Attribute der Gottheit; hingegen schließt die allgemeine, ggfs. nicht denominierende Teilhabe auch die quieszierenden, anenergetischen Attribute ein (II, 89/97, 108f/103). 425 Zu innersächsischen Alternativen – Hutter, Gesner – vgl. aber u. (D.II.) 3.3; 5. 426 J. MARTINI, De Communicatione Proprii Liber unus, 1609. Martini unterscheidet (cap. 24: De tribus gradibus communicationis Idiomatum [p. 127–133]): 1. gradus (127– 129): Ιδιοποιησις (Mitteilung der Idiome je einer Natur an die ganze Person in concreto; der Terminus wird also hier wie bei Meisner [o. Anm. 413] im weiteren Sinn gebraucht); 2. gradus (129): κοινοποιησις (apotelesmatische Kommunikation an die Person); 3. gradus (129f): μεταποιησις (communicatio Majestatis an die menschliche Natur). 427 J. GERHARD, Loci Theologici, I, Jena 1610; Loc. V (p. IV, c. V) §(§) 69(–83), (ed. COTTA I, 1762, 348 r–349 r). – Gerhard wie Martini (o. Anm. 426) bleiben darin hinter Meisner zurück, daß sie keine Auszeichnung der Idiopoiesis als der ‚principalis pars‘ des 1. Genus vornehmen. Zu späteren Modifikationen Gerhards s. gleich (3.1). 428 Vgl. u. E.II. 429 Exegesis sive uberior Explicatio articulorum de scriptura sacra, de Deo et de persona Christi, Jena 1625. Zu diesem Vorgang und der durch die Doppelung bedingten, nicht immer beachteten Verwirrungen in den gängigen Ausgaben vgl. W ALLMANN, 1961, 5 Anm. 2; SCHRÖDER, 1983, 13. Speziell zur Christologie s. den vergleichenden Aufriß beider Bearbeitungen bei SCHRÖDER, 1983, 104f. – Zum folgenden: GERHARD, (Exegesis) Loc. IV (De Persona et Officio Christi), Cap. X: De communicatione Idiomatum in Genere, §§ 174–185 (ed. PREUSS tom. 1, 527b–532a); Cap. XI. De Primo Genere Communicationis Idiomatum in Specie, §§ 186–200 (532a–543b). Vgl. dazu die Analyse bei SCHRÖDER, 1983, 181–209, bes. 183–195 (dort kommen allerdings die Differenzen zwi-
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
zit die 1610 übergangene Tübinger Unterscheidung von vier Genera,430 sieht jedoch keine Nötigung, von der ‚vorgeschriebenen‘ konkordistischen Trichotomie abzuweichen. Dem berechtigten Interesse der Tübinger an den idiopoietischen Prädikationen glaubt er dadurch ausreichend Genüge getan, daß diesen Sätzen der Status einer besonderen Species des 1. Genus zuerkannt wird; innerhalb dieses tradierten Rahmens lassen sich die Sätze vom Leiden ‚Gottes‘ ‚commode‘ erläutern.431 Kurz: Gerhard übernimmt 1625 in der Sache jene Lösung, die Meisner schon 1609 vorgetragen hatte432 – die dort diagnostizierten Probleme bleiben auch hier ungelöst. Insonderheit mißrät unter dieser Voraussetzung dann auch der Versuch, gegen die reformierten Restriktionen die These vom realen Leiden ‚Gottes selbst‘ überzeugend zu explizieren.433
3.2 Auch Meisner präzisiert die eigene Position noch einmal. In seinen gleichfalls im Umfeld des kenotischen Streites entstandenen ‚Christologias Sacrae Disputationes L‘434 führt der Wittenberger nun explizit die Auseinandersetzung mit der Tübinger Alternative hinsichtlich Zahl und Disposition der Genera.435 Der Zugang über die Sichtung der christologischen Prädikationen der Schrift wahrt den konkordistischen Ansatz; aber mit den Tübingern unterscheidet nun auch Meisner vier Satzmuster: Prädikation (1.) der Idiome je einer Natur von der ganzen Person; (2.) menschlicher Eigentümlichkeiten vom Gottessohn; (3.) der apotelesmatischen Akte von der Person nach beiden Naturen; (4.) göttlicher Idiome von der menschlichen Natur (21/185–24/185). In konsequenter Ausarbeitung dieser biblischen Vorgaben hätten ‚nonnulli ex Orthodoxis Theologis‘ – als Exempel werden schen beiden Auflagen und deren jedenfalls partielle Veranlassung durch die Bezugnahmen auf den kenotischen Streit nicht klar vor Augen). 430 Ex. Loc.IV, § 184 (PREUSS tom.1, 531a–532a); dazu SCHRÖDER, 1983, 191f. 431 (Der Tübinger Differenzierung vierer Genera) „non omnino nullum robur inesse concedimus, interim, ne ab usitata docendi ratione in libro symbolico, Formula scilicet Concordiae praescripta, discedamus, retinebimus tria communicationis genera, ita tamen, ut in primo genere distincte de illis praedicationibus agamus, in quibus humanae naturae propria Filio Dei tribuuntur; quae ad primum genus tanquam peculiaris species commode revocari possunt“ (Ex. Loc. IV § 184 [ed. P REUSS tom.1, 532a]; vgl. § 193 [536b]). 432 Vgl. o. bei u. mit Anm. 413. 433 Ex. Loc. IV, §§ 194–199 (PREUSS tom.1, 537b–543a); vgl. die Analyse bei SCHRÖDER , 1983, 189–195, bes. 192ff. Die Wendung gegen die ‚abstrakte‘ Rede vom Leiden der Gottheit oder der göttlichen Natur (§§ 198f [541a–543a]) führt nicht nur die Auseinandersetzung mit der älteren schwäbischen Tradition (SCHRÖDER 1983, 190); sie ist als Stellungnahme auch zum aktuellen kenotischen Streit zu lesen (vgl. u. E.III.4). 434 Wittenberg 1624b. – Der Ausdruck ‚Christologie‘ gehört zu den wissenschaftsterminologischen Neuprägungen des in dieser Hinsicht sehr produktiven frühen 17. Jh.s, vgl. MAHLMANN, 1971, I, Sp.1016f. Mahlmann nennt als ältesten Beleg für Χριστολογια einen Text Fr. Balduins von 1611, Meisners Wittenberger Lehrer (o. Anm. 398). Auch Meisner beschränkt sich 1624 noch auf die Transkription des griechischen Terminus. 435 Vgl. v.a.: Disputatio XIII. De Communicatione Idiomatum generatim considerata (28.2.1624; 1624b, 177–191), 21/185–35/189, bes. 26/186; – Disputatio XIV. De Primo Idiomatum Communicationis Genere (14.3.1624; 1624b, 191–204), 8/193–20/196, s. bes. 10/193f. 17ff/195f). – Folgende Verweise im Text hierauf bezogen.
II. Rekonstruktion der konkordistischen Konzeption
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wieder die unter dem Namen St. Gerlachs publizierten Disputationen der Jahre 1596 und 1602 genannt436 – auch formell vier Genera unterschieden. Meisner begegnet diesem – freilich als nur methodisches Unterfangen wahrgenommenen, damit schon a limine domestizierten – Versuch nicht ohne Sympathie.437 Da indes die idiopoietischen Sätze der zweiten Klasse ‚optime‘ innerhalb und nach dem Muster der ersten Klasse erläutert werden könnten, faßten die meisten lutherischen Theologen mit der FC diese beiden Gruppen in ein Genus zusammen. Der konkordistischen Vorgabe will Meisner weiterhin folgen (26/186) und unterscheidet daher nur drei Genera (27/186–30/187); auch hinsichtlich der Sequenz dieser Genera hält er an dem nach dem Grad der Strittigkeit disponierenden ordo doctrinae der FC fest, ohne damit Recht und Möglichkeit der von ‚einigen‘ favorisierten Reihung nach dem ordo naturae (communicatio Majestatis als 2. genus vor der davon abhängigen Koinopoiesis) zu bestreiten.438 Ein gleichwohl neue Akzent gegenüber der Position von 1609/11 und damit auch gegenüber der modifizierten Lösung Gerhards zeigt sich bei Meisners Versuch, die Binnendifferenz des komplexen 1. Genus nun auch im Detail zu präzisieren. Dessen ‚Generalis Definitio‘ lautet: „Quando propria naturarum de persona in Concreto praedicantur“ (8/193). Dem Postulat einer hier vollzogenen Kontraktion zweier Elemente trägt die nachgeschobene Unterscheidung zweier Modi dieses Grundmusters Rechnung. (1.) „Primus [Modus] a subjecto, quod est totum υφισταμενον adeoque συναμφοτερον , peculiari nomine dicitur Συναμφοτερισμος: a praedicato vero, quod vel divinum vel humanum, Εκατερωσις, alternatio vocatur, & est: Cum de tota persona, non de altera natura seorsim vere & realiter alterius naturae proprium praedicatur“ (10/193f). Dieser erste Modus kann entsprechend den differierenden Bezeichnungen des Subjekts (11/194) dann noch einmal in Submodi differenziert werden (12/194): Denn entweder werden (1.1) von dem ab utraque natura benannten ganzen Suppositum (1.1.1) göttliche (e.g. Joh 8,56; Hebr 11,8) resp. (1.1.2) menschliche (e.g. Röm 1,3; 1. Petr 3[,18]; 4[,1]) Eigentümlichkeiten prädiziert (11/194); oder es werden (1.2) von der lediglich ab humana natura benannten ganzen Person[!] göttliche Proprietäten ausgesagt (e.g. Joh 3,13). Die noch offenstehende Möglichkeit einer dritten Species des ‚Synamphoterismos‘ – die Prädikation menschlicher Idiome von der ab divina natura benannten Person – vertritt Meisner nicht. Diese Leerstelle besetzt stattdessen die als zweiter (Haupt-)Modus des 1. genus gewertete Idiopoiesis (2.): „Alter modus nomine ιδιοποιιας, vel ιδιοποιησεως venit, quando videlicet de Deo vel λογω praedicantur humana“ (17/195; Ac 3,15; 1Kor 2, 8; 1Joh 1,1; Gal 4,4). Die Sätze dieses zweiten Modus unterscheiden sich von jenen des ersten hinsichtlich ihres Subjektes (‚solus λογος adsumens‘ vs. ‚tota persona‘) wie ihres Prädikats (non nisi humanitatis proprium vs. propria utriusque naturae) so gravierend, daß ihre Subsumption unter jenes erste Muster ausgeschlossen ist (18/195f). Mit dieser Koordination von Synamphoterismos und Idiopoiesis als zweier gleichrangiger Elemente des 1. FC-Genus kommt Meisner der Tübinger Sachanalyse weiter entgegen als in seinen früheren Voten, welche die Idiopoiesis nur als eine besondere Species
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GERLACH 1596 (D.I.5); SCHAEFER 1602b (D.I.6); vgl. Hafenreffer (o. Anm. 73). „... quae ipsorum diligentia non immerito commendanda“ (25/185f). 438 31/188–35/189. Zur Metathese von Metapoiesis und Koinopoiesis vgl. o D.I.3.1/2. 437
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
dem konkordistischen Grundmuster subordinierten.439 Aber wenn er nun die postulierte Duplizität des 1. (FC-)Genus nicht wie die Tübinger (Hafenreffer) als äußeren Verbund zweier sachlich selbständiger Genera, sondern als Nebeneinander lediglich zweier Modi desselben Grundmusters erklärt, führt dies in zusätzliche Aporien. Sollen die Sätze des zweiten Modus den Logos adsumens im Unterschied zum gottmenschlichen Kompositum aus beiden Naturen zum Subjekt haben, steht dies in unaufgelöster Spannung zur Generaldefinition des 1. Genus als einer praedicatio de tota persona (8/193; s.o.). Auch bleibt ungeklärt, in welchem Verhältnis die idiopoietische Prädikation der menschlichen Eigentümlichkeiten vom Logos zur Attribution derselben Prädikate an die ganze Person stehen soll, wie sie der Unterfall des ersten Modus (1.1.2) rubriziert.
3.3 Geht Meisner so über Gerhards spätere Modifikation hinaus, bleibt er doch auch 1624 immer noch hinter der entschiedeneren Rezeption des Tübinger Musters zurück, die der Schwabe in Wittenberger Professorendiensten, L. Hutter, schon 1608 in seiner Libri Christianae Concordiae Explicatio vorgelegt hatte.440 Meisner wertet die Festlegungen des einstigen Lehrers 1624, z.T. im wörtlichen Zitat, zwar aus, schleift aber die eigentlichen Spitzen dieser Vorlage ab. Seinerseits sich deutlich an die 3. Auflage der Hafenreffer’schen Loci (1603) anlehnend, sieht Hutter in dem nur formell einheitlichen 1. genus der Konkordie der Sache nach zwei genera praedicationis zusammengefaßt.441 Diese Zusammenstellung wird nicht, wie bei Meisner mit problematischem Ergebnis versucht, als Nebeneinander zweier ‚Modi‘ eines übergreifenden Grundmusters erklärt, sondern offen als nur äußerlicher Verbund verstanden. An diesem Punkt geht Hutter sogar über Hafenreffer hinaus. Er müht sich nicht lange um den Nachweis dieser Doppelung durch die Analyse des einen Textzusammenhangs FC SD VIII 36ff (36f einerseits, 37ff andererseits; so Hafenreffer), sondern kombiniert zwei auch äußerlich getrennte Texte. Das erste (Teil-)Genus, die praedicatio utriusque naturae idiomata de tota persona, entnimmt er zwar wie Hafenreffer FC SD VIII 36f; die dort verwerteten biblischen Belege sind 1.Petr 3[,18]; 4[,1] (804. 805–808). Für das ‚andere‘ Satzmuster, das die reale ‚Aneignung‘ menschlicher Eigentümlichkeiten durch den Logos zum Gegenstand hat, verweist Hutter dagegen auf den parallelen Abschnitt in der Epitome des 8. Artikels der Konkordie (Ep VIII 14); die maßgeblichen biblischen Texte sind hier 1.Kor 2,8 und Ac 20,28.442 – Dieses inhaltlich von der Epitome her bestimmte 439
Vgl. o. Anm. 413. HUTTER, Libri Christianae Concordiae Explicatio, 1608, 784ff; zur Unterscheidung und Disposition distinkter Genera/Gradus: 800–803; zum 1. konkordistischen Genus: 801f. 804f(f). 808–813. – Belegangaben im folgenden hierauf bezogen. 441 „Alia enim est praedicatio, quando dicitur, Christus est passus & crucifixus. Alia rursus est praedicatio, quando dicitur Filius Dei est passus, vel Dominus gloriae est crucifixus. Ibi enim subiecti locum obtinet, tota persona: hic vero ad alteram tantum naturam, nempe divinam respectus instituitur, sed in concreto. Quae duo praedicationum genera non sunt invicem permiscenda, sed distincte explicanda …“ (805). 442 „Quapropter vere filius Dei pro nobis est passus, sed secundum proprietatem humanae naturae, quam in unitatem divinae suae personae assumpsit sibique eam propriam fecit ... Sic enim scriptum est: Dominum gloriae crucifixerunt. Et: Sanguine Dei redempti sumus“ (FC Ep VIII 14 [BSLK 807,11–21]); H UTTER, Explicatio 1608, 804. – Zu Hafenreffer s. o. D.I.3.2.2/3. 440
II. Rekonstruktion der konkordistischen Konzeption
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idiopoietische genus praedicationis wird dann zum thematischen Kern des 1. genus der FC erklärt443 und genauestens von der praedicatio de tota persona unterschieden: „Differt autem hoc praedicationum genus plurimum a praecedente proximo. Nam in his propositionibus, non ut in prioribus subjecti loco ponitur vox Christi, hoc est, tota persona: Sed altera natura, nempe divina, vero in Concreto“ (809).
3.4 Fazit: In der Aufnahme oder Abweisung der Tübinger Neuorientierung kommt es in den Jahren 1605ff zu einer Binnendifferenzierung der sächsischen Christologie. Im Spannungsfeld zwischen einer ‚schwäbischen‘ Linie (Hutter) und der Hunn fortschreibenden Bewahrung des konkordistischen Erbes entwickeln sich, später noch einmal angestoßen durch die kenotische Kontroverse, unterschiedlich akzentuierte Positionen. Wichtiger ist im gegenwärtigen Zusammenhang, worin die sächsischen Voten – Hutter ausgenommen – übereinstimmen. Sie domestizieren die Tübinger These von vornherein dadurch, daß sie diese nur als methodische Alternative, als Frage akademischer Präzision (diligentia; Meisner) in der dispositionellen Zuordnung von Synamphoterismos und Idiopoiesis wahrnehmen. Diese Bewertung übergeht konstant die fundamentale Anfrage, die die schwäbische Neufassung von ordo und numerus der Genera motiviert – sie zielt letztlich auf eine grundsätzliche Kritik der praedicatio de tota persona jedenfalls in deren tradierter Interpretation (Attribution von den Naturen an die Person). Diese Korrektur bleibt in den bisher überblickten sächsischen Texten ohne Resonanz; homophon wird hier eine (asymmetrische) Kommunikation zwischen den Naturen und die (symmetrische) Mitteilung von den Naturen an die Person als die zwei ontologischen Muster der Idiomenkommunikation unterschieden. Hierin besteht die gewichtigste Differenz zum Tübinger Entwurf. 4. Konsequente Ontologie? In seiner Untersuchung zur Christologie J. Gerhards hat R. Schröder dieses auch von dem Jenenser vertretene sächsische Muster als Folge einer Applikation ‚metaphyischer‘ Theoreme auf die christologische Problemstellung erklären wollen: „Die Struktur der Idiomenkommunikation ist durch die metaphysische Ontologie und Theologie vorgegeben“.444 4.1 Die Zuschreibung der Prädikate der Naturen an die Person ergebe sich folgerichtig aus Grundannahmen der metaphysischen Ontologie. Der Person als dem „Selbststand der Natur“445 kommen notwendig die idiomatischen Bestimmtheiten der Natur zu. Zugleich ist allein die Person als das im Gegensatz zur ‚abstrakten‘ Natur konkret Existierende der ontologische Träger (subjectum quod [agit]) aller Tätigkeiten und Widerfahrnisse. „Mit 443
„... proprie primum genus constituit“ (808). SCHRÖDER, 1983, 185–187, hier: 185. Folgende Belegangaben hierauf bezogen. 445 SCHRÖDER, 1983, 185. Vgl. dazu auch Schröders ‚phänomenologische‘ Erläuterungen zum ‚ontologische(n) Sinn von persona und natura‘, ibd., 108–120. 444
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
dieser Ontologie ist die Kommunikation von Natur zu Person betreffs Eigenschaften und Handlungen gesetzt. Die Ontologie der Person Jesu Christi modifiziert diesen allgemeinen ontologischen Sachverhalt nur insofern, als diese Person in und aus zwei Naturen subsistiert, die über die Person – doch nur so – miteinander kommunizieren. Die Kommunikation der Eigenschaften (im strengeren Sinne) beider Naturen an die Person behandelt das erste genus (genus idiomaticum), die der Handlungen das dritte genus (genus apotelesmaticum). Die Kommunikationsrichtung Naturen→Person ist dabei durch die vorausgesetzte Ontologie der Person vorgegeben“.446 Nicht diese ‚allgemeine Ontologie der Person‘, sondern zwei Sätze der metaphysischen Theologie bestimmen und begrenzen die Kommunikation zwischen den Naturen. Die reale Identität von Person und göttlicher Natur des Logos hat zur Folge, daß die in dieser Person subsistierende natura humana an den Proprietäten der Gottheit partizipiert. Das ‚Aktivitätsgefälle‘ der Naturen bei der Unitio (assumens/assumptum), v.a. aber die Unveränderlichkeit der Gottheit schließen eine gegenläufige Teilhabe der göttlichen Natur an den menschlichen Bestimmtheiten aus; damit beschränkt sich das Mitteilungsgeschehen zwischen den Naturen asymmetrisch auf die communicatio Majestatis (186f).
4.2 Schröders Analyse der Struktur der – konkordistischen! – Idiomenkommunikation ist hinsichtlich des zweiten Themas (asymmetrische Mitteilung zwischen den Naturen) fraglos durch eindeutige Aussagen der interpretierten Texte gedeckt.447 Differenzierter ist im Blick auf den ersten Fall (communicatio von den Naturen an die Person) zu urteilen. Die für den ‚allgemeinen ontologischen Sachverhalt‘ gegebene Auffassung der Person bloß als der Aktualisierung von Wesen (essentia; natura), die darin begründete Annahme eines einlinigen Konkretionsgefälles von der Natur zur Person bilden bei Gerhard allerdings den Hintergrund der Erklärung des 1. Genus448. Die sächsischen Theologen haben entsprechend Mühe, die Differenz ihrer These zum reformierten Verständnis dieses ‚Genus‘ darzulegen.449 Auch wird zugestanden, daß das so bestimmte 1. Genus nur bedingt von einer ‚Kommunikation‘ i.e.S. handle: Die Person kann nicht sich selbst etwas mitteilen; ‚akurat‘ ist daher eher von der ‚Aneignung‘ der Idiome durch die Person zu sprechen, und dies gilt eigentlich nur im Blick auf die natura humana,450 – ein „Verhältnis hat
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SCHRÖDER, 1983, 185f, hier:186 (Hervorhebungen Schr.). Vgl. nur o. (D.II.) 2.1 zu Meisner. Auch in der Tübinger Revision werden die Axiome der ‚metaphysischen‘ Theologie nicht abstrakt negiert, doch im Konzept der Idiopoiesis modifiziert ‚überholt‘. Schröder nimmt die ‚Tübinger Lehrtradition‘ nur über Gerhards Referate zur Kenntnis (191f); seine (Ab)Wertung der ‚Idiopoiesis‘ dürfte weder der Variante Gerhards noch und erst recht nicht dem Tübinger Entwurf gerecht werden. 448 „Quia enim ... naturae non singulae seorsim et solae subsistunt ac agunt, quae cuiusque propria sunt, sed persona subsistit in duabus illis naturis et agit omnia juxta cujusque proprietatem, inde oritur primum genus communicationis idiomatum“ (Ex. Loc. IV, § 182 [PREUSS tom. 1, 530b]). 449 Spezifisch wird die lutherische These dann faktisch erst mit der communicatio Majestatis – allein um diese „Helena“ gehe der Streit der Konfessionen (vgl. o. Anm. 412)! 450 „Patet ... rectius hoc Primum Genus dici ιδιοποιησιν seu ιδιοποιιαν adpropriationem sive communionem, quam communicationem. Adcurate enim loquendo persona sibi ipsi aliquid communicare dici haud potest, sed tantum sibi naturae propria ob factam unionem υποστατικην adpropriat“ (MEISNER, Disp. XIV, De Primo Idiomatum Commu447
II. Rekonstruktion der konkordistischen Konzeption
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die Person Christi ... streng genommen nur zur menschlichen Natur, denn die göttliche Natur ist ... real identisch gedacht mit der göttlichen Person“.451 Andererseits aber ist die ‚allgemeine Ontologie‘ christologisch tiefgreifender in Frage gestellt, als Schröders Erklärung annimmt. Die bleibende essentielle Disparität der in der ‚Person‘ Christi vereinigten Naturen schließt es aus, die Einheit dieser Person als durch identisches Wesen begründet zu denken und sie so als Rezipienten und ‚Träger‘ der Idiome der durch sie subsistierenden Naturen zu unterstellen. Entsprechendes gilt für die Annahme der ‚tätigen‘ Funktion des Ganzen (subjectum quod) im Verhältnis zu den Teilen (Naturen) als den jeweiligen Prinzipien (subjectum quo) spezifischer Wirksamkeit des Ganzen. Die im Grundsatz auch in Sachsen betonte besondere Struktur des christologischen Ganzen setzt auch hier eine Differenz gegenüber dem ontologischen Regelfall. Wo darum die ‚ontologische Frage‘ – auf dem mit Beginn des neuen Jahrhunderts erreichten Reflexionsniveau – präzise gestellt wird, führt sie auf die Ausgrenzung des christologischen Datums aus dem Zusammenhang des regulären Seins, wie es die ‚normale Ontologie‘ normativ beschreibt. Konsequent hatten die Tübinger, v.a. Schaefer und Hoecker, die allgemeine Ontologie dezidiert als negative Folie für die ontologische Analyse des ‚ κατ’ εξοχην neuen‘ theologischen Datums beansprucht, und sie hatten diese Irregularität gerade an der Struktur der persona Christi ausgewiesen: diese bildet weder ein essentiales noch ein integrales Ganzes; sie ist darum als solche in einem strikten Sinn ohne Wesen und Eigenschaften, in keiner Weise Träger (subjectum) ihr wesentlich oder akzidentell zukommender Bestimmungen. 452
4.3 Das sächsische Muster der Idiomenkommunikation läßt sich so nicht zureichend als zwingende Folge einer Applikation allgemeiner ontologischer Theoreme erklären. Wenn die sächsischen Theologen ihre Distinktion einer Kommunikation an die Person einerseits, zwischen den Naturen andererseits aus der Polarität von Personeinheit und Naturendifferenz entwickeln, begründen sie fraglos mit ontologischen Argumenten, was die Konkordienformel selbst ohne nähere Erläuterung nur nebeneinander stellt. Doch diese ontologische Rekonstruktion ist zugleich Ausdruck einer theologischen Position. Für die Tübinger Revision der FC ist von zentraler Benicationis Genere; Disputationes 1624b, 19/196; – im Kontext der Erläuterung des 2. Modus des 1. Genus [o. [D.II.] 3.2]). Die ‚communicatio‘ im qualifizierten Sinn ist eine Bewegung zwischen Verschiedenen, und diese Voraussetzung sieht Meisner nur im Fall des 3. Genus erfüllt: „Primum [genus] enim est proprietatum, alterum operationum, tertium majestatis seu donorum. In primo propria naturarum discernuntur[!], in altero communia ostenduntur, in terti[o] χαρισματα vel dona explicantur. Primus Gradus est ιδιοποιια, alter κοινοποιια, tertius μεταποιια“ (Disp. XVI. De Tertio Communicationis Idiomatum Genere κατασκευαστικη [4. Apr. 1624]; 1624b, 217–228, hier: 27/222f). Vgl. Meisners Interpretation der particulae distinctivae des 1. Genus: „hunc particulae istae hic obtinent usum, ut distinguant naturas, & ostendunt causam propter quam proprietas naturalis, toti Personae tribuitur“ (Disp. XIV, 1624b, 16/195) mit den gegenläufig akzentuierten Bestimmungen Schaefers (o. bei u. mit Anm. 246) und Hoeckers (D.I.7.2.2). 451 SCHRÖDER, 1983, 185 (Hervorhebung Schr.). – Diese These trifft allerdings, wie noch zu zeigen sein wird, nicht die Tübinger Sicht, und auch im Blick auf die Sachsen müssen Differenzierungen im Personbegriff beachtet werden: u. D.IV.2, D.IV.5.2). 452 Vgl. o. D.I.6.2.3; D.I.6.3.3.5; auch u. D.IV.2.2.
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
deutung der Begriff der Person Christi als nur das Zugleich ihrer Naturen: persona est nihil aliud quam duae ipsae naturae unitae. Eine Mitteilung „von den Naturen an die Person“ verliert damit ihren systematischen Ort und ihr Recht. Diese christologische These, die freilich bei ihren Protagonisten selbst noch nicht ausreichend klar entwickelt ist,453 spielt in den Entwürfen der sächsischen Theologen keine maßgebliche Rolle. Sie ignorieren damit allerdings eine Einsicht, die noch einmal früher und mit Nachdruck zunächst im sächsischen Raum selbst vorgetragen worden war. Denn schon 1595 – ein Jahr vor dem ersten Dokument der Tübinger Revision (Gerlach 1596)454 – attackiert einer der originellsten theologischen Köpfe um die Jahrhundertwende,455 der völlig zu Unrecht nahezu vergessene456 Wittenberger Professor Salomon Gesner, die von seinen calvinistischen Gegnern reklamierte Antithese von (dort zugestandener) Mitteilung an die Person und (verworfener) Kommunikation zwischen den Naturen als ein sachlich und schon semantisch ‚unmögliches‘ Konzept. – Sinn und Begründung dieses fundamentalen Einspruchs sind zu prüfen. 5. Salomon Gesners Fundamentalkritik 1595 Salomon Gesners kritisches Votum hinsichtlich einer Mitteilung ‚an‘ die ‚Person Christi‘ steht im Zusammenhang einer eigentümlichen Entfaltung der Idiomenkommunikation als ganzer; erst auf diesem Hintergrund erschließen sich Gewicht und Tragweite seines Einwandes. Die christologische Konzeption des (seit 1593) Wittenberger Professors457 präsentieren zwei 1595 publizierte Schriften: die Disputationes XVII. pro Sanctissimo Libro Christianae Concordiae,458 von denen drei dem achten Artikel der Konkordie gewidmet sind; 459 453
Vgl. o. D.I.3.2.3.2; D.I.6.3.4; D.I.7.2.2/3. Vgl. o. D.I.5. 455 Die mit Gesner befaßten Abschnitte dieser Untersuchung (D.II.5; III.5; IV.6) werden diese Einschätzung für den Bereich der Christologie zu belegen suchen. 456 Vgl. aber SPARN, 1976, 19; ferner u. Anm. 461. 457 Salomon Ges(s)ner, 8.11.1559 (Bunzlau/Schlesien) – 7.2.1605 (Wittenberg). 1576 (1577?)–1582/83 Studium (Philosophie, Theologie) in Straßburg; 1583 Magister. Hauslehrer in Polen, dann Breslau. 1585 Rektor der Stadtschule in Bunzlau, 1589 des Pädagogiums in Stettin; Auseinandersetzungen mit ‚heimlichen Calvinisten‘; Herbst 1592 Resignation; Hilfsprediger in Stralsund, Lehrer an der dortigen Stadtschule. 1593ff Professor in Wittenberg (10.8.1593 Dr. theol.); seit 1595 auch Prediger an der Schloßkirche; zeitweise Ephorus der Stipendiaten und Assessor im Konsistorium. – Neben RÖSE, 1857 vgl. (teilweise unbegründet abwertend): SCHIMMELPFENNIG, 1879; TEKOLF, 2007. 458 Wittenberg 1595 (Epist. Dedic. 20. Aug. 1595). 459 Disputatio Undecima, De Persona Saluatoris nostri Jesu Christi; Quinque Capitum (262–298; ursprünglich 10.4.1594, VD 16: ZV 6586); sie handelt: 1. De vnione personali duarum naturarum in Christo (262–274); 2. De effectu vnionis, qui est idiomatum communicatio (275–282); 3. De duplici consideratione naturarum in Christo (282–285); 4. De abstracto & concreto (285–292); 5. De communicatione, quid ea & qualis sit γενι− 454
II. Rekonstruktion der konkordistischen Konzeption
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sodann die parallele monographische Bearbeitung des Themas in der Orthodoxa Confessio de Persona et Officio Salvatoris Nostri Jesu Christi.460 Die bisher nahezu unbeachteten461 Texte entfalten eine Position, die ein eigenes Profil innerhalb des Spektrums lutherischer Christologie am Ende des 16. Jh.s aufweist. Nicht zufällig läßt sich gerade bei den innovativen unter den lutherischen Christologen der Zeit von ca. 1600–1620 (J. Schröder; B. Meisner; Th. Wegelin; J. Gisenius; L. Hutter u.a.) eine durch direkte Schülerschaft und/oder literarisch vermittelte Aufnahme und Weiterentwicklung Gesner’scher Einsichten feststellen.462 Gesners Texte verdienen darüber hinaus Interesse, weil sie bestimmte Thesen vorwegnehmen oder doch vorbereiten, die erst 25 Jahre später im kenotischen Streit auf Tübinger Seite wieder erreicht werden.463
5.1 Der Leser der drei christologischen unter Gesners Disputationes pro Libro Concordiae stößt auf den Befund, daß diese gründliche Apologie der konkordistischen Christologie in der Frage der Idiomenkommunikation einen signifikant anderen Zugang wählt als der erläuterte Text und dann in der Folge zu einem auch sachlich differierenden Ergebnis gelangt. κως (292–298). – Disputatio Duodecima. De persona Saluatoris nostri Jesu Christi alte-
ra. Trium Capitum (298–330; 27.7.1594, VD 16 ZV 16211): 1. Explicatio propositionum, Deus est Homo, &: Homo Christus est verus Deus (298–301); 2. Propositiones Filius Mariae est filius Dei: & filius Dei est natus ex Maria virgine, passus & mortuus, quod unum est genus communicationis idiomatum (301–315); 3. De communicatione Maiestatis in genere (315–330). – Disputatio Decima Tertia, Quae est De Persona Domini Nostri Jesu Christi Tertia, Octo capitum (330–443; 2.10.1594, VD 16: G 1858): de Reali communicatione 1. cultus & adorationis (331–340), 2. potestatis judicariae (340–348), 3. potestatis Viuificandi (349–363), 4. Omniscientiae (362–384), 5. Omnipraesentiae (384–414), 6. Omnipotentiae (414–428); 7. De statu humiliationis & exaltationis (428–436), 8. De communione Reali, quae naturis in Christo in officio intercedit (436–443). 460 Wittenberg 1595 (Ep. Dedic. 1.4.1595). Aufriß: I. De diuina natura ... Christi (1– 36); II. De humana natura & mysterio incarnationis filij Dei (37–64); III. De differentia vnionis, quae est communicatio Idiomatum, & definitione personalis vnionis (65–89); IV. De distinctis gradibus communicationis Idiomatum ex textu, D. Johannis ο λογος εσκη− νωσεν εν ημιν &c. (90–116); V. De primo gradu Realis communicationis Idiomatum (117 –134); VI. De secundo genere communicationis Idiomatum, quod est communicatio maiestatis (134–145); VII. Explicatio eorum propriorum, quae assumptae carni ... communicata sunt: & primo de Omnipotentia (145–168); VIII. De communicata omnipraesentia (169–187); IX. De communicata Omniscientia (187–196); X. De communicata potestate viuificandi (196–210); XI. De communicato cultu adorationis (210–220); XII. De communicata ... potestate exercendi iudicium ... (220–223); XIII. Breuis ανακαιφαλαιωσις totius negotij (224–228); XIV. De statu humiliationis & exaltationis Christi (228–274); XV. De statu Exaltationis & maiestatis Christi (275–299); XVI. De Officio Christi (299– 318); XVII. Vltimo capite vulgares quaedam obiectiones Philippistarum refutantur, quae libro Christianae concordiae opponere solent (319–334). 461 Vgl. jedoch J. B AUR, 1993h, 219–225; DERS., 2007, 281–285 (o. A.II.1.3); auch BRANDY, 1991, 224 (Anm. 87). 462 Einer näheren Untersuchung bedürfte die Frage, ob auch die seit 1596 (St. Gerlach, 1596; o. D.I.5) nachweisbare Tübinger Revision der konkordistischen Idiomenkommunikation durch die etwas älteren Texte Gesners angestoßen ist. 463 Vgl. Thumms spätere ‚Entdeckungen‘ Gesners: u. E.II. 4.2, 5.2.1; E.III.4.1.2.
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
5.1.1 Gesner orientiert sich nicht entscheidend an der strukturellen Vielfalt christologischer Prädikationen der Schrift, die dann in einem System distinkter Satzklassen (genera/ modi praedicationum) zu ordnen wären.464 Vielmehr wird sofort der reale Vollzug der Vereinigung der Naturen selbst in den Blick genommen – die Tübinger Berufung auf den ‚ordo naturalis‘ wird dieses Verfahren auf den Begriff bringen.465 Gesner bestimmt die unio personalis elementar als symmetrische Vermittlung des Logos und der angenommenen Menschheit. Diese in identischer Subsistenz begründete wechselseitige Teilhabe des essentiell Geschiedenen wird in dem Satz ‚Deus est Homo‘ und dessen Inversion ‚Homo est Deus‘ festgehalten. 466 Nachdrücklich und mit einer den Voten Brenzens und des frühen Andreae467 gleichkommenden Entschiedenheit verknüpft Gesner unio und Idiomenkommunikation. Letztere ist nicht nur wesenskonsekutiver ‚Effekt‘ der Vereinigung – so kann Gesner auch formulieren468 –, sie hat für die Personeinheit konstitutive Bedeutung: ohne sie als die differentia specifica kann die unio personalis nicht zureichend definiert werden.469 Die Konstitution der Personeinheit durch Aufnahme (assumere) der Menschheit in Person und Natur des Logos impliziert deren Teilhabe am Sein und Tun Gottes; dieser Selbstmitteilung (communicare) des Logos korrespondiert gegenläufig die Aneignung (appropriare) aller menschlichen Idiome und Schwachheiten durch den Logos. 470 Diese fundamentale Doppelbewegung der communicatio idiomatum repräsentieren die Sätze ‚Filius Mariae est filius Dei‘ und ‚Filius Dei est genitus ex Maria virgine, passus, mortuus & sepultus‘. 471 In beiden Fällen werden die Idiome einer Natur von der je anderen Natur ausgesagt.472 Zugleich ist damit die kompositorische Struktur der Idiomen-
464
So die hier von Chemnitz bestimmte FC: SD VIII 35 (BSLK 1027,34–1028,12). Vgl. o. D.I.3.1/2; D.I.6.3.1. 466 Disp. XII, cap.I, 1/299–8/301. 467 Apologia, 1564; vgl. u. D.IV.1.3 (bei Anm. 711. 712). 468 Vgl. Disp. XI, cap. II: De effectu hypostaticae vnionis, qui est idiomatum communicatio (Disputationes 1595b, 274ff). 469 „Differentiae specificae loco in adducta definitione [unionis personalis; vgl. Anm. 470] posita est idiomatum seu proprietatum communicatio“ (Disp. XI, cap. II, 1/275–21/ 281f, hier: 1/275) – so werde das menschlicher Vernunft nicht unmittelbar und an sich erkennbare mysterium Incarnationis aufgrund göttlicher Kondeszendenz „a posteriore & ab effectu aliquo modo“ zugänglich (2/275). 470 „Est autem personalis vnio talis vnio, qua λογος in se permanens immutabilis assumsit humanam naturam, & eam non modo gestat ac sustentat, sed illam integram & nobis per omnia ομοουσιον , excepto peccato, in ipsum Deum, seu in ipsam Deitatem, inque S.Trinitatis substantiam atque consortium euehit. Cui assumtae humanae naturae seipsum totum ο λογος secundum suam hypostasin vniuit, seque ipsum totum suamque personam assumtae & personaliter vnitae carni communicauit. Vnde caro illa in ipsam Deitatem euecta, facta est Dominus omnium in coelo & in terra, & maiestate Deitatis glorificata, & particeps Diuinitatis, & filij Dei plene capax, & diuinae naturae κοινωνος vere particeps. Quemadmodum ο λογος omnia assumptae carnis propria, & omnes infirmitates vere in se recepit, sibique appropriauit. Atque ita vnus est Christus Deus & homo, ex duabus & in duabus naturis, diuina & humana, subsistens, qui totum opus redemptionis nostrae expeditum dedit, operante vtraque natura, quod proprium cuique est, cum COMMUNIONE alterius“ (Disp. XI, cap. I, 27/233f). – Vgl. auch die bis auf marginale Abweichungen wörtliche Parallele dieser Definition: Confessio, 1595a, 87f. 471 Disp. XII, cap. II, 1f/301f. 472 „... alterius naturae propria ... de altera natura praedicantur“ (2/302). 465
II. Rekonstruktion der konkordistischen Konzeption
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kommunikation determiniert, sie umfaßt diese zwei – einander gegenläufig analogen – gradus oder genera: (1.) die Mitteilung der Majestätseigenschaften Gottes an die menschliche Natur (communicatio Majestatis, βελτιωσις, υπερυψωσις);473 (2.) „ex aduerso“474, als ‚gradus alter‘ die Aneignung der menschlichen Eigentümlichkeiten durch den Logos (ιδιοποιια, appropriatio infirmitatum humanarum). 475 Mit diesen zwei Genera ist der Umfang der aus der unio resultierenden Idiomenkommunikation i.e.S. vollständig erschöpft. Eine recht originelle Exegese von Joh 1,14 erlaubt es Gesner, seine beiden Grundthesen, d.h. den definitorischen Verbund von unio und communicatio sowie die Differenzierung der letzteren in die zwei Genera der Idiopoiesis und communicatio Majestatis, durch einen einheitlichen Schriftbeleg zu fundieren: Verbum caro factum est [incarnatio; unio personalis] & εσκηνωσεν habitauit in nobis [Idiopoiesis], et vidimus gloriam eius, gloriam velut unigeniti a patre [communicatio Majestatis].476 Ergänzt werden diese zwei Genera der Idiomenkommunikation durch die apotelesmatische ‚communio Realis, quae naturis in Christo in officio intercedit‘.477 Hinsichtlich der Lozierung schwanken die Festlegungen. Die Disputationes zählen die Vermittlung der Tätigkeiten nicht ausdrücklich als ein drittes Genus der communicatio Idiomatum im strengen Sinn, setzt sie ja die wechselseitige Mitteilung der Proprietäten als Bedingung
473 Disp. XII, cap. II, 3/302–19/307; Entfaltung cap. III, 1/315–34/329f und – für die einzelnen Idiome – Disp. XIII, capp. I–VI (1595b, 330–428); analog: Confessio, 1595a, cap. VI (134–145) bzw. capp. VII–XII (145–223). Vgl. o. Anm. 459 resp. 460. 474 Disp. XII, cap. II, 20/308. 475 Disp. XII, cap. II, 20/308–40/314; Confessio, 1595a, cap. V (134–145). Im faktischen Widerspruch zum Begriff der communicatio Idiomatum als Mitteilung zwischen den Naturen (Anm. 472) verwirft Gesner hier allerdings die ‚abstrakte‘ Rede vom Leiden und Sterben der Gottheit (ipsa diuinitas) als häretische Aufhebung der Apathie Gottes und läßt nur die ‚konkrete‘ Aussage ‚Deus est passus‘ zu (25/309–33/312). Dies entspricht der bei Gerlach 1596 beobachteten Spannung (D.I.5.3). Hingegen gehen die Tübinger Anfang des 17. Jh.s über diese Restriktion hinaus (D.I. 6.3.2; 7.3.3/4). 476 „Cum enim de personali vnione disseruisset [Iohannes], illa propositione θεαρχι− κη, Verbum caro factum est, continuo subijcit, quomodo id factum sit, perque consecutam communicationem vnionis mysterium explicat, & ab effectu aestimandum proponet.| Duo proinde Communicationum genera S. Iohannis tradit. Primum est, ... quod tali paraphrasi describit: & εσκηνωσεν habitauit in nobis“ (Disp. XII, cap. II, 41.|42/314), – denn (Verweis auf 2.Kor 5[,1], 43/314): „λογος in scena humani corporis omnes tempestates huius exilij experiri, & humanam formam indutus omnem sortem istius theatri subire voluit“ (43/315; vgl. Confessio, 1595a, 91f). „Alterum communicationis idiomatum genus D. Iohannis in sui Euangelij principio ita describit: Et vidimus gloriam eius gloriam velut unigeniti a patre. |Vnde nos ita ratiocinamur: Invisibilis Dei gloria & maiestas cerni non potest humanis oculis nisi in corpore visibile sese manifestet. Exod. 32[!; Confessio 95: 33(,18ff)]. Atqui nos in Christo vidimus divinam gloriam & maiestatem (1.Iohann. 1[,1– 3]). Vidimus igitur diuinam του λογου Maiestatem, vt ait Augustin: quam neutiquam vidissemus, nisi per consortium humanitatis visa esset ...“ (cap. III, 1.|2/315|f). – „Vnionem personalem ordinaria sua sede tradit Spiritus Sanctus Ioh.1.[,14a] cum dicit: Verbum caro factum est. Qualis autem ea sit vnio, id inde quodammodo intelligi posse docet, quod λογος in tabernaculo sui corporis inter nos habitauit, & quod nos vidimus gloriam eius, gloriam tanquam vnigeniti a Patre, plenam gratia & veritate. Quae verba communicationem idiomatum proponere luce meridiana clarius est“ (Disp. XI, cap. II, 4/275). 477 Disp. XIII, cap.8, 331; vgl. 1/436–32/443; Confessio, 1595a, 299–318.
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ihrer Möglichkeit schon voraus. Gesner unterstreicht aber den engen Sachkonnex, wenn er auch die apotelesmatische Kommunikation dem christologischen Fundamentaltext Joh 1,14 entnimmt: „Officium Christi S. Iohannis brevißime complectitur, cum dicit: Ipsum plenum fuisse gratia & veritate“.478 5.1.2 In der Confessio entwickelt Gesner, bei identischer Sachaussage, die kompositorische Struktur der Idiomenkommunikation auf noch einmal artifiziellere Weise. Idiopoiesis und communicatio Maiestatis gelten auch hier als die basalen Vollzüge der Kommunikation der Naturen und deren Idiome, die mit der unio personalis selbst gesetzt ist. Von hier aus richtet sich die weitergehende Frage: ‚quae sunt illa idiomata & propria, quae λογος assumptae carni communicat, & quidnam ipsius carnis λογος in se accipit?‘ (88) an den Text Joh 1,14 (b.c.d: Et habitavit ... gratia & veritate), der auch hier als biblische sedes der (unio und) Idiomenkommunikation gilt. Antwort: Johannes unterscheide zwei Klassen von Eigentümlichkeiten (propriorum genera), nämlich: (1.) ‚innere‘, die Naturen selbst reflexiv bestimmende Charakteristika, d.h. die Eigenschaften im engeren Sinn;479 sodann (2.) ‚äußere‘, objektbezogene ‚Propria‘, also Tätigkeiten.480 Von der ersten, in sich noch einmal differenzierten Gruppe spricht der Abschnitt Joh 1,14b.c ([1a.] habitavit in nobis; [1b.] vidimus ... gloriam), von den actiones externae der zweiten Gruppe, die zum ‚Amt‘ Christi gehören (89), der Passus 1,14d (plenus gratia & veritate). In Anwendung dieser Textanalyse differenziert Gesner dann drei Grade der Idiomenkommunikation: Primus Gradus: Idiopoiesis (ο λογος εσκηνωσεν εν ημιν, 91[–95]); Secundus Gradus: communicatio Maiestatis (εθεασαμεθα την δοξαν αυτου, 95 [–97]); tertius Gradus: apotelesmatische Kommunikation im Officium (plenus gratia & veritate, 97[f]). – Die apotelesmatische Kommunikation wird so der Idiopoiesis und communicatio Maiestatis formell als drittes Genus koordiniert; doch bleibt die Differenz zu den begründend vorausliegenden Vollzügen der ersten zwei Genera bewußt.481
5.2 An dieser im Detail schwankenden, in der Grundstruktur reflektiert und konstant vorgetragenen Konzeption Gesners fällt auf, was sie hartnäckig übergeht: Die im ersten Genus der FC an zentraler Stelle notierte Attribu478
„Non enim sibi saltem, sed potißimum nobis gratia & veritate plenus fuit, eamque gratiam nobis contulit, quod gratis nos morte sua a tyrannide diaboli redemit, & aeterno Patri reconciliauit. Veritas autem inde conspicua facta est, quod mysterium Euangelij omnibus retro seculis in sinu aeterni Patris absconditum protulit ...“ (Disp. XIII, cap. 8, 1/436; vgl. Disp. XI, cap. II, 4/275 [Zitat o. Anm. 476]). – „Gratia & veritas, non absolute, sed relate, respectu nostri, quibus exhibita est gratia & declarata veritas, dicuntur ... diuina natura implet humanam immensa diuina |gratia & sapientia, & hac intercedente communione, Christus suam gratiam & veritatem in opere nostrae redemptionis ostendit, immensa gratia & misericordia genus humanam complectens, sapientiam imperscrutabilem in patefacienda Euangelij veritate declarans“ (Confessio, 1595a, 97|f). Vgl. die – von Gesner angeregte? – Kritik M. Schaefers an jeder ‚selbstbezüglichen‘ (sibi) Fassung des Tuns Christi (o. Anm. 222). Von zentraler Bedeutung werden diese Einsichten Gesners dann für die ‚neue‘ Tübinger Christologie sein (u. E.III.4.1.2). 479 „Primum [propriorum genus] est των εσω, quae in ipsis naturis & persona Christi, vt sunt propria diuinae & humanae naturae ...“ (88f). 480 „Secundum genus propriorum est των εξω, και προς ημας, vt sunt actiones & operationes, quas Christus erga nos & Ecclesiam & omnes creaturas exercet“ (89). 481 Vgl. dann die detaillierte Ausarbeitung (Anm. 460): 1. Genus (cap. V; 117–134); 2. Genus (cap. VI[–XII]; 134–145[/223]); ‚De Officio Christi‘ (cap. XVI; 299–318).
II. Rekonstruktion der konkordistischen Konzeption
375
tion der Proprietäten der Naturen an die Person bleibt hier ohne Pendant. In beiden Schriften nimmt Gesner eine Mitteilung ‚a naturis ad personam‘ nur in kritischer Absicht in den Blick. Unmittelbare Adressaten dieser Einwände sind die ‚spitzen Köpfe‘ unter den ‚calvinistischen Logikern‘ oder die ‚kryptocalvinistischen‘ Philippisten und ‚Melanchthoniani‘; in der Sache gelten sie dem beiden Gruppen attestierten Versuch, eine (legitime) Kommunikation von den Naturen an die Person von der als ‚eutychianisch‘ proskribierten Mitteilung zwischen den Naturen abzugrenzen.482 Das Argument, das Gesner gegen dieses ‚leere Geschwätz‘483 wendet, stellt jedoch in der Konsequenz auch die genuin interpretierte konkordistische Festlegung in Frage. 5.2.1 Die Basis von Gesners Einwand bildet jener Kanon, der später für M. Schaefers Analyse der Sätze de Christo (tota persona) von entscheidendem Gewicht sein wird, die These der realen Identität der christologischen Person mit ihren Naturen: „persona Christi est IPSAE DVAE NATURAE VNITAE“.484 Unter dieser Voraussetzung – „wenn das feststeht “! – ist der Behauptung einer Kommunikation der Idiome beider Naturen ‚an die Person‘ neben, erst recht im Gegensatz zu der Mitteilung zwischen den Naturen der Boden entzogen. Die Rede von der Kommunikation zwischen den Naturen stellt nicht die häretische Alternative zur Attribution an die Person dar, sie formuliert deren allein sachgemäße und notwendige Auslegung – „ipsis naturis, quatenus vnitae sunt, intercedit communio“!485 5.2.2 Diese Einsicht führt Gesner zu einer grundsätzlichen Kritik der tradierten Generaldefinition der Idiomenkommunikation, die, scholastischen Ursprungs, für den protestantischen Raum wirkungsgeschichtlich bedeutsam von Melanchthon rezipiert wurde und in dieser Spur nicht nur von den reformierten Kontrahenten, sondern auch von dem ‚linken Flügel‘ der Schüler des Praeceptor Germaniae, der kryptocalvinistischen ‚Schola Melanchthoniana‘, zum Bollwerk gegen die reale communicatio idiomatum zwischen den Naturen ausgebaut wird: „quod communicatio idiomatum sit praedicatio, in qua proprietas uni naturae conveniens tribuitur personae in concreto“.486: Diese Festlegung verstößt, macht 482
„... non desunt, qui dicant, esse quidem communicationem in vnione personali, sed illam non naturis intercedere, verum vtramque naturam sua propria communicare personae“ (Disp. XI, cap. II, 21/281f). Vgl. entsprechend Confessio, 1595a, 81f. 84f. 483 Confessio, 1595a, 81. 484 Disp. XI, cap. II, 21/281f, hier: 282 (Versalierung G.); vgl. cap. I, 25/272f, bes. 273; Confessio 81: „persona Christi est ipsae duae naturae“. – Zu Schaefer: o. D.I.6.3.4. 485 „Iam si hoc certum est, vt est profecto certißimum, vane & inepta est φλυαρια, qua quidam dicunt, naturas communicare sua propria personae, neque tamen vllam ipsis naturis intercedere communionem. Alterutrum enim fateantur oportet: personam aut esse εξ ετερων ετερον, aut αυτας τας φυσεις ηνομενας. Si non illud: ergo hoc. Et si hoc: Ergo ipsis naturis, quatenus vnitae sunt, intercedit communio. Soluant hanc nucem, si boni sunt, acuti nimirum illi Logici Caluiniani“ (Disp. XI, cap.II, 21/282). 486 Zu Melanchthons Konzeption der Idiomenkommunikation und deren ‚traditionsgeschichtlichen‘ Wurzeln vgl. das o. [B.] Anm. 172 Notierte.
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
Gesner geltend,487 gegen elementare Mindestforderungen, denen jede Definition genügen muß. Sie ist erstens zu eng gefaßt: Weder schließt sie jene Sätze ein, die von der abstrakt (per vocem abstractivam; 111) bezeichneten menschlichen Natur göttliche Idiome prädizieren,488 noch umgreift sie die Aussagen mit apotelesmatischen Prädikaten (nomina officij; 111), die beiden Naturen zukommen (111). – Der Definitionsversuch ist andererseits zu weit gefaßt, insofern er auch solche Sätze zuläßt, die nach Gesners Urteil überhaupt keine Mitteilung von Eigentümlichem aussagen. 489 Sätze der Art: ‚Logos, qui carnem assumpsit, est filius Dei/est omnipotens‘ einerseits, ‚filius Mariae est homo / patitur‘ andererseits genügen formell den Kriterien des traditionellen Musters. Sie stellen aber in der Sache analytische Wesensprädikationen dar; als Subjekt fungiert die Person benannt nach jener Natur, der das Prädikat schon (immer) essentiell zu eigen ist: „Quis vero unquam communicationem appellavit, cum suum proprium suae naturae tribuitur?“ (111). – Drittens schließlich ist die tradierte Festlegung mit inakzeptablen Unklarheiten und Ambivalenzen behaftet. Ihre generische Bestimmung der Idiomenkommunikation als praedicatio leiste dem zentralen Irrtum der Gegner Vorschub, das Lehrstück handle von einem nur verbalen Phänomen – einer reinen Sprachregelung im Sinne einer wechselseitigen Übertragung (commutatio; attributio) nur der Bezeichnungen (nomina) ohne eine begründende Partizipation reipsa.490 Unter einem Mangel an Eindeutigkeit leiden ebenso der Terminus ‚attribuere‘ und v.a. die Bestimmung ‚in concreto‘ (112).
5.2.3 Gesner bündelt seine Kritik in einem grundsätzlichen Resümee: Die tradierte Definition der Idiomenkommunikation hebt sich selbst auf, da sie die hier vorgeblich definierte Communicatio im Ergebnis faktisch dementiert.491 Auch dieses vernichtende Urteil erfährt seine Begründung von dem fundamentalen Begriff der Persona Christi her. Diese Person kann von ihren Naturen zwar formal unterschieden werden, bildet aber kein (drittes) Subjekt neben diesen – „persona subiecto idem est, quod duae naturae, in quibus persona subsistit, |& ex quibus constat“ (112|f). Damit fällt das Konstrukt einer Kommunikation von einer Natur an die Person. Mitteilung, fundamental verstanden, meint stets eine ‚Bewegung‘ zwischen diskreten Instanzen: „Idem sibijpsi non communicat: cum communicatio sit, quando vnum se alteri communicat“ (112). Ein solch distinktes Gegenüber von unum und alterum aber bilden die christologische Person und ihre Naturen, weil real identisch (subiecto idem), gerade nicht; die These einer alternativ zur Mitteilung zwischen den Naturen (citra naturarum communionem; 112) konzipierten Kommunikation von den Naturen an die Person wäre somit 487
Zum folgenden vgl. Confessio 110–116; Belegangaben sind hierauf bezogen. Confessio 110f. E.g.: Caro mea est cibus vitae aeternae (Joh 6,35.50ff). Die sprachlogische Klassifizierung als „non in concreto, sed in abstracto tribuere“ entspricht der Chemnitz’schen Nomenklatur (u. D.III.2). Sachlich gelten Gesner die Naturen – sofern ‚in unione‘ betrachtet – als concreta. Vgl. zusammenhängend u. D.III.5. 489 „in quibus [propositionibus] prorsus nulla est proprietatum communicatio“ (Confessio 111). 490 Confessio 111f; sola praedicatio, nominum nuda commutatio & attributio (112). 491 „Ex his tandem efficitur, quod ipsa definitio seipsum euertat, & per hanc definitionem communicatio non sit communicatio“ (Confessio 112). 488
II. Rekonstruktion der konkordistischen Konzeption
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unsinnig: „si naturae communicant personae, idem sibiipsi communicabit: Atque ita nulla erit communicatio, sed inanis solummodo titulus“.492 Rezipient des von einer Natur Kommunizierten kann die ‚reduktionistisch‘, nur als Simultaneität beider Naturen bestimmte Person vielmehr allein sein in Gestalt der (je) anderen Natur, der das Kommunizierte essentiell fremd ist und bleibt, aber kraft identischer Subsistenz und Perichorese der Naturen gemeinsam wird. 5.2.4 Mit seinen Einwänden nimmt Gesner 1595 in der Sache genau, in der Negativabgrenzung sogar deutlicher jene Einsicht vorweg, die dann die Tübinger im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts ausarbeiten werden.493 Im sächsischen Raum bleibt seine These dagegen ohne durchschlagende Wirkung, die mit der Autorität des großen Hunn versehene Lesart des ersten Genus der FC494 vermochte sie nicht zu problematisieren. Die Texte Meisners, Martinis und Gerhards lassen den Einfluß der Gesner’schen Schriften von 1595 erkennen; diese eine zentrale Grenzziehung Gesners aber übergehen sie, wenn sie in Hunns Spuren ohne eigentliche Begründung wieder die symmetrische Mitteilung an die Person einer asymmetrischen Kommunikation zwischen den Naturen koordinieren.495
492
Confessio 113. – Insofern die tradierte Definition die Kommunikation an die Person alternativ zur ‚realen‘ Mitteilung zwischen den Naturen konzipiert, hat sie kein Heimatrecht in der rechtgläubigen Kirche, – „si vel Archangelus eius sit autor“ (Confessio 113). Doch kann sie einer ‚commoda interpretatio‘ unterzogen werden, indem der praedicatio de persona in concreto sachlich die Mitteilung der Proprietäten zwischen den Naturen (mutua propriorum αντιδοσις; Confessio 116, vgl. 115) unterlegt wird – so hätten es einige frühere Scholastiker, Luther und jedenfalls möglicherweise auch – die Ehrenrettung dieses ‚Erzengels‘ will Gesner nicht a limine verloren geben – Melanchthon verstanden (quomodo Philippus suam definitionem interpretatus sit, & accipi voluerit, adhuc sub iudice lis est; 116). Dann ist differenzierter zu urteilen: „hoc sensu ... nostri quoque hactenus eam definitionem non omnino reiecerunt, sed ad primum gradum communicationis retulerunt“ (Confessio 113–116, hier: 116). Mit dieser Interpretation mildert Gesner zwar die Spannung zwischen seiner Kritik und der Rezeption der Bestimmung in der chemnitianisch-konkordistischen Linie der lutherischen Christologie. In der Sache jedoch bildet seine Position eine Alternative auch zu dieser lutherischen Lesart der Idiomenkommunikation. – Auch L. Hutters frühe Disputation über die Idiomenkommunikation von 1590 (Theseis De communicatione Idiomatum, Jena 1590; VD 16: R 1323; neu ediert von STEIGER , 2002, 82/84–103) versucht eine analoge Rettung der tradierten Definition (dort Th. IIII/A2r; STEIGER 2002, 87): „Etsi vero difinitio isthaec, non omnibus tribus communicationis Idiomatum gradibus competere videatur: tamen ijs minime repugnat: & recte explicata, facile & tolerari[!] & defendi potest ...“ (Th. V/A2 r; STEIGER 2002, 87); doch diese Erläuterungen (Th. VI–XII/A2 r.v; STEIGER 2002, 87f) werden der dann von Gesner klar benannten grundsätzlichen Problematik gar nicht ansichtig. 493 Vgl., als – vorläufigen – Abschluß, J. Hoecker 1610 (o. D.I.7.2). 494 Vgl. o. C.IV.3.2.3–5. 495 Vgl. o. D.II. 2.1, 3.1/2.
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
Diese Konkordanz zwischen Gesner und den Tübinger Theologen um 1610 umgreift dabei auch die Begründung. Die Restriktion der Idiomenkommunikation auf die communicatio inter naturas ist Folge und Ausdruck jenes Verständnisses der Person Christi selbst, das seine pointierte Formulierung in dem Kanon der Realidentität von Person und ‚ipsae duae naturae unitae‘ findet. – Diese fundamentale These versteht sich allerdings nicht von selbst, sondern stellt ihrerseits eine der Begründung und Explikation bedürftige Annahme dar. Die am Thema der Idiomenkommunikation zu Tage tretenden innerlutherischen Differenzen deuten so auf vorausliegende Divergenzen schon in der Fassung der Personeinheit Christi.496
III. ‚Nova & alia Dialectica‘ – Sprachlogische Implikationen der schwäbischen Revision der Idiomenkommunikation III. ‚Nova & alia Dialectica‘ – Sprachlogische Implikationen
1. Thomas Wegelin 1608 1.1 Die schwäbische Neufassung der Idiomenkommunikation zielt darauf, das Verständnis der Person Christi als Vollzug von Mitteilung zur Geltung zu bringen – als den Prozeß einer symmetrischen Kommunikation der Naturen von Gott und Mensch, die in bestimmter Weise die abständigste Differenz der Wirklichkeit ‚aufhebt‘: creator voluit esse creatura497. In dieser Existenzeinheit des Verschiedenen ereignet sich, was im Wesen des Vereinigten je für sich keine Begründung findet, diesem vielmehr radikal widerspricht: Gottes Teilhabe an menschlicher Niedrigkeit (Idiopoiesis), gegenläufig die Erhöhung des Menschen zur göttlichen Majestät (Metapoiesis); beide Bewegungen hingeordnet auf den Vollzug des einen gottmenschlichen Heilswerkes (Koinopoiesis). Diese ‚res κατ’ εξοχην nova‘498 der kommunikativen Einheit von Gott und Mensch findet erst dann ihre eindeutige Formulierung, wenn die ‚Christus‘ zukommenden Prädikate nicht erst unspezifisch dem Ganzen der Person beigelegt werden, das beider Differenz überbrückt, sondern dem zuvor schon der je essentiell inkonvenienten Natur attribuiert werden: der göttliche Logos ist Subjekt menschlicher Prädikate, der Homo assumptus Subjekt göttlicher Prädikate. – Andererseits meint diese Neubestimmung keine Veränderung des Wesens. Die natürliche Wirklichkeit, wie sie die jeweiligen Wesensbegriffe der Naturen festhalten, wird auch christologisch nicht einfach negiert. Die allerdings gegen das Erfordernis essentieller Konve-
496
Vgl. dazu weiter, am Beispiel B. Meisners, u. D.IV.5(.1). Vgl. o. D.I.6.3.2. (bei u. mit Anm. 242). 498 Vgl. o. C.II.2.2.1.1. 497
III. ‚Nova & alia Dialectica‘ – Sprachlogische Implikationen
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nienz von Subjekt und Prädikat verstoßenden Sätze499 des idiopoietischen und metapoietischen Genus prädizieren die loco subjecti rubrizierten Naturen nicht als solche, sondern als ‚Teile‘ jenes ‚Ganzen‘ der Person, in der allein diese Neubestimmung sich vollzieht – doch ohne daß die Naturen schon (synecdochisch) für dieses Ganze selbst stehen. Diese doppelte Vorgabe bedeutet eine fundamentale Infragestellung der tradierten Semantik christologischer Termini; dort fungiert der Naturbegriff ausschließlich als Designator reinen Wesens, der Personbegriff als Designator des Kompositums aus den Naturen. Unter Voraussetzung dieser strikten Alternative ist das spezifische Interesse der schwäbischen Christologen nicht aussagbar. Deren Sätze de homine assumpto bzw. de Filio Dei wären auf dieser Basis je nur als Behauptungen der Verwandlung wesentlicher Identitäten zu lesen; so lautet denn auch der konstante Vorwurf reformierter wie altgläubiger Polemik. Umgekehrt kann die Prädikation de tota persona die Neubestimmung der vereinigten Naturen kraft ihrer Koexistenz im Tübinger Sinn immer nur voraussetzen, bringt diese aber nicht als solche eindeutig zur Sprache. M.a.W.: Die Tübinger Christologie verlangt einen neuen – gleichsam mittleren – Begriff der Naturen, der nicht lediglich deren bloße Wesenheit (essentia), sondern die kommunikative Veränderung kraft der Koexistenz in der Personeinheit notiert, ohne aber bereits diese ganze Person synecdochisch zu benennen. Dies stellt näherhin vor die Aufgabe, die Unterscheidung abstrakter und konkreter Begriffe für den christologischen Kontext neu zu fassen. Die Tradition setzt diese Distinktion dem Gegenüber von Person und Naturen einfach parallel: Konkret, d.h. das existierende ens, ist allein die ganze Person; die Terme für die Naturen bilden dagegen abstracta, nur bloßes Wesen bezeichnende Ausdrücke. Aus innerer Notwendigkeit hat darum die schwäbische Christologie das Thema der christologischen Konkretion resp. Abstraktion seit den Anfängen bei Brenz500 immer wieder aufgegriffen und ihre eigentümliche These gegen reformierte und jesuitische Kritik verteidigt. Doch abermals sind es erst die Texte der ‚Neuerer‘ im ersten Dezennium des 17. Jh.s, die eine gründlichere Revision auch dieses Topos dokumentieren. Neben den knapperen Voten Schaefers501 und, davon bestimmt, Hafenreffers502 verdienen 499 Zu diesem mit dem lutherischen Verständnis der christologischen Aussagen gestellten sprachlogischen Problem vgl. zusammenhängend u. E.I.3(.1/2). 500 Die Termini selbst freilich fehlen bei Brenz, wohl aus Reserve gegenüber der noch als alternativlos geltenden Normierung der Begriffe durch Melanchthon, der die scholastischen Festlegungen für die protestantische Lehrentwicklung rezipiert; innerhalb dieser Nomenklatur war das Neue, das Brenz intendierte, nicht unterzubringen. – Vgl. zu Brenz MAHLMANN, 1970, 206–209; BRANDY, 1991, 160.203. 501 SCHAEFER, (1602a [11./12. Juni 1602] = [o. Anm.168f]) 1607, 146/46–148/47, dort als Abschluß der Analyse der Muster christologischer Propositionen (100/33–148/47).
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
hier die einschlägigen Abschnitte in Wegelins Disputation503 und Hoeckers Speculum504 Interesse. 1.2 Übereinstimmender Grundzug dieser neuen Anläufe, zu entfalten, „[m]it was für Worten wir solche Lehre vorzutragen pflegen“,505 ist das Bemühen, die tradierte strikte Antithetik von ‚abstrakter‘ Natur und ‚konkreter‘ Person zugunsten einer differenzierten Zuordnung aufzubrechen. 1.2.1 Den intendierten neuen Begriff des abstractum und conretum entwickelt Wegelin in Auseinandersetzung mit den überlieferten theologischen und philosophischen Bestimmungen. 506 Dieses schwer überschaubare und keineswegs homophone Erbe, das im Spannungsfeld der durch die platonische und aristotelische Option markierten Grundalternative recht divergente Lösungen umfaßt,507 wird dabei auf die Unterscheidung von – vier – verschiedenen Verwendungsweisen der fraglichen Termini (vocabuli concreti & abstracti usus) hin elementarisiert.508 Die Sichtung ist jedoch nur ganz knapp, und sie kann dies sein, weil das christologische Datum sich zu allen sonstigen Verwendungen konträr verhält. Nicht der scholastische Gebrauch der Vokabeln, der als concreta die Bezeichnungen für die ganze Person, als abstracta die Termini für die Naturen bestimmt; 509 nicht die im engeren Sinne ‚grammatische‘ Verwendung der Begriffe des Konkreten resp. Abstrakten für die Substantive (abstrakt) und Adjektive (konkret),510 die einige reformierte Logiker christologisch applizieren; nicht der ‚usus etymologicus‘, der die Abstraktion als reale Trennung denkt und christologisch somit auf das Konzept einer natura separata führt;511 502 HAFENREFFER, Loci, 1603, 332–334, hier wie Schaefer im Kontext der Behandlung der christologischen Prädikationsmuster überhaupt (322–336). Die ersten beiden Auflagen (1600, 1601; o. D.I.2.3) übergehen das Thema. 503 Disputatio 1608, Cap. V. De Concreto & Abstracto; 291/84–332/95. Vgl. D.I.7.1. 504 Speculum, 1610, I, 38–41: De orthodoxa significatione Concreti & Abstracti in loco de Persona Christi; Clavis, 1613, 89–91. Vgl. o. D.I.7.2. 505 Schluszrede 1612, 200 i.m.; vgl. o. D.I.7.3.4 (bei u. mit Anm. 384). 506 Disputatio 1608, 291/84–300/85. – Folgende Belegangaben hierauf bezogen. 507 Zur Begriffsgeschichte vgl.: AUBENQUE/OEING-H ANHOFF, 1971a, bes. 33–38; AUBENQUE /K OBUSCH/O EING-H ANHOFF, 1971b, bes. 42–44 (AUBENQUE). 44–47 (K OBUSCH). 47–59 (OEING-HANHOFF). 508 „Vocabuli ... CONCRETI & ABSTRACTI usus est quadruplex: 1. Scholasticus. 2. Grammaticus. 3. Etymologicus. 4. Philosophicus“ (291/84). 509 „Scholasticis abstracta vocabula sunt Deitas, Humanitas: Divina Natura; Humana Natura. Concreta Devs & Homo. Hinc Scholastici dicunt: Abstracta vocabula supponunt pro Naturis; concreta pro Personis“ (292/84). – Diese scholastische Deutung wird nicht grundsätzlich verworfen, soll aber der biblischen Norm angepaßt werden: „quam distinctionem ex parte receperunt quoque Orthodoxi, quatenus Scripturae conformis est“ (292/ 84; vgl. auch 296/84). 510 „Grammaticus & Dialecticus usus est, quando Abstracta per Substantiva: Concreta per Adjectiva explicantur. Huic autem significationi tantum locus est in Accidentibus, quae dicuntur de Subjectis, non in Abstracto, sed Concreto. Non enim dico: Paries est Albedo, sed paries est albus“ (293/84). – Diese Verwendung verfehle das mit der nicht nur akzidentellen unio personalis gegebene christologische Thema evident; 297/85. 511 „Tertius usus Etymologicus peculiaris in Theologia est, quando Abstractum dicitur ab abstrahendo, & Naturam separatam significat, qualis ea sit & quid habeat, si PER SE, SECUNDUM SESE, et in SESE seorsim consideretur: ut si dico: Caro Christi, vel Hu-
III. ‚Nova & alia Dialectica‘ – Sprachlogische Implikationen
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schließlich auch nicht die breite ‚philosophische‘ Debatte über die (dreifache) Abstraktion von der Materie, wie sie methodisch die Wissenschaften der Physik, Mathematik und Metaphysik konstituiert,512 ist der christologischen Problemstellung adäquat. – Quis igitur tandem vsus huc quadrabit? (299/85) Die durchgehende ‚Inkompetenz‘513 aller rezensierten Verwendungen ist nicht zufällig, sondern folgerichtig und unaufhebbar; sie ergibt sich zwingend aus dem allen christologischen Sätzen normativ vorausliegenden neuen Sachbegriff des schlechthin singulären Geheimnisses der Personeinheit; dieser ‚Anormalität‘ der Sache hat sich das Instrument der Theoriesprache (vocabula technica) zu adaptieren, auch wo dies den Bruch mit überkommenen Definitionen bedeutet.514
1.2.2 Die von Wegelin reklamierte hermeneutische Priorität der christologischen Sache (res) für die Klärung der christologischen Termini hat ihre – negative – Pointe in der Feststellung, daß der abstrakte oder konkrete Status dieser Termini keineswegs von deren sprachlicher Gestalt präjudiziert wird. Zu dieser den usus Scholasticus am zentralen Punkt limitierenden These ermächtigt und nötigt das biblische Zeugnis: hier werden „& Naturae vocabula non tantum in abstracto, verum etiam [in] Concreto“ gebraucht; so, wenn dem „Fleisch“ Christi solche göttlichen Prädikate beigelegt werden, die im Wesen menschlicher Natur keine Begründung haben.515 – Für die positive Bestimmung des konkreten und abstrakten Begriffs der Naturen Christi betont Wegelin, auf Luthers Vorgang verweisend, die Abgrenzung gegenüber jeder vom ‚usus Etymologicus‘ bestimmten Interpretation, welche die fragliche Abstraktion als Trennung (separatio) definiert und dann als abstrakt den Begriff einer Natur als außerhalb der Unio existierender, nicht als mit der je anderen Natur verbundener verstünde. Doch ist jede auch nur gedankliche ‚Abstraktion‘ von der unio als nestorianisierende Hintergehung der Personeinheit zu verwerfen516 – solches Absehen manitas in abstracto est adoranda. Hic intelligitur Caro vel Humanitas separata seu exclusive“ (294/84) – letzteres bedeutete eine häretische Auflösung der Personeinheit (298/ 85). – Wegelin berührt hier den ostpreußischen Abstraktionsstreit; dazu u. D.III.3. 512 „Quartus usus est Philosophicus ubi Abstractum dicitur ex αφαιρεσεως: Concretum εκ προθεσεως. Illic Accidens a materia abstractum, quomodo Arithmeticus disputat de Numero numerante; Physicus de Numero numerato“ (295/84); als eben der Physik resp. Mathematik eigentümlicher Gebrauch (die dritte – ‚metaphysische‘ – Abstraktion ab materia omni übergeht Wegelin) ist dieser usus der christologischen Frage ebenfalls nicht adäquat – „incompetens subiecto theologico“ (299/85). 513 Vgl. die vorstehende Anm. 514 „Quemadmodum igitur mysterium hoc plane μονοτροπον est & εξαιρετον [1.Tim 3,16], ita vsus vocabulorum horum technicorum, alijs vsibus ανωμαλως est & plane singularis“ (300/85). 515 „Primus usus [sc. scholasticus] ex tanto, non ex toto hic locum habet: quia & Naturae vocabula non tantum in abstracto, verum etiam [in] Concreto usurpantur“ (296/84; unter Verweis auf 1.Joh 1,7; Hebr 9,28; 1.Petr 1,19; Apc 1,6; Joh 6,50). 516 „... ante omnia cavendum venit illud, ne vllo modo Naturarum nobis separationem imaginemur ex vi significationis Etymologicae. Vt enim Vnio per ineffabilem immansionem est ακραιφνεστατη, ita neutra Naturarum extra eam non tantum non esse aut subsi-
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von dem schlechthin fundamentalen Datum der hypostatischen Einigung der Naturen spräche gar nicht von dem inkarnierten Gott, nicht von der Menschheit Christi; es hätte seinen Gegenstand a limine verfehlt. Die erfragte Differenz im Begriff der Naturen ist vielmehr eine deren Vereinigung stets voraussetzende, diesem Grunddatum nachgeordnete Unterscheidung.517 ‚In concreto‘ wird eine der vereinigten (in vnione considerata) Naturen begriffen, sofern sie auch „SECVUNDVM Vnionem“, als durch diese Koexistenz neu bestimmte, an dem Sein der je anderen teilhabende und mit dieser perichoretisch vermittelte „betrachtet“ wird. Der abstrakte Begriff derselben Natur ist hingegen (erst) da erreicht, wo diese in mentaler Abstraktion unter Absehung von jener Veränderung in der Existenzeinheit der Person betrachtet wird. Solche consideratio ‚in abstracto‘ faßt die – vereinigten! – Naturen zwar auch ‚in ipsa Vnione‘, aber näherhin „PRAETER Vnionem“ in den Blick, d.h., sofern diese auch in der Vereinigung ‚daneben‘ bleibend durch ihr je eigenes Wesen bestimmt sind. In dieser zweiten Hinsicht besteht bleibend ein distinktes Gegenüber der Naturen, das jedoch als solches ‚abstrakt‘ ist, weil es von deren ‚verändernder‘ Neubestimmung kraft hypostatischer Koexistenz absieht.518 1.2.3 Die bei Wegelin implizierte, bei Schaefer, Hafenreffer und Hoekker ausdrücklich formulierte Konsequenz dieser Unterscheidung allein anhand des Bezugs (consideratio, respectus) auf die Veränderung innerhalb der Personeinheit ist, daß es zwei Klassen von konkreten Termini und, in genauer Korrespondenz, ebenso zwei Klassen von Abstrakta gibt. ‚Secundum Vnionem‘ bezogen, sind nicht allein die nach tradierter Konvention sprachlich konkreten Termini für die ganze Person (Christus, Filius Hominis, Filius Dei; Deus, Homo) Konkreta, dieser Status eignet nun ebenso den sprachlich allerdings abstrakten Termini für die Naturen: humanitas, stere, sed ne considerari quidem potest ...“ (301/85). Wegelin beruft sich hier auf Luthers Stellungnahme, die er mit dem einschlägigen Zitat aus dessen Enarratio 53. Cap. Jesaiae belegt (303/85f). – Zu diesem für die lutherische Debatte eminent folgenreichen Votum des Reformators vgl. u. D.III.4. 517 „Vtraque Natura a primo conceptionis momento IN & INTRA Vnionem considerari debet in omnem aeternitatem: EXTRA considerari nunquam potest“ (304/86). 518 „... neutra Naturarum EXTRA Vnionem considerari potest, quamvis PRAETER Vnionem alterutra Orthodoxe considerari potest“ (302/85). „Vtraque Natura ab primo conceptionis momento IN & INTRA Vnionem considerari debet in omnem aeternitatem: EXTRA considerari nunquam potest. Verum in ipsa Vnione consideratae Naturae alias considerantur SECVNDVM Vnionem, alias non SECVNDVM Vnionem, sed PRAETER Vnionem ιδικως“ (304/86). „Secundum Vnionem, quod Damascenus appellat secundum υποστασιν , consideratae Naturae non numerantur, inquit idem Damascen[us] ideo in concreto sonant“ (305/86). – „Eaedem Naturae in Vnione quidem consideratae semper, sed nonnunquam PRAETER Vnionem seu ιδικως ανα μερος, seu vt Damasc[enus] loquitur τροπω της διαφορας, quatenus Divina Natura Patri est consubstantialis, humana nobis ... eatenus Naturae considerantur actu primo Naturali & indivisibiliter dividuntur“ (306/86).
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Deitas.519 Und: Auch der sprachlichen Gestalt nach konkrete Vokabeln wie ‚Deus‘ oder ‚Homo‘ können zur Bezeichnung einer Natur als ‚in seipsa & per seipsam considerata‘ und so mental von der anderen Natur ‚abstrahiert‘ gebraucht werden, sie stellen dann in sachlicher Hinsicht abstrakte Begriffe dar, funktional den entsprechend eingesetzten Termini wie Humanitas oder Deitas äquivalent.520 Die Entkoppelung von Terminologie und Sachfrage ist damit zu beiden Seiten hin strikt durchgeführt. 1.3 Die Naturen Christi sind sowohl „abstrakt“ als auch „konkret“ – diese Komplikation der tradierten Unterscheidung zielt auf die damit erreichte Einführung eines konkreten Begriffs der Natur, der allererst eine adäquate Erläuterung der schwäbischen Fassung der idiopoietischen und metapoietischen Sätze ermöglicht: dort wird nicht die ganze Person, sondern nur je eine der vereinigten Naturen prädiziert, dies aber nicht im Sinne des abstrakten Wesensbegriffs, sondern verstanden als Teil des ‚konkreten‘ Ganzen der Person, in welchem Verbund eine Natur durch die koexistierende je andere Natur nun selbst ‚konkret‘ neu bestimmt ist. Deutlich sind die Aufgaben, die einer kohärenten Durchführung der schwäbischen Neufassung verbleiben. Die Frage, wie jenes diese ‚Konkretion‘ der Naturen in der Person vollziehende Geschehen selbst bestimmt ist, wird die Entfaltung des Begriffs der unio personalis aufnehmen (D.IV.) Noch innerhalb der Behandlung der Abstraktionsproblematik selbst ist zu klären: Wie verhalten sich die christologischen Aufstellungen zum philosophischen Begriff? Die dort vertretene Bestimmung des Abstrakten als des allgemeinen Wesens, des Konkreten als des in linearer Entfaltung dieses Wesens Existierenden stellt die christologische Verwendung der Termini grundlegend in Frage. Wegelin eliminiert diese Vermittlungsaufgabe gleichsam durch die Behauptung der völligen Singularität des christologischen Faktums.521 Dagegen findet sich ein solcher Klärungsversuch in den älteren Voten Salomon Gesners, der im übrigen wieder eine Antizipation der schwäbischen Revision bietet (III.5). Zum anderen: Die schwäbische Lösung widerspricht jedem Versuch, die Sachposition lutherischer Christologie innerhalb der tradierten Klassifikation zur Geltung zu bringen – prominentester Vertreter dieses anderen Weges ist kein geringerer als Martin Chemnitz (III.2). Chemnitz’ Votum wiederum ergeht in ausdrücklicher Antithese zur – lutherischen – Kritik der traditionellen Lösung, die schon früh innerhalb des ostpreußischen Abstraktionsstreites vorgetragen wird (III.3), und dies unter ausdrücklicher Berufung auf Luthers 519 „Concretum ... est non illud tantum, quo tota Christi Persona, constans diuina & humana Natura, significatur: verum & illud quoque, quo Natura in Christo (λογος aut Humanitas) non quidem in seipsa, & secundum seipsam, sed respectu alterius naturae, in Vnione, concretione & coniunctione cum altera, considerata, denotatur ...“ (SCHAEFER, Disputatio I [1602a =] 1607, 146/46). 520 „Abstractum autem non id tantum dicitur, quod simpliciter alterutram Christi Naturam per vocabula abstracta (Dei|tatem & Humanitatem) significat: sed etiam, quod Naturam in seipsa & secundum seipsam consideratam, atque sic non reipsa, sed consideratione & mente ab altera Natura abstractam etiam Concretis vocabulis denotat“ (SCHAEFER, I [1602a =] 1607, 147/46|f). Vgl. HAFENREFFER, 1603, 332–334. 521 300/85 (s. das Zitat o. Anm. 514).
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Vorgang (III.4). – Einen eigenständigen dritten Entwurf, der eine Synthese der durch Chemnitz einerseits, die neuen Tübinger und Gesner andererseits repräsentierten binnenlutherischen Alternativen versucht, legt Balthasar Meisner vor (III.6).
2. Lutherischer Traditionalismus – Martin Chemnitz Daß die schwäbische Entkoppelung von terminologischer Frage und christologischem Sachproblem auf den Widerspruch reformierter und altgläubiger Theologie stößt, versteht sich. Sie stellt aber auch eine charakteristische Position innerhalb der früh einsetzenden und keineswegs homophon geführten binnenlutherischen Diskussion selbst dar. Besonders ist die Abweichung von der maßgeblich durch M. Chemnitz vertretenen Lösung eklatant – nach der Revision des konkordistischen Systems der Idiomenkommunikation und als deren Folge und Korrelat geht die schwäbische Christologie an einem zweiten Punkt eigene – neue – Wege. 2.1 Wie dann später Wegelin, sucht auch Chemnitz522 die Debatte zu strukturieren, indem er den differierenden Gebrauch der umstrittenen Termini analysiert. – Innerhalb der scholastischen Christologie (usus scholasticus) faßt die Distinktion ‚abstrakt-konkret‘ die Differenz der Termini für die Naturen einerseits, für die Person andererseits: Alle für eine Natur supponierenden Termini gelten als vocabula abstracta, alle Bezeichnungen der Person hingegen als vocabula concreta.523 Entsprechend stellen mit Termini des ersten Typs gebildete Sätze abstraktive Aussagen (propositiones abstractiuae; in abstracto dici; 10), solche mit Termini des zweiten Typs dagegen konkretive Aussagen (propositiones concretiuae; in concreto dici; 10f) dar. – Der ‚scholastische Gebrauch‘ gilt Chemnitz so als ein nur formales und neutrales Klassifikationssystem, das die materialen Aussagen in keiner Weise präjudiziert; er wird, unter Verweis auf Luthers Approbation, 524 als sinnvolles Element der christologischen Schulsprache gebilligt und empfohlen.525 Näher-
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De Duabus Naturis in Christo (1578 =) 1580, cap. 1: De explicatione Vocabulorum Essentiae, Personae, Abstracti, Concreti, Idiomatum, &c., 7–16, hier: 10–13 (folgende Belegangaben hierauf bezogen). – Die deutlich knappere Erstfassung von 1570 bietet noch keine Ausführungen zu dieser Thematik; vermutlich erst in Reaktion auf den ostpreußischen Abstraktionsstreit 1576ff (u. D.III.3) nimmt Chemnitz die Frage auf. 523 1580, 10. – „Generalis ... apud Scho[l]asticos scriptores regula est, Abstracta vocabula supponunt pro naturis, concreta pro persona“ (11). Näherhin sind zu unterscheiden (11): abstracta vocabula divinae naturae (Deitas, diuinitas, divina essentia); – humanae naturae (humanitas, substantia/natura humana), – Abstrakta der Person kann es nach der grundlegenden Definition nicht geben. Daneben stehen die immer die ganze Person bezeichnenden vocabula concreta, die entsprechend der je formell benannten Natur drei Klassen bilden: vocabula concreta naturae divinae (Deus, λογος, Filius Dei), naturae humanae (homo, Filius hominis/Mariae) und vtriusque naturae (Christus, Immanuel). 524 „Lutherus dicit, Diuinitus factum esse, quod quaedam vocabula vocentur Abstracta, quaedam concreta“ (1580, 11; vgl. LUTHER, Enarratio 53. capitis Esaiae, [1544] 1550; WA 40 III, 707,15f). – Zu Luthers Position vgl. u. D.III.4. 525 „Hae Scholasticae notationes differentium appellationum, per vocabula abstracta & concreta, quia monstrant, quando vel naturae ipsae in Christo distinctim considerandae sint, vel, quando ipsa persona, subsistens in vtraque natura, intelligenda sit, recte & vtili-
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hin setzen die scholastischen Theologen, wie Chemnitz präzisierend notiert, die fraglichen Termini als Kategorien der christologischen Metasprache ein – sie dienen dort der sprachlogischen Klassifizierung der christologischen Termini und Aussagen, sind aber nicht selbst Teil der Subjekt-Prädikat-Struktur materialer christologischer Sätze.526 2.2 Genau auf dieser objektsprachlichen Ebene selbst angesiedelt ist hingegen der zweite Gebrauch der Distinktion, den Chemnitz deshalb von der metasprachlichen Verwendung im scholastischen Sinn sorgsam abgehoben wissen will: der grammatische oder ‚etymologische‘ Gebrauch. Hier erscheinen die Termini in den christologischen Sätzen selbst, als Teil der materialen Aussage, nämlich als qualifizierende Determinierung des Subjektes oder Prädikates.527 Der Sinn der so objektsprachlich verwendeten Zusätze bemißt sich für Chemnitz entscheidend nach der Wortbedeutung (ratio etymologica) des ‚Abstrakten‘. ‚Abstraktion‘ meint hier die alle Besonderheiten ‚abziehende‘ Betrachtung (considerari) der menschlichen528 Natur; sei es, daß diese hinsichtlich ihrer wesentlichen (oder auch: habituellen) Verfaßtheit an sich, sei es, daß sie darüber hinaus unter (gedanklicher) Sistierung der persönlichen Vereinigung als ‚abstrakt‘ für sich existierend in den Blick gefaßt wird.529 Eine so verstandene Prädikation göttlicher Idiome von der „humana
ter in Scholis inter eruditos in hac doctrina retinentur“ (11). – Die lutherischer Christologie eigentümlichen Sätze des (nach Chemnitz) dritten Genus über die Majestätsteilhabe der menschlichen Natur erweisen sich nach scholastischer Interpretation als ‚abstraktive Aussagen‘ im o.g. Sinn – nur bei Verwendung abstrakter Termini ist von der Betroffenheit der Natur selbst, nicht schon von der ganzen Person die Rede: „Ac praeterea, quid assumpta natura in Christo, praeter physicas suas proprietates, ex hypostatica cum diuinitate vnione acceperit, vt quando in scholis ita loquimur, non tantum in concreto seu per vocabulum concretum significans personam recte dici, Christum hominem, seu Filium hominis viuificare, verum etiam in abstracto, seu per vocabulum abstractum, de assumpta natura λογω vnita recte dici, Caro Christi, λογω vnita viuificat, sanguis Christi emundat a peccato: vt indicetur non tantum personae secundum diuinam naturam, sed ipsi etiam assumptae naturae, propter hypostaticam cum diuinitate vnionem, vel personae secundum humanam etiam naturam recte haec tribui, non per formalem inhaesionem, sed per oeconomian vnionis“ (1580, 11, vgl. 13). 526 „Illa ... differentia [von Naturen und Person] seu distincta vocabula [einerseits für die Natur(en), andererseits für die Person] Scholastici scriptores peculiarib[us] appellationibus ceu notis indicare & distinguere voluerunt, in hac doctrina“ (10). Vgl. Anm. 527 sowie die Feststellung im Brief an H. Mörlin (bei u. mit Anm. 568): „illi termini scholastici non quidem in illas propositionibus miscentur, sed quando de propositionibus judicatur, usurpantur“ (ed. LEUCKFELD, 1716, 143f, hier: 144). 527 „Deinde vero alia horum vocabulorum significatio & alius vsus est, iuxta Grammaticam seu Etymologicam rationem, quando in ipsas propositiones inseruntur, vt vel subiectum, vel praedicatum determinent: vt quando dico, Naturam aliquam Christi in abstracto considerari: Item, humanam naturam Christi aliquid accepisse in abstracto, aliquid habere in abstracto, aliquid ei datum, seu communicatum in abstracto“ (1580, 12). 528 Chemnitz beschränkt die Durchführung auf diesen Fall – der Ausfall einer Idiopoiesis nach schwäbischem Muster blockiert eine Entwicklung für die göttliche Natur. 529 „... non recte dicitur: Carnem Christi in abstracto viuificare, vel adorandam esse in abstracto, tunc enim [1] intelligitur Natura, qualis sit, & quid habeat, si per se, secundum se, & in sese, seorsim consideretur, vel in naturali sua conditione, vel quid spiritualium donorum, praeter physicas conditiones, formaliter, habitualiter aut subiectiue inhaerens, in se & secundum sese acceperit & habeat. [2] Intelligitur etiam humana natura conside-
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natura in abstracto (considerata)“ ist abzulehnen, da dann die wesentliche Verfaßtheit der Menschheit Christi, in oder außerhalb der Union, in Rede steht,530 die Neubestimmung in der Personeinheit durch die koexistierende Gottheit gerade ausgeblendet wird. Für die Abweisung der Betrachtung ‚extra unionem‘ beruft sich Chemnitz erneut auf den Vorgang Luthers, der ein solches Absehen von der ‚Konkretion‘ und Verbindung der Naturen emphatisch verworfen habe.531
2.3 Angesichts dieser divergenten Vorgaben der Tradition plädiert Chemnitz für eine sorgfältige Handhabung der per se nicht eindeutigen Termini, welche die je beanspruchte Verwendungsweise ausdrücklich offenlegt.532 Kritik verdient das Verhalten derer, die, bei Konsens in der Sache, durch einen Streit über die richtige Definition der Schultermini die Gemeinden in Aufruhr versetzen.533 Dieser Tadel und jene Mahnung haben ihre Adresse in einer aktuellen Debatte lutherischer Theologen. Der von Chemnitz hier als Exempel ‚etymologisch‘-abstrakter Aussagen angeführte und verworfene Satz: „Carnem Christi in abstracto viuificare, vel adorandam esse in abstracto“534 spielt an auf das Thema des v.a. von 1576–78 in den ostpreußischen Kirchen ausgetragenen Streites über die christologische Abstraktion. Chemnitz’ Ordnungsruf reduziert jedoch die dort tatsächlich virulente Differenz. Seinem Plädoyer für eine Konservierung der vermeintlich neutralen ‚scholastischen‘ Distinktion liegt eine materiale christologische Position zugrunde, die von den Vertretern einer alternativen Lösung des Abstraktionsproblems gerade nicht mehr geteilt wurde. rari in abstracto, si ισχναις επινοιαις, sicut Damascenus loquitur, hoc est, si subtilibus cogitationib[us] eam seiungas a diuina, & quasi extra vnionem sibi derelictam, consideres (re ipsa enim in aeternum non separantur vnitae illa duae naturae)“ (1580, 12). 530 Vgl. die vorstehende Anm. 531 „In hanc sententiam Lutherus scribit super cap. 53 Isaiae, de separata diuinitate, & de humanitate separata, vel seorsim posita, & addit: Hoc non est faciendum, non enim separanda sunt abstracta, alioqui fides nostra falsa est, sed credendum est in concreto, Ille homo est DEUS. Item, hoc loco, de Abstracto tacendum est prorsus, quia fides docet, hic nullam esse abstractionem, sed concretionem, coniunctionem & copulationem vtriusque naturae“ (1580, 11; – LUTHER, Enarratio 53. capitis Esaiae [1544] 1550; WA 40 III, 707, 22–25. 29–31). – B. H ÄGGLUND (1980, 76–79) hat Chemnitz’ Differenzierung des Gebrauchs der Distinktion ‚abstrakt – konkret‘ als Versuch interpretiert, „das Problem der beiden scheinbar gegensätzlichen Lutheraussagen“ (78) zum Thema (sc. die o. Anm. 524 und hier zitierten Voten) zu lösen. Der historisch wie sachlich nächste Bezug der Aufstellungen Chemnitz’ ist indes der preußische Abstraktionsstreit, in dem allerdings Luthers Votum eine zentrale Rolle spielt. Vgl. u. D.III.3. 532 „... in vsurpatione huius modi terminorum scholasticorum illi recte faciunt, qui distinctionem & declarationem addunt, quomodo & in qua significatione vocabula illa, cum non vnus illarum sit vsus, accipi & intelligi velint“ (1580, 13). 533 „Nequiter autem faciunt, qui vbi de rebus ipsis constat & conuenit, propter talia Scholastica seu artium vocabula, quae alius aliter vsurpat & accipit, Ecclesias turbant“ (1580, 13). 534 1580, 12; vgl. o. Anm. 529.
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3. ‚Viel ungereimtes Dinges‘?535 – Der ostpreußische Abstraktions-Streit 3.1 Worüber ging der Streit im fernen Ostpreußen?536 Die Nachfrage stößt auf ein ebenso schwer zu durchschauendes wie unerfreuliches Gemenge aus sachlichen Differenzen, Mißverständnissen, Intrigen und persönlichen Animositäten v.a. zwischen den beiden Männern, die einander schließlich als Hauptkontrahenten gegenüber standen: Tilemann Heshusius, 1573 als Nachfolger Joachim Mörlins zum Bischof des Samlandes berufen, und Johannes Wigand, seit 1575 Bischof im benachbarten Pomesanien. 3.1.1 Entzündet hatte sich die Kontroverse an der Adsertio Sacrosancti Testamenti Jesu Christi, der 1574 veröffentlichen Abendmahlsschrift Heshusius’. 537 Heshusius trat damit gegen die im selben Jahr zum Druck gebrachte Exegesis der Wittenberger ‚Kryptocalvinisten‘538 in die Schranken,539 sah sich dann aber überraschend dem Widerspruch einer kleinen Oppositionsgruppe unter seinen samländischen Predigern540 konfrontiert, die einigen hier vorgetragenen Sätzen ihres Bischofs jedenfalls als Konsequenz die unmögliche Aussage entnahmen: es sei „die Menschliche Natur Christi auch ausserhalb der Vereinigung mit der götlichen Natur, an sich, und aus ihren natürlichen Eigenschafften, wenn man sie gleich absonderlich betrachtet, allmächtig, allwissend und anzubeten“ – so aber würden „in Christo zwey Allmächtige/ zwey Allwissende/ und zwey Anzubetende“ 535
CHR. HARTKNOCH, 1686, 475; vgl. u. Anm. 543. Eine ausführliche neuere Untersuchung dieser Vorgänge fehlt. Vgl. aus der älteren Literatur: HARTKNOCH, 1686, [Bd. 1], Lib. 2, cap. 5; 458–490; LEUCKFELD, 1716, 129– 189 (weitgehend abhängig von Hartknoch, aber wertvoll wegen des ausführlich abgedruckten Quellenmaterials). – Daneben aus neuerer Zeit die knappe Skizze M AGER, 1993, 309–312. 320f; eingehender KRÜGER, 2004, 184–193. 328–331. 537 T. HESHUSIUS, Adsertio Sacrosancti Testamenti Jesu Christi Contra Blasphemam Caluinistarum Exegesin sine authoris nomine editam, Königsberg 1574. Im folgenden ist benutzt die Ausgabe Erfurt 1582; ihr ist beigegeben: „Appendix et Declaratio locorum quorundam huius Assertionis in Cap. De Communicatione Maiestatis vbi vocabula Concreti & Abstracti vsurpantur“ (1582, Bl. [122 r =] h3r–k2v). Dieser Appendix wurde von Heshusius im Zusammenhang der gescheiterten Schlichtungsbemühungen der Königsberger Synode vom Januar 1577 verfaßt (LEUCKFELD, 1716, 138f. 174; u. bei u. mit Anm. 544); die Datierung auf den 21. Januar 1574 (Bl. k2 v) ist Druckversehen, korrekt: 21.1. 1577. – Zur Adsertio vgl. genauer KRÜGER, 2004, 181–184. 538 [J OACHIM CUREUS:] Exegesis perspicua & ferme integra controuersiae de SACRA COENA, 1574 [ed. DINGEL 2008]. – KRÜGER, 2004, 169–180; HUND, 2006, 565–595. 539 Heshusius dürfte damit eine ihm geltende ältere Herausforderung annehmen: zur Ausrichtung der von Cureus wohl bereits 1562 verfaßten Exegesis gegen frühere Voten Heshusius’ vgl. KRÜGER, 2004, 175–179; zustimmend H UND, 2006, 565–567. 540 Die führenden Köpfe dieser „lautstarken Minderheit der Lutheraner in Ostpreußen“ (B ARTON, 1986, 285,4f – welche Charakterisierung eine Prüfung des theologischen Gewichts des von dieser Gruppe erhobenen Einspruchs nicht ersetzen sollte) sind (HARTKNOCH, 1686, 464, LEUCKFELD, 1716, 135f): Benedictus Morgenstern, Pfarrer in Königsberg; Johannes Weidmann, Hofprediger; Hieronymus Mörlin (Sohn des Amtsvorgängers Heshusius’, Joachim Mörlin), Pfarrer in Löbenicht; sowie dessen Kaplan Conrad Schlüsselburg. – Vgl. auch Heshusius’ Bericht im Brief an Chemnitz (Königsberg 10.9.1576): LEUCKFELD, 1716, 130–135 Anm. (k), hier: 133f. 536
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statuiert.541 Zur Eskalation und Entscheidung kommt der schwelende Zwist, als im Herbst 1576 Heshusius’ Bischofskollege J. Wigand auf die Seite der Opponenten tritt.542 Trotz der für ihn Partei nehmenden Voten der befragten auswärtigen Theologen (Chemnitz, Kirchner, Pouchenius, Chyträus)543 wird Heshusius auf einer von Wigand präsidierten Synode in Königsberg (16.1.1577) verurteilt, nach der Verweigerung des hier geforderten formellen Widerrufs am 27.4.1577 seines Amtes enthoben und zum Weggang aus Preußen genötigt.544 Dem noch im selben Jahr als Primarius an die neugegründete Helmstedter theologische Fakultät Berufenen545 widerfährt dann 1578 eine öffentliche Ehrenerklärung durch das Gutachten, in dem die in Hertzberg versammelten führenden Theologen des Konkordienwerkes die Orthodoxie seiner genuin verstandenen These attestieren. 546
3.1.2 Jede Rekonstruktion der kontroversen Sachfrage hat der Feststellung Rechnung zu tragen: Die so ungeahnt folgenreichen Thesen der Adsertio von 1574 über die Majestätsteilhabe der Menschheit Christi auch ‚in abstracto‘ formulieren, gewendet gegen die ‚kryptocalvinistische‘ Reduktion der Idiomenkommunikation auf eine durch die identische Hypostase beider Naturen gedeckte rein sprachlogische Attribution an die Person ‚in concreto‘,547 in der Sache lediglich den Konsens lutherischer Christologie, wenn sie als These zur communicatio Majestatis vortragen: „Haec ergo communicatio est maiestatis, ita vt non solum in concreto liceat nobis dicere: Homo Christus est omnipotens: verum etiam in abstracto: Humanitas est omnipotens“.548 Der Ungedanke einer allmächtigen Menschheit auch außerhalb der unio mit der Folge einer faktischen Aufspaltung der Person Christi in „zwei Allmächtige“, den die Gegner dieser These anlasten,549 liegt 541
So das Referat des Einspruchs bei LEUCKFELD, 1716, 136; vgl. HARTKNOCH 1668, (468f). – Heshusens Kontrahenten hatten, nach erfolglosen Ausgleichsversuchen im direkten Gespräch, ihre Kritik in 2 Schriften festgehalten (KRÜGER, 2004, 185 Anm. 182). 542 Zu diesem 1576 anhebenden Schlagabtausch: KRÜGER, 2004, 186f. 543 HARTKNOCH, 1686, 471–475; LEUCKFELD, 1716, 139. 544 Vgl. HARTKNOCH, 1686, 467; LEUCKFELD, 1716, 138f. 150; KRÜGER, 2004, 186– 190. Die Administration des verwaisten Bistums fällt an – Wigand (L EUCKFELD, 1716, 139. 153– 155). 545 LEUCKFELD, 1716, 155f; vgl. MAGER, 1993, 312–319; KRÜGER, 2004, 137f. 546 Vgl. LEUCKFELD, 1716, 159–189, bes. 168ff. Den Text des Gutachtens (nach HUTTER s Vorlage, Concordia Concors, 1614, 746–755, bei LEUCKFELD, 1716, 170–180, zur Sache: 172ff) unterzeichnen mit Datum vom 25.8.1578 (nicht: 1577 [gegen LEUCKFELD, 1716, 180], vgl. LEUCKFELD , 1716, 188; HUTTER, 1614, 755): J. Andreae, N. Selnecker, A. Musculus, Chr. Cornerus und M. Chemnitz. – Vgl. M AGER, 1993, 320f. 547 Zum ‚kryptocalvinistischen‘ Begriff der Idiomenkommunikation jetzt HUND, 2006, 572–574 (zur Exegesis), 331f. 341–343. 353–358. 361–366. 374–397 (zur Grundfest). 548 Adsertio, 1582, Bl. 75 v. Vgl. entsprechend Bl. 72 r.v. 73r. 74r. 76 r. 77r.v. 78 r.v (in der Ausgabe 1574 [vgl. H ARTKNOCH, 1686, 468]: 96a.b. 98a. 102a.b. 104a). 549 „Contendunt [die Gegner] Abstractum separare naturas in Christo, dividere personam, constituere duos omnipotentes“ (Referat Heshusius’ im Brief an Chemnitz [Königsberg 10.9.1576], LEUCKFELD, 1716, 133, vgl. 134). – Vgl.: „... non probamus, quod asseris, carni seu humanitati in Christo diuinitatis virtutem, hoc est, omnipotentiam, vim viuificandi, gloriam adorationis non solum in concreto, sed etiam in abstracto asscribi et tri-
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Heshusius fern.550 Den inkriminierten Terminus ‚etiam in abstracto‘ gebraucht er vielmehr in dessen von Chemnitz so genannter ‚scholastischer‘ Verwendung, als metasprachliche Klassifizierung der christologischen Aussage.551 Problematisch und nicht schulgerecht ist dann freilich der zunächst vorgenommene Einschub dieser Bestimmung in die materialen christologischen Sätze selbst, was nicht nur Heshusius’ samländische Opponenten als ‚noua et periculosa phrasis‘ und ‚novus vsus‘ des Terminus kritisieren,552 sondern auch die in der Sache konkordierenden Hertzberger Gutachter als „nicht gebräuchlich“ monieren553 – das von Heshusius intendierte metasprachliche Verständnis des Ausdrucks werde durch diese vom Tradierten abweichende Formulierung problematisch verunklart.554 Die mit Chemnitz übereinkommende Differenzierung des usus tragen zwar explizit erst die nach Ausbruch des Streites von Heshusius nachgeschobenen ‚Erklärungen‘ vor. Aber auch im strittigen Text der Adsertio selbst ist der Befund sachlich eindeutig;555 die spätebui posse humanae naturae Christi: Diuidis nam his verbis personam, et facis duos omnipotentes sedentes ad dexteram DEI, viuificos et adorandos, unum quidem in concreto, hominem Christum: alterum in Abstracto“ (Morgenstern, Weidemann, Mörlin; Erste schrifft ... [1576] 82 v; zitiert nach KRÜGER, 2004, 185 Anm. 184). 550 Dies und die anticalvinistische Ausrichtung der Thesen erkennen Heshusens Gegner explizit an – in der Sache bestehe insofern Konsens, doch seien in der Theologie auch mißverständliche und gefährliche Redeweisen zu meiden: „Nec obscurum est nobis, quomodo vocabulum abstracti in ipsa assertione exposueris ... Quodque ista phrasi hoc fine vtaris, vt caluinistis obstruantur omnes rimae nos ludificandi hisce vocabulis: Homo, filius hominis, filius Mariae etc. Quandoque nam illi concedunt, Hominem Christum esse omnipotentem, intelligunt Christum hominem tantum secundum divinam naturam: nequaquam autem et secundum humanam esse omnipotentem etc. De rebus itaque (laus Deo) fuit et est consensus. Sed quia in Theologia non tantum est recte sentiendum, sed etiam recte loquendum, si doctrinae puritas conseruari debet: iure conquerimur, quod noua et periculosa phrasi vteris: et vocabulo abstracti, imo etiam praedicationi in abstracto nouum affingis vsum“ (Morgenstern, Weidemann, Mörlin; Erste schrifft, [1576] 71 r/v; zitiert nach KRÜGER, 2004, 185 Anm. 185). 551 Vgl. dazu o. D.III.2.1. 552 Vgl. o. Anm. 550. 553 LEUCKFELD, 1716, 172 (vgl. o. Anm. 546; auch abdruckt K RÜGER, 2004, 192). 554 „denn niemand jemahls auch in dem Verstande/ darinnen Heshusius das Wort Abstractum gebraucht/ also geredet hat/ Caro Christi in Abstracto est omnipotens“ (LEUCKFELD, 1716, 172). 555 Vgl. schon die Bestimmung des Status controversiae „An Filius Dei Λογος diuinitatis suae virtutem, gloriam, maiestatem, proprietates, ita communicarit humanae suae carni a se in personae vnitatem adsumptae, & reuera in eam transfuderit, vt non solum in concreto, verum etiam in abstracto ipsi humanitati vnitae[!] λογω recte & secundum Scripturam tribui & possint, & debeant“ (72v). Hier wie an weiteren Stellen ist explizit auf die ‚natura humana unita λογω‘ Bezug genommen; der Zusatz ‚in abstracto‘ klassifiziert – obwohl ‚eingeschoben‘, doch der Funktion nach metasprachlich – die Art der Aussage: die Prädikation zielt auf die menschliche Natur selbst, nicht erst auf den für die ganze Person supponierenden ‚Homo Christus in concreto‘. Vgl. die dem letzten Zitat
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re Selbstinterpretation Heshusius’ 556 ebenso wie die positiven Zensuren auswärtiger Theologen557 sind völlig zutreffend. Gemeint ist jeweils: Die menschliche Natur selbst, durch ein vocabulum abstractum bezeichnet, nicht erst die ganze Person ‚nach der Gottheit‘, wie die Wittenberger Philippisten restriktiv interpretieren, ist Träger der göttlichen Majestät. So darf „in abstracto gesagt werden“: Die – mit dem Logos vereinigte – Menschheit Christi ist allmächtig, etc. Keinesfalls soll, wie die verfehlte ‚etymologische‘ Interpretation des Zusatzes insinuiert, der ‚natura humana in abstracto“, d.h. einer von dem Logos separierten, ‚extra unionem‘ für sich gedachten Menschheit eine Teilhabe an göttlicher Allmacht und Anbetung attribuiert werden.558
parallele Festlegung: „... quaeritur ... An solum in concreto dicendum sit: Hominem Christum esse viuificum, an vero etiam in abstracto licet loqui: Carnem Christi esse viuificam“ (77r); vgl.: „num recte ... in abstracto dicatur: Caro Jesu Christi personali vnione vnita λογω ... sit adoranda?“ (78 r). – Heshusius beschränkt im übrigen die so verstandene Attribution in abstracto, in sachlicher Konkordanz mit Chemnitz, auf die Prädikation der energetischen Idiome Gottes (omnipotentia, viuificatio, adoratio) von der menschlichen Natur. Die Prädikation anenergetischer göttlicher Attribute (aeternitas, etc.) vom ‚Christus homo‘ ist ebenso wie die Prädikation menschlicher Prädikate von ‚Gott‘ (Deus) eine Aussage in concreto, sie hat als Subjekt stets die ganze Person, die in beiden Naturen subsistiert und so Träger der Idiome beider Naturen ist; die je essentiell fremde Natur ist nicht betroffen. Konsequent sieht Heshusius in diesen letztgenannten Fällen ‚konkreter‘ Prädikation keine Differenz zu den entsprechenden Sätzen der ‚Kryptocalvinisten‘. Vgl. Adsertio, 1582, Bl. 71 v–72r. 72 v–73 r; im Appendix (o. Anm. 537), Bl. h4r.v. i2 v. i3 r. 556 Adsertio 1582, Appendix Bl. h3r–k2 v, bes. h3 v. h4r. i1 r.v. i2 r.v. i3 r. i4 v. – „Abstracti enim vocabulum hoc in loco nullam significat separationem, vel diuisionem, vel seiunctionem, vel diulsionem. Sed est terminus Scholasticus inter vocabula (Homo & Humanitas) discrimen monstrans“ (Bl. i1v). Der Terminus „ad Propositionem non pertinet“ (Bl. i1v), hat also metasprachliche Funktion: „improbo, reijcio & damno hanc Propositionem, Humanitas CHRISTI in Abstracto est adoranda. Quando enim inseritur Propositioni Phrasis in Abstracto: non solum ambigua sit, verum etiam, quando refert ad Praedicatum, falsam sententiam gignit, tum enim exiuit vsum termini Scholastici, & resumit Grammaticam significationem“ (Bl. i1 v). „Longe enim aliud est, loqui de rebus ipsis: aliud de forma loquendi“ (Bl. i2 r). – Vgl. aus dem Brief an Chemnitz (Königsberg 10.9.1576; LEUCKFELD, 1716, 130–135 Anm. (k) [auch: H ARTKNOCH 1686, 465f]): „Scholastici usurpari pro distinctione Vocum“ (133); „In Abstracto est locutio quando de Humanitate Christi in ipsa vnione sit mentio“ (133); „Abstractum inquiunt Scholastici supponi pro naturas“ (134); „Ego distinguo inter scholasticum vsum vocabuli Abstracti, quando alterutra natura consideratur vel nominatur, ut divinitas vel humanitas & Etymologicum de separatione ut Lutherus & [J.] Morlinus pio sensu usurparunt“ (135). – Entsprechend im Brief an Chemnitz (Helmstedt 11.2.1578); LEUCKFELD 1716, 163–165 Anm. (u): 164. 165. 557 Chemnitz an H. Mörlin (Braunschweig 27.2.1577), LEUCKFELD, 1716, 139–145 Anm. (n): 142f. 144; Hertzberger Gutachten (o. Anm. 546): L EUCKFELD, 1716, 173.177. 558 Dies unterstreichen, als den entscheidenden Punkt, auch die Hertzberger Gutachter (o. bei Anm. 546): „Denn Heshusius diese Wort nicht bloß gesetzt: Caro Christi in abstracto est omnipotens ... sondern setzt/ Caro Christi unita λογω & in hypostatica Unione cum divina natura. Und will mit dieser Rede mehr nicht/ denn so viel sagen: daß man nicht allein reden möge/ der Mensch Christus ist allmächtig,/ sondern daß man auch sagen könne/ das Fleisch Christi ist allmächtig“; „Heshusius vielfältig bezeuget/ daß er niemahls geglaubet noch gehalten eine Absonderung menschlicher Natur von der Person des
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3.3 Können die preußischen Querelen als weiteres Beispiel der rabies theologorum, bestenfalls: als bedauerliches Mißverständnis abgetan werden – viel Lärm um nichts? Die Antwort verlangte eine gründliche Aufarbeitung der Vorgänge selbst, der Motive der streitenden Parteien und v.a. ihrer Voten im einzelnen. Aber schon auf dem gegenwärtigen Stand sprechen einige Beobachtungen gegen die abschätzige Bewertung, die bereits Heshusius in Umlauf setzt: der ganze Zwist „über dem liederlichen Wort in abstracto“559 nur ein „unnützes Wortgefecht“!560 Denn waren es nur kirchenpolitische Kabale und Machtwille,561 die Wigand in die Opposition gegen Heshusius brachten, seinen langjährigen Kampfgefährten, den er 8 Jahre zuvor als Zierde der lutherischen Kirche gepriesen hatte?562 Oder spürte er schon 1576 die andere ‚Tendenz‘ der Heshus’schen Christologie, die – in Helmstedt zugespitzt – ab 1580 in den Konflikt mit den niedersächsischen563 und später den schwäbischen564 Theologen führt, in dem Wigands letztes Werk noch einmal Position gegen Heshusius bezieht? 565 Jedenfalls: bereits die Methodus coenae dominicae, Wigands Beitrag zur 1557 publizierten Confessio ecclesiarum Saxoniae, dem Sammelvotum der niedersächsischen Kirchen im 2. Abendmahlsstreit, hatte in Auseinandersetzung mit Melanchthons Restriktion – „communicationem fieri in concreto, non in abstracto“566 – eine christologische Verwendung des Abstraktum-Begriffs vorgetragen, deren Grundrichtung mit seinen 20 Jahre jüngeren Voten konvergiert567 – auch dies deutet daraufhin, daß in den ostpreußischen Streitigkeiten eine historisch tiefer angelegte Sachdifferenz zum Austrag kommt, deren Bedeutung über ihren unmittelbaren Kontext hinaus reicht.
Sohns Gottes/ daß er auch von keiner Eingiessung der Allmächtigkeit gedacht/ so in der abgesonderten Menschheit Christi geschehen, sondern redet allein dergestalt von solcher Gemeinschafft/ die in der Persönlichen Vereinigung und nicht ausserhalb derselben geschehen ...“ (LEUCKFELD, 1716, 172f.176 = HUTTER, 1614, 749.752); vgl. MAGER, 1993, 320f; KRÜGER, 2004, 191f. 559 Heshusius an Herzog Albrecht Friedrich (28.1.1577), zitiert nach KRÜGER, 2004, 187 bei Anm. 197. 560 „inanis λογομαχια“ (Heshusius an Chemnitz [Königsberg 10.9.1576], LEUCKFELD, 1716, 135). 561 „Amotum me voluit [Wigand], et meum locum occupare constituit ...“ – so deutet Heshusius selbst das maßgebliche Motiv seines Hauptgegners (Brief an Chemnitz, Lübeck 22.7.1577; LEUCKFELD, 1716, 150f Anm. (o), hier: 151). 562 „Heshusius noster“, „vir iste optimus“, „insigne Ecclesiae Dei ornamentum“: so wirbt – vergeblich – die an Pfalzgraf Wolfgang gerichtete Epistola dedicatoria der Wigand’schen Monographie De communicatione Idiomatum (Basel 1568) für den in die literarischen Nachgefechte des Heidelberger Abendmahlsstreites Verwickelten (vgl. KRÜGER , 2004, 154–163). 563 MAGER, 1993, 374–470, bes. 433ff; KRÜGER, 2004, 193–277, bes. 223–256. 564 KRÜGER, 2004, 277–291; MAGER, 1993, 472–474; vgl. o. C.IV.2(.1–4). 565 W IGAND, De ubiquitate, in Tübingen 1589 posthum ediert durch B. Morgenstern, – ein Mitglied der preußischen Opposition gegen Heshusius (o. Anm. 540). 566 MELANCHTHON, Responsio ... de controversiis Stancari, 1553; StA 6, 263,5. – Zu Melanchthons Position: M AHLMANN, 1969, 65–76, bes. 65–72; H UND, 2006, 82–85. 567 Vgl. MAHLMANN, 1969, 80f.
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Diese über die durch Heshusius’ Sprachverwirrung ausgelösten Irritationen hinausgehende Sachdifferenz klingt an in Chemnitz’ kühlem Antwortschreiben an den Löbenichter Pfarrer Hieronymus Mörlin, einen der Kontrahenten Heshusius’, mit dem der Braunschweiger Superintendent Stellung auch zur positiven Gegenthese der Opposition bezieht. „... Ihr aber behauptet, wie ich sehe, die [christologischen] Ausdrücke [vocabula] seien erst dann als ‚abstrakt‘ zu bezeichnen, wenn eine Natur [Christi] nicht innerhalb der Unio in Christus, sondern außerhalb jener Unio betrachtet wird. Und allein dieses, so wollt ihr, heiße in abstracto zu reden. Aber ich habe schon dargelegt, auf welche Weise nicht nur alle scholastischen Autoren, sondern auch die Schulen aller Logiker unserer Zeit über die Naturen und die Person Christi mittels der Ausdrücke ‚abstrakt‘ und ‚konkret‘ sprechen, und ich habe nachgewiesen, daß es einen doppelten Gebrauch jener Ausdrücke gibt. Wenn freilich die Kirche euch zugestehen wollte, eine neue und andere Logik zu verfassen – ich jedenfalls pflege über Ausdrücke nicht zu streiten, wenn nur die Sache unangetastet bleibt, obwohl ich die Freiheit der Kirche hinsichtlich solcher wissenschaftlicher Ausdrücke nicht gern der Knechtung durch Euch ausliefern möchte, die ihr jene Ausdrücke nicht zureichend versteht. Du schreibst, wenn ich sage: Divinitas Christi, humana natura in Christo &c., das seien keine vocabula abstracta, sondern [vocabula] concreta. Jedoch hättest du das von einigen Jahren gesagt, hätte dich dein Lehrer [Andreas] P[o]uchenius nicht mit Worten, sondern durch Prügel korrigiert! Wenn das nämlich konkrete Ausdrücke sind, dann wird es erlaubt sein zu sagen: ‚Die Menschheit Christi besteht von Ewigkeit her‘, ‚die göttliche Natur in Christus ist gestorben‘; in Concreto wird ja so geredet, besagt die allgemeine Regel. Aber so geht’s, wenn die Leute über nicht verstandene Sachen disputieren ...“568
Chemnitz’ „einer Ohrfeige gleichende[...]“,569 sogleich auch ein wenig zurückgenommene570 Abfuhr läßt die Konturen der abgewiesenen These nicht in jedem Detail erkennen, belegt jedoch die Grundrichtung der von Mörlin bezogenen Gegenposition. Heshusens Opponenten lehnen den Einsatz des 568 „... Vos vero, ut video, contenditis, vocabula tunc demum abstracta dicenda, qvando natura aliqua non in ipsa vnione in Christo, sed extra unionem illam consideratur. Et hoc tantum vultis esse in abstracto loqui. Sed exposui jam, qvomodo non tantum scholastici Scriptores omnes, verum etiam omnium Dialecticorum Scholae nostri temporis de Naturis & persona Christi per vocabula Abstracti & concreti loqvantur, ac duplicem esse vocabulo|rum illorum usum ostendi. Qvodsi vero Ecclesia vobis concesserit novam & aliam Dialecticam scribere, de vocabulis ego non soleo litigare salvis rebus, qvanqvam libertatem Ecclesiae in huiusmodi artium vocabulis non velim vestrae servituti, qui vocabula illa non satis intelligitis, subjicere. Tu scribis, qvando dico: Divinitas Christi, humana natura in Christo &c. non esse vocabula abstracta, sed concreta. Atqui, si ante aliqvot annos haec dixisses, Praeceptor tuus Puchenius non verbis sed flagris te correxisset. Si enim concreta vocabula sunt, ergo licebit dicere, Humanitas Christi est ab aeterno, divina natura in Christo fuit mortua, in Concreto enim dici ita, regula catholica est: Sed ita fit, qvando de rebus non intellectis homines disputant ...“ (Braunschweig 27.2.1577; LEUCKFELD, 1716, 139–145, hier: 144|f; vgl. 142f. – Übersetzung U.W.). 569 So die treffende Charakterisierung KRÜGERs, 2004, 191 Anm. 110, der aber auf die Sachbedeutung dieses Votums nicht eingeht. 570 „praeter morum meum ... durius“ (LEUCKFELD, 1716, 145).
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Abstraktum-Begriffs im ‚scholastischen‘ (metasprachlichen) Sinn ab und lassen nur dessen ‚etymologische‘ Fassung zu. Sie kennen die Abstraktion so nur noch als reale ‚Ablösung‘, die im Rekurs auf den definitiv überholten Terminus a quo der Vereinigung einen fiktiven Status der Naturen ‚extra unionem‘ in den Blick nähme (considerari) – womit die Möglichkeit einer christologisch legitimen Aussage ‚in abstracto‘ allerdings entfällt. Hinsichtlich jener Restriktion und dieser Konsequenz sieht man sich durch Luthers Votum gedeckt.571 Die klare Absage an das ‚etymologisch‘ verstandene Abstraktum verbindet sich mit dem Plädoyer für die exklusive Ausrichtung auf die ‚Konkretion‘ der Naturen „in ipsa vnione in Christo“. Anstelle der scholastischen sprachlogischen Klassifizierung, die Chemnitz verteidigt, orientiert sich Mörlin unmittelbar an jener realen ‚Konkretion‘ der (beiden!) Naturen, wie sie mit deren ‚Zusammenwachsen‘ im Geschehen der unio personalis selbst gesetzt ist. Die verbundenen Naturen werden in dieser Vereinigung und durch sie neu qualifiziert – als vereinigte genommen sind sowohl humanitas als auch divinitas Christi „konkret“! Die Sätze über die Majestätsteilhabe der menschlichen Natur selbst, um deren Status der ostpreußische Streit geht, können dann nicht als ‚abstrakte‘ Aussagen begriffen werden, sie gelten als ‚konkrete‘ Aussagen. Erst eine Betrachtung der Naturen außerhalb der Unio, ‚abgezogen‘ von dieser Vereinigung, erreicht den abstrakten Wesensbegriff – aber dann ist gerade nicht mehr von der Gottheit und Menschheit Christi die Rede. 3.4 Die traditionelle einfache Alternative von abstrakter Natur und allein konkreter Person wird so im Ansatz aufgebrochen. Da die als concreta reklamierten Termini humanitas/divinitas in Christo andererseits nicht die unstrittig ‚konkrete‘ ganze Person bezeichnen, ist in der Folge ein doppelter Begriff des christologisch Konkreten unterstellt. Kurz: Der Gegenvorschlag deutet genau in Richtung jener späteren Position, wie sie von Wegelin formuliert wird – wiederum konstituiert sich die nachkonkordistische schwäbische Christologie der Sache nach in Revision der von Chemnitz bezogenen Positionen. In der ostpreußischen Debatte steht dabei für den Braunschweiger mehr auf dem Spiel als nur die terminologische Freiheit, die gegen das anmaßende Diktat der ignoranten jungen Herren zu verteidigen ist. Denn Chemnitz’ spöttischer Weigerung, dieser „ganz neuen
571 Vgl. das bei HARTKNOCH, 1686, 468f Berichtete; im Blick sind v.a. die auch von Chemnitz zitierten (o. Anm. 524. 531) Voten aus Luthers Auslegung von Jesaja 53. Auch Heshusius weist in seinen Berichten an Chemnitz auf dieses Argument hin: Die Gegner „Lutheri ... authoritatem mihi objiciunt. Respondi illis, varie usurpari vocabulum Abstracti. Lutherum aliquoties juxta etymon pro separatione usurpasse. Alias vero Scholastici usurpari pro distinctione Vocum: Deus & Divinitas. Homo & Humanitas“ (Brief an Chemnitz [Königsberg 10.9.1576], LEUCKFELD, 1716, 133, vgl. 135). – Vgl. u. D.III.4.
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Logik“572 zu folgen, liegt auch eine abweichende materiale Position zugrunde. Der als scheinbar absurde Konsequenz der Mörlin’schen These präsentierte Satz: ‚diuina natura in Christo fuit mortua‘ wird ja nur wenige Jahre später von schwäbischer Seite offensiv aufgenommen, als heilsnotwendige Behauptung den binnenlutherisch unstrittigen Sätzen über die communicatio Majestatis an die Seite gestellt und durch die Neufassung der Idiopoiesis abgesichert. Das damit erreichte symmetrische Konzept der Idiomenkommunikation verabschiedet in der Sache ihre asymmetrische Fassung durch Chemnitz. Es ist die restriktive Verortung der ‚idiopoietischen‘ Sätze in sein erstes Genus, d.h. deren Interpretation als Unterfall der Prädikationen de tota persona secundum alterutram naturam, die Chemnitz den Satz vom Leiden und Sterben der göttlichen Natur als häretische Konsequenz einer verfehlten These zu werten zwingt. Letztlich diese christologische Sachrestriktion verhindert eine Aufnahme des neuen Begriffs der ‚konkreten Natur‘: Dieser kann, wenn überhaupt, nur für beide Naturen durchgeführt werden; dies wiederum setzt den schwäbischen Begriff der Idiopoiesis notwendig voraus. Die vermeintlich nur arbiträre Frage der Definition der Schulbegriffe des Abstraktum resp. Konkretum573 hängt näherbesehen mit den christologischen Sachfragen eng zusammen. In Chemnitz’ diskussionsloser Abweisung dokumentiert sich, in der Rückschau geurteilt, eine tiefgreifende Differenz zur ‚neuen‘ schwäbischen Christologie, die sich aufgrund ihrer Revision der Idiomenkommunikation zu einer Umbildung auch der tradierten Lösung der Abstraktionsfrage veranlaßt sieht. Es ist nicht zufällig, sondern treffend gewählt, wenn der gegen die zeitgenössische lutherische ‚Perversion‘ des Topos protestierende reformierte Logiker R. Goclenius als Zeugnis für die Beibehaltung des reinen Abstraktum-Begriffs seinen lutherischen Gegnern noch 1613 genau das hier behandelte Votum Chemnitz’ aus dem ostpreußischen Streit entgegenhält.574
Chemnitz sucht die von Mörlin vertretene Gegenthese als haltlose Neuerung575 abzutun, die in vermessener Ignoranz576 den tradierten wie zeitgenössischen Konsens der Kundigen577 aufkündige. Tatsächlich aber ist der in den ostpreußischen Debatten zu Tage tretende Dissens historisch tiefer angelegt. Das Verständnis der Abstraktion als Datum nur noch der Verhältnisse ‚extra unionem‘, positiv: der Begriff der Personeinheit als einer realen ‚Konkretion‘ der Naturen von Gott und Mensch, welche die Prädikation essentiell inkonvenienter Prädikate von diesen Naturen selbst erlaubt, ja fordert – dieser Verstoß gegen die tradierte Forderung einer strikten Unterscheidung von unzulässiger abstrakter (auf die Naturen gehender) und allein legitimer konkreter (auf die Person gehender) Redeweise findet sich der Sache nach bereits in früheren Texten der ‚neuen‘ lutherischen Christologie. Neben dem schon notierten Votum J. Wigands von 1557578 oder ei572
„nova & alia Dialectica“ (s. o. Anm. 568). Vgl. Chemnitz’ Rede von der ‚libertas Ecclesiae in huiusmodi artium vocabulis‘ (o. Anm. 568). 574 GOCLENIUS, Lexicon, 1613, s.v. Abstracta etc., 13b–23b, hier: 21a–22a. 575 „... novam & aliam Dialecticam scribere“ (vgl. o. Anm. 568). 576 „... de rebus non intellectis homines disputant“ (vgl. o. Anm. 568). 577 „... non tantum scholastici Scriptores omnes, verum etiam omnium Dialecticorum Scholae nostri temporis“ (vgl. o. Anm. 568). 578 Vgl. o. bei und mit Anm. 567. 573
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ner von Joachim Mörlin, dem Vater des von Chemnitz Abgefertigten, 1561 vorgelegten Disputation über die Idiomenkommunikation579 ist hier Johannes Bötkers Comprehensio von 1557580 zu nennen. In Bötkers Text findet das im Kontext des 2. Abendmahlsstreites entwickelte Verständnis der Personeinheit als Geschehen einer Mitteilung der Naturen erstmals seine bündige Formulierung in der These einer ‚communicatio idiomatum realis‘.581 Dieses mit Melanchthons logisch-dialektischem Begriff der unio personalis resp. Idiomenkommunikation582 brechende Verständnis adäquat auszusagen, verlangt die Prädikation der jeweils ‚fremden‘ Idiome von den nach dem tradierten Verständnis (sprachlich) abstrakt benannten Naturen selbst: „Gerade die abstrakte Redeweise ist sachgemäßer Ausdruck des Konkretum der Personeinheit“.583 Die sprachlichen Abstrakta werden hier bereits von Bötker als in sachlicher Hinsicht konkrete Termini beansprucht; der sachlich abstrakte Begriff einer Natur gilt ihm, in genauer Korrespondenz 579
CONTRA SACRAMENTARIOS. DISPVTATIONES DVAE, PRIMA DE COENA DOmini, Altera de communicatione Idiomatum. ITEM Declarationes duae, & vera sententia AVGVSTANE CONFESSIONIS, in articulo de Coena Domini ..., Eisleben 1561. – Der Text wird 1571 noch einmal neu ediert: DISPVTATIO D. IOACHIMI MORLINI … DE COMMVNICATIONE IDIOMATVM. ANNO M.D.LXXI (s.l.), 1571. – Vgl. dazu HUND, 2006, 364–366. 580 Brevis comprehensio fundamentorum orthodoxae doctrinae et fidei de coena dominica; in: CONFESSIO FIDEI DE EVCHARISTIAE SACRAMENTO (hg. J. Westphal), Magdeburg 1557, dort: Bl. P3b–Q1b. 581 Vgl. MAHLMANN, 1969, 40–43.82–92; zur ‚realis idiomatum communicatio‘ bes. 82–86.87ff. 582 MAHLMANN, 1969, 64–76. 583 MAHLMANN, 1969, 86f, hier: 87. – Vgl. den ganzen Passus: „Es ist bedeutsam, daß für Bötker | das Gewicht der grammatischen Funktion der für Gottsein und Menschsein gewählten Termini offenbar nicht mehr besteht. Die Unterscheidung von nomina abstracta und nomina concreta ist mit der Überholung des logischen Begriffs der Personeinheit auf das Geschehen ‚Personeinheit‘ hin zunächst einmal unbedeutend geworden. Nicht darauf kommt es primär an, sprachlich richtig zu wählen zwischen Ausdrücken, die die Personeinheit logisch implizieren oder nicht, sondern darauf, ob bei einer Konkret- oder Abstraktbildung das Ereignis der Personeinheit als das, was es wirklich ist, gedacht oder nicht gedacht ist. Auch bei einem grammatischen Abstraktum wie humanitas liegt nicht ohne weiteres ein Abstrahieren von der Personeinheit vor. ... Daß die humanitas Subjekt der idiomata divina ist, soll nicht heißen, daß ein Mensch abgesehen von Gott Gott wäre. Vielmehr soll der Ausdruck das sachliche Gefälle des Geschehens der Personeinheit verdeutlichen, nämlich die Nötigung, von der Subsistenzeinheit von Gottsein und Menschsein, das heißt vom Handeln Gottes als ein Mensch zur reden. Gerade die abstrakte Redeweise ist sachgemäßer Ausdruck des Konkretum der Personeinheit. Die gegen Melanchthon gerichtete Intention im Verständnis der Personeinheit läßt sich unmißverständlich nur klar machen, wenn man abstrakte Redeweise wählt. Nur so kommt man aus dem hinsichtlich des Sachverständnisses schwebenden Charakter der logischen Personeinheit klar zur Personeinheit als dem Geschehen: Gott als dieser Mensch“ (1969, 86|f; Hervorhebungen M.).
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zu der von Heshusens Opponenten vertretenen Sicht, erst dort erreicht, wo eine Natur außerhalb der Personeinheit in den Blick genommen wird – „absolute extra unionem considerata[...]“.584 All diese frühen Verabschiedungen der scholastischen These geschehen in dem Bewußtsein, so die von Luther intendierte Sicht der Personeinheit aufzunehmen und zur Geltung zu bringen. Auf diese noch einmal weiter zurückreichende ‚Autorisierung‘ ihres Widerspruchs durch den Reformator selbst haben sich Heshusens ostpreußische Gegner ausdrücklich berufen. Umgekehrt reklamiert aber auch Chemnitz’ Apologie der scholastischen Regel die Konkordanz mit Luther.585 Und: in diesem Streit um „Lutheri authoritatem“586 beziehen sich beide Seiten näherhin auf ein- und denselben Textzusammenhang. Recht und Unrecht dieser auffällig konträren Interpretation sollen in einem Blick auf Luther selbst erhellt werden. 4. ‚De abstracto tacendum est prorsus‘ – Luthers Votum Im Rahmen der Auseinandersetzung mit der altkirchlichen und scholastischen Christologie, wie er sie in seinen späten Schriften noch einmal intensiviert,587 greift Luther auch die Frage abstrakter und konkreter Termini auf. Heshusius’ ostpreußische Kontrahenten konnten sich vor allem durch jenes Votum in der Enarratio 53. capitis Esaiae ([1544] 1550)588 legitimiert glauben, in dem der Reformator einen Gebrauch ‚abstrakter‘ Rede aus der Christologie strikt auszuschließen scheint: „hoc loco de abstracto tacendum est prorsus, quia fides docet hic nullam esse abstractionem ...“ (707,29f). Dieses Verdikt steht jedoch in einem Passus, der mit einer positiven Wertung der sprachlogischen Distinktion als solcher einsetzt: „recte et divinitus factum in Grammatica, ut quaedam vocabula dicantur concreta, quaedam abstracta“ (707,15f). Chemnitz kennt und zitiert beide Aussagen, er versucht faktisch einen Ausgleich, indem er sie je einer unterschiedlichen Verwendung (usus scholasticus/etymologicus) zuordnet.589 – Wie fügt sich das Contra und Pro bei Luther selbst zusammen? 584
B OETKER, Comprehensio, 1557, Bl. P5b. Vgl. M AHLMANN 1969, 87 bei Anm. 82. Vgl. o. bei und mit Anm. 524. 531. 586 Vgl. o. Anm. 571. 587 Vgl. nur das o. zur Debatte über Nestorius und Eutyches Notierte (D.I.7.3.2). – Zur Frage der dogmengeschichtlichen Kenntnisse Luthers: MARKSCHIES, 1999a; zur altkirchlichen Debatte über Idiomenkommunikation und Abstraktion: G LEEDE, 2007a. 588 WA 40/III, 685–746. Vgl. v.a. die Auslegung von Jes 53,1: 700,10–708,35, bes. 707,11ff; folgende Belegangaben hierauf bezogen. Dazu H ÄGGLUND, 1980, 75–79. – Zu Luthers Sicht der christologischen Abstraktion/Konkretion vgl. auch die christologischen Disputationen von 1539 und 1540; WA 39/2, 1–33. 92–121. Dazu SCHWARZ, 1966, bes. 334ff; STREIF, 1993, 62–78; SCHMIDT, 1990, 178–278, bes. 220–228; B AYER 2007, 11– 20; B EUTEL, 1991, bes. 311ff; N. SLENCZKA, 2005a, 381–392; DERS., 2005b, 87–91. 589 Vgl. o. bei und mit Anm. 524. 531. 585
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4.1 Luthers positives Eingangsurteil ergeht in Kenntnis der verwickelten Diskussion über das der sprachlogischen (in Grammatica) Unterscheidung korrelierte philosophische Sachproblem, in dessen Zentrum die Frage der ‚metaphysischen‘ Abstraktion und des Realitätsstatus der Universalien steht.590 Diese ‚unendliche‘ Debatte streift Luther allerdings nur und konzentriert sich sofort auf den christologischen Einsatz der Distinktion. Ausgangspunkt des ‚Exkurses‘ ist die mit bestimmten Aussagen der Schrift – hier: Jes 53,1 – gestellte Problematik einer Verknüpfung per se konträrer Prädikate: „Christus verus est Deus et Servus, atque equidem vilissimum omnium peccatorum“ (707,11f). „Gott und Sklave zugleich zu sein, erscheint als ein unvereinbarer Gegensatz, und doch ist in Christus beides unauflöslich vereint.“591 Dieses spannungsvolle Simul ist ermöglicht durch die Synthese (copulari) von göttlicher und menschlicher Natur in der einen Person Christi, wie sie der Glaube gegen den Einspruch der auf ontologische Distinktionen insistierenden Vernunft behauptet:592 Kraft dieser Vereinigung werden die Prädikate nicht allein von der je essentiell konvenienten Natur, sondern auch von der je anderen Natur ausgesagt, deren Wesen das Ausgesagte widerspricht.593 Das sprachlogische Instrument, um das so introduzierte Zugleich von Bejahung und Negation essentieller Identität zu explizieren, bildet die Distinktion abstrakter und konkreter Begriffe von Gott und Mensch. In einer, wie Heshusius zutreffend feststellen wird,594 ‚etymologischen‘ Interpretation der überlieferten595 Klassifikation bestimmt Luther als ‚abstrakt‘ die jeweils für sich (seorsim) und als vereinzelte (sola) genommene, so von der je anderen Natur getrennte (separata) oder ‚abgezogene‘ (abstracta) Natur,596 als ‚konkret‘ hingegen dieselbe Natur, sofern von ihr als einer mit der je anderen Natur verbundenen (coniuncta), zusammengefügten (copulata) oder vereinigten (unita) und so ‚zusammengewachsenen‘ (concreta) die Rede ist.597 Die Feststellung unverletzter Identität des Wesens, welche die Vernunft reklamiert, zielt auf die ‚abstrakten‘ Naturen. „Sic recte dico: divinitas non patitur. Humanitas non creat. Hic loquor de abstracto et de separata
590 „... ubi infinita sunt involucra disputationum de concretis et abstractis, et credo ea nunquam terminari posse, etiam in philosophia et creatis, an sit aliquid abstractum, ut: cum albedinem dico, revero nullum album vel subiectum dico. Sed albedo separat subiectum, quod postea coniungit et connectit album ex subiecto et separato vel abstracto“ (707, 17–21). Vgl. o. D.III.1.2.1. 591 K.O. NILSSON, 1966, 251. 592 „quod fide accipitur, impossibile est creditu rationi humanae“ (702,29f; dort bezogen auf die ‚coniunctio naturarum‘, ibd. 28f). 593 „Quomodo autem servus? secundum humanitatem. Nunc autem, quia divina et humana Natura copulatae sunt in unam personam et Christus revera est Deus et homo, ideo dicitur etiam ‚filius Dei‘ servus noster“ (707,12–15). – „Est ergo summus rex et servus infimus, Deus verus et homo abiectissimus in una et eadem persona“ (705,28f). 594 Vgl. o. Anm. 556. 571. 595 „Aristoteles dicit ...“: WA 39/II, 108,16f. 596 „... loquor de abstracto et de separata divinitate“ (707,23); „in humanitate separata vel seorsim posita, si de ea sola loquimur“ (707,27f); „Natura seorsim sumpta“ (707,36); „Natura ... per se vel seorsim“ (707,38). 597 „... divina et humana Natura copulatae sunt in unam personam“ (707,13f); „fides docet … concretionem, coniunctionem et copulationem utriusque Naturae“ (707,29–31); „Natura [humana] ... coniuncta cum divina“ (707,36f); „Natura ... in illa concretione“ (707,38); „propter illam unionem“ (708,1); „docemus concretionem et unionem in eandem personam“ (708,29f).
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divinitate“ (707,22f). Doch diese als solche unbestrittene – recte dico! – Disparität ist dem Glauben insofern überholt,598 als diesem das Schriftzeugnis jedes ‚für sich‘ (seorsim, sola) der Naturen599 als in der Person Christi aufgehoben vorspricht.600 Die Personeinheit ‚ist‘ gerade dieses Geschehen eines Zusammenwachens (concretio) und der Verbindung (coniunctio), der Zusammenfügung (copulatio) und Gemeinschaft (communio) der Naturen.601 Diese Vermittlung normiert exklusiv die christologische Rede: „hoc loco de abstracto tacendum est prorsus, quia fides docet hic nullam esse abstractionem, sed concretionem, coniunctionem et copulationem utriusque Naturae“.602 Als reale ‚Synthese‘ von Gott und Mensch ist die Person Christi Ort und Vollzug einer Neubestimmung beider, kraft deren ihnen zukommt, was im jeweiligen Wesen keine Begründung hat, diesem vielmehr widerspricht, aber nun infolge ihres Zusammenwachsens wirklich wird. Die so gesetzte Realitätsdifferenz wäre hintergangen, wo ein nun anachronistischer Rekurs auf den abstrakten Begriff von Gott und Mensch die durch das jeweilige Wesen gezogenen Grenzen wieder zum Maßstab christologischer Rede machen wollte. Das Thema der Christologie ist nicht, was Gott und Mensch je für sich simpliciter zukommt, sondern die Explikation der spezifischen Vermittlung beider. Von Christus zu reden heißt, so die bereits früh von Luther formulierte und seine Christologie konstant orientierende fundamentale ‚Einsicht‘: de deo incarnato vel homine deificato loqui.603
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„Sed non hoc faciendum est, non separanda abstracta sunt, alioqui fides nostra falsa est. Sed credendum est in concreto: ille Homo est Deus“ (707,23–25). 599 „Humanitas non creat, scilicet in humanitate separata vel seorsim posita, si de ea sola loquimur. Sic econtra: divinitas non moritur“ (707,27f). 600 „Sic loquitur scriptura ...“ (707,34; vgl. das Zitat im Kontext u. Anm. 602). 601 „propter ... unionem“ (708,1); „Quidquid ergo de filio [Dei] dicitur, idem dicitur de homine vel humana natura in concreto. Ita hic propheta coniungit utrunque: est Brachium Dei et filius Dei, et tamen ait: ‚ascendit‘, quod est proprium naturae humanae; et nihilominus idem etiam divinae tribuitur propter concretionem, quia est unum Brachium, non duo, et eadem persona“ (708,31–35); „Scias uniri has duas naturas in unam personam, ut sit unus Christus et non duo. Ipsa communio unit istas duas naturas in unam personam, et duo unum filium, non duos“ (705,34–36). – Daß dieser Begriff der Person Christi als ‚Resultat‘ der Kommunikation der Naturen (ipsa communio unit ...!), den Luther auch in den Disputationen von 1539/1540 (o. Anm. 588) expliziert, eine „Umdeutung oder Aufhebung des überkommenen Personbegriffs“ – die Hypostase als der vorgegebene ‚Träger‘ (suppositum) der Naturen – bedeutet, notiert zutreffend – und kritisiert aus römisch-katholischer Sicht – SCHMIDT 1990, 234–250 (Zitat: 242). 602 707,29–31; mit der Fortsetzung: „Quapropter de hac re loquendum est ut de concreto: Filius Dei conservat omnia, Filius Virginis conservat coelum et terram. Filius Dei moritur, patitur, Filius virginis moritur, patitur. Sic loquitur scriptura, quod diligenter observemus, ut hoc loco [Jes 53,1] servus dicitur exaltari etc. Nam Natura seorsim sumpta est serva. Sed eadem est coniuncta cum divina, ergo eadem persona vocatur filius et aequalis Deo in humana Natura, non per se vel seorsim, sed in illa concretione, de qua dicuntur omnia. Quae possunt dici de divina Natura, dicuntur in concreto et de altera, scilicet unita in eandem personam“ (707,32–40). 603 „cautissime obseruandum, vt vtramque naturam de tota persona enunciet, cum omnibus suis propriis, et tamen caueat, ne quod simpliciter deo, aut simpliciter homini conuenit, ei tribuat. Aliud enim est, de deo incarnato, vel homine deificato loqui, et aliud de deo vel homine simpliciter“ (Rationis Latominianae confutatio, 1521, StA 2; 516,13–17; WA 8, 126); zu diesem frühen Text, der – neben De captivitate babylonica (HUND, 2006,
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4.2 Mit der etymologischen Interpretation der Abstraktion resp. Konkretion als realer Trennung bzw. Zusammenfügung ist die von Luther zunächst hoch taxierte (divinitus facta!) sprachlogische Unterscheidung604 abstrakter und konkreter Termini zwar als solche rezipiert, aber im Ergebnis zugleich tiefgreifend transformiert. Für den damit erreichten Begriff einer ‚Natur in concreto‘605 spielt die sprachliche Gestalt der Ausdrücke, anhand deren Luther eingangs diese Differenz illustrieren konnte,606 keine entscheidende Rolle mehr. ‚Homo‘ und ‚humana natura‘, ‚Filius Dei‘ und ‚divina natura‘ gelten als jeweils semantisch äquivalent,607 sofern hier einheitlich die Naturen Christi als in der Personeinheit konkret neu bestimmte verstanden werden;608 allein so läßt sich das Verständnis der Person als Vollzug der Konkretion der Naturen eindeutig aussagen. Die reguläre, vom jeweiligen Wesen her normierte Semantik der Termini ist damit freilich tiefgreifend verändert. Diese Konsequenz hat sich Luther keineswegs verhehlt, sondern im Gegenteil als Pointe seiner Interpretation anderenorts explizit und nachdrücklich 45) – ‚Luthers Einsicht‘ zur Sprache bringt, die dann die späteren Schriften zur ‚Lehre‘ entfalten, vgl. J. BAUR, 2007, 196–218, bes. 196f. 604 Vgl. o. bei u. mit Anm. 589. 605 „... docemus concretionem et unionem in eandem personam et filiationem, quod idem sit virginis et patris filius. Quidquid ergo de filio dicitur, idem dicitur de homine vel humana natura in concreto. Ita hic [Jes 53,1] propheta coniungit utrunque: est Brachium Dei et filius Dei, et tamen ait: ‚ascendit‘, quod est proprium naturae humanae; et nihilominus idem etiam divinae tribuitur propter concretionem, quia est unum Brachium, non duo, et eadem persona“ (708,29–35). 606 Vgl. o. Anm. 590 (topische Exempel: albedo, album). 607 Anders verhält es sich, sehe ich recht, mit den Termini humanitas und divinitas: Sie signifizieren für Luther ausschließlich das Ensemble der Eigenschaften eines Seienden, noch abgesehen von dessen Individuierung in einem einzelnen Exemplar; ein konkreter Gebrauch ist so ausgeschlossen. Vgl. dazu, allerdings ohne die nochmalige Unterscheidung zwischen natura humana und humanitas, N. S LENCZKAs Deutung: „Luthers Redeweise, nach der es einen ‚abstrakten‘ Begriff der Natur gibt, hebt darauf ab, daß von der Natur zum einen im Blick auf ihre Realisation in einer konkreten Person die Rede sein kann, zum anderen abgesehen davon; humanitas ist der Begriff für die Natur ohne Rekurs auf ein konkretes Exemplar und damit auch ohne Rekurs auf die Einheit von Gott und Mensch in Christus, homo hingegen die Bezugnahme auf die Natur in ihrer Konkretion und entsprechend – christologisch – die Bezugnahme auf die mit Gott verbundene Menschheit Christi. Der abstrakte Begriff der Natur sieht damit immer von dem Faktum der Realisation in einem konkreten Exemplar ab, indem er für alle Exemplare gültige Regeln vorgibt; christologisch bedeutet das, daß der abstrakte Begriff der Naturen immer ein Begriff ist, der die Wahrheit Gottes und des Menschen abgesehen vom Geschehen der Inkarnation zur Sprache bringt“ (2005a, 388f, hier: 388; Kursivierung Sl.). – Trifft die Beobachtung zu Luthers Sprachgebrauch zu, stünde dieser in einer gewissen Entsprechung zu den sprachlogischen Distinktionen B. Meisners; vgl. u. (D.III.) 6.3/4. Hingegen können die Tübinger natura humana und humanitas in dieser Hinsicht identisch klassifizieren; vgl. o. (D.III.) 1.2 (Anm. 519). 608 Vgl. das o. Anm. 597 und Anm. 605 Zitierte.
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vertreten: Die „hoc loco“ – im christologischen Zusammenhang – verwendeten Termini Deus und Homo stellen, gemessen an der regulären Bedeutung, wie sie die Philosophie für ihren Bereich (‚Sphäre‘) verbindlich normiert, tatsächlich ‚neue‘ Wörter dar, – Elemente jener ‚neuen Sprache‘, welche die Christologie insgesamt fordert und konstituiert: „Certum est ..., omnia vocabula in Christo novam significationem accipere in eadem re significata“!609 Die das Gegenüber von alter und neuer Sprache generierende Differenz der Signifikation ist jene Perspektivenunterscheidung, mit der Luther die Alternative von abstrakter und konkreter Rede expliziert – das Absehen oder aber der Bezug auf die Zusammenfügung von Gott und Mensch in der Person Christi. In der alten Sprache bezeichnet (significat) ‚creatura‘ – dies das von Luther deklinierte Beispiel610 – ein von der Gottheit unendlich getrennt Existierendes (res a divinitate separata).611 „Sed haec significatio non habet locum in creatura Christo“:612 die dieser ‚Sphäre‘ eigentümliche neue Sprache bezeichnet mit demselben Wort (die Menschheit Christi als) ein (in der Person Christi) untrennbar mit der Gottheit verbunden Existierendes (res cum divinitate inseparabiliter ... coniuncta)613. ‚Christus‘ ist genau diese „untrennbar, freilich auf nicht zu sagende Weise verbundene Einheit von Geschöpf und Schöpfer in derselben Person“:614 „Ibi creator et creatura unus et idem est“.615
4.3 Mit der These einer nova significatio der christologisch verwendeten Termini behauptet Luther andererseits keineswegs deren äquivoken Gebrauch.616 Zwar umschließt der Ausdruck ‚homo‘ (creatura) christologisch nicht nur alle eigentümlichen Prädikate des Begriffs ‚Menschheit‘ (wie sie der abstrakte Begriff ‚humanitas‘ sammelt617), es dürfen ‚hier‘ auch die im Wesensbegriff ‚humanitas‘ nicht enthaltenen Prädikate der Gottheit ausge609 LUTHER, Disp. de divinitate et humanitate Christi (1540), Th. 20; WA 39/II, 94, 17f; folgende Belege hierauf bezogen. Vgl. in der nur wenig älteren Disputation über Joh 1,14: „Hominem, carnem etc. fieri nova vocabula, quando referuntur ad Christum“ (WA 39/II, 30,18f); „vox philosophica in theologia plane fit nova“; „vocabula usitata philosophiae fiunt nova“ (WA 39/II; 19,7.34f). – Luthers Ausführungen zur ‚neuen Sprache‘ der Christologie müssen hier nur in den Grundzügen skizziert werden. Zu den kontrovers diskutierten Details, ebenso zu damit berührten allgemeinen sprachtheoretischen Fragen vgl. v.a.: SCHWARZ, 1966, 334–338; STREIFF, 1993, passim, bes. 56–78.185–203; SAARINEN, 1988, 18–39, bes. 27–31.34ff; V IND, 2007, 95–124, bes. 120ff; J ÜNGEL, 1980a, bes. 108–110; DERS. 1978, 357–408, bes. 357–377. 610 Entsprechendes gilt aber überhaupt: „Ita necesse est, vocabula: homo, humanitas, passus etc. et omnia de Christo dicta nova esse vocabula“ (ibd.; Th. 23; 94,23f). 611 „Nam creatura veteris linguae usu et in aliis rebus significat rem a divinitate separatam infinitis modis“ (ibd., Th. 21; 94, 19f). – „Creatura est in veteri lingua id, quod creator creavit et a se separavit ...“ (ibd., VII. Arg.; 105, 4f); „separatum quoddam a creatore“ (XXVIII. Arg.[A]; 118,15f). 612 Ibd., VII. Arg.; 105, 5f. 613 „Novae linguae usu significat rem cum divinitate inseparabiliter in eandem personam ineffabilibus modis coniunctam“ (ibd., Th. 22; 94,21f). 614 BEUTEL, 1991, 318. 615 Ibd., VII. Arg.; 105, 6f. – Vgl. ibd., XXXII. Arg.; 120, 14f: „Nos coniungimus creatorem et creaturam in unitate personae“. – SCHWARZ, 1966, 334f. 616 Vgl. dazu SCHWARZ, 1966, 337f; STREIFF, 1993, 62–70, bes. 68ff. 617 Vgl. o. Anm. 607.
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sagt werden. Es vollzieht sich so gleichsam eine Erweiterung der regulären Semantik618 (nova significatio, – qua Intension). Doch dezidiert ist weiterhin von einem Menschen (homo) die Rede; die Extension als solche bleibt identisch (in eadem re significata).619 Während eine äquivok gebrauchte Vokabel (mindestens zwei) verschiedene Dinge bezeichnet, die jedoch als solche in ihrem Sein nicht verändert sind, setzt die christologisch behauptete neue Signifikanz eine Veränderung voraus. Die Möglichkeit der nichtäquivoken ‚duplex significatio‘620 gründet darin, daß das identische Signifikat in sich different bestimmt ist; ein- und dasselbe existiert in einer internen Realitätsdifferenz. Die Instrumentalität der Sprache – die Korrespondenz von Sache und Aussage – wird so auch in den Termini und Sätzen der Christologie nicht aufgehoben oder auch nur eingeschränkt, vielmehr konsequent durchgehalten. In der ‚Erweiterung‘ der regulären Semantik manifestiert sich die jeder Aussage normativ vorgegebene621 reale ‚Konkretion‘ von Gott und Mensch in der Person Christi622 – die identische Individuation von Gott und Mensch, Schöpfer und Geschöpf, die jene gemessen an den regulären Wesensbezügen neue Signifikanz erlaubt. Der Mensch Christus existiert sowohl in Kontinuität als auch in Differenz zur wesentlichen Identität regulären Menschseins (humanitas). Das ontologische Gewicht 618
So im Anschluß an N. SLENCZKAs Rede von der ‚Erweiterung des semantischen Gehalts‘: 2005b, 89 (bei u. mit Anm. 21). 90; vgl. DERS., 2005a, 389. 390 (dort bezogen auf Luthers Verwendung der Synecdoche). Diese Erweiterung meint nicht nur eine marginale Modifikation innerhalb des durch jeweiliges Wesen Möglichen, sie schließt die Rezeption auch konträrer (kontradiktorischer?) Prädikate ein – „die Erweiterung des semantischen Gehaltes, die die Begriffe dort [im Sprachgebrauch der Schrift; U.W.] in der Anwendung auf Christus erfahren, nötigt dazu, festzustellen, daß die Begriffe definiert werden unter Einschluß dessen, was nach dem durchschnittlichen Sprachgebrauch ihr Gegenteil ist ...“ (2005b, 90; Kursivierung U.W.). – Zum ‚ontologischen‘ Korrelat dieser ‚Erweiterung unter Einschluß des Gegenteils‘ vgl. bei und mit Anm. 622. 623 619 „Non quod novam seu aliam rem, sed nove et aliter significet [novum vocabulum]“ (ibd., Th. 24; 94,25). – Vgl. die Fortführung u. bei u. mit Anm. 623. 620 „Haec pugnantia non fit inter aequivoca, sed inter univoca. Est enim duplex creaturae significatio“ (ibd., VIII. Arg.; 105,23f). 621 „... refero me ad rem, quae prorsus est ... pro sese alia, quando maxime in articulis fidei sine arte consideranda“ (WA 39/II; 11,5–7) – „Luther zeigt sich hier insofern dem Realismus verpflichtet, als die Sache real und direkt angehbar ist, Wort und Sache eindeutig aufeinander beziehbar sind, und zwar nicht nur so, daß die Worte Erkenntnis- und Verstehensgrund der Sache sind, sondern vor allem umgekehrt, daß die Sache Erkenntnis- und Verstehensgrund, ein Maßstab der Worte ist“ (STREIFF, 1993, 185–195, hier: 186). 622 „Diese Neubestimmung, die dem durchschnittlichen Sprachgebrauch widerfährt, weist hin auf – oder besser: erschließt eine Neubestimmung der Sache, so daß man eben sagen muß, daß in der Person Jesu in präziser Weise neu – unter Einschluß des Gegenteils – definiert wird, was jeweils Gott und was Mensch ist ...“ (N. SLENCZKA, 2005b, 90; Kursivierung Sl.).
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dieser internen Differenz, die den Teilen mit ihrer christologischen Synthese widerfährt, berührt Luther, wenn er en passant freistellt, die These ‚nur‘ einer ,nova significatio in eadem re significata‘ der Sache nach als Behauptung der Konstitution doch einer nova res zu verstehen – dem sprachlogischen Vorgang der Transsignifikation der Termini (nova lingua) korrespondiert eine vorlaufende ontologische Neubestimmung des Prädizierten selbst (nova res).623 Während die der ‚alten‘ Sprache zugrundeliegende Sach-Logik die Synthese von Subjekt und Prädikat nach den Wesensbezügen reguliert – und begrenzt, komponiert die ‚neue‘ Sprache, was dem Wesen nach gerade nicht komponibel ist, aber nun in der Person Christi als der Existenzeinheit dieses Verschiedenen mit der Folge einer Kommunikation der Eigentümlichkeiten wirklich wird.624 Diese durch die unfaßbare ‚Größe‘ der in Rede stehenden ‚Sache‘ verlangte Verletzung der üblichen Regeln625 bedeutet tatsächlich die Einführung einer ‚anderen Logik‘ – alia Dialectica: diese logisiert, was ihr von der vorausliegenden ‚Grammatica Spiritus Sancti‘ vorgesprochen wird; allein in dieser hat sie auch ihren bleibenden Bezugspunkt.626 Keinesfalls darf in Umkehrung dieses hermeneutischen Gefälles gegen die vom christologischen Zeugnis präsentierte ‚res nova‘627 einer Vermitt623
„Non quod novam seu aliam rem, sed nova et aliter significet, nisi id quoque novam rem dicere velis“ (ibd., Th. 24; WA 39/II, 94, 25f). – „Oportet hic etiam grammaticam totam induere novas voces, cum loqui vult de Deo … | ... Multi disputarunt de hominis vocabulo, an unitatem in Christo significet. Es mus nova res sein. Christus est homo, Filius Dei est indutus humanitate, das kann man von keinem menschen reden. Homo est animal rationale, loquens, sedens, stans, et recte dicuntur secundum sua praedicamenta et ordinem naturae. In Christo autem habent novam grammaticam et dialecticam, novam linguam et novam cogitationem et sapientiam, das heist: nova facit omnia ...“ (WA 39/II, 303,23f. | 304,2–8). 624 „Es handelt sich um eine Neudefinition Gottes und des Menschen; diese sprachliche Neudefinition erschließt, was in der Person Christi geschieht: In seiner Person vollzieht sich ein Vorgang, den die sprachlichen Zueignungen abbilden, nämlich der Vorgang einer wechselseitigen Selbstmitteilung Gottes an den Menschen und des Menschen an Gott. Man hat es also in der Person Jesu Christi mit einer Einheit von Gott und Mensch zu tun, die eben nicht ein Nebeneinander zweier gegenständlich gedachter Naturen ist, sondern der Vollzug gegenseitiger Mitteilung aller Eigenschaften und Widerfahrnisse, durch die Gott die Attribute des Leidens und Sterbens, und der Mensch die Attribute göttlicher Allmacht gewinnt ... | ... Die Person Jesu ist der Prozeß der wechselseitigen Selbstmitteilung von Gott und Mensch ...“ (N. SLENCZKA, 2005b, 89.|91). 625 „... Spiritus Sanctus habet suam Grammaticam. Grammatica omnibus modis valet, sed quando res maior est, quam ut comprehendi possit grammaticis et philosophicis regulis, relinquenda est ...[|105] ... Quare eloquentia est restringenda et manendum est in formulis praescriptis Spiritus sancti. Non exeamus absque ulla necessitate, quia res est ineffabilis et incomprehensibilis“ (WA 39/II, 104, 24–26. 105,2–4). 626 Vgl. o. Anm. 625. – „Eundum ergo est ad aliam dialecticam et philosophiam in articulis fidei, quae vocatur verbum Dei et fides“ (Disp. Joh 1,14, Th. 27; WA 39/II, 5,9f.). – Chemnitz’ spöttische Kritik jener ‚nova et alia dialectica‘, welcher die ignorante These der Opponenten von Heshusius das Wort rede (o. D.III.3.3/4, bei u. mit Anm. 568. 572), darf insofern als ‚Ignorierung‘ des gestellten Sachproblems gelten. 627 Vgl. bei u. mit Anm. 623.
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lung von Gott und Mensch das Urteil der Vernunft in Anschlag gebracht werden.628 Eine Interpretation nach den Regeln der dort geltenden alten Wesenslogik endete in der fatalen Alternative von häretischer Wesensveränderung (Schwenckfeld – nach Luthers Verständnis) oder rhetorischer Uneigentlichkeit (Zwingli).
4.4 In diesem realen Begriff des christologisch Konkreten hat Luthers Rezeption der tradierten Distinktion ihren Zielpunkt. Eine analoge Ausarbeitung des Abstraktum-Begriffs erfolgt nicht und kann nicht erfolgen. Unter Voraussetzung ihrer ‚etymologischen‘ Interpretation benennen die abstrakten Vokabeln stets nur den Ausgangspunkt der christologischen Synthese, in der jenes abstrakte ‚für sich‘- und ‚getrennt‘-Sein von Gott und Mensch definitiv verlassen und irreversibel auf verändernde Kommunikation hin überwunden wird. Eine positive Verwendung von Abstraktbegriffen innerhalb der Christologie ist damit zwingend ausgeschlossen – „hoc loco de abstracto tacendum est prorsus, quia fides docet hic nullam esse abstractionem“:629 christologisch abstrakt zu reden, hieße, das Thema der Christologie, die reale Konkretion von Gott und Mensch, zu negieren. Zwar betont Luther, daß die Wesens-Identitäten von Gott und Mensch, wie sie die Abstrakt-Begriffe zutreffend festhalten – recte dico!630 –, auch in der Personeinheit beider nicht als solche negiert werden. Die christologische Vermittlung von Gott und Mensch meint nicht die Überführung in ein indifferentes Drittes. Auch innerhalb der Personeinheit bleiben Gott und Mensch distinkt – kommunikative Neubestimmung und essentielle Identität bestehen zugleich und parallel.631 Nur – Luthers ausschließlich 628 „Hic est usus huius disputationis [Joh 1,14], quod non liceat in articulis fidei mysticis pugnare rationibus philosophicis, sed nude adhaerendum sit verbo et veritati biblicae, quodque non valeat rationis iudicium in fide verbo contrarium, sed illa se submittere et subiicere in obseqium Christi debeat“ (WA 39/II; 30,18–18). 629 Enarratio, WA 40 III; 707,29f; vgl. o. bei Anm. 598. 630 Vgl. Enarratio, WA 40 III; 707,22f (o. 4.1). 631 Erst dieses Zugleich von Differenz und Kontinuität – noch einmal (Anm. 616): die Verortung der neuen christologischen Sätze jenseits der Alternative von Univozität und Äquivozität – erlaubt es, die Differenz des Menschseins Jesu in der Personeinheit zu explizieren und diese Personeinheit selber als Geschehen auszusagen, – als einen Prozeß, der nicht in der Konstituierung neuer Substantialiät qua Wesensverwandlung endet. „Die christologische Neudefinition ... erfolgt nicht wahllos, so daß sich ein Sprachgebrauch ergeben würde, in dem die ‚alte‘ Sprache mit der ‚neuen‘ nichts mehr zu tun hätte, sondern in präziser Weise so, daß der ‚alte‘ Sprachgebrauch |bestätigt, aufgenommen und mit dem Gegenteil seiner selbst verbunden wird. Es gibt ... den ‚neuen‘ Sprachgebrauch nicht an sich, sondern immer nur in der Bewegung über den alten Sprachgebrauch hinaus – christologisch gesprochen: es gibt die Person Jesu nicht an sich, sondern nur als den Vollzug der wechselseitigen Selbstmitteilung von Gottheit und Menschheit; in diesem Vollzug müssen Gottheit und Menschheit zugleich als unterschieden gedacht werden – das ist der ‚alte‘ Sprachgebrauch; und als vereint – das ist der semantische Gewinn, der sich in diesem Vollzug ergibt. Es handelt sich immer um ein ‚zugleich‘, die Integration des Alten – des außerchristologischen Gehaltes der Begriffe Gott und Mensch – in die Einheit mit
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christologieextern gefaßter Begriff des Abstrakten, der Differenz als reale Trennung denkt, vermag diese bleibende interne Differenz nicht zu fassen. Während Luthers Entwurf die Neubestimmung von Gott und Mensch eindeutig formuliert, ist das bleibende Gegenüber beider insoweit terminologisch nicht eingeholt. 4.5 Chemnitz’ Plädoyer für die scholastische Unterscheidung abstrakter und konkreter Termini erklärt sich von daher nicht nur als Indiz eines grundsätzlichen Traditionalismus; es läßt sich verstehen als Versuch, das bei Luther begegnende Zugleich von Anknüpfung und Umprägung zu klären. Chemnitz ordnet diese präzise registrierte Spannung,632 indem er sie als Alternative zweier möglicher Zugänge interpretiert und so ruhig stellt, als Nebeneinander von (tradiertem) usus scholasticus und (von Luther vertretenem) usus etymologicus. Dabei kommt es zu einer Umgewichtung. Die ‚etymologische‘ Interpretation der Konkretion als realer Synthese der Naturen, auf der bei Luther der Ton liegt und die in seiner Nachfolge die ostpreußischen Opponenten gegen Heshusius vertreten, regrediert bei Chemnitz zu einer zwar möglichen, aber nicht unproblematischen, weil mißverständlichen und darum erklärungsbedürftigen Sonderthese. Diesem prekären usus etymologicus gegenüber verdient die tradierte Lösung, der überkonfessionell anerkannte und unproblematische, weil rein metasprachliche usus scholasticus, der die Distinktion als Gegenüber von Bezeichnungen für die Person und die Naturen interpretiert, den eindeutigen Vorzug.633 Mit Chemnitz’ Plädoyer für das metasprachliche Verständnis der Unterscheidung als einer nur formalen Klassifikation634 ist freilich Luthers Intention aufgegeben, die fraglichen Begriffe inhaltlich von der ‚Ontologie‘ der Person Christi her zu normieren: als kommunikative Neubestimmung von Gott und Mensch, wie sie die neue Sprache (Grammatik) der Christologie einholt, wenn sie gegen die alte Logik der Wesensbezüge jener ‚neuen‘ und ‚anderen‘ Logik des Heiligen Geistes folgt, die eine spezifische Überschreitung solcher Wesensgrenzen vorspricht. Chemnitz’ dezidierter Einspruch hat allerdings nicht verhindern können, daß die durch Luther formulierte ontologische These wieder auf die Tagesordnung lutherischer Christologie gesetzt wurde. Während im ostpreußischen Streit Heshusius’ Opponenten Luthers Votum eher nur wiederholen, kommt es mit der ‚Wiederkehr der Metaphysik‘ um die Jahrhundertwende seinem Gegenteil. Oder anders: Die Person Jesu ist der Prozeß der wechselseitigen Selbstmitteilung von Gott und Mensch“ – so präzise SLENCZKA (2005b, 90|f). Doch eben dieses von Luther Intendierte läßt sich mit seiner exklusiv ‚christologieexternen‘ Fassung des Abstraktum-Begriffs formal nicht einholen. 632 Die entscheidenden Sätze des Abschnitts in Luthers Enarratio werden ausdrücklich zitiert; vgl. o. bei u. mit Anm. 524. 531. 633 Vgl. o. D.III.2.1/2. 634 Dahinter steht freilich eine alternative christologische These; vgl. o. D.III.3.4.
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zu nochmaligen Bearbeitungen des Themas, die verbliebene Lücken der Lösung Luthers zu schließen vermögen. Diese dann den schwäbischen Revisoren am Anfang des 17. Jh.s635 schon vorausliegende Klärung bringt ein Mann voran, auf dessen innovatorische Leistung schon einmal hinzuweisen war: Salomon Gesner.636 5. Grundlegende Neuorientierung – Salomon Gesner 1595 Gesners Ausführungen De abstracto & concreto637 erläutern die fraglichen Termini von vornherein als Weisen distinkter Bezugnahme auf ein- und dasselbe, wenn sie deren Definition im Horizont des voraufgehenden, auch sachlich vorgeordneten Kapitels ‚De duplici consideratione naturarum in Christo‘ angehen.638 Bereits dieser Ansatz signalisiert die Korrektur der tradierten Lösung, die die Unterscheidung von Abstractum und Konkretum schlicht der Differenz von Person und Naturen parallelisiert. 5.1 Ein erster Schritt skizziert zunächst den philosophischen Begriff. (1.) Abstractum (το αφηρημενον; το κατ’ αφαιρεσιν )639 und concretum (το συνθετον & το κατα προσθεσιν ; 14/289) sind Beziehungsbegriffe. Ein Abstraktum ist jeweils abstrahiert von einem bestimmten Konkretum, ein Konkretum ist konkret relativ zu einem bestimmten Abstraktum.640 So kann ein- und dasselbe, je nach dem unterstellten Bezug (pro diuerso respectu), zugleich sowohl als konkret als auch als abstrakt klassifiziert werden – für Gesner eine zentrale Einsicht zur Klärung der verwickelten Debatte.641 (2.) Abstractum und Konkretum werden dezidiert als im Sein des Begriffenen fundierte Konzepte verstanden; sie sind Repräsentationen von extramental Gegebenem, nicht 635
Vgl. o. D.III.1. Vgl. o. D.II.5. 637 Disputationes, 1595b, Disp. 11, cap. 4, 1/285–22/292; vgl. Confessio 1595a, 62f. – Z.T. wörtlich aufgenommen von J. H OECKER, Clavis 1613, 89–91, und B. MEISNER, Philosophia Sobria I, 1611, 696–707, hier mit Korrekturen (s. u. D.III.6). 638 Nämlich als durch eigenes Wesen bestimmte (in se, absolute) und als in der Vereinigung durch das je koexistierende Andere neu qualifizierte (in mutua περιχωρησει & arctißimo complexu, κατα συνθεσιν, ratione unionis): 1/282–7/285, bes. 1/283, 3/284, 5/ 285); vgl. u. Anm. 650. – „quid in hac disputatione [de communicatione idiomatum] abstractum & concretum nominetur ... [i]d vero ex allata & explicata duplici consideratione naturarum in Christo commode exponi potest“ (1f/285f); „Vides ... duplicem duarum naturarum in Christo considerationem, alteram in abstracto, alteram in concreto ...“ (Confessio 1595a, 84; vgl. 1595b, 1/283). 639 4/286; abgrenzt gegen das ‚avulsum‘ ( κεχωρισμενον, 11/288) als Ergebnis realphysischer Abziehung (avulsio in re): die in Rede stehende abstractio meint eine – allerdings sachbedingte – mentale Operation (τη νοησει); vgl. u. Anm. 644. 646. 640 „Abstractum ... est relatiuum & respectu concreti sic appellatur. Quemadmodum vice versa concretum respectu abstracti nominatur“ (4/286). 641 „Vnde haec Regula diligenter notanda, quae multas disceptationes de abstracto & concreto dirimet: Quandocunque loquimur de abstracto, videndum est, cuius concreti abstractum sit, & contra. Nam pro diuerso respectu nihil impedit, quo minus idem sit & abstractum & concretum ...“ (5/286). 636
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lediglich terminologische Klassifizierungen ohne Rückhalt an den Dingen selbst.642 Dies gilt nicht nur für das die individuelle ‚res‘ signifizierende Konkretum, sondern auch hinsichtlich des Abstraktums, das die als solche nicht existierende Wesenheit benennt.643 (3.) Der in Rede stehende Abstraktionsvorgang meint nicht die real-physische Auflösung (avulsio) des begriffenen Dings (νοητον πραγμα) in dessen Teile (avulsum; κεχω− ρισμενον ; separatum). Im Blick ist vielmehr der Vorgang logisch-begrifflicher Abstraktion, wo in mentaler Operation das Einzelding (res) einer perspektivisch-isolierenden Betrachtung unterworfen wird, ohne realiter dissoziiert zu werden. 644
Auf der Basis dieser Grenzziehungen ergeben sich folgende Bestimmungen: Ein Konkretum benennt das vollständige Ding, wie es als einzelnes und individuelles existiert und sich als solches der sinnlichen Wahrnehmung (αισθησις, sensus) objiziert.645 Werden von einem solchen Konkretum in mentaler (νοησις; νους, mens) Präzision alle Akzidentien, das Zufällige seiner besonderen Existenz ‚abgezogen‘, führt dies auf das unabhängig von aller zeitlich-örtlichen Veränderung stabile Wesen (essentia, quidditas); eben dies hält der Abstrakt-Begriff fest.646 Als solches existiert das Abstraktum, wie in Wendung gegen die platonische Ideenlehre angemerkt wird, nicht für sich (seorsim per se); sinnlich nicht gegeben647 begegnet es jeweils nur in der Vereinzelung eines konkreten Kompositums. Trotzdem stellt es, so die gegenläufige Distanzierung von einem rigiden 642
„Abstractum ... & concretum res sunt & οντα, non sunt nuda λεγομενα & λεξεις absque re“ (7/287), gewendet gegen die (melanchthonische und calvinistische) grammatische Orientierung (Abstractum = Substantiv; concretum = adiectiuum), 6/286f. – Vgl. o. Anm. 510. 590. 606; u. D.III.6.1. 643 14/289; 8/287, 13/289; vgl. weiter u. bei u. mit Anm. 648. 644 „Aliud est abstractum το κατ’ αφαιρεσιν , & aliud auulsum το κεχωρισμενον. Nam abstractio fit τη νοησει mente, vbi res manet integra: auulsio autem fit in re & τω νοητω πραγματι , qua res destruitur, & in partes distrahitur“ (11/288, vgl. Confessio 1595a, 63). 645 „concretum το συνθετον & το κατα προσθεσιν , est res composita & copulata, seu ipsum το πραγμα, quatenus res integra existit, vt singularia & indiuidua. Hic homo, hic lapis, quem oculis vides & manibus palpas“ (14/289). – Zur ‚Erkenntnistheorie‘: „duae s[u]nt facultates cognoscendi in homine, ο νους mens, & [η] αισθησις sensus; quarum illa τα καθολου και τα ειδη, haec τα καθ ’ εκαστα singularia percipit“ (9/287f). 646 „abstractio fit τη νοησει mente, vbi res manet integra“ (11/288). – „Abstrahimus enim cum το αυτο eandem rem mente ab omni concretione seiunctam in sua propria essentia consideramus“ (12/288). „Mens enim rem ad contemplandum propositam ab omni concretione accidentium seiungit, & ipsam nudam eius quidditatem seu naturam perscrutatur“ (10/288). „Est autem abstractum non nuda appellatio, sed RES per sese, in sese, suaque natura, καθ’ αυτο, secundum suam definitionem, qualis ipsa per sese apta nata est, qualisque a Deo cum suis naturalibus seu essentialibus proprijs constituta, & qualis animi consideratione percipi, & a concretione accidentium & respectuum abstrahi potest. Philosophi nominant το καθ ’ αυτο, το οπερ ον , την ουσιαν , το ειναι, το τι ην ειναι, τον λογον τον το τι ην ειναι δηλωντα, & QVIDDITATEM“ (8/287). 647 „... τα καθ ’ ολου και τα ειδη ... res per sese, quales in sua natura sunt, neque[u]nt sensibus externis deprehendi, sed sola νοησει & animi peruestigatione, quae in ipsam intimam rerum naturam sese penetrat, intellig[u]ntur“ (9/288).
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Nominalismus, kein reines Verstandes-Konstrukt (nudus conceptus animi) dar, sondern bildet auch im jeweiligen Einzelding eine distinkte, im Sein des Begriffenen selbst begründete und darum erkennbare Größe, die nicht auf eine Operation des Verstandes reduziert werden kann.648 5.2. Die philosophische Klärungen appliziert Gesner in einem zweiten Schritt auf die christologische Frage (16/290–22/292). Dieser Transfer ‚e Philosophorum scholis ad Theologiam‘ vollzieht formal das – als solches akzeptierte – Verfahren der scholastischen Theologen nach,649 kommt aber sachlich zu einem völlig anderen Resultat. 5.2.1 Im Gegensatz zur scholastischen Bewertung der Naturen Christi exklusiv als ‚abstrakt‘ fordert die relationale Fassung der Begriffe eine komplexere Bestimmung. Einund dieselbe Natur ist abhängig von der gewählten Perspektive (consideratio) zugleich abstrakt und auch konkret: die Betrachtung der Naturen ‚an sich‘, als durch ihre wesentliche Verfassung bestimmte, führt auf den Abstrakt-Begriff, die Betrachtung derselben Naturen als durch die Vereinigung neu bestimmte erhebt den konkreten Begriff. 650 Dieser sich historisch auf Luthers ‚Empfehlung‘ berufenden, diese Vorgabe aber tatsächlich fortschreibenden651 Sicht zufolge gibt es im christologischen Zusammenhang sowohl ein doppeltes Konkretum als auch ein zweifaches Abstraktum. Im Konsens mit der 648
„Ac licet abstracta nunquam seorsim per se in rerum natura existant, sicut Plato suas ideas seorsim existere finxit: Tamen non sunt nudi conceptus animi, sed eiusmodi νοηματα quorum esse partim in rebus ipsis compositis & complexis, partim in mente inest. Vana enim est omnis νοησις, cui non subest res ipsa. Verbi ca[u]ssa: Hominem oculis videre non potes. Quod autem homo sit animal rationale, id animo percipis. Et hic conceptus animi non est inanis φαντασια, sed reuera in rerum natura existit animal rationale. Quamuis enim non potest seorsim tibi ostendi, vt animal rationale oculis cernas & manibus comprehendas, tamen datur in indiuiduis: & dato hoc singulari homine, datur simul homo, data hac materia ligni aut lapidis, simul exhibetur materia prima“ (13/289). 649 „quod ad ipsa vocabula attinet, non sunt illae quidem in sacris literis totidem syllabis annotata, sed scholastici Theologi docendi caussa e Philosophorum scholis ad Theologiam traduxerunt: Neque id vituperandum, sed potius commendandum“ (3/286). 650 „Nam quando naturas per se, in sese, suis naturalibus & essentialibus proprietatibus apud animum considero, tum abstractum nominatur. Quando easdem naturas in mutua illa περιχωρησει & complexu personalis vnionis specto, tum concretum est“ (16/290). 651 „Atque haec nobis a D. Luthero tradita & commendata abstracti & concreti natura“ (16/290). Im Blick sind wieder v.a. die einschlägigen Passagen aus Luthers Enarratio 53. cap. Jes (o. D.III.4). Wie sein Gewährsmann interpretiert Gesner die Differenz abstraktkonkret ‚ontologisch‘, als Veränderung von Gott und Mensch aufgrund beider Koexistenz in der Personeinheit Christi. Während Luther aber den Begriff des concretum unmittelbar von dieser realen Synthese der Naturen her bestimmt (concretio als unio und copulatio), wodurch das abstractum, weil entsprechend reale Trennung (separatio) signifizierend, dann zum Indikator des definitiv verabschiedeten terminus a quo der Christologie wird (o. D.III.4.4), faßt Gesner nun Konkretion und Abstraktion als mentale Operationen ( τη νοησει; vgl. o. Anm. 646); er kann darum nicht nur die christologische Neubestimmung (concretum), sondern ebenso die – als solche auch von Luther bejahte – bleibende essentielle Identität von Gott und Mensch auch innerhalb der Personeinheit (abstractum) formal mittels dieser Unterscheidung fassen.
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traditionellen Annahme und interkonfessionell unstrittig ‚konkret‘ ist zunächst die ‚ganze Person‘ aus beiden Naturen (tota persona, το συναμφοτερον ); sie bildet die für sich existierende individuelle res composita. „Nicht weniger“ konkret ist aber ebenso je eine der Naturen, auch als sprachlich ‚abstrakt‘ bezeichnete, sofern sie nur als durch die perichoretische Koexistenz mit der je anderen (cum adiunctione & intimo complexu alterius [naturae]) ‚veränderte‘ ‚betrachtet‘ wird: ‚in der Person‘ ‚ist‘ sie zugleich in Differenz zu ihrer perennierenden wesentlichen Identität, wie sie der abstrakte Begriff daneben festhält.652 – Dieselbe konkrete Natur stellt dann, relativ zum Konkretum der ganzen Person, ein Abstraktum dar, insofern ihre christologische Neubestimmung niemals ‚an sich‘ existiert, sondern nur ‚in‘ dieser Person kraft der Koexistenz mit der je anderen Natur, welche Verbindung aber im Konkretum der Natur nicht explizit mitbenannt wird.653
5.2.2 Der springende Punkt dieser christologischen Applikation654 ist das mittlere Konzept: Die Natur in concreto betrachtet ist sowohl Allgemeines (Abstraktes) als auch Besonderes (Konkretes) – (essentielle) Identität und (perichoretische) Veränderung koinzidieren. Die These eines konkreten Begriffs schon der Natur behauptet, daß christologisch ‚Gott‘ und ‚Mensch‘ nicht länger allein in linearer Entfaltung ihres jeweiligen Wesens ‚da sind‘. Ihr Wesen wird als solches nicht aufgehoben, erfährt aber in der perichoretischen Koexistenz mit der je anderen Natur durch dieses wesentlich Fremde eine so tiefgreifende Neubestimmung, daß die reinen Wesensbegriffe relativ hierzu eine Abstraktion darstellen. Christologisch bedeutet ‚Mensch‘ (homo, humanitas) stets auch den Repräsentanten göttlichen Seins und Handelns, ‚Gott‘ (Deus, divinitas) immer auch die Teilhabe des Schöpfers am menschlichen Geschick. Es besteht eine Einheit von Identität und Differenz. Einund dasselbe ‚ist‘ als Simul von wesentlicher Identität und dem perichoretisch vermittelten Anderen seiner selbst: „vides quod eaedem subiecto & numero res partim in sese considerentur, & sint idipsum, quod sua natura sunt, partim relate considerentur, & sint hoc ipsum, quod aliorum sunt“.655 Der perichoretischen Koexistenz mit der je anderen Natur kommt das gleiche Realitätsgewicht zu wie der Bestimmung durch eigenes Wesen. Das Geschehen der christologischen Union von Gott und Mensch stellt sich so dar als der Eingang beständigen Wesens in den Prozeß der Vermittlung an das fremde Andere ohne Aufhebung ihrer Differenz. Die Unio ist im zugespitzten Sinn dieses in identischer Existenz begründete Geschehen wechselseitiger Vermittlung ( αντιδοσις), in der die Naturen einander ihre Idiome vindizieren – das Geschehen der Existenzeinheit des essentiell 652
„Proinde Concretum in Christo dupliciter dicitur: Primum enim tota persona, & vt Damascenus loquitur, το συναμφοτερον vtraque natura simul accepta, & η συνθετος υποστασις, persona ex duabus, & in duabus naturis subsistens, & ipsae duae naturae personaliter vnitae. Deinde non minus concretum est, quando alteram naturam cum adiunctione & intimo complexu alterius cogito aut nomino. Concretum est, caro Christi, humana natura in hypostasi του λογου considerata: Licet enim voce abstracta indigitetur, tamen προσδιορισμος personae concretum innuit“ (17/291). 653 „Et idem [sc. concretum naturae] tamen etiam alio respectu est abstractum. Si enim conferatur cum tota persona constante duabus naturis, est abstractum“ (18/291). 654 Erinnert sei, daß Gesner diese Differenzierungen nicht als exklusiv christologische Theoreme, sondern zunächst als reguläre ontologische Bestimmungen entwickelt – dasselbe darum auch analog für den das christologische Datum illustrierenden anthropologischen Fall darstellen kann (20/292f). Vgl. anders dann Meisner, u. D.III.6.5. 655 2/284. – Zum Rückgriff auf die Relationskategorie (esse aliorum) vgl. u. D.IV.6.
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Verschiedenen.656 Diese Mitteilung erfährt bei Gesner, wie an früherer Stelle gezeigt, ihre symmetrische Auslegung an den beiden Polen dieses Geschehens: im Blick auf die natura humana als Metapoiesis, hinsichtlich der natura divina als Idiopoiesis.657 Das Konzept der konkreten Natur setzt deren unio (copulatio) mit der je anderen Natur voraus und expliziert diese Verbindung als Vollzug von Mitteilung, die nur in der Einheit der Person möglich und wirklich ist. Es benennt diese Einheit aber nicht ausdrücklich und formaliter. Relativ zur ganzen Person aus beiden Naturen ist, wie notiert, die jeweilige konkrete Natur insofern ein Abstraktum – die notwendige antinestorianische Formulierung des Sachverhalts, daß die christologische Neubestimmung nicht separat für sich existiert, sondern nur im hypostatischen Verbund von Gott und Mensch. Im Schritt von der konkreten Natur zur ganzen Person erfolgt so formal eine Konkretion, hin zur individuell allein existierenden res composita. Doch entspricht diesem Vorgang, im Gegensatz zum ontologischen Regelfall, kein Konkretionsgewinn in der Sache: die ganze Person Christi ist nicht konkret als Besonderung eines zugrundeliegenden allgemeinen Wesens, dessen in sich ruhende, nur akzidentell modifizierte Vereinzelung sie wäre. Sie hat kein eigenes Wesen für sich (tertium aliquid), sondern ‚ist‘ allein als Ort, Bedingung, Vollzug und Geschehen der Kommunikation und dadurch gesetzter Neubestimmung des essentiell bleibend Verschiedenen, das sie verbindet. Und entsprechend ‚gegenläufig‘: Der formell abstrahierende Schritt vom Konkretum der ganzen Person zum relativ dazu abstrakten Konkretum der Natur(en) führt nicht auf Wesen an sich; er stellt so, in Umkehrung der metaphysischen Abstraktionsrichtung, in der Sache eine Konkretion dar.658 Erst auf der formal nachgeordneten Ebene der konkreten Naturen wird aussagbar, was die Personeinheit ‚ist‘: der Prozeß der „Veränderung“, d.h. Neubestimmung von Wesen aufgrund der Koexistenz des Verschiedenen. Die eigentümlichen Sätze schwäbisch-lutherischer Christologie liegen auf dieser konkret-abstrakten Ebene der Naturen: will sie ‚konkret‘ von der ‚ganzen Person‘ reden, muß sie von der Neubestimmung der Naturen reden – vom Gotteshandeln des Menschen und von Gottes Teilnahme am Leidensgeschick dieses Menschen.659
5.3 Der konkrete Begriff der Naturen geht so einher mit einer spezifischen ‚Reduktion‘ des ontologischen Status des Personbegriffs. Schon die zeitge656
„Eodem pactu [mutuus complexus (= copulatio) der Naturen, 2/284] duae naturae in Christo, eo quod sunt hoc ipsum, quod quaelibet in se est, fundamentum vnioni suppeditant, quod autem in mutua sunt περιχωρησει & arctißimo Complexu, & caro est propria λογου caro, & vicißim λογος est carnis assumtae hypostasis, terminus inde vnionis emergit, qui nihil aliud est, quam mutua αντιδοσις, vt eam Damascenus iam olim nuncupauit, seu κοινωνια, vt vsitate vocamus“ (3/284). – „Atque ea αντιδοσις seu κοινωνια hac ratione, propter vnionem & mutuum complexum, ipsis naturis intercedit ουτος εστιν ο τροπος ... περιχωρησεως ... Iste est modus mutuae & alternatae attributionis, quod vna natura communicat alteri sua propria pro|pter personae identitatem & mutuum complexum“ (4/ 284|f). – Zum erneuten Rekurs auf die Kategorie der Relation (sc.: unionis fundamentum, terminus) vgl. eingehender u. D.IV.6.2. 657 Vgl. o. D.II.5.1. 658 „Der christologische Begriff concretum naturae dreht die Abstraktions- bzw. Konkretionsrichtung gleichsam um: die Naturen existieren in concreto nicht als Besonderung ihres allgemeinen Wesens, sondern ausschließlich in der Einheit ihrer gemeinsamen Person“ (SPARN, 1976, 100f, hier: 101; Hervorhebungen aufgehoben, U.W.). 659 Vgl. o. (D.III.) 1.1; 3.4.
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nössischen Kontrahenten haben diese Gewichtsverschiebung registriert und als ‚nestorianische‘(!) Auflösung der Personeinheit kritisiert – an die Stelle der tradierten Fassung der christologischen Unio als hypostatischer Identität trete hier der ruinöse Versuch, die Einheit Christi als Resultat (erst) der Kommunikation zwischen diskreten Subjekten, den Naturen, zu denken.660 Auch weit spätere Voten monieren eine hier vermeintlich statthabende ‚Verflachung‘ (K .Holl) oder gar ‚Entleerung‘ (H.E. Weber) des Personbegriffs.661 Diese Einsprachen lassen sich verstehen als – freilich problematischer – Reflex noch uneingelöster Explikationsaufgaben, die mit dem Konzept der ‚konkreten Natur‘ gestellt sind. Der systematische Ort dieser Klärung ist die Entfaltung der unio personalis im engeren Sinn. Vor der Analyse der einschlägigen Traktate soll jedoch die Untersuchung des Abstraktionsproblems zu einem vorläufigen Abschluß gebracht werden durch den Blick auf einen weiteren lutherischen Lösungsvorschlag, der e contrario noch einmal das besondere Profil der schwäbischen Position erhellt. 6. Versuch einer Synthese – Balthasar Meisner 1609/1611 Einen dritten Typus neben den durch Gesner und die jüngeren Schwaben einerseits, Chemnitz (und, diesem folgend, Hunn662) andererseits repräsentierten Linien vertritt B. Meisner. Der einschlägige Abschnitt seiner Philosophia Sobria663 läßt sich lesen als Versuch, Gesners Neuentwurf auf eine wieder664 ‚mittlere‘ Position hin zu korrigieren, die partiell zu jener tradierten Lösung zurücklenkt, die binnenlutherisch Chemnitz und Hunn fortschreiben: wie (anonyme) Zitate belegen, greift Meisner hinter zwischenzeitliche Restriktionen auch im sächsischen Raum665 direkt auf Gesner zurück, modifiziert aber zugleich die Vorgaben seines Wittenberger Lehrers. 660
Pointiert Th. Beza; vgl. u. D.IV.1. Vgl. C.III.2.3 (Anm. 399. 400). 662 Vgl. o. C.IV.3.2.4/5, auch u. E.I.1 (H. Garth). 663 Philosophia Sobria I, 1611, s. IV, c. V, Quaestio Unica: Quid sit abstractum & concretum? (I, 696–707; folgende Belegangaben hierauf bezogen). – Dem literarischen Genus des Werks (o. D.II.1.2) entsprechend entwickelt Meisner das Thema in philosophischer Perspektive, dies aber in christologischer Absicht (vgl. die Zuordnung im ‚Index Locorum Theologicorum‘; Bl. Ddd8 v). Eingehende Analyse bei SPARN, 1976, 95–101. Vgl. auch die – von Sparn nicht berücksichtigten – vorangehenden (1609, 61/88f–67/90) oder späteren (Disputationes, 1624b: Disput. XII. De Praedicationibus Personalibus [31. 1.1623], 38/173–44/175; Disp. XIII. De Communicatione Idiomatum Generatim considerata [28.2.1623], 12/181–17/183) Bearbeitungen Meisners. 664 Vgl. analog Meisners Konzept der Idiomenkommunikation (o. D.II.2, D.II.3.2). 665 Zu nennen ist hier Meisners anderer Wittenberger Lehrer L. Hutter. In dessen sonst deutlich Gesner fortschreibender und auch die Neuerungen der zeitgenössischen Schwaben rezipierender Explicatio Libri Concordiae von 1608 wird die Frage der christologischen Konkretion / Abstraktion eher beiläufig angeschnitten (929–935, im Kontext der 661
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6.1 Wie Gesner und die Tübinger weist Meisner die pointiert in dem ‚grammatischen‘ Verständnis calvinistischer Logiker verfochtene Orientierung an der isolierten Sprachgestalt (nuda vocabula) ab; die Analyse richtet sich sofort auf die semantische Frage (vocabulorum significata).666 Ebenfalls in Übereinstimmung mit den Vorlagen wird das ‚physische‘ (‚etymologische‘) Verständnis der fraglichen Abstraktion bzw. Konkretion (pro reali separatione aut conjunctione) ausgegrenzt667 und die Diskussion auf die Frage der ‚logischen‘ oder ‚mentalen‘ Abstraktion (Konkretion) konzentriert.668 Uneingeschränkt rezipiert Meisner ebenso das Verständnis des Abstrakten resp. Konkreten als relativer Begriffe (relata), mit der im (anonymen) Gesner-Zitat formulierten Folge, daß je nach der gewählten Perspektive ein- und dasselbe zugleich abstrakt und auch konkret sein kann.669 – Die Applikation des philosophischen Rasters auf den christologischen Fall (Theologice; 703–706) unterscheidet entsprechend je eine doppelte Verwendung des Abstrakten und Konkreten (-Personae, -naturae), was die scholastische Distinktion aufsprengt (702f). Kongruent mit Gesner zielen diese Aufstellungen auf das Konzept der ‚konkreten Natur‘, die sowohl Abstraktes als auch Konkretes ist. 6.2 Eigene Akzente setzt Meisner dadurch, daß er die christologisch erforderte Annahme zweier Grade von Abstraktion als Element schon der philosophischen Aufstellung des Begriffs verallgemeinert. Bereits im ontologischen Regelfall ist hinsichtlich der abstractio substantiarum670 zu differenzieren zwischen der ‚abstractio existentiae‘ und der weitergehenden ‚abstractio subjecti essentiae‘. Im ersten Fall wird von den individuierenden Bedingungen (conditiones individuantes) des Einzeldings, nämlich dessen jeweiligem ‚hoc, hic, nunc esse‘ abgesehen und so der Begriff der allen Individuen einer Species zukommenden Natur (natura universalis, omnibus individuis communis) gewonnen – e.g. der gegenüber einem bestimmten Menschen (hic homo) universale (die species benennende) Begriff ‚Homo‘ (698[.699]). – Die dann auf dieses erste Abstraktionsprodukt angewendete ‚abstractio subjecti essentiae‘ bestimmt in einem weiteren Schritt unter Absehung nun auch von dem ‚Subjekt‘ des Seienden dessen bloße Wesenheit (nuda substan-
Debatte über die Ubiquität der menschlichen Natur [913–1010]) und im Resultat auf der Linie von Chemnitz’ Lösung entschieden (vgl. die problematische Unterscheidung zwischen den Gegebenheiten des 1. und 3. genus [931f. 933], die unausgeglichen neben den späteren Voten zum Thema der Idiomenkommunikation [o. D.III.3.3] steht). Das durch die – Gesner (o. D.III.5.2) aufnehmenden – Ausführungen über den duplex respectus (sc. naturalis, personalis) beider Naturen (823–828, bes. 823–825) schon gelegte Fundament nutzt Hutter in dieser Hinsicht nicht. 666 696, mit (anonymem) Zitat Gesners (vgl. Disputationes 1595b; 7/287 [Anm. 642]): „Res enim sunt, & οντα, non nuda λεγομενα και λεξεις absque re“. 667 696f. – Luthers Abweisung (‚credendum esse in concreto, & de abstracto prorsus tacendum‘ [o. D.III.4]) wird auf diese Verwendung bezogen (697). Vgl. SPARN 1976, 96. 668 „Logice, pro mentali abstractione aut concretione, ubi abstrahere nihil aliud est, quam animo concipere & contemplari unum, ut non simul concipiatur alterum, quod tamen ab illo physice vel realiter non est sejunctum“ (697–702, hier: 697). Vgl. o. Anm. 646; D.III.1.2.2. 669 „... apparet, unum idemque diverso respectu, & concretum, & abstractum appellari posse. Sunt enim relata, quia concretum respectu abstracti concretum, & abstractum respectu concreti abstractum nominatur, ideoque notanda est regula: Quandocunque loquimur de abstracto, videndum est, cujus concreti abstractum sit, & contra“ (701; wieder in weithin wörtlicher Aufnahme GESNERs, Disputationes, 1595b, 4.5/286 [o. Anm. 641]). 670 Zur hier irrelevanten abstractio accidentium (699f. 702) vgl. SPARN 1976, 96f.
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tiae essentia & quidditas). In dieser zweiten Perspektive wäre, weil das subjectum essentiae noch mitbenennend, nicht schon ‚homo‘, sondern erst ‚humanitas‘ der abstrakte Begriff (698f). – Diese Binnendifferenzierung mündet in folgende Definitionen des Konkreten ( συνδεδυασμενον ) und Abstrakten ( αφαιρετικον ). Formal (in genere) gilt: ein konkreter Terminus ‚bezeichnet‘ und ‚mitbezeichnet‘ zugleich,671 der abstrakte Ausdruck dagegen benennt nur ‚einfach‘.672 Verknüpft mit den je 2 Stufen der Abstraktion bzw. Konkretion ergeben sich als Sachbestimmungen: Der konkrete Begriff eines substantial Seienden (concretum substantiale) benennt einmal etwas aus Wesen und Subsistenz (ex essentia & subsistentia: Petrus, Paulus, etc.) oder aber zweitens etwas aus Wesen und dem Subjekt des Wesens (ex essentia ... & subjecto: homo 673). Gegenläufig, für das ‚abstractum substantiale‘: dieses benennt etwas unter Absehung von der individuellen Existenz (homo), oder aber etwas in Absehung auch noch vom Subjekt dieses Wesens (humanitas).674 Von zentraler Bedeutung ist der mittlere Begriff (homo), in dem sich die Differenzierungen schneiden: ‚Mensch‘ ist einerseits abstrakt – relativ zu ‚hic homo‘ (concretum existentiale); und der Terminus ist zugleich konkret – respectu abstracti essentiae, d.h. relativ zur reinen Wesenheit (humanitas) des Seienden (701f). 6.3 Die christologische Applikation675 des so verfeinerten Modells unterscheidet in genauer Entsprechung je einen doppelten Begriff des Abstrakten und Konkreten (Personae, naturae). Der angezielte Mittelbegriff ist wie bei Gesner das Konkretum der Natur (concretum naturae), das sachlich mit dem abstractum personae zusammenfällt676 – extensional müssen so drei Begriffe differenziert werden. Das concretum personae ‚bezeichnet‘ beide Naturen und ‚mitbezeichnet‘ zugleich deren identische Hypostase, benennt also die ‚ganze Person‘ aus beiden Naturen (Jesus Christus, Immanuel, etc.). Ein concretum naturae bezeichnet nur eine Natur distinkt für sich in ihrem Gegenüber zur je anderen, konnotiert aber zugleich die Hypostase Christi, in der sie subsistiert (Deus, Filius Dei; Homo, Filius hominis). Ein abstractum naturae schließlich benennt ‚einfach‘ eine der Naturen, wie sie ausschließlich durch ihre Wesenheit bestimmt ist (divinitas, humanitas) (703. 705).
6.4 Von Gesners Vorlage weicht Meisner darin signifikant ab, daß er dieser durch die doppelte Abstraktion konstituierten Hierarchie dreier Ebenen (concretum personae, concretum naturae [= abstractum personae], abstractum naturae) eine Klassifizierung der christologischen Termini strikt korreliert; die grundsätzlich geforderte Separierung von Terminologie und Sachfrage677 wird insoweit ein Stück zurückgenommen. Meisner wertet die Termini divinitas (natura divina) und humanitas (natura humana) ausschließlich als Abstrakta (der Natur), weil sie nur simpliciter die bloße Wesenheit 671
„Concretum vel συνδεδυασμενον in genere est, quod compositum significandi modum habet, hoc est notat & connotat, significat & consignificat“ (701). 672 „Abstractum vero vel αφαιρετικον , simplicem significandi modum habet, nec una connotat illud, quod concretum simul exprimebat“ (701). 673 „Hic enim significo ... humanitatem, ac simul consignifico illud ens, quod ... per humanitatem homo est“ (701). 674 701; vgl. SPARN 1976, 97. 675 703–705 (vgl. SPARN, 1976, 98–101). Vgl. DERS., 1609, 63/89–64/89f; 67/90. 676 705; vgl. SPARN 1976, 98 bei u. mit Anm. 18. 677 Vgl. o. bei und mit Anm. 666 .669.
III. ‚Nova & alia Dialectica‘ – Sprachlogische Implikationen
413
denotieren, nicht die Hypostase konnotieren; sie dürfen so nur mit den jeweils konvenienten Wesensprädikaten verbunden werden. Dagegen tragen Gesner ebenso wie die ihm in der Sache folgenden Tübinger Theologen keine Bedenken, diese sprachlich (voce) allerdings abstrakten Termini bei Unterstellung des entsprechenden Sachbezugs (respectus; secundum Unionem considerari) auch als Konkreta der Natur zu verwenden; die Termini werden damit funktional den Meisner’schen Konkreta wie ‚Deus‘, ‚Homo‘ gleichgestellt; ihnen dürfen die essentiell fremden Prädikate der je anderen Natur attribuiert werden.678 Meisner vertritt selbstverständlich die durch die communicatio Majestatis gedeckten Prädikationen göttlicher Idiome von der menschlichen Natur (humanitas, Caro Christi, etc.). Nur wertet er diese Sätze konsequent als abstraktive Aussagen, da als Subjekt ein nach seiner Systematik ausschließlich als Abstraktum klassifizierbarer Ausdruck fungiert.679 Mit dieser sprachlogischen Klassifizierung der metapoietischen Sätze als praedicationes 678
Vgl. o. D.III.1.2 (Anm. 519). – In dieser formalen Abweichung spiegelt sich eine schon berührte Sachdifferenz. Auch für die alternative schwäbisch-sächsische Lösung steht außer Frage, daß es sich bei den konkret prädizierten Naturen um die in der einen Hypostase Christi identisch subsistierenden Naturen handelt. Jedoch entscheidet sich hier der abstrakte oder konkrete Status der Natur nicht an der formellen Konnotation dieser Hypostase. Ausschlaggebend ist allein der an der isolierten sprachlichen Gestalt der Termini nicht ablesbare Bezug auf das Realgeschehen der Kommunikation der Naturen in der Hypostase. Es ist Meisners Verteidigung der asymmetrischen Fassung der Idiomenkommunikation (o. [D.II.] 2.1, 3.2), die hier ihre Folgen für die Systematik der Konkreta und Abstrakta zeitigt: entscheidend der Ausschluß einer der communicatio Majestatis analogen idiopoietischen Betroffenheit der göttlichen Natur blockiert die Möglichkeit einer sachlich konkreten Wertung des der Sprachgestalt nach abstrakten Terminus (humanitas, divinitas) – dieser Schritt kann konsistent nur zugleich für beide Naturen getan werden, er setzt darum die Idiopoiesis im Tübinger Sinn voraus. 679 „haec propositio, Humana Christi natura vivificat, est abstractiva, quoniam in subiecto ponitur vocabulum naturae, quod formaliter tantum notat humanitatem, non connotat hypostasin, uti fit per vocabulum hominis vel filii hominis“ (706). – Zum Status des Subjektsterminus und zur Einordnung der ganzen Aussage vgl.: „ex vocabulis concretis concretivae, ex abstractis abstractivae praedicationes oriuntur. Illae sunt, cum vocabula personae, aut concretae naturae ponantur, ut cum dico, Christus est aeternus, vel Deus est passus; hae, quando abstracta naturae vicem subiecti tenent, ut, cum humanitas omnipotens, omniscia vel omnipraesens dicitur“ (705). Diese Klassifizierung entspricht – mit Ausnahme der Integration der concreta naturae – der Disjunktion Chemnitz’ (D.III.2.1). In der Intention mit Chemnitz überein kommt auch die das Problem des ostpreußischen Abstraktionsstreits berührende Abgrenzung einer legitimen praedicatio abstractiva (als metasprachlicher Klassifizierung), wie sie im dritten genus notwendig ist (706), von dem objektsprachlichen Einsatz des Abstraktumbegriffs (dici in abstracto): „Dici ... in abstracto, notat fundamentum & caussam praedicationis. Tum enim in abstracto aliquid dicitur de naturis, quando de iis dicitur respectu naturali & ratione quidditatis suae“ (705). So verstanden wäre die Aussage: ‚Humanam Christi naturam in abstracto vivificare‘ als unzulässig abzuweisen: „Ita enim sequeretur, vivificationem φυσικως vel naturaliter de ea praedicari“ (706). – Vgl. Anm. 680.
414
D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
abstractiuae lenkt Meisner insoweit zurück zur Position Chemnitz’, dessen einschlägiges Votum er auch zitiert.680 – Für den gegenläufigen Fall der Idiopoiesis dagegen bleibt eine solche praedicatio abstractiva ausgeschlossen; weil Meisner eine Betroffenheit der göttlichen Natur nicht kennt, ist hier nur die konkretive Aussage vom Konkretum der göttlichen Natur zugelassen: „Deus ... passus, crucifixus, mortuus“ (704).681
6.5 Die ‚Spitzensätze‘ lutherischer Christologie, die Aussagen der communicatio Majestatis, erscheinen in ihrer pointierten Formulierung (natura humana) bei Meisner als abstraktive Aussagen, die insofern nicht mehr von der Ontologie der Person her eingeholt werden können, sondern allein von ihrer biblischen Bezeugung her veranlaßt sind. Der vom allgemeinen Fall ‚transferierte‘ Begriff des Konkreten vermag den Vorgang der christologischen Konkretion von Wesen nicht zu integrieren. – Die alternative Lösung Gesners und der Tübinger vermeidet einen solchen Überschuß: Sie erhebt diese Kategorie zwar auch am ontologischen Regelfall, faßt sie aber als Differenzierung der Perspektiven (consideratio, respectus) so neutral, daß sie den sachlich unvergleichlichen christologischen Fall (nicht begründen, aber) integrieren kann: alle spezifischen Aussagen lutherischer Christologie – nach Tübinger Durchführung neben denjenigen des genus Majestatis auch diejenigen der Idiopoiesis durch die göttliche Natur – werden als konkrete Aussagen klassifizierbar. Am nun erreichten Punkt stellt sich erneut682 die Frage: Wie ist dieses in der schwäbischen Neufassung der Idiomenkommunikation vorausgesetzte, im Konzept der konkreten Natur auf seine sprachlogischen Konsequenzen hin bedachte Geschehen der Personeinheit als einer beiden Naturen widerfahrenden ‚Veränderung‘ an sich selbst gedacht? – Damit wendet sich die Untersuchung der Tübinger Neufassung der unio personalis zu.
680
MEISNER (706) zitiert Chemnitz, De Duabus Naturis, cap. 1 (1580, 12; vgl. o. D. III.2.2), übernimmt aber nicht die von Chemnitz (ibd.; o. Anm. 529) als zweite Möglichkeit dem etymologischen Gebrauch subsummierte ‚consideratio‘ der natura humana als „quasi extra unionem“ – diese Betrachtung war ja einleitend als ‚physische‘ Abstraktion von der logisch-mentalen unterschieden worden (o. Anm. 667). 681 Zu dem dieser Restriktion zugrundeliegenden Rekurs auf das Immutabilitäts- und Apathieaxiom vgl. o. D.II.2.1. Das dort Angefragte ist zu wiederholen: Es wird nicht einsichtig, wie unter Voraussetzung der Asymmetrie der Idiomenkommunikation die idiopoietische Rede vom Deus passus als Behauptung des realen Leidens nicht ‚nur‘ der ganzen Person, sondern auch des Deus ipse im Sinne der ‚divinitas in concreto‘ (704, Nr. 2) begründet werden kann, wenn andererseits die metapoietischen Sätze (704, Nr. 3) erst in semantisch äquivalenter abstraktiver Formulierung (o. Anm. 679) ihre lutherisch eindeutige Aussage erfahren. – Irritierend ist auch die Meisners grundsätzlichen Differenzierungen konträre Einordnung des Subjekts der Aussage von Ac 20,28 (Deus redemit Ecclesiam) unter die concreta Personae (703), wenn die idiopoietischen Aussagen doch explizit nicht auf die ganze Person bezogen sein sollen (704). 682 Vgl. o. D.III.1.3.
IV. Der kommunikative Begriff der Persona Christi
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IV. „... nihil aliud quam mutua αντιδοσις“ – Der kommunikative Begriff der Persona Christi IV. Der kommunikative Begriff der Persona Christi
1. ‚Vtrumque malum simul‘?683 – Theodor Bezas Doppelvorwurf 1.1 Das Konzept der ‚konkreten Natur‘ formalisiert ein spezifisches Anliegen v.a. der schwäbischen Christologie: die Person Christi sei ‚nichts anderes‘ als die Gemeinschaft ihrer Naturen (ambae naturae simul). Von dieser Person wird somit dann ‚konkret‘ geredet, wenn von der hier statthabenden ‚Veränderung‘ der Naturen die Rede ist – präzise in den Sätzen, die von dem Logos oder dem homo assumptus aussagen, was deren jeweiligem Wesen widerspricht, kommt zur Sprache, was die Person ‚ist‘.684 Auf diesen Versuch, die Personeinheit von der Kommunikation der Naturen her zu entwickeln, ist eine eigentümliche Anklage bezogen, der sich schwäbische Christologie seit ihrer Begründung durch J. Brenz mit auffälliger Konstanz konfrontiert sieht. Ihre sachlich prägnante und rhetorisch zugespitzte Formulierung hat sie durch einen der scharfsinnigsten und scharfzüngigsten Kritiker des ‚novum dogma‘ der ‚Ubiquisten‘ auf reformierter Seite, Theodor Beza, erfahren: „Hoc dogma coram omnibus Ecclesiis accusavi, & adhuc accuso, vt ex duabus inter se etiam repugnantibus blasphemiis Nestorii & Eutychetis conflatum“.685
Beza hat diese vernichtende Rezension der schwäbischen These nicht nur einmal repetiert,686 und auch bei anderen reformierten und römischen Polemikern begegnet der „auffallende Doppelvorwurf“: „diese Lehre ist zugleich nestorianisch und eutychianisch!“687 Überraschend mag nicht die an 683 T H. B EZA, Ad Joannis Brentij argumenta, & Jon.[!] Andreae Theses, quibus carnis Christi omnipraesentiam nituntur confirmare, id est Aduersos Nestorij & Eutychetis errores, Responsum (1565; im folgenden zitiert nach dem Wiederabdruck:), in: DERS., Volumen Tractationum Theologicarum, 1576a, I, 507–624, hier: 519. 684 Vgl. o. D.III.1.1; D.III.3.4. 685 De Hypostatica duarum in Christo Naturarum Vnione Adversus Jacobi Andreae assertionem (1565); 1576b, I, 625–645, hier: 625. 686 Vgl. nur die u. Anm. 702 genannten Belege. 687 H.E. WEBER, 1940, I/2, 169 (Hervorhebung U.W.). Vgl. neben den dort genannten Belegen aus dem kenotischen Streites den Vorwurf einer „Eutychi-Nestoriana Vbiquitas“, den C. LECHNERs so betitelte Disputation 1624 gegen Th. Thumm („Novum Eutychi Nestorianum“) zu Protokoll gibt: „Eosdem [Vbiquistas] Nestorianismum portentosa mixtione cum Eutychianismo coniungere“ (81/74f; vgl. insgesamt 81ff). Gespür für die Besonderheit der schwäbischen Christologie nicht erst der Neuorientierung von 1619ff verrät auch Lechners Notiz zum Sprachgebrauch: „Amant modos loquendi Nestorizantium“ (82/75; bezogen auf den Einsatz von concreta der Naturen – Homo assumptus; Filius Dei – als Subjekte in christologischen Prädikationen), so wenig sie die Intention der Schwaben trifft. – Vgl. dazu auch u. E.III.3(.2).
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
zweiter Stelle genannte Anklage auf ‚Eutychianismus‘ erscheinen – diese nahezu topische Denunziation württembergischer Christologie mit H.E. Weber, der auf das historische Phänomen nachdrücklich hingewiesen hat, als „unmittelbar einleuchtend“ zu bewerten,688 hieße freilich, faktisch die Prämissen der damaligen konfessionellen Gegner der Schwaben zu übernehmen. Tatsächlich ‚auffällig(er)‘ ist aber der konträre Vorwurf des Nestorianismus. Gibt er „einen richtigen Eindruck“689 wieder? 1.2 Bezas eigener Versuch, den Nestorianismus der „Brentianer“,690 der Akteure im ubiquitistischen Trauerspiel,691 zu belegen,692 baut auf einer scharfsinnigen, doch (bewußt?) mißverstehenden Interpretation jener von Brenz „in bestimmter Weise vollzogenen Generalisierung der Zwei-Naturen-Lehre“ (J. B AUR) auf.693 Ist, wie bei den Schwaben die Parole geht,694 in jedem Menschen die Gottheit ebenso gegenwärtig wie in Christus, wird jeder Mensch durch die Hypostase des Gottessohnes im Dasein ‚gehalten‘ (sustentari), so sind genau jene Bestimmungen schöpfungstheologisch, zumindest soteriologisch verallgemeinert, die die Tradition als konstitutive Auszeichnungen allein der hypostatischen Union entwickelt. Sie verlieren damit ihre Kraft zur Ausgrenzung des christologischen Sonderfalls – mit der Gottesrelation des Menschen Jesus steht es unter diesen Voraussetzungen nicht anders als etwa im Falle des Petrus.695 Hier wie dort ist nur ein parastatisches Beieinander von Gott und Mensch, nicht aber eine hypostatische Identität beider gegeben – Brenz’ Konstruktion führt stracks auf die Erneuerung des „merus & manifestissimus ... Nestorianismus“.696 Diese faktisch etablierte Diastase der Naturen suchen die Schwaben, so läuft Bezas Analyse weiter, zu überbrücken, indem sie in einem zweiten Schritt die These einer Mitteilung – „Ausgießung“ – aller göttlichen Proprietäten an die Menschheit Christi verfechten. Diese Mitteilung der Majestät aber nivelliert nun in ‚eutychianischer‘ Manier die wesentliche Differenz von Gott und Mensch und kann doch das diagnostizierte Gegenüber diskreter Subjekte nicht in die intendierte Personeinheit überführen, mögen auch die Naturen als so überall kopräsent (simul ubique omnipraesentes) behauptet werden.697 Die Rettung scheitert aus prinzipiellen Gründen: die schwäbischerseits für die Definition der unio personalis beanspruchte ‚universalis donorum (sc. divinorum) collatio‘698 erlaubt, gerade unter Brenz’ eigenen Voraussetzungen, immer nur die Formulierung eines lediglich graduellen Vorsprungs der Menschheit Christi, indem sie diese zwar als „homo divi688
1940, I/2, 169. Vgl. insgesamt 132f. 169–171. 1940, I/2, 169. 690 „Brentiani“: BEZA, Responsio, 1587, I, 89; vgl. 91. 691 „Vbiquitariae tragoediae actores“ (Responsio, 1587, I, 116). 692 BEZA, Responsum, 1576a, I, 519–549, bes. 519f. 530f. 549; De Hypostatica Vnione, 1576b, I, 625f; Responsio, 1587, I, 89–91. – Vgl. dazu auch BRANDY, 1989, 96f. 693 J. B AUR, 1993f, 148. 694 Im Blick hat Beza v.a. Brenzens abschließende christologische Schrift, die Recognitio von 1564, die die dichtesten Formulierungen des Topos bietet: Responsio, 1587, I, 89 zitiert Recognitio, 1564, 40, vgl. dort 40–47. Zur Sache vgl. u. (D.IV.) 1.3. 695 So in Aufnahme des von Brenz – in freilich konträrer Absicht – gewählten Vergleichspunktes: Recognitio, 1564, 41–47. 696 BEZA, Responsio, 1587, I, 89. 697 Responsum, 1576a, I, 519. 549. 698 Responsum, 1576a, I, 519; vgl. das volle Zitat u. Anm. 702. 689
IV. Der kommunikative Begriff der Persona Christi
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nissimus“ konzipiert und so von dem ‚homo divinus‘ Petrus unterscheidet.699 Doch in den Fesseln dieses komparativen Modells vermag sie nie die kategoriale Grenze zur hypostatischen Identität von Gott und Mensch zu übersteigen. Als deren schlechtes Surrogat entwirft sie mit der erhöhten Menschheit vielmehr das monströse Gebilde eines ‚Deus ... adoptiuus & secundarius‘. 700 Das schwäbische Konzept der communicatio Idiomatum erweist sich so als häretische Alternative zum tradierten Dogma der hypostatischen Union, das sie schon im Ansatz verfehlt: Der Versuch, die unio hypostatica durch die reale Idiomenkommunikation zur definieren, impliziert die ‚nestorianische‘ Voraussetzung zweier diskreter Subjekte als der Termini a quo und ad quem solcher Mitteilung, welche Diastase dann durch Exäquation der Naturen überbrückt werden soll. Kurz und schlecht: Brenz’ neuer Begriff der Personeinheit – „illa vnitionis hypostaticae naturarum Nestoriana, per Eutychianam naturarum realem communicationem definitio: & huius definitionis per naturarum falsam, & impiam illam exaequationem declaratio“701 – suche das zunächst etablierte nestorianische Übel in einem zweiten Schritt durch den konträren Irrtum des Eutyches zu ‚heilen‘. Damit aber wird das anfängliche Defizit nur potenziert; und am Ende steht eine monströs-verwunderliche Kombination ‚entgegengesetzter Blasphemien‘, die „in ein- und demselben Dogma“ Trennung und Vermischung, Skylla und Charybdis zusammenfügt – und beiden zum Opfer fällt.702
1.3 Indem Beza die Brenz-Andreae’sche These703 strikt am normativ gesetzten eigenen Begriff der hypostatischen Union als bloßer (suppositaler) Subsistenzeinheit – „Vnum sunt, vnio & communicatio“704 – mißt, wiederholt er gleichsam Brenz’ Verfahren unter umgekehrtem Vorzeichen. Denn die von Brenz allerdings in bestimmter Weise vollzogene ‚Generalisierung der Zwei-Naturen-Lehre‘ bildet dort kein Element der positiven christologischen Konstruktion, sondern wird als Nachweis der kategorialen Fehlorientierung reformierter und philippistischer Konzeptualisierungen der unio personalis entwickelt; in dieser polemischen Funktion erstellt sie erst die negative Folie für die eigene These. 699 „Erit igitur Christus quidem diuinissimus, at non Deus, Petro autem diuinius tantum aliquantenus“ (Responsio, 1587, I, 89). 700 Responsum, 1576a, I, 531. 701 So das pointierte Oxymoron Responsio, 1587, I, 137f. 702 „... vel in separationem, vel in confusionem, id est, vel in Scyllam, vel in Charybdim, vel etiam, in vtrumque malum simul incidere. Hoc autem postremum, nempe, vt uno eodemque dogmate & separatio & confusio introducatur, quum videatur euenire non posse, tamen nunc astutia Satanae factum in hoc nouo dogmate arbitramur, quo confunduntur quidem proprietates cum Eutychete, essentiae vero, quamvis simul vbique omnipraesentes statuantur, tamen si personalis vnio in vniversali tantum donorum collatione ponatur, re ipsa cum | Nestorio dissoluuntur“ (Responsum, 1576a, I, 519|f; vgl. 531. 549). 703 Zu von Beza ignorierten Differenzen zwischen Brenz und Andreae vgl. BRANDY, 1989, 96f. 704 So die konzise Formulierung, die Beza 1586 im christologischen Schlagabtausch des Mömpelgarder Kolloquiums mit J. Andreae (o. [C.] Anm. 684) vorbringt (Acta Colloquij Montis Belligartensis, 1587, 264; vgl. 250. 258. 289); aus dem literarischen Nachgefecht: „κοινωνιας nomen quum hoc hypostaticae vnitionis naturarum mysterium designat, nihil aliud quam illam ipsam ενωσιν declarare“ (BEZA, Responsio, 1587, I, 96).
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
Nur die Grundzüge müssen hier notiert werden. – (1.) Brenz’ Schweizer Gegner und auch Melanchthon entwickeln die unio hypostatica formal im Rahmen des überlieferten Rasters der gradus praesentiae Dei,705 material im Rückgriff auf die elementaren Topoi des spätscholastischen Modells der suppositalen Union.706 Die bleibend unpersönliche angenommene natura humana wird vom Suppositum der Logos-Person ‚gestützt‘ (sustentari, suppositari) und so zu individueller Existenz und aktuellem Dasein gebracht. Dieser Verbund von Tragendem (sustentans) und abhängig Getragenem (sustentatum, massa sustentata) bildet in externer Hinsicht eine Existenzeinheit. Nach innen aber kommt es über das bloße Dependenzverhältnis hinaus zu keiner Partizipation von Gott und Mensch selbst; der auch christologisch nicht modifizierte Kanon der Unvermittelbarkeit von ens infinitum und finitum bildet gerade das Prinzip, an dem die Rekonstruktion der Personeinheit als lediglich suppositaler Union ihr verbindliches Maß findet. (2.) Es ist diese rigide Extrapolation des onto-theologischen Axioms ‚finitum non capax infiniti‘ in den Zusammenhang der Christologie, der im Kern Brenzens Widerspruch gilt.707 Die suppositale Dependenz, die dieses Modell als singuläre Auszeichnung (der Menschheit) Christi reklamiert, bildet in Wahrheit lediglich eine protologische Bestimmung. Jeder Mensch, ja jedes Geschöpfes wird, in sich unselb-ständig, allein durch die konservatorische Nähe seines Schöpfers ins Dasein gebracht und darin erhalten. Diese Weltimplikation Gottes als das Korrelat der ontologischen Bedürftigkeit der Schöpfung kann Brenz zugespitzt in jener von Beza inkriminierten ‚Generalisierung der Zwei-Naturen-Lehre‘ (J. BAUR)708 fassen. „Auf seine bestimmte Weise“ – eine Kautele, die Brenz’ Kritiker hartnäckig unterschlägt – ‚besteht‘ jeder Mensch, letztlich jedes Geschöpf aus ‚zwei Naturen‘, der abhängigen eigenen und der tragenden göttlichen, und würde ohne diese Koexistenz ins Nichts zurücksinken. 709 Darum kann das Spezifikum der christologischen unio von Gott und Mensch in diesem kategorialen Rahmen nicht formuliert werden. Eine von hier aus entworfene Christologie integrierte sich in den Zusammenhang der Schöpfungslehre, wäre vom allgemeinen Datum immer nur als lediglich graduell unterschiedener Sonderfall abgrenzbar. (3.) Demgegenüber orientiert Brenz seine positive Bestimmung der unio personalis kategorial neu.710 Das Spezifikum Christi wird allein da erreicht, wo anstelle der suppositalen Dependenz die christologische Einheit von Gott und Mensch als Vollzug von Mitteilung bestimmt wird. Allein ‚in Persona Christi‘ teilt sich die erhaltend bereits jedem Geschöpf gegenwärtige Gottheit in ihrer ganzen Fülle (Kol 2,9) der Menschheit mit. Mit der ab 1564 belegten schulmäßigen Formulierung: Generisch ist die Personeinheit von Gott und Mensch als ‚Coniunctio seu Unio duarum naturarum, divinae & humanae‘ zu verstehen, und diese Bestimmung hat „Christus mit allen Menschen gemeinsam“. 711 Die kategoriale Sonderung benennt erst die differentia specifica, die ‚unica, vera ac perfecta
705
Dazu vgl. auch o. B.II.2.2. Dazu vgl. o. C.IV.1.1.1. – Zu Brenz’ Begriff der unio personalis vgl., in Weiterführung von MAHLMANN, 1970, v.a. BRANDY, 1991, 32–34. 76–80; zu Binnendifferenzen bei Brenzens Schweizer Kontrahenten: BRANDY, 1991, 105–110, bes. 108ff. 707 Vgl. BRANDY, 1991, 155–172; DERS., 2000, 61–64; J. BAUR, 1993f, bes. 146–153, sowie, als theologisch besonders eindringende Interpretation, DERS., 2010a, 28–46. 708 J. B AUR, 1993f, 148. 709 J. BRENZ, Recognitio, 1564, 15f. 710 BRANDY, 1991, 162–169; J. B AUR, 2010a, 35-46. 711 BRENZ/ANDREAE, Apologia, 1564, 85. – Vgl. BRANDY, 1991, (61–67.)168f; HUND, 2006, 102–109, bes. 108f. 706
IV. Der kommunikative Begriff der Persona Christi
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Communicatio Idiomatum‘; allein durch sie ist Christus „von allen Menschen unterscheiden und über alle Creatur auch nach seiner Menschheit gesetzt“.712
1.4 Bezas Kritik des Entwurfs Brenzens geht an dessen Intention fraglos vorbei. Doch haben die Einwände des Genfer Kritikers Anhalt an bestimmten Formulierungen dieses Konzepts und markieren bestimmte Schwachstellen in der Durchführung. Einige Unklarheiten schafft Brenz selbst durch Überdehnung des neuen Ansatzes. Indem er nicht nur – durchgehend – die Kategorie der ‚Gegenwart‘ oder ‚Einwohnung‘ (inhabitatio) Gottes soteriologisch oder protologisch verallgemeinert, sondern daneben auch – gelegentlich – der (Selbst)Mitteilung Gottes eine „protologische Dimension, wenn auch nur in quantitativer Reduktion“ zuschreiben kann,713 verliert tendentiell auch das Konzept der communicatio proprietatum die Kraft zur kategorialen Ausgrenzung des christologischen Datums – gegen seine Intention kann Brenz selbst den Vorrang der Menschheit Christi hinsichtlich der Teilhabe am Sein Gottes faktisch nurmehr quantifizierend bestimmen. Die Kritik am komparativen Modell der gradus-praesentiae wird so an einem wesentlichen Punkt von Brenz selbst wieder „unterlaufen“.714
Eine wohlwollende Interpretation kann zugestehen, daß dieses „Monendum im Detail“ nichts „am Gesamtzusammenhang“ ändert, der klar auf die kategoriale Auszeichnung der christologischen Personeinheit zielt.715 Doch indem Brenz auf eine positive Neuinterpretation schon der hypostatischen Union als einer exklusiv christologischen verzichtet, wächst die Schwierigkeit, die als ausschließliches Differenzkriterium beanspruchte Idiomenkommunikation dagegen zu sichern, als ein Austausch zwischen diskreten Subjekten mißverstanden zu werden. Es wird nicht anhand der Struktur bereits der unio hypostatica selbst erläutert, weshalb diese unio nicht ohne die These der Idiomenkommunikation expliziert werden kann. Bezas Unterstellung, Brenz ersetze die unio hypostatica durch die collatio donorum,716 formuliert einen Verdacht, den Brenz zwar stets abweist – kann er ihn aber stichhaltig widerlegen? Die im Kontext der ursprünglichen konsekutiven Zuordnung (oritur) von unio personalis und communicatio idiomatum 1561 noch geltend gemachte Einsicht: „Neque enim posset ulla esse vera idiomatum communicatio inter divinam et humanam naturam in Chri712
BRENZ/ANDREAE, Apologia, 1564, 85. BRANDY, 1991, 172 mit Verweis (ibd. Anm. 13) auf Brenzens Auslegung von Kol 2,9 in der Recognitio, 1564, 130.47. – Zum Verständnis der Schöpfung als ‚Selbsthingabe Gottes‘: BRANDY, 1991, 170–172 bzw. 251–253. 714 Dies unterstreicht zu recht BRANDY: „Der Gegensatz ... gerät Brenz nun doch zu einem quantitativen: Den Kreaturen wird einiges an Gottheit als Gabe übereignet, Christus alles. Die qualitative, von Brenz mit Emphase gerade an Kol 2,9 herausgearbeitete Differenzierung, nach der Gott in allem ganz ist, aber nur in Christus seine Majestät mitteilt, wird so unterlaufen“ (1991, 172; Hervorhebungen Br.). 715 BRANDY, 1991, 172. 716 Vgl. o. Anm. 702. 713
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sto, nisi hae duae naturae essent in una persona inseparabiliter unitae et consociatae“,717 läßt Brenz dann mit dem Übergang zur konstitutiven Zuordnung der Idiomenkommunikation fallen. Die aus dieser Leerstelle resultierende Problematik bleibt unbearbeitet.718 Mit diesem einen Manko hängen bestimmte andere Defizite der Brenz’schen Durchführung der Idiomenkommunikation zusammen. – (1.) Die modale Explikation dieser Mitteilung als eines ‚Ersatzes‘ bestimmter – als akzidentell deklarierter – Proprietäten719 läßt sich nur nach der Seite der natura humana hin, nicht aber für die unveränderliche Gottheit durchführen. Anstelle der grundsätzlich intendierten Symmetrie der christologischen Mitteilung muß Brenz die communicatio Idiomatum, je länger, desto eindeutiger, einlinig auf die Mitteilung der göttlichen Majestät an die Menschheit beschränken. Eine gegenläufige Teilhabe Gottes am menschlichen Geschick ist in diesem Rahmen nicht einholbar; sie kann nur noch als Kehrseite oder Implikat jener ‚Theogenese‘ des Menschen behauptet werden. An der theopaschitischen Frage wirkt sich so folgenreich aus, daß eine Bestimmung der Struktur schon der christologischen unio fehlt, welche die Idiomenkommunikation statt als partiellen Ersatz menschlicher Eigentümlichkeiten als Begründung einer Simultaneität konträrer Bestimmungen zu explizieren erlaubte.720 Und (2.): Die isolierte Beanspruchung der Idiomenkommunikation läuft jedenfalls Gefahr, diese Mitteilung als ein abgeschlossenes Geschehen am ‚Anfang‘ der unio personalis zu fixieren. Damit würde die Menschheit als ‚autonomes‘ Subjekt des zwar einst von Gott ‚Empfangenen‘, aber nun ‚Besessenen‘ gegenüber dem göttlichen Terminus a quo der Kommunikation in problematischer Weise isoliert. Hierauf zielende Anfragen weist Brenz zwar ab und erklärt diese Mitteilung als kontinuierlichen Empfang des hinsichtlich seines Ursprungs bleibend Fremden; sie kommt niemals in der Konstitution eines zwar übernatürlich introduzierten, dann aber an sich seienden neuen Zustands der Menschheit Christi zur Ruhe.721 Diesen Prozeßcharakter der communicatio Idiomatum argumentativ festzuhalten aber verlangte, die Struktur schon der vorausliegenden unio personalis selbst entsprechend auszuarbeiten; und dies näherhin so, daß von dieser Basis her beides zugleich festgehalten wird: einerseits die Unterscheidung der ‚Theogenese‘722 der Menschheit Christi von einer Veränderung des Wesens durch den Nachweis der bleibenden Begründung dieser Neubestimmung allein in der koexistierenden Gottheit; andererseits die Abgrenzung dieses inneren Gegenübers der Person Christi von einem Konkurrenzverhältnis, das um der Wahrung des Binnengefälles von Zueignung und Rezeptivität 717
De Personali Unione, 32,8–12, hier: 9ff. Vgl. zum Befund BRANDY, 1991, 167f Anm. 50, der diese Selbstkorrektur Brenz’ notiert, ohne indes auf deren Problematik weiter einzugehen. 719 Dazu genauer MAHLMANN, 1970, 234–244; BRANDY, 1991, 179–193. 720 Vgl. dazu o. C.IV.2.6.2. 721 Zu Brenzens hier einschlägiger Differenzierung ουσια-εξουσια vgl. v.a. MAHLMANN, 1970, 253–259: „Die Personeinheit bedeutet also, daß Jesus das Subjekt des Gottseins Gottes ist, daß er Gott darstellt. Das bedeutet aber nicht, daß in diesem Vorgang der Mensch Jesus mit Gott selbst verwechselt werden könnte, als entspränge das Gottsein Jesu seinem Menschsein, wäre dessen Produkt. Zwar ist Jesus das Subjekt des Gottseins Gottes, aber dies bedeutet eben nicht dessen Hervorbringen, sondern sein Empfangen. Die Personeinheit Jesu mit Gott bedeutet als ein Beteiligtsein am Gottsein ein Beteiligtwerden, als Teilnahme Jesu Gottes Teilgabe“ (255; Kursivierungen M.). 722 Vgl. o. C.III.2.4. 718
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eine subjektive Funktion der Menschheit in externer Hinsicht ausschließt und dieser de facto nur den Status eines ‚Instruments‘ der Gottheit zuerkennt. 723
1.5 Die reklamierte Struktur der unio personalis als Simultaneität von perennierender substantialer Identität (die Naturen an sich) und kommunikativer Veränderung kraft hypostatischer Koexistenz stringent auszuarbeiten, gelingt Brenz nicht. Es dürfte mit diesem Defizit724 zusammenhängen, daß die lutherische Christologie nach 1565 Brenz in dem unvermittelten Zugriff auf die communicatio Idiomatum als die differentia specifica der christologischen Personeinheit unter gleichzeitiger protologischer oder soteriologischer Verallgemeinerung von deren generischer Bestimmung als ‚unio/ coniunctio naturarum‘ auf’s Ganze gesehen nicht gefolgt ist. Dies gilt nicht nur für die v.a. durch Chemnitz repräsentierte binnenlutherische Alternative, die die gemeinsam bejahte Intention des ‚neuen Dogmas‘ innerhalb des tradierten (melanchthonischen) Rahmens zur Darstellung bringen will – also am Stufenmodell der Gradus praesentiae festhält und die singuläre christologische ‚praesentia longe alia‘ als hypostatische Identität von Gott und Mensch faßt,725 aus der dann freilich die communicatio idiomatum ‚hervorgehe‘ und ‚fließe‘.726 Auch in Schwaben selbst geht man daran, die systematische Lozierung des Themas zu revidieren. Der definitionale Zusammenhang von unio personalis und communicatio Idiomatum, die Pointe der Brenz’schen Verhältnisbestimmung, wird ‚gelockert‘. Die Idiomenkommunikation gründet in der hypostatischen Vereinigung, diese kann ohne die Angabe dieser Mitteilung nicht vollständig ‚beschrieben‘ (describi) werden. Aber dieser faktisch unaufhebbare Zusammenhang wird nicht mehr formallogisch als Verhältnis von Genus und differentia specifica strukturiert, sondern – so nun die ermäßigte Fassung – als Verhältnis von Ursache (causa) und allerdings notwendiger Folge (effectus; consequens) 723
Dies dürfte die Gefahr der bei und seit Andreae zu konstatierenden Umprägung des Brenz’schen Entwurfs zum Konzept der „Wirkungseinheit“ sein, das die natura humana als ‚Instrument‘ des Logos denkt: „wie die Seel durch den Leib/ mit welchem sie wesentlich vereinigt/ all ir krafft vnnd würckung übet/ ... Also hat sich auch der Son Gottes mit der angenommenen menschheit/ so er jme eigen gemacht/ in ein Person vereiniget/ dz die Gotheit all jr Krafft vnd vermögen durch disen Menschen übet/ durch jn/ und mit jm alles handelt/ vnd ohn jn nichts handlen will“ (Erklärung, 1565, 21). – BRANDY, 1989, 84– 109, bes. 91–94. 95–97; DERS., 2000, 68–83, bes. 76f. 81f. 724 Diese Einschätzung geht über BRANDYs Bewertung hinaus, der die Intention des Brenz’schen Programms und die Problematik der Durchführung konzis beschreibt (1991, 172f), letztere dann aber doch als bloße ‚Gefahr‘ (173) m.E. unterschätzt. 725 Chemnitz’ Versuch, die differentia specifica der christologischen Union zu explizieren, steht unter der Leitfrage: „qualis sit hypostatica vnio duarum naturarum in Christo, & [epexegetisch!] qua differentia a reliquis modis praesentiae, inhabitationis, seu coniunctionis diuinitatis discernatur. Nos vocabimus formam seu specificam differentiam hypostaticae vnionis“ (De Duabus Naturis, 1580, cap. 5, 59–75, hier: 61). 726 Vgl. nur das konzise Referat bei J. B AUR, 2007, 227–241.
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gefaßt.727 – Diese Zuordnung erneuert und präzisiert jene von Brenz ursprünglich vertretene Sicht, die er in den späteren Schriften zugunsten der definitionalen Koppelung aufgegeben hatte.728 Dieser erneuten Entkoppelung korrespondiert der Versuch, auch Brenz’ protologische Verallgemeinerung der generischen Bestimmung der Personeinheit (unio, coniunctio) zu revidieren und diese Festlegung für die Christologie zurückzuerobern. Die polemische Abzweckung der Brenz’schen These, der Einspruch gegen die suppositale Union, wird vorbehaltlos bejaht. Doch verzichtet dieser Widerspruch jetzt darauf, Brenzens emphatisch vertretene Präsupposition, die Unterstellung einer ‚Zwei-Naturenschaft‘ aller Menschen (resp. Dinge), zu wiederholen. Dahinter steht ein neues Sachinteresse. Das Spezifikum der Person Christi, zu deren vollständiger Beschreibung auch jetzt die Idiomenkommunikation unverzichtbar gehört, soll und kann gleichwohl schon an deren vorgeordneter generischer Bestimmung als unio personalis/hypostatica ausgewiesen werden. Dies verlangt in formaler Hinsicht, die von Brenz ausschließlich als generische in den Blick genommene und dann protologisch verallgemeinerte Bestimmung der unio personalis an sich selbst der Differenzierung von Genus (unio) und differentia specifica (personalis/hypostatica) zu unterwerfen – noch einmal je separat nach der Semantik des Nomens (unio) und des präzisierenden Adjektivs (personalis) zu fragen. Was die generische Bestimmung (unio) anbelangt, so konnten die nochmaligen Klärungsversuche auf Brenzens Auslegung der Person-‚Einheit‘ als Kopräsenz des Vereinigten (ubi-ibi) zurückgreifen,729 welcher Konnex allerdings seit ca. 1585 mit Ä. Hunn in Richtung auf die praesentia intima (ubi-ibi secum/sibi) ‚entschärft‘ wird.730 Deutlich größere Anstrengungen verlangte hingegen die nun neu als Spezifikum in den Blick genommene 727
Vgl. bündig Ä. Hunn: Seine Bestimmung der unio personalis gibt der realen Kommunikation weiterhin entscheidendes Gewicht (Libellus, 1587, I, 32; zitiert o. [C.] Anm. 642), doch werden Unio und communicatio jetzt penibel unterschieden: „Quid differt communicatio Idiomatum ab Vnione ipsa? Differunt, ut prius & posterius. Siquidem Vnio non quidem tempore, sed ordine Naturae prior est Communicatione Idiomatum, & haec tanquam effectus ab Vnione dependet. Proinde non sunt unum & idem, sed revera diversa“ (Libellus I, 1587, 36). Die Betonung der Differenz von unio und Idiomenkommunikation – revera diversa! – richtet sich zwar zunächst gegen die reformierte Identifizierung beider (unio est communicatio; vgl. o. Anm. 704). In der Sache distanziert sie aber auch alle Versuche der frühen schwäbischen Christologie, die Personeinheit geradezu als Mitteilung (effusio) der Eigenschaften zu definieren. 728 Vgl. das Material bei BRANDY, 1991, 167f Anm. 50 (vgl. o. Anm. 718). 729 Vgl. o. C.IV.1. – „In der Kategorie des Raumes besagt allein die ‚formale‘ Definition der Person [als etwas Unteilbares – individua substantia; vgl. BRANDY 1991, 156f] bereits, daß seit der Inkarnation die Menschheit aufgrund ihrer personalen Mitexistenz an jedem Ort ist, an dem die göttliche Natur ist“ (BRANDY, 1991, 160). 730 Vgl. o. C.IV.3.1(.2).
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Bestimmung des Personalen resp. Hypostatischen. Wieder sind es (erst) die ‚Neuerer‘ im Zusammenhang der ‚Wiederkehr der Metaphysik‘ um die Jahrhundertwende – Gesner, Schaefer, Wegelin u.a. –, die die Theorie voranbringen. Argumente und Resultate dieser Klärungsversuche sollen ausgehend von M. Schaefers Entwurf vorgestellt werden. 2. Michael Schaefer 1602/1607 Schaefer731 orientiert die Bestimmung der unio personalis an der traditionellen Definitionstheorie und entfaltet sukzessiv Genus und artbildende Differenz. Das Genus der Personeinheit gilt Schaefer mit dem Nomen unio benannt (2.1); für die Bestimmung der artbildenden Differenz greift er nicht schon auf die Idiomenkommunikation vor, sondern sieht dieses Spezifikum bereits durch den Zusatz personalis selbst bezeichnet (2.2). 2.1 Generisch ist die christologische Einheit als unio oder coniunctio732 von Gottessohn und angenommener Menschheit bestimmt. Während Brenz diese Bestimmung protologisch oder jedenfalls soteriologisch verallgemeinert, reserviert Schaefer sie dem christologischen Datum, kommt ansonsten aber mit den schon von Brenz festgehaltenen Einsichten überein. Als coniunctio verstanden ist die Personeinheit elementar (primum) auszulegen als kontinuierliche Kopräsenz der Naturen füreinander und miteinander: vtriusque Naturae plenissima, intima & vnitissima praesentia (4/2). Jede Distanz der Naturen zueinander ist damit ausgeschlossen (4–7/2), da Vereinigtsein und Abständigkeit im Verhältnis einer strikten Alternative stehen. Daß die Naturen „raumlich vnzertrennt“ (6/2) existieren, ist elementare Bedingung ihres ‚Eines‘- und ‚Vereinigt‘-Seins.733 Hinsichtlich der Durchführung teilt Schaefer dann die zwischen Brenz und den ‚Kryptikern‘ übliche Inkonsequenz schwäbischer Christologie. Wo es bei der Entfaltung des genus Majestatis im Blick auf den status exinanitionis zum Schwur kommt, weicht auch er auf die Lösung des gemäßigten Ubiquismus aus: erst mit der (nachösterlichen) Erhöhung zur Rechten Gottes tritt zum stetigen ‚Besitz‘ (actus primus, possessio, κτησις) der mitgeteilten göttlichen Majestät auch deren vollständiger Gebrauch ( χρησις, plenus usus), kommt es über die interne Erschlossenheit der Naturen füreinander hinaus ‚auch‘ zur Kongruenz des Weltverhältnisses der Naturen kraft der ‚nun‘ kontinuierlichen Teilhabe 731
Disputatio Opposita Scholasticorum quorundam Erroribus, De Personali duarum in Christo vnione & communicatione, (11., 12. u. 14. Juni) 1602a; im folgenden zitiert nach dem Neuabdruck: Disputatio I. De Personali Duarum Naturarum in Christo Vnione, in: SCHAEFER, Ακροπολις, 1607, 1–47; folgende Belegangaben hierauf bezogen. Vgl. o. bei u. mit Anm. 168. 170. 732 „Capvt I. Vnionis personalis in Christo Genus ponitur, quod est coniunctio“ (1/1– 7/2, hier: p. 2; vgl. p. 2 i.m. zu 4/2). – Dies entspricht Brenz; vgl. o. bei Anm. 711. 733 „... quae sunt remota inuicem, quomodo personaliter VNITA erunt?“ (5/2) Vgl. 82/ 26; II. Disputatio, 1602b, 72.74/12r–78/12 v. – Ebenso dann später Lc. Osiander (o. C.II. 3.2.3.2 [ad.1]).
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der Menschheit am allgegenwärtigen Weltregiment des Logos.734 Schaefer kritisiert zwar, wie gesehen, scharf das Moment der Selbstbezogenheit und Weltabgewandtheit in der (Schegk’schen) Annahme einer (nur) psychologisch (conscia mente et conformi voluntate) vermittelten ‚Teilhabe‘ der Menschheit an der Weltherrschaft des Logos – die analoge Tendenz der praesentia-intima-Lösung, die diese Selbstbezogenheit für den status exinanitionis festschreibt, bleibt von dieser Kritik unberührt.735
2.2 Die spezifische Differenz der christologischen unio oder coniunctio indiziert für Schaefer (bereits) deren Qualifizierung als (unio) personalis.736 Dieses Verweilen auf der Ebene der unio dokumentiert die entscheidende Weiterentwicklung gegenüber Brenz, der diese Differenz im direkten Zugriff schon auf die Idiomenkommunikation entfaltet. 2.2.1 Die in dem Zusatz ‚personalis‘ gefaßte Besonderheit der christologischen Verbindung klärt Schaefer zunächst via negationis, indem er die Personeinheit den ontologischen Mustern natürlich und regulär konstituierter Einheiten kontrastiert. Diese unio personalis von Gott und Mensch entzieht sich, so die hier zentrale These, der im Bereich der natürlichen Dinge vollständigen Disjunktion von entweder akzidentell oder aber wesentlich (essentiell) begründeter Einheit und Identität.737 Die christologische Unio verbindet zwei je für sich vollständige Substanzen, die auch als vereinigte essentiell disparat bleiben. Doch geht diese Übereinkunft über eine bloß äußerliche Verknüpfung hinaus und ist zudem irrevozibel-definitiv. In beiderlei Hinsicht unterscheidet sie sich damit von den Mustern nur akzidenteller Verbindungen (per contactum; subiective; per accidens integrale; 8/3–16/5) – die ontologische Formulierung spitzt hier die tradierten antinestorianischen Abgrenzungen zu. Ebenso verfehlt ist andererseits ein Verständnis der unio personalis als einer wesentlichen Verbindung (unio essentialis). Nach diesem Muster wird – so die topischen Illustrationen – im Falle der Verbindung von Leib und Seele oder, ontologisch allgemeiner, von Form und Materie ein neues Ganzes konstituiert.738 Doch eine so durch sich selbst kom734
„Hac sessione ad Dexteram Dei consequuta est Humanitas, vt Filius Dei ipsam non tantum extra omnia loco sibi praesentem habeat: verum etiam cum illa & per illam Creaturis omnibus in dextera Dei praesentem, omnipraesenter & omnipotenter dominetur“ (1602b, 158/22r.v). – Vgl. o. Anm. 222. 735 Vgl. o. Anm. 222. – Daß die Bestimmung der unio als Kopräsenz des Vereinigten auf die These der kontinuierlichen ‚koextensiven‘ Weltpräsenz der Naturen führen muß, vertreten nicht erst die späteren Tübinger, sondern schon einige Zeitgenossen Schaefers: B. Meisner (1609; D.IV.5.2), in Tübingen: Th. Wegelin (1608; C.II.2.5.3/4). 736 „Inuestigantur porro differentiae huius Coniunctionis in Christo. Duae Naturae sunt Vnum non Accidentaliter, non contactu, non subiectiue, non integraliter: non essentialiter: sed personaliter: & quid sit personaliter vniri Humanitatem τω λογω“ (p.3). 737 Mit dieser Ausgrenzung erfahren die in Schaefers Analyse der Sätze des 4. genus axiomatisch beanspruchten Theoreme (o. D.I.6.3.3.5) ihre systematische Entwicklung. 738 Die natürlichen Muster dienen zur Illustration der Idiomenkommunikation als des ‚Effekts‘ der unio personalis und insofern zur aposteriorischen Darstellung der unio personalis. Sie bilden aber keine ‚Modelle‘ der Personeinheit, die sich als ‚res κατ’ εξοχην nova‘ jeder Einordnung ins Allgemeine entzieht (D.I.6.2.3). – S PARN, 1976, 60.
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ponierte Einheit (per se & naturaliter compositum) kann nur den Status eines kreatürlich Seienden haben;739 die schlechthin einfache und vollkommene Gottheit in einen solchen Kompositionsprozeß einzubeziehen, bedeutete so nicht weniger als die abstrakte Negation der Differenz von Gott und Welt, mithin die Destruktion des Gottesbegriffs selbst. Die strikte Abgrenzung der christologischen unio gegenüber der Konstitution einer neuen Wesenheit zielt nicht auf eine Minimalisierung der Zäsur, die durch die Inkarnation gesetzt ist. Ganz im Gegenteil hat Schaefer nicht anders als Hoecker das größte Interesse, die Radikalität des wechselseitigen fieri der christologischen Wende zu unterstreichen: Gott wird Mensch, der Mensch wird Gott – res κατ’ εξοχην nova.740 Schaefer kritisiert darum scharf den Versuch der ‚Scholastiker‘, die inkarnatorische Zäsur abzuschwächen (54/16–60/18). Der Übergang von der persona simplex (des ewigen Logos) zur persona composita (Christi) setzt den Logos nicht nur in eine äußere Beziehung zur natura humana. Die angenommene Menschheit ist für die Identität und Integrität des Vereinigten schlechterdings konstitutiv, sie hat strikt ‚definitorische‘ Bedeutung für das inkarnatorisch erst neu ‚gewordene‘ Ganze. Der Christusname steht für diese konstitutive Funktion der natura humana; er wird dem ewigen Logos erst im Moment seines Eingangs ins Fleisch eigen: „Jesus Christus nominari coepit“.741 „Christus“ hat in diesem Sinne einen geschichtlichen (in tempore) ‚Anfang‘ (coepit); er ‚entsteht‘ durch die Fleischwerdung des Logos: Christus constitui.742
Zweifellos also stellt die unio insofern ein gegenüber den Naturen je für sich Neues, ‚Drittes‘ dar. Diese Differenz der persona composita, das von Schaefer eingeschärfte ‚discrimen inter Christum & Filium Dei‘ (54/16), darf aber nicht als Etablierung einer dritten Wesenheit aus Logos und 739 17/5. – Daneben sichern zwei Differenzen die kategoriale Sonderstellung der christologischen Verbindung gegenüber den natürlichen Exempeln (forma/materia; anima/ corpus): Die in eine wesentliche unio eingehenden Teile stellen je für sich keine vollständigen Substanzen dar, als für sich ontologisch ‚defizitär‘ sind sie von vornherein auf die Komplementierung durch den je anderen Teil angelegt. Hingegen ist christologisch die Übereinkunft zweier je für sich vollständiger Substanzen (perfectus Deus, perfectus Homo) zu denken (18/5f), die nach den Regeln aristotelischer Ontologie gerade nicht eins werden können (αδυνατον γαρ ουσιαν εξ ουσιων ειναι ενυπαρχουσων ως εντελεχεια: τα γαρ δυο ουτως εντελεχεια ουδεποτε εν εντελεχεια, αλλ εαν δυναμει δυο η, εσται εν; ARISTOTELES, Metaph. VII, 1039a, 3–6; zur Bedeutung dieses Topos schon in der altkirchlichen Christologie vgl. BAUSENHART 1989, 36). Zweitens und daraus folgend: Die wesentlichen Verbindungen resultieren in der Konstitution einer neuen dritten Wesenheit, in welcher als dem nunmehr vollständigen Ganzen die je für sich imperfekten Teile aufgehen. „Christus“ aber ist, wie der reduktive Personbegriff festhält, nicht ein Drittes aus Gott und Mensch (aliquid praeter Naturas, & tertia quaedam ex Naturis composita essentia), sondern die Lebenseinheit des essentiell bleibend Verschiedenen (ipsae duae Naturae, Deus & Homo; 19f/6f). 740 „Creatorem fieri Creaturam, Deum esse Hominem, & Hominem esse Deum, est Res κατ’ εχοχην NOVA ...“ (HOECKER, Clavis, 1613, 418; vgl. DERS., Speculum, 1610, I, 45f); „cum Vnione duarum Naturarum in Christo … plane NOVUM, εξαιρετον και μοr.v νοτροπον τι condiderit omnium creator Deus“ (SCHAEFER , Ακροπολις, 1607, fol. b6 ). – Vgl. o. C.II.2.2.1.1; D.I.6.2.3. 741 54/16. – JOHANNES DAMASCENUS, Expositio fidei IV, 6 (=79; KOTTER 178,17f.19). 742 51/15. – Ein dann für die ‚neuen‘ Tübinger zentrales Argument (o. C.III.2.6).
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Menschheit verstanden werden. Christus ist ‚nichts anderes‘ als das Simul von Gott und Mensch (ipsae suae Naturae, Deus & homo; 19/6), das die essentielle Identität der vereinigten Teile je für sich nicht destruiert und doch beide neu bestimmt. Diese Reduktion des Status der Personeinheit durch Abweisung der ‚substantialistischen‘ Lösung steht gerade im Dienst der Betonung der tiefgreifenden christologischen ‚Veränderung‘ von Gott und Mensch. Diese Veränderung unter der Voraussetzung der bleibenden essentiellen Disparität zu explizieren, ist die Aufgabe der positiven Bestimmung der christologischen Verbindung als einer unio personalis. 2.2.2 Statt der regulären Muster des ens essentiale (substantiale) resp. accidentale hat es die Theologie, so lautet diese konstruktive These Schaefers, bei der christologischen Personeinheit mit dem ontologisch singulären Fall eines ens (unum) hypostaticum (personale) zu tun: Zwei vollständige Naturen koexistieren essentiell bleibend distinkt und doch zugleich ‚hypostatisch‘ oder ‚personal‘ (personaliter; τω ειναι hypostatico) identisch. Wie ist das in dem Zusatz ‚hypostaticum/personale‘ indizierte besondere Sein, das die alte Wirklichkeit nicht abstrakt ablöst, sondern als ‚neue Wirklichkeit‘ (res nova) daneben tritt, zu bestimmen? 2.2.2.1 Schaefer gibt eine gestufte Antwort. Die Einheit des christologischen unum personale ist erstens konstituiert im Wege und als Resultat der ‚Aufnahme‘ der Menschheit in die Hypostase des Gottessohnes (assumptio in communionem Filii Dei personae). Diese communio Personae meint strikt die Mitteilung (communicatio) der Logoshypostase an die natura humana; erst kraft dieser Teilhabe an der fremden Hypostase gelangt die Menschheit enhypostatisch zu personaler Existenz.743 Hingegen läßt die ‚scholastische‘ Alternative der unio suppositalis eine nur äußerliche Relation von Menschheit und göttlicher Person zu: Die bleibend apersonale natura humana steht zur Logoshypostase lediglich im Verhältnis abhängigen Getragenwerdens (sustentari); so gelangt sie zur Einzelexistenz, ohne indes an der göttlichen Hypostase und der mit dieser identischen Gottheit selbst real zu partizipieren. Im schärfsten Widerspruch zu dieser Distanzierung spitzt Schaefer die lutherische Fassung der Enhypostasie zu: Kraft der identischen Personierung geht die angenommene Menschheit in das Innerste des trinitarischen Seins der Gottheit selbst ein.744 743 „Filius Dei Humanam Naturam in communionem suae Personae assumpsit, & eam, quae per se Persona non est, hac sua propria hypostasi communicata personauit“ (21/7); vgl. 26/8; 28/9; 51/15; 48/14. – Diese Kommunikation meint nicht nur die Verhinderung einer eigenen Personalität der Menschheit (defectus alicuius), sondern eine positive Zufügung (additio alicuius; 16/5, im Anschluß an T HOMAS, s.th. III, q. 4 a. 2): Vgl. dazu grundsätzlicher SPARN, 1976, 115–123, hier bes. 116f. 744 „... propter eandem [communionem Hypostaseos] assumptus Homo (vt noster ibi Mediator ac Intercessor esse potest) ingreditur arcanum Consortium SS.Trinitatis“ (24/8). – Vgl. dazu u. F.III.4.
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Schaefer profiliert sein Konzept der assumptio in hypostasin weiter, indem er dessen elementare Implikate positiv (29/9–60/18) wie negativ (61/19–67/22) erläutert und jeweils polemisch wendet. Hierher gehören, schon berührt, die strikte Unterscheidung von ‚Christus‘ (persona composita) und ‚Logos‘ (persona simplex) sowie die Betonung der konstitutiven Bedeutung der natura humana für die Integrität der Persona Christi.745 Im Zentrum aber steht die aus der communicatio hypostaseos resultierende Doppelbestimmung der Menschheit Christi (29/9–46/13f), die Schaefer im Rückgriff auf den ontologischen Prinzipienbegriff des actus primus entfaltet. Die Schulphilosophie faßt mit ihm das Sein einer Substanz, sofern sie das eigentümlicher Tätigkeit (actus secundus) zugrundeliegende Wirkvermögen ist, Prinzip von Wirksamkeit.746 In der Menschheit Christi finden sich kraft der enhypostatisch gesetzten Neubestimmung zwei Actus primi. Erstens als ihr Actus (primus) naturalis das im eigenen Wesen begründete Wirkvermögen, das sie so mit allen Menschen gemeinsam hat. Daneben aber tritt der allein sie auszeichnende actus (primus) personalis, das ihr zugleich mit der Logoshypostase mitgeteilte göttliche Wirkvermögen (31/10). Aufgrund dieses ihr eigentümlichen Existenzprinzips ist die wesentlich bleibend unveränderte natura humana Subjekt göttlicher Tätigkeiten, die im menschlichen Wesen keine Begründung haben (32/10).
2.2.2.2 Mit dieser ersten Differenzbestimmung der assumptio in hypostasin unmittelbar und notwendig verknüpft ist ein zweites Geschehen, erst damit kommt für Schaefer nun die letztbestimmende Differenz der christologischen Vereinigung in den Blick:747 die wechselseitige Vermittlung der Naturen im Vollzug ihrer Perichorese (68/22–81/26). Da Hypostase und Natur des Logos real nicht verschieden sind (68/22), erlangt die enhypostatische Menschheit mit der Hypostase des Logos zugleich Anteil an dessen Gottheit. Die unio personalis vollzieht sich notwendig als wechselseitige Teilhabe (participatio; περιχωησις, immeatio), nicht nur der akzidentellen Wirkungen, sondern der Naturen selbst (ratione substantiae). So setzt sie eine Identität des essentiell bleibend Distinkten, wie sie die (sog.) propositiones personales festhalten und voraussetzen: Homo Assumptus est Deus; Deus est Homo, – „quod sine reali communicatione ipsarum Naturarum fieri nequit“ (71/23). Die im eindeutigen, logisch anstößigen748 ‚est‘ dieser Sätze notierte Vermittlung von Gott und Mensch ist da eklatant verfehlt, wo eine ‚Teilhabe‘ der menschlichen Natur an der 745
52/15–55/16f; 56/17–60/18. Vgl. o. 2.2.1 (bei u. mit Anm. 742. 743). „Per actum primum in genere intelligimus omne id, a quo profluunt & emanant certae operationes, quas Philosophi actus secundi appellitant“ (M EISNER, Philosophia Sobria, 1611, I, s. IV, c. I; I, 622). Ein actus primus ist das einer Tätigkeit (operatio, ενεργημα) zugrundeliegende Wirkprinzip (principium substantiae, ενεργεια); zu weiteren Distinktionen im Begriff vgl. HOECKER, Clavis, 1613, 191f. – Der in Hinblick auf die Statuslehre des gemäßigten Ubiquismus entscheidende Sachverhalt ist, daß ein actus primus im Unterschied zum actus secundus eine Potenz darstellt, mithin ‚ruhen‘ kann: „Primus actus respectu secundi dicitur potestas … Primus actus potest esse ανενεργητος & ociosus: sed Secundus est ενεργητικος & operativus“ (H OECKER, 1613, 192). 747 „ultima perfectaque differentia Vnionis personalis“; 1607 Th. zu cap. V. (p. 22). 748 Vgl. dazu eingehender u. E.I.2/3. 746
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Gottheit zwar konzediert, näherhin aber als bloße Verknüpfung ohne durchdringende Kommunikation gedacht wird: Die in ihrem Sein selbst unbetroffene Menschheit ist dem Logos verbunden, in diesem Sinn ‚hat‘ sie die Gottheit des Logos (participare Diuinitati, tantum habendo Verbum; 72/23). Diese Gegenthese – ihr von Schaefer nicht explizit identifizierter Protagonist ist einmal mehr J. Schegk749 – erreicht nicht die durch die biblische Aussage (1Kor 15,47) gesetzte Marke seinsmäßiger Identität von Menschen- und Gottessohn.750 Indem sie an die Stelle der realen Vermittlung lediglich ein Verhältnis von habens und habitum setzt, bleiben Gott und Mensch auch christologisch in einem diskreten Gegenüber, mag dieses auch im Sinne seiner Verfechter durch das sustentative Dependenzverhältnis der natura humana in externer Hinsicht als Einheit konstituiert sein. – Gegenüber dieser ‚kühlen‘ Figur (Friget; 72/23) betont Schaefer die seinsmäßige Vermittlung der Naturen, konstituiert nicht durch wesentliche Selbigkeit, sondern durch in identischer Subsistenz begründete gemeinsame Existenz: „Homo Assumptus non tantum τω εχειν est Deus: sed etiam τω ειναι hypostatico“ (72/23 i.m.). Das ‚hypostatische‘ „est“ bezieht sein Recht aus der realitätssetzenden Perichorese.
2.2.3 Die axiomatische These der realen Indifferenz der ganzen Person gegenüber den vereinigten Naturen (‚nihil aliud quam ambae naturae simul‘), die für Schaefers Entwicklung der Idiomenkommunikation von zentraler Bedeutung ist,751 formuliert die Konsequenz dieser ‚ontologischen Reduktion‘ (W. Sparn752) der Personeinheit. Die Person hat kein eigenes Wesen für sich, ihre Einheit ist nicht durch essentielle Identität konstituiert – sie ‚ist‘ nur als Ergebnis, genauer: als Vollzug der wechselseitigen Partizipation und Mitteilung an das je andere wesentlich Fremde. 3. Thomas Wegelin 1608 Schaefers 1602 vorgetragener Versuch, die unio personalis im Rekurs auf die Enhypostasie und Perichorese zu definieren, repräsentiert die ‚Tendenz‘ der Neuorientierung schwäbischer Christologie nach der Jahrhundertwende. Auch Th. Wegelins Disputation von 1608753 bleibt in dieser Spur. Mit Schaefer teilt Wegelin das Interesse an einer ontologischen Präzisierung der christologischen Leitbegriffe; er verstärkt das Bemühen um den Nachweis der systematischen Kohärenz der einzelnen Topoi und setzt daneben auch eigene Akzente. 3.1 Zu diesen Akzenten zählt das Anliegen, die Konkordanz der eigenen Thesen mit den zentralen Aussagen der altkirchlichen Christologie zu demonstrieren. Schon das elementare Explikandum der christologischen Per749
Vgl. o. D.I.6.3.1 (Anm. 222); D.I.6.3.3.1. „Homo assumptus non tantum habet Deum, sed est ipse Dominus de Coelo (1.Cor. 15.v.47) personaliter, non essentialiter: cum alias habens non sit habitum nec contra ...“ (72/23). 751 Vgl. D.I.6.3.4. 752 SPARN, 1976, 102–108. 753 Vgl. o. C.II.2.5.3/4; D.I.7.1. – Belegangaben im folgenden hierauf bezogen. 750
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sonlehre754 formuliert Wegelin im Anschluß an einen Satz des Damasceners: ‚Omni humanae Naturae vnitam esse Omnem Divinitatis substantiam‘.755 Der detaillierten Analyse der unio personalis756 geht als Grundlegung eine Entfaltung dieses Elementarsatzes voran.757 Die göttliche Natur ist allen drei Personen der Trinität ungeteilt gemeinsam, dabei numerisch nur eine.758 Dennoch kann das göttliche Wesen in Hinsicht auf die distinkten Subsistenzweisen der drei Personen,759 wie sie durch die innertrinitarischen Ursprungsrelationen konstituiert sind,760 unterschieden werden – die eine Gottheit kommt den drei Personen in je verschiedener Weise zu: „in Patre Divinitas est αγεννητως, in Filio γεννητως, in Spiritu Sancto per processionem εκπορευτως “ (34/9). So ist zwar die ganze Gottheit inkarniert, dies aber, unbeschadet der Perichorese der Personen (42/11), allein in der hypostatischen Besonderung der 2. Person. Den Vorwurf, die lutherische Fassung der christologischen Union führe auf die häretische Konsequenz einer gesamttrinitarischen Inkarnation (absoluta incarnatio Deitatis), weist Wegelin von hierher ab. Dieses von Seiten der Gottheit als incarnatio gefaßte Geschehen der christologischen Union läßt sich in gegenläufiger Perspektive, im Ausgang von der natura humana, beschreiben als die Annahme (assumptio) einer essentiell vollständigen, individuellen, aber per se anhypostatischen Menschennatur761 durch den Gottessohn: die Hypostase des ewigen Logos wird zur Hypostase auch der zeitlich empfangenen Menschheit, so Gott und Mensch zur Einheit einer Person zusammenschließend.
Schon mit dieser Elementarbestimmung der unio sieht Wegelin das christologische Proprium formuliert. Auf die Konstitution hypostatischer Identität von Gott und Mensch können alle weiteren Bestimmungen der unio personalis zurückgeführt werden. Diese ausgrenzende Kraft besitzt die Enhypostasie für Wegelin deshalb, weil er sie, sachlich in schärfster Antithese zum Modell der suppositalen Union, als Aufhebung jeder Abständigkeit von Gott und Mensch versteht: Partizipiert die Menschheit Christi an der Logoshypostase, ist sie zugleich ‚aufgenommen‘ und ‚aufgehoben‘ (elevata, 53/13 i.m.) in das innertrinitarische Sein der Gottheit.
754
Cap. III: De Vnione Personali in Specie (27/8–173/45). 27/8, unter Anschluß an De fide orthodoxa III, 6 (= 50, ed. KOTTER 121,31f; – vgl. 119,1f; 120,20–23.23f). 756 70/19–173/45; dazu s. u. 3.2. 757 27/8–56/14(69/17). 758 „... [Natura Divinitatis] est individua numero, quamvis tribus Personis communis atque in singula tota“ (32/9). – Vgl. Expositio fidei IV, 18 (= 91, ed. KOTTER 213,42ff). 759 τροπος υπαρξεως ; juxta tres diversos subsistendi modos, realiter inter se differentes (34/9); quoad modum Naturam ... habendi, qui est characteristicus (35/9); secundum characteristicas differentias (42/10; vgl. 45/11). 760 38/10–43/11; „... nihil habeant istae Personae, nisi Essentiam & relationem“ (39/ 10); Deus (/tota plenitudo Deitatis) generans, genitus(/-a), procedens (42/10f). 761 „Natura Humana consideratur ... In ατομω sive individuo, in uno singulari existente cum proprietatibus individuis“ (48/12, in Aufnahme der Distinktionen des Damasceners, Expositio fidei III, 11 [= 55, KOTTER 131,4–7]). Vgl. insgesamt 46/11–52/13. 755
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Der auch bei Schaefer begegnende Gedanke des Eingangs der Menschheit in das ‚Consortium Trinitatis‘762 wird von Wegelin offensiv entfaltet. Die gegen dieses Unternehmen gewendeten altkirchlichen anti-eutychianischen Grenzziehungen greifen nicht – „nihil officit assertioni nostrae“ (54/ 13). Die ‚Aufnahme‘ der Menschheit in die Trinität selbst bedeutet keinesfalls eine Verwandlung in die Gottheit; ebenso wenig eine Angleichung der Naturen.763 Aber kraft der Personierung durch die Logoshypostase – vi vnionis, personaliter – rückt die natura humana ein in die trinitarische Relation des Logos; was vom ewigen Gottessohn gilt, gilt aufgrund der hypostatischen Verknüpfung auch von ihr: „Humana Christi Natura eadem ratione qua personaliter pertinet ad λογον, qui est secunda Trinitatis Persona, pertinet etiam personaliter ad Trinitatem in Persona του λογου“.764 Die im Logos subsistierende Menschheit ist nicht außerhalb der Trinität (54/13); ihre Vermittlung mit dem Logos impliziert zugleich die Perichorese mit der gesamten Trinität (53/13). Vermittels der gemeinsamen Hypostase hat die Menschheit Christi – modal different, in der Sache aber vorbehaltlos – Anteil an der innertrinitarischen Gemeinschaft der ewigen Sohnes mit dem Vater – „non minus ... quam ipse λογος“!765 Das protologische Verhältnis abständiger Dependenz des Geschöpfes ist christologisch ‚aufgehoben‘ in den Vollzug vollkommener Gemeinschaft, welche die außerchristologische Differenz des Vereinigten nicht abstrakt negiert, sondern als Moment der Vermittlung des Verschiedenen integriert und so ihrer trennenden Kraft beraubt: Alles, was der Logos von Ewigkeit ist und bleibt, hat und behält, das empfängt die Menschheit in der Zeit.766 3.2 Die elementare Bestimmung der christologischen Vereinigung als incarnatio resp. assumptio in hypostasin führt Wegelin in einem zweiten Schritt präzisierend fort, indem nun schulmäßig distinkt nach den konstituierenden ‚Prinzipien‘ der unio gefragt wird. Zwar entzieht sich das Myste762
Vgl. für Schaefer o. bei Anm. 744. – Beide, Schaefer wie Wegelin, gehen hier in Gesners Spuren, vgl. o. Anm. 470. 763 „... non Naturaliter, neque coessentialiter“ (55/14; vgl. 106/28). 764 54/13. – Vgl. auch 106/28: „Tam quidem arcte, ut caro Christi suam προσωποτητα seu Personalitatem non MINUS habeat a Filio DEI, quam Filius DEI a Patre suo: quamvis non AEQUE, hoc est, quamvis diverso communicationis modo. Filius namque eam a Patre habet generatione Archetypa, necessitate imperscrutabiliter Naturali. Caro autem Christi gratia VNIONIS Personaliter“. 765 „... [Christus Homo] concors est factus S.S. Trinitatis, in cuius complexum venit per Personam Filij, sic vt per eandem non minus Personaliter sit in SINV PATRIS, quam ipse λογος [Joh 1,18] ...“ (112/30; vgl. 106/28 [o. Anm. 764]). 766 Vgl. u. F.III.4. – So sehr diese vollendete Gemeinschaft allein die Menschheit Christi auszeichnet, ist sie doch zugleich Vor-Abschattung der göttlichen ‚Würdigung‘ des Menschen und der zukünftigen Herrlichkeit der Erwählten, die jetzt noch – ‚in Christus‘ – verborgen bleibt: „Ex quo non obscure conjicere licet, quanta sit Hominis dignitas, & electorum futura gloria: quae nunc in Christo est abscondita [Kol 3,3f]“ (53/13).
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rium der hypostatischen Union in seiner Abgründigkeit jeder spekulativen Aufhellung durch die menschliche Vernunft. Doch – aufgrund göttlicher Kondeszendenz (συγκαταβασις) kann und darf die Personeinheit im Rückgriff auf (onto)logische Kategorien (Logicis terminis ... & axiomatibus) erläutert werden, solange der Vorbehalt der immer nur quasi gegebenen Adäquanz solcher Begriffe, d.h. ihres allein analogen Gebrauchs, nicht übersprungen wird. Innerhalb dieser pflichtschuldig vorangestellten Erinnerung an die prinzipielle Grenze aller theologischen Aufklärung aber ist dann der Transparenz-Gewinn solch methodisch (iusta methodus) und dispositionell (ordo) disziplinierter Rückfrage nach der (onto)logischen Struktur dessen, was die Offenbarung vorgibt, nicht hoch genug zu veranschlagen – bringt solche Rekonstruktion terminorum luce doch vor Augen, „wie schön und schlüssig eines aus dem anderen gefolgert wird“.767 Näherhin sind es dann zwei logische Termini, anhand derer Wegelin die den theologischen Intellekt faszinierende Kohärenz der Bestimmungen der Personeinheit zu demonstrieren sucht. Er unterscheidet zwei ‚Prinzipien‘ der christologischen Vereinigung: ihr Materialprinzip (principium materiale) ist die enhypostatische Personierung der Menschheit durch die Logoshypostase; es setzt als notwendige Konsequenz die illokal-ubiquitäre Präsenz der Menschheit (3.2.1). Das Formalprinzip (principium formale) der unio ist die Perichorese der Naturen; hieraus folgt notwendig die communicatio idiomatum (3.2.2).768 – Wegelin kommt hier überein mit Schaefers gestufter Bestimmung der differentia der unio personalis. 3.2.1 (principium materiale: Personatio / Enhypostasie) Das principium materiale der unio personalis, die Personatio oder Enhypostasie der Menschheit, hatte Wegelin der Sache nach schon im Zusammenhang der elementaren Erläuterung der assumptio carnis in hypostasin eingehender entfaltet. Die jetzt angegangene ‚technische‘ Darstellung (72/20– 117/31) wiederholt diese Grundlegung nicht noch einmal, sondern konzentriert sich so767
„... abditissimum VNIONIS hypostaticae mysterium, quamvis omnem sensum & intellectum longissime superat, nihilominus tamen intellectus nostri gratia ad limites logicos per συγκαταβασιν, seu condescensum ad nos, reduci potest, ... quod ita tamen accipi volumus, non quasi Logicis terminis hoc mysterium mensurari debeat & axiomatibus, quod omnem rationem infinito intervallo transcendit: sed tantum iustae methodi & ordinis gratia, vt horum terminorum luce ostendatur, quam pulchre vnum ex altero & solide deducatur“ (70/19). Die methodische Option der Tübinger von 1619ff – ‚solius personae consideratione‘ (vgl. o. C.III.1) – ist hier der Sache nach erreicht! – Zu Anfragen an diese ‚Faszination‘ vgl. u. D.V.2(.3); F.II.3. 768 „... [vt] VNIONIS Personalis quasi materiale nominemus SUBSISTENTIAM seu PERSONATIONEM: Formale IMMEATIONEM“ (70/19); – „His igitur duobus principijs, quantum quidem ex relevata Theologia cognosci potest, totum VNIONIS mysterium includitur: ex quibus & Omnipraesentia carnis Christi, & realis Idiomatum communicatio efficacissime deducitur ...“ (71/20; zur Zuordnung von Personatio/omnipraesentia carnis und Immeatio/Communicatio Idiomatum vgl. dann auch die expliziten Marginalkommentare zu 71f/20 resp. 133/34).
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fort auf die mit der Enhypostasie unmittelbar gesetzte Konsequenz: Die Personierung durch die Logoshypostase bestimmt die Subsistenz und mittels dieser den Gegenwartsmodus der natura humana als illokal-raumüberlegen; von daher realisiert sich die Gegenwart des ‚ganzen Christus‘ notwendig als illokal-ubiquitäre Kopräsenz beider Naturen, und zwar status-übergreifend kontinuierlich (bes. 73/20). – Die neue Tübinger Christologie wird 1619 dieses Argument aufgreifen und zuspitzen.769
3.2.2 (Principium formale: Perichorese) Dieselbe auffällige Parallelität zu den späteren Tübinger Festlegungen kennzeichnet auch Wegelins Entfaltung des principium formale der unio personalis: die Perichorese (Immeatio) der Naturen.770 Den Ausgangspunkt liefert eine Festlegung Augustins: „In penetratione singula sunt in singulis, & omnia in singulis, & singula in omnibus, & omnia in omnib[us] & Vnum omnia“.771 In der Identität der einen Hypostase Christi (127/33) sind Göttliches und Menschliches in so unüberbietbar innigster Vermittlung da, daß dieses Menschliche stets zugleich als Göttliches, das Göttliche hier immer auch als Menschliches begegnet: Gott ist Mensch, und der Mensch ist Gott (125/33). Doch meint diese unhintergehbare Konvergenz keine Aufhebung bisheriger Identitäten in beziehungslose Indifferenz, wie ein Mißverständnis des zugespitzten ‚unum omnia‘ nahelegen könnte. Denn schlagendste Manifestation ( περιχωρησεως medulla; 122/32) dieser Simultaneität von Identität und Differenz sind die Ereignisse der evangelischen Geschichte, hier v.a. die (Heilungs)Wunder des Irdischen (virtus Christi Therapeutica seu virtus sanandi; 122/32). Als Dasein und Tun eines Menschen ereignet sich hier, was auf seinen Ursprung und seine Ermöglichung hin betrachtet allein Tat und Möglichkeit Gottes ist – und auch bleibt;772 und doch ist diese Koinzidenz mehr als die Instrumentalisierung eines menschlichen Subjektes für das göttliche Handeln: ihr begründend voraus liegt jene perichoretische Vermittlung der Subjekte göttlichen und menschlichen Tuns, die jeden Antagonismus gerade hinter sich läßt. Die außerchristologische Konkurrenz von Gott und Mensch, unter deren Voraussetzung eine Übereinkunft unter der fatalen Alternative von bloßer Instrumentalisierung einerseits, Usurpation göttlicher Prärogativen andererseits stünde, ist in der evangelischen Geschichte gewendet in die nach außen unhintergehbare Gemeinschaft des für sich essentiell bleibend Differenten und Identifizierbaren.773 769
Zentrale Aussagen Wegelins werden 1619 z.T. wörtlich – freilich anonym – zitiert (o. C.II.2.5.3–5). – Auch strukturell repetiert die Abfolge der späteren Tübinger Argumente „ex termino unionis“ (= assumptio in hypostasin) und „ex περιχωρησει“ (o. C.II. 2.2.1/2) Wegelins Differenzierung von principium materiale und formale. 770 118/32–132/34 (resp. 173/45). – Zu weiteren Synonyma vgl. bes. 133/34. 771 119/32; vgl. 127/33; mit Verweis auf Augustin lib. 6. de Trinit. cap. vlt. = de trinit. VI,X,12. Augustin prägt die Formel im trinitätstheologischen Kontext; dazu und auch zum ‚johanneischen‘ Hintergrund: G.L. P RESTIGE, 1952, 284–291; J. AUER, 1978, 319ff. – Zur Aufnahme dieses ‚unum omnia‘ durch die späteren Tübinger vgl. o. C.II.2.2.2. 772 „... Virtutem hanc Therapeuticam divinam fuisse negari non potest. Solus enim DEVS facit mirabilia | Psal.72.v.8. nihilominus tamen per carnem Christi se potentissime proferebat“ (123/32|f). 773 Vgl. u. D.V.2.4(.1/2). – Die von Wegelin betonte Vorbehaltlosigkeit und so auch Wechselseitigkeit der Vermittlung der Naturen schließt im übrigen nicht aus, in der Perichorese ein Gegenüber von aktivem und passivem Pol festzuhalten. Die christologische Gemeinschaft von Gott und Mensch kennt einen bestimmten, unumkehrbaren Richtungs-
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Wie die Allgegenwart der Menschheit aus der Enhypostasie als dem materialen Prinzip der unio personalis folgt, so hat auch die Perichorese als das principium formale ihre notwendige Folge (consequens): die wechselseitige communicatio der Naturen und, vermittels dieser, auch der Idiome, deren Subjekte die Naturen sind (133/34[–144/37]).774 Mit dieser Verknüpfung von unio personalis und Idiomenkommunikation über den Mittelbegriff der Perichorese, wie sie parallel auch von anderen lutherischen Dogmatikern ausgebaut wird, repräsentiert Wegelin in der Sache den Abschluß jener Korrektur der Brenz’schen Zuordnung: Der Zusammenhang von unio und communicatio Idiomatum, den Brenz entschieden einforderte, wird gewahrt – die Idiomenkommunikation ist die notwendige Konsequenz der Perichorese, die ihrerseits das principium formale der unio bildet. Aber sie ist die Konsequenz jener spezifischen Bestimmung der unio, nicht unmittelbar selbst diese differentia specifica der christologischen Personeinheit. 4. Das Konzept der Perichorese Von zentraler Bedeutung für die ‚ontologisch‘ präzisierte Explikation des ens hypostaticum der Personeinheit durch Schaefer und Wegelin ist offenkundig das Konzept der Perichorese – sie bilde die ‚differentia specifica ultima‘ (Schaefer) der unio personalis, deren konstitutives ‚principium formale‘ (Wegelin). Mit dieser Näherbestimmung ‚vitalisieren‘ die Tübinger am Anfang des 17. Jh.s ein zentrales Element der altkirchlichen Christologie, das als solches schon eine Generation zuvor von der lutherischen Theologie rezipiert worden war.775 4.1 Seine ursprüngliche Ausbildung erfährt das Konzept einer vollständigen wechselseitigen Durchdringung zweier Dinge in der stoischen (Natur)Philosophie. Diese kennt neben sinn. Wohl durchdringt nicht nur die göttliche Natur die menschliche, sondern auch umgekehrt die Menschheit die Gottheit – das formale aktive Prinzip beider Bewegungen bildet jedoch allein die göttliche Natur. „Vbi tamen obseruandum venit, PENETRATIONIS formale Principium non esse Hominem seu Humanam Naturam, sed divina in υποστασει. Haec enim υποστασις ideo carnem assumsit, vt nasceretur & PROPTER NOS, ET SECUNDUM NOS, ET SVPRA NOS“ (129/34). „Quare nulla metuenda est Naturarum sive absorptio sive exaequatio. Non hoc: Quia quod humana Natura divinam penetrat, non habet ex actu primo Naturali seu ειναι φυσικη, quemadmodum divina, sed ex actu primo Personali, seu ειναι υποστατικη, gratia puta VNIONIS“ (130/34). 774 Zum Aufriß der communicatio idiomatum bei Wegelin vgl. o. D.I.7.1.3. 775 Für den antik-philosophischen Hintergrund des Begriffs, die wesentlichen Stationen und Intentionen seiner zuerst christologischen und später trinitätstheologischen Rezeption durch die altkirchlichen Theologen und deren Modifikationen im Gang der späteren Theologiegeschichte vgl. STEMMER, 1983, 9–55; Kurzfassung: DERS., 1989, Sp. 255– 259 (259 Bibliographie der älteren Literatur); folgende Belegangaben hierauf bezogen. – Vgl. ferner JÜNGEL, 2003a; CROSS, 2000; s. auch GLEEDE, 2007a.
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einer bloß parastatischen Vermengung zweier Körper (παραθεσις) ohne reale Partizipation einerseits, einer die Identität ihrer Ausgangselemente vernichtenden Verschmelzung (συγχυσις) andererseits, eine ‚mittlere‘ Weise der ‚Mischung‘ von Körpern: reale Einheit bei perennierender Integrität der Ausgangselemente ( κρασις δι’ ολων ; 11 bzw. 255). Näherhin wird dieser dritte Modus – als topische Beispiele dienen die Durchdringung von Wein und Wasser, Feuer und Eisen, Leib und Seele – bestimmt als die Ausdehnung zweier Körper über ein- und denselben Raum (αντιπαρεκτασις) mit der Folge einer wechselseitigen Durchdringung beider ( χωρειν ολω δι’ ολου; 11–13 bzw. 255). „Daß das stoische Konzept einer vollständigen gegenseitigen Durchdringung bei Wahrung der Eigentümlichkeiten der sich durchdringenden Körper für die christliche Theologie interessant sein mußte, ist offensichtlich“ (13), vorausgesetzt lediglich die Ausfällung der stoisch-materialistischen Konnotationen zugunsten eines metaphorischen Verständnisses der ‚Durchdringung‘ zweier (auch: unkörperlicher) Wesenheiten. Bedeutsam wird dieses ‚interessante‘ Konzept zunächst für die christologischen Debatten (13– 22). Die Applikation der stoischen Illustrationen, v.a. des durchfeuerten Eisens, geht hier allerdings der Rezeption des technischen Ausdrucks (so zuerst Gregor von Nazianz; 16) voran. Erst im 7. Jh., in der Christologie des Maximos Confessor, gewinnen Terminologie und Konzept der Perichorese „eine wirkliche Funktion, die durch anderes nicht oder nur schlechter erfüllt werden kann“ (19): „Die Perichorese, das Sich-gegenseitig-undvollständig-Durchdringen ist der Begriff, der den unversehrten Fortbestand zweier Naturen in der Vereinigung denken läßt; und weil das so ist, gewinnt dieser Begriff in der Auseinandersetzung mit monophysitischen Christologien seinen theologischen Ort“.776 Eine wichtige Ergänzung liefert etwa gleichzeitig Ps. Cyrill, der nicht nur die Vorstellung der perichoretischen Durchdringung erstmals von der Christologie auf die Trinitätslehre überträgt (22–24), sondern auch eine im christologischen Kontext bisher nur unterstellte Annahme erstmals explizit formuliert: Unbeschadet der Wechselseitigkeit der Durchdringung ( εις αλληλας) ist die Perichorese, auf die bewegende Aktivität hin betrachtet, ein einseitig vom Logos ausgehendes Geschehen. Von einer Durchdringung des Logos durch das Fleisch darf allein im Sinne der Kehrseite der Logosaktivität gesprochen werden, insofern ein Durchringen immer auch ein Durchdrungenwerden impliziert (21f). – Mit dieser Ergänzung wird das Konzept der Perichorese von dem Notar altkirchlicher Christologie, Johannes von Damascenus, abschließend fixiert.777
4.2 Die lutherische Christologie der zweiten Generation778 geht über die eher stagnierende mittelalterliche Diskussion (29–34) direkt zurück auf die altkirchlichen Festlegungen, die man in dem Kompendium des Damaszeners authentisch repräsentiert sieht. Vorreiter ist M. Chemnitz, dessen christologisches Hauptwerk zur ‚Erklärung‘ und ‚Illustration‘ der Modalität der hypostatischen Union abundant auf die altkirchlichen similitudines, v.a. des durchglühten Eisens und der Leib-Seele-Relation, zurückgreift; und die „begriffliche Abbreviatur dieser Exempel ist der Begriff der Peri776
STEMMER, 1983, 20; vgl. zu Maximos insgesamt 19–21. STEMMER, 1983, 24–29; vgl. ROZEMOND, 1959; HÜNERMANN, 1989, 107–110. 778 Hingegen „finden wir bei der ersten Generation der Reformatoren weder das Wort περιχωρησις noch die lateinischen Äquivalente ‚circumincessio‘ oder ‚circuminsessio‘ oder andere Übersetzungen“ (STEMMER, 1983, 39–41, hier: 40), was – etwa bei Luther – eine über die topischen Beispiele vermittelte Präsenz der Sache nicht ausschließt (40f). 777
IV. Der kommunikative Begriff der Persona Christi
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chorese, den Chemnitz im direkten Rückgriff auf Johannes Damascenus einführt“.779 Der altkirchlichen Vorgabe folgt Chemnitz auch in seinem Versuch, die aus der hypostatischen Union folgende Idiomenkommunikation in deren lutherischer Fassung im Rückgriff auf die Perichorese zu erläutern.780 Die mit diesem Konzept benannte vorbehaltlose Einigung zweier Wesen ohne Vernichtung ihrer essentiellen Integrität entspricht präzise dem konstruktiven und apologetischen Interesse, die reale communicatio idiomatum als ontische Partizipation der Naturen und ihrer Idiome zu denken, ohne damit die jeweiligen essentiellen Bezüge von Proprietäten und eigentümlichem Subjekt (Natur) aufzuheben. 4.3 Das durch Chemnitz781 zum festen Besitz lutherischer Christologie werdende Konzept der Perichorese mußte sich dann auch für die Vertreter der binnenlutherischen Alternative zu Chemnitz, die schwäbischen Christologen, von außerordentlichem ‚Interesse‘ erweisen. 4.3.1 Die als Perichorese konzipierte Formalstruktur der Personeinheit erlaubt einmal die präzise Balance zwischen der Unterscheidung und der Zuordnung von unio und Idiomenkommunikation. Die definitionale Verknüpfung (Brenz) wird gelöst und beides als causa und effectus unterschieden. Und doch bleibt festgehalten, daß diese unio schon an sich selbst kommunikativ strukturiert, als Vollzug von Mitteilung bestimmt ist, weil sie diese causa der Idiomenkommunikation genau als die Perichorese der Naturen ist. Die Distinktion von Unio und Idiomenkommunikation als Grund und Folge stellt sicher, daß letztere von einem Geschehen effektiver Veränderung des Wesensbestandes beider Naturen unterschieden ist: die Idiomenkommunikation gründet in der unio, sofern diese die perichoretische Vermittlung der Naturen als der Subjekte dieser Idiome ist, eben als Perichorese 779 STEMMER, 1983, 41–43, hier: 42 (Versalierung aufgehoben), unter Verweis auf CHEMNITZ, De Duabus Naturis, 86 („Ille etiam modus hypostaticae unionis divinae et humanae naturae in Christo, quem Damascensus vocat περιχωρησιν “). Vgl. dort aber schon 78. 79 und dann 87f. 90. 92f. 99. 106. 120f. 135ff. u.ö. 780 STEMMER, 1983, 42f. – Vgl. ibd. 18f. 27 zur altkirchlichen Verknüpfung von Perichorese und Idiomenkommunikation (Leontius von Byzanz, Johannes Damascenus). 781 Allerdings bleibt Chemnitz’ Verständnis der unio hypostatica und so auch der Idiomenkommunikation im Rahmen seines Grundkonzepts der Personeinheit als Wirkungseinheit, die durch eine asymmetrische Prädominanz des Logos als des Aktzentrums des vereinigten Ganzen charakterisiert ist (J. BAUR, 2007, 227–241, bes. 228–233. 237–239). Diese Asymmetrie prägt auch das Verständnis der christologischen Exempel und der Perichorese selbst; in der zweiten Hinsicht wird es durch die tradierte Bestimmung der einseitigen Aktivität des Logos in der Perichorese scheinbar zusätzlich legitimiert. Demgegenüber differenziert die ‚Tübinger‘ Linie in dieser Hinsicht sorgfältiger zwischen Aktivität und Wechselseitigkeit, damit im Ansatz der altkirchlichen Sicht näherkommend und diese doch zugleich im Ergebnis überbietend: auch wenn der Vorsprung des Logos als der (quasi) ‚Entelechie‘ des Ganzen festgehalten wird, impliziert dies doch keine nur instrumentelle Zuordnung der angenommenen Menschheit, sondern expliziert im Gegenteil die qua unio konstituierte ‚Lebenseinheit‘ des essentiell Differenten und ‚Hierarchischen‘; vgl. o. zu Th. Wegelin (D.I.7.1).
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
aber deren Vermittlung unter Wahrung der essentiellen Identitäten ist. Die neben dieser perennierenden Identität behauptete Kommunikation der Naturen meint die Neubestimmung des essentiell Unveränderten allein aufgrund perichoretischer Koexistenz mit wesentlich bleibend Fremdem. Diese neue Wirklichkeit entsteht nicht als Resultat verändernder Einwirkung des einen auf das andere, sie ‚ist‘ nur als Vollzug gemeinsamer Existenz dieses essentiell Disparaten mit der Folge wechselseitiger Teilhabe und Teilgabe. 4.3.2 Die Substruktion der Idiomenkommunikation durch das Konzept der Perichorese ermöglicht auch eine überzeugendere Lösung des Kontradiktionsproblems, das hinter den Rückzügen bei Brenz und den Restriktionen des ‚gemäßigten Ubiquitismus‘ steht. 782 Die Formalstruktur der Perichorese: Simultaneität von Identität (essentia; actus naturalis) und ‚Veränderung‘ (Idiopoiesis/Metapoiesis; actus personalis) erlaubt es, die Prädikation per se konträrer Attribute von ein- und demselben von einer jede Bestimmtheit aufhebenden Konfusion abzugrenzen: Das hier verknüpfte „Schwarz und weiß“, „Ja und nein“ ist nicht die Aufhebung jeder semantischen Bestimmtheit („soviel als nichts“),783 sondern Indikator der Simultaneität alter und neuer Wirklichkeit. Die für die Tübinger nach 1600 charakteristisch werdende symmetrische Fassung der Idiomenkommunikation, d.h. der Ausbau der theopaschitischen These durch Entwicklung der Idiopoiesis als des Korrelats der Metapoiesis, setzt diesen Theoriegewinn in der Sache voraus: hier müssen in potenzierter Weise Identität (immutabilitas/impassibilitas Deitatis) und Veränderung (Deitas passa) verbunden, die Simultaneität des zuhöchst Gegensätzlichen, von göttlicher Majestät und menschlichem Leiden, gedacht werden.
4.4 Das Konzept der Perichorese als Simul von Identität und Differenz entspricht insonderheit dem Interesse der Tübinger ‚Neuerer‘, den schlechthin singulären Status der Personeinheit im Kontrast zur Ontologie des regulären Seins zu explizieren. Die unio von Gott und Mensch meint einerseits nicht die Synthese einer neuen Wesenheit oder Substanz, in welcher die wesensmäßige Differenz der vereinigten Substanzen (abstrakt) aufgehoben würde; die unio personalis setzt kein ‚tertium quid praeter naturas‘, das als neue Substanz an die Stelle der ‚aufgehobenen‘ Naturen träte. Andererseits bildet die Personeinheit keine nur akzidentelle Verknüpfung, die einem für sich Bestehenden und an sich Unveränderten etwas Unselbständiges als eine nur nebensächliche Bestimmung zufügte. Beide Abgrenzungen sind je für sich notwendig. Zugleich führen sie, im Verbund, auf dem Boden der regulären Ontologie in eine Aporie, insofern hier die Alternative von substantiellem und akzidentellem Sein als unvermeidbare und vollständige Disjunktion des Seienden (species entis) gilt. Die doppelte Negation impliziert so die Aufgabe, die Personeinheit jenseits dieser Alternative von Substanz und Akzidens zu denken. Die anhand der Entwürfe Schaefers und Wegelins skizzierte Tübinger Lösung ist darin ‚radikal‘, daß sie dem theologischen Datum den Status einer neuen, besonderen Art von Seiendem zuweist. Während hinsichtlich der natürlichen Dinge (omne Ens, quod in mundo continetur), wie sie die Philosophie verbindlich 782 783
Vgl. o. C.IV.2.6.5. Vgl. o. C.IV.2.6.5 bei u. mit Anm. 621.
IV. Der kommunikative Begriff der Persona Christi
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beschreibt, die Disjunktion von Substanz und Akzidens tatsächlich adäquat und vollständig sei,784 kenne die Theologie mit den allein ihr durch Offenbarung erschlossenen ‚theologischen Geheimnissen‘ (in mysteriis Theologicis) noch spezfisch theologische entia, die die Disjunktion der Seinsarten erweitern. Dazu zählen neben dem ens hypostaticum der Personeinheit Christi die gleichfalls übernatürliche Verbindung von Leib und Blut Christi mit den irdischen Elementen im Abendmahl (ens sacramentarium) sowie die in der Einheit eines Wesens koexistierenden Personen der Trinität. Alle diese ‚exorbitant neuen‘ res Theologicae kommen darin überein, daß sie eine durch das Simul von Identität und Veränderung bestimmte Einheit perichoretischer Art bilden, welche sich durch die alternativen Regelmuster substantieller oder akzidenteller Synthesen nicht explizieren läßt.785 Die von J. Hoecker repräsentativ für die Tübinger Sicht vorgetragene Bestimmung theologischer Phänomene als besonderer res (Theologicae), die den regulären Dual von Substanz oder Akzidens um weitere species entis erweitern, ist jedoch binnenlutherisch nicht ohne Alternative. So erläutert B. Meisners Lösung desselben Problems die hypostatische, sakramentale oder trinitarische Einheit ontologisch nicht als besondere res oder Seinsarten (species entis), sondern als ‚nur‘ je besondere Weisen von Sein – modi rei;786 eine von Hoecker ausdrücklich abgelehnte These. Diese Dissonanz dürfte nicht allein als Alternative in der ontologischen Explikation zu erklären sein,787 sondern wohl auf eine Differenz im Verständnis schon des theologischen Datums selbst deuten, wie sie für Meisner schon hinsichtlich der Idiomenkommunikation und der christologischen Abstraktion festzustellen war.788 – Zur weiteren Konturierung der Tübinger Position soll darum nun Meisners Erläuterung der unio personalis in den Blick genommen werden.
5. Sächsische Alternative – Balthasar Meisner 5.1 Ratio totius personae 5.1.1 Den für die Tübinger zentralen ‚reduktiven‘ Begriff der Personeinheit vertritt mit Bestimmtheit auch Meisner: „persona Christi nihil aliud est quam ipsae duae naturae unitae, & hae nihil aliud, quam Christi persona“.789 In einem weiteren Sinn ist die Person zwar aus den Naturen ‚zusammengesetzt‘ (συνθετος/composita; 133/49), dies aber nicht im Sinne einer natürlichen Synthese (compositio physica), die auf ein von den konstituierenden Teilen unterschiedenes neues ‚Drittes‘ führte (133/49).
784
HOECKER, Clavis, 1613, 197. HOECKER, Clavis, 1613, 543. 786 Vgl. dazu SPARN, 1976, 135f. 787 In diese Richtung scheint W. SPARNs Interpretation (1976, 136) zu gehen; die Frage bedürfte aber noch einmal gründlicherer Untersuchung als hier möglich und nötig. 788 Vgl. o. D.II.2, 3.2; D.III.6. 789 Disputatio I, 1606 (o. Anm. 406; folgende Belege hierauf bezogen), 134/49. 785
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
Die schwäbischen Theologen fassen die ontologische Differenz der persona composita Christi darin rigoros, daß sie das christologische Totum nicht allein von den wesentlich konstituierten Ganzheiten (totum essentiale), sondern von allen Species natürlicher Einheiten (also auch: totum integrale, accidentale) unterscheiden; als analogieloses, übernatürliches totum hypostaticum kontrastiert es allen regulären ontologischen Mustern. 790 Meisner urteilt hier differenzierter. Einerseits gilt ihm die christologische Person im strengen Sinne überhaupt nicht als zusammengesetzte Einheit (totum quoddam compositum; 134/49); entsprechend können die Naturen nicht strikt als ‚Teile‘ dieser Person begriffen werden.791 Eine derartige ‚Komposition‘ wird freilich auch in Tübingen negiert. Andererseits geht Meisner hinter die schwäbische Grenzziehung zurück: In einem analogen Sinn sollen die konstituierenden Naturen doch integralen Teilen vergleichbar sein, weil die Person zwar nicht als dritte neue Wesenheit aus den Naturen, aber nun doch unstrittig als Verbindung ‚aus‘ und ‚in‘ zwei Naturen existiert.792 Dann aber ist diese Person selbst – erneut wird betont: κατ’ αναλογιαν – hinsichtlich ihrer Struktur dem ontologischen Muster des totum integrale vergleichbar.
Diese Differenz zur Tübinger These scheint marginal,793 ist aber genau für jene Frage von Bedeutung, auf die die schwäbische Ausgrenzung zielt: die Übertragung der ‚ganzen Person‘ zukommender Prädikate auf stets beide Naturen bei nur modaler Differenzierung des Zukommens.794 Diese These setzt die Abgrenzung der Personeinheit auch vom Muster integraler Einheit zwingend voraus, da für dieses der unlimitierte Transfer nach dem Konsens der Schulphilosophie ausgeschlossen ist. Konsequent bringt Meisners Konzession einer modifizierten Analogie die dem natürlichen Muster eignenden Regeln auch christologisch zur Geltung, wenn er statt des einlinigen Tübinger ‚Canon Theologicus‘795 eine differenzierende Anweisung formuliert: „quodcunque de persona [Christi] dicitur, id vel de utraque natura, vel de alterutra dicitur“.796 Gegen reformierte Restriktionen ist zwar stets hinter das Ganze der Person zurückzufragen auf die direkte Begründung der christologischen Prädikate durch die Naturen selbst; aber nicht in jedem Fall betrifft das von der Person Ausgesagte notwendig beide Naturen. Genauer: Während die Präsenz der Person notwendig als Gegenwart stets 790
Vgl. o. D.IV.2.2.1. „... naturae non sunt proprie partes illius personae“ (134/49). 792 „[naturae] partibus tamen integralibus quodammodo & κατ’ αναλογιαν respondent, quatenus persona ex iis & in iis subsistere dicitur“ (134/49; zum Begriff des totum integrale/essentiale vgl. o. Anm. 340). – Meisners These kommt der Formulierung nach der Position B. Keckermanns nahe (D.I.7.2.1 bei u. mit Anm. 341)! 793 Übergangen bei SPARN, 1976, 107 (Anm. 38), vgl. 244. 794 Vgl. das o. zu J. Hoecker Notierte (D.I.7.2.2). 795 „Quicquid commune est Toti personae CHRISTI, illud de utraque natura intelligendum est: sed hoc modo, ut de altera per naturae proprietatem & conditionem; de altera vero per communicationem Idiomatum, secundum Scripturae sensum sumatur & praedicetur“ (HOECKER, Speculum I, 1610, 59). Vgl. o. bei u. mit Anm. 347. 348. 796 135/49f. Vgl. entsprechend: „Quicquid de Christo dicitur, vel secundum utramque, vel secundum alterutram naturam dicitur“ (MEISNER, Philosophia Sobria I, 1611, 687). 791
IV. Der kommunikative Begriff der Persona Christi
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nach beiden Naturen zu begreifen sei,797 kommen die Aussagen über Wesen und eigentümliche Tätigkeit der Person nach nur jeweils einer Natur zu.798 Die in den frühen Disputationen eher nur vorausgesetzten ontologischen Theoreme hat Meisner in seiner Philosophia Sobria gegen reformierte Kritik eingehender entwickelt.799 (1.) Die Teile eines Ganzen existieren als Teile (partes inquantum partes) nicht für sich, sondern nur in und aufgrund ihrer Vereinigung zum Ganzen. Sie sind dann auch notwendig mit diesem Ganzen und durch dasselbe lokalisiert: Wo sich das Ganze als gegenwärtig bestimmt, da müssen auch seine Teile als anwesend gedacht werden.800 Sonst wäre der Konnex der Teile mit dem Ganzen aufgehoben und diese gar nicht als Teile (ut partes) eines Ganzen gedacht. Die das Ganze allererst konstituierende Vereinigung (unio, copulatio) der Teile bedeutet nicht anderes als deren Gegenwart mit dem Ganzen und miteinander. Gegenwart des Ganzen heißt so gleichörtliche und simultane Gegenwart aller seiner Teile801 – oder es wäre gar nicht von der Präsenz dieses Ganzen die Rede, ergo: „Quando
797
„A praesentia ... totius ad praesentiam partium irrefragibilis est illatio“ (Disputatio II, 1609, 231/146). 798 „Nam alia est ratio totius & partium, quando de essentia vel propriis actionibus agitur: ibi [im Blick auf die praesentia], non autem hic, a toto ad partes omnes & singulares argumentari licet“ (II, 1609, 263/148). 799 Philosophia Sobria, 1611, I, s. I, c. VI, Q. 4: An aliquid dici possit de toto, quod partibus nullis conveniat? (I, 232–234); Q. 5: An a toto ad partes valeat consequentia? (I, 234–236); s. IV, Q. 1: An totum realiter differat a partibus simul sumptis? (I, 686– 693); s. IV, c. II, Q. 2: An ex unione fluat vera & mutua unitorum praesentia? (I, 636– 641). – Gegen KECKERMANN, Systema Logicae, 1606 I, c. 22, c. 20; II, s. I, c. 4; DERS., Systema Theologiae, 1607, lib. 3, c. 2. – Vgl. dazu S PARN, 1976, 102–108. 800 „... partes, in quantum partes, non per se & a se, sed per accidens & cum toto locantur. Ubicunque igitur totum est, ibi etiam cum toto sunt partes totius, quia, ut dixi, partes non per se, sed in toto & cum toto praesentes sunt“ (I, 235). „Partes autem per se non existunt, per se non sunt in aliquo ubi, sed locantur ratione totius & existunt una cum toto in eo ubi, cui ipsum totum praesens est“ (I, 236). Vgl. I, s. IV, c. II, Q. II (An ex unione fluat vera & mutua unitorum praesentia?): „notandum, quod diversitas των Ubi non aestimetur ex distincta partium situatione, quia hae non sunt in Ubi πρωτως sed ex totius potius locatione, cujus spatium totum, in quo locatur, unum Ubi nominatur, etiam si multa Ubi particularia mente queat distingui. Quemadmodum igitur omnes partes sunt in uno toto: Ita etiam in uno totius Ubi, quoniam non per se, sed per totum in Ubi existunt“ (I, 636–641, hier: 639f). 801 „Accedit ratio altera, quod partes, ut partes, semper maneant unitae cum toto. Unio autem vera realem notat unitorum praesentiam, ita quidem, ut ubi unitorum unum, ibi & statim sit unitum alterum. Finge tu animam a corpore absentem, & unionem omnem solvisti. Ita finge totum esse alicubi, ubi non sint partes ejus singulae, copulationem partium & totius rupisti“ (I, 235). – Zur Auslegung der unio als conjunctio und darum als mutua unitorum praesentia vgl. Philosophia Sobria, 1611, I, s. IV c. II Q. II: An ex unione fluat vera & mutua unitorum praesentia? (I, 636–641): „Unio ... generaliter loquendo nihil est aliud quam rerum conjunctio. Et quo arctior unio, eo arctior conjunctio. Et hac sublata, tollitur & illa. Vera autem conjunctio veram una importat praesentiam. Non enim vel cogitare possumus realem sine praesentia conjunctionem. Quando enim alterum extra alterum est, & ab altero abest, rumpitur unio, & cessat conjunctio. ... Quae sibi mutuo non sunt praesentia, non sunt conjuncta, sed disjuncta, ideoque non unita, sed separata“ (I,
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
loquimur de praesentia totius, tum firmissima & invectissima ad omnes & singulas totius partes est collectio“.802 So schließt die Gegenwart des ‚ganzen Christus‘ stets auch notwendig die koextensive (Mit)Gegenwart seiner menschlichen Natur ein. 803 (2.) Der für die Frage der Gegenwart geforderte Übergang auf alle Teile gilt dagegen nicht, wenn die Prädikation von Wesen, eigentümlichen Tätigkeiten und Affektionen (essentia, propriae affectiones & operationes; I, 234) des Ganzen in Rede steht. Eine Unio begründet zwar als conjunctio stets die Kopräsenz aller Teile, verbindet aber diese Teile nur als solche ohne Veränderung und Vermischung ihres (u.U.) differenten Wesens. Wesensprädikate ebenso wie die dadurch begründeten Tätigkeiten und Affektionen eignen dem Ganzen so nicht notwendig und unlimitiert hinsichtlich aller Teile (ratione omnium & singularium partium), sondern möglicherweise nur beschränkt (duntaxat ratione certarum [partium]). Die reformierte Differenzierung zwischen Prädikaten des Ganzen und der Teile wird hier von Meisner sofort zugestanden,804 was christologisch die für den Fall der Präsenz verweigerte Anerkennung der (altkirchlichen)805 Distinktion von totus Christus (Person; ολος) und totum Christi (beide Naturen; ολον) bedeutet, mit Relevanz etwa für die theopaschitische Frage: „Totus Christus est passus, sed non totum Christi“ (I, 235).
5.1.2 Die der modifizierten Analogisierung der Person Christi zum Muster des totum integrale geschuldete Differenzierung der ratio totius stellt die Aufgabe, das daneben festgehaltene Theorem der Realidentität von Person und beiden Naturen Christi zu präzisieren. Dem Ausgleich arbeitet eine Unterscheidung der Verwendung des Ausdrucks ‚Persona Christi‘ vor, die die Homonymien der Vokabel sichtet. Der Ausdruck kann bezeichnen (notat): (1.) die subsistierenden Naturen als solche ( τα υπαρχοντα subsistentia, vel naturas, quae subsistunt); – (2.) die Subsistenz, durch die die Naturen subsistieren (την υπαρξιν ipsam subsistentiam, vel personalitatem, per quam naturae subsistunt); – schließlich (3.) das unter (1.) und (2.) Unterschiedene zusammengenommen, d.h. die Subsistenz samt den durch sie subsistierenden Naturen (utrumque & subsistentiam & naturas subsistentes, hoc est totum υφισταμενον , totum Christum, in duabus naturis una subsistentia subsistentem).806 In keinem Fall stehen ‚persona‘ und ‚naturae (unitae)‘ in einem Verhältnis real unterschiedener Dinge (realis differentia). Andererseits erfolgt die Unterscheidung nicht ein-
636). Vgl. Disputationes, 1624b, Disp. VI, 26/81: „Vniri ... nihil aliud est quam copulari ideoque Unio est plurium rerum copulatio, qua illa sunt aut fiunt unum“. 802 Philosophia Sobria, 1611, I, s. I, c. VI, Q. V (I, 235). 803 Philosophia Sobria, 1611, I, 236. 234. 804 „Si de essentia propriisque affectionibus & actionibus sermo est, tum concedimus a toto ad partes singulas nullam esse consequentiam. Non sequitur, Homo intelligit. Ergo & abdomen. Homo vulneratur. Ergo & anima. Homo erecto incedit vultu. Ergo & pes. Non inquam, haec sequuntur, quoniam in talibus Enunciationibus sermo est, de propriis operationibus & affectionibus totius, quae toti insunt, non ratione omnium & singularium partium, sed duntaxat ratione certarum, ideoque illa operatio vel affectio de singulis partibus dici nequit“ (I, 235). 805 De Fide Orthodoxa III, 7 (= 51; ed. KOTTER, 126,52–56) 806 1606, I, 136/50. – Vgl. auch die z.T. anders orientierte Differenzierung in Disputationes, 1624b, Disp. VI, 25/80f: 1. υπαρξις/subsistentia; 2. simplex υποστασις, unica tantum natura constans; 3. υποστασις composita, in duabus naturis subsistens.
IV. Der kommunikative Begriff der Persona Christi
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fach nur denkweise, ohne Anhalt an den Gegenständen selbst. Meisner behauptet eine differentia formalis, eine in der Sache begründete Differenz des Denkens (136/50). Lediglich für die erste Fassung des Personbegriffs entfällt, wie unmittelbar einsichtig, selbst diese formale Differenz zugunsten einer völligen Identität: Die Person verstanden als ‚τα υπαρχοντα ... vel natura[e] quae subsistunt‘ ist selbstredend in keiner Hinsicht (nec realiter nec formaliter) von den ‚naturae unitae‘ unterschieden.807
Meisners semantische Klärungen finden ihre sachliche Fortführung in einer präzisierten Beschreibung des Vollzugs der unio und der inneren Struktur des dadurch konstituierten Ganzen der Person. Die unio hypostatica im engeren Sinn, als Status des Vereinigt-Seins im Unterschied zum konstituierenden Akt der Vereinigung (unitio), darf nicht als Verbindung von menschlicher Natur und göttlicher Person (des Logos) bestimmt werden. Sie vollzieht sich zwischen den beiden Naturen ‚in‘ der Person (Hypostase) des Logos.808 Diese Festlegung verteidigt die lutherische These einer direkten Kommunikation zwischen den Naturen gegen die Annahme einer Abstufung der hypostatischen Vereinigung als (1.) unio immediata personae λογου cum natura humana, (2.) unio mediata naturae λογου cum natura humana, wie sie von einem Teil der konfessionellen Kontrahenten vertreten wird.809 Die Logos-Hypostase bildet nach Meisner näherhin den terminus (in quo) unionis,810 d.h. das in jeder Vereinigung von wesentlich Verschiedenen (unio disparatorum) nötige ‚Dritte‘ im Sinne des ‚einheitsstiftenden‘ ‚Bandes‘ (vinculum; το ενοποιον ), in welchem die disparaten Naturen zusammenkommen und unter Wahrung ihrer essentiellen Identität eins-
807
I, 137/50f. – Die Annahme einer formalen Differenz in den Fällen (2.) und (3.) impliziert die These einer Positivität der Subsistenz, christologisch also der Hypostase des Logos, ‚in‘ der die Naturen subsistieren – sie muß als etwas ‚Reales‘ begriffen werden. Dies aber nicht im Sinne eines abstrahierbaren Seins für sich (absoluta entitas), anderenfalls wäre gegen die Axiomatik des metaphysischen Gottesbegriffs der Logos als aus Natur und Hypostase im eigentlichen Sinn ‚zusammengesetzt‘ gedacht. Ebenso würde die Annahme der Homousie und Integrität der angenommenen Menschheit fallen: Als ohne eigene (menschliche) Subsistenz subsistiert die natura humana in der Hypostase des Logos; diese Anhypostasie (hinsichtlich des terminus a quo) bedeutete einen das vere homo destruierenden Defekt, würde die Positivität der Subsistenz im Sinne der Zufügung einer real unterschiedenen res zur natura gedacht. Meisner löst das Problem schon 1606 ganz im Sinn des späteren Votums in der Philosophia Sobria, die auch hier die ontologische Problematik breiter aufarbeitet (dazu S PARN, 1976, 104–107): Die behauptete positive differentia formalis zwischen Person und Naturen stellt eine modale Unterscheidung dar – die Hypostase oder Subsistenz fügt der Natur nicht etwas von dieser als res für sich Unterschiedenes hinzu, sondern konstituiert lediglich eine bestimmte Daseinsweise der durch sie und in ihr subsistierenden Natur: „υποστασις ... concipitur ad modum ejus, quod in ista υποστασει subsistit“ (I, 137/50f, hier: 51). 808 „unio hypostatica non inter personam & naturam, sed inter duas naturas vertitur, ... quam ob causam hinc inde a Theologis unio duarum naturarum in una persona, non vero unio personae & naturae appellatur“ (I, 1606, 92/33f–95/34f [De unitis], hier: 94/34). Vgl. Disputationes, 1624b, Disp. IX, 32f/125f. 809 MEISNER, I, 1606, 93/34; vgl. Disputationes, 1624b, Disp. IX, 32f/125. 810 „... Terminus unionis, & non alterutrum unitorum est υποστασις του λογου, in qua uniuntur & diuinae & humanae naturae“ (96/35). Vgl. M EISNER, 1624a, Th. 45 (F1 v.F2r).
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
werden.811 Das Resultat dieser Verbindung, ihr terminus ad quem, ist das gottmenschliche Suppositum (υφισταμενον συνθετον) aus natura divina und humana in der identischen Subsistenz der Logoshypostase.812
5.1.3 Auf der Grundlage dieser Präzisierungen zur Struktur der hypostatischen Union gewinnt auch Meisners Differenzierung der ratio totius (Personae Christi) hinsichtlich der Präsenz (1.) einerseits, des Wesens (2.a) und eigentümlicher Tätigkeit (2.b) andererseits, noch einmal an Transparenz. (1.) Extension und Art der Gegenwart jedes (substantial) Seienden ergeben sich aus der Art von dessen Da-Sein (subsistere), dieses wiederum ist eine direkte Funktion der Subsistenz, durch die das Seiende subsistiert. Aufgrund dieses emanativen Konnexes ist die Frage ‚An qualis subsistentia, tale semper sit subsistentis subsistere?‘813 positiv zu beantworten: Wie das Sosein eines Seienden (esse entis) immer durch dessen Wesen (essentia) determiniert ist, so sein Dasein (subsistere; modus subsistendi) durch die Qualität seiner
811 96/35. Vgl. II, 1609, 69/61: „ενοποιον quoddam intervenit, quo disparata & dissentanea quasi unum fiunt“. – Ausgeführt in den Texten von 1624: „Το ενοποιον vero vel terminus, in quo utraque natura concurrit, & quo mediante uniuntur invicem, est una eademque υποστασις vel subsistentia, nimirum infinita του λογου. Ut enim in omni disparatorum unione quoddam datur quasi vinculum, quod illa unit, in quo ista conveniunt, & per quod unum fiunt: Ita in unione hac supernaturali το ενοποιον duas naturas conjungens est ipsissima Filii Dei υποστασις, in quam una assumitur caro Christi, & per hanc assumptionem cum divinitate λογου arctissime unitur. Ubi tamen non est putandum, quod alia res sit natura λογου unienda, & alia υποστασις λογου, quae vocatur vinculum & terminus unionis, sed haec duo sunt re unum, differunt tantum ratione & modo concipiendi, unde distinguuntur etiam modo loquendi. Verissimum est quoad rem, quod non tantum λογος, sed etiam natura λογου divina sit incarnata, vel carnem assumserit; quod non tantum natura, sed & persona λογου carni sit unita; quod λογος assumens & υποστασις, in quem caro est assumta, realiter non discriminentur: quia tamen hanc simplicissimam unitatem noster intellectus non capit, hinc quodammodo distinguimus inter naturam λογου, quae essentia divina; inter personam λογου, quae notat υφισταμενον Trinitatis secundum, certo modo habens essentiam divinam: & inter personalitatem vel subsistentiam λογου, quae est modus existendi, & ultima determinatio essentiae. Quando haec juxta nostrum concipiendi modum distinguimus, tum & distinctae locutiones formari solent debentque; nimirum hujus modi: (1.) Persona λογου primo, & hac mediante, natura divina assumsit humanam naturam. (2.) Unio personalis accurate loquendo non est personae & naturae; sed duarum naturarum, divinae & humanae in persona. (3.) Terminus & quasi tertium illud, in quo utraque natura concurrit, est infinita λογου subsistentia, & nihilominus haec ipsa realiter non differt a natura λογου, dicimus tamen, quod duae naturae in una υποσταv r σει λογου concurrant & uniantur ...“ (Magnum Mysterium, 1624a, Th. 99 [M4 . N1 ]; vgl. parallel Disputationes, 1624b, Disp. V, 20/66–22/67, bes. 22/67. – Meisner geht hier in Gesners Spuren; vgl. u. D.IV.6.1. 812 Vgl. I, 1606, 132/48f–139/51; Magnum Mysterium, 1624a, Th. 103 (N3 v.N4 r), Disputationes, 1624b, Disp. IX, 12/120. – Zur Differenzierung: terminus (unionis) in quo (= Hypostase im Sinne des ενοποιον, o. Anm. 811) und terminus (unionis) ad quem (= Resultat der Unio, υφισταμενον συνθετον) vgl. ausführlicher Magnum Mysterium, 1624a, Th. 104 (M4v); Disputationes, 1624b, Disp. IX, 22/123. – Vgl. o. C.II.2.2.1.1. 813 Philosophia Sobria, 1611, I, s. 4. c. 1. q. 3 (I, 627–629, hier: 627).
IV. Der kommunikative Begriff der Persona Christi
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Subsistentia.814 In christologischer Wendung: Die identische Subsistenz in der Logoshypostase begründet ein identisches subsistere der Naturen, so aber auch deren koextensivgemeinsame Präsenz, das gemeinsame Dasein in illokaler Allgegenwart. (2.a) In der identischen Subsistenz kommen die Naturen ko-existierend überein – dies jedoch bleibend als sie selber, ohne Alteration ihres jeweiligen Wesens: Die Teilhabe an der Logoshypostase bestimmt zwar den Daseinsmodus (subsistere subsistentis/rei) der Menschheit, nicht aber deren Sosein (esse subsistentis). Von der wesentlichen Beschaffenheit der Logoshypostase kann nicht auf ein entsprechendes (So)Sein der menschlichen Natur (esse humanitatis subsistentis) geschlossen werden. Deren Partizipation an der illokalen Ubiquität der Gottheit hat keineswegs eine menschliches, überhaupt kreatürliches Wesen destruierende Teilhabe auch an der Ewigkeit, Unendlichkeit oder Simplizität der göttlichen Hypostase zur Folge.815 Der Konnex gemeinsamen Daseins, den die unio setzt, darf nicht überführt werden in eine Konvenienz des Wesens des Vereinigten. Das Wesen, definiert gerade als das unabhängig von jeder zeitlich-örtlichen Veränderung Identische eines Seienden, wird nicht bestimmt durch das veränderliche ‚hic et nunc‘ von dessen konkreter Existenz. Die Identität der Subsistenz steht verträglich neben der perennierenden essentiellen Disparität auch der vereinigten Naturen. Deren jeweilige Wesensmerkmale kommen dem konkreten Ganzen der Person zu, ohne aber auf die je andere Natur bezogen werden zu dürfen. Möglich ist in diesem Fall allein der Übergang von dem Totum der Person auf genau eine der konstituierenden Naturen. (2.b) Derselben Limitation unterliegt die Attribution operativer und affektiver Prädikate (actiones/operationes; affectiones propriae).816 Gegen reformierte Restriktionen nach dem Muster der Alloiosis insistiert Meisner zwar auf der ‚subjektiven‘ Funktion der ganzen Person: Tätigkeiten oder Widerfahrnisse kommen aufgrund ihrer zeitlichen wie lokalen Definität nur einem in solcher Bestimmtheit Seienden, d.h. nur der konkreten Existenzeinheit zu – „actiones sunt suppositorum“. 817 Christologisch ist so die ganze Person, nicht eine der relativ zur Person ‚abstrakten‘, nicht für sich existierenden Naturen, das ‚principium quod (agit)‘ aller prädizierten Tätigkeiten. Das Wirkprinzip des tätigen Suppositum im Sinne der Bedingung der Möglichkeit solcher Tätigkeit (principium quo) ist dagegen das in diesem Suppositum zu aktueller Existenz gebrachte Wesen des Seienden (essentia/natura). Eine essentielle Differenz der Teile eines Suppositum bedeutet so immer eine Multiplizität solcher Wirkvermögen; in den Tätigkeiten des Ganzen äußert sich je ein bestimmtes Wirkvermögen. Appliziert auf den christologischen Fall: Das Suppositum der Person Christi vereinigt mit den Naturen zwei substantial vollständige Wirkprinzipien und kann durch diese in seinen externen Tätigkeiten (Affektionen) nicht nur vielfältig, sondern im strengen Sinn gegensätzlich bestimmt sein kann. Hier wie dort, für das natürlich Seiende wie für die Person Christi, gilt: Die ursächliche Rückführung der Aktivität und Rezeptivität des existierenden Ganzen auf die wesentliche Verfaßtheit seiner Teile verbietet die unlimitierte Übertragung der Prädikate des Ganzen (principium quod) auf alle Teile: Im Sinne des Principium quo ist nur diejenige pars (Natur) betroffen, deren eigentümliches Wesen sich in der bestimmten Tätigkeit oder Affektion manifestiert.
814 „Unde enim dependet subsistendi modus, nisi a subsistentia? Nam quemadmodum se habet esse ad essentiam, ita se habet subsistentia [!, lege: subsistere] ad subsistentiam. Ast tale semper est esse entis, qualis est essentia. Igitur & tale erit subsistere subsistentis, qualis est subsistentia“ (Philosophia Sobria, 1611, I, 627). 815 Vgl. hierzu eingehender SPARN, 1976, 82–86. 123f. 816 Zur ontologischen Problematik vgl. detaillierter SPARN, 1976, 102–106. 817 So die von Meisner zustimmend zitierte scholastische Regel (1611, I, 685f).
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5.2 Praesentia totius Personae Christi 5.2.1 Meisners Rückführung der essentiellen und energetischen Attribute der ganzen Person auf je nur eine Natur ist binnenlutherisch nicht kontrovers, sofern und soweit gegen anderslautende Einwände der konfessionellen Polemik die wesentliche Identität der Naturen gesichert werden soll. Die bleibende Disparität der Naturen auch in der Personeinheit steht auch denjenigen Tübinger Voten außer Frage, die den Transitus von der Person auf beide Naturen ohne Einschränkung für alle Prädikate fordern: der essentiell jeweils fremden Natur kommt das Prädikat allein kraft der Kommunikation zwischen den vereinigten Naturen zu, aufgrund der Idiopoiesis (natura divina) oder aufgrund der Metapoiesis (natura humana).818 Während Meisner für den Fall der communicatio Majestatis einen Bezug auf beide Naturen teilt, führt seine Ablehnung einer die göttliche Natur betreffenden Idiopoiesis nach Tübinger Muster dazu, daß hinsichtlich der Prädikation menschlicher Idiome von der ganzen Person die Beschränkung auf nur eine Natur (alterutra natura) greift. 819 Die Stringenz seines Entwurfs zeigt sich darin, daß er die Differenzierung der ratio totius auch zur anderen Seite hin konsequent durchführt: die Gegenwart des ‚ganzen Christus‘ ist stets als Gegenwart beider Naturen zu denken. 5.2.2 Meisners Argument De communicata Omnipraesentia820 differenziert: Zwischen den Konfessionen kontrovers ist sowohl die gnädige Gegenwart Christi bei der Kirche (praesentia specialis/gratiosa) als auch seine gubernatorische Präsenz in der ganzen Schöpfung (praesentia universalis per potentiam).821 Die kontinuierliche (omnibus temporibus; II, 225/145) gnädige Gegenwart Christi bei der Kirche nach beiden Naturen (II, 225/145f) belegen die Verheißungen in Mt 18,20; 28,20. Gegen die restriktive reformierte Deutung des für die ganze Person supponierenden εγω verteidigt Meisner den lutherischen Einbezug auch der Menschheit mit seinem ontologischen Argument: Aussagen über die Präsenz des Ganzen sind stets von allen konstituierenden Teilen, hier also von beiden Naturen, zu verifizieren. Im Zentrum der Auseinandersetzung steht die auch binnenlutherisch zu Friktionen führende822 ‚Posterior Thesis‘ „de universali praesentia etiam extra Ecclesiam“.823 Meisner begründet sein positives Votum auch hier an erster Stelle mit einschlägigen Schrift818
Vgl. o. D.I. 7.2.2; 7.3.1. Vgl. o. D.II. 2.1; 3.2. 820 Disputatio II, 1609, 213/141–285/165f. 821 „... duo hic in quaestione veniunt, quorum prius quaerit de praesentia totius Christi specialis in Ecclesia per gratiam, quam nonulli multipraesentiam vocant; alterum de praesentia Christi universali, apud omnes omnino, extra Ecclesiam quoque constitutos, per potentiam“ (II, 224/114). – Diese Differenzierung des Beweisthemas nimmt die traditionelle Unterscheidung der ‚Modi‘ oder ‚Grade‘ göttlicher Präsenz auf (o. B.II.2.2). 822 Vgl. das o. zur Helmstedter Position Notierte (C.IV.2.2). 823 1609, II, p. 151 i.m.; 243/151–285/165f. 819
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zeugnissen,824 trägt dann aber auch ein systematisches Argument vor – drei ‚Rationes ab analogia fidei‘ können für diese praesentia universalis Christi geltend gemacht werden: 1. ab unione personali 2. ab hypostase ως communione 3. A sessione ad dexteram Dei.825 Meisner appliziert konsequent seine Überlegungen zur Logizität von Ganzem und Teilen hinsichtlich der Gegenwart826 sowie zum Wesen jeder Unio als Kopräsenz des Vereinigten:827 Die Vereinigung der Naturen zum Ganzen einer Person (unum υφισταμενον) impliziert deren koextensive Präsenz – dem Kanon des ‚ubi unum [unitorum], ibi alterum‘ zu widersprechen, hieße, den Zusammenhang des Ganzen selbst aufzulösen (II, 250/153). – Diese Koppelung von Unio und Kopräsenz der Naturen provoziert nun die ‚Gretchenfrage‘ des späteren Kenosis-Streites: „An igitur ob eandem unionem humana Christi natura in statu exinanitionis etiam cum λογω omnipraesens & ubique fuit, sicuti nunc in statu Exaltationis praesentissime omnia gubernat?“828 Meisners Antwort entwickelt – 1609 – genau jene „mittlere“ Position, die dann auch seine Brevis consideratio (1621) im kenotischen Streit selbst vortragen wird.829 Die Teilhabe der Menschheit Christi am Weltregiment wird exklusiv dem Status exaltationis reserviert – in der Zeit der Erniedrigung übt der Logos seine Herrschaft ohne aktuale Beiziehung der natura humana aus. In dieser Hinsicht (... omnia gubernat) muß die Frage verneint werden: „Neutiquam ...“! Doch nur in dieser Hinsicht! Eine definitive Antwort verlangt zunächst eine präzisierte Bestimmung des Begriffs der Omnipräsenz. Drei Momente sind zu unterscheiden: „aliquid ubique esse, essentialiter, vel praesentialiter, vel potentialiter“. Der tradierte Merkvers beschreibt Gottes Allgegenwart als simultane Realisierung aller dieser Modi: „Enter, praesenter, Deus hic & ubique potenter“. Meisner erläutert das ‚essentialiter adesse‘ als Gegenwart kraft der Verfaßtheit des Wesens (quod per naturam adest), das ‚praesentialiter adesse‘ als Gegenwart in der Weise abstandsloser Nähe (quod per indistantiam adest), schließlich das ‚potentialiter adesse‘ als Gegenwart im Modus tätiger Einwirkung auf anderes (quod per influentiam, efficaciam seu operationem adest). Die erneute Sichtung des Problems auf dieser Basis führt zu einem differenzierten Urteil. Der erste Modus ubiquitärer Präsenz (essentialiter/per naturam) ist allein der unendlichen Gottheit möglich und vorbehalten. Er kommt der Menschheit als einem ens finitum zu keiner Zeit, auch nicht im Stand der Erhöhung, zu, da sie sonst als wesensmäßig unbegrenzt (ουσιωδως infinita) gedacht würde (II, 262/157). – Im Blick auf den dritten – in 824 „... Totus Christus & secundum divinitatem, & secundum humanitatem, suis etiam hostibus, extra Ecclesiam constitutis, omnibusque creaturis aliis adest praesentissime“ (II, 243/151); mit Verweis auf Ps 72,8; 110,2; Eph 4,10 (II, 244/151–248/153). 825 II, 250/153–266/159; 267/159–270/160; 271/160–279/163. Während das Argument aus der (nachösterlichen) Sessio nur für den Status exaltationis Relevanz besitzt, führt der Rekurs auf die das ganze Dasein der Person umgreifenden beiden ersten Instanzen auf die Frage nach der Kontinuität der praesentia universalis über die Statusdifferenz hinweg. 826 Vgl. o. (D.V.) 5.1.1; 5.1.3. 827 praesentissima naturarum praesentia: 1606, I, 114/41–129/47; vgl. o. Anm. 801. 828 1609, II, 261/157. Dort auch die folgenden Zitate im laufenden Text. 829 Vgl. o. [C.] Anm. 301.
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bestimmter Weise zentralen830 – Modus operativer Gegenwart (potentialiter) greift die Zäsur der Stände. Die Schrift bezeugt ausschließlich für die erhöhte Menschheit831 diese Teilhabe am göttlichen Weltregiment. Im Stand der Erniedrigung hingegen „ruhte“ ( ησυχαζετο/quiescebat; II, 262/158) der Logos, insofern er damals nicht „omnia ad creaturarum gubernationem & conservationem spectantia in carne, & [cum] carne, & per carnem semper operabatur“ (II, 262/158) – auch eine so bestimmte Allgegenwart kam der natura humana exinanita mithin nicht zu.832 Es bleibt der zweite Modus ubiquitärer Präsenz (per indistantiam) – hier verbietet sich eine Negation. Die hypostatische Union ist genau als Ausschluß jeder Abständigkeit der Naturen zu verstehen: „ενωσις ... αδιαστατως indistanter facta est“ (II, 264/158). Diese Gegenwart der Naturen füreinander kennt so keine Unterbrechung; als Implikat der unio selbst umgreift sie die Differenz der Stände: „ideo nec carnem a λογω, nec λογον a carne ullibi vel distasse in statu exinanitionis, vel distare etiam nunc in statu exaltationis“ (II, 264/158). Meisner zieht die anstehende Folgerung: „... Cum igitur assumptam Christi carnem tempore etiam profundissimae exinanitionis, ne nihilum quidem a λογω distasse credendum sit, utique hinc consequitur id, quod λογος humanitatem suam, in statu ελαττωσεως tum versantem, omnibus omnino locis sibi habuerit praesentissimam ...“ – dies ist die ‚Normalthese‘ der Theorie der praesentia intima, die das ‚sibi humanam naturam praesentem habere‘ des Logos distinkt zur (negierten) Weltgegenwart der entäußerten Menschheit setzt.833 Meisners Fortführung des Arguments bricht aber mit dieser Disjunktion und setzt das Unterschiedene in ein Grund-Folge-Verhältnis: „... ideoque vicissim caro cum λογω & in λογω a nulla creaturarum distarit, & sic omnipraesens per indistantiam fuerit, ipsa licet ob vigentem exinanitionem saepe nihil horum animadvertente“. 834 830 „quo potissimum praesentia definitur[!] (quippe cum ibi res dicatur maxime praesens, ubi maxime operatur,)“ (II, 262/157) – ist das Einfluß Mentzers? 831 „... nunc ... post factam plenariam υπερυψωσιν, non autem ante“ (II, 262/157). 832 „Hoc ergo sensu humana Christi natura, durante κενωσεως statu, non erat omnipraesens, praesentia videlicet, uti loquuntur Theologi, ad creaturas, quae potenti earum dominio & administratione circumscribitur“ (II, 263/158). 833 Vgl. o. C.IV.3.1 (Ä. Hunn). 834 II, 265/159. – Im Hintergrund der beigefügten ‚psychologisierenden‘ Kautele dürften letztlich J. Schegks Versuche stehen, die lutherische These, es habe die Menschheit Christi Teil am allgegenwärtigen Weltregiment des Logos, dadurch zu ‚verteidigen‘ (vgl. o. Anm. 259), daß er solche ‚Ubiquität‘ kraft der Personeinheit (‚causa personae‘) näherhin ‚psychologisch‘, als durch Mitwollen und Mitwissen vermittelte Teilhabe am Weltverhältnis des Logos expliziert: „quaerat forsan quispiam, qua ratione naturaliter & corporaliter absens natura humana nihilominus causa personae Christi omnibus rebus praesto adesse dicitur? Dicimus nos in oikonomia seculorum nihil fieri aut esse, quod nesciente aut non volente fiat homine Christo, conformi per omnia existente voluntate humana divinae & praetera etiam conscia mente Christi ...“ (Sententia De una persona, 1565, 45. Vgl. BRANDY, 1989, 100–107; DERS. 2000, 77–80, bes. 79 Anm. 128). – Was bei Schegk als grundsätzliche Bestimmung gedacht ist, rezipiert dann gleichsam Meisners Lehrer Ä. Hunn in ‚negativer‘ Wendung, wenn er als ein Moment der Abwesenheit der entäußerten Menschheit Christi nun den ‚Ausfall‘ eines bewußten Weltbezugs nennt: Wie für den Status exinanitionis keine tätige Einwirkung der menschlichen Natur auf die Welt anzuneh-
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Diese Auslegung der stetigen wechselseitigen Gegenwart der Naturen füreinander als Grund von deren ebenso kontinuierlicher Kopräsenz in externer Hinsicht appliziert, was Meisner hinsichtlich der Struktur des christologischen Totum geltend gemacht hatte. Das Ganze ist konstituiert durch die Aktualität der Vereinigung, d.h. aber durch den Zusammen-hang und die wechselseitige Gegenwart seiner Teile. Die Präsenz des Ganzen (Person) fordert dann notwendig die gleichörtliche Kopräsenz aller seiner Teile (Naturen) – oder es wäre der Zusammenhang der Teile, damit aber auch das Ganze selbst aufgelöst. Christologisch ist darum die kontinuierliche (All)Gegenwart auch der Menschheit Christi – in der Weise der indistantia – auszusagen. Da Meisner andererseits diesen notwendigen Übergang vom Ganzen auf alle Teile nur für die Frage der Präsenz annimmt, im Blick auf men ist, da sie nicht an der göttlichen Weltregierung beteiligt war („... [absens] negatione dominij, quia tum nondum praesederat [Christus homo] omnibus creaturis, quod illarum plenam administrationem attinet“; Epheser 1587, 183; vgl. Assertio 1591, 227; vgl. C.IV. 3.1.2), so ist gegenläufig ihre rezeptive Beziehung auf die Welt im Sinne einer bewußten Wahrnehmung des sonstigen Weltgeschehens regulär ausgeschlossen: „... [absens] priuatione aspectus & visionis eorum, quae alijs in locis gerebantur (semper tamen particulari gloriae Christi declaratione excepta) sicut etiam creaturis caeteris se adesse Christus, qua homo, nec sensit nec animaduertit, demptis vt dictum est, particularibus“ (Epheser 1587, 183 – setzt letzteres nicht eine ubiquitäre Gegenwart auch der entäußerten Menschheit im Sinne ihres bloßen – ihr selbst freilich unbewußten – Da-Seins (adesse) gerade voraus? Vgl. zu dieser Frage weiter u. Anm. 838). – In dieser Spur Hunns steht dann die notierte These Meisners, hier nun jedoch als Näherbestimmung der Anwesenheit der entäußerten Menschheit Christi, die Meisner klar vertritt. – Dieser problematischen Fassung des Weltverhältnisses der Menschheit Christi eignet dann weiter die Tendenz, auch schon das Binnenverhältnis von Gott und Mensch in der Person Christi auf nicht minder problematische Weise durch ‚psychologisierende‘ Kategorien zu explizieren, wie ebenfalls bei Hunn deutlich wird: „Christus qua homo, propter exinanitionis interuentum non viderit, non audiuerit, non animaduerterit ea, quae ijs in locis, a quibus localiter aberat, gerebantur aut dicebantur, propter euacuationem scilicet pleni exercitij suae diuinae maiestatis. Quin ut aliquid amplius dicam: sciuit quidem anima CHRISTI humana semper se τω λογω personaliter unitam: idipsum vero nequaquam pari semper euidentia sensit, sed nonnunquam luculentius, nonnunquam vero subobscure, vt cum in cruce luctatur cum tentatione de desertione Dei“ (Epheser 1587, 181); „exclamans: Deus meus, Deus meus, quare me dereliquisti?“ (Assertio, 1591, 226). – Diese Festlegungen verschärfen nochmals die dem ‚gemäßigten Ubiquismus‘ eigentümliche asymmetrische Zuordnung von Logos und natura humana. Letztere rückt auf den Status eines ‚Mediums‘ und ‚Objekts‘ des LogosHandelns, beide Pole der unio werden so auffällig gegeneinander ‚verselbständigt‘. Die Personeinheit ist nicht eigentlich der Ort der Vermittlung beider Naturen, in der auch der Logos dahin neu bestimmt wird, daß das Geschick der Menschheit nun seine Geschichte und sein Widerfahrnis ist; vielmehr wird er zum Terminus einer intellektuellen Beziehung der Menschheit – und zum ‚Gegenüber‘ der Menschheit als Repräsentant der einen Gottheit: was die reklamierten neutestamentlichen Texte als Geschehen zwischen Jesus und (Gott) dem ‚Vater‘ benennen, denkt Hunn als Beziehung zwischen der Menschheit Christi und dem Logos. – Vgl. zu dieser Frage auch u. F.III.4.
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die Prädikation von Wesen und Tätigkeit jedoch abweist,835 gilt der (vermeintlich) dem Schriftzeugnis nachgesprochene Ausschluß der natura humana exinanita von der operativen Allgegenwart (per potentiam) nicht als Auflösung der unio. Auf dieselbe differenzierte Antwort führt Meisner auch das zweite Argument ab hypostaseως communione.836 Die Daseinsweise (subsistere; existere) eines Seienden ist determiniert durch seine Subsistenz: „Tale est subsistere illius, quod subsistit, qualis est subsistentia, qua subsistit“ (267/159). Christologisch begründet so die omnipräsente Logoshypostase als (enhypostatische) Subsistenz auch der per se anhypostatischen Menschheit deren allgegenwärtiges Dasein (subsistere); diese Existenzbegründung unterliegt keiner Modifikation durch die Zäsur der Stände. Andererseits aber kann nicht vom Sein und Tun der Hypostase (subsistentia) auf eine entsprechende Qualifikation des Seins des Subsistierenden (esse rei) geschlossen werden – „quoniam sic confunderetur essentia cum praesentia, & haec cum illa. Existere enim rei pendet ab existentia, non autem esse rei; ideoque qualis est existentia, tale est existentis existere, non autem quale est esse subsistentiae & hypostase ως, illico tale est esse existentis“ (268/159).
5.2.3 Meisner konsequenter Durchführung kontrastiert die Inkonsistenz der schwäbischen Theologen im Blick auf die Handhabung ihres gegenüber Meisner ‚radikaleren‘ Kanon zur Ontologie der christologischen Person: es seien alle Prädikate der ganzen Person stets auf beide Naturen zu beziehen, bei lediglich modaler Differenzierung solchen Zukommens.837 Denn in unkommentiertem Widerspruch zu dieser grundsätzlichen Festlegung behaupten Gerlach, Schaefer, Hafenreffer und Hoecker für die Zeit der Entäußerung homophon den Verzicht auf den ‚Gebrauch‘ der göttlichen Majestätseigenschaften und also auch der Allgegenwart durch die menschliche Natur – und bleiben damit hinter Meisner zurück, dessen Behauptung einer kontinuierlichen, statusübergreifenden Allgegenwart der Menschheit Christi per indistantiam diesen Konsens des ‚gemäßigten Ubiquismus‘ jedenfalls partiell aufkündigt. Mit einer Ausnahme: Wie gesehen, nimmt die dann von den Tübingern 1619, mit gutem Gespür für die jedenfalls partielle Parallele, angezogene ‚Disputatio Theologica de Christo‘ Thomas Wegelins von 1608 Meisners These um ein Jahr vorweg, wenn auch er ganz analog zwischen der kontinuierlichen Allgegenwart der Menschheit Christi und deren erst mit der Erhöhung gegebenen Teilhabe an der göttlichen Weltherrschaft unterscheidet. In der Frage der ‚bloßen‘ (All)Gegenwart nimmt er zugleich zentrale Argumente der neuen Tübinger Christologie von 1619 vorweg – die Omnipräsenz der menschlichen Natur folgt unmittelbar aus der Mitteilung der göttlichen Hypostase, die die unio personalis
835
Vgl. o. (D.IV.) 5.1.1; 5.1.3. 1609, II (folgende Belegangaben hierauf bezogen), 267/159; 270/160. – Zu diesem Argument vgl. auch o. D.IV.5.1.3. 837 Vgl. o. D.I. 7.2.2; 7.3.1. 836
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allererst konstituiert; sie ist so invariant mit der unio als ihrem direkten ‚Fundament‘ selbst gegeben.838 838
Vgl. o. C.II.2.5.3/4; D.IV.3.2.1. – Nur notiert werden kann hier die mit Meisners wie Wegelins Texten gestellte – offene – Frage nach der Genese der hier vertretenen ‚mittleren‘ These einer kontinuierlichen, statusübergreifenden Gegenwart der Menschheit Christi qua ‚reiner‘ adessentia. Sie hat noch einmal Gewicht gewonnen durch eine neuerdings von M. MATTHIAS gegen den Konsens der älteren wie neueren Forschung vorgetragene These zur Christologie Ä. Hunns: Hunn reserviere zwar die Teilhabe der natura humana am Weltregiment dem status exaltationis, die Allgegenwart als solche sei aber auch – weil mit der Binnenvermittlung der Naturen gesetzt – der erniedrigten Menschheit kontinuierlich zu eigen: „Anders [als mit der Majestät der Weltregierung] verhält es sich mit der Allgegenwart. Diese Eigenschaft hat Christus [nach seiner Menschheit] auch im status exinanitionis“ (2004, 190–192, hier: 191, Kursivierung M.); es gibt „bei Hunnius keinen Verzicht auf die Allpräsenz wie auf die operativen Vollzüge der Allmacht, Allwissenheit oder Lebensspendung“ (2004, 210–223, hier: 218). Zu belegen vermag Matthias seine Behauptung, die Hunn de facto zum Vertreter, ja Begründer jener Mittelpartei erklärt (vgl. seine Umschreibung von J. Baurs theologiegeschichtlicher Rekonstruktion: 2004, 216–221, bes. 219ff), freilich nicht. Die vorgebrachten Argumente, v.a. die Hunn unterstellte Unterscheidung von Majestät und Allgegenwart, sind nicht stichhaltig; explizite Textbelege fehlen und dies nicht zufällig – sie lassen sich in den von Matthias ausgewerteten Texten auch nicht namhaft machen. Matthias’ Interpretation ist Postulat (die These „der reinen Gegenwärtigkeit (ohne Handeln) bei den Kreaturen … ist … im Rahmen der theologischen Plausibilisierung notwendig“ [so die nicht zufällige Formulierung 2004, 215]) – doch ein Postulat, das der Sache nach durch offenkundige Inkongruenzen und Leerstellen bei Hunn gleichsam provoziert wird. Daß sich in – von Matthias hier nicht ausgewerteten – späteren Publikationen Hunns Passagen finden, die das Verhältnis von Personeinheit und Weltpräsenz noch einmal eigens hinsichtlich des Standes der Entäußerung thematisieren, ist zunächst durch die fortgesetzten Einwände hartnäckiger und scharfsinniger Kritiker veranlaßt; möglicherweise aber hat Hunn die Notwendigkeit weiterer Klärung des 1585 hierzu Vorgelegten selbst empfunden. Doch gelangt auch in diesen neuen Anläufen (vgl. Epheser, 1587, 71–195, hier: 89–101. 175–195; Assertio, 1591, 220–228) Hunns Position in der Frage einer ‚reinen Gegenwärtigkeit‘ der (entäußerten) Menschheit Christi nicht zu eindeutiger Klarheit. – Die Rezeptionen des Hunn’schen Entwurfs in der nachkonkordistischen Christologie konnten auf die Dauer einer Klärung dieser systematischen ‚Leerstelle‘ nicht ausweichen. Meine hier nur zu notierende These prospektiv auf diese weitere Entwicklung lautet: Bei einem – ‚rechten‘ – Flügel der Schüler Hunns kommt es zu einer konstruktiven Einholung des bei Hunn selbst nicht zur Eindeutigkeit gebrachten adesse der Menschheit Christi im Stand der Entäußerung. Die Bestimmung der praesentia intima als Gegenwart der natura humana zum Logos stelle (schon logisch) eine transitive Bestimmung dar: Hat der Logos ‚überall‘ seine Menschheit mit sich und bei sich (sibi, secum) und ist dieser Logos zugleich ‚allen Orten‘ gegenwärtig, dann folgt daraus notwendig eine Gegenwart auch der Menschheit an ‚allen Orten‘ – „particula secum notat coëxistentia in loco“ (J. SCHROEDER; vgl., bei allerdings unterschiedlicher Deutung dieser ‚coëxistentia in loco‘ hinsichtlich deren Weltbezugs, J. B AUR, 1993h, 219f; MATTHIAS, 2004, 220). Die stetige koextensive Präsenz beider Naturen ist darüber hinaus Implikat von deren hypostatischer Synthese selbst – ein Dasein allein der göttlichen Natur Christi ohne eine simultane Gegenwart auch seiner Menschheit wäre die Negation der unio personalis, wäre nicht weniger als die faktische Einfüh-
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6. ‚Relationale‘ Interpretation der Personeinheit – Salomon Gesner Es ist die Explikation der Personeinheit als Perichorese der hier vereinigten Naturen, die sich in jenen Anfragen spiegelt, die dem schwäbischen Begriff der Persona Christi ‚Flachheit‘ oder ‚Leere‘ attestieren.839 Diese Einwände verfehlen allerdings die Pointe der schwäbischen These. Das tatsächlich ‚reduktive‘ Verständnis der Person Christi, die ‚nichts anderes als die vereinigten Naturen‘ sei, zielt darauf, diese res κατ’ εξοχην nova‘ (J. Hoecker) als Vollzug einer vorbehaltlosen Kommunikation auszusagen, die ohne Aufhebung essentieller Identitäten doch Gott und Mensch in fundamentaler Weise neu bestimmt. – Diese zentrale These konsistent durchzuführen, verlangt allerdings die Klärung einiger noch nicht thematisierter Fragen. In dieser Hinsicht werden Schaefers, Wegelins und auch Meisners Darlegungen vorweggenommen, an Präzision partiell überboten durch den ein Jahrzehnt älteren Entwurf Salomon Gesners. 6.1 Eine ‚systemische‘ Problematik des reduktiven Begriffs der Personeinheit (nihil praeter naturas unitas) folgt elementar daraus, daß sich die Vermittlung der Naturen ‚in‘ der beiden Naturen gemeinsamen Hypostase vollzieht, welche als ‚Ort‘ der Übereinkunft insofern etwas ‚Drittes‘ neben den Naturen bildet. Schon der Formalbegriff der ‚unio‘ fordert ein solches einheitsstiftendes Prinzip neben den vereinigten Größen: „Eine unio ... ist die Verknüpfung oder Verbindung mehrere Dinge in einem gemeinsamen rung jenes „extra Carnem“, dessen Ausschluß die ganze Emphase des Hunn’schen Topos der praesentia intima und der lutherischen Christologie überhaupt gilt. – Dieser Position, wie sie in Meisners und Wegelins Texten zu klarem und reflektiertem Ausdruck kommt, verbleibt freilich die Schwierigkeit, nun eine unterschiedliche Gegenwart der Naturen im Stand der Entäußerung denken zu müssen: die Gottheit Christi ist tätig anwesend, seine Menschheit hingegen ‚nur‘ da-seiend – welche untätige adessentia doch andererseits in der Teilnahme an der (tätigen!) göttlichen Präsenz begründet sein soll. Auch degradierte die These eines bloßen Daseins der Menschheit Christi diese auf den Status eines ‚otiosus spectator‘ – ein Argument, das Hunn, repräsentativ für lutherische Christologie, gegen die reformierte Fassung der Herrschaft der Menschheit Christi richten konnte (Bekandtnuß, 1577, Bl. Gj r). Vor allem diese problematischen Inkonsistenzen dürften das Movens einer konträren Klärung der Vorgaben Hunns bei dem ‚linken‘ Flügel seiner Rezipienten sein. Hier wird das Konzept eines bloßen Daseins, weil der Bestimmung göttlicher Gegenwart zuwider, nun explizit verabschiedet, im Gegenzug der stets operative Charakter göttlicher Gegenwart betont – ihre letzte Konsequenz erreicht diese Linie dann in Mentzers Definition der Gegenwart Gottes als Tätigkeit. Ein – notwendiger – Zusammenhang von praesentia intima und praesentia extima besteht nicht: Die Personeinheit ist Funktion allein der praesentia intima, der Binnenvermittlung der Naturen ‚in‘ der Hypostase, für die Frage der Weltpräsenz der Menschheit trägt sie direkt nichts aus. Auch hier formuliert Mentzer die anstehende Konsequenz, wenn er die (operativ verstandene) omnipraesentia als Element des Amtes Christi – als des Inbegriffs des willensregulierten Handelns Christi – entwickelt. 839 Vgl. o. C.III.2.3 (K. Holl; H.E. Weber).
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Prinzip“.840 Die peripatetische Ontologie kennt näherhin zwei Species der unio und damit zwei Gruppen solcher henofizierender Prinzipien, an denen als dem ihnen Gemeinsamen die vereinigten Teile partizipieren:841 Mehrere Dinge können als vereinigt bezeichnet werden, weil sie, bei Fortdauer ihrer diskreten Subsistenz, hinsichtlich einer universalen Bestimmung übereinkommen (in universali: generisches oder/und spezifisches Wesen; Akzidens), oder aber weil sie, dann bei perennierender Differenz des Wesens, zur Einheit eines gemeinsamen Suppositums zusammengefügt sind.842 Die christologische unio kommt mit keinem dieser regulären Modi vollständig (simpliciter, & κατ’ ακριβειαν πανταπασι, 56) überein, entspricht aber doch ‚κατ’ ομοιοτητα τινα & κατ’ αναλογιαν ‘ dem zweiten Grundmuster: suppositale Identität wesentlich diskreter Teile, wie es die anthropologische Vereinigung von Leib und Seele exemplifiziert (56f). Das die Naturen zur Identität des ‚einen Christus‘ verbindende (innere) Prinzip – principium vnionis, quod duas naturas facit vnum Christum (57f) – ist nie eine irgendwie geartete Konvenienz des Wesens (essentia, proprium, accidens), sondern allein die Hypostase des Logos, in der göttliche und menschliche Natur zur Einheit eines Suppositums zusammengeschlossen werden (57). Bildet, gegen die reklamierte Grundthese, so die Person (Hypostase) nicht doch ein drittes, von den beiden Naturen unterschiedenes Subjekt?843 Dem Verdacht eklatanter Selbstwidersprüchlichkeit (80.77f) gegenüber macht Gesner geltend: ‚Person‘ und göttliche ‚Natur‘ des Logos sind nicht real (subiecto), sondern nur formal (sola ratione & relatione; 77) unterschieden; die hypostatische Einigung der Naturen ‚in‘ dieser Person meint nicht deren Übereinkunft in einem dritten Subjekt, sondern die Annahme der menschlichen Natur durch die – mit der göttlichen Natur real identische – Logosperson.844
6.2 Über diese erste Klarstellung hinaus bleibt freilich zu zeigen, daß auch das Resultat dieser Annahme, die so konstituierte Person Christi ‚subiecto‘ 840
„Vnio ... seu ενωσις est plurium in communi principio copulatio seu coniunctio, συνουσια, συνθεσις, η συνδεσμος“ (GESNER , Confessio, 1595a, 52, vgl. 68; DERS., Disputationes, 1595b, Disput. XI, cap. III, 1/283 [u. Anm. 847]). 841 „Commune, το κοινον , est vnum quiddam, cuius plura participant ...“ (Confessio, 1595a, 69). 842 „Prima vnionis specie diuersa subiecta & singularia vniuntur in aliquo vniversali, vtpote in specie vel genere, vel definitione, vel accidente: quae | singularia in ipsa vnione subiectis distincta & dirempta manent, & nihilominus vniversale aliquod commune habent, quod & nomen & definitionem suam singulis communicat. Secunda species vnionis est, qua duo vel plura singularia vniuntur in vno communi subiecto, & constituunt, vnum suppositum, υποκειμενον ; Et in hac vnione cohaerent res, vel συμφυσει, quod connatae sunt: vel arte, & artificio, vt catena, lapides iuncti cemento ...“ (Confessio, 1595a, 70|f). 843 „... consequi videtur, personam λογου vtrique naturae esse communicatam, & personam λογου esse veluti tertium quiddam, a naturis duabus subiecto distinctum, quod utraque natura participet“ (Confessio, 1595a, 77). 844 „... cum dicimus, duas naturas vnitas esse in persona του λογου, minime statuamus, personam του λογου veluti tertium quiddam esse subiecto distinctum, in quo duae naturae conue|niant; sed ea est sententia, quod λογος in suam personam, quae subiecto eadem est cum sua diuina natura, humanam naturam assumserit“ (Confessio, 1595a, 77|f).
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von den beiden Naturen nicht real verschieden ist – und doch die Personeinheit ‚mehr‘ ist als deren bloß parastatische Addition. Dieser Aufgabe sucht Gesner dadurch zu entsprechen, daß er die Struktur der unio personalis im Rückgriff auf die Kategorie der Relation expliziert. Vorausgesetzt ist dabei, daß die res unitae als ontische Relate (relata realia), nicht als lediglich mental bezogene Größen (relata verbalia) verstanden werden.845 Ferner muß unterstellt werden, was die lutherische Seite sonst für ihre abendmahlstheologische These reklamiert, die Kompatibilität von Relationalität und perichoretischer Kopräsenz.846 6.2.1 Gesners Explikation nimmt ihren Ausgangspunkt bei der schon berührten Grundbestimmung jeder unio als Zusammenfügung (mindestens) zweier Dinge zu Einem.847 Ohne diese in einem εν τι als dem Prinzip ihrer Einheit (ενοποιον) resultierende Synthese existieren verschiedene Dinge ausschließlich in diskreter Identität ‚für sich‘ allein (per se absolute) – werden sie nur als solche absoluta gedacht, kann von einer Vereinigung keine Rede sein.848 Als vereinigte hingegen, in mutuo complexu verbunden, werden dieselben Dinge neu bestimmt, insofern sie dadurch in ein Verhältnis gesetzt sind und nun als rela-
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Disputationes, 1595b, Disput. XI, 2/284, vgl. 19.20/281; Confessio, 1595a, 85f. Mit der christologischen Applikation der Relationskategorie setzt Gesner, soweit zu sehen, einen Akzent, der nur bedingt weitergeführt wird; die spätere Debatte konzentriert sich hier auf Fragen der Abendmahlslehre und des Rechtfertigungsbegriffs. – Im ersten Fall wendet sich die lutherische Partei gegen reformierte Versuche, die dort angenommene nur signifikative Relation von irdischem Element und himmlischem Leib/Blut Christi gleichwohl als ‚relative Gegenwart‘ (praesentia relativa) für den Glauben zu deklarieren: Die Relation setzt, so das lutherische Contra, nicht schon qua Relation eine ‚Präsenz‘ der Relate; die Unio ist zwar eine Species der Relation, erfordert aber über diese generische Bestimmung hinaus als unio notwendig die Verbindung (conjunctio, copulatio), damit aber auch die reale Kopräsenz des Vereinigten (MEISNER, Philosophia Sobria, 1611, I, s. I, c. II, QQ. I–VI [I, 82–99], bes. Q. I: An nuda relatio veram importat relatorum praesentiam? [I, 82–90]; gegen KECKERMANN, Systema Logicae 1606, I/I, cap. XII, bes. can. 6 [117f]; T IMPLER, Metaphysicae Systema, 1608, Lib. V, cap. V, Problema 6 [569f]; lib. III, cap. IV, Problema 5 [305f]; dazu S PARN, 1976, 48–50.124f). Umgekehrt impliziere Relationalität nicht notwendig ein abständiges Gegenüber des Bezogenen, sondern lasse dessen gegenseitige Perichorese zu (MEISNER, Philosophia Sobria, 1611, I, s. I, c. II, Q. II: An in relatione, relatum correlato propter σχεσιν inesse nequeat? [I, 90– 94]; gegen T IMPLER, Metaphysicae Systema, 1608, lib. III, c. IV, Probl. 5 [305f], vgl. lib. V, c. V, Probl. [1]6 [569f]; KECKERMANN, Systema Logicae, 1606, lib. I, s. I, c. XII, Can. 6 [117f]). – Das zweite Thema erfährt seine Ausarbeitung v.a. im antikatholischen Diskurs, wo lutherischerseits die als Relation gefaßte Imputation der fremden Gerechtigkeit Christi gegen deren Verdächtigung als ‚ens imaginarium‘ zu verteidigen ist (MEISNER, Philosophia Sobria, 1613, II, s. II, s. I, Q. III: An relatio, qualis est imputatio, sit ens imaginarium? [II, 480–484]). Vgl. dazu SPARN, 1976, 185f. 847 „Quaero enim quid in genere sit unio? nonne est duorum pluriumve εις εν τι copulatio?“ (Disputationes, 1595b, Disp. XI, cap. III; 1/283). Vgl. o. Anm. 840. 848 „Quam diu diuersae res manent diuersae, & unaquaelibet per se, absolute id quod est, haudquaquam vniri possunt“ (Disputationes, 1595b, Disp. XI, cap. III; 2/283f). 846
IV. Der kommunikative Begriff der Persona Christi
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ta existieren:849 Neben dem, was sie je durch eigenes Wesen sind, sind sie zugleich ‚etwas‘ nur kraft und infolge der (Ko)Existenz des je anderen (esse aliorum).850 Dieser Schritt aus dem Zustand des getrennt für sich Seins (per se & absolute) in den Status der Bezogenheit auf das verbundene andere (esse aliorum) stellt eine Veränderung dar; er setzt eine gegenüber dem absoluten Sein neue Wirklichkeit, die aus dem Bisherigen allererst entsteht.851 Andererseits ist dieses Neue nicht wiederum als neue substantiale Entität da, als Resultat einer einfachen Aufhebung des Alten; vielmehr wahrt das durch Verknüpfung neu Bestimmte seine ursprüngliche substantiale Identität.852 Die vereinigten Dinge unterliegen damit einer simultanen Doppelbestimmung, die in perspektivischer Differenzierung (consideratio, respectus) wahrgenommen und ausgesagt werden kann. Die res unitae ‚sind‘ als Komplex von beständiger substantialer Identität (absoluta) und sie neu qualifizierender Bezogenheit auf das je verbundene andere (relata): „vides quod eaedem subiecto & numero res partim in sese considerentur, & sint hoc ipsum, quod sua natura sunt, partim relate considerentur, & sint hoc ipsum, quod aliorum sunt“. 853 Gerade das, was die Relationskategorie christologisch ‚interessant‘ macht, der Ausschluß eines substantialen Verständnisses der Veränderung, erzeugt auf der anderen Seite aber auch gravierende Probleme. Die durch die christologische Relation gesetzte Veränderung darf nicht als nur akzidentelles Datum gewertet werden, wie es der tradierten philosophischen Festlegung entspräche, der die Relation gar als ‚accidens debilissium‘ gilt.854 Ebensowenig kann die christologische Partizipation meinen die Verbindung von
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„Quatenus autem in mutuo sunt complexu [res diuersae], eatenus vniuntur. Sed hoc pacto res illae vnitae habent se, vt relata“ (1595b, Disp. XI, cap. III; 2/284). 850 προς τι οντα: „quorum ea natura est, vt vnum sine altero esse nequeat“ (Confessio, 1595a, 15). – Zur Begriffsklärung vgl. ausführlicher u. bei u. mit Anm. 855. 851 „relata ex absolutis oriantur oportet“ (Disputationes, 1595b, Disp. XI, cap. III; 2/ 284). – Vgl. auch das spätere Votum T IMPLERs: „adueniente relatione ex ente absoluto fit respectiuum“ (Metaphysicae Systema, 1608, Lib. V, cap. V, Probl. 11 [565], bei allerdings problematischer Fassung der Relationskategorie; SPARN, 1976, 120.184.187). 852 Nach dieser negativen Seite hin hat Gesner den Konsens der Schulphilosophie für sich: als Akzidens begründet die Relation keine neue Substantialität, als darüberhinaus ohne absolutes Wesen fügt sie dem Bezogenen nichts an qualitativer Veränderung zu. 853 Disputationes, 1595b, Disp. XI, cap. III; 2/284. – Es ist diese perspektivisch differenzierte (considerari in sese, - relate) Wahrnehmung des Identischen, aber doppelt Bestimmten, die mit der Unterscheidung eines abstrakten und eines konkreten Begriffs der Naturen Christi gefaßt wird: abstrakt ist der Begriff einer Natur ‚in sese considerata‘, als durch eigenes Wesens bestimmte; konkret ihr Begriff als ‚relate‘, κατα συνθεσιν existierend und durch diese Bezogenheit auf das koexistierende Andere neu qualifiziert. Vgl. die Bestimmung der duplex consideratio (hier bezogen auf die anthropologische Parallele, die unio von corpus und anima): „[duplicem considerationem:] vnam absolutam κατ’ αφαιρεσιν [!] quatenus in sese sunt οπερ τι , & alteram κατα συνθεσιν , quatenus in mutuo complexu sunt“ (Disputationes, 1595b, Disp. XI, cap. III; 1/283) mit Gesners Erläuterungen des Abstraktum resp. Konkretum (o. bei u. mit Anm. 638. 650. 652). 854 Vgl. u. Anm. 855. – Unter den tradierten Voraussetzungen ist es darum schon philosophisch schwierig, den ontologischen Status des relational gesetzten Neuen sachhaltig zu entfalten. Terminologisch wagt sich hier der Reformierte Timpler vor, wenn er die Frage: „An relatio alteret ens, cui inest, in eoque compositionem faciat?“ (Metaphysicae Systema, 1608, Lib. V, cap. V, Probl. 11 [565f, hier: 565]) gegen die negative communis opinio modifiziert bejaht: Anders als bei den göttlichen relationes increatae kommt es im
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
Gott und Mensch durch ein gemeinsames Tertium, das im einen Subjekt kraft eigenen Wesens, im je anderen als zwar mitgeteiltes, aber dann akzidentell zukommendes wäre und in dieser Weise die Grundlage ihrer Beziehung bildete, wie es wiederum dem Regelfall der Relation entspräche. – Eine christologische Applikation der Relationskategorie verlangt so unabdingbar weitere Klärungen.
6.2.2 Als Vereinigung erfüllt, so Gesners Ansatzpunkt dieser Klärung, die christologische unio jedenfalls die elementare Voraussetzung einer Erläuterung als Relatum: Jede Beziehung setzt die Existenz (mindestens) zweier Dinge voraus, in denen als in ihren Subjekten sie ist. Christologisch kommt den Naturen diese Funktion der zwei Relationssubjekte zu. Dieselben Naturen bilden auch das Fundament der Beziehung; deren Terminus schließlich ist die durch die Vereinigung konstituierte Person.855 Falle der natürlichen Relate durch die Relation durchaus zu einer compositio und alteratio, allerdings nicht im Sinne einer Zufügung von Wesen (essentia absoluta) bzw. einer qualitativen Veränderung (motus secundum qualitatem). Es vollzieht sich aber eine ‚relative Veränderung‘: motus secundum relationem (566); und wie jedes Akzidens ist auch die Relation „additum suo subiecto“ (565). Zum eigentümlichen Begriff der Relation, der hinter dieser Festlegungen steht, vgl. S PARN, 1976, 120 Anm. 55. 855 „Vnio relatiuum est, siquidem non nisi duorum vel plurium est. ... Primo, omnis relatio nimirum duo requirit subiecta, in | quibus insit. Sic vnio duarum naturarum est vnio. Secundo ad explicandam naturam relatiui requiritur fundamentum & terminus. Ita hic quoque fundamenti locum obtinent duae naturae, terminus est persona. Duae enim naturae ideo vniuntur, vt vnam personam absoluant“ (Confessio, 1595a, 65|f). – Über diese knappen Bemerkungen hinaus führt Gesner den beanspruchten Relationsbegriff nicht ein. Nach einem breiteren überkonfessionellen Konsens der Schulphilosophie im ersten Dezennium des 17. Jh.s, der die aristotelischen Vorgaben über das προς τι (ARISTOTELES, Kat. 7, 6a 36ff; Met. V,15, 1020b 25ff) weiterführt, ist das Akzidens der Relation in folgender Weise zu definieren: (1.) Die Relation ist die Hinordnung (respectus, ordo, σχεσις) eines Dings (relatum) auf ein davon unterschiedenes zweites (correlatum): „Relatio est nihil aliud, quam mutuus quidam inter relatum & correlatum respectus, quoad se inuicem referuntur“ (MEISNER, Philosophia Sobria, 1611, I, s. II, c. II, Q. I [I, 82]; vgl. Q. III [I, 94]; vgl. KECKERMANN, Systema Logicae, 1606, lib. I, s. I, cap. XII [111f]; T IMPLER, Metaphysicae Systema, 1608, lib. V, cap. V [556–570], Theor. I [556]; vgl. die Rezension der geläufigen Definitionen, ibd., Probl. 3 [558.559]). – (2.) Als Akzidens ist eine Relation nicht durch sich selbst (subsistere per se), sondern bedarf eines Trägers – subiectum –, d.h. einer Substanz, an der sie ist: „Subiectum est substantia, cui inest ille respectus. Cum enim relatio sit accidens, utique certum exigit subiectum, cum accidentia per se non subsistant. Accidentium autem subjecta non sunt alia, quam substantiae“ (MEISNER, Philosophia Sobria I, 94); vgl. auch T IMPLER, Metaphysicae Systema, lib. V, cap. V, 556 (Theor. 5), 559. – (3.) Im Unterschied auch zu den anderen Akzidentien hat die Relation, da lediglich ein esse ad aliquid (προς τι), kein absolutes Sein (absoluta entitas) für sich; über das Getragenwerden durch sein substantiales Subjekt hinaus bedarf dieses ‚accidens debilissimum‘ näherhin der ‚Stütze‘ durch ein anderes – absolutes – Akzidenz (sc. Quantität, Qualität, actio/passio) als sein unmittelbares fundamentum, vermittels dessen erst es dem Subiectum zukommt: „Fundamentum relationis est accidens quoddam absolutum, in qua relatio fundatur, & propter quod subiecto inest. Cum enim relationes accidentia sint, debilissima, ob id egent fulcro substantiae, in quo sustententur ut accidentia; egent insu-
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Schon an diesem Punkt scheint der Rekurs auf die Relationskategorie jene reduktive Fassung der Persona Christi zu widerlegen, deren Erläuterung dieser Rückgriff gerade dienen soll. Denn das dort Identifizierte: ‚Persona Christi est nihil aliud quam ambae naturae‘ wird nun hier als Gegenüber von Fundamentum (naturae) und terminus (persona) unterschieden. Diesen Einwand sucht Gesner zu widerlegen, indem er die Applikation der Relationskategorie noch einmal differenziert. Die Annahme eines realen per fulcro accidentis absoluti, cui innitantur, & per quod substantiis conveniant, in quantum sunt accidentia debilia“ (MEISNER, Philosophia Sobria, I, 94); vgl. T IMPLER, Metaphysicae Systema, lib. V, cap. V, 556 (Theor. 6), 559; KECKERMANN, Systema Logicae, lib. I, s. II, cap. II, can. 9 (239f). – (4.) Der terminus der Relation schließlich ist das durch sie Gesetzte und Bewirkte: „Terminus est, ad quem tendit, & in quem desinit relatio, vel, est id, ad quod relatio vel a natura, vel a voluntate Dei ordinatur ...“ (MEISNER, Philosophia Sobria, I, 94); vgl. KECKERMANN, Systema Logicae, lib. I, s. II, cap. II, 240; T IMPLER, Metaphysicae Systema, lib. V, cap. V, 556 (Theor. 8), 559. – Die notierten Bestimmungen modifizieren indes in doppelter Hinsicht eine ältere Sprachregelung, wie sie für den protestantischen Bildungsraum lange Zeit prägend Melanchthon festgeschrieben hatte und im wesentlichen auch Gesner noch voraussetzt. Die später übliche nochmalige Differenzierung zwischen Subjectum und Fundamentum als zusammen der ‚doppelten Stütze‘ (duplex fulcrum) der Relation kennt der Praeceptor Germaniae nicht. Er spricht lediglich vom ‚fundamentum‘ als dem ersten Beziehungspol (relatum), in dem die subjektive (Träger) und die kausative Funktion übereinkommen. Und: ‚Terminus‘ steht hier für den zweiten Pol der Beziehung (correlatum). Zwischen fundamentum und terminus ist die Beziehung aufgespannt: MELANCHTHON, Erotemata Dialectices (tertia forma 1574= 1580), Lib. I, De Relativis, CR 13, 544–555; vgl. bes.: „... Omne relatiuum versatur inter duo, quorum alterum vocatur fundamentum, alterum terminus. Fundamentum est res, a qua oritur relatio. Terminus est res, ad quam ordinata est relatio. Inter haec relatio est, ipsa applicatio seu ordo fundamenti ad terminum“ (545). „Fundamentum vocatur materiale relationum. Formale dicitur ipse ordo ad terminum“ (547). – Die Abweichung von der älteren Nomenklatur und die daraus resultierenden Äquivokationen werden von den der sachlichen Überlegenheit ihrer Fortschreibung gewissen ‚Neueren‘ teils implizit durch eine Addition beider Definitionen signalisiert (vgl. die auffälligen, weil inkonzinnen veloder seu-Bestimmungen in den zitierten Belegen MEISNERS, Philosophia Sobria I, 94), teils auch explizit kommentiert. Zur „fundamenti aequivocatio“ vgl. MEISNER, Philosophia Sobria, 1613, II, s. II, c. I, Q. IV (II, 484–486, hier 485): „Sumitur a Philosophis dupliciter. 1. Quidam accipiunt de primo relationis extremo, seu de illa re, quae refertur & σχεσιν habet ad aliud“; „2. Alij, & quidem plerique Neoterici exponunt de causa, quae facit, ut extrema transeant in relata“. Entsprechend KECKERMANN, Systema Logicae, lib. I, s. II, cap. II, 240. – Für die Doppelbedeutung des Ausdrucks ‚Terminus‘ s. K ECKERMANN, Systema Logicae, lib. I, s. II, cap. II, 240: Neben der ‚principalis ac maxime propria termini significatio‘ begegnet noch eine ‚minus principalis‘ bei den ‚Scholastikern‘: „Terminus est id ad quod relatiuum directo ac primo refertur ...“. Die in dieser Linie bei Melanchthon (vgl. o.) und J. Zabarella belegte Bestimmung: „relationem versari inter fundamentum & terminum“ (241) will Keckermann nur als – gemessen an der adäquaten Bedeutung der Terme – locutio catachristica zulassen: „neque enim inter efficientem & finalem causam, sed inter relatum & correlatum, tanquam duo ordinata ad se inuicem relationis ordo versatur ...“ (241).
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Gegenübers von Fundamentum und Terminus nimmt Maß am ontologischen Regelfall. Gewiß: Jede Beziehung setzt die Existenz (mindestens) zweier Dinge – subjecta – voraus, in denen sie ist und die so durch sie bezogen sind.856 Üblicherweise stellt das eine dieser Subjekte den Anfang und Grund (fundamentum) der Relation, das jeweils andere ihr Ziel (terminus). Keineswegs aber darf dieses einlinige Gegenüber als einzige Möglichkeit der Relationsstruktur festgeschrieben werden.857 Gegen solche unbedachte Universalisierung des Regelfalls macht Gesner geltend: „idem subiectum alia ratione potest esse fundamentum, & alio respectu terminus“.858 Die als solche unabdingbare Unterscheidung von Grund und Ziel der Relation muß nicht zwingend als Differenz zweier real distinkter Instanzen konzipiert werden, sie kann auch als Differenzierung zweier Hinsichten (respectus, ratio) auf ein- und dasselbe (Subjekt) verstanden sein. Die christologische Relation hat zwei Subjekte (duae naturae), aber diese zwei Subjekte sind je zusammen sowohl das Fundament als auch – in anderer Hinsicht – der Terminus der christologischen Relation. 6.2.3 Gesner versteht dieses für die christologische Problemstellung entscheidende Theorem als eine schon im Kontext der natürlichen Dinge plausible Behauptung. Exempel der reklamierten Möglichkeit subjektiver Identität des formal als Fundament und Terminus Differenzierten ist wieder der anthropologische Konnex von Körper und Seele: „Vnio animae & corporis in homine duo habet subjecta, animam & corpus, quae hoc ipso, quod sua natura sunt, fundamentum sunt, quatenus autem in vnum hominem conveniunt, & anima corporis εντελεχεια & contra corpus est animae οργανον, atque ita vnum individuum constituunt, ea ratione habent se ut termi|nus“.859 Die hier beschriebene Relation ist der in existentieller Konvenienz begründete ‚Fort-Schritt‘ der essentiell disparaten Subjekte aus dem Status des Für-sich-Seins (Fundament: anima, corpus) in das Füreinander-Sein (esse aliorum: animaÆcorporis εντελεχεια; corpusÆanimae οργανον) ohne Aufhebung der ursprünglichen Identität: „Hoc pacto ab eo, quod sua natura per sese sunt anima & corpus, progrediendo ad id, quod in vnum hominem copulata sunt, & vnum singularem hominem absolvunt, oritur relatio in ijsdem subiectis“.860 Die so konstituierte Relation ist bestimmt durch ein Simul von essentieller Identität (Fundamentum) und kommunikativ gesetztem Anderssein (Terminus). Sie ist v.a. eine ‚interne‘ Relation in den Subjekten, die relationale Veränderung entsteht nicht durch kausale Einwirkung des einen auf das andere, sondern allein als Folge der Koexistenz des essentiell Unveränderten. Die copulatio der Subjekte setzt keinen Übergang zu Neuem im Sinne der Konstitution eines real verschiedenen Dritten; das Neue ist ‚nur‘ ein neuer Zustand des Alten, besser: der Eintritt in die kommunikative Proexistenz für das vereinigte andere. Das aus Körper und Seele konstituierte Neue stellt nach Gesner wohl eine neue 856 „... omnis quidem relatio postulat ad minimum duo subjecta, in quibus inest“ (Confessio, 1595a, 82). 857 [In Fortsetzung des in der vorstehenden Anm. Zitierten:] „... neque tamen ita inest, vt vnum subiectum sit fundamentum, & alterum sit terminus“ (Confessio, 1595a, 82). 858 Confessio, 1595a, 82. 859 Confessio, 1595a, 82|f. 860 Confessio, 1595a, 83, vgl. 102.
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Species – homo – dar, nicht aber ein tertium subiectum: es entsteht nicht eine neue Substantialität, sondern die Lebenseinheit des Verschiedenen, die als ontologisch gleichgewichtige Bestimmung neben die wesentliche Identität tritt. 861
6.2.4 Die am anthropologischen Fall illustrierte Struktur erlaubt nach Gesner in formaler Hinsicht auch die Lösung der christologischen Aufgabe: „Eadem hic in persona Christi ratio est“.862 Wird die unio personalis im Rekurs auf die Relationskategorie erläutert, gilt die Person zwar als Terminus dieser Vereinigung der Naturen (fundamenta) – und doch ist damit die so emphatisch betonte Realidentität von Person und ambae naturae keineswegs bestritten: „Nam cum dico, personam Christi terminum esse, non statuo personam Christi quiddam diuersum a duabus naturis, sed in ipsis naturis“.863 Gesner appliziert jetzt konsequent sein Theorem möglicher ‚subjektiver‘ Identität von Fundament und Terminus der Relation, ihrer nur respektiven Unterscheidung als zweier Modi desselben. Beide(!) Naturen sind das Fundament der unio, nämlich als durch ihr jeweiliges eigentümliches Wesen, ‚per sese & in sese‘ bleibend bestimmte.864 Der Terminus der Relation ist die Person Christi – dies aber nicht als etwas von beiden Naturen real (subiecto) unterschiedenes Drittes, sondern als genau noch einmal diese beiden Naturen, sofern sie als vereinigte perichoretisch verbunden und durch diese Verbindung neu bestimmt sind.865 Kurz: „Illic pro fundamento statuo ipsas φυσεις καθ αυτας, κατα το οπερ εισιν, id est, naturas per sese consideratas, secundum id, quod in sese sunt: Hic vero pono easdem naturas ut ηνωμενας, vnitas“.866 Terminus unionis ist die Person oder sind die ‚vereinigten Naturen‘ als sich wechselseitig ihre Eigenschaften kommunizierende, ist darum in letzter Konsequenz genau das Geschehen solcher Mitteilung: „terminus ... unionis ... nihil aliud est, quam mutua αν τιδοσις ... seu κοινωνια“.867 861
‚Homo‘: „diuersa species ab anima & corpore“, „tamen non est tertium quiddam, subiecto distinctum ab anima & corpore, sed est in anima & corpore“ (Confessio, 1595a, 83). 862 Confessio, 1595a, 83. 863 Confessio, 1595a, 83. 864 „Et cum naturas nomino, fundamentum vnionis, ostendo naturas per sese & in sese quod sunt, secundum suam essentiam, definitionem & proprietatem considerari debere: Eatenus enim illas fundamentum esse unionis“ (Confessio, 1595a, 83). 865 „At cum porro dico, vnionis terminum esse illas naturas unitas, seu[!] personam Christi, non ipsas naturas a semetipsis dirimi & divelli, sed alia ratione considerari volo, quatenus nimirum sunt vnitae, & arctissima περιχωρησει sese mutuo complectuntur. ... | Vides igitur, quod maneant duae naturae, & non introducatur aliquod tertium, & in ijsdem naturis versari fundamentum & terminum“ (Confessio, 1595a, 83|f). 866 Confessio, 1595a, 83. 867 „... duae naturae in Christo, eo quod sunt hoc ipsum, quod quaelibet in se est, fundamentum vnioni suppeditant, quod autem in mutua sunt περιχωρησει & arctißimo complexu, & caro est propria λογου caro, & vicißim λογος est carnis assumtae hypostasis, ter-
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6.3 Gesners Erläuterung der christologischen Unio durch die Relationskategorie sieht sich damit am Ziel – das mit der Personeinheit gesetzte ‚Neue‘ im Gegenüber zum Sein der Naturen für sich läßt sich nun aussagen, ohne damit die Person im Widerspruch zum Kanon der realen Identität von ambae naturae und persona als Etablierung einer neuen Wesenheit für sich (absoluta entitas) zu denken. Das Fundament der als Relation gefaßten unio bilden die beiden Naturen als durch ihr je eigenes Wesen je für sich identisch bestimmte. Der Terminus der unio ist „nichts anderes“ als die wechselseitige Mitteilung (αντιδοσις, κοινωνια) der Eigentümlichkeiten zwischen den Naturen kraft ihrer perichoretischen Verbindung. Grundlage der unio ist damit nicht eine wie auch immer entworfene Affinität der Naturen füreinander, sondern im Gegenteil gerade deren wesentliche Identität für sich und damit Disparität zur je anderen; eine Bestimmung der Unio als neuer substantialer Größe ist so a limine abgewiesen. Das durch die Relation der christologischen Union Bewirkte ist überhaupt kein vom Vorgang der Kommunikation selbst ablösbares Resultat eines Geschehens – dieses könnte immer noch als identisches Wesen für sich (absoluta entitas) begriffen werden. Terminus der christologischen Relation von Gott und Mensch ist präzise der Vollzug dieses Geschehens selbst: die Kommunikation der Naturen als Mitteilung des Eigenen an das je andere, als Prozeß von Geben und Empfangen, das Simul von Teilnahme und Teilgabe. Die wesentlichen Identitäten der Naturen als der Pole in diesem Mitteilungsgeschehen ‚bleiben‘, die wechselseitige Hingabe ist kein Selbstverlust. Aber die Naturen sind zugleich kraft ihrer identischen Existenz hineingenommen in die – ihnen selbst ‚zustoßende‘ – perichoretische Kommunikation, die eine gegenüber dem jeweiligen Wesen neue Bestimmung setzt. Das Geschehen der Unio oder Relation der Naturen von Gott und Mensch ist dieser Eingang substantial beständigen Wesens in den Prozeß der Mitteilung an das essentiell fremde Andere, der beider Sein in ‚unerhört neuer‘ Weise verändert, doch ohne in diesem Vollzug von Vermittlung die Differenz der verbundenen Instanzen als solche abstrakt aufzuheben: ‚nur‘ das „Anderssein des Identischen“.868 6.4 Aus dem Verständnis der unio als relatio ergibt sich für Gesner, wie hier ergänzend festgehalten werden soll, zugleich ein – weiteres – Argument für den notwendigen Zusammenhang von unio und communicatio. So fraglos dieser Konnex durch das biblische
minus inde vnionis emergit, qui nihil aliud est, quam mutua αντιδοσις, vt eam Damascenus iam olim nuncupauit, seu κοινωνια, vt vsitate vocamus. [|4/284f] Atque eadem αντιδοσις seu κοινωνια hac ratione propter vnionem & mutuum complexum, ipsis naturis intercedit“ (Disputationes, 1595b, Disp. XI, cap. III; 3/284–4/284f). 868 So, in einem weiter gefaßten Zusammenhang, SPARN, 1976, 197 – die Formulierung bietet zugleich eine konzise Kurzformel für das Konzept der Perichorese, die Gesners Ausführungen zur Relation in der Sache weiter erläutern. – Vgl. auch u. E.I.5.
IV. Der kommunikative Begriff der Persona Christi
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Zeugnis selbst verbürgt ist, läßt er sich daneben doch auch im Rekurs auf die Vernunft (ipsa ratio) und die Regeln der Logik (logica praecepta) erweisen. 869 Grundlegend ist erneut die elementare Formalstruktur der unio: jede Vereinigung besteht als Übereinkunft an sich verschiedener res in einem einheitsstiftenden Prinzip ( ενο870 ποιον). Eine unio ist mithin gar nicht denkbar, ohne daß die vereinigten Teile an diesem henofizierenden Prinzip partizipieren, das ihnen darum unabdingbar als ein Gemeinsames (commune) zukommt.871 – Derselbe Vorgang der Einigung durch Partizipation stellt sich, so Gesners Folgerung, in der gegenläufigen Perspektive notwendig dar als Zueignung oder (Selbst-)Mitteilung des henotischen Prinzips an die per se disparaten Teile; m.a.W.: die Kehrseite jeder unio ist immer dieser Vollzug von Mitteilung.872 Eben die aus dem Formalbegriff der unio selbst gefolgerte notwendige Korrespondenz von unio und communicatio kann Gesner durch seine Klassifizierung der Unio als Relatum weiter erläutern und erhärten. Die christologische Vereinigung kann, so hatte Gesner dargelegt, als Relation beschrieben werden, in der die Naturen die (zwei) ‚Subjekte‘ stellen, dieselben zwei Naturen – zusammen – das Fundament bilden, die Person schließlich den Terminus konstituiert. Der Schritt von den Naturen auf die Person, formal: die Applikation der Fundaments auf den Terminus bildet das Relatum der Vereinigung. Zur vollständigen Beschreibung einer Relation gehört, so Gesners Ergänzung im aktuellen Kontext, ebenso die Angabe des Korrelativum, das in der Definition der Relation als differentia specifica fungiert.873 Dieses Korrelatum der unio wird erreicht, wenn der Richtungssinn des Relatums ‚unio‘ gleichsam umgedreht, gegenläufig nach der ‚habitudo termini ad fundamentum‘ gefragt wird – die Blickrichtung also von der Person (terminus relativi) zu den Naturen (fundamentum relativi) geht. Bezogen auf die Naturen an sich kommt nun die Person als das diesen Mitgeteilte (und sie so Vereinigende) in den Blick: das correlatiuum des relatiuum (unio) ist die communicatio.874 – Die älteren Zuordnungen von unio und communicatio als causa/effectus oder antecedens/consequens können so um die Verknüpfung von relatum/correlatum ergänzt werden. 875
869 „... ipsa ratio ... euincit, vnionem non aliter, quam per idiomatum communicationem describi posse“ (Disputationes, 1595b, Disp. XI, cap. III; 18/280); „... non modo res ipsae, sed logcia quoque praecepta ostendunt ...“ (Confessio, 1595a, 65). 870 Vgl. o. bei u. mit Anm. 840. 847. 871 „Quomodo enim naturae vnitae essent, nisi id, in quo vniuntur, commune haberent? Et in vniversum nulla omnino est rerum vnio, vbi non sit communio, & sublata communione, necessario tollitur vnio“ (Confessio, 1595a, 68). Vgl. 1595b, 2/293. 872 „Communicatio η κοινωνια erit vnius, quod pluribus commune est, in plura illa, quae id vnum commune habent, distributio, largitio, collatio ...“ (Disputationes, 1595b, Disp. XI, cap. III; 3/293; vgl. Confessio, 1595a, 70 [e.g.: 1.Kor 10,16; 2.Kor 13,13!]). 873 Confessio, 1595a, 66. 874 „Ita si consideres duas naturas, quatenus unitae sunt in vnam personam, oritur relatio, quae est vnio duarum naturarum in vnam personam. Si vero te vicißim a persona conuertas ad naturas, quae in vnam illam personam vnitae sunt, oritur correlatio, quae est communicatio, quod persona, in qua duae naturae ... tanquam in principio & communi termino vnionis conueniunt, duabus naturis communis est ...“ (Confessio, 1595a, 66). 875 „... communio ad unionem sequitur, vt correlatum ad suum relatum, vt effectus ad suam propriam caussam, necessarium consequens ad antecedens“ (Confessio, 1595a, 68). – Wiederum zur Ausräumung des Verdachts eines Verstoß gegen den reduktiven Personbegriff: Confessio, 1595a, 82(f). 84.
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
V. „... multas novationes“? – Zwischenbilanz 3 V. „... multas novationes“? – Zwischenbilanz 3
1. Neue Christologie? 1.1 Unbeschadet mancher Differenzen im Ansatz und im Detail des Arguments konvergieren Schaefers wie Wegelins – und, ihnen voraus, Gesners – ‚ontologische‘ Rekonstruktionen der unio personalis im Ergebnis darin, daß sie die Person Christi als symmetrisches Geschehen von Mitteilung bestimmen: Gottes Teilnahme am menschlichen Geschick (Idiopoiesis), gegenläufig die der Menschheit gewährte Teilhabe am Sein und Tun Gottes (Metapoiesis); beide Vollzüge final hingeordnet auf die gottmenschliche Kommunikation in der Durchführung des einen Heilswerkes (Koinopoiesis), welch letztere ohne die ihr vorausliegende perichoretische Vermittlung der Idiome einer zureichenden Begründung entbehrte. Sprachlogischer Reflex der realen Partizipation ist die Legitimierung formal ‚abstrakter‘, sachlich jedoch in neuer Weise ‚konkreter‘ Redeweisen, d.h. solcher Sätze, in denen die Gottheit als grammatisches Subjekt menschlicher Prädikate, die Menschheit Christi als Subjekt göttlicher Prädikate fungiert. Ohne diese ‚neue Sprache‘, welche die durch die Wesensbezüge regulierte Logik regulärer Aussagen bewußt durchbricht, ist die reale ‚Veränderung‘ der Naturen kraft der ‚Konkretion‘ der Personeinheit nicht auszusagen. Die Person Christi ist in einem strikten Sinn ‚nichts anderes‘ als allein Vollzug und Resultat jener Hingabe und Teilgabe von Gott und Mensch, in welcher der Abstand von Schöpfer und Geschöpf selbst ‚konkret‘ aufgehoben wird, in einem radikalen Positionswechsel beider: Die Gottheit nimmt Teil an Leid und Tod, die Menschheit Christi findet Eingang in das innertrinitarische Leben Gottes selbst – ‚res κατ’ εξοχην nova‘! Der hier summarisch überblickte Stand der schwäbischen Christologie im ersten Dezennium des 17. Jh.s markiert eine deutliche Fortentwicklung über die konkordistische Synthese hinaus Als wesentliches Movens dieser Progression erwies sich ein Thema der theologia crucis – die ‚theopaschitische‘ Frage, die spätestens seit der Mömpelgarder Debatte wieder auf der Tagesordnung lutherischer Theologie stand.876 Im Wege einer nochmaligen Frage nach der Sache selbst (ordo naturalis) kommt es in Württemberg zu einer Revision jener asymmetrischen Fassung der Idiomenkommunikation, wie sie die FC in Rezeption des Entwurfes von M. Chemnitz festgeschrieben hatte – der communicatio Majestatis wird als eigenständiges Genus die Idiopoiesis an die Seite gestellt, damit die These eines Leidens der ‚Gottheit selbst‘ nunmehr in der Ontologie der Person Christi verankert. 1.2 Diese eindrücklich in Schaefers Disputation von 1602 manifestierte Fortschreibung des Locus De communicatione idiomatum konnte prima fa876
Vgl. o. C.IV.3.2.6.
V. „... multas novationes“? – Zwischenbilanz 3
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cie als nur dispositionell-technische Ausfächerung erscheinen; in der Absicht harmonisierender Re-Integration dieser Dissidenz von der symbolischen Norm wurde sie partiell auch so gelesen. Doch tatsächlich handelt es sich um eine fundamentale Korrektur, die jenes zentrale Konstruktionsproblem bearbeitet, das lutherischer Christologie mit der asymmetrischen Fassung der Idiomenkommunikation entsteht. Ohne ein korreliertes Genus der Betroffenheit der göttlichen Natur durch die menschlichen Idiome droht die Teilhabe des Menschen an der göttlichen Herrlichkeit (communicatio Majestatis) zum ‚Ersatz‘ für die ‚Theopaschie‘ zu werden, dergestalt, daß jene Betroffenheit lediglich als umschlagende Konsequenz des Genus majestaticum gedacht wird: ‚Gott hat gelitten, weil der Mensch als Gott – doch exinanitione – gelitten hat‘.877 Statt die Personeinheit als Koinzidenz von Theogenese und Ensarkose878 auszulegen, wird die Vermittlung der Naturen de facto auf die theogenetische Kommunikation beschränkt. 1.3 Es ist dieser unzureichend geklärte Punkt lutherischer Christologie, an dem die im ersten Jahrzehnt des 17. Jh.s greifbar werdende schwäbische Revision der konkordistischen Konzeption ansetzt. Sie führt entscheidend weiter, indem sie die Person Christi – ambae naturae simul! – durchgängig von einem Geschehen zwischen den Naturen her versteht und in der Konsequenz die konkordistische Trichotomie durch das neue Genus der Idiopoiesis ergänzt, das, reziprok zur communicatio Majestatis, eine qua ‚Aneignung‘ gegebene Betroffenheit der göttlichen Natur durch die menschlichen Eigentümlichkeiten behauptet. In der damit etablierten doppelten Bewegung von Teilnahme und Teilgabe ‚entsteht‘ und besteht die Persona Christi, die in solcher symmetrischen Gemeinschaft der Naturen das einheitliche Heilswerk vollzieht.879 Diese in einem zügigen Prozeß erreichte 877 Vgl. o. C.IV.2.6.2 und F.H.R. FRANKs Analyse des 1. FC-Genus; D.I.4.2(.3). Daneben kann hier auch auf R. SCHRÖDERs kritische Analyse des genus Majestatis hingewiesen werden, die anhand von J. Gerhards Texten die theologische Problematik (der konkordistischen These) präzise herausarbeitet: 1983, 181–209, bes. 195ff. 878 Vgl. o. C.III.2.4. 879 Das Konzept der Aneignung des Leidens durch die Gottheit verabschiedet freilich nicht das Apathie-Axiom als solches, die Unveränderlichkeit der göttlichen Natur ‚in se‘ steht auch für die Schwaben außer Diskussion. Auch sie denken nicht die ‚Passion Gottes‘ in das göttliche Wesen zurück. Die Metaphysik und deren Gottesbegriff werden nicht abstrakt negiert und theo-logisch aufgehoben, jedoch in einschneidender Weise dadurch ‚relativiert‘, daß die Christologie die als solche identisch bleibenden Naturen zugleich relate als termini a quibus ihrer Kommunikation (vgl. Gesners Erläuterung der Person Christi durch die Relationskategorie; o. [D.IV.] 6.2.4; 6.3) und so als das „Anderssein des Identischen“ (SPARN, 1976, 197) denkt – ‚in persona Christi‘ existieren Gott und Mensch in Entsprechung und zugleich in Differenz zu ihrem wesentlichen Sein. Das Leiden ‚Gottes‘ wird verstanden als eine Bestimmung, die Gott im Widerspruch zur essentia divina ‚nur‘ aufgrund des gemeinsamen Da-Seins mit der angenommenen Menschheit ‚in Persona Christi‘ zukommt. Doch überwindet die schwäbische Erweiterung der Idiomenkom-
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
symmetrische Fassung der Idiomenkommunikation geht einher mit einer strikt kommunikativen Fassung der unio personalis selbst, die dem neuen Begriff der Idiomenkommunikation begründend vorausliegt, darin zugleich ihren Ausdruck findet. Indem sie so die Person Christi ‚reduktionistisch‘ als durch die Vermittlung ihrer Naturen konstituiert versteht, korrigiert sie den im 1. Genus der FC residierenden Personbegriff – die eine Hypostase als ihren Naturen vorgeordnetes tertium. Damit ist de facto ein zentrales Element von deren chemnitianischem Fundament zertrümmert.880. 1.4 Prospektiv läßt sich sagen: Der sich in diesen Korrekturen manifestierende Erkenntnisfortschritt ist mit der aktuellen Durchführung noch gar nicht ausgeschöpft. Er verweist voraus auf die nochmalige Progression schwäbischer Christologie zwei Jahrzehnte später. Das nun erreichte kommunikative Verständnis der Personeinheit ‚tendiert‘, wird es konsequent entwickelt, zu jenen Thesen, die die ‚neuen‘ Tübinger in der kenotischen Kontroverse vortragen werden: Die als Perichorese der Naturen definierte Personeinheit fordert als ‚notwendige‘ Bedingung ihrer Integrität die Aktualität und Kontinuität dieser Kommunikation der Naturen; unverträglich damit ist die Auslegung der Status-Differenz als Abfolge von ‚Besitz‘ und ‚Gebrauch‘ der kommunizierten Idiome. Wesentliche Elemente und Argumente der ab 1619 vertretenen schwäbischen Christologie liegen damit als solche bereits mit der 15 Jahre zuvor abgeschlossenen Theorieprogression vor. Partiell wird diese anstehende Konsequenz auch gezogen, so in Wegelins These einer kontinuierlichen, die Status-Differenz unterfangenden Allgegenwart der Menschheit Christi qua (nicht operativer) adessentia; die (anonyme) Aufnahme dieser These und der dafür beigebrachten Argumente im Tübinger Fakultätsschreiben von 1619 verrät gutes Gespür für die tatsächlich gegebene Antizipation.881 2. Rationalistische Christologie? 2.1 Eine deutliche Antizipation der schwäbischen Position im kenotischen Streit stellt die Anfang des 17. Jh.s manifeste Theorieprogression auch in methodischer Hinsicht dar. Angestoßen und befördert durch die Klärung des Instrumentariums, das die im Zuge der ‚Wiederkehr der Metaphysik‘ munikation die von Schröder (o. Anm. 877) wie zuvor von Frank (D.I.4.2.3) markierte Schwachstelle der konkordistischen Konzeption, wenn sie die Ensarkose nicht mehr als dialektische Kehrseite der Theogenese, die passio Dei nicht nur als ‚umschlagende Konsequenz‘ der communicatio Majestatis versteht, sondern mit der realen Idiopoiesis die Betroffenheit Gottes nun als ‚eigenständigen‘ Vollzug sui generis denkt. 880 Vgl. dazu auch u. E.II. 881 Vgl. o. C.II.2.5.3/4; D.IV.3.2.1. – Die sachliche Konvergenz, ja gleichsam ‚maieutische‘ Funktion bestimmter Einsichten dieser vorangehenden Theoriegeneration werden auch Thumms Rückgriffe auf S. Gesner belegen (u. E.II. 4.2, 5.2.1; E.III.4.1.2).
V. „... multas novationes“? – Zwischenbilanz 3
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ihrerseits erheblich transformierte Schulphilosophie bereitstellt, vollzieht die lutherische Christologie eine gründliche ‚ontologische‘ Klärung ihrer Begriffe und Theoreme. Es sind vor allem diese innerhalb nur weniger Jahre geleisteten novationes ihrer Methodik, die der lutherischen Christologie ein neues Profil geben – was jetzt unter diesem Namen auftritt, ist in dieser Hinsicht von dem eine Generation älteren konkordistischen Entwurf, ebenso von dessen Systematisierung durch Ä. Hunn signifikant unterschieden. Das seit seiner initialen Ausbildung in den Debatten des 2. Abendmahlsstreites mit sachlicher Kontinuität vorgetragene ‚neue Dogma‘ lutherischer Christologie erfährt eine deutliche Fortentwicklung in der Form seiner Begründung. Die zentralen dogmatischen Begriffe selbst – unio personalis; communicatio idiomatum – rücken in das Zentrum der systematischen Entfaltung. Die ihnen eigentümlichen Implikate werden nach den Mustern der korrespondierenden (onto-)logischen Formalbegriffe – unum, totum, proprium, communicatio, etc. – analysiert, die Resultate als Prämissen syllogistischer Folgerungen operationalisiert und auf diesem Weg zu neuen Theoremen transformiert, die dann als Argumente eigenen Rechtes auftreten. Mit diesem Verfahren ‚terminorum (logicorum) luce‘ ist die methodische Option einer solius personae consideratio882 in den wesentlichen Grundzügen erreicht, 15 Jahre vor ihrer dann konsequenten Umsetzung durch die ‚neuen‘ Tübinger. 2.2 Die neu erarbeitete ontologische Darstellung der Personeinheit Christi dient, erklärtermaßen und tatsächlich, zunächst dem Nachweis der Differenz der ‚schlechthin neuen‘ res christologica gegenüber dem natürlichen Sein, wie es die reguläre, auf Wesensbezüge verpflichtete Ontologie entfaltet. Doch in dieser kritischen Arbeit wird zugleich ‚entdeckt‘, daß diese differente Ontologie der Personeinheit Christi einen Zusammenhang bildet, der sich in dieser Kohärenz mittels desselben ontologischen Instrumentariums nun auch positiv begründen und ‚elegant‘883 entwickeln läßt. Der Hinweis auf die von keiner Vernunft einzuholende Überlegenheit und Abgründigkeit des theologischen ‚Mysteriums‘ wird stets pflichtschuldig kommemoriert; doch eindeutig sind die Protagonisten dieser ontologischen Aufklärung des Offenbarungsdatums von der auf diesem Weg erzielten systematischen Kohärenz und rationalen Transparenz ihres Gegenstandes durchaus intellektuell fasziniert – „wie schön sich doch eins aus dem anderen folgen läßt“!884 2.3 Es ist nun freilich gerade dieser um 1600 deutlichere Konturen gewinnende und ‚prinzipiell‘ werdende Versuch zur konsistenten Vernetzung 882
Vgl. o. Anm. 767 resp. C.III.1. Vgl. o. D.I.3.2.2 (Anm. 69. 72). 884 „... quam pulchre unum ex altero … deducatur“ (W EGELIN, 1608, 70/19); vgl. bei u. mit Anm. 767. 883
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
der systematischen Begriffe, der Anfragen provoziert. Läßt sich die im Ergebnis präsentierte Explikation der Personeinheit Christi durch die Perichorese (Schaefer, Wegelin) und communicatio idiomatum (Gesner) mit der Summe ihrer komplexen (onto-)logischen Detailbestimmungen noch beziehen auf das biblische Thema der Christologie, dessen Erläuterung zu dienen sie beansprucht? Oder handelt es sich um das Produkt der „Selbstläufigkeit einer an sich verfallenen Reflexion“:885 konsequent zwar in der Auslotung der ‚Möglichkeiten‘ der zur Interpretation des Schriftzeugnisses beigezogenen Kategorien, doch ungesichert gegen die Gefahr, in der ‚eleganten‘ Kette dieser fortgesetzten Deduktionen aus Interpretamenten des Gegenstandes diesen selbst unter der Hand zu verlieren, um am Ende das Resultat solcher Spekulation zu verwechseln mit dem Inhalt des Schriftzeugnisses? Nicht erst eine spätere Zeit wird den ‚formalen‘ wie ‚materialen‘ ‚Rationalismus‘ dieser ‚im Banne der Seinsmetaphysik‘ entworfenen Christologie kritisieren,886 hinweisen auf die abwegige Ausrichtung auf die Begriffe der Zweinaturenlehre, welche in der Perspektive einer nachaufklärerisch kritisch-genetischen Rekonstruktion der Dogmengeschichte als ‚sekundäre und tertiäre Lehrbildungen‘ erscheinen, denen gegenüber eine hermeneutisch reflektierte Orientierung auf das biblische ‚Thema‘ der Christologie einzufordern wäre.887 Die Anfragen werden vielmehr schon von den zeitgenössischen lutherischen Kritikern vorgebracht, zugespitzt in dem zeitgleichen Protest der Helmstedter Theologen gegen solche ‚aus der Zisterne der Vernunft geschöpfte‘ Christologie der (v.a. schwäbischen) ‚patroni ubiquitatis‘;888 und dieser Einspruch gegen die metaphysische Präzisierung der Christologie radikalisiert in bestimmter Hinsicht lediglich jene grundsätzliche Reserve, die bereits am Anfang lutherischer Christologie M. Chemnitz gegen den (J. Brenz attestierten) Entwurf einer Christologie ‚ex solis argumentationibus unionis cum divinitate‘ zu Protokoll gegeben hatte.889 885
Vgl. J. BAUR, 1993g, 172. Vgl. o. A.I.2.2; u. F.II.3. 887 „Das Problem vor allem dieser sekundären und tertiären christologischen Lehrbildungen ist, daß sie im Rahmen des ontologischen Denkschemas die christologischen Bilder in hermeneutisch unkritischer Weise realistisch auslegen und ausdeuten. Sie nehmen die Bilder als Beschreibung der Sache, setzen die Darstellung mit dem Dargestellten gleich und behandeln Bildaussagen wie begriffliche Prämissen, aus denen sich logische Folgerungen ableiten lassen. Doch das ist hermeneutisch falsch und theologisch abwegig. Mit Recht hat sich die neuzeitliche Dogmenkritik gerade auf diese Lehrstücke konzentriert …“ (DALFERTH, 1994, 143–153, hier: 146). 888 Vgl. SPARN, 1979, 72f; vgl. o. C.IV.2.3.3. 889 Chemnitz’ gegen ein Verfahren „ex nudis argumentationibus de praerogatiuis hypostaticae unionis“ (De Duabus Naturis, 1578, 480) gerichtetes Plädoyer für eine Theologie strikt ‚innerhalb der Grenzen göttlicher Offenbarung‘ („Intra metas enim Diuinae patefactionis, in verbo nobis traditae simpliciter, religiose ac sollicite se continere, omni886
V. „... multas novationes“? – Zwischenbilanz 3
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2.4 Diesen Anfragen wird sich jedenfalls eine Theologie nicht entziehen können, die sich selbstbewußt Luthers Kritik an dem ‚Rationalismus‘ der ‚scholastischen‘ Theologie zu eigen macht und gegen die Verkürzung des Schriftzeugnisses zugunsten einer ‚cerebrosa ontologia‘ (Wegelin) bei den ‚neuen Scholastikern‘, ihren zeitgenössischen jesuitischen und reformierten Kontrahenten, Einspruch erhebt, – und gleichwohl, von diesen Einsichten scheinbar unberührt, selbst für ihre zentralen Theoreme diese Basis reklamiert: ipsa ratio postulat ... – logica quoque praecepta ostendunt ... – Quam pulchre unum ex alio deducatur ... Hier ist zunächst festzuhalten,890 daß die genannten Einwände jedenfalls an dem Selbstverständnis der sich um 1600 ontologisch präzisierenden lutherischen Christologie vorbei gehen. Thomas Wegelin, der dem Interesse an der systematischen Kohärenz vielleicht am entschiedensten Ausdruck verleiht, sieht die abschließende Formalbestimmung der unio personalis durch das Konzept der Perichorese doch unmittelbar auf die biblische Geschichte Christi beziehbar und bezogen. Der dogmatische Begriff hält fest, was das Schriftzeugnis narrativ entfaltet: den Menschen Jesus als Subjekt göttlichen Tuns, Gott als Subjekt menschlichen Leidens, und diese Koinzidenz des sonst Getrennten und auch christologisch nicht zu indifferenter Einheit Vermittelten als das eine Heilsgeschehen.891 Dieselbe Hinordnung der dogmatischen Begriffe der Christologie auf deren biblische Vorgabe, das christologische Schriftzeugnis, wird ein Jahrzehnt zuvor auch von Salomon Gesner reklamiert und nachgewiesen. 2.4.1 Nach der Entfaltung der zwei fundamentalen Genera der Idiomenkommunikation – der idiopoietischen Aneignung menschliche Idiome durch den Gottessohn einerseits, der breit entwickelten communicatio Majestatis andererseits892 – unterbricht der stets wohl disponierende Gesner auffällig den Gang seiner christologischen Monographie und schiebt vor den Ausführungen über die Stände und das Amt Christi in einem retardierenden Kapitel eine ‚Kurze Zusammenfassung des gesamten Unternehmens‘ ein.893 Die bisher entfaltete Lehre von den beiden Naturen und der einen Person Christi ruht, so Gesner, durchgehend auf dem festen Fundament schier unzähliger Schriftbelege, die auch an je ihrem Ort zur Sprache gebracht wurden. Zugleich kann die christologische res aber auch „aufs kürzeste und deutlichste“894 an einem biblischen Text demonstriert werden: In um rectissimum esse iudicio“; ibd.) kann hier nicht eingehender behandelt werden. Dazu und zu der damit gegebenen binnenlutherischen Alternative in methodischer Hinsicht vgl. als Übersicht: MAHLMANN, 1969, 203f. 207–219, bes. 215f; s. auch 19–31; DERS.; 1981, 320–322; J. B AUR, 1993h, 209–213. 890 Vgl. weiter u. F.II. 891 Vgl. o. D.IV.3.2.2. 892 Confessio, 1595a, cap. V. (117–134) bzw. cap. VI–XII (134–223); zu Gesners Konzeption der Idiomenkommunikation vgl. o. D.II.5. 893 Confessio, 1595a, cap. XIII: Breuis ανακεφαλαιωις totius negotij (224–228). Zum Aufriß der Confessio vgl. o. Anm. 460. – Folgende Belegangaben hierauf bezogen. 894 „... quam breuissime nec non evidentissime“ (224).
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Matth 9(,1–8), der Erzählung von der Heilung des Gichtbrüchigen, sind, „wie in einem Kompendium“,895 die drei Hauptthemen der Personlehre in ihrer lutherischen Fassung konzentriert. Was die dogmatischen Begriffe fixieren, begegnet hier als Momente eines Geschehens. (1.) Die Wahrheit der menschlichen Natur Christi: Jesu Sein und Tun erscheinen als ein örtlich, zeitlich, sozial und psychologisch definiertes und kenntliches Menschendasein; dazu tritt das Selbstzeugnis, das ihn als den ‚Menschensohn‘ prädiziert. Deutlich ist (2.) die wahre wesentliche Gottheit des hier Handelnden bezeugt, durch die im Ereignis manifest werden göttlichen Prärogativen: die Kardiognosie, die Vergebung der Sünden in eigener Autorität und Machtvollkommenheit (propria ... autoritate & potestate; 225); all das belegt: „Christus ... Deus sit naturƗ necesse est“.896 Auf dieselbe Folgerung führt die ‚propria vi & potestate‘ (225) vollbrachte Heilung des Gelähmten, die wie die auch sonst von Christus berichteten Heilungen und Totenauferweckungen nur als Werk des allmächtigen Gottes selbst begriffen werden kann;897 ebenso schließlich die Christus geltende Anbetung und Bitte um Hilfe. 2.4.2 Formulieren die Aufstellungen soweit den zwischen den drei großen Konfessionen nicht strittigen Konsens, so zerbricht dieser, wenn Gesner nun einen Schritt weitergeht und die beiden zunächst in analytischer Abstraktion aus der konkreten Geschichte gewonnenen Nachweise (verus homo, verus Deus) synthetisiert: auch die unio personalis in ihrem lutherischen Verständnis, d.h.: als durch die reale communicatio idiomatum spezifisch bestimmte, ist in der biblischen Perikope belegt898 – als Subjekt der göttlichen Taten (Sündenvergebung, Heilung) erscheint hier die Menschheit Christi.899 Wie belegt Gesner diese These, die eigentliche Pointe seiner ‚kurzen Zusammenfassung‘? Ausgangspunkt ist Jesu Selbstzeugnis: „Vt sciatis, Filium hominis in terra habere potestatem remittendi peccata“ (226)). Die diese Antwort provozierende Anklage der pharisäischen Gegner auf blasphemische Arrogation göttlicher Prärogativen – hominem sibi vendicare, quod solius Dei esset (226) – hat nicht darin Unrecht, daß sie solche potestas zur Sündenvergebung als Hoheitsrecht allein Gottes wertet; diese Reservierung teilt Gesner ohne Einschränkung, sie trägt den Nachweis der wahren Gottheit Christi. Vielmehr geht der Einwand darin fehl, daß er meint, es bei Jesus mit einem bloßen Menschen (nudus homo; 226) im Unterschied von Gott zu tun zu haben und deshalb sein Tun nur als blasphemische Anmaßung (sibi vendicare) göttlicher Hoheit verstehen kann. 2.4.3 Gegen diese Verkürzung stellt Gesner die wahre Gottheit Christi, die dessen Tun als legitimen Vollzug des Eigenen qualifiziert (Christum naturƗ Deum esse, & sua propria autoritate tollere peccata, & mortem; 227). Dies aber nicht, um damit die zweite Unterstellung des pharisäischen Protestes – die Menschheit Christi als Subjekt dieses göttlichen Tuns – als Mißverständnis zu kennzeichnen und zugunsten der exklusiven
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„veluti compendio“ (224); vgl. 226: Epitome (s. u. Anm. 898) „Deinde vsurpat sibi propria autoritate potestatem remittendi peccata, quae quidem maxima & diuinißima est. Qui enim peccata propria sua facultate remittit, is Deum placet, & iustitiae diuinae satisfaciat, diaboli vim, vtpote autoris peccati, destruat, genus humanum anima & corpore peccatis pollutum reparet, regeneret, Spiritu sancto reficiat & viuificet oportet. Christus igitur cum hoc ipsum propria sua autoritate & potestate faciat, Deus sit natura necesse est“ (225). 897 „... non nisi solus omnipotens Deus praestare potest“ (225). 898 „Verum duarum naturarum vnio personalis, | quae communicatione idiomatum definitur, non minus perspicuis argumentis in eadem Epitome asseritur“ (225|f). 899 „... quod diuina natura communicauerit humanae vim viuificandi, cuius initium & vis potißima in remißione peccatorum cernitur ...“ (226). 896
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Subjektivität der göttlichen Natur aufzuheben. Gegen die ‚Pharisäer‘ ist die naturale Gottheit Christi festzuhalten, gegen die ‚Pharisäer‘ und deren zeitgenössische Nachfolger (Pharisaia proles), die ‚Zwinglianer‘, die jene naturale Gottheit als solche konzedieren, ist aber zugleich festzuhalten, was das unvoreingenommen gelesene Schriftzeugnis vor Augen stelle: „filium hominis ... eam [divinam] Maiestatem in terris ... vsurpare“ (227). Wohl verdankt sich das seiner Beschaffenheit nach göttliche Tun Christi ur-sprünglich dessen wesentlicher Gottheit (naturƗ Deus); sie begründet die Besonderheit Christi, der kein nudus homo ist, und sie legitimiert seinen Anspruch und Tun. Aber sie ist all dieses nicht als das exklusive Subjekt dieses Tuns, auf das hin die dann nur vordergründig agierende Menschheit zu relativieren und aufzuheben wäre, sondern genau als dieser bleibende Ursprung des Gotteshandelns der Menschheit Christi: „Christum etiam humanae suae naturae, iuxta quam est filius hominis, remißionem peccatorum & viuificationem acceptam ferri velle: Idque ideo, quia non est nudus homo, sed essentialis & naturalis Deus“ (226). Die Duplizität der Naturen bestimmt das Dasein und Tun Jesu Christi als den Vollzug einer Vermittlung polarer Gegensätze; als Anweisung, dieses polar bestimmte Dasein und Tun säuberlich auf dessen je wesentlich konveniente Fundamente hin zurückzuführen, wäre sie mißverstanden – diese Sicht hätte die außerchristologische Konkurrenz von Gott (solus Deus) und Mensch (nudus homo) christologisch repetiert und festgeschrieben. In dieser Logik der Konkurrenz unterliegt das im Schriftzeugnis präsentierte Faktum hermeneutisch der fatalen Alternative der Interpretation entweder als des blasphemischen Aufstandes des Geschöpfes (hominem sibi vendicare quod solius Dei esset [226]; – das pharisäische Mißverständnis) oder als einer bloßen Instrumentalisierung der Menschheit Christi nach Maßgabe ihrer essentiellen Kapazität durch das eigentlich allein agierende göttliche Subjekt (so, nach Gesners Verständnis, die zwinglische Lösung). In beiden Fällen aber ist die konkrete Gestalt der biblischen Vorgabe hintergangen, die das Tun Jesu als Tun dieses mit Gott vereinten Menschen vorstellt, dies aber nicht lediglich im Sinne einer rein heteronomen Instrumentalisierung, die die Menschheit in eine fatale Parallele, so Gesners handfester Vergleich, zur Eselin des Bileam brächte.900 Das Schriftzeugnis präsentiert den filius hominis als Subjekt dessen, was solius Dei ist und bleibt, versteht diese Kongruenz aber nicht als Arrogation (vendicare), sondern als Resultat der göttlichen Mitteilung (communicare), das als solches nicht ‚gehabt‘, sondern nur im Prozeß dieser Zuwendung empfangen wird (acceptum).
So wenig heutige Exegese Gesners hermeneutische Prämisse, die vorausgesetzte Lehre von den zwei Naturen in einer Person, einfach wiederholen kann – auch unter veränderten Bedingungen nachvollziehbar bleibt seine Wahrnehmung des ‚Themas‘, das die evangelischen Texte theologischer Reflexion zur Klärung aufgeben: Im menschlichen Lebenszusammenhang Jesu ereignen sich die Gegenwart und das Tun ‚Gottes selbst‘.901 900 So im Kontext der Auseinandersetzung über die Teilhabe der Menschheit Christi an Gottes Kardiognosie: „id lingua Christi aut conscia aut nescia mente faciat oportet: Si nescia, dat sine mente sonum, atque hic sermo non erit ελλογος, nec proinde homine dignus, sed αλογος, qualis est asinae illius Bileami. Ergo mente conscia. Quapropter mens quoque Christi humana, diuino illam illustrante Spiritu, adeo est perspicax, vt arcanos cordium motus ... videat ... cernat ac intelligat ...“ (227). 901 Für diese Kontinuität der Wahrnehmung des mit den neutestamentlichen Texten gestellten theologischen Problems in der Variabilität der Versuche seiner Lösung sei en passant verwiesen auf eine von O. Hofius vorgelegte Studie über Mk 2,1–12, die synopti-
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
3. ‚Gespannte‘ Christologie 3.1 „Gott selbst“: Der schon die Ausbildung des neuen Dogmas der lutherischen Christologie auf den Weg bringende Versuch, das damit benannte ‚Thema‘ biblischer Christologie – Gottes Ereignis als Geschichte des Menschen Jesus – im dogmatischen Begriff (communicatio idiomatum realis) einzuholen,902 orientiert nach dem Dargelegten eindeutig auch dessen ontologische Präzisierung am Beginn des 17. Jh.s. Der noch einmal – auch gegenüber Gesners Entwürfen – besondere Skopus der Tübinger Revision besteht darin, daß sie diese ‚Implikation‘ Gottes in die Geschichte Jesu nicht allein in den (hier durch Mt 9 exemplifizierten) Wundertaten Jesu ‚aufleuchten‘ sieht, dessen gleichfalls biblisch bezeugtes Leiden hingegen nur der Menschheit als dem ‚anderen‘ der christologischen Synthese zuweist.903 Solcher Dissoziierung gegenüber zielt die Ausbildung der Idiopoiesis – als des gegenläufigen Pendants der ‚realen‘ Metapoiesis – darauf, nun auch und gerade diese Passions-Geschichte Christi als Geschichte Gottes selbst zu verstehen – als Geschichte seiner Selbsthingabe.904 Es ist diese spezifische Stoßrichtung der schwäbischen Weiterentwicklung der konkordistischen Synthese, welche die christologische Arbeit insgesamt neu in Bewegung bringt. Zunächst aus Anlaß der unzureichend geklärten ‚quaestio altera‘ der theopaschitischen These kommen vermeintlich ‚längst verglichene controversien‘905 noch einmal neu auf die Tagesordnung.906 Die schwäbischen Antwortversuche und die darauf bezogenen Reaktionen bringen die Christologie des konkordistischen Luthertums insgesamt unter eine neue Spannung. Zwar kann die v.a. in den Texten Schaefers, Wegelins und Hoeckers dokumentierte Neuorientierung zunächst verstanden werden als Vollzug einer Selbstklärung schwäbischer Christologie. Ein symmetrisches Verständnis der Idiomenkommunikation als Ausdruck eines kommunikativen Verständnis der Person Christi selbst intendiert schwäbische Christologie seit ihrer Begründung durch J. Brenz; trotz der Abbrüche dieses ursprünglichen
sche Vorlage der Gesners ‚kurzer Zusammenfassung‘ zugrundeliegenden Mt-Parallele: O. HOFIUS, 2000a, 38–56. Vgl. ergänzend DERS., 2000b, 57–69, bes. 57–59. 67–69. 902 Vgl. MAHLMANN, 1970, 224 (C.IV.1.1.1); 1969, 86f (o. Anm. 583). 903 So die berühmte Formel Leos des Großen: „Agit enim utraque forma cum alterius communione quod proprium est: Verbo scilicet operante quod Verbi est, et carne exsequente quod carnis est. Unum horum coruscat miraculis, aliud succumbit iniuriis“ (DS 294 = DH 294). Die hier vorgenommene Dissoziierung der einen Geschichte Jesu auf das Gegenüber von Gott und Mensch, welch vermeintlicher ordo divinus letztlich auch hinter der Statuslehre des gemäßigten Ubiquismus steht (o. C.II.2.4.3), werden definitiv erst die späteren Tübinger von 1619ff verabschieden, die diese apotelesmatische Parallelität von unum und aliud in ein striktes unus idemque überführen (u. E.III.2/3; E.III.4). 904 Vgl. u. F.III. 905 Vgl. o. C.II.1.3 bzw. o. B.I.1.1 (Anm. 10); C.II.2.4; C.IV.2.5.3. 906 Vgl. dazu weiter auch gleich u. E.I.1/2.
V. „... multas novationes“? – Zwischenbilanz 3
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‚Programms‘ schon bei Brenz selbst907 und der widerwillig ‚erlittenen‘, 908 jedoch mitgetragenen Festschreibung der asymmetrischen Konzeption Chemnitz’ in der FC bleibt dieses Interesse virulent, kann aber nicht konsistent entwickelt werden. Dies gelingt dann erst, in nun erstaunlicher kurzer Zeit, mit der symmetrischen Erweiterung der Idiomenkommunikation durch die Ausbildung des idiopoietischen Genus. Die damit (re-)etablierte Differenz zur konkordistischen Konzeption wird von den schwäbischen ‚novatores‘ durchaus markiert, doch in ihrem prinzipiellen Gewicht unterschätzt; letzteres dokumentieren wider Willen gerade die Versuche eines Ausgleichs der Entwürfe, die zwar nicht ohne ‚überlieferungsgeschichtlichen‘ Anhalt sind, sachlich aber die Aussageintention der genuin verstandenen FC-Bestimmungen des 1. Genus konterkarieren.909 Doch verhindern diese Harmonisierungsversuche zunächst, daß die schwäbischerseits faktisch vollzogene Korrektur der Konkordie offensiv in die binnenlutherische Diskussion eingebracht wird. Scharfe Konfrontationen waren hier auch dadurch ausgeschlossen, daß die schwäbische Revision kein isoliertes Phänomen darstellt, sondern einem breiteren ‚Trend‘ angehört: Mit S. Gesners Texten von 1595 lag eine bereits ältere Parallele (Vorgabe?) zur Tübinger Neuorientierung vor, die auf eine weithin kongruente Präzisierung zentraler Theoreme lutherischer Christologie zielt. Gesners Impulse werden, auch über Wittenberg hinaus, besonders von Angehörigen der nachwachsenden akademischen Generation aufgenommen und eigenständig weitergeführt. V.a. B. Meisners Texte formulieren hier eine den Tübinger ‚novationes‘ zeitlich parallele Fassung einer ontologisch präzisierten lutherischen Christologie, die allerdings in nicht nur marginalen Fragen zugleich abweichende Positionen bezieht.910 Doch auch diese Differenz wird zunächst noch als Alternative in der akademischen Disposition des Themas wahrgenommen und diskutiert.
3.2 Daß die wesentlich durch die Tübinger Revision angestoßene Erneuerung des binnenlutherischen Diskurses auf Dauer in den Grenzen akademischer Methodenfragen eingehegt bleiben könnte, war indes nicht zu erwarten. Die idiopoietische Erweiterung, die in Th. Wegelins These eines Leidens Christi ‚nach beiden Naturen‘ ihre provozierende Zuspitzung findet, gerät unter schweres Feuer der interkonfessionellen Polemik, die hier eine Wiederbelebung des altkirchlichen ‚Theopaschitismus‘ vollzogen sieht (‚Fullo redivivus‘).911 Eine Stellungnahme der lutherischen Konfessionsgenossen zu dieser ‚Extravaganz‘ ihrer schwäbischen Linie war so herausgefordert. Und: Auch die für den Bereich der sächsischen Theologie notierten Versuche, in Reaktion auf die schwäbische Devianz nunmehr die asymmetrische Konzeption (der FC) ihrerseits ontologisch zu begründen (B. Meisner), introduzieren eine Spannung innerhalb der lutherischen Christologie, die um 1610 noch nicht ausgetragen ist. Diese ‚Rettung‘ der konkordistischen Synthese, die die Tübinger an einen prinzipiellen Punkt verlassen hatten, geschieht in der Spur jener vorlaufenden Durchbildung der konkor907
Vgl. o. C.IV.2.6.2.1–3. Vgl. o. D.I.4.1 (bei u. mit Anm. 107). 909 Vgl. nur o. D.I.3.2.2/3 (M. Hafenreffer); D.I.4.1. 910 D.II.5; D.III.5; D.IV.6 (S. Gesner) bzw. D.II. 2., 3.2; D.III.6; D.IV.5 (B. Meisner). 911 Vgl. o. D.I.6.1.1 Anm. 175; D.I.7.1.2 bei u. mit Anm. 325. 908
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D. Auf dem Weg zur neuen Tübinger Christologie
distischen Christologie durch den großen Schwaben auf dem Marburger, ab 1592 Wittenberger Lehrstuhl, Ägidius Hunn.912 Die Differenz dieses nun gleichfalls ontologisch präzisierten konkordistischen Entwurfs zu dessen faktischer Korrektur durch die jüngeren Schwaben konnte auf Dauer nicht unbearbeitet bleiben. – Der bedeutendste und einflußreichste Vertreter der ‚prinzipialisierten‘ konkordistischen Christologie nach Hunns Tod (1605) ist Balthasar Mentzer. 3.3 Schließlich: Auch der ontologisch transformierten schwäbischen Christologie selbst eignet eine innere Spannung. Ihre prinzipielle Fassung der Personeinheit als symmetrischer Kommunikation der Naturen ist unvereinbar mit der parallelen Fortschreibung jener Thesen des ‚gemäßigten Ubiquismus‘, die für den Status exinanitionis eine limitierte Inkongruenz der Naturen im Blick auf Weltgegenwart und Weltherrschaft annehmen,913 unvereinbar mit jenem Canon Theologicus, der aus der realen Identität der Person mit ihren Naturen die Folgerung zieht, ausnahmslos alle Prädikate auf beide Naturen zu beziehen.914 Die konsequente Umsetzung dieses Canons würde führen – auf die ‚neue‘ Tübinger Christologie von 1619. ‚Möglich‘ und durch das klar benannte ‚Prinzip‘ ‚notwendig‘ gefordert war diese nochmalige Weiterentwicklung schwäbischer Christologie 15 Jahre vor ihrer tatsächlichen Ausbildung. All diese Binnenspannungen lutherischer Christologie sind um 1610 nicht ausgetragen. Es steht zu vermuten, daß gerade sie für die noch ausstehende Strecke des ‚Weges zur klassischen Tübinger Christologie‘ von Bedeutung sein werden. – An diesem Punkt fährt die Untersuchung fort.
912
Vgl. o. D.II.2.1 (B. Meisner); C.IV.3.2.3/4 (Ä. Hunn). Vgl. o. Anm. 222 (M. Schaefer); partiell ‚konsequent‘: Th. Wegelin (o. Anm. 881). 914 Vgl. o. D.I.3.2.3.2; D.I.7.2.2; D.I.7.3.1. 913
E. Erbe und Progreß – Die neue Tübinger Christologie als Zielpunkt schwäbischer Christologie E. Die neue Tübinger Christologie als Zielpunkt schwäbischer Christologie
I. Phrasis vestra – Sententia nostra: Dissoziationen im Vorfeld der kenotischen Kontroverse I. Dissoziationen im Vorfeld der kenotischen Kontroverse
1. Helwig Garths Kritik der theopaschitischen These Die Suche nach Manifestationen der v.a. durch die Tübinger novationes introduzierten Binnenspannung lutherischer Christologie1 führt noch einmal nach Sachsen. Zum Kristallisationspunkt avanciert die ‚abstrakte‘ Aussage vom Leiden der göttlichen Natur, die die Schwaben in der irenischen Debatte 1606ff öffentlichkeitswirksam zuspitzen.2 1.1 Vom April des Jahres 1613 datiert ein Brief des Wittenberger Theologieprofessors Leonhard Hutter an den Tübinger Kollegen Matthias Hafenreffer.3 Hutter ist in diesem Schreiben ganz offensichtlich bemüht, Irritationen auf Württemberger Seite abzustellen. Deren Anlaß gab ein im Jahr zuvor geführter Briefwechsel zwischen Hutter und Helwig Garth, dem zu dieser Zeit im sächsischen Freiberg als Superintendent amtierenden Schwiegersohn Ä. Hunns.4 Garth hatte dem ehemaligen Wittenberger Lehrer seine in Freiberg am 7. April 1612 disputierten Thesen de passione Filii Dei5 übersandt, das Begleitschreiben wies ausdrücklich auf eine auch innerlutherische Stoßrichtung hin: Die in dem jüngsten schwäbischen Votum 1
Vgl. o. D.V.3. Vgl. o. D.I.7.3.3/4. 3 Wittenberg 26.4.1613 (bei F ISCHLIN, Supplementa, 1710, 353–357; folgende Verweise hierauf bezogen). – Leonhard Hutter 1563 (Nellingen/Ulm) – 1616 (Wittenberg); Studium in Straßburg, Leipzig, Heidelberg, Jena; 1596 Theologieprofessor in Wittenberg. Zu Hafenreffer s.o. [D.] Anm. 19. – Hutters Brief wird von Tübinger Seite auch im Kenosisstreit zitiert: T HUMM, Majestas, 1620e, 130f. 4 Helwig Garth (Helvicus Garthius) 1579 (Kördorf bei Alsfeld/Hessen) – 1619 (Prag). – Studium in Marburg, später Straßburg, Tübingen, Wittenberg; 1603 Superintendent in Oschatz/Sachsen, 1609 Pastor und Superintendent in Freiberg; 1613 Prediger und Assessor des Konsistoriums in Prag. – Vgl. H ÜBNER, 1975, 44f, bes. 44 Anm. 18. 5 DISPUTATIO THEOLOGICA DE PASSIONE FILII DEI, (7.4.) 1612. Garths Text gerät auch in die Mühlen des Kenosis-Streits; vgl. den hier benutzen Teilabdruck (Th. 44ff.) bei FEURBORN, Κενωσιγραφια, 1627, s. II, cap. IV, Nr. XX (133a–134b). 2
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E. Die neue Tübinger Christologie als Zielpunkt schwäbischer Christologie
gegen die Heidelberger, der Schluß-Rede von 1612,6 ‚nicht nur einmal‘ begegnende ‚abstrakte‘ Rede von der leidenden Gottheit (Deitas passa) ist als ‚gefährliche‘ Abweichung zu verwerfen und stattdessen an der These einer Leidensteilhabe des Gottessohnes ‚in concreto‘ festzuhalten, wie sie das 1. Genus der Idiomenkommunikation vorgibt.7 Mit dieser Kritik und der reklamierten Alternative widerspricht Garth – ein Tübinger Doktor!8 – der von der neuen Generation schwäbischer Theologen vorgetragenen Präzisierung der Christologie am zentralen Punkt. Es ist der in der theopaschitischen These seine Pointe findende Entwurf eines eigenständigen idiopoietischen Genus, der die schwäbische Revision der konkordistischen Idiomenkommunikation vorantreibt; Schlußstein dieser Umbildung ist ein neues Verständnis der Person Christi, das der von Garth beanspruchten Lesart des 1. konkordistischen Genus gerade entgegensteht – eine Korrektur, die im übrigen schon 20 Jahre zuvor in Wittenberg selbst geltend gemacht worden war.9 Wie stellte sich Hutter zu dieser Kritik an der Theologie seiner schwäbischen Heimat? Die Arbeit an der monumentalen Apologie der Konkordienformel 10 hatte ihn seinerzeit zu Archivstudien nach Dresden geführt; dort war ihm, wie er nun Hafenreffer gegenüber geltend macht, der von Garth inkriminierte Württemberger Text zunächst nicht verfügbar. So nur unzureichend informiert habe er den vorgebrachten Monita grundsätzlich beigepflichtet: „respondi, me phrasin illam (divinitas est passa) sic absolute & simpliciter positam approbare nullo modo vel posse vel debere …“ (353). Diese Replik Hutters verschiebt jedoch auffällig den Zielpunkt der Kritik. Dem übersandten Text der Disputation selbst jedenfalls war klar zu entnehmen, daß Garth nicht lediglich über die durch die konfessionelle Polemik geisternde Karikatur eines Leidens der Gottheit an sich (absolute & simpliciter) Beschwerde führt. Der Widerspruch des Freiberger Superintendenten gilt der präzis referierten authentischen schwäbischen These, es leide die Gottheit des Logos aufgrund der persönlichen Vereinigung mit der Menschheit und kraft der Aneignung dieses menschlichen Leidens.11 6
Vgl. o. D.I.7.3 (Anm. 361). „... simulque addiderat [Garthius], eo fine eas [theses] conscriptas esse, ut demonstraret, recte quidem in concreto secundum materiam & proprietatem primi Generis Communicationis Idiomatum in persona Christi affirmari, quod Filius DEi sit passus, crucifixus, mortuus, &c. in abstracto autem periculosam admodum videri phrasin si dicatur, Deitas est passa, qua tamen phrasi Theologi Wirtembergici in postremo suo contra Heidelbergenses scripto [Schluß=Red 1612, vgl. p. 354] non semel utantur ...“ (353). 8 Zur Erlangung des Doktorgrades hatte Garth am 17. und 18. Februar 1602 unter St. Gerlachs Präsidium vorgelegt seine: Disputatio Theologica DE DISCRIMINE LEGIS ET EVANGELII […] (VD17: 12:117257Q). 9 S. Gesner 1595; vgl. o. D.II.5.2. 10 Concordia Concors, 1614; vgl. im Schreiben die Hinweise 353. 356f. 11 Garth argumentiert wie folgt (ed. FEURBORN, 1627, 133b.134a): „Si divinitas του λογου passa esset, aut in sese, aut in carne passa esset“. Gegen die erste Möglichkeit (in sese) stehen all jene Einwände, die auch aus den Tübinger Abgrenzungen bekannt sind (Apathie des göttlichen Wesens; häretische Konsequenz einer gesamttrinitarischen Inkar7
I. Dissoziationen im Vorfeld der kenotischen Kontroverse
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1.2 Garths Einspruch gegen die ‚gefährliche Redeweise‘ (periculosa phrasis) der Tübinger hatte Kreise gezogen und auch deren Protagonisten erreicht. In einem Schreiben an Garth (responsum; vgl. 354f. 355) verteidigt Hafenreffer, der Verfasser der Schlußrede,12 die schwäbische These. Diese Apologie ging auch an Hutter (355), – hatte sich Garth auf dessen ‚Zustimmung‘ berufen? Hutters Brief an Hafenreffer vom April 1613 sucht jedenfalls mit auffälliger Entschiedenheit etwaige Besorgnisse in dieser Richtung auszuräumen. Abgesehen von dem ohne authentische Information abgefaßten Votum habe er in dieser Frage weder mit Garth noch mit anderen Theologen weitere Korrespondenz gepflegt (353f). Dazu habe auch kein Anlaß bestanden: Aus Dresden nach Wittenberg zurückgekehrt, konnte er überprüfen, „wie sich die Sache verhalte“ – eine gezielte Durchsicht der fraglichen Württemberger Schriften ergab die Gegenstandslosigkeit der Garth’schen Bedenken und die unangreifbare Orthodoxie ‚unserer‘(!) schwäbischen Position (354).13 Hutter referiert gedrängt die von Württemberger Seite stets beachteten Distinktionen. Das Leiden wird nicht absolut von der trinitarischen Gottheit als solcher prädiziert, sondern in spezifischer Determination von der divinitas του λογου. Hinsichtlich ihrer wesentlichen Verfassung durch sich selbst (in se & per se, sive ratione sui; 354) ist und bleibt diese leidensunfähig. Gleichwohl kommt ihr aber in und aufgrund der persönlichen Vereinigung und perichoretischen Gemeinschaft mit der angenommenen Menschheit das Leiden des ‚eigenen‘ Fleisches zu (passa ... in propria carne; 354). Die so präzisierte Sprachregelung ‚divinitas του λογου passa est in sua carne‘ gilt Hutter dann nicht nur als unanfechtbar und legitim, sondern als unverzichtbar: ohne sie kann weder die Radikalität der hypostatischen Vereinigung adäquat ausgesagt noch können die konkurrierenden defizitären Deutungen des Leidens ‚Gottes‘ zureichend widerlegt werden.14
nation und Pathie; Verwerfung dieser These durch die altkirchliche Orthodoxie). Garth aber bestreitet, weiter unter Berufung auf die altkirchlichen Grenzziehungen, darüberhinaus auch die Alternative: „Neque ... in carne passa deitas dici vel potest, vel debet, etiamsi cum carne καθ’ υποστασιν sit unita“. Die „summa perfectio“ der natura divina schließe jede Betroffenheit durch menschliche Schwäche aus. Gegen die sonst drohende Vermischung der Naturen ist auf der strikten Unterscheidung einer unzulässigen Prädikation menschlicher Eigentümlichkeiten ‚de divina natura in abstracto‘ von der legitimen Prädikation ‚de persona in concreto‘ zu insistieren. Tätigkeiten und Widerfahrnisse kommen allein der ganzen Person, nicht einer Natur für sich zu. 12 Vgl. o. D.I.7.3 (Anm. 361). 13 „Dresda domum reversus inquisivi quomodo se res haberet, & probe perlectis scriptis nostris omnino Orthodoxis, & cumprimis ultimo, cui titulus cessit Schlußred &c. deprehendi phrasin hanc sic absolute & simpliciter positam (Divinitas est passa) nuspiam reperiri ...“ (354). – Auch dies reduziert den weitergehenden Widerspruch Garths. 14 „Et sane tantum abest, ut hanc phrasin (divinitas του λογου passa est in sua carne) vel incommodam, vel periculosam, vel analogia fidei ulla ex parte dissentaneam judicem: ut potius statuam, nunquam vel mysterium unionis hypostaticae duarum naturarum in Christo recte asseri, vel Zwinglianorum αλλοιωσιν plene refutari: vel Calvinianam Exegesin rite everti; vel Bellarmini suppositum Concretivum funditus refelli & repugnari
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E. Die neue Tübinger Christologie als Zielpunkt schwäbischer Christologie
1.3 H. Garths Disputation von 1612 belegt eine innerlutherische Kritik der Tübinger Christologie, die sich gegen deren theopaschitische These richtet, mittelbar aber auch das dieser These begründend vorausliegende neue Verständnis der Idiopoiesis und der symmetrisch gefaßten Idiomenkommunikation treffen muß. Brisanz gewinnt der Einspruch dadurch, daß Garth in der Sache jene Position vorträgt, die sein Schwiegervater Hunn bereits eine Generation zuvor als die konkordistische These formuliert hatte: Die idiopoietischen Aussagen stellen nur eine Species der Prädikationen des konkordistischen ersten Genus de tota persona dar; eine der communicatio Majestatis analog gedachte Betroffenheit der göttlichen Natur soll mit dieser Verortung gerade ausgeschlossen werden.15 Und: Der Freiberger Superintendent ist gar nicht der erste und nicht der einzige Kritiker der schwäbischen Neuerungen. Schon Jahre zuvor kommt es zu kontroversen Diskussionen desselben Themenkreises zwischen der Tübinger Fakultät und dem führenden Vertreter der durch Hunnius grundgelegten Marburger (später: Gießener) Christologie: Balthasar Mentzer. 2. B. Mentzer und M. Hafenreffer im Streit über die praedicationes disparatorum16 2.1 Eine ausgedehnte Reise in den deutschen Südwesten hatte Mentzer im Sommer 1611 auch nach Tübingen geführt. Einen Nachhall der bei dieser Gelegenheit geführten theologischen Gespräche wird man in einem Brief finden dürfen, in dem der nach Gießen Zurückgekehrte den schwäbischen Kollegen die ‚Bekehrung‘ eines Reisebegleiters meldet: „In reditu mihi comes erat N. noster. Quo homine nemo plausibilius defendere visus est, phrasin vestram de Deitate patiente in sua carne. Sed deseruit suam opinionem, & nostram sententiam concessit.“17 Dieser knappen Notiz ist zu entnehmen: Um das Jahr 1611 besteht zwischen den Tübinger Theologen und Mentzer ein offen diskutierter Dissens hinsichtlich der ‚abstrakten‘ Tübinger These der Deitas passa, der sich für den Gießener bereits zur klaren Alternative (phrasis vestra – sententia nostra) verfestigt hat. Auch Mentzers Widerspruch gilt, nicht anders als bei Garth, präzise der authentischen Tübinger Annahme, d.h. der Behauptung posse, nisi pro hac phrasi, filius DEi est passus, vel quae eodem recidit, divinitas filii DEi in carne sua est passa, tanquam pro aris & focis pugnemus“ (354). – Genau diese hier als unverzichtbar gewertete These aber hatte die von Hutter zunächst keineswegs eindeutig abgelehnte Disputation Garths eindeutig verworfen (o. Anm. 11). 15 Vgl. zu Hunn o. C.IV.3.2.3–5. 16 Zum Folgenden vgl. die im Zusammenhang des Kenosisstreites entstandenen, gerade wegen ihrer polemischen Abzweckung wohl zuverlässigen knappen Referate Thumms (Ταπεινωσιγραφια, 1623, 19; Repetitio, 1624, 489). Auf die hier notierten Vorgänge hat lediglich J. B AUR ([1977, 233 =] 1993h, 248) hingewiesen, ohne indes den Sachfragen weiter nachzugehen. 17 Gießen 5.7.1611; mitgeteilt bei THUMM, Ταπεινωσιγραφια, 1623, 19.
I. Dissoziationen im Vorfeld der kenotischen Kontroverse
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einer Leidensteilhabe der Gottheit aufgrund ihrer Vereinigung mit der (essentiell allein) leidenden Menschheit (Deitas patiens in sua carne). Insofern die monierte Tübinger phrasis in der Korrektur des konkordistischen Begriffs der communicatio idiomatum, letztlich in einem neuen Verständnis der Person Christi selbst gründet, betrifft der Dissens nicht lediglich die Extravaganz einer vom Tradierten abweichenden Sprachregelung – mit der Tübinger phrasis einer passio Deitatis ist in der Sache zugleich das vorausliegende Begründungsgefüge insgesamt strittig.
2.2 Es entspricht diesem systematischen Konnex des Themas, wenn Theodor Thumm 1623/24, auf dem Höhepunkt des Kenosis-Streites, jenen prima facie partikularen Dissens rückblickend als Manifestation eines umfassenderen Widerspruchs vorstellt: „nonneminem [Mentzer] per aliquot annos Tubingensibus in nonnullis gravissimis quaestionibus, (uti literae loquuntur), de persona Christi, generibus communicationis [idiomatum], praedicationibus personalibus, electione &c. ... contradixisse“.18 Eingesetzt hätte diese Dissoziation noch im ersten Jahrzehnt des 17. Jh.s, unmittelbar in Reaktion auf die zu dieser Zeit entstehenden Texte der neuen Tübinger Christologie. Denn Thumm kann auf einen Briefwechsel zwischen Hafenreffer und Mentzer schon aus dem Jahr 1607 verweisen.19 Damals entzündete sich die Auseinandersetzung an einem anderen christologischen Einzelproblem – der in der zuletzt zitierten Themenliste mit aufgeführten Frage des Verständnisses der Termini ‚Deus/Filius Dei‘ bzw. ‚Homo/Filius hominis‘, die in den sog. propositiones personales (Deus/Homo est Homo/ Deus) affirmativ voneinander prädiziert werden. Mentzer bestreitet, daß diese Ausdrücke – in christologischer Verwendung – als auf Verschiedenes referierende Ausdrücke (termini disparati) zu verstehen sind. Eben dies behauptet die Tübinger These, die Hafenreffer verteidigt. Die Termini ‚Deus‘ bzw. ‚Homo‘ stehen in den fraglichen Sätzen nicht für die ganze Person des Gottmenschen, sondern nur für je eine der bleibend distinkten Naturen und damit für disparatae res. Die affirmative Verknüpfung (est) dieser Terme in den propositiones personales muß darum als Prädikation von Disparatem verstanden werden; auf diese Weise wird die unio personalis als Verbindung des Verschiedenen ( αλλο και αλλο) abgebildet.20 – Demgegenüber argumen18
T HUMM, Ταπεινωσιγραφια, 1623, 19. – Vgl. die parallele Liste Acta Mentzeriana, 1625, 231, dort im Kontext der Erläuterung der zögerlichen Reaktion auf Mentzers Anfragen von 1616 und 1618, was die Tübinger u.a. mit dem Verweis auf die wenig ermutigenden Erfahrungen dieser ‚Vorgeschichte‘ zu begründen suchen: „Noluerunt [Tubingenses] etiam ingenium [Mentzeri] licet amicum, tamen haud parum superbum & sibi suffenum IRRITARE & sua negativa responsione ad pertincacem defensionem provocare. Sciebant enim ipsum utut fideliter & amice admonitum de primo genere Communicationis Idiomatum, ιδιοποιησει, propositionibus personalibus & alijs punctis, in nullo tamen JOTA unquam sibi ceßisse ...“. Vgl. o. bei u. mit [C.] Anm. 5. 19 T HUMM, Repetitio, 1624, 489f. 20 „... 1. In propositione hac personali, Deus est homo, homo est Deus, constituentia Christum, de invicem praedicantur, hoc est ... non tantum una persona exprimitur, sed etiam QUAE in unam personam unita sint, simul explicatur: Atqui constituentia Christum sunt longe diversissima seu disparata; | Ergo longe omnium diversissima seu maxi-
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E. Die neue Tübinger Christologie als Zielpunkt schwäbischer Christologie
tiert Mentzers ein halbes Jahr jüngere Antwort aus der Personeinheit gerade gegenläufig für die Nichtdisparität der Begriffe. Beschreiben, wie unstrittig, die propositiones personales die unio personalis, welche Gott und Mensch zusammenschließt zur Identität der einen unteilbaren Person des Gottmenschen, dann erscheint die Tübinger Disparitätsthese als Eintrag der protologischen Differenz von Gott und Mensch in den Zusammenhang der Christologie, geradezu als ‚nestorianisierende‘ Auflösung der Personeinheit: „Non igitur hic dici posse, diversum esse Filium Dei a Filio hominis“.21
2.3 Hafenreffers Schreiben vom 18.3.1607, das den von Thumm erinnerten Disput des Jahres 1607 über die propositiones personales eröffnet zu haben scheint, dürfte bereits Reaktion auf voraufgehende Voten Mentzers sein. So enthält der im Herbst desselben Jahres veröffentlichte 1. Band der Gießener Disputationen auch eine zweiteilige Darstellung des christologischen Locus aus Mentzers Feder,22 die ursprünglich in Gießen am 6. Dezember 160523 bzw. 28. Februar 160624 disputiert worden war. Mentzer beendet hier die Behandlung der Praedicationes personales mit einem polemischen Seitenhieb gegen eine anonym bleibende Gruppe, die diese Sätze (Deus/homo est Homo/Deus) als Disposition disparater Termini (praedicatio diversorum) begreife.25 Dieses Contra läßt sich nicht mehr verstehen als Wendung gegen die zuvor angegangenen reformierten oder jesuitischen Kontrahenten, die eine solche Annahme, aus je anderen Gründen, ebenfalls ablehnen.26 Im Blick dürften schwäbische Texte sein: Die abgewiesene These einer praedicatio diversorum und, korrespondierend, das Verständnis der Vereinigung von Gott und Mensch als unio inter „diuersissima“ me disparata de se inuicem praedicantur. 2. In hac propositione: Λογος est caro, de Λογω praedicatur id, quod in unitatem personae assumpsit: assumpsit autem naturam longe diversissimam seu disparatam; Ergo diversissima seu disparata de se invicem praedicantur. 3. Propositio unionem personalem exprimens, exprimit diversa seu disparata, Haec propositio; Deus est homo, exprimit unionem personalem; Ergo exprimit diversa seu disparata. Unio enim personalis non facta inter idem & idem, sed inter αλλο και αλλο“ (Hafenreffer an Mentzer, 18.3.1607; zitiert bei T HUMM, Repetitio, 1624, 498|f). 21 „... propositionem Filius Dei est homo, Filius hominis est Deus, describere ipsam unionem hypostaticam, qua Filius Dei & Filius hominis factus est una persona composita indivisa. Hic igitur UNICE [Versalierung Thumm?] haberi rationem [...] illius unionis, ut dicatur una persona, unus θεανθρωπος. Non igitur hic dici posse, diversum esse Filium Dei a Filio hominis“ (Mentzer an Hafenreffer, Gießen, 7.9.1607; zitiert bei THUMM , Repetitio, 1624, 490). 22 DGT I, 1607 (Ep. dedic. [Bl. ):( 2 r–7 r] 4.9.1607 [7 r]); dort Disp. Nr. 2 und 3: Disputatio Theologica prior [posterior]: De Jesu Christo Θεανθρωπου, Unico Humani Generis Redemptore; p. 15–54 bzw. 54–117; zitiert: DGT I.2/3 mit Thesen-Nr./Seitenzahl. 23 Disputatio Theologica prior: DE JESU CHRISTO ΘΕΑΝΘΡΩΠΩ, UNICO HUMANI GENERIS REDEMPTORE, Gießen (6.12.) 1605 [VD17: 3:007079B]. 24 DISPUTATIO THEOLOGICA POSTERIOR: DE JESU CHRISTO ΘΕΑΝΘΡΩΠΩ, UNICO HUMANI GENERIS REDEMPTORE, Gießen 28.2.1606 [VD17: 3:007081X]. 25 DGT I.2, 61–73/42–45, hier: 72/45; vgl. das Zitat u. bei Anm. 29. 26 DGT I.2, 66–71/42–45. – Zur reformierten und jesuitischen Position: E.I.3.4.1/2.
I. Dissoziationen im Vorfeld der kenotischen Kontroverse
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vertritt etwa M. Schaefers Disputation von 1602 über die unio personalis und, im Anschluß an diesen, abermals Hafenreffer in der 1603 vorgelegten Neufassung seiner Loci Theologici.27 Die zunächst klare Antithetik der Positionen verkompliziert sich näherhin insofern, als auch Mentzer die fraglichen propositiones personales als logisch irreguläre Sätze klassifiziert – keinem der tradierten 5 Prädikationsmuster (Prädikabilien) subsummierbar bilden sie analogielose praedicationes inusitatae.28 Erst und nur die weitergehende Annahme, diese unstrittig ‚unüblichen‘ Sätze bildeten praedicationes disparatorum, kritisiert Mentzer dann scharf, als Ausdruck logischer wie theologischer Ignoranz. „Qui disputant, esse praedicationem diversorum in hac propositione: Deus est homo: illi aversi sunt a veritate Logica & Theologica. [1.] Nullum enim diversum affirmate praedicatur de diverso. Sunt enim dissentanea, quae non componuntur affirmando, sed negando dividuntur. [2.] Deinde: Estne Filius Dei diversus a filio hominis? Et quomodo Christus est unus idemque, Deus & homo? Quomodo constabit personae ταυτοτης? Tibine in Christo est αλλος και αλλος, alter & alter? & negas te νεστοριανιζειν.“29 Mentzers logisches Argument [1.] rekurriert auf das Axiom der Korrespondenz von Prädikation und realem Verhältnis der prädizierten Dinge. Eine affirmative Verknüpfung (est) von Subjekt und Prädikat repräsentiert die reale Übereinkunft der durch diese Termini bezeichneten Dinge; genau dieser reale Zusammenhang ist die Wahrheitsbedingung des Satzes. Zwei Dinge als disparat zu begreifen heißt, statt eines solchen Konnexes ihre reale Trennung anzunehmen. Die These einer affirmativen praedicatio diversorum erscheint in dieser Perspektive als unsinnige contradictio in adiecto. Der theologische Einwand [2.] läuft dem logischen parallel. Eine Prädizierung der Naturen als disparater widerspricht dem theologischen Datum von deren hypostatischer Vereinigung. Die unio personalis ist definiert als Übereinkunft von Gott und Mensch in der Identität einer Hypostase (personae ταυτοτης [= identitas]). Kraft dieses Zusammenschlusses des vordem Getrennten existiert Christus als – Mentzer greift die zentrale altkirchliche Bestimmung auf – ‚einer und derselbe‘ (unus idemque). Die aus der unio resultierenden propositiones personales repräsentieren diese singuläre Verbindung auf sprachlicher Ebene. Ihre Klassifizierung als praedicationes diversorum (disparatorum) bestritte diese Übereinkunft und unterstellte Gott und Mensch als diskrete Subjekte; die hypostatische Einheit wäre zerteilt in das Nebeneinander zweier Personen (αλλος και αλλος) – nichts anderes als eine Erneuerung des nestorianischen Irrtums.
27 SCHAEFER, Disputatio I, 1602a (zitiert nach der Ausgabe Ακροπολις 1607 [o. [D.] Anm. 168]): „Illis enim propositionibus enunciatur Vnio Hypostatica, quae non est inter ea, quae sunt eadem, sed quae sunt diuersissima, nimirum inter Filium Dei & Hominem assumptum“ (101/33). – „Nam duae in Christo naturae non eaedem, sed longe diuersissimae sunt“ (HAFENREFFER, Loci [1603, 325 =] 1609, 276; so auch im Brief vom 18.3. 1607 [o. Anm. 20]); in dieser Linie ebenso HOECKER, Speculum 1610, I, 44 (Nr. II). 28 „Quae [praedicationes personales] neque sunt regulares quia non quadrant ad ullum modum praedicationis Logicae. Neque sunt tropicae sive figuratae: quia neque per Metonymian, neque Ironiam, neque Metaphoram, neque Synecdochen possunt explicari ...“ (DGT I.2, 62/42); propositiones inusitatae & mirabiliter singulares (73/45). 29 DGT I.2, 72/45 (Numerierung U.W.).
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2.4 In dieser Debatte treffen offenkundig zwei ‚disparate‘ Bestimmungen des Verhältnisses von ‚Personeinheit‘ und ‚Naturendifferenz‘ aufeinander. Daß der Dissens an der Frage nach dem sprachlogischen Status der propositiones personales aufbricht, ist nur konsequent: diese Sätze sagen das essentiell Geschiedene – duae naturae – als Eines – una persona – aus. Dieses sachliche Gewicht der kleineren Kontroversen zwischen Tübingen (v.a. Hafenreffer) und Mentzer in den Jahren 1607ff läßt vermuten, daß diese älteren Debatten Licht auf den großen Streit 1619ff werfen – tatsächlich, wie Thumms ‚Erinnerung‘ von 1623/24 reklamiert, partielle Präludien des definitiven Bruchs sind und in dessen sachliche Vorgeschichte gehören. – Im folgenden ist genauer zu erheben, welchem Problem die in dem Streit über die praedicationes personales zu Tage tretende Differenz gilt. 3. Die interkonfessionelle Debatte über die Praedicationes personales 3.1 Das Gewicht des von Mentzer und Hafenreffer ausgetragenen Streits über die praedicationes personales gründlicher zu ermessen, verlangt den Blick auf die interkonfessionelle Diskussion des Themas.30 – Die Vorgabe31 für die Klassifizierung der christologischen Sätze bildet die Axiomatik der zeitgenössischen Schullogik, welche die Bestimmungen der aristotelischen Tradition weiterführt und systematisiert. (1.) Wesentlich ist das in anti-ramistischer Wendung ausgearbeitete strikt analytisch-instrumentelle Verständnis der Logik. Sie entwickelt nicht selbst (Real-)Begriffe; sondern bezieht als rein instrumentelle Disziplin nur die aus den je zuständigen Realdisziplinen normiert übernommenen Begriffe (notiones reales/primae [intentionis]) nach den logischen Mustern (notiones secundae [intentionis]).32 Diese genaue Unterscheidung von res und instrumentum, Ontologie und logischer Strukturierung bedeutet für den Teilbereich der Urteilslehre: In den behauptenden Sätzen (propositiones; praedicationes, i.S. des aristotelischen λογος αποφαντικος) als den durch die Kopula (est) vollzogenen Dispositionen von Subjekt und Prädikat (extrema propositionis) je in bestimmter Qualität und Quantität bildet der Logiker in arte ab, was diesem mental-sprachlichen Akt zuvor in re/ natura als Verhältnis der Dinge selbst schon gegeben ist. Die Entsprechung von sprachlicher Affirmation (compositio: est) oder Disjunktion (divisio: non est) einerseits und der realen Übereinkunft oder Trennung der prädizierten Dinge andererseits, kurz: die Korrespondenz von Aussage und Sachverhalt bildet die Wahrheitsbedingung jeder Aussage:
30 Die für die hier verfolgte Frage beste Orientierung über die lutherische Perspektive bietet einmal mehr die Philosophia Sobria MEISNERs: 1611, I, s. I, Cap. V (De Enunciationibus; pp. 127–224), bes. QQ. 9ss (180ff); 1613 (=1623:5), II, s. II, Cap. II (De praedicationibus; 548–669), bes. QQ. 5–8 (594–637). – Vgl. ferner die nahezu gleichzeitigen Voten HOECKERs, die den Ertrag der schwäbischen Diskussion bündeln: Speculum I, 1610, Theor. 7–8 (41–50); Clavis, 1613, 395–433. 31 Vgl. Meisners Problemexposition, 1611, I, s. I, cap. V, Q. 9: An & quid sint praedicationes inusitatae? (I, 180–194); dazu detailliert SPARN, 1976, 61–81/92. 32 Zur wissenschaftssystematischen Frage: SPARN 1976, 23–26.
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Subjekt und Prädikat werden verbunden (resp. getrennt), weil das durch sie je Bezeichnete im Gegenstand der Aussage realiter vereint (resp. getrennt) ist. (2.) Für jede affirmative Aussage ist daher zu fordern, daß Subjekt und Prädikat ‚stimmig‘ (termini consentanei) sind, und dies deshalb, weil die durch sie bezeichneten Dinge in seinsmäßiger Übereinkunft (consensio, concordia mutua) stehen; gerade diese reale Übereinkunft wird in der durch die Kopula vollzogenen Verbindung von Subjekts- und Prädikatsbegriff abgebildet.33 Dieser Konnex ist gemäß der Grundalternative aristotelischer Ontologie entweder ein innerlich-essentieller oder ein äußerlich-akzidenteller. Entsprechend gliedern sich die regulären affirmativen Prädikationen in die zwei Klassen der wesentlichen oder synonymen (praedicationes essentiales) und der akzidentellen oder paronymen (praedicationes accidentales) Aussagen.34 Jene erlauben die affirmative Verbindung von Subjekt und Prädikat aufgrund von essentieller Konvenienz (praedicatur in Quaestione Quid est: die Prädikabilien des genus, der species und der differentia [specifica]), diese aufgrund von akzidenteller Verbundenheit (praedicatur de re in Quali: die Prädikabilien des proprium und des accidens [commune]).35
3.2 In genauem Gegensatz zur regulären Voraussetzung konvenienter Begriffe hat die Theologie, so Meisners These, Sätze zu vertreten, die zueinander bleibend nicht stimmige Begriffe verknüpfen. Es handelt sich um die hinsichtlich ihres Gegenstandes distinkten, der sprachlogischen Struktur nach aber analogen Klassen der christologischen praedicationes personales einerseits, der abendmahlstheologischen praedicationes sacramentales andererseits. Im ersten Fall werden aufgrund der hypostatischen Union göttliche und menschliche Natur voneinander ausgesagt; Sätze der zweiten 33
„In omnibus enunciationibus affirmativis regularibus, inter subiectum & praedicatum consensio reperitur & concordia mutua. Quae enim in re ipsa partes litigantes sunt, illa in praedicatione convenire nequeunt. Male conjungis enunciando ea, quae essendo omnino sunt disjuncta. Igitur si vera debeat esse praedicatio affirmativa necessum est, ut subjectum cum praedicato, & hoc cum illo artissima familiaritate, quin potius consanguinitate cohaereat“ (I, 181). – Diese traditionelle sprachlogische Axiomatik hat, ohne Bezug auf Texte und in kritischer Wendung, als solche I.U. D ALFERTH konzis beschrieben: „Vorausgesetzt ist eine ... problematische realistische Semantik, derzufolge die Wahrheit von Aussagen nicht nur in der adaequatio intellectus ad rem besteht, sondern Aussagen überhaupt nur wahrheitsfähig sind, weil und insofern ihre verba die res in ihrer jeweiligen Bestimmtheit sprachlich repräsentieren. Um wahr zu sein, müssen die Subjekt- und Prädikatkomponenten von Aussagen jeweils ein ihnen entsprechendes reales Korrelat besitzen, das sie sprachlich vertreten, und sie müssen darüber hinaus durch die sprachliche Verbindung ihrer verba korrekt wiedergeben, wie diese Korrelate auf der Ebene der res significatae ontologisch verbunden sind“ (1994, 150). 34 „Illa [familiaritas/consanguinitas] vero duplex est, vel intrinseca & essentialis, vel extrinseca & accidentalis. Quaecunque enim de se invicem praedicantur affirmando, eorum unum est vel de essentia alterius, vel essentiae inhaeret adhaeretve. Illud praedicationem essentialem, hoc accidentalem constituit“ (I, 181). 35 „Categoremata [= Praedicabilia] significant vel essentiam vel accidens. Essentiam quidem, ut Genus, Differentiam ad Speciem collatam, & Speciem. Accidens significant vel proprium αντιστροφον : vel proprie dictum accidens: quod est irreciprocum“ (HOEKKER , 1613, 271f, hier: 271). – Die klassische Grundlage: P ORPHYRIUS, Isagoge.
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Gruppe prädizieren ‚per & propter unionem sacramentalem‘ von den irdischen Elementen die materia coelestis (Leib oder Blut Christi). Hier wie dort sind Subjekt und Prädikat keiner Übereinkunft fähig, sondern seinsmäßig geschieden (diversa; disparata). So sind diese Sätze zu verstehen als Aussagen, „in quib[us] disparatum praedicatur de disparato“, kurz: als praedicationes disparatorum.36 Die Theologie steht hier vor dem Problem der „predicatio identica de diuersis naturis/ das ist/ das zweyerley vnterschiedliche natur solten ein ding sein“ – jenem „ergerlichst stu(e)ck“, das seit Luthers Votum (1528) zu einem zentralen Thema der interkonfessionellen Debatte über Abendmahl und Christologie avancierte und nun im Zusammenhang der Neuaufnahme (onto-)logischer Fragen um die Jahrhundertwende die „spitze[n] koepffe“ der Logiker und Theologen aller Parteien noch einmal herausfordert.37 Der Kern jenes ‚Ärgernisses‘, das abzuarbeiten der Theologie aufgegeben ist: Auf der Grundlage ihrer Axiome kann die Logik eine affirmative Verknüpfung disparater Begriffe, e.g. ‚Gott‘ und ‚Mensch‘, stets nur kategorisch ausschließen – sie muß so die genaue Negation dessen fordern, was die Theologie ‚komponiert‘.38 Dieser fundamentale Gegensatz der theologischen Sätze zur logischen Axiomatik und deren ontologischer Basis wird nicht überspielt; ganz im Gegenteil arbeitet Meisner ihn mit deutlicher Emphase heraus, gerade ihm gilt sein (konfessionsspezifisches) Interesse: Wenn sich die Theologie in den Gegensatz zur Logik stellt – contrarium docet –, impliziert dies keineswegs die Negation der Voraussetzung des logischen Einwandes; die dem Widerspruch der Logik zugrundeliegende Feststellung ‚natürlicher‘ Disparität ist ohne Einschränkung auch theologisch gültig; dies heißt sprachlogisch gewendet: Die unstimmigen Begriffe werden trotz ihrer bleibenden Disparität und als disparate voneinander prädiziert. Selbstverständlich unterstellt die affirmative Verknüpfung (est), daß Subjekt und Prädikat in re, in dem theologischen Sachverhalt der unio personalis (resp. sacramentalis) verbunden und ‚eines‘ sind, 36
„Praeter has Enunciationes, in quibus consentaneum de consentaneo praedicatur, aliae dantur in Theologia, in quib[us] disparatum praedicatur de disparato, ita quidem, ut praedicatum neque sit accidens subjecti, neque de essentia ejusdem, sed diversum quid & oppositum, unde praedicationes disparatorum a nonnullis vocari solent. Sunt vero propositiones ejusmodi potissimum duplices: quaedam vocantur υποστατικαι & personales, quaedam μυστικαι & sacramentales. Personales sunt, in quibus natura humana praedicatur de diuina, vel contra in concreto propter unionem personalem, unde etiam dictae sunt personales. Tales sunt, Deus est homo: Homo est Deus ... Sacramentales propositiones sunt, in quibus de signo vel elemento terreno praedicatur res vel materia coelestis, per & propter unionem Sacramentalem, unde & Sacramentales dictae. ... Tales sunt Panis Eucharisticus est Corpus Domini: Poculum vel vinum est sanguis Domini. ... Videt autem quilibet, in praedicationibus ejusmodi praedicatum & subjectum per naturam omnino dissentire, diversa prorsus, & disparata esse ...“ (I, 181f). 37 LUTHER, Vom Abendmahl Christi. Bekenntnis (1528); De Predicatione identica: StA 4, 176–186 (WA 26, 437–445); Zitate im Text: 177,8f; 176,22; 178,13. 38 „Iam vero habet regula Logica: Consentanea affirmando, dissentanea negando disponantur. Nam quae natura disjunxit in rebus, ea etiam nos disjungimus in arte ... Iusta hoc deberem dicere, Homo non est Deus ... Sed contrarium docet Theologia, quae disparata haec non negando dividit, sed affirmando componit ...“ (I, 182).
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von diesem Erfordernis einer Korrespondenz von Aussage (λογος, praedicatio) und Sachverhalt (πραγμα, res) als der strikten Wahrheitsbedingung jeder Aussage dispensiert auch die Theologie nicht; aber diese Verbindung in re hebt nicht die Disparität der verknüpften Begriffe auf.39
Indem die Theologie nach Meisner beides behauptet: die Entsprechung von Aussage und Sache, also die Wahrheit der theologischen Sätze, und die bleibende Disparität der in ihnen verknüpften Begriffe, ergibt sich allerdings zwingend die Konsequenz: diese Sätze der Theologie sind als solche wahren praedicationes disparatorum im Bereich der natürliche Phänomene aussagenden Sätze, wie sie die Logik üblicherweise handhabt, ganz ohne Parallele. Sie müssen als „unübliche“ Aussagen – praedicationes inusitatae – ausgegrenzt werden, die keinem der regulären logischen Aussagemodi (Prädikabilien) subsummiert werden können. In ihrer alogischen SubjektPrädikat-Struktur manifestiert sich die Neuheit des theologischen Sachverhalts, der in ihnen zur Abbildung kommt.40 3.3 Präzise mit dieser Bestimmung der theologischen Sätze als logisch irregulärer sieht Meisner die These erreicht und formuliert, über die der Streit zwischen den Konfessionen, z.T. auch in den Konfessionen geht.41 Unter den geltend gemachten Grenzziehungen läßt sich der Beweis für die logische Irregularität der fraglichen Sätze via negationis durch den Nachweis führen, daß sie mit keinem anerkannten Muster regulärer Prädikation übereinkommen. Die Voraussetzung dieser Strategie ist die Annahme, daß die theologischen Aussagen trotz ihrer Besonderheit jedenfalls praedicationes reales darstellen, d.h. Sätze, die anders als die bloße Sprachkonventionen darstellenden praedicationes verbales einen realen, extramentalen Sachverhalt abbilden. Dann lautet die Alternative: Die der Theologie eigentümlichen Sätze sind entweder (1.) reguläre Aussagen, näherhin (1.a) eigentliche oder (1.b) uneigentlich-figürliche Aussagen; oder aber es handelt sich – so Meisners Beweisziel – um (2.) irreguläre, „gänzlich unübliche“ Prädikationen.42
39
„... naturae Christi & in unione, & post unionem [= unitionem] sunt manentque oppositae & disparatae, ideo nullus Theologorum eas dixerit consentaneas. Inter quae enim non est naturalis unitas vel consensio, quae parere queat modum praedicandi regularem & ordinarium, ea pro consentaneis a nemine habentur. Jam vero Theologus naturalem unitatem aut cohaesionem inter Deum & hominem non permittit, sed ενωσιν illarum vocat μονοτροπον και εξαιρετον μυστηριον [1.Tim 3,16]. Igitur Deus & homo Theologo nunquam sunt consentanea, sed semper species, & naturae disparatae“ (I, 197f). 40 „Res κατ’ εξοχην NOVA, subinfert quoque NOVAM & inusitatam Praedicationem. Quale enim πραγμα est, talis etiam λογος & Praedicatio est Rei … Sed Creatorem fieri Creaturam, Deum esse Hominem, & Hominem esse Deum, est Res κατ’ εξοχην NOVA“ (HOECKER, Clavis 1613, 418; vgl. DERS., Speculum 1610, I, 45f). 41 „Quaeri igitur coeptum est, Anne praedicationes ejusmodi in natura etiam sint usitatae, & simile habeant exemplum, An vero inusitatae & ad nullam praedicationis Logicae speciem quadrant?“ (I, 182). 42 „Reales igitur cum sint [praedicationes disparatorum], aut erunt propriae, aut figuratae, aut prorsus inusitatae“ (I, 183). Vgl. schon MEISNER, Disputatio II, 1609, 48/84.
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So weist Meisner in eingehender Analyse der Sätze und Kritik der jeweiligen Gegenthese nach,43 daß die strittigen theologischen Aussagen zum einen keine praedicationes propriae darstellen. Zwischen ihrem Subjekt und Prädikat besteht weder eine (und sei’s modifizierte) wesentliche Übereinkunft (praedicationes essentiales) noch ein (und sei’s modifizierter) akzidenteller Konnex (praedicationes accidentales).44 – Ebenso unhaltbar ist auch die real-reguläre Alternative zur Annahme von praedicationes propriae, die Klassifizierung als (rhetorisch) uneigentlicher, nämlich tropischer oder figürlicher Aussagen. Die für diese Deutung nötige Unterstellung einer tropischen Bedeutungsverschiebung läßt sich weder für den Subjekts- und Prädikatsbegriff noch für die verbindende Kopula und erst recht nicht für die Aussage als ganze bewahrheiten.45
3.4 Das negative Resultat des Vergleichs erlaubt aufgrund der eingangs aufgestellten Disjunktion die Schlußfolgerung: „concludimus tandem, eas [praedicationes disparatorum] nec esse proprias, nec improprias, nec figuratas, sed inusitatas & prorsus extraordinarias, quarum exemplum simile, & [1.] quoad res ipsas, & [2.] quoad causam & [3.] quoad modum praedicandi, in universo rerum naturalium latifundio, nullum omninio reperiatur“ (I, 192).
Erst zusammen erschöpfen die drei hier verknüpften Kriterien der Ausgrenzung Meisners Verständnis der Irregularität der strittigen Sätze. – (1.) Die Ausgrenzung ist erfordert ‚quoad res ipsas‘. Die fraglichen (christologischen) Sätze verknüpfen als Subjekt und Prädikat zwei Species miteinander, die in keinem gemeinsamen Genus übereinkommen.46 – (2.) Die Irregularität gründet zweitens in der analogielosen Einzigartigkeit der übernatürlichen Vereinigung des Disparaten als des Grundes der affirmativen Prädikation (quoad/per causam praedicandi).47 Mit dem Rekurs auf das disparate Wesen der ‚Dinge selbst‘ und das Faktum ihrer einzigartigen Vereinigung ist die Pointe der Meisner’schen These noch nicht erreicht. Eine lediglich nach diesen Kriterien bemessene ‚Irregularität‘ würde im Grundsatz auch von den reformierten (3.4.1) und römischen (3.4.2) Kontrahenten zugestanden. 3.4.1 Unter Verweis genau auf die essentielle Disparität der vereinigten Naturen und die Analogielosigkeit ihrer hypostatischen Union wertet etwa B. Keckermann48 die christologischen Sätze als praedicationes extraordinariae und konzediert, in diesem Sinn, auch die schon bei Melanchthon begegnende Rede von praedicationes inusitatae. Diese Ausgrenzung bezieht sich dann aber allein auf die singuläre Konstitution der christologischen 43
Meisners detaillierte Analyse (I, 183–192, vgl. II, 626–628) muß hier nur in ihrem Ergebnis notiert werden. Vgl. zum Folgenden insgesamt die eingehende Untersuchung bei SPARN, 1976, 65–81. 44 Zu den sprachlogischen Klassifizierungen vgl. o. Anm. 34. 45 I, 189–192; vgl. dazu SPARN, 1976, 72–81. 46 „species perfecte oppositae & disparatae“ (I, 192). 47 „inusitissima ista rerum toto genere differentium unio“ (I, 192). 48 Auf ihn konzentrieren Meisner wie Hoecker ihre Kritik der reformierten Lösung.
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Person als des Subjektes dieser Sätze.49 Von diesem einmal konstituierten Subjekt werden dann aber die Naturen durchaus regulär ausgesagt – die Extraordinarität umgreift also nicht den Modus praedicandi.50 Die Naturen gehen zwar als disparate in die unio personalis ein, die sie in analogieloser Weise zur christologischen Person zusammenschließt; in dieser Personeinheit aber verlieren sie gleichsam logisch ihre Disparität und können regulär von der zwar übernatürlich introduzierten, dann aber logisch regulär operationalisierbaren Person prädiziert werden. Eine Klassifizierung der praedicationes extraordinariae als praedicationes disparatorum im von Meisner intendierten Sinn lehnt Keckermann darum ab. Im hier einschlägigen Teil des mit der Urteilslehre befaßten zweiten Buches seines Systema Logicae51 unterscheidet Keckermann hinsichtlich der (realen) synonymem52 Aussage ein ‚gewöhnliches‘ und ein ‚ungewöhnliches‘ Muster. Im ersten Fall (ordinaria) wird das Genus von der Art oder die Species von einem ‚gewöhnlichen‘ (ordinarium) Individuum prädiziert (377). Ihm gegenüber steht die ‚außergewöhnliche‘ Variante: „Extraordinaria [praedicatio synonymica] est, in qua est dispositio praedicati synonymi cum subiecto extraordinario, videlicet persona mediatoris Christi“ (378f). Diese ‚ungewöhnlichen‘ Sätze umfassen mithin nur bestimmte christologische Aussagen, nämlich die Prädizierungen der Naturen53 von der Person Christi: Christus (Deus; homo)54 est Homo/Deus (379). Nur hinsichtlich ihres besonderen Subjektes (individuum extraordinarium) gelten diese Sätze als praedicationes extraordinariae. Ihr Prädikationsmodus ist dagegen völlig regulär, weil sie eben eine Teilklasse der (regulären) synonymen Aussagen bilden – in ihnen wird regulär die Species vom Individuum prädiziert. Die von Keckermann konzedierte Differenz zum üblichen Muster (ordinaria Synonymia; 379) gründet allein in der besonderen Beschaffenheit des christologischen Subjekts, das anders als im ontologischen Regelfall neben der von der Person (Individuum) jeweils prädizierten Natur noch eine zweite vollständige Natur mit umfaßt.55 49
„solum ratione subjecti, quia individuum sit extraordinarium & inusitatum“ – so korrekt MEISNERs Referat (I, 191). 50 „... non autem ratione modi praedicandi“ (I, 191). 51 1606, lib. II, s. II, 370–396. Hier relevant ist cap. I: De propositione perspicua, obscura, notionali & reali (370–381, bes. 377ff; folgende Belege hierauf bezogen). 52 Zum Begriff vgl. o. bei Anm. 34. 53 Neben diesen ‚praedicationes de filio Dei Substantiales‘ stehen als zweite Gruppe christologischer Sätze die ‚praedicationes de filio Dei Accidentales‘, in denen als Prädikate Eigentümlichkeiten der Naturen (proprietas naturalis) bzw. der Person (proprietas personalis) oder Tätigkeiten (officium & officii αποτελεσμα) fungieren (379). 54 Loco subjecti bezeichnen ‚Deus‘ resp. ‚homo‘ nach Keckermann stets (synecdochisch) die ganze Person mit beiden Naturen; Systema Theologiae, 1607, lib. III, cap. II, 310–325, hier: 318f. Werden die Termini dagegen ‚abstrakt‘, d.h. für je eine Natur genommen, wären die Sätze schlicht falsch. 55 In den „praedicationes synonymicae ad filium Dei pertinentes ... latius synonymice dicitur de suo angustiore; id quod directe intelligitur in illa praedicatione [sc. Christus est homo], in qua homo tanquam species infima de Christo tanquam individuo, licet extraordinario, synonymως dicitur, licet non tali ordinaria synonymia, quali dicitur de Petro, qui nihil aliud est quam homo, in quo duo completa hypostatice non sunt unita ...“ (379f).
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Auch die Klassifizierung dieser ‚außergewöhnlichen‘ Sätze als ‚unüblicher‘ Aussagen (praedicationes inusitatae), wie sie in den späten Auflagen der Dialektik Melanchthons begegnet, konzediert Keckermann, reduziert sie aber auf eine bedeutungsgleiche Variante der Rede von den praedicationes extraordinariae. Nicht das sprachlogische Muster dieser Sätze (species de individuo) ist ‚unüblich‘, sondern allein ihr Subjekt: Die Person Christi vereinigt in Differenz zu allen natürlichen Entitäten zwei vollständige Naturen und ist so ein singuläres „individuum extraordinarium ... &[explikativ!] inusitatum“.56 Schließlich: Dürfen die christologischen praedicationes extraordinariae und inusitatae darüber hinaus als praedicationes disparatorum begriffen werden? In dieser Frage differenziert sich Keckermanns Position noch einmal. In anderem Zusammenhang und dort mit einer der lutherischen gerade konträren Intention deklariert er die sakramentstheologischen(!) Sätze als praedicationes disparatorum.57 Entschieden anders der christologische Fall: In den Sätzen: ‚Deus (homo) est homo (Deus)‘ stehen die Subjektstermini ‚Deus/homo‘ als (synecdochische) Bezeichnungen stets für die ganze Person mit beiden Naturen; der Satz ‚Deus est homo‘ und seine Inversion sind damit zurückgenommen auf die schon besprochenen Prädikationen des Typs: ‚Christus est homo (Deus)‘. Die Naturen werden als konstituierende Teile von der aus ihnen konstituierten Person ausgesagt. Dieses Ganze, genau definiert als der Zusammenschluß und die Übereinkunft seiner Teile, kann aber nicht von einem seiner Teile real getrennt oder geschieden (disparat) sein. In diesem Sinne, respectu personae, wäre die Klassifizierung als praedicatio disparatorum ganz unsinnig. ‚Gott‘ und ‚Mensch‘, d.h. die Naturen an sich (absolute) betrachtet als das Gegenüber von Schöpfer und Geschöpf, sind allerdings ‚disparat‘ und in unüberbietbarer Weise geschieden. Der (synecdochisch interpretierte) Satz ‚Deus est homo‘ jedoch behauptet nicht die Verbindung dieses Gegenübers als Gegenüber. Denn er unter-
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„non quod inusitatum sit, speciem de indiuiduo praedicari, vt cum dico, Christus est homo; aut is Christus qui est Deus, est homo: sed quod indiuiduum hoc extraordinarium sit & inusitatum, vtpote in quo duae completae naturae, infinita & finita, sint vnitae υποστατικως, qualis vnio alioquin in tota rerum natura nullibi reperitur ...“ (380). 57 Vgl. Systema Theologiae, 1607, lib. III, cap. VIII, Explicatio zu can. 12 (442–446): „Alterum genus praedicationis est, cum res signata praedicatur de signo“. Keckermann erläutert: „maximam & arctissimam esse significandi & obsignandi vnionem inter sacrum signum & inter rem spiritualem signatam ... summa est & sacra vnio inter panem & corpus; non vnio contactus, vt dictum, sed vnio significationis & con|firmationis. Cum n[imirum] disparatum de disparato praedicatur, aut est impossibilis praedicatio; aut praesupponitur substantialis transmutatio, aut denique praesupponitur relatio arctior siue vnio & habitudo mutua rerum sibi similium, siue αναλογιαν magnam inter se habentium, vnde & analogicae praedicationes a doctissimis nonnullis Logicis appellantur, i.[e.] tales, in quib[us] res disparata praedicatur de disparata, propter αναλογιαν siue summam inter se conuenientiam“ (442|f). – Solche Prädikationen wertet Keckermann allerdings als uneigentlich (impropriae), und zwar im logischen, nicht rhetorischen Sinn, wegen der Verbindung von Subjekt und Prädikat (443; vgl. SPARN, 1976, 79). Meisners Kritik: „Manet igitur firmum, quod quoties disparata praedicantur, aut sit locutio tropica, aut praecedat unio mystica, & fiat praedicatio inusitata, nullatenus vero sufficiat relatio extrinseca, neque ex hac fluat disparatorum praedicatio usitata“; „Causa [praedicationis sacramentalis] vero est non extrinseca relatio & σχεσις, sed arctissima unio, & intima rei terrestris coelestisque in usu praesentia ...“ (I, 165–180, hier: 174. 177). Vgl. KECKERMANN, Systema Logicae, 1606, lib. I, s. II, cap. VI (De oppositione), 281–298, hier: 293f.
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stellt als Subjekt die Person Christi, in der dieses Gegenüber ‚extraordinarie‘ und ‚inusitate‘ in hypostatischer Identität schon aufgehoben ist.58
3.4.2 Der bei Keckermann beobachtete Versuch, die ‚Disparität‘ von Gott und Mensch wohl als Urteil der natürlichen Vernunft ohne Einschränkung anzuerkennen, hingegen für die christologische Einheit beider als übernatürlich aufgehoben zu unterstellen und so nur als terminus a quo des theologischen Datums zu denken, kennzeichnet im Ergebnis auch die römischkatholische Lösung des Problems. Im Einzelargument geht diese jedoch einen von der reformierten Analyse verschiedenen Weg. Die katholischen Theologen um die Jahrhundertwende führen sachlich das spätscholastisch-nominalistische Erbe fort. – So erkennt etwa Gabriel Biel selbstverständlich an, daß nach Maßgabe der Kriterien natürlichen Seins, wie sie die (aristotelische) Philosophie verbindlich formuliert – apud philosophum – ‚Gott‘ und ‚Mensch‘ termini disparati sind. Deren affirmative Verknüpfung kann die Philosophie, gebunden an diese Urteilsbasis, nur als unmögliche praedicatio disparata ablehnen.59 Dieses Urteil der Philosophie wird – als philosophisches, dem Kriterium des natürlicherweise Möglichen verpflichtetes – auch von der Theologie, die aufgrund ihres Erkenntnisprinzips, der Offenbarung, in der Wahrheitsfrage dann freilich konträr urteilt, nicht schlicht negiert: naturaliter, secundum potentiam naturae, gelten „etiam apud catholicos“ ‚Gott‘ und ‚Mensch‘ als termini disparati, deren affirmative Verknüpfung insoweit auch hier als praedicatio disparata.60 58
„Neque vero existimo asserendum esse tales praedicationes: Deus est homo, homo est Deus, huiusmodi esse, in quibus disparatum dicatur de disparato, cum subiectum quod interdum nomine Dei, interdum nomine hominis, expressum est, sit ipsamet persona constans ex vtraque natura: ita nimirum vt de eo [subiecto] natura vtraque praedicetur, non tamquam disparatum quid, sed tanquam constituens, seu tanquam pars (quod nemo hactenus negauit) ac vero nulla pars est disparata suo toti: vnde nec naturae, siue ea diuina, siue humana, disparatum quid statui debet, respectu personae, quae ex naturis tanquam partibus constat; absolute quidem & in genere loquendo, homo & Deus non tantum disparata sunt, sed etiam plus quam genere differentia; vtpote creator & creatura: sed in hoc supposito & persona Christi ista spectanda, non vt disparata, sed vt partes, siue constituentia vnum suppositum & Totum quoddam; quod saepe nomine alterutrius ex partib[us] exprimitur, etiam si re ipsa totum sit a partibus suis differens; vt cum dico, Homo est Deus, non intelligo certe per hominem speciem humanam, sub qua Petrus, Paulus; &c. tanquam indiuidua continentur: sed intelligo determinatum, certum & vnum hoc suppositum, videl[icet] Christum ab altera sui parte denominatum“ (380f). – Vgl.: „Etsi vere homo & Deus absolute considerata, disparata sint; tamen quatenus sunt partes unius totius quod constituunt, non amplius pro disparatis, sed pro comparatis & concurrentibus haberi debent ...“; – die praedicatio: ‚Deitas est humanitas‘ ist falsch: „quia vna pars totius nunquam est altera“ (Systema Theologiae, 1607, lib. 3, cap. II; 319). 59 „... qualis sit praedicatio ‚Deus est homo‘. Pro responsione notandum quod apud philosophum ‚Deus‘ et ‚homo‘ sunt termini disparati, quia diceret illam [praedicationem] esse impossibilem: ‚Deus est homo‘, sicut illam: ‚Homo est asinus‘. Et sic illa ‚Deus est homo‘ est praedicatio disparata, nec essentialis nec accidentalis ...“ (BIEL, sent. 3, d. 7, q. unica, a. 3, dub. 3 [ed. W ERBECK/HOFMANN 1979, III, 174,1–5]) 60 „Sed licet in hoc erraverunt [gentiles philosophi?, Peripatetici infideles?; SCHWARZ, 1966, 329 Anm. 140], quod dicebant hanc [praedicationem] esse impossibilem: ‚Deus est
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Ihre spezifische Sicht erreicht die Theologie indes erst dort, wo sie im Rekurs auf die allein ihr offenbarte unbeschränkte Allmacht Gottes das Urteil der philosophischen Vernunft – im Namen der (höheren) Wahrheit – zugleich relativiert und letztlich ‚erklärend‘ aufhebt:61 Die ‚divina omnipotentia, quae super naturam est‘ setzt die – näherhin als unio suppositalis verstandene62 – Vereinigung der disparaten Naturen von Gott und Mensch. In dieser erweiterten, die supranaturalen Möglichkeiten Gottes in Rechnung stellenden und den Disparitätsbegriff von hierher einschränkenden Perspektive können ‚Gott‘ und ‚Mensch‘ nicht mehr als termini disparati gelten, da nun Identisches bezeichnend:63 „die Begriffe ‚Deus‘ und ‚homo‘ können an ein und derselben Sache (de eodem) verifiziert werden, d.h. dem logischen Identitätsprinzip wird Rechnung getragen, weil Subjekt und Prädikat für dasselbe Suppositum stehen“.64 Mit dieser These verstößt die Theologie keineswegs gegen die Logik, sondern perfektioniert diese. Aufgrund des ihr eigentümlichen höheren Erkenntnisprinzips der Offenbarung fügt sie der philosophischen Wahrheit hier wie auch sonst „viele logische, natürliche und metaphysische Wahrheiten“ hinzu und komplettiert so allererst den Kosmos philosophischer Erkenntnis, der, würde er allein auf der Basis der Erfahrung entworfen, defizitär bliebe.65 Das Gefälle von Offenbarung und Erfahrung ist de facto nicht so einlinig, wie es die prinzipielle Soll-Bestimmung deklariert. Unter der Hand bestimmt die in die Schranken gewiesene Vernunft durchaus die theologische Wahrheit. Die von der Theologie reklamierte Nicht-Disparität gilt ausdrücklich nur für die konkreten Begriffe ‚Deus‘ und ‚Homo‘, die – als Termini connotativi interpretiert – beide für das Suppositum der LogosHypostase supponieren. Die Abstraktbegriffe für die Naturen selbst (deitas, humanitas) wertet nach Biel auch die Theologie bleibend als termini disparati.66 Hier bringt sich das philosophische Urteil auch im Zusammenhang des theologischen Datums ungebrochen zur Geltung, wie es denn im übrigen – verdeckt – auch die theologisch postulierte Erweiterung des Wahren regiert. Indem die christologische Synthese von Gott und Mensch als unio suppositalis gedacht ist, bleibt die natürliche Festlegung der Disparität von Gott und Mensch gerade vorausgesetzt, sie wird theologisch reformuliert und bestimmt die Reich-
homo‘, tamen accipiendo terminos disparatos pro terminis, qui naturaliter sive secundum potentiam naturae non possunt de seinvicem verificari, nec simul nec successive, sic ‚Deus‘ et ‚homo‘ etiam apud catholicos sunt termini disparati, et ita praedicatio illa erit disparata: ‚Deus est homo‘, et sic nec essentialis nec accidentalis, quamvis vera“ (B IEL, ibd. [III, 174,6–11]). 61 „… haec dicere non est logicam pervertere, sed eam ad veritatis normam reducere, ac eius veritatem declarare. Quam si non cognoverunt Peripatetici infideles, Aristoteles scil. cum suis sequacibus, quid mirum si in his sicut in multis aliis erraverunt, in quibus naturalem potentiam, quam experientia docuit, tantum attenderunt, divinam omnipotentiam quae super naturam est, ignorantes“ (B IEL, ibd. dub. 1 [III, 171,35–39]). 62 Vgl. dazu o. C.IV.1.1.1; auch: D.I.6.3.3.2/3; D.IV.1.3. 63 „Verum vocando terminos disparatos terminos non potentes de eodem verificari per quamcumque potentiam, sic ‚Deus‘ et ‚homo‘ sunt termini non disparati ...“ (ibd. dub. 3 [III, 174,12f]). 64 SCHWARZ, 1966, 329. 65 „fides orthodoxa et certissima multas veritates logicales, naturales et metapysicales revelavit, ad quas gentiles philosophi minime pervenerunt ...“ (BIEL, ibd. dub. 1 [III, 171, 40– 42]). 66 „... Sed illa abstracta ‚humanitas‘ ... hoc est natura humana ... sunt termini disparati“ (BIEL, ibd. dub. 3 [III, 174,15f]).
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weite der theologischen Aussage. Die unio suppositalis denkt die Einheit von Gott und Mensch unter Ausschluß einer Realkommunikation von Gottheit und Menschheit, genau diese bleibende Rücksicht auf die philosophische Limitierung schlägt sich nieder in der Wertung der Abstraktbegriffe als auch theologisch unaufhebbarer termini disparati. – Die katholisch-scholastische Klassifizierung der christologischen Sätze als praedicatio disparata kommt so mit der lutherischen Behauptung nur scheinbar überein, sie widerspricht ihr vielmehr im Kern: Sie formuliert die definitive Negation einer realen Gemeinschaft der Naturen selbst, während die lutherischer These die Modalität einer solchen Realkommunikation der Naturen präzisieren soll.
3.5 Der Seitenblick auf die reformierte und römische Alternative zeigt, daß das Spezifikum der lutherischen These in der konsequent durchgehaltenen Klassifizierung der theologischen praedicationes inusitatae als praedicationes disparatorum besteht. Erst mit dem darauf bezogenen dritten Kriterium67: ‚quoad modum praedicandi‘ erreicht Meisners Ausgrenzung der „unüblichen“, „völlig außergewöhnlichen“ Sätze ihren entscheidenden Punkt. Die Naturen bewahren auch in der unio personalis ihre essentielle Disparität, und sie werden im Widerspruch zu dieser bleibenden essentiellen Differenz als solche Disparata voneinander affirmativ prädiziert; und zwar substantivisch direkt, nicht nur paronym (im gebeugten Fall).68 – Meisners vollständige Beschreibung des sprachlogischen Musters der von der Theologie zu verantwortenden ‚unüblichen‘ Sätze lautet dann: „Definimus ergo praedicationem inusitatam proprie dictam, in qua duae αληθως disparatae substantiae [1.] de se inuicem vocabulis substantivis [3.], ob inusitatissimam & arctissimam unitionem [2.], affirmate enunciantur“.69
Der konfessionelle Streit gilt nicht die Feststellung, daß die Naturen von Gott und Mensch als solche wesentlich disparat sind [1.] und daß so deren christologisch gleichwohl behauptete Vereinigung ein schlechthin singuläres Faktum bedeute [2.]. Strittig ist vielmehr, ob unbeschadet dieser Feststellungen aus dem Faktum der Vereinigung nun die okkasionelle, übernatürliche Aufhebung der Disparität gefolgert werden muß, diese Disparität also nur die in dem theologischen Datum gerade überholte natürliche Ausgangslage darstellt (so, bei unterschiedlicher Durchführung, grundsätzlich homophon die reformierte und scholastische Lösung) – oder ob die natürlich gegebene Disparität auch in der christologischen Vereinigung ohne Einschränkung anerkannt und darum die diese Vereinigung prädizierenden Sätze als Verknüpfung von Disparatem zu werten seien – so Meisner als Repräsentant der ‚lutherischen‘ These.
67
MEISNER, Philosphia Sobria, 1611, I, 192; vgl. o. (E.I.) 3.4. „... per modum praedicandi intelligo disparatorum extremorum combinationem vocabulis substantivis facta“ (I, 192). 69 Philosophia Sobria, I, 192. 68
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Diese so präzisierte These einer praedicatio disparatorum sieht sich allerdings eben jenen Einwänden konfrontiert, die Mentzer ihren Tübinger Vertretern entgegenhält:70 Wie verhält sich diese Bestimmung des Modus praedicandi zu dem logischen Axiom (veritas logcia), daß Subjekt und Prädikat eines affirmativen Aussagesatzes im Gegenstand dieses Satzes übereinkommen müssen, also insofern nicht disparat sein können (4.1)? Und: wie verhält sich diese Bestimmung zu dem theologischen Begriff der Personeinheit (veritas theologica), die jene Prädikation doch allererst ermöglicht und in ihr zur Abbildung kommen soll (4.2)? 4. Personeinheit und Naturendifferenz 4.1 Die von Mentzer geltend gemachte veritas logica, d.h. die ‚regula logica de identitate extremorum in affirmativis‘, wie sie die reformierten und jesuitischen Kontrahenten ganz analog einfordern,71 steht als solche auch Meisner außer Frage. Die regulären Aussagesätze, so der Ausgangspunkt seiner Antwort, haben als ihr die Affirmation ermöglichendes Fundament eine wesensmäßig begründete Einheit. Die in ihnen zur Abbildung kommenden Sachverhalte sind, sie seien substantiale oder akzidentelle Verbindungen, ausnahmslos konstituiert als Verknüpfung von essentiell Homogenem: sie sind ‚eines‘ kraft identischen Wesens (unitas essentialis [ενοτης φυσικη]; identitas essentiae [ουσιας]).72 Genau diese Voraussetzung homogenen Wesens aber trifft für die essentiell gegeneinander bleibend disparaten Naturen von Gott und Mensch nicht zu; das hier gesetzte unum kann nicht durch wesentliche Identität konstituiert sein. Die logisch irregulären, dennoch wahren Sätze der Theologie nötigen so – gerade aufgrund der Korrespondenz von res und praedicatio – dazu, eine besondere, zweite Grundlage affirmativer Aussagen anzunehmen: „Duplex enim fundamentum est affirmativarum enunciationum“ (I, 140). Neben die Konstitution von Identität kraft homogenen Wesens, wie sie im Bereich der natürlichen Dinge universal gilt, stellt Meisner eine Identität infolge übernatürlich (extra ordinem) introduzierter Vereinigung: der theologisch prädizierte Sachverhalt meint ‚nur‘ die übernatürliche Verbindung (conjunctio) des essentiell bleibend Disparaten. Die übernatürlich gesetzte res der Theologie bildet zwar ein unum, jedoch keine Einheit im ontologisch präzisen Sinn (unitas; ενοτης); sie ‚ist‘ nur als die im Wesen nicht begründete, vielmehr im Widerspruch zu essentieller Differenz – contra naturam 70
Vgl. o. bei Anm. 29. Vgl. hierzu MEISNER, Philosophia Sobria 1613, II, s. II, c. II, Q. V: Num in praedicatione affirmativa necesse sit, ut pro eodem supponant subiectum & praedicatum? (II, 594–601), hier: 595. 72 Vgl. als Termini: unitas essentiae, unitas essentialis (II, 599); ουσιας identitas, φυ− σικη unitas (I, 140); identitas essentiae, unum essentiale, unitas ουσιας (I, 147). 71
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– vollzogene Vereinigung (unio; ενωσις).73 So notiert das est der christologischen Sätze wohl Wirkliches (res, ens),74 dies aber nur als die Übereinkunft des essentiell Disparaten in der Einheit gemeinsamer Existenz (unitas existentiae aut arctissima extremorum unio).75 Dieser ausschließlich existentiellen Konvenienz zweier essentiell bleibend disparater Substanzen, d.h. ihrer (christologisch: unauflöslich) kontinuierlichen Kopräsenz kommt die gleiche (similiter fit ...!) einheitsstiftende Kraft zu, wie sie im Fall des natürlichen Seienden der essentiellen Identität eignet: die nur existentielle Konvenienz ermöglicht die affirmative Prädikation, die im Wesen des Vereinigten keine Begründung hat, diesem vielmehr bleibend widerspricht.76 Auch in den praedicationes disparatorum bildet die Verknüpfung von Subjekt und Prädikat also die reale Übereinkunft des Prädizierten ab, dies aber als nur existentielle Konvenienz bei bleibender essentieller Disparität. Bewahren die theologisch prädizierten Dinge auch in ihrer übernatürlichen Verbindung ihre essentielle Differenz, dann muß sie die Theologie der Logik als solche disparata übergeben.77 Gerade die konsequente Extrapo73
II, 599; vgl. I, 140(.147). „... verbum est suam nativam significationem retinet & disparata vere copulat“ (I, 140). „Quae enim per verbum υπαρκτικον [est] copulantur, illa unum esse opportet“ (I, 147); „manet ... substantiva significatio copulae“ (II, 599). 75 „verbum est ... disparata vere copulat, ob arctissimam unionem & praesentiam mutuam, quam solam, non ουσιας identitatem denotat“ (I, 140). – „non notatur unitas essentiae, sed tantum unio & praesentia rerum copulatorum“ (II, 598f). – „Fundamentum illarum [praedicationum inusitarum] non est identitas essentiae, sed suppositi, ideoque verbum substantiuum copulans [est], non est accipiendum, tanquam nota ενοτητος essentialis, sed potius, ut index ενωσεως, vel existentialis, si ita loqui liceret, ενοτητος ... nil denotatur aliud, quam duas illas res esse praesentissime unitas, unum suppositum factas, & alteram sine altera nullibi existere, quamdiu ista durat unio [Zusatz im Blick auf die hier thematische unio sacramentalis], vel ad unum suppositum facta conjunctio“ (I, 147). – Meisner unterscheidet hier das duplex fundamentum affirmativer Sätze als Alternative von natürlicher Einheit (φυσικη unitas/ενοτης) und übernatürlicher Vereinigung (υπερφυσικη unio/ενωσισς; I, 140, vgl. 147), letztere elementar als Kopräsenz des Vereinigten verstanden (unio & praesentia rerum copulatorum; II, 599; vgl. I, 140). Dieselbe Alternative kann terminologisch auch als die zwei Species der dann generisch verstandenen unitas entwickelt werden, als Opposition von wesentlich oder existentiell begründeter Einheit (unitas essentialis, unitas existentiae; II, 599); weitere Termini für die ‚existentielle‘ Seite: unitas existentiae (II, 599); identitas suppositi, existentialis ενοτης, unum existentiale, unitas υπαρξεως (I, 147); sachlich parallel: arctissima unio & praesentia mutua; ενωσις als quasi ενοτης existentialis (II, 598; I, 140.147f). 76 Vgl. I, 140.139.138. – „quod affirmativarum [praedicationum] fundamentum sit vel unitas essentialis extremorum ... vel unitas existentiae, aut arctissima extremorum unio, ob quam similiter fit, ut quae per essentiam sunt disparatae & proprie praedicari nequeunt, extra ordinem de se praedicentur invicem“ (II, 599). 77 „Quoniam ergo naturae Christi & in unione, & post unionem [= unitionem] sunt manentque oppositae & disparatae, ideo nullus Theologorum eas dixerit consentaneas. Inter quae enim non est naturalis unitas vel consensio, quae parere queat modum praedicandi regularem & ordinarium, ea pro consentaneis a nemine habentur. Jam vero Theolo74
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lation der instrumentellen Zuordnung von Sachverhalt (ens, res, πραγμα) und Aussage (λογος, praedicatio) führt auf die Klassifizierung der theologischen Sätze als praedicationes disparatorum. Dasselbe logische Axiom fordert auf der anderen Seite die Ausgrenzung dieser Sätze als logisch irregulärer Aussagen (praedicationes inusitatae): Die auf den Bereich natürlichen Seins gegründete Logik kennt bleibend nur das natürliche Fundament affirmativer Prädikationen, die wesentliche Identität (unitas essentialis); sie muß so Subjekts- und Prädikatsbegriff wahrer Sätze als termini consentanei78 unterstellen. Die Theologie dagegen lehrt darüber hinaus für ihre spezifischen res ein übernatürliches Fundament affirmativer Prädikation: die nur in identischer Existenz gegebene unio von wesentlich bleibend Disparatem. Der Logiker akzeptiert die theologischen Sätze als solche, weil deren quaestio facti in der Theologie als der zuständigen Realdisziplin verbindlich entschieden ist, er kann sie indes in das System der Logik nicht mehr regulär, sondern nur gleichsam paradox integrieren: „de inusitatis [praedicationibus] agit Logicus in Logica, ut non Logicis“.79
Meisner nimmt die eingeforderte Normierung der sprachlogischen Klassifizierung durch die theologische Sachfeststellung so gar nicht als Einwand, sondern wendet sie als Argument gegen die Kritiker der Disparitätsthese: „Uti se res habent in Theologia, ita subjiciuntur notionibus in Logica. Atqui Deus & homo in Theologia semper sunt disparata, quoniam naturalis consensio inter ea est nulla. Ergo ita subjiciuntur notionibus Logicis, vel talia manent in Logica. Quare disparata praedicantur, cum homo Deus dicitur“ (I, 198).
Der Obersatz dieses Syllogismus steht außer Streit. Kontrovers ist dagegen die Bestimmung des Verhältnisses der Naturen, die die Minor formuliert. Ihren eigentlichen Kern erreicht die Debatte über die praedicatio disparatorum erst hier, in der Auseinandersetzung um die, mit Mentzer zu reden,80 veritas theologica: die genaue Zuordnung der polaren Bestimmungen von Personeinheit und Naturendifferenz. 4.2 Analog zu Mentzers Argument aus der veritas theologica konvergieren auch die von Meisner rezensierten reformierten und jesuitischen Einwände gegen die These der praedicationes disparatorum81 darin, daß sie die mit der unio gesetzte hypostatische Identität der Naturen gegen deren Wesensdifferenz ausspielen.
gus naturalem unitatem aut cohaesionem inter Deum & hominem non permittit, sed ενωσιν illarum vocat μονοτροπον και εξαιρετον μυστηριον … Igitur Deus & homo Theologo nunquam sunt consentanea, sed semper species, & naturae disparatae, quarum altera assumens & infinita, altera assumta & finita est“ (I, 197f). Bündig: „consensus hypostaticus non tollit disparationem naturarum“ (I, 195). – Vgl. II, 627f. 78 Vgl. dazu o. bei u. mit Anm. 34. 79 I, 198. – Zum damit berührten Konzept einer ‚Logica Spiritus Sancti‘, die – anders als die scholastische Sicht (vgl. o. E.I.3.4.2) – eine Modifikation, nicht die bloße Erweiterung der regulären Logik meint, vgl. SPARN, 1976, 86–91. 80 Vgl. o. bei Anm. 29. 81 Vgl. I, 195–198 und bes. II, 631–637. – Folgende Belegangaben hierauf bezogen.
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Die essentielle Differenz der Naturen wird unter Verweis auf die Identität der Person faktisch zurückgenommen auf eine Binnendifferenzierung, die deren Sein nicht bleibend bestimmt: „Ubi unitas, nec pluralitas, ibi nulla est distinctio“ (II, 631). In der Person Christi sind Gott und Mensch unstreitig identisch (idem) geworden. Die Disparitätsthese, die beide in einem diskreten Gegenüber (opposita) hält, erscheint so als eklatanter Selbstwiderspruch: „Sibiipsi vero idem non opponitur“ (II, 631). Die Trennung – Disparität – kennzeichnet das außerchristologische abständige Verhältnis von Mensch (homo nudus) und Gott; die unio nun vermittelt beide als Deus assumens und homo assumptus und läßt dieses protologische Gegenüber hinter sich (II, 635). Werden die strittigen Sätze (Deus/homo est homo/Deus) durch synecdochische Interpretation des Subjektsterminus zurückgenommen auf Aussagen des Typs: ‚Christus (tota persona) est Deus/homo‘ (Keckermann), kann mit dem Verhältnis von Totum und pars argumentiert werden: Ein Teil (Deus, homo) ist nicht disparat zu seinem Ganzen (Christus), da er nur aufgrund dieses Zusammenhangs existiert; umgekehrt ist das Ganze als die aktuelle Vereinigung seiner Teile gegeben.82
4.2.1 Hinter diesen Einwänden gegen die Disparitätsthese steht eine bestimmte logische Funktionalisierung der Personeinheit: Sie wird hier immer schon als Subjekt der strittigen Sätze unterstellt; mit der Folge, daß dann das Prädikat (Deus, homo) in diesem Subjekt– als species oder pars constituens – bereits enthalten ist und also regulär prädiziert werden kann. Diese sprachlogische Instrumentalisierung impliziert freilich, macht Meisner geltend, als ontologische Voraussetzung, daß die Personeinheit de facto als neue Substanz gedacht wird. Als Synthese zweier vollständiger Substanzen ist sie zwar zugestandenermaßen ein ‚individuum extraordinarium‘ – ontologisch singulär, nur kraft übernatürlicher Setzung existierend. Doch diese ontologische Singularität wird gleichsam auf die Genese beschränkt; einmal konstituiert, ist die Personeinheit nun als Etwas und Eines, als identischer Träger von Eigentümlichkeiten gegeben, von dem regulär prädiziert werden kann.83 – Dieser einlinigen Funktionalisierung der hypostatischen Identität gegenüber verteidigt Meisner die Disparitätsthese, indem er genau gegenläufig von der essentiellen Differenz der Naturen her argumentiert; erst in dieser Perspektive kommt dann die Personeinheit in den Blick. Die Schulphilosophie bestimmt als ‚disparat‘ zwei Species innerhalb eines Genus oder – erst recht – innerhalb verschiedener Genera (proxima), die durch konträre artmäßige Differenzen definiert sind (species oppositae).84 Eine solche Differenz aber muß nun auch
82 Vgl. o. Anm. 58. – Meisner erkennt dieses Argument als solches an und betont darum die Differenz der propositiones personales zu Sätzen mit dem Subjekt ‚Christus‘: hier werden strikt die Naturen voneinander, also ein Teil von dem anderen prädiziert. Die Vereinigung zum Ganzen aber hebt die Disparität zwischen den Teilen nicht auf. – Vgl. SPARN, 1976, 68. 83 Vgl. o. Anm. 55.56.58 (Keckermann). – Vgl. SPARN, 1976, 65–67. 84 „Disparata sunt duae species oppositae“ (I, 195); mit Bezug auf KECKERMANN, Systema Logicae, 1606, lib. I, s. II, cap. VI, 281–298; vgl. v.a.: „... disparatio est oppositio specierum ex vnius generis per oppositas differentias diuisione ortarum. Idcirco disparata
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für ‚Gott(heit)‘ und ‚Mensch(heit)‘ angenommen werden. Deren Verhältnis faßt Meisner ‚radikal‘ – als das Gegenüber von ens finitum und infinitum, Schöpfer und Geschöpf. Im Blick ist mithin die fundamentalste und ontologisch abständigste Differenz innerhalb des Seienden, die nur analog im Genus ‚ens‘ vermittelt ist und sich gegen jede Aufhebung in eine gemeinsame Definition sperrt.85 Bei ihrem Thema ist die Christologie nur, wenn sie die Frage der Synthese von Gott und Mensch so grundsätzlich faßt: „quo modo creator creatura & creatura possit creator esse?“ (I, 198). Die den Species eignende Disparität teilt sich aber ohne Abstriche deren individuellen Verwirklichungen (in singulari) mit; sie gilt so ungemindert auch für den christologischen Kontext (haec humana/diuina natura). Der Transfer der unstrittigen außerchristologischen Disparität von Gott und Mensch in die christologische unio beider wird von Meisner entschieden eingefordert.86 Diese ursprüngliche Disparität nimmt die Personeinheit bleibend in sich auf; das heißt für die sie prädizierenden Sätze: „cum Deus dicitur homo, disparatum de disparato praedicatur“. Sonst wäre die unio personalis implizit als Nivellierung der kategorialen Differenz von Gott und Mensch – als Wesensverwandlung beider gedacht (I, 195). Wird die christologische unio so als Vereinigung des bleibend Disparaten bestimmt, resultiert sie niemals in einer stimmigen Synthese. Die Personeinheit bleibt ohne eigenes Wesen. Ihrer (sprach)logischen Operationalisierung sind damit genaue Grenzen gesetzt. Wohl ist auch nach Meisner die Personeinheit ein Sachverhalt (res, ens), die wirkliche Übereinkunft von Gott und Mensch in einem unum, und nur so ‚Grund‘ und ‚Fundament‘ der affirmativen Prädikation der Naturen. Aber keinesfalls darf sie schon als Subjekt dieser Sätze unterstellt werden, in dem dann das jeweilige Prädikat schon (als Teil oder Species) impliziert wäre: Die Naturen werden zwar wegen ihrer Vereinigung zu einem Suppositum, aber dennoch nur als disparate, nicht als (substantial) Eines prädiziert – non unum, licet propter unum praedicantur.87
Durch die affirmative Verknüpfung der disparaten Termini wird die unio personalis ausgesagt. Über die Feststellung der bloßen Faktizität hinaus sunt species oppositae; vt homo & brutum“ (293f, hier: 293). Meisners präzisierende Erweiterung: „Disparatio est oppositio specierum, quae sub eodem genere vel proximo vel remoto per oppositas differentias dividuntur & opponuntur“ (II, 625). 85 „... Deus & Homo sub ente dividuntur, per differentias oppositas, cum ens in infinitum, quod Deus, & finitum, quo hominem referimus, dividitur. Ergo disparatae sunt“ (II, 625; vgl. I, 195). – Zu Meisners Behandlung der damit berührten Fragen der Analogia entis, der Vermittlung von ens infinitum und finitum sowie auch der Nichtkategorialität des Gottesbegriffs vgl. eingehender SPARN, 1976, 128–134. 139–143. 86 In konziser Formulierung: „Si Deus & homo disparata sunt extra unionem & in natura, certe eadem distinctio & disparatio comitabitur illa in sacrarium mediae unionis. Haec enim differentiam & disparationem non tollit; sed tantum naturas illas, quales in se sunt, contra naturam junxit ...“ (II, 635). 87 „Non ... inficiamur, causam & fundamentum praedicationis esse unitatem personae vel unionem personalem: Interim tamen extrema vel termini pro naturis tantum unitis & personam constituentibus ponuntur in subjecto & praedicato, non autem pro una eademque persona supponunt. ... ob ενωσιν quidem haec [sc. Deus, homo] enunciantur, vere tamen disparata enunciantur. Quare? Quia duo, non unum, licet propter unum, quod constituunt, | praedicantur. ... Quocirca, cum non illud unum, sed unita duo, licet ob unionem in uno affirmentur, οντως disparata praedicari, quis non videt ...“ (II, 632|f). – Vgl. auch o. bei Anm. 47.
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kennzeichnet dieses Sprachmuster die Personeinheit dann zugleich in modaler Hinsicht. Die praedicationes disparatorum „bilden ‚bloß‘ die gegenseitige Teilhabe der Naturen, des Disparaten ab, zeigen also, wie das Konkretum der Person zustande kommt“.88 Der Satz ‚Deus est Homo‘ und seine Inversion ‚protokollieren‘ so die reale Synthese der Naturen von Gott und Mensch im Ereignis der unio personalis. Indem so das est dieser Sätze gegen die Regeln der Logik nicht konveniente Begriffe affirmativ verknüpft, kennzeichnet es die Personeinheit als ‚unerhört neue‘89 Übereinkunft des sonst abständig Geschiedenen, als Konvenienz von Schöpfer und Geschöpf, – bestimmt es aber zugleich diese Einheit beider als ein Einswerden, das nie in einer neuen Substanz zur Ruhe kommt, sondern sich als wechselseitige Teilhabe an bleibend Fremdem vollzieht. Kurz: es prädiziert die unio personalis als Prozeß – als Vollzug von Mitteilung zwischen essentiell Verschiedenem (allein) kraft identischer Existenz.90 88
SPARN, 1976, 67.– Vgl. zu dieser Frage weiter u. E.I.5. Vgl. o. C.II.2.2.1.1 (J. Hoecker); D.I.6.2.3 (M. Schaefer). 90 Mit dieser Deutung der christologischen Sätze als ‚Sprachereignis‘, das mit der Verbindung der Termini den Vorgang der realen Synthese der Signifikate nachzeichnet, arbeitet Meisner und die durch ihn repräsentierte lutherische Christologie in der Sache Einsichten aus, die M. Luther im Abendmahlsstreit gegen eine restriktive Auslegung der praedicatio identica entwickelt und christologisch fruchtbar gemacht hatte. Luther verteidigt dabei sein Verständnis der christologischen (und abendmahlstheologischen) Sätze als Aussagen über die Verknüpfung von Dingen ‚verschiedenen Wesens‘ gegen deren Interpretation durch die scholastische (ockhamistische) Theologie, die sich auf einen Topos der aristotelischen Logik beruft: „Ad propositionem affirmatiuam requiritur extremorum compositio“ (LUTHER, WABr 9 [Nr. 3629, 12.6.1541]; 443,1–445,74, hier: 444,35f; vgl. SCHWARZ, 1966, 339–343.321). Die von dieser Regel ‚des Philosophen‘ geforderte ‚compositio in re‘ erfährt in der scholastischen Logik und deren christologischer Anwendung die Deutung: „hoc est: in affirmativa [propositione] extrema denotantur per copulam supponere pro eodem ...“ (USINGEN, Summa compendaria totius logicae, Basel 1507, tr. 1 §1 [nach SCHWARZ, 1966, 321 Anm. 122]; vgl. LUTHER, ibd., 444,38f; auch B IEL, III, d. 7, q. un., a. 1, not. 4 [ed. W ERBECK/HOFMANN 1979, III, 157,14–20]). Bedingung der Wahrheit eines affirmativen Aussagesatzes ist dann die identische Supposition seiner Extrema: Subjekt und Prädikat stehen (‚supponieren‘) für dasselbe; das durch beide (unterschiedlich) Bezeichnete ist ein Ding, in generischer, spezifischer oder numerischer Hinsicht ‚eines‘ (unum). Dieses logische Identitätsaxiom gilt nicht nur für die Sätze aus dem Zusammenhang natürlichen Seins, sondern wird von den scholastischen Theologen auch für die ‚per communicationem idiomatum‘ interpretierten Aussagen der Christologie eingefordert („si alicuius propositionis affirmativae extrema non supponunt pro eodem, nullo modo, nec per communicationem idiomatum nec simpliciter, est concedenda“; BIEL, ibd. [III, 158,21–23)). Dies führt – etwa bei Biel – zu jener schon an anderer Stelle erläuterten Interpretation der Sätze des Typs ‚Deus est Homo‘: durch konnotative Interpretation mittels limitierender Zusätze wird die Supposition der, genuin genommen, disparaten Begriffe von der Natur auf das göttliche Suppositum der Logosperson gezogen; der christologische Satz wird so zu einer strikten Identitätsaussage (identische Denotation bei nur konnotativer Divergenz; o. D.I.6.3.3.2/3). – Luthers Kritik bestreitet nun den scholastischen 89
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E. Die neue Tübinger Christologie als Zielpunkt schwäbischer Christologie
4.2.2 Den Rekurs auf die bleibende essentielle Differenz von Gott und Mensch vermittelt Meisner mit der zugleich geltenden hypostatischen Vereinigung beider, indem er seine Unterscheidung eines zweifachen Fundaments affirmativer Prädikationen zur Geltung bringt. Neben der im Bereich natürlichen Seins ausnahmslos geltenden Voraussetzung essentieller Identität (unitas essentiae) gibt es, wie notiert, alternativ das Fundament ‚bloßer‘ Verbindung in gemeinsamer Existenz und Gegenwart (unio/identitas existentiae; praesentia mutua).91 – Die bleibende Disparität der Naturen ist auszusagen als Antwort auf die Frage nach deren wesentlicher Verfaßtheit (ratione φυσεως consideratur). Im Blick auf die Daseinsweise (ratione υποστασεως) dagegen besteht eine Konvenienz; diese nur in gemeinsamer Existenz, d.h. kontinuierlich gleichörtlicher Präsenz gegebene Übereinkunft hebt aber nicht die Differenz des Wesens auf, das von zeitlich-örtlicher Veränderung per definitionem unabhängig ist. Und umgekehrt präjudizieren die disparaten Wesensbegriffe nicht negativ die Möglichkeit existentieller Verbindung. Essentielle Disparität und hypostatische Identität der Naturen sind statt der rein antithetischen Zuordnung in einem Verhältnis simultaner Aktualität zu sehen: „quemadmodum ουσιας differentia non tollit υπο− στασεως convenientiam & identitatem: ita nec illam haec abolere potest“. Kurz: „consensus hypostaticus non tollit disparationem naturarum“. 92 Theologen und Logikern schon das philosophische und historische Recht. Die Deutung der ‚extremorum compositio‘ als ‚suppositio pro eodem‘ verfehle eklatant die genuine These des Aristoteles, die Luther seinerseits so erläutert: „das ist, Wenn zwey woert ein Ding deuten oder sprechen sollen, mussen sie zusammen gefugt werden“ (ibd., 444,37f). Der Akt der Verknüpfung (compositio) von Subjekts- und Prädikatsterminus bildet den sprachlichen Ausdruck der Einheit des Satzgegenstandes. Die scholastische Verwechselung dieses sprachlichen Vorgangs (componere, ein Ding deuten) mit einer diesem Sprachakt als Bedingung seiner Möglichkeit schon vorausliegenden Identität (‚müssen ein Ding sein‘) verkehre das von Aristoteles Gemeinte ins Gegenteil. „Die Bedingung für die Wahrheit eines bejahenden Aussagesatzes ist nicht, daß die Begriffe von Subjekt und Prädikat, für sich genommen, dieselbe Sache bezeichnen. Vielmehr wird die Wahrheit dadurch ins Wort gefaßt, daß Subjekt und Prädikat erst in ihrer Zusammenfügung das eine Ding ‚deuten oder sprechen‘, von dem die Rede ist. Man kann die Wahrheit des Satzes nicht mit der Forderung vorausbedingen, daß Subjekt und Prädikat je für sich das Ding begreifen und darum für dasselbe stehen müssen. Erst in dem Zusammenfügen, in der Synthese von Subjekt und Prädikat wird die Wahrheit des ‚Dinges‘ ans Licht gebracht. Der Satz selber, nicht seine einzelnen Worte als Begriffe, sagt seine Wahrheit, indem er ein Ding ‚deutet oder spricht‘“ (SCHWARZ, 1966, 339f). Christologisch appliziert: „Der einfache christologische Satz ‚Homo est Deus‘ muß gleichsam als ein synthetischer Satz betrachtet werden. Trotz der Identität der Person, die Gott und Mensch ist, will Luther die ockhamistische Auffassung von der praedicatio identica fernhalten. Denn die Person ist in ihrer Existenz die Identität der beiden Naturen. Und was sich in der Existenz der Person zusammenfügt, muß entsprechend in den einfachen christologischen Sätzen zusammengesprochen werden“ (SCHWARZ, 1966, 342). 91 Vgl. o. E.I.4.1. 92 I, 195. – Die bleibende Differenz kann hier an den Termini der Identität selbst festgehalten werden: Christus existiert zwar als ‚einer‘ (unus), dies aber nicht in wesentlicher Einheit (unum); er ist ‚derselbe‘ (idem, – in genere masculino [αυτος]), jedoch nicht kraft essentieller Identität (idem, – in genere neutro [αυτο]).
I. Dissoziationen im Vorfeld der kenotischen Kontroverse
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5. Disparitätsthese und Perichorese Meisners sorgfältige Ausarbeitung und nachdrückliche Verteidigung der Disparitätsthese läßt erkennen, daß hier für den Wittenberger ein zentrales Interesse lutherischer Christologie zur Entscheidung steht. 5.1 In negativer Hinsicht widerspricht die Disparitätsthese jedem Versuch, die ‚Einheit‘ der christologischen Person als neu gesetzte ‚Substanz‘ zu fassen. Im Sinne des regulären ontologischen Musters vertritt keine Partei diese Annahme. Meisner identifiziert sie jedoch als faktisches Implikat der konkurrierenden satzlogischen Analysen: zwar sei dort die Person Christi als ein ‚übernatürliches‘, weil aus zwei vollständigen Substanzen konstituiertes ‚Individuum extraordinarium‘ gedacht; einmal ‚extraordinär‘ gesetzt könne sie aber als Identität genommen und als ‚stimmiges‘ Subjekt der christologischen Sätze unterstellt werden, in welchem die loco praedicati ausgesagte Natur immer schon, als (eine) species oder pars constituens, impliziert sei. Die essentielle Disparität der Naturen werde zwar als Ausgangsdatum der christologischen Synthese anerkannt, mit Blick auf die einmal konstituierte Personeinheit dann aber als überholter terminus a quo des übernatürlichen Datums verabschiedet. Mit dieser Aufhebung der natürlichen Disparität der Naturen aber wird die Personeinheit de facto als wesentliche Verwandlung von Gott und Mensch gedacht: In bezeichnender Antithese zum Nestorianismusvorwurf seiner konfessionellen Kontrahenten, dem auf seine Weise auch Mentzer beitritt,93 bescheinigt Meisner den Gegnern der Disparitätsthese eutychianisierende Tendenzen – in der Sache hier auf Luthers Spuren.94 Die Disparität von Gott und Mensch ‚extra unionem‘ „begleitet“ beide auf Dauer auch in der christologischen Vereinigung, da diese ‚nur‘ die Naturen als bleibend sie selbst (quales in se sunt) zum Vollzug gemeinsamer Existenz verbindet.95 Positiv bringt die These einer praedicatio disparatorum zur Geltung, daß der hier prädizierte Sachverhalt – die christologische und nicht anders die sakramentale Einheit – aus einer ‚Veränderung‘ resultiert. Denn die affirmative Verknüpfung disparater Termini impliziert die reale Übereinkunft des Disparaten, damit aber eine Veränderung des Verknüpften relativ zu dem, was es je in wesentlicher Identität für sich ist: Wenn die Verknüpfung des wesentlich Unterschiedenen wahr sein soll, „muß unterstellt werden, daß das ausgesagte Eine durch Veränderung zustande kommt, weil es aus Anderem wird“.96 Hier ansetzende Postulate seiner Kontrahenten werden, in diesem grundsätzlichen Sinn, von Meisner durchaus konzediert: „Nec enim ullo modo fieri potest, ut una res non mutetur, & tamen fiat alia: esset enim ipsa & non ipsa“.97
5.2 Die unstrittig anzunehmende ‚Wirklichkeitsdifferenz‘ darf jedoch nicht als Veränderung des Wesensbestandes gedacht werden. Genau im Dienst 93
Vgl. o. bei Anm. 29. I, 195. – Vgl. SCHWARZ, 1966, 341 Anm. 169; auch o. D.I.7.3.2. 95 II, 635 (vgl. das Zitat o. Anm. 86). 96 SPARN, 1976, 81 (Hervorhebung U.W.). 97 R. Bellarmin; zitiert bei MEISNER, II, 595. – Sakramentstheologisch ist so die „lutherische Position ... daher mit der römischen Transsubstantiationsthese insoweit einig, als nicht bloß von Verstehens-, sondern von Wirklichkeitsdifferenz die Rede ist“ (SPARN, 1976, 81; Hervorhebungen Sp.). Strittig ist allerdings wieder der ontologische Status des Neuen im Verhältnis zum Alten: die lutherische These nimmt hier durchaus ein Simul beider an – und müßte gegen Bellarmin insoweit dann doch ein (simultanes) „esse ipsam & non ipsam“ der theologischen res behaupten. 94
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E. Die neue Tübinger Christologie als Zielpunkt schwäbischer Christologie
dieser Grenzziehung steht die These der affirmativen Verknüpfung bleibend disparater res. Das durch Veränderung gewordene Neue, die Person Christi, besteht nur in bleibender Differenz – contra naturam!98 – zur wesentlichen Identität der Naturen, durch die es konstituiert ist. Die Identität des Neuen ist darum nur dort adäquat gefaßt, wo diese bleibende Differenz seiner Teile als konstitutives Moment jener Einheit festgehalten wird, statt gegen die Einheit ausgespielt zu werden. Die in der affirmativen Prädikation des bleibend Disparaten unterstellte ‚Veränderung‘ meint nicht die wesentliche Umwandlung, sondern nur die Teilhabe des je einen am essentiell fremden Anderen kraft gemeinsamer Existenz. Doch eignet dieser Partizipation dasselbe ontologische Gewicht wie jener wesentlich konstituierten Identität, die in den Fällen regulärer Prädikation unterstellt wird.99 Die Teilhabe der Naturen ist dabei nicht lediglich ein Initialgeschehen am Anfang der Personeinheit, sondern für diese bleibend konstitutiv. Die Partizipation resultiert nie in der Synthese eines neuen substantialen Etwas (unum essentiale), das dann als von diesem Vorgang der Kommunikation ablösbares Produkt (tertium aliquid) den Naturen gegenüberstünde. Sie ist der auf Dauer gestellte Vollzug der Vermittlung der Naturen. Nichts anderes als dieser Prozeß, die „Kommunikation des Disparaten,“100 ‚ist‘ die Personeinheit. Nur so unterstellen sie die irregulären Sätze: „nicht als einen gewordenen und dann ‚fertigen‘ Sachverhalt ..., sondern als werdend seienden Sachverhalt, d.h. als Geschehen“.101 5.3 So ergibt sich: Die Klassifizierung der christologischen Sätze als praedicationes disparatorum läßt sich verstehen als der sprachlogische Reflex des ontologischen Musters der Perichorese. Denn dieses Konzept beschreibt102 das Sein der Person Christi nach der formalen Seite als Simultaneität von Identität und Veränderung, sachlich als Vollzug wechselseitiger Kommunikation der Naturen, die eine reale Teilhabe am Sein der je anderen setzt, ohne die je eigene wesentliche Identität zu verändern. ‚Christus‘ ist damit bestimmt als die Signatur der Geschichte jener Kommunikation von Gott und Mensch, wie sie das biblische Zeugnis vor Augen stellt. 98
Vgl. o. Anm. 86. Vgl. o. E.I.4.1. 100 SPARN, 1976, 70. 101 SPARN, 1976, 67 (Hervorhebung Sp). – Die lutherische Interpretation will so nicht allein die Faktizität der Personeinheit festhalten, sondern zugleich die interkonfessionell eigentlich strittige Modalität dieser Identität als Vollzug von Mitteilung explizieren – die christologischen Sätze dienen „ad exprimendam arctissimam natura[ru]m tum unionem, tum communionem“ (MEISNER, II, 614). Solche Mitteilung ist schlechthin konstitutiv für die Existenz des Eines-Gewordenen; sie folgt dieser Existenz nicht erst nach. Die Unio besteht allein als Aktualität der Mitteilung, ein Sein vor und neben diesem Vollzug der „Kommunikation des Disparaten“ (SPARN, 1976, 70) hat sie nicht. 102 Vgl. o. D.IV.4(.3/4). 99
I. Dissoziationen im Vorfeld der kenotischen Kontroverse
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Mit dem Konzept der Perichorese sucht die lutherische Christologie jenen beiden Anforderungen zu entsprechen, die ihre These einer Realkommunikation zwischen den Naturen stellt. Sie hat die reale ‚Veränderung‘ der Naturen im Vollzug der Personeinheit zu entfalten; und sie muß diese Veränderung von einer Verwandlung des Wesensbestandes abgrenzen. Für die Vermittlung von Identität und Differenz bedient sich Meisner der Unterscheidung zweier Ebenen: die Veränderung vollzieht sich auf der Ebene des existentiellen Ganzen der Person (ratione υποστασεως), die Identität wird der Ebene des Wesens der Naturen (ratione φυσεως ) zugewiesen.103 Doch muß diese Differenz der Ebenen zugleich auch wieder vermittelt werden: die Person Christi ist kein Drittes neben den Naturen, sondern ‚nichts anderes‘ als die geeinten Naturen selbst (ambae naturae unitae), das Ganze der Person keine neue Entität für sich, sondern ‚nur‘ das Zugleich ihrer Teile (partes simul sumtae).104 Die Neuqualifikation stößt den Naturen zwar aufgrund der Vereinigung zum Ganzen der Person zu, aber in diesem Ganzen doch ihnen selbst zu. Die durch das Ganze begründete Veränderung muß darum an dessen Teilen selbst nachgewiesen und die Simultaneität von essentieller Identität je für sich und Neubestimmung aufgrund existentieller Konvenienz ausgewiesen werden: ein- und dasselbe ‚ist‘ zugleich als es selbst und als durch Koexistenz mit Anderem Verändertes. Dieser Aufgabe sucht in formaler Hinsicht das Konzept der konkreten Natur, material die Unterscheidung eines duplex actus der Natur gerecht zu werden; beides fundiert in der christologischen Perichorese der Naturen mit der Folge der Mitteilung der Idiome. Die Veränderung der Identitäten vollzieht sich, so expliziert das Konzept der Perichorese, als wechselseitige Partizipation – Teilhabe und Teilgabe – am je Anderen zu gemeinsamem Besitz und Gebrauch; und dies, ohne daß solche Vermittlung die Wesensbestände negierte, verdoppelte oder vermischte. Die „Kommunikation des Disparaten“105 resultiert nicht in einer Veränderung des Wesens; sie kommt auch nicht in neuer Substantialität zur Ruhe, sondern bleibt Vollzug, Vorgang, Ereignis, – „Prozeß“. Die durch die unio gesetzte Einheit (unum existentiale) der Person Christi ‚ist‘ nichts anderes als dieser perichoretische Prozeß der Kommunikation der essentiell bleibend differenten Naturen. Die Klassifizierung der aus der unio resultierenden praedicationes personales als praedicationes disparatorum formuliert die satzlogische Konsequenz dieser ontologischen Bestimmung der Personeinheit.
Die Korrelation der Disparitätsthese mit dem Konzept der Perichorese macht die Sorgfalt und Entschiedenheit verständlich, die gerade die ‚Neuerer‘ unter den lutherischen Christologen an die Entfaltung dieser sprachlogischen These wenden; hier steht mittelbar jenes zentrale Konzept der Person Christi selbst zur Diskussion, auf das die Weiterentwicklung der lutherischen Christologie im Zeichen der ‚Wiederkehr der Metaphysik‘ zuläuft. Umso größeres Gewicht gewinnt dann aber auch die Kritik, die Mentzer gegen diese These der konfessionellen Kollegen vorbringt. Sie läßt Differenzen auch in jenen Fragen vermuten, die im Zentrum der ontologischen Präzisierung der lutherischen Christologie stehen – dem Verständnis der Personeinheit und der Idiomenkommunikation.
103
Vgl. zu dieser Perspektivendifferenzierung o. (E.I.) 4.2.2. Vgl. o. D.IV.5.1.1/2; vgl. auch D.I.6.3.4; D.II.5.2; D.IV.6.2/3. 105 SPARN, 1976, 70; vgl. o. Anm. 101. 104
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E. Die neue Tübinger Christologie als Zielpunkt schwäbischer Christologie
6. „... neque delector novitate“: Mentzers Verweigerung der ontologischen Präzisierung lutherischer Christologie Ein Blick auf einschlägige Voten Mentzers im fraglichen Zeitraum bestätigt diese Vermutung.106 Die Versuche einer ontologischen Präzisierung der christologischen Konzepte der Idiomenkommunikation und Personeinheit, wie sie in Tübingen, aber auch – z.T. schon früher – außerhalb Schwabens (Gesner, Hutter) vorgetragen werden, bleiben bei dem Gießener ohne positive Resonanz. Im Gegenteil – gegenüber dieser nur als problematische ‚Neuerung‘ wahrgenommenen Alternative macht sich Mentzer zum Anwalt der überlieferten Konzeption. 6.1 So votiert Mentzers doppelteilige Disputation zur Christologie vom Dezember 1605 bzw. Februar 1606 – die erste gründlichere Bearbeitung des Themas nach der Eröffnung des Gießener Lehrbetriebs – entschieden für die konkordistische Trichotomie. 107 Begründet wird diese Systematik mit der Vorgabe der Schrift, die genau drei (hinsichtlich des Prädikats) differierende Gruppen christologischer Aussagen (dicta) kenne, nämlich: Sätze, die ‚von Christus, d.h. dem Sohn Gottes und Marias‘ (1.) die Eigenschaften beider Naturen, (2.) die der angenommenen Menschheit verliehenen göttlichen Majestätseigenschaften oder schließlich (3.) die heilsmittlerischen Akte prädizieren. Je einem der hiernach entworfenen konkordistischen Muster können dann sämtliche Sätze des biblischen Christuszeugnisses ‚rectissime‘ zugewiesen werden;108 genau diese drei Genera – „non plura, non pauciora“ – hat auch die Theologie zu lehren,109 ohne sich in unnötigen ‚subtilitates Philosophicae‘ zu verlieren.110
106
Im Blick sind die anderthalb Jahrzehnte zwischen den grundlegenden Texten der Tübinger Neuorientierung aus der Feder Schaefers und Hafenreffers (o. D.I.6; D.I.3) und der großen Kontroverse 1616. 1619ff. Mentzers Position(en) dokumentieren recht übersichtlich seine Beiträge in den fortlaufenden Sammeleditionen der Gießener Schuldisputationen. Vgl. v.a. die zweiteilige Disputation zur Christologie vom Dezember 1605 bzw. Februar 1606, neu ediert im Band I der Gießener Disputationen (1607, hier im folgenden benutzt; vgl. o. Anm. 22–24), bes. DGT I.2, 74/45–94/53f; I.3, 2/54–103/95. Vgl. weiter auch: (Disputatio IX:) Pia Meditatio Dicti Apostolici, Deus Ecclesiam acquisivit proprio suo sanguine, DGT V.9, hier: 12/205–28/208f; Disputatio XV. De Praesentia Christi Θε− ανθρωπου Apud Creaturas, in regno potentiae, gratiae, & gloriae; DGT V.15, hier: 48/ 519–52/521. 107 Lediglich mit (üblich werdender, o. D.I.3.1/2) Umstellung des 2. und 3. Genus. 108 „Porro in universa Scriptura sacra quicquid per communicationem Idiomatum de Christo, hoc est, Filio Dei & Mariae dicitur, ad harum classium aliquam referri rectissime potest. I. Aut de eo praedicantur naturales pr[o]prietates, & operationes singularium naturarum. II. Aut divina gloria & Majestas, quae in tempore Christo homini donata est. III. Aut αποτελεσματα sive effecta utriusque naturae cum communione agentis in officio Mediatoris“ (DGT I.2; 83/49). 109 (In direkter Fortsetzung der Anm. 108 zitierten These:) „Unde consequitur, tria esse constituentia communicationis genera, non plura, non pauciora“ (DGT I. 2, 84/49). 110 82/49. Wieder ein unkommentierter Seitenhieb – bezogen auf die Tübinger Orientierung am ordo naturalis, die ja den Versuch einer kohärenten systematischen Rekonstruktion der positiven Vorgabe der Schrift darstellt (vgl. o. D.I.3.1/2; D.I. 6.3.1)?
I. Dissoziationen im Vorfeld der kenotischen Kontroverse
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Non plura, non pauciora: Während die zweite Abgrenzung sich lutherisch traditionell gegen die reformierte wie jesuitische Restriktion der Idiomenkommunikation auf das Muster des (nach lutherischer Zählung) 1. Genus richtet, ist die erste Abgrenzung auffällig. Mentzer läßt den Seitenhieb des ‚non plura‘ unkommentiert, er muß aber als Einspruch gegen die Tübinger Einführung eines ‚vierten Genus‘ verstanden werden, die nach Schaefers pointierter Entwicklung (1602) Aufnahme in die 1603 erschienene 3. Auflage der Loci Matthias Hafenreffers, des maßgeblich werdenden Lehrbuchs schwäbischer Theologie, gefunden hatte.111 Die Frontstellung gegen die Tübinger belegt explizit ein vom 27. Februar 1606 datierender Brief Mentzers, der die Übersendung der druckfrischen ‚Disputatio posterior de Jesu Christo‘112 an Philipp Marbach begleitet.113 Mentzer erbittet vom Adressaten ein brüderlich-offenes Urteil über seine damit zum Abschluß gebrachte Darlegung der Christologie – „besonders was die Lehrmeinung der Herren Tübinger Theologen über ein viertes Genus der Idiomenkommunikation anbelangt“!114 Die eigene Wertung bleibt nicht im Unklaren: „Ich habe nämlich versucht, meine Sicht [hierzu] klar vorzutragen und die Lehre meiner Lehrer zu wiederholen, und gefalle mir nicht in Neuerung[en]“.115 Neque delector Novitate – die Distanznahme ist eindeutig: die Tübinger Erweiterung – eine fragwürdige Abkehr von der tradierten Lehrform, welche die Vorgabe des biblischen Zeugnisses mit ‚philosophischen Subtilitäten‘ versetzt.
6.2 Neuralgischer Punkt der konkordistischen Konzeption, als deren entschlossener Verteidiger Mentzer auftritt, ist die Einordnung der ‚theopaschitischen‘ Aussagen; es ist diese Frage, die die Schwaben zur Ausgrenzung einer eigenständigen idiopoietischen Satzklasse – das Kernstück ihrer Revision der FC–Systematik – veranlaßt. In einer 1614 (neu) publizierten Disputation zeigt sich Mentzer von dieser Tübinger ‚Novität‘ doch soweit 111
Vgl. dazu o. D.I.6; D.I.3. Vgl. o. Anm. 106; Anm. (22.)24. 113 Mitgeteilt in: J. FECHT, Supplementum, 1684 (pars 7), 800f. – Th. Mahlmann datiert das von ihm nur in anderem Zusammenhang ausgewertete (u. Anm. 115) Schreiben auf 1605, vermutlich infolge Übersehens einer Versalie (sc. I) im Chronogramm: „Anno: Me rege ChrIste DeVs“ (801; Hervorhebung U.W.) = MDCVI. 114 „Mitto alteram disputationem de Jesu Christo: quam rogo | ut Rev. T. Dignitas ita perlegat, ut judicium suum fraterne aperiat, praesertim quod attinet sententiam Dominorum Tybingensium Theologorum, de quarto genere communicationis idiomatum ...“ (ed. FECHT, 1684, 800|f). 115 „... Conatus enim sum, perspicue meam sententiam proponere, & repetere doctrinam meorum praeceptorum, neque delector novitate“ (ed. FECHT, 1684, 801). Das Etikett ‚novitas‘ korrespondiert J. Keplers Kritik der Tübinger Modifikationen (‚multas novationes‘; o. D.I.6.1.1). – In einem anderen Zusammenhang hat MAHLMANN auf diesen Brief Mentzers Bezug genommen (1993, 1279.1283f; vgl. DERS., 1994, 99). Er zieht dabei das Mentzers Kritik der Tübinger Idiopoiesis abschließende ‚novitate‘ irrtümlich zur folgenden Passage, in der Mentzer nun zum Thema der Omnipräsenz übergeht, und gelangt so zu der Fehlinterpretation, Mentzer habe – 1605! – hier selbst die ‚Neuheit‘ seiner (operativen) Präsenzdefinition ‚positiv‘ markieren wollen. 112
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E. Die neue Tübinger Christologie als Zielpunkt schwäbischer Christologie
beeindruckt, daß er diesen Gegenvorschlag nicht mehr nur en passant abweist, sondern – anonym – immerhin erwähnt,116 nicht zufällig im Zusammenhang der Behandlung der zentralen ‚theopaschitischen‘ Aussage von Ac 20,28; und vielleicht auch nicht zufällig in zeitlicher Nähe zur Debatte über die Tübinger „phrasis“ der Deitas passa.117 Mentzer scheint sich den Schwaben anzunähern, wenn er wie diese in Nachzeichnung des fundierenden Geschehens der unio personalis118 nun auch selbst vier distinkte Arten der Idiomenkommunikation unterscheidet, nämlich: die Idiopoiesis,119 die Metadosis,120 die apotelesmatische κοινωνια ενεργειων121 und abschließend die αντιδοσις.122 Doch erklärt Mentzer diesen Aufriß umgehend zur lediglich didaktisch motivierten Ausdifferenzierung der konkordistischen Vorgabe; ohne Verlust in der Sache könne die schwäbische Quaternität auf die tradierte Trichotomie zurückgeführt werden, indem die dort verselbständigte idiopoietische Klasse dem konkordistischen 1. Genus (die altkirchliche αντιδοσις) subsummiert werde.123 Mit dieser umstandslosen Re-Integration entspricht Mentzer den Lösungen, die bei seinen sächsischen Schülern (B. Meisner, J. Gerhard) zu beobachten waren.124 116
Pia Meditatio, DGT V. 9, 19/206–28/208f; im Zusammenhang des Passus 12/205– 28/208f, in dem Mentzer zur Widerlegung des ‚ipsissimus Nestorianismus‘ der Alloiosisthese, wie sie reformierterseits für Ac 20,28 herangezogen wird, die ‚doctrina de unione hypostatica & communicatione idiomatum‘ (11/205) knapp skizziert. 117 Vgl. o. E.I.2.1. 118 DGT V. 9, 12/205–18/206. 119 „assumendo naturam [humanam], etiam propria illius naturae (excepto peccato) filius Dei sibi appropriavit: Quae vocatur apud veteres ιδιοποιια η οικειωσις“ (19/206–20/ 206f, hier: 19/206); mit Verweis auf De Fide Orthdoxa III, 25.26. 120 „Similiter filius Dei (tanquam εντελεχεια) assumendo naturam humanam in seipsum, extollit & perficit eam, suamque illi communicat potentiam, gloriam & majestatem: quae vocatur υπερυψωσις η μεταδοσις“ (21/207–24/207, hier: 21/207); mit Verweis auf De Fide Orthdoxa III, 15.17 (22/207). 121 Der Gottessohn nahm die natura humana an, „ut perficeret officium redemptionis: promanat igitur hinc κοινωνια ενεργειων, communicatio operationum ...“ (25/207f, hier: 208), mit Verweis auf De Fide Orthdoxa III, 15.19. 122 „Denique cum in una hac Christi persona sit & vera deitas & vera humanitas: proinde de unica illa persona composita praedicantur idiomata utriusque natura, nempe divina propter deitatem, & humana propter humanitatem: quam αντιδοσιν appellat Damascenus ...“ (26/208–27/208, hier: 26/208); mit Verweis auf De Fide Orthdoxa III, 4. 123 „Et quod ad ordinem in generibus communicationis attinet, eum accomodare voluimus ad faciliorem intelligentiam sententiae eorum, qui quatuor genera constituunt: quae | tamen rectissime possunt comprehendi sub tribus illis, quae communiter hactenus tradita fuerunt: nimirum ut ad αντιδοσιν Damasceni ιδιοποιια etiam referatur“ (DGT V. 9, 28/ 208|f; mit Verweis auf De Fide Orthdoxa III, 4) – In der Disputation DGT V. 15 (Anm. 106) wird die Tübinger Korrektur dann wieder kommentarlos übergangen und als lutherische These allein das konkordistische Muster vorgeführt (48/519–52/521). 124 Vgl. o. D.II.2; D.II.3.1; D.II.3.2.
I. Dissoziationen im Vorfeld der kenotischen Kontroverse
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In diesen Dissoanzen in Sachen Idiomenkommunikation manifestiert sich auch der unterschiedliche Begriff der Person Christi selbst, der hinter Mentzers etwa gleichzeitiger Kritik an der (nicht nur) Tübinger These der praedicationes disparatorum steht.125 In dieselbe Richtung deutet weiter jene sich ebenfalls zeitgleich abzeichnende Entwicklung des operativen Präsenzbegriffes, die, 1616 ‚prinzipialisiert‘, den Gießener Fakultätsstreit auslösen wird.126. Bestimmen die Schwaben die Personeinheit als ‚Resultat‘ resp. Vollzug der perichoretischen Kommunikation der Naturen, die in der symmetrischen Mitteilung ihrer Idiome konkret wird, so müssen die genannten Thesen Mentzers die Personeinheit der Naturenkommunion – als dieser vorgängig schon gegeben – gleichsam voraussetzen. Zwar besteht auch nach Mentzer die Person Christi aus Gottheit und Menschheit, ist persona composita aus den je für sich bleibend differenten Naturen. Aber diese Differenz der Naturen ist ‚an sich‘; innerhalb der unio personalis ist sie gleichsam ruhig gestellt: die Personeinheit vollzieht sich nicht allererst als Vermittlung der Naturen, sondern umgreift diese Naturendifferenz. In der Personeinheit ist der Gottessohn das auch postinkarnatorisch dominierende Aktzentrum, das über die instrumentell zugeordnete Menschheit verfügt. Durch die Inkarnation wird die Logosperson um die angenommene Menschheit zur Person Christi ‚erweitert‘, sie geht aber nicht in dieser ‚unter‘. Der ewige Gottessohn ‚bleibt‘ im Ereignis der Inkarnation ‚derselbe‘, ein ‚discrimen inter Filium Dei et Christum‘, wie es die Tübinger intendieren,127 kennt Mentzer insoweit nicht.
6.3 Mentzers Weigerung, der (v.a.) auf schwäbischer Seite vollzogenen ontologischen Präzisierung der lutherischen Christologie über die konkordistische Synthese hinaus zu folgen, führt nicht nur zu einer ‚Wiederholung‘ der tradierten Lehrform. Seine sich selbst als treue Wahrung des reinen Erbes interpretierende128 Position gelangt vielmehr, wie schon an früherer Stelle zu notieren war, de facto zu einer alternativen Weiterentwicklung, die hinter die konkordistische Synthese zurückgeht und dabei Elemente aus dem Frühstadium lutherischer Christologie aufgreift und revitalisiert. Konträr zu der in Schwaben und (partiell in) Sachsen erkennbaren Tendenz hin auf eine ontologische Neuorientierung kommt es bei Mentzer zu einer ‚Remelanchthonisierung‘; zentrale Thesen lutherischer Christologie erfahren wieder eine voluntaristisch ansetzende Begründung: Christus quicquid vult potest.129 – In den seit 1607 zu beobachtenden Debatten zwischen Mentzer und den älteren Tübingern, v.a. Hafenreffer, erfährt die fundamentale Differenz der Tendenzen eine erste, noch moderate Bearbeitung. Definitiv und in sachlicher wie polemischer Schärfe wird sie dann ausgetragen im kenotischen Streit, – in, wie jetzt darzulegen ist, Konfrontation mit einer ihrerseits nochmals weiterentwickelten Tübinger Position, welche die schon ältere erste Revision zum Abschluß bringt, indem sie deren Lücken und Inkonsistenzen nun definitiv zu klären vermag. 125
Vgl. o. E.I. 2.1/2. Vgl. o. B.III.2.2/3. 127 Vgl. o. D.IV.2.2.1 (M. Schaefer); zu den späteren Tübingern: C.III.2(.4–6). 128 „... repetere doctrinam meorum praeceptorum“; vgl. o. bei u. mit Anm. 115. 129 Vgl. o. B.III.3; B.V.4(.3). 126
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E. Die neue Tübinger Christologie als Zielpunkt schwäbischer Christologie
II. Die Debatte über die Idiomenkommunikation im Kenosis-Streit II. Die Debatte über die Idiomenkommunikation im Kenosis-Streit
Wesentliche Momente der Christologie Mentzers lassen sich so verstehen als Versuch, gegenüber der ontologischen Präzisierung lutherischer Christologie, wie sie seit der Jahrhundertwende auch über Württemberg hinaus greifbar wird, eine alternative fundamentalchristologische Option zu behaupten. Was Mentzer 1619ff in der direkten Konfrontation mit den neuen Tübingern vorbringen wird, ruht auf jenen Abgrenzungen und Alternativen, die der Gießener bereits 15 Jahre zuvor auch in Reaktion auf jene bereits älteren schwäbischen ‚novationes‘ entwickelt. Demgegenüber dürfte die dann noch einmal neue Tübinger Christologie von 1619ff in einem genau konträren, positiven Verhältnis zu den Fortschreibungen der ihr vorangehenden Generation stehen. Diese durch einzelne frühere Beobachtungen gestützte Annahme soll jetzt noch einmal genauer geprüft werden. Die Nachfrage setzt an beim Umgang der neuen Tübinger mit dem zentralen Thema jener älteren Progression schwäbischer Christologie, der Frage der Idiomenkommunikation. 1. Theodor Thumm, De Majestate Christi 1620(/21) Th. Thumm, auf den sich die Darstellung der Tübinger Seite konzentrieren kann, hat das bereits in der Inauguraldisputation (1618) skizzierte130 Thema der communicatio Idiomatum zweimal ausführlich und in schulmäßiger Vollständigkeit bearbeitet: beide Gesamtdarstellungen des christologischen Locus aus seiner Feder, die Majestas (1620–22) und ebenso die Repetitio (1624), enthalten eine eingehende Analyse dieses Teiltraktats.131 Zwischen diesen Eckpunkten liegt – neben den wieder knappen Festlegungen der Assertio (1621)132 – das Votum der Ταπεινωσιγραφια (1623) zum 1. genus (praedicatio de tota persona);133 Thumm reagiert hier, wie dann abschließend mit der Repetitio, auf einen zwischenzeitlich vorgelegten Gegenentwurf J. Feurborns. 134 Erst die Texte von 1621, 1623 und 1624 attackieren offen die Gießener Position. Die Bearbeitung in der Majestas ist demgegenüber noch frei von expliziter Polemik, so sehr sie in der Sache bereits im Horizont der Auseinandersetzung mit Mentzer und Feurborn steht. Wichtiger als dieser Wechsel im Ton ist eine inhaltliche Entwicklung. Erst mit dem letzten Entwurf, der Repetitio, gelingt Thumm eine konsequente und konsistente Formulierung der eigenen These, die Unklarheiten der früheren Anläufe verabschiedet. – Die folgenden Analysen werden diese Progression und deren Motive detaillierter nachzeichnen. 130
Disputatio, (4.5. Sept.) 1618, 79/53–86/60 (fehlerhafte Paginierung, lege: 86/56). Majestas, 89–292 (Dez. 1620–Sept. 1621 [1620d, 1620e, 1621a, 1621c]; die hier besonders interessierenden Darlegungen zum 1. genus [89/93–117] datieren vom Dezember 1620 [1620e]); Repetitio, 1624, 17–206. 352–544 (Okt. 1624). 132 Assertio, 1621b, 29–35 (11.12. Mai 1621). 133 Ταπεινωσιγραφια, 1623, (Theor. XV) 863–895. 134 FEURBORN, Σκιαγραφια, 1621, Diss. V. (1/109–154/6 [Sommer 1621]). 131
II. Die Debatte über die Idiomenkommunikation im Kenosis-Streit
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1.1 Mit seinem ab Dezember 1620 vorgetragenen ersten Entwurf135 stellt sich Thumm, ohne daß die Namen der Gewährsmänner fallen, in die Tradition der heimatlichen Fakultät. Für die Disposition und auch in entscheidenden materialen Bestimmungen orientieren sich die Darlegungen vor allem am normativ werdenden dogmatischen Schulbuch der Tübinger Theologie, Hafenreffers Loci in der Neufassung der 3. Auflage (1603).136 Daneben werden, z.T. in wörtlichem Zitat, Elemente aus M. Schaefer einschlägiger Disputation von 1602/1607 aufgenommen.137 Thumm unterscheidet, im Rekurs auf den ordo Naturae, vier Genera der Idiomenkommunikation: 1. Die Attribution der Idiome beider Naturen an die ganze Person (Συναμφο− τερισμος/εκατερωσις); 2. die Prädikation menschlicher Idiome vom Gottessohn ( Ιδιοποι− ησις); 3. die Prädikation göttlicher Idiome von der Menschheit ( υπερυψωσις); abschließend 4. die Prädikation apotelesmatischer Tätigkeiten von der ganzen Person nach beiden Naturen (κοινοποιια).138 In bekannter Weise erfolgt der Ausgleich mit der nur drei Genera lehrenden Konkordienformel, der sich „die meisten Orthodoxen“ (90) anschließen: In der Sache bestehe völlige Homophonie, die FC fasse nur die in Tübingen separierte Idiopoiesis zusammen mit der sachlich unterschiedenen Hekaterosis dispositionell in ein gemeinsames Genus. Die aus der Lösung dieses Verbundes resultierende Tübinger Vierzahl habe den Vorteil einer schärferen Profilierung der lutherischen These gegenüber der jesuitischen oder calvinistischen Alternative (90).139 Die so als lediglich methodische Frage gewertete innerlutherische Alternative findet – Ende 1620! – nur am Rande Thumms Interesse. Das zentrale Contra gilt der Abgrenzung gegen die scholastische Restriktion der Idiomenkommunikation auf nur ein einziges Genus: „quando personae attribuitur, quod est alterutrius naturae proprium“ (90). Die lutherische Partei verwirft dieses Genus, wenn „in sano & orthodoxo sensu“ interpretiert, nicht grundsätzlich,140 wertet es jedoch als nur ein (erstes) Genus, das notwendig der ‚Ergänzung‘ durch die ‚anderen‘ Genera (sc. 2–4) bedarf. Erst dieser Verbund erschöpft den Umfang des biblischen Zeugnisses (90). Dieses kennt zum einen Aussagen über beide (utraque) Naturen, zum anderen solche über nur eine (alterutra) der vereinigten Naturen. Im Prädikat kongruente Sätze dieser beiden Klassen bringen zwar keinen verschiedenen
135 Der entsprechende Abschnitt der Majestas (89–292) stellt die erste vollständige Bearbeitung des Themas durch ein Mitglied der ‚neuen‘ Tübinger Fakultät dar. Osianders Disputation vom August 1619 (o. C.II.3.1) beschränkt sich auf die ‚communicatio divinorum Attributorum‘. – Zu Thumms Disputation von 1618 vgl. Anm. 138. 139. 136 Vgl. o. D.I.3. 137 Vgl. o. D.I.6. – Vgl. z.B. die Übereinstimmung im Blick auf die species limitationis: Majestas, 107f mit SCHAEFER, 1602b, 29 vff (o. D.I.6.3.3.5). Wie die Zählung des 1./ 4. genus belegt, benutzt Thumm die hier variierte Neuedition in Schaefers Ακροπολις von 1607 (o. [D.] Anm. 168; D.I.6.3.1) 138 Majestas (folgende Belege hierauf bezogen), 89f. Die Einzelerläuterungen: 93–117 (1. Genus); 117–148 (2. Genus); 149–272 (3. Genus); 272–292 (4. Genus). Dieselbe Disposition bereits in der Inauguraldisputation von 1618: 1. εκατερωσις (83/58f); 2 Idiopoiesis (84/59f); 3. υπερυψωσις (85/60); 4. Apotelesmatisches Genus (86/60). 139 Vgl. entsprechend auch Disputatio, 1618, 82/58. 140 Vgl. analog das o. zu Gesner und Hutter Notierte ([D.] Anm. 492).
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E. Die neue Tübinger Christologie als Zielpunkt schwäbischer Christologie
Sachverhalt zur Sprache; sie sind realiter identisch.141 Eben darum richtet sich das lutherische Interesse auf die Prädikationen de alterutra natura, sie legen den Sinn der zwischen den Konfessionen formell unstrittigen Sätze über die ganze Person aus beiden Naturen erst eindeutig fest. Hingegen erläutern die Kontrahenten gegenläufig die Aussagen über eine Natur nach dem Muster der – synecdochisch interpretierten – Prädikationen de tota persona. Die genaue Beachtung der ‚subjectorum diversitas‘ (90; concretum: personae, naturae divinae, naturae humanae) in den biblischen Prädikationen göttlicher und menschlicher Idiome (i.e.S.) ergibt so drei distinkte Satzklassen. Die damit konstituierten Genera werden durch die Prädikation der apotelesmatischen Akte um das 4. Genus der Koinopoiesis ergänzt.
Neben diese sprachlogisch orientierte Deduktion aus der Vielfalt der Subjekte und Prädikate christologischer Schriftaussagen tritt ein zweites Argument, das dieselbe Differenzierung im Ausgang vom Sachvollzug (ordo naturae) der Vereinigung der Naturen entwickelt (91–93). Die christologische unio verbindet zwei essentiell bleibend distinkte Naturen in einem Suppositum. Kraft dieser identischen Personierung142 kommt es, in der Weise vorbehaltloser Perichorese, zu einem symmetrischen Wechsel der Eigentümlichkeiten beider Naturen (Idiomatum alternatio): die im ersten Genus entfaltete εκατερωσις. Als wechselseitiges Geschehen (alternata Idiomatum Communicatio; 92) umfaßt diese Mitteilung zwei gegenläufige Bewegungen, die je in einem eigenständigen Genus formuliert werden: die Aneignung der menschlichen Idiome durch den Gottessohn (2. genus der Idiopoiesis)143 einerseits, andererseits die Mitteilung göttlicher Proprietäten an die menschliche Natur (3. genus der υπερυψωσις) (92). Der finis incarnationis, die Versöhnung des unendlichen Zorns Gottes im Tod des Gottessohnes, erfordert eine Kommunikation der eigentümlichen Tätigkeiten beider Naturen in der Durchführung des einen Erlösungswerkes (4. genus der αποτελεσματων κοινωνια, auch: κοινοποιια, κοινοποιησις) (92f).
1.2 Unbeschadet gewisser Eigenakzente reproduzieren Thumms Aufstellungen die Tübinger Neufassung des Lehrstücks im ersten Dezennium des neuen Jahrhunderts (Hafenreffer, Schaefer, Hoecker). Als das systematische Problem all dieser Vorlagen erwies sich die nicht zureichend geklärte Zuordnung der im ersten Genus ausgesagten Mitteilung der Idiome beider Naturen an die Person zu der Kommunikation zwischen den Naturen, wie sie die folgenden Genera sukzessiv entwickeln.144 Wie stellt sich diese Frage bei Thumm dar? Die Bestimmungen zum 1. genus (93–117) entwickelt Thumm als Entfaltung des summarisch vorangestellten Theorems: 141
„... in schola orthodoxa non differant realiter“ (90). „... propter Identitatem personae“ (91). 143 Dem energetischen Gefälle der Naturen Rechnung tragend differenziert Thumm die Modalität der sachlich symmetrischen Kommunikation als ‚Aneignung‘ und ‚Kommunikation‘ (i.e.S.): „humana ... natura nihil possit communicare vel dare, cum assumentis sit dare, assumpti accipere“ (92). Der Logos ‚empfängt‘ so nicht passiv die menschlichen Eigentümlichkeiten, sondern ‚appropriiert‘ sich diese aktiv. 144 Vgl. o. D.I.3.2.3.2; D.6.3.4(.3). 142
II. Die Debatte über die Idiomenkommunikation im Kenosis-Streit
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„Primum genus est, quando utriusque naturae idiomata propter personae Identitatem toti personae in concret[o], alterius [naturae] respectu per naturam, alterius per veram & realem communicationem attribuuntur“ (93).
Die Erläuterung der Attribution der Idiome an die ganze Person in concreto als nur modal differenzierte (per naturam/per communicationem) Betroffenheit beider Naturen nimmt die schwäbische Umprägung der konkordistischen Vorgabe (so zuerst die 3. Auflage der Loci Hafenreffers 1603)145 auf – letztere kennt eine Betroffenheit wohl der ganzen Person, näherhin aber nur nach je einer (alterutra) Natur. Thumms Versuch, diese Differenz zu vermitteln, zeigt dieselbe Künstlichkeit, die auch den Vorgängern zu attestieren war. Und er trägt zugleich spannungsvolle Elemente in die eigene These ein. Im Sinne essentieller Identität (per naturam) kommt das de tota persona prädizierte Idiom nur je einer Natur als seinem wesentlichen Träger zu. Die parallele Betroffenheit der je anderen, essentiell disparaten Natur hat ein anderes Fundament: per veram & realem communicationem. Der Bezug aller der ganzen Person attribuierten Idiome auf beide Naturen ist grundlegend gefordert durch den ‚reduktiven‘ Begriff der christologischen Person: „tota Persona Christi est nihil aliud quam ambae naturae unitae“.146 Doch um welchen Vorgang handelt es sich bei dieser emphatisch als ‚real‘ klassifizierten Kommunikation des 1. Genus, die Thumm, wie seine Vorgänger, unter dem Terminus der Hekaterosis faßt? An diesem Punkt sind die Verhältnisse weiterhin nicht zureichend geklärt. In anonymer Aufnahme eines von M. Chemnitz vorgetragenen Rasters klassifiziert Thumm sieben Species der im 1. genus möglichen Sätze.147 Zu diesen zählen auch die Fälle: „cum Idiomata humanae naturae praedicantur de toto concreto, vel persona, a natura divina denominata“;148 und: „Cum Idiomata divinae naturae tribuuntur personae, ab humana natura denominatae“.149 Doch die hier subsummierten Belege werden dann später noch einmal angeführt – nun als Exempel für die Idiopoiesis bzw. communicatio Majestatis, – mithin als Sätze, deren Subjektstermini im Widerspruch zu jener früheren Zuordnung nicht für die ganze Person, sondern lediglich für je nur eine der Naturen supponieren.
Für dieses auffällige, unkommentierte Nebeneinander mag jener ‚Kanon‘ gelten, mit dem Thumm für einen analogen Fall der Doppelung den irritierten Leser beruhigen will: „Vna aliqua propositio diverso respectu ad diversa Communicationis genera refertur“ (97). Diese Regel legitimiert ausdrücklich eine Überschneidung der Genera. Unexpliziert bleiben aber das zugrundeliegende Sachverhältnis der Kommunikationsvollzüge und damit auch die Kriterien, die diese Zuweisung ‚diverso respectu‘ steuern. 145
Vgl. o. D.I.3.2.3.2; vgl. auch D.I.7.2.2/3; D.I.7.3.1. Dieser Kanon wird wiederholt eingeschärft: 107.112.112f.114f. 147 95–97 (vgl. M. CHEMNITZ, De duabus Naturis, 1580, cap. XIII). 148 96, belegt durch: 1Kor 2,8; Ac 20,28; Gal 2,20; 1Joh 1,1. 149 95f, e.g.: Joh 3,13, 1Kor 15,47. 146
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1.3 Thumms eigentümliche, aber nicht zu klarer Bestimmtheit entwikkelte Abschwächung der Grenzen zwischen den Genera widerspricht seiner Vorlage diametral. Chemnitz’ Klassifizierung der christologischen Aussagen ist strikt alternativ entworfen. Aussagen, deren Prädikat – als apotelesmatisches oder via communicatio Majestatis – der Person nach beiden Naturen zukommt, finden ihren Platz im 2. bzw. 3. Genus. Im Gegensatz dazu sammelt das 1. Genus in allen seinen Species genau die und nur die Sätze, deren Prädikat der Person allein nach einer Natur zukommt. 1.3.1 Dieser schon den ersten Entwurf Chemnitzens von 1561150 charakterisierende Ansatz bestimmt uneingeschränkt auch die Systematik seines christologischen Opus magnum. 151 Darüber unterrichten eigens die Erwägungen zur Methodik, die hier der Analyse der einzelnen Genera vorangehen.152 Die Trichotomie der Genera wird einerseits pragmatisch begründet. Grundsätzlich könnte die Lehre der Idiomenkommunikation in einer zusammenhängenden Definition erfaßt werden.153 Die Unterscheidung verschiedener Gradus oder Genera dient insofern der Klarheit der Darstellung und der polemischen Abgrenzung dieses komplexen Themas (159). Doch hat die zunächst pragmatisch-pädagogisch motivierte Aufspaltung 154 zugleich Anhalt an der Sache selbst.155 Denn jedes Genus besitzt sein Proprium, 156 das es von den je anderen eindeutig abgrenzt.157 Das 1. Genus behandelt die Prädikation des Idiomes einer Natur von der ganzen Person in concreto, der dieses Idiom aber ausschließlich nach dieser einen Natur, nicht jedoch nach beiden Naturen zukommt (161). Genau anders das 2. Genus, das die Prädikation der heilsmittlerischen Tätigkeiten zum Inhalt hat; diese kommen zwar ebenfalls der ganzen Person zu, dies aber näherhin nach beiden Naturen.158 Über diese zwei Genera hinaus159 ist dann ein
150
Repetitio (/Tractatus), 1561. Vgl. o. [D.] Anm. 105. De Duabus Naturis in Christo (1570), erweitert 1578 (=1580; hiernach im folgenden die Belege); vgl. o. [D.] Anm. 105. 152 Caput XII. De ijs, quae ex Hypostatica duarum naturarum in una persona Christi unione oriuntur, & eam consequuntur, in quos gradus seu in quae generalia capita ea possint distribui: Et quibus appellationibus gradus illi seu genera possint natari & distingui (153ff, hier:153). 153 „... potest quidem simul vna continua explicatione comprehendi“ (158f), „absque confusione vna oratione explicare“ (159). 154 „... [methodus] quae simplicioribus & ad docendum & discendum accomodata est“ (159). 155 „adhibita aliqua, quam res ipsa monstrat & praebet, distinctione ... Ipsas enim gradus distinctos esse, & discriminis aliquid habere, res ipsa manifeste ostendit“ (159); „Nec vero ex privatis nostris speculationibus gradus illos ... excogitamus, sed res ipsa in hac parte doctrinae ... monstrat & praebet illam distinctionem seu distributionem graduum“ (159); „ex re ipsa ostendimus“ (160). 156 discriminis aliquid (159), peculiare aliquid ... distinctum (160). 157 Vgl. die expliziten Stellungnahmen 162f (zur Differenz von 1. und 2. Genus) sowie 164f (zur Differenz des 3. gegenüber 1. und 2. Genus). 158 „differe a primo“: im 1. Genus prädizierte Idiome „tribuuntur personae, sed secundum vnam illam naturam, cuius sunt propria“, dagegen gilt für das 2. Genus: „quae in hoc genere personae tribuuntur, conueniunt ipsi, non secundum vnam tantum, sed secundum vtramque naturam“ (162). 151
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drittes Genus anzunehmen – und erst hier kommt für Chemnitz eine die Naturen selbst betreffende Mitteilung in Blick. Diese Kommunikation ist wegen der Unveränderlichkeit der Gottheit nicht wechselseitig, sie ereignet sich nur asymmetrisch als Mitteilung der göttlichen Idiome an die Menschheit. Gerade wegen dieser Betroffenheit der (menschlichen) Natur selbst ist die Verortung dieser Kommunikation in einem eigenen Genus neben den ersten beiden sachlich erfordert: „de illis agimus, quae non personae tantum[!], sed ipsi assumptae naturae communicata sunt realiter“ (164). Diese Unterscheidung von Person oder Natur als Empfänger der Mitteilung besitzt für Chemnitz deswegen entscheidendes Gewicht, weil er sie als Unterschied im Realitätsstatus faßt. Wären die im dritten Genus gesammelten Aussagen nach der Maßgabe des ersten Genus zu erläutern – „dann wäre der menschlichen Natur in Christus selbst überhaupt keine wirkliche[!] Mitteilung widerfahren“!160
1.3.2 Indem Thumm die Verortung eines christologischen Satzes in verschiedenen Genera legitimiert, unterläuft er deren von Chemnitz bewußt scharf gezogene Abgrenzung. Eine mit der Zuweisung an ein Genus gesetzte Differenz im Realitätsanspruch kennt Thumm nicht; ihm bedeutet die wechselnde Zuordnung eines Satzes nicht mehr als: perspektivisch veränderte Wahrnehmung bei identischem Realitätsanspruch. Auch die in dem 1. Genus rubrizierte Mitteilung ‚an die Person‘ muß eine reale Mitteilung zwischen den Naturen einschließen, nur dann kommt das prädizierte Idiom nicht allein seinem essentiellen Träger, sondern ‚per communicationem realem‘ auch der je anderen Natur zu – und erst so der ‚ganzen Person‘. Noch einmal aber stellt sich dann die Frage: Welches Geschehen bezeichnet diese dem 1. Genus zugeordnete Realkommunikation, die Hekaterosis, in der Sache, neben Idiopoiesis und Hyperypsosis? An diesem entscheidenden Punkt bleiben auch in Thumms Text von 1620 dieselben Unklarheiten, die für die älteren schwäbischen Voten kennzeichnend waren. 2. Confusio generum? – Th. Thumm, Assertio 1621 Thumm erster Anlauf gerät auf den Prüfstand, als gegen Ende des nichtöffentlichen Briefwechsels mit Mentzer (1619–21)161 die Frage der Idiomenkommunikation zum Gegenstand der Auseinandersetzung avanciert. 2.1 Ausgangspunkt ist die Debatte über Joh 5,16ff, hier bes. die Selbstaussage Christi in v.17: „Pater meus usque huc operatur, & ego operor“. Dieses dictum wirft Thumms umfangreiches Schreiben vom 22.11.1620162 in die Debatte, als Schriftbeweis für die Tübinger These: „λογον in carne & cum carne a puncto conceptionis occulte omnia in mundo 159
„... aliud [genus] adhuc esse“ (163). „Si enim caro Christi ex unione non aliter esset viuifica in tertio hoc gradu quam sicut in primo gradu Filius Mariae dicitur ex Patre ante secula genitus, & Filius Dei in tempore ex Mariae natus[!], tunc ipsi humanae naturae in Christo nulla realis accessisset communicatio ...“ (164). 161 Vgl. o. C.I.2.1. 162 Acta Mentzeriana, 1625, 93–127. Folgende Belegangaben hierauf bezogen. 160
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gubernare“.163 Zwei Dinge sieht Thumm hier ‚authoritate Scripturae‘ (120) belegt: (1.) die uneingeschränkte Tätigkeit auch des Entäußerten nicht nur in der Wirkung der Wundertat, die der Text zuvor berichtet (particularis actio sanationis paralytici; 120), sondern auch als Teilhabe am allgemeinen Weltregiment (universalis gubernatio & operatio); und (2.) beides unter Einschluß auch der menschlichen Natur Christi;164 sonst wäre mit den Tätigkeiten auch die Person selbst getrennt: „divisis operationibus ipsa persona dividitur“.165 Dieses systematische Argument bleibt jedoch eher unbetont, die über die Konkordie vermittelte Entlehnung bei Luther166 wird nicht eigens namhaft gemacht. Die Beweislast für den Einbezug auch der Menschheit tragen exegetische Argumente (121f). Mentzers Antwort vom 6.2.1621, mit der der Briefwechsel überhaupt sein Ende findet, greift dagegen in der Replik zu Joh 5,17 (146f) gezielt das mit Thumms Lutherzitat gestellte systematische Problem auf. Luthers Regel: „Ubi opera separantur, ibi etiam personam dividi necesse est“ bejaht Mentzer selbstredend (146f), bestreitet jedoch den von Thumm daraus gefolgerten Bezug jeder Handlung auf notwendig beide Naturen. Gewiß gilt: „actiones & passiones sunt personae“ (147), doch werden damit – „Aliud est distinguere, aliud separare“ (147) – nicht alle Binnendifferenzierungen hinfällig. Mentzer ‚erinnert‘ an die von „Luther selbst“ hinzugefügte Erläuterung der Regel: „ipse D. Lutherus postea haec verba subiicit: Persona est, quae omnia agit & patitur: Hoc quidem secundum hanc naturam; Illud vero secundum alteram naturam“.167 Thumms konträre Deutung – ein kapitaler dogmatischer Schnitzer, der die Genera der Idiomenkommunikation nicht sachgerecht auseinanderhält: „Erroris occasio nata est ex confusione generum communicationis idiomatum“ (147)! Zwar will auch Mentzer – noch einmal Luther zitierend, das privatissimum für den jungen Kollegen nimmt seinen Fortgang – von einer kontinuierlichen Teilhabe auch des ‚Jungfrauensohns‘ am Weltregiment, ja selbst an der Schöpfung reden, dies aber allein „wegen der Identität der Person, im ersten Genus der Idiomenkommunikation“. Keinesfalls dürfen solche Aussagen dem 2. oder 3. Genus, die eine Betroffenheit der menschlichen Natur selbst aussagen, zugeschlagen werden.168
2.2 Mit diesem Rekurs auf das 1. Genus der Idiomenkommunikation hat Mentzer die zwischen Tübingen und Gießen strittige Frage mit einem zentralen Topos des Traktats ‚De Persona Christi‘ verknüpft. Thumm hat den von Mentzer en passant hingeworfenen Fehdehandschuh aufgegriffen. Bereits seine erste explizit auf den neuen Konflikt bezogene Druckschrift, die wenige Wochen nach Erhalt des letzten Mentzerbriefs publizierte Assertio vom Mai 1621,169 stellt sich dem systematischen Argument. Thumm wie163
Acta Mentzeriana, 1625, 120–122, hier: 120. Vgl. o. C.II.3.2.3.5 (Lc. Osiander). „Christum ... in carne & cum carne ... omnia ... occulte licet peregisse“ (120f). 165 121; vgl. 120: „ne (propter omnipotentiae unitatem & identitatem, quam λογος per naturam, caro per assumptionis & unionis habet gratiam) divisis actionibus divideretur persona ...“. 166 FC SD VIII 43 (BSLK 1030, 22–24/29–31); LUTHER, Vom Abendmahl Christi. Bekenntnis (1528); StA 4, 86,5f (WA 26, 324). 167 Acta Mentzeriana, 1625, 127–149, hier: 147. 168 „Idem D. Lutherus: Filius ille virginis, inquit, omnia creavit, & conservat. Optime! propter Identitatem personae in primo Genere communicationis idiomatum. Sed non debet, aut potest trahi ad genus secundum vel tertium, in eo sensu, quem intendit D. Lutherus ...“ (147). 169 Assertio, 1621, die folgenden Belegangaben hierauf bezogen. 164
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derholt breit die biblische Begründung der Tübinger These des allgegenwärtigen Weltregiments auch der entäußerten Menschheit (Joh 5,16ff), enthält dem Leser dann aber den Einwand Mentzers nicht vor: „einige“ (27) widersprechen der vorgetragenen Deutung des εγω von Joh 5,17 auf beide Naturen Christi (18), und sie sehen sich dabei gedeckt durch das 1. Genus der Idiomenkommunikation, „in dem zwar wahrhaft und wirklich etwas der Person Christi beigelegt werde, aber nicht nach jeder der beiden Naturen, sondern allein nach einer der beiden Naturen, wie an dieser Stelle [Joh 5,17] die Weltregierung gemäß der Gottheit“.170 Thumms Contra appliziert die Festlegungen, die 5 Monate zuvor die Majestas vorgetragen hatte. Die dem 1. Genus zugewiesenen praedicationes de tota persona sind, bei allerdings modaler Differenzierung, als beide Naturen betreffende Aussagen zu verstehen, aufgrund der auch hier statthabenden ‚Kommunikation‘ (30–32). Mentzers Vorwurf einer confusio generum wird so gar nicht als Einwand genommen, sondern offensiv rezipiert: ein- und dieselbe Aussage kann zugleich mehreren Genera der Idiomenkommunikation zugeordnet werden, auch dies ein aus der Majestas bekannter Kanon.171 So fällt der strittige Satz von Joh 5,17 unter das erste Genus, insofern hier die göttliche Weltregierung der ganzen Person Christi, aufgrund realer Idiomenkommunikation so auch der menschlichen Natur beigelegt wird (32). Er gehört zugleich – ratione communicatae divinae majestatis (32) – zum dritten Genus: der Logos teilt der angenommenen Menschheit seine Allgegenwart mit, kraft deren sie nun auch an der gubernatio mundi partizipiert (32f). Und schließlich fällt dieselbe Aussage unter das vierte (apotelesmatische) Genus, da das Weltregiment dem königlichen Amt zugehört, das Christus nach beiden Naturen ausübt.172
Thumms konstruktive Rezeption der von Mentzer monierten confusio generum verbindet das 1. Genus eng mit den folgenden Genera und normiert es hermeneutisch von diesen her, gegenläufig zur Gießener Separierung. In der knappen Assertio wird dieser Konnex zwar beansprucht, aber nicht eingehender entfaltet. Offen bleibt wieder das Verhältnis der metapoietischen bzw. idiopoietischen Mitteilung zu der daneben vertretenen communicatio des 1. Genus selbst – ein Fortschritt über die hier unklare Majestas hinaus gelingt auch der Assertio nicht. 170 „Pergunt [nonnulli; 27]: Non quicquid de λογω incarnato in statu inanitionis fuit praedicatum, id ei juxta utramque |naturam statim tum competivit; & hoc probare allaborant authoritate primi generis communicationis idiomatum, in quo quidem vere & realiter personae Christi aliquid tribuatur, sed non juxta utramque, verum duntaxat secundum alterutram naturam, uti hoc loco gubernatio universi secundum Deitatem“ (29|f). 171 Vgl. o. E.II.1.2/3. 172 Assertio, 1621, 33f, vgl. 35. – Eine analoge Dreifachverortung führt Thumm für die Prädikation eines menschlichen Attributs durch: 1. Genus, 2. Genus (Idiopoiesis); 4. Genus (Assertio, 34.35); parallelisierend: „Qua ratione enim λογω vilia, eadem ratione homini sublimia adscribimus: atqui λογω adscribimus realiter, non tantum propter identitatem hypostaseως, sed & propter intimam ac profundissimam in ea factam appropriationem; Ergo & homini assumpto adscribimus sublimia ... non tantum propter identitatem hypostaseως, sed & propter infinitam communicatam majestatem ...“ (35).
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E. Die neue Tübinger Christologie als Zielpunkt schwäbischer Christologie
3. Custos distinictivus? – J. Feurborn, Σκιαγραφια 1621 Einen strikten Gegenentwurf zu Thumms Thesen vom Winter und Frühjahr 1620/21 legt im Sommer 1621 Mentzers Schwiegersohn J. Feurborn vor. Die Σκιαγραφια173, mit der der Gießener zum Hauptkontrahenten Thumms avanciert, bietet in ihrer 4. Dissertation eine breite Widerlegung der Tübinger Interpretation von Joh 5,17.174 Die folgende 5. Dissertation wendet sich gegen Thumms Verständnis des 1. Genus und dessen Zuweisung christologischer Sätze an verschiedene Genera.175 3.1 Die Definition des 1. Genus entlehnt Feurborn v.a. den einschlägigen Festlegungen Chemnitz’.176 Taktischem Kalkül verdankt sich das ergänzende Zitat177 aus der Refutatio Libri Staffortensis,178 einer älteren württembergischen Schrift – die neuen Tübinger kündigen nicht nur den gesamtlutherischen Konsens auf, sondern ineins damit auch die Lehrtradition des eigenen Territoriums; beider These lautet: Das Subjekt der Sätze des 1. Genus ist die tota persona ex duabus naturis;179 als Prädikat fungiert die Eigentümlichkeit je einer der vereinigten Naturen (proprium alterutrius naturae; 5/111f); dieses prädizierte Idiom kommt nicht beiden, sondern je nur einer Natur, nämlich seinem jeweiligen essentiellen Träger, zu.180 Mit dieser Grenzziehung erweist sich das 1. Genus der Idiomenkommunikation geradezu als „Wächter“ – custos distinctivus – der auch christologisch nicht verletzten Identität der Naturen!181 173
SKIAGRAPHIAS THEOLOGICAE Dissertationes novem, 1621.
174
Σκιαγραφιας Theologicae, Dissertatio IV. ανασκευαστικη. In Qua Argumenta, Quae contra κενωσιν ipsius universalis usus divinae omnipotentiae, & totalis exercitii
regni potentiae Christi in statu humiliationis proferuntur, ex verbo divino refutantur, & locus Johan. 5.v.17. ab aspersis corruptelis vindicatur (1/65– 104/107f); zu Joh 5,17: 42/ 83–81/100; Appendix 108. 175 Σκιαγραφιας Theologicae, Dissertatio V. In qua definitur et explicatur primum Communicationis idiomatum Genus, & exponitur, in quonam genere & Gradu sit collocandus Locus Johan. 5.v.17 & simul usitata graduum Communicationis idiomatum trichotomia asseritur (109–156). 176 „Primum genus Communicationis idiomatum est, quando propria Naturarum applicantur & attribuantur personae Christi, in concreto, additis interdum ρητως particulis, non χωριστικαις, sed διακριτικαις, quibus ea suis Naturis vindicantur“ (2/110). 177 „Die erste Art der Gemeinschafft haben sie (die alte reine Kirchenlehrer) genennet ιδιοποιιαν , da die Eigenschafften der Naturen nicht insonderheit der einen/ oder der andern Natur/ sondern der gantzen Person (es werde jetzt gleich Gott oder Mensch genennet) zugeschrieben werden“ (2/110; vgl. FC SD VIII 36). 178 Beständiger und Gründtlicher Bericht/ Uber das vermeinte Christliche Bedencken …, Tübingen 1601 (VD17: 12:111338P). Vgl. I. D INGEL, 2004. 179 „quod [subjectum] non est persona simplex … sed ut Damascenus sano sensu inquit, composita, constans ex duabus suis naturis“ (3/110; vgl. 19/119). 180 „... hic [im 1. Genus, im Unterschied zum apotelesmatischen 2. Genus der FC] ... considerantur ιδια essentialia & naturalia, quae de Christo non juxta naturam utramque ... praedicantur, sed ... alterutram: nempe divina juxta & propter deitatem, & humana juxta & propter humanitatem“ (5/111); „in hoc genere attributa de tota composita persona vere praedicantur, respectu illius naturae, cui per se & naturaliter competunt“ (19/119). 181 86/152; auch: „custos proprietatum“ (36/126; vgl. 83/150).
II. Die Debatte über die Idiomenkommunikation im Kenosis-Streit
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Von den Interpretationen der konfessionellen Gegner, der Alloiosis oder Synecdoche, sieht sich Feurborn dennoch weit geschieden. Keineswegs ‚hindert‘ die betonte Stabilität der Wesensbezüge, daß im 1. Genus eine „wahrhaftige und reale Mitteilung“ statthat.182 Die wesentlich nur je einer Natur eigenen Idiome werden der ‚ganzen‘ Person attribuiert; als Persona composita umfaßt diese immer auch zugleich die je andere, essentiell fremde Natur. So besteht hier ein Vollzug realer Mitteilung: „vera communicatio, nempe in concreto, propter alterutram naturam, quam nomen personae, utpote compositae, simul complectitur“ (6/112). Ja: Die so bestimmte Mitteilung an die ganze Person ist zugleich eine Kommunikation zwischen den Naturen, wenngleich „vermittels der Person“ (mediante persona).183 Feurborn nennt dafür Argumente, die auch für die Tübinger Neufassung des Lehrstücks von zentraler Bedeutung sind; 184 er kann dabei gegen eine strikt antithetische Zuordnung einer Mitteilung ‚ad personam‘ und einer solchen ‚inter naturas‘ votieren (14/ 116), wie sie den Hauptstrom der lutherischen Christologie außerhalb Schwabens kennzeichnet und dort die Trichotomie der Genera begründet.185 Gerade angesichts der Parallelität mancher Formulierung wird die sachliche Differenz zu Thumm umso deutlicher. Der Pferdefuß liegt in der schon notierten Näherbestimmung Feurborns, jene konzedierte Mitteilung ‚inter naturas ipsas‘ geschehe in concreto (7/113; 14/116; 15/117), mediante persona (7/112), nicht aber in abstracto (7/113; 14/116; 19/ 119). Feurborn orientiert sich hier an der Fassung der Begriffe des Konkretum resp. Abstraktum, wie sie durch Chemnitz186 repräsentiert ist. ‚Konkret‘ ist allein die ganze Person aus beiden Naturen. Nur sie, niemals aber eine der vereinigten Naturen selbst wird durch
182
„... hoc non impedit, quo minus vera sit & realis communicatio“ (6/112). „... est ... notandum, quod quidem in hoc primo genere primo attendatur idiomatum communicatio ipsi toti personae facta; veruntamen & attendenda sit illa ipsa communicatio idiomatum, facta inter ipsas naturas, sed mediante persona, sive ab hac, sive ab illa, sive ab utraque natura, denominata“ (7/112). 184 Vgl. v.a. das Argument ‚a reali identitate personae Christi compositae & duarum ipsius naturarum personaliter unitis‘ (113 i.m.): „Persona composita non est aliquod tertium realiter discrepans a duabus suis naturis, sed est εξ ων, εν αις και απερ“ (9/113). 185 Feurborns Vermittlung beider Linien gibt Aufschluß über den Realitätsstatus jener Kommunikation ‚inter naturas‘, die er für das 1. Genus annimmt. Die anders votierenden Lutheraner bestritten eine communicatio inter naturas im ersten Genus nicht prinzipiell (exclusive), sondern allein relativ zur Realkommunikation im 2. und 3. Genus: „comparative, hoc sensu quod in genere seu gradu primo non attendatur talis idiomatum ad naturas ipsas(!) communicatio, qualis in gradu secundo & tertio spectatur“ (14/116; – was wäre dann positiv der Realitätsstatus dieser communicatio inter naturas im 1. Genus?). Zweitens berücksichtige jener Einspruch eine sprachlogische Differenz, die auch Feurborn betont: Obwohl es im 1. Genus eine communicatio ad ipsas unitas naturas gibt, werden die Idiome (wieder anders als im 2. und 3. Genus) hier nicht von den abstrakt bezeichneten Naturen, sondern nur ‚konkret‘ von der tota persona composita ausgesagt: „etsi in primo gradu etiam sit & vigeat communicatio idiomatum ad ipsas unitas naturas: non tamen ibi de Naturis ipsis illa praedicantur vocabulo abstractivo, sed tantum concretivo, h.e. personam totam compositam denotante: siquidem idiomata, quae in primo gradu praedicantur, quatenus sunt naturalia ιδια, de tota persona enunciantur, intuitu illius naturae, cui per se & naturaliter competunt, & eidem vindicantur“ (14/ 116). – „Utut ergo & hic vigeat idiomatum communicatio ad ipsas naturas, non tamen communicata idiomata hic de Naturis ipsis enunciantur in abstracto“ (19/119). 186 Vgl. o. D.III.2. 183
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E. Die neue Tübinger Christologie als Zielpunkt schwäbischer Christologie
ein concretum naturae (Deus, Homo) bezeichnet.187 Die Naturen bilden – ausschließlich – abstracta.188 Angesichts dieser Kautelen bleibt von Feurborns Mitteilung inter naturas ipsas so nur dies: Der je anderen, wesentlich fremden Natur kommt das Prädizierte per realem communicationem zu, insofern diese in der ganzen Person als dem Subjekt der Aussage mitumfaßt ist. Keineswegs aber wird sie selbst des Idioms der anderen Natur teilhaftig.189
3.2 Thumm wird diesem Konstrukt des Gießeners jeden Sachgehalt absprechen – das Ganze ein nihil, ein non ens.190 Doch entspricht Feurborns Konzept einer im 1. Genus waltenden Mitteilung zwischen den Naturen, die jedoch von einer Attribution an eine Natur selbst unterschieden sei, in einer Hinsicht auffällig Thumms eigener These der Hekaterosis191 des 1. genus – auch dort wird eine als ‚real‘ klassifizierte Mitteilung von den Kommunikationsvollzügen des zweiten (Idiopoiesis) und dritten (Metapoiesis) Genus unterschieden, ohne die Fragen ihres Realitätsstatus sowie des Sachzusammenhangs aller Genera ausreichend zu klären. Feurborn seinerseits beweist einen scharfen Blick für andere Inkonsistenzen in Thumms Entwurf. – (1.) Ein Einwand erwächst aus der Debatte über die theopaschitische Frage. Weil das Subjekt der Sätze des 1. Genus ausschließlich die tota persona composita ist,192 verbietet sich für Feurborn die schwäbische Rede vom Leiden und Sterben der Gottheit oder der göttlichen Natur Christi.193 Der Protest der Σκιαγραφια erneuert hier den älteren Einspruch aus den Jahren 1618/19;194 beide Voten stehen in der Fluchtlinie der Mentzer’schen Kritik an der Tübinger phrasis.195 Auch Feurborns Einlassung, daß die Definition des konkordistischen 1. Genus die ‚duo priora subdivisa genera‘ Thumms suffizient um187
„Quamobrem sicut in hoc genere subjectum, quod est tota persona composita, sive ab hac, sive ab illa, sive ab utraque natura denominata, vindicat & asserit unionem naturarum, & unitatem personae, contra Nestorium: ita Praedicatum, particulis distinctivis ... vestitum, vindicat naturarum distinctionem contra Eutychen“ (19/119). 188 „Communicatorum idiomatum | praedicatio fit hic non in abstracto, sed duntaxat in concreto, h.e. vocabulo, totam personam compositam denotante“ (7/112|f); „non ...de Naturis ipsis illa [idiomata] praedicentur vocabulo abstractivo, sed tantum concretivo, h.e. personam totam compositam denotante“ (14/116). 189 „in hoc genere primo non enunciantur [idiomata] tanquam dona divina επικτητα [so im 3. Genus], & αποτελεσματα [2. Genus]“; „de tota persona enunciantur, intuitu illius naturae, cui per se & naturaliter competunt & eidem vindicantur“ (14/116). 190 Vgl. Ταπεινωσιγραφια, 1623, 882. 191 Vgl. o. E.II.1.2. 192 3/110; 19/119; vgl. o. Anm. 187. 193 „Et quia subjectum praedicationum hujus generis primi est nonnisi tota persona composita, sive ab alterutra, sive ab utraque suarum naturarum appellata & insignita: & attributa de ipsa tota persona hic praedicantur illius naturae intuitu, cui per se competunt; ideo has loquendi formulas nos fugimus: Deitas του λογου est passa, crucifixa, & mortua in carne sua: & potius dicimus: Deus, ο λογος, est passus, crucifixus, & mortuus in sua carne, personaliter sibi propria (24/121–34/124f, hier: 24/121). – Vgl. H. Garth, o. E.I.1. 194 FEURBORN, Fasciculus secundus Dissertationum Theologicarum, Disp. I–III (Opera 162–211); vgl. die Verweise 27/122, 54/134. – Vgl. o. C.II.1.3 (Anm. 122). 195 Vgl. o. E.I.2.1.
II. Die Debatte über die Idiomenkommunikation im Kenosis-Streit
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fasse, eine formale Differenzierung mithin überflüssig sei (47/130f), bedeutet keine Annäherung in der Sache. Sie soll im Gegenteil die Rede vom Leiden ‚Gottes‘ strikt als Unterfall der im 1. Genus allein zulässigen Prädikation von der tota persona normieren.196 – Bei aller Problematik der eigenen These beobachtet der Gießener aber richtig die ungeklärten Doppelungen und Inkonsistenzen des Gegners. Die Belege, die Thumm für die Tübinger Idiopoiesis nennt, wurden zuvor schon beansprucht als Exempel für die 2. bzw. 4. Klasse der Binnendifferenzierung des 1. Genus, als Exempel der praedicatio de tota persona! Angesichts dieser Überlagerung bleibt dann aber unerfindlich, weshalb beide Genera im Sinne Thumms unterschieden werden sollen.197 (2.) Auf analoge Unklarheiten führt auch Feurborns Kritik an Thumms Legitimierung einer Zuordnung ein- und desselben christologischen Satzes zu mehreren Genera:198 Dies verletzt die definitorische Differenz der Genera, ein- und dieselbe Aussage gehört genau einem Genus an.199 Dabei ergibt sich die korrekte Zuordnung aus dem Kontext der zugrundeliegenden biblischen Aussage. Diese Vorgabe der Schrift ist für die Theologie verbindlich; sie hat nicht das Recht, in angemaßter eigener Entscheidung – Praetoria authoritate (74/144) – das biblische Zeugnis zu überspringen oder zu modifizieren. 200
196
„Si enim dicam: Deus est passus & mortuus: nisi intelligam Deum incarnatum; propositio falsa erit, Deus pater enim, & Spiritus S. quia sunt ασαρκοι, non sunt passi & mortui. Ergo, quantum ad ipsam rem & veritatem attinet, idem dicitur in his Propositionibus: Christus est passus: Filius Dei est passus: Filius Mariae est passus. Quoniam in subjecto semper est Persona composita, duabus naturis, deitate & humanitate, constans. Quod autem Nestorius concessit primam, & ultimam; non secundam Propositionem, eo ipso detexit suum execrabilem errorem; quod nempe non crediderit, ipsum Filium Dei vere & realiter esse Filium Mariae; & carnis, a se assumptae, propria sibi revera appropriare ... Quae cum ita sint, non constituit ιδιοποιια peculiare Communicationis idiomatum Genus, a primo reipsa distinctum, sed sub illius Definitione vere & sufficienter comprehenditur“ (48/131). 197 „... Etsi a[utem] haec septe[m] distincta praedicationum genera ad primum genus, prout ab ιδιοποιια est distinctum, referant [Tubingenses]: nihilominus genus secundum subnectunt, & seorsim id definiunt, quando humanitatis propria alteri naturae, λογω scilicet, non tantum propter personae identitatem, sed profundissimam quoque in ea factam appropriationem vere & realiter attribuntur“ (51/131). So aber stellt sich tatsächlich die Frage: „Quomodo classem secundam & quartam primi sui generis, a secundo genere retinere velint distinctas“? (52/133; zu Thumms Unterscheidungen vgl. o. E.II.1.2.). 198 Vgl. o. E.II. 1.2, 1.3.2. 199 „Vnum numero S.Scripturae, de communicatione idiomatum loquentis, dictum, eodem tantum spectato sensu, nec ulla alia consideratione adhibita, non potest ad omnia, ne quidem duo communicationis idiomatum genera referri: quia eorum generum sunt differentes & discrepantes definitiones“ (35/125). 200 „... Homo non habet libertatem & licentiam referendi dicta scripturae per mero suo lubitu & nutu ad hoc, vel illud communicationis idiomatum genus: sed opportet eum attente expendere mentem loquentis Spiritus S. & circumstantias textus, & cohaerentiam antecedentium & consequentium, & exinde elicere & discere, an dictum hoc, vel illud pertineat vel ad primum, vel secundum, vel tertium communicationis idiomatum genus“ (35/125). – „Quando Quaestio oritur de aliqua Praedicatione, ad quodnam trium Generum illa sit referenda, non faciendum est initium a Praetoria authoritate, sed imprimis Praedicatio illa in propria sede, ex Antecedentibus & Consequentibus, caeterisque quae ad causae continentiam pertinent, diligenter est describenda & ponderanda: tum demum, quan-
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E. Die neue Tübinger Christologie als Zielpunkt schwäbischer Christologie
Diesem Einspruch schiebt Feurborn – im Blick auf Joh 5,17 – zwar Ergänzungen nach (44/129f). Die Zuweisung an genau ein Genus gilt, sofern die Aussage in ihrem genuinen Sinn (respectu immediati sensus) im Blick ist. Konnotationen des Prädikates können daneben eine weitere Zuweisung begründen. Die strittige Aussage Joh 5,17 (ego operor) redet primär von der divina operatio universalis. Als solche fällt sie exklusiv unter das 1. genus.201 Sofern daneben (consignificatur) auch an die Wundertätigkeit Christi (actio specialis miraculosa), schließlich auch an die seiner Menschheit kommunizierte göttliche Kraft (divina virtus) gedacht ist, kann sekundär auch eine Zuweisung an das 3. bzw. 2. Genus konzediert werden. – Doch wechselt Feurborn hier unter der Hand das jeweilige Prädikat aus und erhält so drei verschiedene Sätze, die dann allerdings verschiedenen Genera zugehören. Dagegen zielt Thumms Mehrfach-Verortung auf identische Prädikate: ein- und dieselbe Aussage wird ‚diverso respectu‘ analysiert, etwa auf ihre Möglichkeitsbedingung hin befragt, und in dieser Hinsicht einem anderen Genus zugeordnet.202
4. ‚verius modus praedicandi‘ – Th. Thumm, Ταπεινωσιγραφια 1623 Mit seiner Replik auf Feurborns Σκιαγραφια, der Ταπεινωσιγραφια Sacra vom Sommer 1623 legt Thumm den umfangreichsten (fast 900 Seiten Quart!) aller schwäbischen Beiträge im kenotischen Streit überhaupt vor; wegen seines auch sachlichen Gewichts ist dieser ‚Ozean an Erkenntnis‘203 zu Recht als das „opus magnum der Tübinger Christologie“ gewertet worden.204 In engem dispositionellen Anschluß an die Herausforderung des ‚Schattenmannes‘ und ‚Schattenkämpfers‘205 ‚konzentriert‘ Thumm die Debatte auf die zentrale Streitfrage der jetzt voll entbrannten Kontroverse, das Verständnis der ‚Erniedrigung‘ (ταπεινωσις /humiliatio; nach Phil 2,8) Christi, das in dem Problem der aktualen Majestätsteilhabe der Menschheit im Stand der Entäußerung seine Mitte hat.206 Da Feurborn, wie gesehen, die konträre Gießener These im Rekurs auf das 1. Genus der Idiomenkommunikation verteidigt, zugleich dessen schwäbische Definition als unhaltbare Neuerung attackiert, sieht sich Thumm auch an diesem Punkt zu einer Stellungnahme veranlaßt. Dieses Votum hat jedoch erkennbar appendixhaften
do Praedicationis illius sensus proprius & genuinus probe indagatus, & perspectus est, tum ... demum (nec ante) cum quo Genere conveniat, aut differat, expendendum ...“ (74/144). 201 „Respectu ergo immediati sensus, & expresse literae, (& intuitu status humiliationis Christi) illud testimonium nonnisi ad primum communicationis idiomatum pertinet genus ...“ (44/130). 202 Vgl. o. E.II.2.2. 203 So das (ironisierende) Etikett der Apologie der sächsischen Decisio von 1625: „totum profundissimae scientiae oceanum, h.e. ταπεινωσιγραφιαν exhauserimus“ (Apologia … Decisionis, 1625, 103). – Vgl. J. B AUR, 1993h, 256 Anm. 229. 204 J. B AUR 1993h, 256. 205 Skiander, Sciamachus – Derivate der polemisch-ironischen Umprägung schon des Titels der Feurborn’schen Schrift (Σκιαγραφια) zur ‚Σκιαμαχια‘. 206 Vgl. dazu u. E.III.4.1.
II. Die Debatte über die Idiomenkommunikation im Kenosis-Streit
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Charakter207 und versteht sich als vorläufige Äußerung,208 die alsbald durch eine gründlichere Bearbeitung dieses Nebenthemas überholt werde.209 Doch schon dieser – wie das ganze Werk im Ton nun schonungslos scharfe – Vorgriff weist signifikante Verschiebungen gegenüber der in Thumms nur wenig älteren Texten von 1620 bzw. 1621 vertretenen Position auf. Die Gießener Kritik, v.a. vielleicht Feurborns Inkonsistenzvorwürfe210 scheinen Thumm zu Selbstkorrekturen bewegt zu haben, die jetzt möglichst rasch in die Debatte geworfen werden sollen. 4.1 Gegen Feurborn verteidigt Thumm die schwäbische Systematik von vier Genera einmal mehr als nicht nur pragmatisch-pädagogische, sondern auch sachlich fundierte Unterscheidung.211 Auffällig ist aber eine Änderung der Sequenz der Genera; die Reihe lautet jetzt: 1. Ιδιοποιησις (appropriatio); 2. μεταδιδωσις (communicatio Majestatis); 3. apotelesmatisches Genus; 4. Attribution der Proprietäten je einer Natur an die ganze Person, d.h. an beide Naturen in nur modaler Differenzierung.212
207
Thumm behandelt das Problem, nach einer ersten Sondierung schon im allgemeinen Teil (164–171), in dem abschließenden Theorema XV. De primo genere communicationis idiomatum (863–895), in expliziter Antithese zur Dissertatio V. der Σκιαγραφια (864; vgl. o. Anm. 175). Ausgangspunkt ist die bei Feurborn aufgenommene Verknüpfung des 1. Genus mit der Zuordnung des Satzes über die aktuale Teilhabe auch der entäußerten Menschheit an der Weltregierung in Joh 5,17, die damit angeschnittene Frage wendet Thumm ins Grundsätzliche: „Theorema XV. De primo genere communicationis idiomatum. Propositio: Homo Christus tempore humiliationis in officio suo regio, omnipraesenter, omnipotenter, omnisapienter, opulente, &c. rexit Ecclesiam, coelum & terram; non tantum ad primum, sed diverso respectu, ad tertium & quartum quoque genus communicationis idiomatum pertinet ...“ (863). – Die Zählung der Genera folgt hier noch der bisherigen Klassifizierung (Majestas; Assertio); in der Erläuterung dieses Theorema wird Thumm aus sachlichen Gründen neu ordnen, dazu s. gleich. 208 „Theorema hoc ... exactam quidem confutationem postularet, quia vero vindiciae hae praeter voluntatem excreverunt, pro tempore illud breviter saltem (donec commodior sese offerat occasio) perstringam ...“ (864). 209 „... secundarias ... quaestiones, quas de subiecto passionis, ordine & numero generum communicationis idiomatum, περιχωρησει naturarum mutua, &c. litigandi studio immiscuit [Feurborn], peculiari tractatu, quam jam confeci, publice, volente Domino, perstringam“ (895). – Im Blick ist hier die ein Jahr später publizierte Repetitio (u. E.II.5). 210 Vgl. o. E.II.3.2. 211 „Theologos Orthodoxos, Tubingenses inprimis, ordinem naturalem observantes, quatuor gradus seu genera communicationis Idiomatum, partim ex necessitate, ob adversariorum versutam malitiam, partim veritatis declarandae causa proposuisse“ (864). 212 864f. – Die Folge als solche entspricht der bei Gerlach (1596; o. D.I.5) und dem (ursprünglichen) Entwurf Schaefers (1602; o. D.I.6.3.1) beobachteten Anordnung. Auf diese Texte nimmt Thumm jedoch explizit keinen Bezug. Während Gerlach wie Schaefer das 4. genus als praedicatio de persona secundum alterutram naturam fassen, erläutert Thumm wie seit der Majestas so auch jetzt diese praedicatio de tota persona als modal differenzierte Betroffenheit beider Naturen (865; vgl. die Tractatio ipsa 874–880); dies
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E. Die neue Tübinger Christologie als Zielpunkt schwäbischer Christologie
Nicht nur im Gegensatz zur Konkordie, was Thumm notiert (865), sondern auch in Korrektur der ursprünglichen Folge in der Majestas ist damit die ‚Hekaterosis‘ (876) von der ersten Stelle an das Ende der Genera gerückt. Darin manifestiert sich eine sachliche Neubewertung von großer Tragweite. Thumm expliziert diese Korrektur nirgends. Auch repetiert die zunächst vorgetragene Definition das aus den älteren Schriften Bekannte.213 Aber eine nachgeschobene Erläuterung läßt die leitende Einsicht hinter der Umstellung immerhin anklingen: Die Ausrichtung am ordo naturalis führt – nun! – auf diese Schlußstellung. Strikt geurteilt behandle das fragliche Genus eigentlich keine weitere Form realer Mitteilung – es bilde ‚eher‘ nur ein Prädikationsmuster: „Quartum hoc genus, in Formula Concordi[ae] primo, ego postremo loco (ordine naturali observato) poni, quia verius est modus praedicandi de persona quam modus communicationis“ (866)! Eher ein Modus praedicandi als ein Modus communicationis – die ontologische Degradierung des Genus erhält dadurch Gewicht, daß Thumm sie zur Konsequenz des reduktiven Begriffs der christologischen Person214 erklärt: Da diese nur die Vermittlung der Substanzen von Gott und Mensch, nicht aber eine dritte Entität neben diesen (nihil aliud, quam ambae naturae personaliter unitae) ist, kann die Person Christi als solche niemals Rezipient von mitgeteilten Idiomen im Gegenüber zu den Naturen sein: „ideo etiam PERSONAE CHRISTI NIHIL PER SE COMMUNICATUR“.215 Mitteilung in einem qualifizierten Sinn geschieht stets nur zwischen diskreten Größen,216 kann sich so – christologisch – nur als Geschehen zwischen den in der Person vereinigten Naturen vollziehen.217 Die Person ist wohl logisches Prädikationssubjekt, nicht aber ontologisches Attributionssubjekt: entspricht material weiterhin Hafenreffers 1603 vorgelegter Modifikation der Entwürfe Gerlachs und Schaefers (vgl. o. D.I.3.2.3.2). 213 „In quarto [genere] exprimitur, quid TOTI huic personae, non ex proprietate utriusque naturae, sed alteri per se, alteri vero propter ιδιωματων κοινωνιαν adscribatur“ (865, analog 874; vgl. o. E.II.1.2). Die angeschlossene FC-Bestimmung muß durch stillschweigende Auslassungen stimmig gemacht werden (865 = FC SD VIII 36; die dort folgende – Thumms Deutung dementierende – Erläuterung [SD VIII 37] wird ignoriert und stattdessen die Explikation des ‚toti personae‘ als ‚utrique naturae‘ durch ein Andreae-Zitat zu stützen gesucht [865f]). 214 Die Persona Christi ist keine „tertia quaedam natura seu essentia, ... sed nihil aliud, quam ambae naturae personaliter unitae ...“ (866). Vgl. o. bei Anm. 146. 215 „Cum enim persona Christi non sit tertia quaedam natura seu essentia, ex Deo & homine constituta, sed nihil aliud, quam ambae naturae personaliter unitae, ideo etiam PERSONAE CHRISTI NIHIL PER SE COMMUNICATUR“ (866; Versalierung Th.). 216 868 (als Gesner-Zitat; dazu gleich u. 4.2); – „communicari enim illa dicuntur, quae de suo non primo & adaequato subiecto vere & realiter enunciantur“ (877). 217 „cum [persona] non sit tertium quiddam praeter suas naturas, sed ambae naturae simul, ideo omnis praedicatio, quae de persona enunciatur, non nisi intuitu κοινωνιας naturarum (inter quas vera communio solum intercedit) enunciari & fieri potest“ (879).
II. Die Debatte über die Idiomenkommunikation im Kenosis-Streit
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„omnis communicatio fit in concreto, hoc est, in unione, seu, respectu naturarum, quarum propria praedicantur quidem de persona Christi, (quae simul Deus & homo est), non autem ei communicari dicuntur, quia nec filio Dei divina, nec homini humana, nec divina & humana personae Christi, ut TERTIA cuidam essentia, dicuntur communicari“ (866).
4.2 Der klare Ausschluß einer Kommunikation ‚an‘ die Person, die korrespondierende Restriktion der christologischen Kommunikation auf die Mitteilung zwischen den Naturen und schließlich die Begründung dieser Doppelthese einheitlich aus dem reduktiven Begriff der Person Christi selbst: die so bestimmte Neuorientierung der Ταπεινωσιγραφια hat in der untersuchten Vorgeschichte der ‚neuen‘ Tübinger Christologie nur eine einzige, aber schlagende Parallele: sie entspricht exakt der fast 30 Jahre älteren Einsicht Salomon Gesners.218 Thumms 1623 vollzogene Selbstkorrektur stellt keine Parallelentwicklung dar, sondern verdankt sich eindeutig einer zwischenzeitlichen ‚Entdeckung‘ dieses Arguments Gesners: zwar dispositionell abgesetzt, doch in direktem Anschluß an die vorgeführten Festlegungen beruft sich Thumm gegen Feurborns ‚philippistische und calvinistische‘ Definition des 1./4. Genus auf die analoge Kritik des Wittenbergers, und er belegt die reklamierte Übereinstimmung treffsicher durch ein breites Zitat der einschlägigen Passage aus Gesners Orthodoxa Confessio von 1595.219 Insonderheit die für die aktuelle Auseinandersetzung entscheidenden Weichenstellungen Gesners, die Bestimmung der Kommunikation als Geschehen zwischen gegeneinander distinkten Instanzen, wie sie christologisch allein im Gegenüber der Naturen gegeben sind, und die damit notwendig verbundene Überschreitung der wesentlichen Bezüge, werden punktgenau erfaßt und polemisch adressiert.220 4.3 So eindeutig die Ταπεινωσιγραφια eine wichtige Weiterentwicklung in Thumms Konzept der Idiomenkommunikation dokumentiert – immer noch nicht erfährt die neue These diejenige konsequente Durchführung, die aufgrund der Gesner nachgesprochenen Einsicht in das Wesen wahrer Kommunikation möglich und naheliegend gewesen wäre. Gegen Feurborns Restriktion auf die essentiellen Zusammenhänge – das 1. genus als custos distinctivus der wesentlichen Identitäten221 – vertritt Thumm zwar offensiv die Auslegung der Attribution an die ganze Person als modal differenzierte Betroffenheit beider Naturen; dies wird auch konsequent mit der ‚neuen‘ Einsicht in die Normierung der christolo218
Zu Gesner vgl. o. D.II.5.2. 866–870 = GESNER, Confessio, 1595a, 110–116 (vgl. o. D.II.5.2). 220 „Arrige aures Sciamache, & disce quid sit communicatio?“ (868). Kommentar i.m. zu Gesners Formalbestimmung von communicatio: „Idem sibiipsi non communicat: cum communicatio sit, quando unum se alteri communicat“ (868 = GESNER, Confessio, 1595a, 112). – Möglicherweise ist Thumms ‚Entdeckung‘ Gesners durch den Kontrahenten angestoßen: In der Σκιαγραφια beruft sich Feurborn für sein Verständnis der im 1. Genus verwendeten particulae distinctivae auf Gesner und zitiert Festlegungen aus dessen Disputationes pro Libro Concordiae (Σκιαγραφια, Dissertatio V., 16/118–18/118; mit Bezug auf GESNER, Disputationes, 1595b Disp. 12, Th. 34ff, p. 312–312; vgl. u. Anm. 258!). 221 Vgl. o. E.II.3.1 bei u. mit Anm. 181. 219
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gischen Kommunikation durch den reduktiven Personbegriff begründet. Die im 4. Genus vollzogene Zuschreibung des prädizierten Idioms auch an die je essentiell fremde Natur ‚per veram & realem naturarum, & ιδιωματων communicationem‘222 – erst so an die ganze Person – gründet darum auf einer Mitteilung zwischen den Naturen.223 Diese fundierende Kommunikation aber kann nach der Gesamtarchitektur des Lehrstücks nichts anderes sein als die Idiopoiesis (im Falle der Prädikation menschlicher Idiome) resp. die Metapoiesis (Prädikation göttlicher Idiome). Das 4. genus wäre mithin, konsequent gedacht, nicht nur ‚eher‘ (verius), sondern strikt ausschließlich ein Prädikationsmodus, begründet nicht durch eine erst hier zu erläuternde besondere Realkommunikation, sondern durch die schon ihm zuvor entwickelte idiopoietische bzw. metapoietische Mitteilung. Dieser sachlichen Dependenz des 4. genus trägt die in der Ταπεινωσιγραφια eingeführte Schlußstellung Rechnung. Dieses Bedingungsverhältnis spiegelt sich in der an Joh 5,17 demonstrierten Zuweisung ein- und derselben Prädikation an mehrere Genera, die Thumm erneut verteidigt (880–882[/895]). Auch wird wiederholt zur Geltung gebracht, daß die Sätze de tota persona als Bedingung ihrer Wahrheit eine Kommunikation zwischen den Naturen fordern, welche Mitteilung in dem 4. Genus ‚vorausgesetzt‘ werde.224 Aber noch fehlt der letzte, eindeutige Schritt: die Verabschiedung des semantisch ungeklärten Konstrukts einer besonderen, dem 4. Genus eigentümlichen Hekaterosis zugunsten einer expliziten Identifizierung der hier gleichwohl vorausgesetzten ‚vera & realis communicatio‘ mit alternativ einem der Mitteilungsvollzüge der ersten zwei Genera.
Auch Thumms Selbstkorrektur in der Ταπεινωσιγραφια gelingt noch nicht die konsistente Fassung des strittigen Genus. 5. ‚propter antegressam κοινωνιαν ‘ – Th. Thumm, Repetitio 1624 Mit der im Herbst 1624 publizierten Repetitio legt Thumm seinen zweiten Gesamtentwurf De persona Christi vor.225 Das nach Umfang und sachlichem Gewicht zentrale Teilthema ist wie in der Majestas das Lehrstück über die Idiomenkommunikation. Die Darlegungen zum (nach der mit der Ταπεινωσιγραφια variierten Zählung) 4. (Majestas: 1.) Genus dominieren quantitativ diesen Teiltraktat.226 Eindeutig macht Thumm die Frage der praedicatio de tota persona – wie in dem Vorgriff der Ταπεινωσιγραφια angekündigt227 – noch einmal zu einem zentralen Thema der systematischen Klärung.
5.1 Die Sequenz der Genera wiederholt die in der Ταπεινωσιγραφια vollzogene Korrektur der ursprünglichen Anordnung.228 Die praedicatio de tota 222
881; vgl. 874. 876. 878 (bis). 880. 879 (zitiert o. Anm. 217). 224 „In primo [Adaption an Feurborns Zählung, gemeint ist das nach neuer Zählung vierte Genus] non agi proprie de naturarum κοινωνια, simpliciter falsum est: licet enim ibi particulis distinctivis naturae, naturarumque idiomata vindicentur, tamen & simul realis illa communio subintelligen|da & praesupponenda est ...“ (894|f). 225 Kurzcharakteristik: WIEDENROTH, 2003b. – Durch Versehen ex incuria Typothetae (206 i.m.) sind Bogenfolge und Paginierung verwirrt; korrekte Textabfolge: 1–206. 352– 544. 267–351; mit der inneren Gliederung: Proömium (1–4), Pars I. (5–206. 352–544. 206–267), Pars II. (267–351). – Folgende Belegangaben hierauf bezogen. 226 392–539/544, – 152 Seiten von 544 S. insgesamt! 227 Vgl. o. bei u. mit Anm. 209. 228 Vgl. o. E.II.4.1. 223
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persona steht als 4. genus am Ende der Reihe (392–539/544); ihr voran gehen (1.) die Idiopoiesis (Appropriatio; 21–68), (2.) die Metapoiia (communicatio Majestatis; 68–114) und (3.) die apotelesmatische Koinopoiia (114–206. 352–392). Anders als die grundsätzlich unveränderten Bestimmungen der drei ersten Genera weisen die Ausführungen zum 4. genus unübersehbare Modifikationen auf. Schon dessen einleitende Definition bringt die neuen Elemente klar zur Sprache: (01) Quartum genus communicationis idiomatum est (02) talis praedicandi modus verus & realis quo (03) non tantum propter identitatem hypostaseos (04) (quae sic nude accepta insufficiens est) (05) sed & propter antegressam in illa identitate (06) hypostaseos κοινωνιαν naturarum mutuam ιδιοποιιαν , μεταποιιαν item, & κοινοποιιαν (07) (08) realissimam utriusque naturae (09) (in distinctis propositionibus) (10) idiomata omnia TOTI personae (quae simul Deus & Homo est) (11) in concreto vere & realiter attribuuntur, (12) alterius quidem naturae respectu per realem Idiomatum communicationem, 229 (13) alterius vero per proprietatem nativam. Die generische Einordnung als modus praedicandi (Zeile 02) nimmt die in der Ταπεινωσιγραφια neu pointierte Unterscheidung von Modus praedicandi und Modus communicationis auf. Bereits der Majestas vertraut ist die Auslegung der Attribution an die ganze Person (Zeile 10) als modal differenzierte Betroffenheit beider Naturen (Zeilen 12–13); zentral dieser Bestimmung gilt der Gießener Einspruch. Jedoch gelang es Thumm nicht, die im 4. (Majestas: 1.) Genus als Fundament der Zuschreibung an die wesentlich fremde Natur beanspruchte ‚communicatio realis‘ den anderen Genera konsistent zuzuordnen; die in der Ταπεινωσιγραφια vollzogene ontologische Reduktion des 4. genus – „eher“ ein modus praedicandi als ein modus communicandi – signalisierte hier eine Neuorientierung, konnte aber noch nicht als zureichende Klärung gelten.
5.2 Diese lange Zeit ungeklärte Hypothek in Thumms System der Idiomenkommunikation wird mit der Repetitio abgelöst. Der entscheidende Fortschritt besteht in einer einzigen, nun klar ausgesprochenen Einsicht: Der im Prädikationsmodus des 4. Genus als Fundierung beanspruchte Vollzug realer Mitteilung ist materialiter strikt identisch mit jenem Kommunikationsgeschehen, das die ersten drei Genera sukzessiv entfalten. Das 4. Genus formuliert überhaupt keine besondere vierte Species realer Mitteilung (modus communicationis) neben der idiopoietischen, metapoietischen und koinopoietischen Vermittlung der Naturen; es ist nicht nur ‚eher‘, es ist 229 392f (Paragraphierung und Zählung U.W.). – Hervorhebungen durch Kursivierung bezeichnen die (schon in der Ταπεινωσιγραφια vollzogenen) Neuerungen gegenüber der Majestas, Hervorhebungen durch Fettsetzung markieren die nun erst mit der Repetitio vorgenommenen Revisionen.
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ausschließlich ein besonderer, vierter Modus praedicandi (Zeile 02). Zwar hat auch dieses Sprachmuster ein Fundament in re, allein deshalb bildet es einen ‚Modus praedicandi verus & realis‘230 (Zeile 02). Aber dieses Sachfundament kann nur im Rückverweis auf die Kommunikation231 der vorangehenden Genera benannt werden. Es ist das dort sukzessiv in seinen drei Einzelmomenten entfaltete Geschehen, welches in den Sätzen des 4. Genus in neuer Perspektive zur Sprache kommt: propter antegressam ... κοινωνιαν ... mutuam, ιδιοποιιαν , μεταποιιαν ... & κοινοποιιαν (Zeilen 5–7). Das in der Ταπεινωσιγραφια zwar schon sachlich überholte, jedoch noch fortgeschriebene Konzept der ‚Hekaterosis‘ als einer besonderen ‚realis communicatio‘ erhält seinen definitiven Abschied. Die Attribution an die ganze Person reformuliert in anderer Perspektive immer nur eine vorgängig (antegressa, Zeile 5) erfolgte Kommunikation zwischen den Naturen. Eine Verweigerung der Einbeziehung auch der je wesentlich fremden Natur (so die Gießener) versteht das fragliche Genus „nicht viel besser“ als die konfessionellen Gegner.232 Die so umrissene Grundthese wird von Thumm in 7 Abschnitten breit entfaltet. Für die hier verfolgte Fragestellung entscheidend sind die in den ersten beiden Durchgängen behandelten Fragen nach der Beschaffenheit der communicatio (5.2.1) und der praedicatio (5.2.2) des 4. genus. Schon die strikt durchgehaltene Unterscheidung beider Fragen signalisiert noch einmal den erreichten Gewinn an Präzision.
5.2.1 (‚Quae & qualis communicatio sit in hoc quarto (in Formula Concordiae primo) Communicationis Idiomatum Genere?‘233) – Thumm konzediert, daß dem fraglichen Genus überhaupt eine Mitteilung (aliqua communicatio) korreliert ist; sonst wäre die Rede von einem genus communicationis sinnlos und selbstwidersprüchlich (401). Deren nähere Bestimmung234 muß den Kriterien des Elementarbegriffs jeder realen Mitteilung genügen. Thumms kritisiert so das von den jesuitischen und calvinistischen Gegnern durchgehend vertretene, von den Gießenern jedenfalls für ihre Lesart des 1. Genus angenommene Konzept einer Kommunikation von den Naturen an die Person (402–411). Seine Gegenthese lautet: „omnem communicati230
Zur sprachlogischen Systematik vergl. grundlegend o. E.I.3.1. Die Identität der Hypostase beider Naturen als solche kann dieses Fundament nicht sein, wie Thumm gegen die Gießener – und faktisch auch gegen manche unklare Formulierung in den vorangehenden eigenen Texten – nun unterstreicht: „non tantum propter identitatem hypostaseos (quae sic nude accepta insufficiens est)“ (Zeilen 3.4). 232 393(–400). Als Gewährsmann für die lutherische ‚Authentizität‘ der Tübinger These dient entscheidend wieder Gesner; das schon von der Ταπεινωσιγαφια aufgenommene Zitat aus dessen Confessio kommt erneut zum Abdruck (395–400; vgl. o. 4.2). Daneben werden Voten aus Schriften Hutters und Hafenreffers benannt. 233 401–427, hier: 401. 234 „Quae vero & qualis ille sit communicatio, & quomodo fiat, de eo maior, imo unica est concertatio ...“ (402). 231
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onem, quae est in hoc [quarto] genere, non inter naturas, & personam verti, utpote quae nulla est, sed INTER IPSAS | NATURAS IN persona tanquam IN TERMINO unice proprie loquendo consistere“.235 5.2.1.1 Die für diese These beigebrachten Einzelargumente (412–417) zeigen zum einen eindeutig den Einfluß von Gesners Klärung der christologischen Kommunikation. Eine Mitteilung im strikten Sinn kann sich nur vollziehen zwischen real unterschiedenen Instanzen (diversa), die zugleich – da die christologische Mitteilung keinen Austausch zwischen Abständigem meint – doch miteinander verbunden (unita) sind (412). Diesem Doppelkriterium genügt nur das Verhältnis der Naturen zueinander, nicht jedoch die Relation der Naturen zur Person. Person und Naturen sind zwar formal (ratione) unterscheidbar, real (subiecto) aber identisch, denn: persona Christi composita non est tertium quid praeter naturas suas personaliter unitas, sed eaedem illae ambae naturae (410). Die Behauptung einer Mitteilung a natura ad personam implizierte die unsinnige Annahme: „idem sibiipsi communicare“ (410). – Thumms Gegenthese lautet so vollständig: Die Mitteilung vollzieht sich „zwischen den Naturen“, jedoch „in der Person“ als dem ‚Terminus‘ der christologischen Union. Die Person ist wohl Ort (terminus in quo) und Grund (causa) der Idiomenkommunikation, nicht aber deren (rezipierendes) Subjekt.236 Eigene Akzente setzt daneben Thumms Rekurs auf den ordo naturalis der christologischen Einigung und Kommunikation. Die Inkarnation impliziert eine Vermittlung der Naturen und Idiome in der (logischen, nicht chronologischen) Folge: Aneignung menschlicher Bestimmtheiten durch die Gottheit des Logos (1. genus: Idiopoiesis);237 sodann gegenläufig die Mitteilung göttlicher Idiome an die angenommene Menschheit (2. genus: Metadidosis).238 Auf dieser symmetrischen Vermittlung der Eigenschaften beider Naturen ruht schließlich die wechselseitige Kommunikation der Tätigkeiten (actiones; operationes), wie sie das 3. genus, die Koinopoiesis, feststellt.239 235
411|f (Versalierungen Th.). „... persona ... est TERMINUS IN QUO fit communicatio, non subiectum, CUI FIT communicatio. Duae enim naturae, tanquam duo communicationis & unionis subiecta SIBI invicem uniuntur, communicantur & communicant in persona, tanquam in termino ... Persona etiam est quasi causa omnis communicationis. Procul dubio enim propter hanc causam inter divinam & humanam naturam fit communicatio, quia una sunt persona ...“ (410). 237 „Idem ex ordine naturali hujus generis patet. Nam primo omnium dum ο λογος caro factus est, uti essentiam seu naturam humanam assumpsit, sibi intime univit & communem fecit; sic etiam omnia illius assumptae humanae naturae innoxia παθη non suae personae, sed suae NATURAE IN persona tanquam in termino realissime pro modo unionis & communionis naturarum personalis & realis appropriavit, unde fluit ιδιοποιια, seu appropriatio, quae primum genus communicationis Idiomatum nobis constituit“ (412). 238 „... Secundo ο λογος assumendo, sibi uniendo & appropriando humanam naturam, eiusque innoxia παθη, vicissim & reciproce illi assum|pto homini, vel assumptae humanae naturae, uti suam essentiam, sic & omnia sua idiomata & totam Deitatis plenitudinem vere, & realiter communicavit ... per ... personalem participationem, ex qua efflorescit secundum genus communicationis idiomatum, in quo de homine, seu assumpta humana natura vere enunciantur divina, quod genus appellatur a Paulo υπερυψωσις ad Phil.2. a Patribus Ecclesiae βελτιωσις, μεταδοσις, ... hodie communicatio Maiestatis“ (412|f). 239 „Quia autem ο λογος dicto modo sibi appropriavit humana, & vicissim sua communicavit humanae assumptae naturae, ita ut jam sit reciproca (licet non idem modus reci236
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Erst dann kann im Gefälle dieses ordo naturalis, diesen zugleich abschließend, die Rede auf das strittige Genus der praedicatio de tota persona kommen. Nicht weil vorgängig die Idiome der Naturen der ‚ganzen Person‘ attribuiert worden wären, darf dann auf die Idiopoiesis, Metapoiesis und Koinopoiesis geschlossen werden – das stellte den Ordo naturalis auf den Kopf. Vielmehr gilt umgekehrt: „PRIUS principio ordinis fit appropriatio, communicatio [majestatis] & communifactio [operationum], & TUNC demum hic, quartus praedicandi modus, secundum quem utriusque naturae proprietates de tota persona vere & realiter enunciantur“.240 Die Sprachregelung des 4. genus setzt das in sich differenzierte Kommunikationsgeschehen zwischen den Naturen als vorgängig vollzogenes – jam ut facta – unabdingbar, als Bedingung ihrer Möglichkeit, voraus.241
5.2.1.2 Die anstehende Konsequenz dieser klar erfaßten und formulierten ‚ontologischen‘ Rückbindung des 4. Genus an die dem ordo naturalis nach voraufgehenden Genera wird von Thumm eindeutig gezogen. Als Geschehen inter naturas ist die hier prädizierte Mitteilung keine bloße Sprachregelung ohne Sachfundament; auch im 4. Genus handelt es sich um eine ‚communicatio realissima & verissima‘.242 Andererseits kann das zugrundeliegende Sachgeschehen keine vierte Species von Mitteilung neben den in den ersten 3 Genera rubrizierten Kommunikationsvollzügen sein: Die Mitteilung inter naturas vollzieht sich als Bewegung von der menschlichen zur göttlichen Natur (Idiopoiesis) oder gegenläufig als Bewegung von der göttlichen zur menschlichen Natur (Metadosis) oder schließlich als wechprocationis sit ...) communio non tantum inter naturas, divinam & humanam, sed & inter ipsarum attributa atque idiomata, inde adeo etiam ipsae actiones harum naturarum inter se communicant, ita ut nulla actio divina sit αμοιρος humanae, neque ulla humana sit αμοιρος divinae, sed utraque semper & ubique agat, quod sibi proprium cum communicatione alterius. Quae communicatio inde nomen sortita est, ut appelletur κοινωνια seu κοινοποιια ενεργειων, communicatio, seu communifactio operationum“ (413). 240 „Hinc demum quarto loco ordine naturali sequitur hoc praesens praedicandi genus, in quo de tota persona ... utriusque naturae proprietates in distinctis propositionibus enunciantur. Non enim quia utriusque naturae idiomata attribuuntur TOTI PERSONAE, ideo vel λογος sibi APPROPRIAVIT humana, vel sua COMMUNICAVIT assumptae humanae naturae, & utraque agit cum alterius naturae actione, communione, sed vice versa, quia ο λογος APPROPRIAVIT sibi humana, & sua vicissim homini assumpto communicavit, atque exinde utraque natura agit cum alterius communicatione, | inde adeo omnia attributa sive divina, sive humana TOTI personae, quae simul Deus & homo est, adscribuntur; seu non PRIUS ordine naturali TOTI personae utriusque naturae idiomata attribuntur & POSTEA demum fit appropriatio, communicatio & communifactio, sed vice versa potius PRIUS principio ordinis fit appropriatio, communicatio & communifactio, & TUNC demum hic, quartus praedicandi modus, secundum quem utriusque naturae proprietates de tota persona vere & realiter enunciantur“ (413|f). 241 „Unde aperte evincitur, quod haec inter naturas earumque attributa facta communicatio in hoc [quarto] genere jam ut facta praesupponatur & intelligatur, adeoque in hoc ipso etiam genere vere & proprie sit, vigeat, atque attendi debeat“ (414). 242 „... haec communicatio inter naturas, earumque attributa in persona non est verbalis, cui quoad alteram naturam rei nil in resolutione subsit, sed realissima & verissima non minus quam in ιδιοποιησει & communicatione Majestatis“ (417).
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selseitiger Austausch der eigentümlichen Tätigkeiten beider Naturen (communicatio operationum). Damit ist das Feld der Möglichkeiten erschöpft: „quarta aliqua verae communicationis species dari non potest“!243 Mithin prädiziert das 4. Genus entweder überhaupt keine (reale) Mitteilung – eine schon ausgeschlossene Annahme. Die einzige Alternative: Die in diesem besonderen Genus ausgesagte communicatio realis ist in der Sache identisch mit dem in den drei voraufgehenden Genera distinkt entfalteten Mitteilungsgeschehen. Die die Selbständigkeit des 4. Genus begründende Besonderheit ist allein eine formal-perspektivische: Was die jeweils nur eine Teilmenge der christologischen Prädikate umfassenden ersten drei Genera in analytischer Distinktion sukzessiv (distincte) entfalten, kommt im alle Prädikate zulassenden 4. Genus synthetisch-komplexiv (conjunctim) zur Sprache. Die analytische Frage nach dem Wahrheitsgrund eines jeden Satzes des 4. Genus führt darum stets zurück auf je eines der voraufgehenden Genera; umgekehrt ist das dort für sich entfaltete Geschehen hier jeweils ‚implizit‘ ausgesagt.244 Im 4. Genus sind die in den ersten drei Genera distinkt entfalteten Realkommunikationen versammelt, als dessen Fundament. Insofern ist das 4. Genus seinen Vorläufern gegenüber etwas anderes, Viertes. Es bildet aber keinen ‚neuen‘ Kommunikationsvollzug, sondern prädiziert nur in zusammenfassender Perspektive dasselbe Geschehen noch einmal, dessen analytisch-distinkte Entfaltung proprie den vorangehenden Genera obliegt. In dieser Hinsicht ist das 4. genus darum ‚nur‘ ein Modus praedicandi, der seine Begründung in re nur extern, im Rückbezug auf jeweils eines der an243 „Accurate autem hic observandum est, quando docetur, esse in hoc quarto ... communicationis idiomatum genere dicto modo veram & realem communicationem etiam inter ipsas naturas, earumque attributa in persona, non esse hanc nostram senten|tiam, quasi illa esset NOVA aliqua, & ab illa in prioribus generibus explicata realiter distincta communicatio; cum omnis vera & realis communicatio, quae in persona Christi locum habet, fiat vel ab humana natura ad divinam, quae proprie vocatur ιδιοποιησις appropriatio, vel a divina natura ad humanam, quae vocatur μεταδιδοσις communicatio maiestatis, vel inter utriusque naturae proprias operationes, quae vocatur κοινωνια ενεργειων communicatio operationum, quarta aliqua verae communicationis species dari non potest“ (424|f). 244 „Ergo aut nulla est in hoc genere communicatio, aut est eadem illa, QUOAD REM, quae jam in praecedentibus [generibus] est distincte explicata. Non autem esse nullam, sed multo magis verissimam & realissimam ... Ergo eadem illa sit necesse est, differentia solummodo, quoad communicationem, consistit in eo, quod, quae ibi distincte considerantur in appropriatione, communicatione maiestatis & communifactione, ea huic generi conjunctim includuntur. Nam si dico, totus Christus est passus & mortuus, habeo ιδιοποιησιν appropriationem implicitam“ (425); es folgen Beispiele für die in den entsprechenden Sätzen dieses Genus ‚implizierte‘ Koinopoiesis und Metapoiesis (425f; vgl. 509f). – „... eadem communicatio, & nequaquam alia seu diversa, quae ibi in duobus generibus [sc. idiopoiia; metadosis] distincte consideratur, in hoc genere conjunctim locum habet materialiter, in distinctis propositionibus & quasi praesupponitur“ (418; vgl. 507).
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deren Genera, erfährt. Jedoch zielt dieser reduktive Begriff auf die Sicherung des realen Charakters auch der hier allerdings nur ausgesagten Kommunikation – jeder Satz de tota persona ist jeweils auf eine Aussage über eine Kommunikation inter naturas zurückzuführen.245 5.2.1.3 Thumm hat damit die wesentlichen Festlegungen der eingangs zitierten Definition des 4. genus eingeholt. Sein Resümee bilanziert: (1) Weil auch die praedicatio de tota persona von einer realen Kommunikation zwischen den Naturen spricht, wird sie mit zwingendem Recht als – viertes – Genus communicationis gezählt.246 – (2) Weil jedoch die hier ausgesagte communicatio keine weitere, neue Mitteilung neben den Vollzügen der voraufgehenden Genera darstellt, sondern lediglich eben diese in perspektivisch variierter Wahrnehmung materialiter zusammenfaßt, deswegen ist das 4. Genus als (nur) ein Modus praedicandi zu definieren.247 – (3) Weil dieser Prädikationsmodus keine bloße Sprachkonvention (praedicatio verbalis) darstellt, vielmehr auf dem Sachfundament der stets ‚implicite‘ vorausgesetzten communicatio inter naturas aufruht, so daß das von der ganzen Person Prädizierte beiden Naturen zukommt: deswegen bildet das 4. Genus eine im strikten Sinn sachbedingte Aussageweise (praedicandi modus verus & realis).248
245 „Unde etiam, licet omnis vera & realis communicatio in alijs generibus distincte explicata, materialiter hic conveniat; tamen proprie & accurate loquendo non potest appellari NOVUM novae alicuius communicationis genus, aut NOVUS novae alicuius communicationis realis modus, sed potius & verius modus praedicandi, & enunciandi utriusque naturae attributa de persona TOTA, Deo & homine; qui ipse tamen modus praedicandi & enunciandi de TOTA persona utriusque naturae idiomata, fundatus est in ιδιοποιια, μεταποιια & κοινοποιια, quae in antecedentibus generibus jam facta, materialiter tota & omnis hic concurrit. Nisi enim ο λογος assumendo, sibi uniendo & appropriando humanam naturam simul suae naturae realiter appropriasset ejusdem naturae innoxia παθη , & vicissim suae divinae naturae idiomata assumptae humanae naturae communicasset, atque inde utraque natura ageret, quod sibi proprium cum communicatione alterius, sane omnia attributa de tota persona vere enunciari & praedicari non possent, de una quidem per se, de altera vero communicative; quod ipsum tamen cum fiat, omnino, & εξ αναγκης consequitur, ut illa communicatio hic denuo, sed alio respectu, prout videlicet iam utriusque naturae idiomata toti personae, quae simul Deus & homo est, vere & realiter attribuuntur, uni quidem per se, alteri communicative, in considerationem veniat“ (426). 246 „Et huc etiam respeximus in Definitione hujus generis. Nam quia omnino in illo est vera & realis communicatio inter ipsas etiam naturas in persona, ideo communem appellationem retinuimus, quod genus communicationis, & quidem in ordine quartum no|minavimus ...“ (426|f). 247 „Quia autem illa communicatio non est NOVA, sed illa ipsa, quae in antegressis generibus est, ob quam etiam fit, ut utriusque naturae idiomata de tota persona potius vere & recte praedicentur, quam illi communicentur, ideo modum, seu genus utriusque naturae idiomata de tota persona enunciandi, seu praedicandi definivimus ...“ (427). 248 „Quia autem hic modus praedicandi de persona non verbalis est, hoc est, talis, qualem Antagonistae [sc. Gissenses] & Jesuitae fingunt, quo statuunt, idioma ita attribui toti personae, ut tamen alteri naturae vere & realiter ne quidem communicative conveniat, sed orthodoxus, verus, realis & talis, ut idioma aliquod, propter veram, quae hic implicite subest inter ipsas naturas communicationem, toti personae attributum, utrique etiam na-
II. Die Debatte über die Idiomenkommunikation im Kenosis-Streit
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5.2.2 („Qualis … sit praedicatio in hoc Genere?“) – Auf dieselbe differenzierte Zuordnung führt Thumms zweiter Schritt, der die nun berührte Frage der sprachlogischen Struktur der Sätze des 4. Genus eigens thematisiert. 249 Allein der Bezug auf die communicatio realis zwischen den Naturen sichert diesen Sätzen den Status sachbedingter Aussagen (praedicationes reales). Solche Korrespondenz von Sache (res) und Aussage (praedicatio)250 kann allerdings nur modifiziert unterstellt werden. Die fundierende Realkommunikation ist materialiter identisch mit jener Mitteilung, die vorlaufend bereits die ersten drei Genera sequentiell entfalten. Dennoch reduziert sich das 4. Genus sprachlogisch nicht auf eine nur äußerliche Addition der distinkten Klassen idiopoietischer, metapoietischer und koinopoietischer Prädikationen. Seine Sätze sind von eigener Struktur, eben diese Differenz begründet die Besonderung des seinem Sachfundament nach unselbständigen Genus. – Ein einleitender ‚Aphorismus‘ (427) faßt auch hier Thumms These zusammen: (01) Licet hic etiam sit communicatio inter ipsas naturas in persona, (02) tamen quia hoc genus non est NOVUS communicationis, (03) sed NOVUS potius novae tantum praedicationis modus, (04) per quem ea, quae alterutrius tantum naturae pro|pria sunt (05) de tota persona, id est, divina & humana natura personaliter unitis, (06) ob illam praesuppositam, & hic implicite contentam (07) inter ipsas naturas, earumque attributa veram & realem κοινωνιαν (08) vere & realiter enunciantur; (09) eapropter omnis praedicatio in hoc genere fit formaliter (10) neque in concreto, neque de concreto naturae, (11) ut in primo & secundo genere, hoc est, in ιδιοποιια, & μεταποιια, (12) sed tantum in concreto, atque de concreto personae, (13) hoc est, de utraque natura personaliter unitis, (14) non quidem eo modo, quo in tertio genere, κοινωνια videlicet ενεργειων , (15) sed de una [natura] quidem ideo, (16) quia ipsi proprium praedicati loco positum PER SE INEST, (17) de altera vero, 251 (18) quia ipsi vel APPROPRIATIVE, vel COMMUNICATIVE competit.
5.2.2.1 Das einheitliche Subjekt252 aller Sätze des 4. genus ist, so der Konsens der Parteien, die ganze Person in concreto. Grundsätzlich außer Streit steht weiter auch, daß diese tota persona composita nichts Drittes neben den vereinigten Naturen (ambae naturae unitae; Z. 05.13) sei.253 Kontrovers turae vere & realiter, licet diverso modo, conveniat, ideo praedicandi modum verum & realem nominavimus ...“ (427). 249 „De II. Qualis nimirum sit praedicatio in hoc Genere?“ (427–509[!], hier: 427). 250 Vgl. dazu o. E.I.3.1. 251 427|f (Versalierungen Th.; Paragraphierung und Zählung U.W.). 252 Zur Bestimmung des Subjectum der Sätze des 4. Genus vgl. 428–434. 253 Vgl. o. Anm. 184 (J. Feurborn).
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ist aber die Konsequenz, die Thumm aus dieser Realidentität zieht: Das de tota persona Prädizierte kommt dann stets beiden Naturen zu, „wahrhaft und tatsächlich“ (Z. 08), bei jedoch modaler Differenz dieser Betroffenheit – kraft eigenen Wesens (Z. 15f) oder infolge realer Kommunikation; bzw., wie sich auf dem jetzt erreichten Stand der Klärung der Interdependenzen der Genera genauer sagen läßt: Von der ganzen Person prädizierte menschliche Idiome kommen auch der Gottheit zu infolge der Idiopoiesis (appropriative); ihr beigelegte göttliche Prädikate eignen kraft der communicatio Majestatis auch der Menschheit (communicative) (Z. 17f). – Der Bezug auf beide Naturen und erst so auf die ganze Person unterscheidet diese Sätze von den Prädikationen der sachlich stets ‚vorausgesetzten und implizierten‘ idiopoietischen wie metapoietischen Mitteilung (Z. 6f); dort begegnen Aussagen, die formell von nur je einer Natur – konkret gefaßt, aber in ihrem distinkten Gegenüber zur je anderen verstanden – prädizieren (Z. 10f). Diese strikte Unterscheidung scheint Thumm wieder abzuschwächen, wenn er konzediert, daß aufgrund des sachlichen Konnexes auch die idiopoietischen und metapoietischen Sätze in abgeleiteter Weise, ‚secundario & quasi materialiter‘ (433), zum 4. Genus gezählt werden können.254 Doch diese Öffnung schwächt den Widerspruch gegen die Gießener Sicht keineswegs ab. Dort gilt die Prädikation de tota persona als Alternative zur Kommunikation des Idioms an die je wesentliche fremde Natur; diese Realkommunikation zwischen den Naturen wird nur für die communicatio Majestatis zugestanden, eine analog konzipierte Idiopoiesis verworfen. Hingegen zielt Thumms jetzt auch sprachlogische Synopse der Genera gerade auf eine hermeneutische Koppelung dessen, was die Gießener alternativ setzen: Die idiopoietischen und metapoietischen Sätze, die nun sogar ‚sekundäres‘ Heimatrecht im 4. Genus erhalten, legen den normativen Interpretationshorizont der dem 4. Genus primär und formell eigentümlichen praedicationes de tota persona fest. 255
254
„Re|ducuntur ... istiusmodi propositiones [Idiopoiia und Metapoiia; 432], & secundario quasi referuntur etiam ad hoc [quartum] genus, primo ideo, quia hoc genus quasi commune δοχειον & receptaculum omnis communicationis in prioribus generibus facta, & consequenter etiam propositionum in illis generibus contentarum. Secundo, quia illae voces, Deus, filius Dei, Homo, filius hominis [die idiopoietischen/metapoietischen Subjektstermini], licet formaliter alterutram tantum naturam denotent cum connotatione subsistentiae, tamen post semel factam incarnationem & unionem personalem alteram naturam semper etiam materialiter involvunt, ut, quando dico, Filius Dei patitur, non ασαρκος ... sed ενσαρκος intelligitur, sic quando dico, filius hominis omnia conservat, non solius Mariae filius intelligitur ... sed & ipsius Dei viventis filius. Proinde ut concludam, quia hoc genus pro subjecto semper habet totam personam compositam, seu ambas naturas personaliter unitas, ideo omnes & solae illae propositiones, quae in subiecto totam personam constitutam habent, primario & per se huc pertinent; caeterae, quae in subjecto talem terminum habent, qui principaliter & formaliter alteram duntaxat naturam respectu quidem concretionis consideratam, denotat, ut, Deus, filius Dei, Homo, filius hominis, &c. primario & per se, vel ad ιδιοποιησιν, vel ad μεταδοσιν pertinent, secundario tamen & quasi materialiter huc etiam quandoque ab orthodoxis Theologis reducuntur“ (432|f). 255 „Quod dum non observant nostri Antagonistae [Gissenses], sed etiam tales praedicationes, quae subjecti loco voces naturas tantum formaliter significantes, quales sunt,
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5.2.2.2 Als Prädikat256 der Sätze des 4. Genus fungieren sowohl göttliche als auch menschliche Idiome. Diese Duplizität unterscheidet sie erneut von den je homogenen idiopoietischen und metapoietischen Satzklassen, die alternativ nur göttliche oder menschliche Eigentümlichkeiten zulassen. – Andererseits besteht hier auch eine Differenz zu den koinopoietischen Aussagen des (3.) apotelesmatischen Genus. Dort werden zwar auch göttliche und menschliche Prädikate von der ganzen Person ausgesagt, dies jedoch näherhin so, daß sie beiden Naturen zugleich nach deren ‚natürlicher‘ Beschaffenheit zukommen.257 Hingegen unterscheidet der dem 4. Genus eignende Bezug auf beide Naturen in modaler Hinsicht strikt natürliches Zukommen kraft wesentlicher Verfassung und Betroffenheit kraft kommunikativer Vermittlung von Fremdem.258 Λογος, Deus, filius Dei, Homo, filius hominis, Mariae, &c. primario & proprie, ac per se huc referunt, vehementer errant, & per magnam απαιδευσιαν non ferendam generum
communicationis idiomatum introducunt confu|sionem ... Sequitur etiam hinc, falsum & cacodoxum esse, quod ijdem fatentur quidem in propositionibus hujus generis semper compositam, sive totam personam subjecti locum habere, & tamen postmodum has praedicationes ita explicant, ut praedicatum aliquod toti personae attributum, in αναλυσει exclusa altera natura, ad alteram duntaxat in persona naturam (cujus hoc nativum & essentiale est proprium) referant. Nam quia persona non est tertium quid, sed nihil aliud, quam ambae naturae personaliter unitae, impossibile plane est, ut aliquid realiter toti personae adscribatur, ut non simul vere & realiter etiam in αναλυσει utrique naturae, licet diversissimo modo conveniat ...“ (433|f). 256 Zur Bestimmung des praedicatum der Sätze des 4. Genus vgl. 434–444. 257 „... ea, quae utrique naturae simul iuxta naturalem proprietatem competunt, qualia sunt ea, quae ad officium & κοινωνιαν ενεργειων spectant“ (435). – Dazu u. E.III.2. 258 „Sollicite autem hic expendendum est, quod licet praedicata hujus generis, sive sint divina, sive humana propria, contra confusionem naturarum & proprietatum Eutychianam recte | suis naturis, quibus per se competunt, per particulas determinativas ... vindicentur, tamen non tantum hic considerentur & enuncientur, prout suis naturis in persona solummodo sunt naturalia & essentialia, sed etiam prout alteri naturae, cui per se & naturaliter non conveniunt, per personalem participationem sunt communia facta. Liquet id I. Ex praedemonstrata vera & reali communicatione inter ipsas etiam naturas, earumque attributa in hoc genere. Argumentor: Ubicunque non tantum distinctio naturalium atque essentialium proprietatum, sed & earundem inter ipsas naturas vera & realis communicatio viget, ibi, licet propria suis naturis distincte vindicentur, tamen non est tantum modus praedicandi essentialis & naturalis, ut sic loquar, sed etiam COMMUNICATIVUS, hoc est, praedicata ... non tantum hic considerantur & enunciantur, prout suis naturis sunt essentialia & naturalia, sed etiam prout alteri naturae, cui per se, & essentialiter non conveniunt, per personalem participationem sunt communia facta ...“ (435|f). – Gegen den Gießener Rekurs auf die particulae determinativae (distinctivae) stellt Thumm eine entsprechend konträre Interpretation dieser Zusätze (445–454). Unstrittig indizieren sie die wesentliche Begründung des prädizierten Idioms. Diese distinkte Funktion ist indes weder absolut noch exklusiv: Gleichsam via negativa und unausgesprochen – tacite – benennen die Zusätze gerade den Grund und die Modalität der Kommunikation an die andere Natur mit der Folge gemeinschaftlicher Betroffenheit beider Naturen: „hae particulae
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E. Die neue Tübinger Christologie als Zielpunkt schwäbischer Christologie
III. Totus Christus indivisus – Auf dem Weg zum ‚System‘ der neuen Tübinger Christologie III. Auf dem Weg zum ‚System‘ der neuen Tübinger Christologie
Das die schwäbische Revision der konkordistischen Idiomenkommunikation leitende Verständnis der Personeinheit als Kommunikation der vereinigten Naturen, wie es in dem Kanon der Realidentität von Person und Naturen seinen prägnanten Ausdruck findet, hat mit Thumms Repetitio seine konsistente Ausarbeitung erfahren, gut zwei Jahrzehnte nach M. Schaefers entscheidenden Vorstößen von 1602.259 Befördert durch die (Wieder-)Entdeckung und produktive Aneignung der Folgerungen, die noch einmal früher S. Gesner (1595) aus dem Begriff ‚wahrer‘ Kommunikation gezogen hatte,260 kommt die „hermeneutische Sanierung“261 des 1.Genus der FC zum definitiven Abschluß. Die restriktive Interpretation der praedicatio de tota persona als ‚nur‘ eines spezifischen Aussagemodus, der sein Sachfundament allein in der diesem Genus externen, ihm vorlaufenden Realkommunikation von Idiopoiesis und Metapoiesis habe, ist der 1624 konzis formulierte entscheidende Erkenntnisgewinn Thumms. Er führt nicht nur über die rezipierten Vorlagen noch einmal hinaus, sondern korrigiert auch eigene Unklarheiten, wie sie nur wenige Jahre zuvor v.a. der Erstentwurf der Majestas von 1620 dokumentierte. Erst am Ziel dieses erneuten ‚Lernprozesses‘ bereits nach Ausbruch der kenotischen Kontroverse ist der lange ‚Weg zur klassischen Tübinger Christologie‘ (J. Baur) vollständig absoldeterminativae ... praedicatis hujus generis adduntur, non quidem, ut alteram naturam, cui praedicatum per se non competit, a reali illius participatione & communione, etiam in resolutione, excludant, sed potius ut includant, & veram communicationem tacite monstrent, ac simul etiam modum aperiant, secundum quem utrique naturae illud praedicatum conveniat, nempe uni per modum proprietatis nativae essentialiter, alteri per modum communicationis personaliter, adeoque naturas, earumque proprietates in ipsa etiam unione & communicatione salvas esse ostendant atque distinguant“ (445; auch hier rezipiert Thumm – ausdrückliche – Festlegungen Gesners, 445f = GESNER, Disputationes, 1595b, Disp. 12, Th. 34ff/312–314). Die Wendung gegen die Gießener: „Mera tergiversatio est & Crypto-Calvinisticus cothurnus, alteram naturam in concreto per has particulas non excludi, sed solummodo in abstracto [Gießener These]. Nam hoc nihil aliud est dicere ex ipsorum [Gissensium] mente, quam hoc: Alteram personae naturam, cui proprium praedicati loco positum, per se atque essentialiter non competit, non excludi a persona illa, quae subsistit etiam in altera natura, cui proprium illud per se competit, & ab ipsa etiam illa natura non avelli atque segregari: Atqui hoc non est in quaestione, neque ullus Calvinianorum unquam tam absurdus fuit, ut HOC MODO exclusivas illas particulas esse voluerit. Hoc autem duntaxat semper quaesitum est, an illae particulae alteram naturam in persona a reali communione & personali par|ticipatione attributi alterius naturae proprij excludant? Ibi Orthodoxi semper negative responderunt …“ (446–452, hier: 451|f). 259 Vgl. o. D.I.6; D.IV.2. 260 Vgl. o. D.II.5; auch: D.IV.6. 261 J. B AUR, 2007, 281–285, hier: 282, bezogen auf S .Gesner.
III. Auf dem Weg zum ‚System‘ der neuen Tübinger Christologie
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viert – es ist nunmehr jener Begriff der Person Christi erarbeitet und konsistent expliziert, den die 1619 vorgetragene These zur omnipraesentia carnis impliziert und der umgekehrt diese These notwendig fordert: die Person ‚ist‘ ‚nichts anderes‘ als der – darum ohne ‚exceptio‘ kontinuierliche – Vollzug wechselseitiger Teilgabe und Teilhabe von Gott und Mensch. 1. Zur christologischen Konkretion Die nun klar erfaßte und präzise formulierte Einsicht bringt Thumm stringent auch in der Darstellung weiterer Topoi zur Geltung. – Hierzu zählt die Frage der christologischen Konkreta und Abstrakta. Die Basis der Klärung, mit der Thumm die Analyse des dem 4. Genus eigentümlichen Prädikationsmodus abschließt,262 bilden die extensiv, doch anonym zitierten Festlegungen B. Meisners, die durch rahmende und interpolierte Zusätze auf das Tübinger Verständnis hin ‚akzentuiert‘ – korrigiert – werden.263 Nachdrücklich eingefordert wird die Freiheit des theologischen Begriffs gegenüber den philosophischen Bestimmungen und der sprachlichen Gestalt der fraglichen Termini. Semantisch entscheidend ist allein deren theologische Verwendung, die ‚ziemlich oft‘ vom philosophischen oder grammatischen Verständnis abweiche – „SENSUS Theologicus attendendus est“!264 Die concreta Personae,265 auf denen in der Kontroverse mit den Gießern über das 1. Genus (der FC) der Fokus liegt, bezeichnen unstreitig die ganze Person aus beiden Naturen.266 Doch wird diese Grundbestimmung da „in einem sehr verschiedenen Sinn“ ver-
262 Repetitio, 1624, 454–509 (!; folgende Belegangaben hierauf bezogen); vgl. o. E.II. 5.2. – Zur christologischen ‚Abstraktion‘ vgl. zusammenhängend o. D.III. 263 Repetitio, 1624, 455–459 zitiert anonym Meisners Analysen der ‚grammatischen‘, ‚physischen‘, ‚logischen‘ und ‚scholastischen‘ Verwendung der Termini (MEISNER, Philosophia Sobria 1613, I, 696–703; vgl. o. D.III.6.1); für die ‚theologische‘ Verwendung geht Thumm dann noch einmal eigene Wege. 264 „Antequam autem ostendam, quid & quotuplex sit concretum & abstractum Theologicum in articulo de persona Christi, quatuor aphorismi mihi praemittendi sunt, qui ad veram hujus doctrinae intelligentiam plurimum conducunt. Primus hic esto: Legitimus usus vocabulorum abstracti & concreti e Grammaticis, Logicis & Philosphicis non nisi analogice, & consequenter plene & plane cognosci non potest. … Secundus Aphorismus: Saepiuscule in Theologicis & articulo de persona Christi aliquid est concretum, quod in Philosophicis atque Logicis est abstractum; & vicissim ibi est abstractum, quod hic est concretum … | Tertius Aphorismus: Quando scire volumus, utrum aliquid sit abstractum an concretum in Theologicis, tunc non apices syllabarum & litterarum grammatice; aut abstracta vel concreta significatio Philosophica respicienda, sed SENSUS Theologicus attendendus est, qui saepe concretivus est, licet verba Logice abstractive sonent, & vicissim abstractivus, ubi verba Grammatice seu Logice concretive sonant ...“ (459|f). – Thumms völlige Entkopplung von Sprachgestalt und Semantik revidiert die gegenläufige Restriktion, die Meisner seiner Vorlage (S. Gesner) angedeihen ließ (o. D.III.6.4). 265 Repetitio, 1624, 460–471. 266 Die Grundbestimmung wieder im anonymen Anschluß an Meisner, aber erneut mit ‚einordnendem‘ Vorspann (= die [geklammerte] Passage): „Concreta PERSONAE [sunt, quibus concreta, hoc est, TOTA persona Christi (quae ambae naturae est) exprimitur,
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standen,267 wo jene tota persona nicht ‚praecise‘ mit den vereinigten Naturen selbst identifiziert, sondern als etwas diesen gegenüber Drittes, subiecto Differentes und für sich Seiendes begriffen wird – als hypostatischer Träger, in dem beide Naturen subsistieren und dem sie jeweils ihre Idiome mitteilen, ohne jedoch untereinander einer Kommunikation zu unterliegen.268 Diesem traditionell bei den nestorianischen, calvinistischen und jesuitischen Abweichungen heimischen „höchst gefährlichen Irrtum“ 269 einer Restriktion auf Wesensbezüge im Zentrum der Christologie seien faktisch auch die Gießener Kontrahenten beigetreten: „Totum dogma Mentzerianum eo tendit, quod TOTI personae sive concreto personae ita aliquid attribui possit, ut tamen non ad utramque naturam, ad unam quidem PER SE, ad alteram vero per implicitam iam ante factam COMMUNICATIONEM vel APPROPRIATIONEM realem, sed ad unam so|lummodo, illam videlicet, cui per se competit, illud realiter pertineat …“.270 Hingegen identifiziert der Tübinger Begriff des concretum personae dieses ‚Ganze‘ der Person ohne Einschränkung mit den vereinigten Naturen selbst. Die Person ist kein Tertium, sondern als hypostatisches principium unionis nur terminus in quo und fundamentum der Kommunikation der Naturen; was von ihr, der ‚konkreten‘ Person, prädiziert wird, gilt darum je von beiden Naturen, bei nur modaler Differenz.271 Dem Verdacht, als dieser Terminus in quo verstanden sei die Person nun doch selbstwidersprüchlich als ein tertium gedacht,272 begegnet Thumm, einmal mehr breit Gesner zitierend, mit der Expli-
seu] sunt ejusmodi vocabula, quae notant ambas naturas in una Christi υποστασει subsistentes, ideoque significant, nempe naturas, & consignificant, nempe υποστασιν “ (460). 267 „… hoc concretum personae ab omnibus quidem, etiam haereticis, Nestorianis, Jesuitis, Calvinianis & alijs admittitur, sed valde diverso sensu ...“ (462). 268 „... hoc concretum personae, quoad rem, non praecise ipsas tantum ambas naturas personaliter unitas … sed aliquid veluti tertium, a naturis duabus quasi subjecto distinctum esse judicant, in quo utraque natura sit unita, & quod utraque participet, ita tamen, ut naturae illae solummodo communicant illi uni compositae personae, quam utraque natura participat, ipsis autem naturis nulla realis (licet aliqua ratione communis hypostasis) intercedat communicatio“ (462–465, hier: 462). 269 „... Et in hoc ipso luto atque periculissimo sane errore intricate haerent, prohdolor! etiam nostri Antagonistae, quicquid etiam verbis contra praetendant …“ (465). 270 Repetitio, 1624, 466|f. 271 „Sic igitur … statuendum, quod licet persona του λογου a natura divina του λογου, ratione & relatione, tamen non subjecto differat, quodque adeo consequenter persona Christi nequaquam sit quiddam tertium praeter naturas, sed duae naturae, divina & humana, unitae constituant & absolvant unam & indivisam personam Christi, quae persona Christi nil prorsus aliud sit, quam duae naturae, divina & humana, personaliter unitae. … | Quod autem de persona dictum, quod illa non sit tertium aut aliud quid a naturis, idem de concreto personae sentiendum est, quod videlicet illud non tertium quid, sed ipsas ambas naturas unitas indigitet, & consequenter, quod quicquid in concreto personae vel de concreto personae dicatur, idem de ambabus naturis, licet diverso modo, recte enuncietur ...“ (468|f; vgl. 471 [zitiert u. Anm. 273]). 272 „Obijci posset, nos ipsos etiam tertium quid e persona Christi constituere, cum saepius dicamus, personam esse veluti principium unionis & caput communicationis, quod utraque natura participet, & veluti terminum, IN QUO duae naturae, tanquam fundamenta uniantur & communicent ...“ (469). Auch dies ist Aufnahme des entsprechenden Selbsteinwandes Gesners, vgl. o. [D.] Anm. 843. 844, D.IV.6.2(.2).
III. Auf dem Weg zum ‚System‘ der neuen Tübinger Christologie
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kation der Binnenstruktur der Personeinheit im Rekurs auf die Relationskategorie.273 Person und Naturen sind wohl unterschieden als fundamentum und terminus der unio; doch dieses Gegenüber meint keine reale (subiecto) Differenz, sondern bezeichnet zwei differente Status der Naturen selbst: beide zusammen bilden sowohl das Fundament als auch den Terminus der unio personalis.274
2. ‚Concatenata κοινωνια‘ – Die apotelesmatische Kommunikation Die in der Repetitio präzise formulierte rekursive Verschränkung der praedicatio de tota persona mit der hier ‚vorausgesetzten‘ und ‚implizierten‘ symmetrischen Kommunikation zwischen den Naturen (1. Genus: Idiopoiesis, 2. Genus: Metapoiesis) bestimmt dann auch Thumms Erläuterung des koinopoietischen 3. Genus der Idiomenkommunikation.275 2.1 Gerade die Koinopoiesis fordert notwendig noch einmal die besondere Aufmerksamkeit der Tübinger. Wie das 4., so hat auch dieses 3. Genus als Subjekt die ganze Person aus beiden Naturen, erneut stellt sich die Aufgabe der ‚hermeneutischen Sanierung‘.276 Eben hier hat auch die in der Debatte mit Gießen zentral strittige Frage ihren schulmäßigen Ort: ‚Einige‘ verstehen dieses Genus „nicht unbeträchtlich anders als wir“, wenn sie die 273 Repetitio, 1624, 469–471; hier mit ausgewiesenem Zitat von GESNER, Confessio, 1595a, 82–85 (vgl. o. D.IV.6.2.2–4), mündend in die den Passus über das concretum Personae abschließende Zusammenfassung: „Hactenus D. Gesnerus, praeclare indicans, quomodo, si maxime dicatur orthodoxo sensu, personam esse terminum, in quo naturae uniantur & communicent, inde tamen non sequatur, personam esse velut tertium quoddam a naturis distinctum subiectum, in quod utraque natura sua propria conferat, & quod utraque participet, sed nihilominus firmum & immotum perstet, personam Christi, & consequenter, concretum personae nihil aliud esse, quam duas naturas personaliter unitas, & proinde de persona vel concreto personae enunciari nil posse, nisi illud de ambabus naturis, licet diverso modo, vere tamen & realiter enunciari intelligatur ...“ (471). 274 Repetitio, 1624, 470 = GESNER, Confessio, 1595a, 83f; vgl. o. D.IV.6.2.4. 275 „Tertium Genus ... est vera & realis utriusque naturae in Christo ενεργειων Κοινωνια, quando neutra agit disiunctim vel solitarie, sed unite ad unum αποτελεσμα producendum: ubi Christus in officio suo triplici, Prophetico, Sacerdotali & Regio τα ανθρωπινα θεικως , & τα θεικα perficit ανθρωπινωσ[!], ita, ut nec ενεργεια divina humanae, nec humana divinae sit αμοιροσ[!], sed unaquaeque agat cum communicatione, quod cuique proprium, seu uti Liber Concordiae loquitur: Was anlangt die Verrichtung deß Ampts Christi/ da handelt vnd wu(e)rcket die Persohn nicht in/ mit/ durch oder nach einer natur allein/ sondern in/ nach/ mit vnd durch beede naturen/ oder wie daß Concilium Chalcedonense redet eine Natur wu(e)rcket mit gemeinschafft der andern/ was einer jeden aigenschafft ist: Also ist Christus unser Mittler/ Erlo(e)ser/ KÖNIG/ Hoherpriester/ Haupthu(e)rt & c. nicht nach einer Natur ALLEIN, es seye die Go(e)ttliche oder die Menschliche/ sondern nach BEEDEN naturen/ &c. [= FC SD VIII 46f; BSLK 1031,32–44]. Vocatur Κοινοποιια, κοινωνια αποτελεσματων και ενεργειων. Propter hoc officium facta est duarum naturarum unio, κοινωνια & περιχωρησις, sicut Epistol. ad Hebr. C.2.v.14.17. docet ...“ (Repetitio, 1624, 114–206. 352–392 [vgl. o. Anm. 225], hier: 114). 276 Vgl. o. bei u. mit Anm. 261.
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energetische Gemeinschaft der Naturen zwar für das officium Sacerdotale (und Propheticum) annehmen, für das officium Regium hingegen eine Mitwirkung der Menschheit Christi ausschließen, grundsätzlich oder jedenfalls für den Stand der Entäußerung, mit Ausnahme allenfalls des partikularen regimen Ecclesiae.277 Demgegenüber behaupten die Tübinger für schlechthin alle actiones officiales die uneingeschränkte und kontinuierliche Kommunikation der Naturen.278 2.1.1 Der präzisen Markierung der positionellen Differenz wie der Entfaltung der eigenen konstruktiven These dient die vorgängige Klärung der relevanten Termini technici.279 Zu unterscheiden sind: 1. unum agens principale: persona;280 2. duo principia ενεργουντα: naturae (unitae);281 3. duo agere (velle, intelligere) earundem naturarum; 282 4. una perfecta & absoluta ενεργεια/actio (intellectio, volitio) θεανδρικη ex συνδρομη utriusque natu-
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„Nonnulli tertium hoc communicationis idiomatum genus … in statu praesertim humiliationis, non exaltationis, haud paulo aliter, quam nos, & quidem tribus potissimum modis, intelligunt. Quidam enim illud de officio solummodo Sacerdotali explicant, contendentes, regulam hanc de illis duntaxat officij agere operibus & apotelesmatis, ob quae unio duarum naturarum primo & per se facta sit, quae etiam ab alterutra natura, sive divina sive humana, seorsim aut separatim perfici non potuissent, & ad quae utraque natura ex actu proprio concurrere queat, veluti pro peccatis nostris mori: morte sua expiare hominum peccata: obedientia sua promereri remissionem peccatorum … Longe vero aliam rationem officij Christi REGII esse dictant. Ob illud enim unionem naturarum primo & per se non esse factam, naturam etiam divinam seu filium Dei per se solum officium illud, absque concursu humanae naturae, peragere posse, humanam item naturam in regimine Mundi ex propriis agere [|117] nil valere, sicut in officio mediatorio. … Alii vero, quia expresse in definitione hujus generis habetur, Christum in hoc genere non tantum esse nostrum Redemptorem & Mediatorem, sed etiam nostrum REGEM, admittunt quidem, hanc regulam non tantum sonare de officio Sacerdotali & Prophetico, verum etiam de REGIO; sed tamen statum exinanitionis, in quo Christus usum universalem, divinae communicatae Majestatis juxta humanam naturam suspendit, ut posset pati & mori, excipi debere autumant, nil repugnantes, si illa in statu exaltationis & sessionis ad dexteram DEI maiestatice gloriosae in omni officio & actionibus quoque officialibus urgeatur … [|118] … Quidam ... dicunt, esse illam [regulam] intelligendam tempore humiliationis de officio redemptorio, & PARTE TANTUM OFFICII REGII, hoc est, de regimine in Ecclesia, quam Christus etiam tempore exininationis non tantum IN, CUM, PER atque SECUNDUM unam duntaxat, sive divinam sive humanam, sed IN, CUM, PER atque SECUNDUM utramque naturam colligat, verbo, Sacramentis spiritualiter illuminet, vivificet, regat, sanctificet, beet, &c. a quo tamen particulari & spirituali Ecclesiae regimine, ad dominium rerum omnium universale firmiter procedere non licet ...“ (116–118). 278 „… quod a primo puncto conceptionis vera & realis naturalium & propriorum utriusque naturae in Christo omnium ενεργειων officialium κοινωνια fuerit indivisa, ad triplicis officii Christi … αποτελεσματα producendum“ (122). 279 Vgl. Repetitio, 1624, 114f; 196f; 198f. – Diese Distinktionen folgen den klassischen Vorgaben des Damasceners: Expositio fidei III, 15 (= 59); vgl. u. 2.2. 280 114; vgl.: unica persona ενεργουσα, agens proprie (197). 281 114; duo ενεργητικα principia (197). 282 115; Ipsum το ενεργειν sive agere duplex (196); duo distincta agere (197).
III. Auf dem Weg zum ‚System‘ der neuen Tübinger Christologie
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rae proprii agere;283 5. αποτελεσμα (effectum) commune ex illa unita operatione seu εν284 εργεια. – Im präzisen Sinn extern handelnd (Agens proprie) ist, weil allein konkret existierend, die eine Person Christi (unica persona ενεργουσα).285 Diese aber umschließt mit den Naturen zwei idiomatisch distinkte Wirkvermögen (duo ενεργητικα principia agendi, suis proprietatibus distincta), welchen zwei Prinzipien zwei ebenso distinkte Klassen von Tätigkeiten (duo distincta agere) samt den diesen korrespondierenden Erkenntnisvollzügen (intelligere) und Willensakten (velle) entspringen.286 Doch sind die bleibend distinkten Naturen zugleich in der einen Person perichoretisch vermittelt; diese ihnen als den agendi principia widerfahrende ‚intima & realissima κοινωνια‘ schließt ohne Einschränkung auch ihre jeweiligen Betätigungen ein: „etiam τα ενεργειν (intelligere, velle, operari) utriusque huius principii per περιχωρησιν … absque ulla confusione coeunt & uniuntur“.287 Solche Perichorese auch der jeweiligen Tätigkeiten (der Naturen) resultiert dann weiter in der Konstituierung der nun einen ‚theandrischen‘ Actio (Intellectio, Volitio)288, die als solche keiner Natur für sich allein zukommt, sondern beiden gemeinsam ist; sie wiederum setzt schließlich nach außen das jeweilige αποτελεσμα. 289
2.1.2 Die koinopoietische Kommunikation gilt nach Thumm nicht erst den apotelesmata oder den theandrischen actiones; denn beide sind als solche schon beiden Naturen gemeinsam (communes), nicht nur einer Natur eigentümlich (proprium).290 Vielmehr meint die hier prädizierte Mitteilung des je ‚Eigenen‘ (sibi proprium) dezidiert schon das beiden Naturen je eigentümliche Tun (proprium agere) selbst, welche Kommunikation dann die theandrische Synthese setzt.291 Diese Deutung fordere die in Chalcedon ap283
196; unica actio, volitio, intellectio (115); una perfecta & absoluta actio, Intellectio & Volitio, divino-humana & humano-divina (198). 284 196f, vgl. 198; unum commune opus (115). 285 Zum folgenden vgl. bes. Repetitio, 1624, 197f, wo die grundsätzlichen Bestimmungen für die Streitfrage des regimen totius universi catholicum exemplifiziert werden. 286 „… agere seu operari, pro dualitate principiorum agendi in persona Christi, divinae videlicet & humanae naturae, itidem duplex est“ (196). 287 Repetitio, 1624, 197; zum hier Elidierten vgl. gleich u. 2.2.2. 288 „... oriatur inde una perfecta & absoluta actio, INTELLECTIO & VOLITIO, neque divina solum, neque humana solum, sed θεανδρικη η ανδροθεικη, divino-humana & humano-divina“ (197). 289 Im entfalteten Beispiel: „Regnum … potentiae neque divine solum neque humane solum, sed per talem intellectionem, volitio|nem & operationem administratum quae ex συνδρομη utriusque naturae proprii intelligere, velle, operari per περιχωρησιν & intimam κοινωνιαν facta est“ (197|f). 290 „non hic est sensus, quod vel apotelesmata sive actiones θεανδρικαι ex συνδρομη utriusque naturae proprio agere ortae communicentur vere & proprie ab una natura ad alteram in persona Christi. Nam & apotelesmata, ut talia, sunt communia utrique naturae, neque alterutri propria, & actiones etiam θεανδρικαι, ut tales, neque divinae solum, neque humanae solum, sed utrique naturae COMMUNES sunt; proinde etiam ut tales in persona a natura ad naturam, vere & proprie loquendo, communicari non possunt“ (198). 291 „Intelligenda est autem illa κοινωνια sive communicatio de proprio agere utriusque naturae, de intelligere videlicet divino, intelligere humano, de velle divino & velle humano, de operari divino & operari humano; Inter haec enim sane talis est & tam intima Unio, περιχωρησις & communio, ut per illam eorundem veram & realissimam unionem
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probierte regula Leonis: „quod semper in officiis peragendis Christus in, cum, per atque secundum utramque naturam agat unaquavis natura agente quod sibi proprium cum alterius communione“.292 Diese Tübinger Lesart Chalcedons hat ihre Pointe in einer ausweitenden Fassung des proprium-Begriffs. Das in der altkirchlichen Regel benannte proprium agere der Naturen umfaßt hier nicht nur das diesen kraft jeweiligem Wesen Eigentümliche. Nach diesem Maßstab wäre ein ‚Eigenbeitrag‘ (ex propriis concurrere) der ‚an sich‘ beschränkten Menschheit in der Durchführung des unendlichen Weltregiments gar nicht zu begründen.293 Ein solcher läßt sich allein denken, wenn, analog zur Neu-Interpretation der praedicatio de tota persona, auch das koinopoietische 3. Genus rekursiv mit jener (idiopoietischen resp. metapoietischen) Kommunikation verbunden wird, welche die ersten beiden Genera zuvor entfalten. Der nach Maßgabe des wesentlich Möglichen vom königlichen Amt Christi ausgeschlossenen Menschheit294 widerfährt vorlaufend die Mitteilung der göttlichen Majestät (Metapoiesis); so wird ihr menschliches Wirkvermögen ‚erhöht‘, gewinnt sie Anteil an dem göttlichen Wirkvermögen und kann nun – sie selbst! – am Weltregiment mitwirken: „concurrit autem, quia ipsius actus naturalis per antegressam communicationem Majestatis iam est superexaltatus“!295 Weil die Perichorese der Naturen (principia agendi) notwendig auch die Perichorese der darin begründeten Tätigkeiten (agere, actio) einschließt, wird die Erhöhung des actus naturalis der Menschheit konkret in der Erhöhung der diesem entspringenden einzelnen Akte; der idiomatischen Vermittlung der Naturen folgt die energetische Perichorese: „ideo etiam τα ενεργειν, intelligere, velle & operari utriusque huius principii per περιχωρησιν in ipso intelligendo, volendo & operando, ita absque ulla confusione coeunt & uniuntur, ut τω intelligere, velle, & operari humanae naturae per το intelligere, velle, operari divinae naturae superexaltato, per intimam & realissimam κοινωνιαν, qualis est etiam inter ipsas naturas earundemque Idiomata …, oriatur inde una perfecta & absoluta actio, INTELLECTIO & VOLITIO, neque divina solum, neque humana solum, sed θεανδρικη η ανδροθεικη, divino-humana & humano-divina“ (197).
& communionem & περιχωρησιν unica absque ulla confusione in Persona Christi fiat intellectio divino-humana, volitio divino-humana & actio divino-humana. Manet itaque, quod respiciendo non ad apotelesmata vel ipsas actiones quasi compositas & absolutas, ut tales, sed ad ipsa agere utriusque naturae propria, verissima in hoc genere fit communicatio“ (198). 292 Repetitio, 1624, 189f; vgl. 183. 188. 190. 199. 293 „Unicum hic obijci dubium possit, quomodo videlicet fieri possit, ut humana natura ex propriis etiam concurrere possit ad istius modi infinitos effectus producendos [sc. Regimen universi], cum finita ipsa sit?“ (199) 294 „... sibi soli relicta concurrere non posset“ (199)! 295 Repetitio, 1624, 199. – Der Begriff des actus (primus) kennzeichnet das Sein einer Substanz, insofern dieses Prinzip von Wirksamkeit ist (o. [D.] Anm. 746).
III. Auf dem Weg zum ‚System‘ der neuen Tübinger Christologie
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Und es ist dieses ihr aus der vorgängigen metapoietischen Kommunikation als Fremdes ‚zugekommene‘ (Vermögen und) Tun, das die Menschheit Christi als ihr ‚nun‘ Eigenes (proprium!), genauer: Eigen-Gewordenes296 in den koinopoietischen concursus der Naturen einbringt und kraft dessen sie am göttlichen Weltregiment teilhat.297 2.2 Thumms Erläuterung der koinopoietischen Vermittlung knüpft zwar an die Vorgabe des Damasceners an,298 formuliert im Ergebnis aber eine einschneidende Korrektur. Denn auch die lutherische Rezeption des altkirchlichen Erbes vor und neben Thumm faßt, homophon mit der Vorlage, nicht nur das agere (ενεργειν), sondern auch noch die ενεργεια als diakritische, der Naturendualität zugeordnete Kategorie, wenn sie darunter den – sachlich mit dem agere (ενεργειν)299 identischen – einzelnen Vollzug (actio; efficax naturae motus) göttlichen oder menschlichen Tuns versteht, der in der Konstitution eines entsprechenden ενεργημα resultiert, verstanden als das durch dieses Tun Bewirkte (actus; actionis absolutio, res ipsa gesta).300 296 Vgl.: ‚iam‘, bei Anm. 295. 297. Zur Ausweitung des Proprium-Begriffs auf das durch Mitteilung/Aneignung Eigen-Gewordene: Repetitio, 1624, 281; u. Anm. 308. 297 „... Si Christus etiam[…] quoad officium suum REGIUM NUNQUAM & NUSQUAM agit aut operatur, in, cum aut per unam naturam TANTUM, sed semper in, cum, & per atque secundum UTRAMQUE Naturam, unaquavis agente quod sibi proprium, cum κοινωνια alterius, sequitur, quod idem etiam in statu humiliationis non in aut per divinam naturam TANTUM, sed etiam in atque per humanam naturam, evectam quidem illam, & iam per communicatam Majestatem in operatione sua superexaltatam, adeoque juxta UTRAMQUE naturam gubernaverit non tantum Ecclesiam, sed & coelum atque terram“ (157). 298 De Fide orthodoxa III, 15 (= 59). Zu divergierenden lutherischen Rezeptionen vor und neben Thumm vgl. die u. Anm. 300 notierten Belege. 299 Vgl. die gleich genannten Belege (Anm. 300), die das ενεργειν gar nicht eigens aufführen, sondern den Handlungsvollzug terminologisch mit ενεργεια fassen. 300 Neben Mentzers Differenzierungen (o. [B.] Anm. 157) vgl. als repräsentative Beispiele: (1.) B. MEISNER, Christologias Sacrae Disputatio. XV. De Secundo Communicationis Idiomatum Genere, 1619, benutzt nach dem Neuabdruck: Disputationes, 1624b, 205 –216): „Et ut sententiam nostram paulo clarius proponamus, distinguimus cum Damasc. lib. 3. c.15. inter ενεργουν, ενεργητικον, ενεργειαν, ενεργημα & αποτελεσμα: primum notat personam agentem. 2. actionis principium. 3. efficacem naturae motum. 4. Proprium cuiusque naturae effectum. 5. actionem salutarem, ex utraque utriusque naturae naturali operatione, promanantem, quae neque pure humana, nec pure di|vina; sed humani divina, & divini humana, ideoque a Damasc. c.19. θεανδρικη appellata ex Dionysio ...“ (29/ [2]10|f). – Homophon (2.) die entsprechende Passage in J. G ERHARDs Neubearbeitung der Christologie in der Exegesis von 1625: Auch wenn diese ausführliche Behandlung eines Themas, über das die Erstfassung von 1610 schwieg (vgl. Lc. 5, p. 3, c. 5, § 77–82; 1610, 725–727 = ed. COTTA, I, 348b–349b), Folge allein der durchgehenden Ausweitung der Neubearbeitung sein sollte – der Sache nach widerspricht Gerhard hier der im Vorjahr publizierten These in Thumms Repetitio: „Caeterum cum opera officii ita de Christo secundum utramque naturam praedicentur, ut naturarum discrimen salvum atque integrum maneat, notandum est ex Damasceno libr.3 de orth. fid. c.15. discrimen inter ενερ-
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E. Die neue Tübinger Christologie als Zielpunkt schwäbischer Christologie
Erst auf dieser letzten, resultativen Ebene kommen die bis dahin als Vollzug (actio, ενεργεια) und Resultat (actus, ενεργημα) distinkten Handlungen der Naturen zusammen, als die Synthese des jeweiligen menschlichen und göttlichen ενεργημα zum gottmenschlichen αποτελεσμα im strikten Sinn.301 Erst und allein dieser additiven Synthese des apotelesma eignet in einem präzisen Sinn das Prädikat des ‚Theandrischen‘. Freilich überschreiten alle lutherischen Theologen die altkirchliche Vorgabe dadurch, daß sie eine in der vorgängigen communicatio Majestatis fundierte Teilhabe der Menschheit bereits am göttlichen Tun (ενεργειν, ενεργεια) vertreten und so die dort scharf gezogene Grenze zwischen idiomatisch distinktem Vollzug (actio) und theandrischem Resultat (actus) der Handlung durchbrechen. Doch diese rekursive Verknüpfung mit der communicatio Majestatis bezeichnet, auf der Basis der Vorgaben M. Chemnitz’, nicht das strukturelle Muster der Koinopoiesis, sondern nur deren partielle Ergänzung. 302 Regulär ist γειαν και αποτελεσμα. Duas, inquit, ενεργειας dicimus in Christo, habuit enim ut Deus et Patri ομοουσιος similiter et aequaliter την θειαν ενεργειαν et ut homo factus ac nobis ομοουσιος humanae naturae ενεργειαν . Sciendum vero, quod aliud sit ενεργεια, et aliud ενεργητικον, et aliud ενεγημα, et aliud ο ενεργων . Ενεργεια actio quidem est η δραστικη και ουσιωδης της φυσεως κινησις, efficax et substantialis naturae motus; ερνεργητικον activum est η φυσις, natura ipsa, ex qua prodit ενεργεια; ενεργημα actus est, το της ενεργειας αποτελεσμα, actionis absolutio, et res ipsa gesta. Ενεργων Agens, ο κεχρημενος τη ενεργεια ητοι η υποστασις, quod utitur actione, id est hypostasis. Dicitur etiam η ενεργεια ενεργημα και το ενεργημα ενεργεια ... Sciendum quod ενεργεια sit κινησις και μαλ λον ενεργειται η ενεργει, ει δε ενεργεια εστιν, ενεργητησεται δηλονοτι και ουκ ενεργησει και ομου τω ενεργηθηναι παυσεται , siquidem actio est, agetur, scilicet non aget, et simul
atque acta fuerit, quiescit ...“ (Ex. Lc. IV, § 284; PREUSS, tom. 1, 588b). 301 So wird J.A. QUENSTEDT die beim Damascener und dessen Rezipienten nicht immer randscharf abgrenzten Bestimmungen näher sortieren: „Terminus ενεργειας vel opus inde natum & productum est vel ενεργημα, vel αποτελεσμα. Ενεργημα est effectum ενεργειας unius naturae, & quidem divinae divinum, humanae humanum, v.g. Ενεργημα seu effectum naturae divinae est vita mundi, ενεργημα seu effectum naturae humanae est passio, effusus sangvis, mors. Αποτελεσμα est effectum utrique naturae commune, ex distincto, non tamen in operando diviso, Divinae & Humanae Naturae energemate quasi compositum, h. e. est opus commune, ex communicativo & intimo naturarum confluxu resultans, sive ad quod producendum utriusque naturae operationes concurrunt, unde Damascenus ex Dionysio appellat opus Θεανδρικον, h.e. Dei-virile, sive opus divino-humanum, quia scil. utraque natura unita hic agit“ (Theologia Didactico-Polemica, [1685=] 1691, p. III, c. III, m. I, s. I, Th. XCVI [III, 105b]). 302 Eine prinzipielle Verknüpfung von Koinopoiesis und Idiomenkommunikation müßte symmetrisch entworfen sein, setzte mithin die Idiopoiesis im Tübinger Sinn (Betroffenheit der göttlichen Natur) voraus. Auf konkordistischer Basis bleibt dagegen auch eine formal symmetrische Verknüpfung von energetischer und idiomatischer Kommunikation, wie sie etwa bei Quenstedt begegnet, der Sache nach asymmetrisch. Die Teilhabe der göttlichen Natur am menschlichen Tun ist hier immer nur eine über die ganze Person vermittelte, keine direkte Betroffenheit der natura divina; so bleibt auch die These einer Vermittlung der operationes selbst – nicht erst im Effekt – hinsichtlich der natura divina ohne sachliches Fundament: „Modus agendi consistit in communicatione operationum utriusque naturae. Nota I. Optime B. Dannhawerus Hodosoph. Phaenom. IIX. pag. 675.
III. Auf dem Weg zum ‚System‘ der neuen Tübinger Christologie
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das theandrische apotelesma als additive Synthese der erst hier vermittelten ‚Effekte‘ göttlichen und menschlichen Tuns gedacht; die Einheit des Handelns gründet in der Einheit der Person, die als das nach außen tätige eine subjectum quod durch die beiden Naturen als die zwei subjecta quibus handelt.
2.3 Demgegenüber reserviert Thumm das Prädikat der theandrischen Synthese nicht303 erst dem finalen αποτελεσμα, sondern zieht es schon auf die Modus, inquit, est communicativo-appropriativus. λογος sibi appropriat humanitatis operationes, ut iisdem suam communicet vim, ut sit una communis per summam περιχωρησιν operatio Theandrica, divino-humana, ditans paupertas, sangvis divinus, passio victoriosa, mors vivifica. Non fluunt hic operationes seorsim, ut duo rivuli a duobus fontibus, sed ut a gladio ignito sectio urens, & ustio secans. Nota. II. Habet quaelibet Natura suas proprias ενεργειας, propter distinctionem naturarum, quae salva & integra manet etiam in ipsa unione, sed non habet actiones separatas, ita ut divina agat seorsim & separatim sine humanitate, & humana natura agat sine divinitate, sed propter του ενεργουντος, seu personae operantis identitatem & communionem ipsarum naturaru[m] actiones considerari debent, non tantum ut naturales sunt, sed etiam ut communicationem habent invicem, quae non in eo solum consistit, quod utraque natura in una persona simul agat, neque in eo solum, quod ex utraque actione, divina & humana emergat unum αποτελεσμα & effectum commune, sed in eo quoque, quod sicut ipsa τα ενεργητικα scil. naturae, unde actiones proveniunt, arctissimam κοινωνιαν inter se habent, ita etiam ipsae ενεργιαι communionem habeant, sic, ut Christus quoad divinam naturam non tantum divina operetur, sed & per ιδιοποιιαν, seu primum genus communicationis idiomatum, mediante hypostasi appropriet sibi humanitatis actiones & passiones, & ut humana natura non tantum ea, quae Humanitatis sunt, operetur, sed & divina agat ex virtute divina per unionem hypostaticam sibi communicata. Dico mediante υποστασει appropriat sibi humanitatis actiones & passiones, neque enim dicendum, Natura divina effundit sangvinem, patitur, moritur, sicuti dicitur natura humana vivificat, operatur miracula, gubernat omnia; sed DEUS effundit sangvinem, patitur, moritur. [|Th. XCIIX/106b] Fundamentum Communicationis huius est vel remotum, vel propinquum. Remotum est Personae unitas, & Naturarum communicatio: Propinquum, appropriatio hypostatica, de qua in primo Genere, & μεταποιησις seu communicatio maiestatis, de qua in secundo Genere agitur. Nota; Fundamentum remotum, inquam, est Personae unitas, & Naturarum communicatio; ex priori fluit unitas & communitas αποτελεσματος ex altero vero operationum, unite unum opus efficientium, concursus, & Κοινωνια. Et hoc est, quod in Concilio Chalcedonensi definitum est; Utramque scil. naturam in Christo in officiis Mediatoriis agere, quod cuiusque proprium est, sed cum communicatione alterius, scil. naturae. Fundamentum propinquum est ιδιοποιησις seu appropriatio hypostatica, qua ο λογος naturae humanae actiones & passiones sibi appropriat, de qua in primo Genere, & μεταποιησις, seu communicatio maiestatis, quam humana Christi natura in tempore accepit, de qua in secundo Genere actum. Summa horum omnium haec est; Humana Christi natura in operibus Officii non tantum operatur, quae sibi propria sunt, per essentiales suas proprietates, sed etiam quae vere divina sunt, non quidem per virtutem propriam, sed sibi communicatam maiestatem scil. Deitatis, cuius organum unitum & ευχρηστον est natura humana. Ita divina natura[!?– vgl. die dies dementierende Distinktion; o.] non tantum agit, quod suum est, i. e. divine & divinas operationes, sed etiam sibi appropriat humanae naturae operationes & personaliter eas perficit“ (QUENSTEDT, 1691, p. III, c. III, m. I, s. I, Th. XCVII. XCVIII [III, 106a|b]). 303 Zu notieren sind gewisse ‚Unschärfen‘; vgl. etwa Repetitio, 1624, 114f mit 196ff.
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E. Die neue Tübinger Christologie als Zielpunkt schwäbischer Christologie
diesem vorgegeordnete Ebene der ενεργεια, von der so konsequenterweise – im jeweiligen Fall – nur im Singular die Rede sein kann. Diese Differenz könnte von geringem Gewicht scheinen, insofern die idiomatische Dualität für die Handlungsvollzüge selbst (agere duplex) ja festgestellt wird und Thumm unter diesem Terminus des agere faßt, was andere lutherische Theologen als Inhalt (erst) der ενεργεια(ι) bestimmen.304 Tatsächlich aber bedeutet diese Verschiebung einen weitreichenden Schritt, erneut in der Konsequenz der Grundentscheidung: Das vor dem Hintergrund seines altkirchlichen Verwendungszusammenhangs305 prima facie recht irritierende Konzept der einen (singularischen) ‚theandrischen Energie‘, verstanden als Synthese bereits der Handlungsvollzüge, indiziert die strikte Umsetzung des Konzeptes der Perichorese, die im Tübinger Sinn als symmetrische Vermittlung der Naturen konzipiert ist, welche erst die Einheit der Person und damit auch des Handelns dieser Person konstituiert.306 Die von Thumm geltend gemachte theandrische Einheit bereits der energeia gründet in der ihr wiederum vorgelagerten Vermittlung schon der idiomatisch distinkten Handlungsvollzüge (agere): Begründet in der Perichorese der Naturen (= principia agendi; subjecta quibus), die ihrerseits Folge und Gestalt von deren Verknüpfung zur Identität der Person (= subjectum quod) ist, kommt es zur perichoretischen Vermittlung der Handlungsvollzüge (agere – im Plural) selbst, die im Sein der jeweiligen Natur ihren Ursprung haben: Das menschliche resp. göttliche Tun wird stets von der je wesensfremden Natur mitvollzogen, ohne daß dabei seine ‚ur-sprüngliche‘ Fundierung in der jeweils wesensaffinen Natur aufgehoben würde. Das ontologische Muster der Perichorese, das durch eben diese Simultaneität von Bewahrung und Überschreitung essentieller Identität charakterisiert ist, ist so konsequent über die Ebene des ‚Seins‘ der Naturen hinaus für die damit emanativ ‚verketteten‘307 Ebenen des ‚Vermögens‘ und dann des ‚Tuns‘ zur Geltung gebracht. Aus der Perichorese der Naturen folgt die Kommunikation der Idiome (in der symmetrischen Doppelbewegung von Idiopoiesis und Metapoiesis) und weiterhin auch der darin begründeten Tätigkeiten (als Aktualisierungen des mit den Idiomen gesetzten Vermögens). Die Koinopoiesis ist insoweit nur die energetische ‚Außenseite‘ der idiomatischen Vermittlung – die göttliche Natur ist (via Idiopoiesis) vermitteltes Subjekt des menschlichen agere, die Menschheit (via Metapoiesis) vermitteltes Subjekt des göttlichen Tuns. Damit ist der ‚reduktive‘ Begriff der Person (ενεργων) als „nichts anderes“ als die Kommunikation
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Vgl. die Texte o. Anm. 300. 301. Das (ps.dionysische) „Zauberwort von der neuen gottmenschlichen Tätigkeit (καινη θεανδρικη ενεργεια)“ wurde von dem monophysitischen ‚Anti-Chalcedonier‘ Severus von Antiochien rezipiert und „als konsequente Ausdeutung der Mia-Physis-Formel betrachtet“ (GRILLMEIER, 2/2; 17–185, bes. 171–183, hier: 180). – Zu Severus vgl., ‚einfühlender‘, E LERT, 1957, 156–158. Ferner: BEYSCHLAG, 1991, II, 164–170, bes. 168f. 306 Zum Konzept der Perichorese vgl. o. D.IV.5. 307 „uti enim in Christo unica est hypostasis, ita in unica hac υποστασει realis & indivisa 1. Est κοινωνια naturarum, 2. κοινωνια ιδιωματων , 3. Κοινωνια ενεργειων ; quicunque iam indivisam hanc & concatenatam κοινωνιαν naturarum, ιδιωματων & ενεργειων, non illaesam, indivisam & indissolubilem servat, is cum Calvinianis & Iesuitis ad Nestorij transit castra ...“ (THUMM, Ταπεινωσιγραφια, 1623, 284). 305
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der Naturen (ενεργητικα) nun konsequent auch für das Tun dieser Person zur Geltung gebracht: diese ist, da kein Drittes gegenüber ihren Naturen, das subjectum quod allen Tuns ‚nur‘ als Vollzug der Kommunikation ihrer subjecta quibus und dann weiter der daraus emergierenden Tätigkeiten.
2.4 Wenn Thumm den theandrischen Charakter schon der Handlungen (εν εργιαι, actiones) des Amtes Christi behauptet, heißt das nicht, daß diese an sich, als Handlungsvollzug (agere), gott-menschlich qualifiziert wären. Die von der Person ausgesagten Handlungen sind als solche, auf ihre Qualität hin betrachtet, göttlich oder menschlich. Theandrisch heißen sie deshalb, weil das an sich je rein göttliche oder menschliche Tun ohne zeitliche oder sachliche Einschränkung von der göttlichen und der menschlichen Natur gemeinsam vollzogen wird. Das agere divinum hat nicht nur die wesensaffine natura divina zum Subjekt, sondern ebenso auch die wesenskonträre natura humana – aufgrund der vorlaufenden Metapoiesis; Entsprechendes gilt vice versa für das agere humanum, das nicht allein von der Menschheit Christi, sondern, aufgrund der vorlaufenden Idiopoiesis, auch von der göttlichen Natur des Logos vollzogen wird. Solche Duplizität der Handlungssubjekte bedeutet weder eine Spaltung der Person noch auch eine Verdoppelung des jeweiligen agere. Dieses bleibt vielmehr eines und identisch, – deshalb, weil diese idiomatisch distinkten Subjekte der Naturen zugleich perichoretisch vermittelt sind: die Handlungssubjektivität der je wesenskonträren Natur ist so immer nur MitVollzug – durch vorgängiges Empfangen oder Aneignung vermittelte Teilnahme an einem Tun, das seiner Begründung nach bleibend allein der je anderen wesensaffinen Natur zugehört. Kraft der vorgängigen perichoretischen Vermittlung der principia agendi ist dieser Mit-Vollzug aber dezidiert der Mit-Vollzug auch seitens der wesensfremden Natur, nicht allein deren instrumentelle Inanspruchnahme nach Maßgabe des ihr wesentlich Möglichen oder deren bloße Kopräsenz. Das via vorgängiger Metapoiesis konstituierte göttliche Tun der natura humana ist als Teilhabe am Tun des Logos doch zugleich deren proprium agere; das kraft vorgängiger Idiopoiesis mögliche menschliche Tun des Logos ist als Teilnahme am Tun und Geschick der Menschheit zugleich dessen proprium agere.308 308
Für diese symmetrische Durchführung der Koinopoiesis auch für die göttliche Natur des Logos (dazu genauer u. 4.2), vgl. Repetitio, 1624, 281, wo Thumm im Ausgang von einem der zentralen theopaschitischen Belege, Ac 20, 28 – „Deus PROPRIO sanguine suam acquisivit Ecclesiam“ –, die Erweiterung des Proprium-Begriffs für die göttliche Natur des Logos durchführt: „ubi duo observanda; 1. tum subiectum, tum praedicatum, quorum utrumque θεικον , 2 . λογον in eo, cum eo, & per id, quod sibi ιδικον , seu PROPRIVM, opus redemptionis peregisse: hinc ita colligo. 1. Quicquid affirmatur de λογω secundum id, quod est ipsi ιδικον seu PROPRIVM, id sane λογω ipsi verissime & realissime competit. Atqui passio ιλαστικη de λογω affirmatur secundum id, quod est ipsi ιδικον seu proprium. Ergo passio ιλαστικη λογω ipsi verissime & realissime competit. 2. Sangu-
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E. Die neue Tübinger Christologie als Zielpunkt schwäbischer Christologie
Die Perichorese der Naturen stellt sicher, daß dieses insoweit ‚doppelte‘ proprium agere nicht die Verdoppelung des Tuns (actio) selbst induziert: Eben die mit dieser Perichorese der Naturen zwingend ‚verkettete‘ (concatenata κοινωνια) Vermittlung auch des duplex (proprium) agere zur Einheit einer actio bildet das Thema des koinopoietischen Genus.309 3. ‚Amant modos loquendi Nestorizantium …‘?310 3.1 Mit der in der Repetitio vorgelegten Entfaltung hat Thumm auch die Durchführung des Heilswerkes durch die ganze Person von dem kommunikativen Begriff der unio personalis her normiert: tätiges Subjekt aller actus officiales ist die ganze Person nur im Vollzug der Kommunikation ihrer Naturen. Die energetische Kommunikation der Naturen bildet gleichsam die Außenseite der idiomatischen Vermittlung; die Koinopoiesis ist letztlich nichts anderes als die Reformulierung der vorlaufenden metapoietischen und idiopoietischen Mitteilung im Blick auf das Handeln der ‚reduktiv‘, als Vollzug der Perichorese ihrer Naturen, interpretierten Person. Damit wird die Kontinuität und Aktualität der energetischen Kommunikation der Naturen zur Bedingung der Einheit der Person selbst. 3.2 Von entscheidendem Gewicht ist dieser Konnex für die zwischen Tübingen und Gießen zentral strittige Frage einer Mitwirkung der Menschheit Christi im Stand der Entäußerung. Die hier einschlägigen Theoreme in Thumms Ταπεινωσιγραφια (1623) folgen einem einheitlichen Muster, das anhand der These zur Partizipation der Menschheit Christi an der Allmacht vorgestellt sei: is, & passio per sanguinem peracta, του λογου fuit propria, aut per naturam, aut per veram & realem ιδιοποιησιν και κοινωνιαν; non per naturam: Deus enim est Spiritus, Joh. 4.v.24. carnem & ossa non habens, Luc. 24.v.39. Ergo per veram & realem ιδιοποιησιν και κοινωνιαν “. – Was Thumm hier theologisch reklamiert, formuliert in philosophischer Perspektive das Konzept eines ‚proprium appropriatum‘ (J. Hoecker – „proprium faciunt non proprium“ [B. Keckermann]; vgl. o. [D.] Anm. 241). Vgl. auch das ebenfalls in Bezug auf Ac 20,28 entwickelte Argument B. Meisners: „adiunctum, non quidem proprium, tamen appropriatum, λογω non ουσιωδως, sed υποστατικως, non κατ’ ουσιαν , sed καθ’ ενωσιν conveniens ...“ (Philosophia Sobria, 1611, I, 316). 309 ‚Agit utraque natura, quod sibi proprium est‘ – so akzentuiert die Tübinger Lesart der Regula Leonis: „Et si quis forte putet, hoc novum & nostrum commentum esse, is, quaesumus, cogitet & perpendat, quod omnia haec, quae hic a nobis dicta sunt, distincte, adeoq[ue] expressis etiam verbis habeantur in hac regula Leonis, a Synodo Chalcedonensi approbata … Nam 1. regula dicit: Vtraque forma (natura) AGIT: Ergo duplex est agere in qualibet actione Christi officiali, ob duplicitatem agendi principiorum in persona Christi. 2. Ait: utraque forma agit, quod sibi PROPRIVM: Ergo illa agere, in officijs peragendis, naturis sunt PROPRIA. 3. Addit: utraque forma agit quod proprium, CVM COMMUNIONE alterius: Ergo ipsa agere utriusque naturae communionem inter se habent; & consequenter, vera & propria est in hoc genere communicatio... “ (199). 310 C. Lechner; vgl. o. [D.] Anm. 687.
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– Christus homo in officio suo Sacerdotali propter nos quoad se reflexe retrahendo usum communicatae & possessae omnipotentiae toto quidem humiliationis tempore revera infirmus fuit idem tamen in officio suo Regio toto eodem tempore, a primo conceptionis puncto divinam sibi per unionem personalem communicatam Omnipotentiam in operibus ad creaturis directis …| – unà cum assumente λογω indivise exeruit & usurpavit.311
Auffällig, aber für die schwäbische Christologie nicht erst seit 1619 charakteristisch, ist die Rede vom Christus homo als Handlungssubjekt. Nur mit dieser prima facie nestorianisch anmutenden Formulierung ist aussagbar, was die Personeinheit ist: symmetrische Neubestimmung von Gott und Mensch, die zwar beiden allein aufgrund und in der Personeinheit,312 aber in dieser Koexistenz doch ihnen selbst widerfährt. Dieser Intention trug die Ausbildung eines konkreten Naturbegriffs Rechnung,313 in welchem Sinn auch die Termini ‚(Christus) Homo assumptus‘314 und ‚Logos assumens‘ verwendet werden. Die christologische Neubestimmung von Gott und Mensch meint keine wesentliche Veränderung beider; als concreta naturarum verstanden werden Gott und Mensch nur als ‚Teile‘ des allein subsistierenden Ganzen der Person prädiziert. Die christologische Veränderung besteht nicht an sich, sondern nur im und als Vollzug von Teilnahme (Idiopoiesis) und Teilgabe (Metapoiesis). Allein in dieser kommunikativen Vermittlung der Naturen wird möglich und wirklich, was im jeweiligen Wesen keine Begründung findet: der Christus homo vollzieht das allgegenwärtige Weltregiment „unà cum assumente λογω“. Dieses unà cum ist Indikator der als Perichorese näherbestimmten Personeinheit, in der Gott und Mensch zugleich in essentieller Differenz (cum; Index einer zweistelligen Relation) und existentieller Einheit (unà) da sind. Die Prädizierung der Kooperation von Homo assumptus und Logos assumens mittels dieses ‚cum-perichoreticum‘ verknüpft nicht sekundär, eutychianisch kompensierend, zwei zuvor nestorianisch getrenn311 Ταπεινωσιγραφια, 1623, (Theorema IX) 625–723, hier: 625f (Paragraphierung U. W.); vgl. entsprechend: 724. 758. 800. 829. 841. Im folgenden sind zunächst die Bestimmungen zum Subjekt (Christus homo / idem – unà cum assumente λογω) von Interesse; zu den hier begegnenden weiteren Spezifikationen vgl. u. E.III.4.1.2. 312 Die ‚Person‘ nur als ‚causa‘ und ‚terminus in quo‘ der Kommunikation: E.II.5.2. 313 Vgl. dazu o. D.III.1; E.III.1. 314 Vgl., statt anderem, die Klarstellungen T HUMM, Repetitio, 1624, Praef. b3 v–c3 v.
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te Subjekte,315 sondern die polaren Bestimmungsgrößen der als Kommunikation werdenden Einheit, der Synthese von Hingabe und Anteilgabe im Vollzug gemeinsamer Geschichte. Die Subjektivierung des Homo Assumptus abstrahiert insofern von deren Vollzugsgestalt, als sie diesen Prozeß in der Perspektive nur einer der polaren Bestimmungsgrößen formuliert (formal: das concretum naturae ‚homo‘ ist, relativ zum Ganzen der Person, abstrakt – abstractum personae316). Aber nur in dieser isolierenden Fokussierung ist aussagbar, was diese Geschichte ‚konkret‘ ist – die Neubestimmung von Wesen kraft gemeinsamer Koexistenz mit essentiell Fremden, die als neue Wirklichkeit ontologisch gleichgewichtig neben die als solche persistierende Wirklichkeit der Wesensdifferenz tritt. 3.3 Ebensowenig wie die Perichorese zu einer nestorianisierenden Auflösung der unio personalis führt, introduziert sie innerhalb der so konstituierten Personeinheit eine ‚Verdoppelung‘ der Handlungsvollzüge. Die bei Thumms Erläuterung der Koinopoiesis begegnende Rede, der actus naturalis der Menschheit werde qua kommunizierter Majestas divina ‚erhöht‘,317 meint nicht die Duplizierung solcher Majestät mit der Folge einer parallelen Existenz je im Geber und im Empfänger. Gegen diese ihr von Anfang an angeheftete Verdächtigung hat die lutherische, zumal schwäbische Christologie stets die strikte Identität von divinitas communicans und divinitas communicata (J. Brenz)318 betont; im aktuellen Kontext: der durch (metapoietische) ‚Erhöhung‘ konstituierte actus personalis der menschlichen Natur ist ‚materialiter‘ identisch mit dem actus naturalis der göttlichen Natur.319 Entsprechend signifiziert die ‚Erhöhung‘ nicht eine Transformation von Wesen, sondern die Teilhabe des essentiell Unveränderten am koexistierenden Anderen. Zur anderen Seite gilt: der actus naturalis der Menschheit bildet kraft der idiopoietischen Vermittlung den actus personalis der Logos.320 Die materiale Kongruenz bei nur modaler Differenz der Teilhabe (durch Wesen einerseits; durch idiopoietische resp. metapoietische Kommunikation andererseits) ist genauer Ausdruck der Perichorese, als welche die Personeinheit ist: vollständige Durchdringung und Gemeinschaft ohne Aufhebung der essentiellen Bezüge.321 In sprachlogischer Hinsicht hat diese ontologische Verschränkung zur Folge, daß jede Aussage über Sein und Handeln der inkarnierten Gottheit immer zugleich eine entsprechende Aussage 315
Vgl. Th. Bezas Vorwurf einer Mischung ‚konträrer Häresien‘ (o. D.I.1.1/2). Vgl. o. D.III.1.2/3 (Th. Wegelin); D.III.5.2 (S. Gesner); D.III.6.3 (B. Meisner). 317 Vgl. o. E.III.2.2.2. 318 J. BRENZ, De Majestate Christi, 340,21–23. Vgl. MAHLMANN, 1970, 253–259. 319 Zu dieser Terminologie und Unterscheidung vgl. o. D.IV.2.2.2.1. 320 Zu dieser exorbitanten Behauptung vgl. weiter u. E.III.4.2.1. 321 Vgl. dazu zusammenhängend o. D.IV.4. 316
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über die angenommene Menschheit impliziert und in diese unter Wahrung ihres Wahrheitswertes transformiert kann und muß: was von dem Logos actu naturali gilt, gilt vom Homo assumptus actu personali; das dem Menschen actu naturali Eignende wird dem Logos actu personali zugeschrieben.322 Der Wechsel des Subjektes bedeutet insofern ‚nur‘ den Wechsel der Perspektive auf das eine und einheitliche Geschehen der Personeinheit – die durch Hingabe und Teilgabe konstituierte Einheit von Gott und Mensch in der Übernahme einer Geschichte und eines Geschicks, in der nun Göttliches als Menschliches, Menschliches als Göttliches begegnet. Die als solche perennierende Differenz von Mensch und Gott besitzt dann keine trennende Funktion mehr, sie ist hier aufgehoben in die Polarität der „Bestimmungsgrößen einer einheitlichen Geschichte“: unum omnia.323 4. „... vere incarnatus est“324 – Die Entäußerung Christi Aus der Bestimmung der Personeinheit als Vollzug der Kommunikation der Naturen, wie sie mit Thumms abschließender Fassung der Idiomenkommunikation ihre konsistente Durchführung findet, folgen ‚notwendig‘ die in der Auseinandersetzung mit Gießen vorrangig umstrittenen Thesen über die uneingeschränkte Teilhabe auch der entäußerten Menschheit Christi an der göttlichen Majestät. ‚Ist‘ die Person im strikten Sinne der Prozeß der Kommunikation ihrer Naturen, dann bildet die Kontinuität dieser Kommunikation die conditio sine qua non der Integrität der Person selbst; dies schließt auch das gemeinsame Handeln der Naturen ein. Da auf der Basis der tradierten Bestimmungen von Wesen und Attributen Gottes eine – auch trinitätstheologisch ruinöse – Sistierung des göttlichen Tuns durch den Logos ausgeschlossen ist, realisiert sich die energetische Kongruenz der Na322
Formalisiert: Ist ‚N‘/‚P‘ ein – aktuales – Prädikat aufgrund des (jeweiligen) actus Naturalis/Personalis, so gilt: N(Logos) ↔ P(Homo); N(Homo) ↔ P(Logos). Ontologisches Fundament der ersten Äquivalenz ist die Metapoiesis, das der zweiten die Idiopoiesis. – Ausgenommen davon sind die Aussagen über die Konstitution der Personeinheit, die unaufhebbar einem einlinigen Richtungssinn (assumere, assumi) unterliegt; sowie, post unitionem, jene Aussagen, welche die ‚reine‘ Differenz von Gott und Mensch als das Gegenüber von ungeschaffenem und geschaffenem Sein prädizieren. 323 Die problematisch klingende Formel ‚unum omnia‘ meint nicht die Aufhebung distinkter Identitäten in beziehungslose Indifferenz, sondern pointiert – als Kurzfassung der Perichorese (o. D.IV.4) – die Vorbehaltlosigkeit der Vermittlung per se konträrer Bestimmungen, dergestalt, daß „die Zweiheit von Gottheit und Menschheit dem Status eines bloßen Nebeneinanders entnommen, menschliche und göttliche Natur gleichsam ‚denaturalisiert‘ und zu Bestimmungsgrößen einer einheitlichen Geschichte erklärt werden, die im Namen Jesu Christi sich zsammenfaßt und in Kreuz und Auferstehung sich vollendet“ (G. WENZ, 1986, II, 398 Anm. 79, hier unmittelbar bezogen auf den Entwurf von Brenz). – Zu diesen Zusammenhängen vgl. weiter u. F.II.4; F.III. 324 T HUMM, Repetitio, 1624, 163. – Zum Kontext vgl. u. bei Anm. 364.
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turen als kontinuierliche Teilhabe der Menschheit an allen Majestätseigenschaften, – präzise in derjenigen Bestimmtheit, wie diese qua Wesen auch dem Logos zu eigen sind und von ihm gebraucht werden.325 Das Sein der Person Christi im Stand der Entäußerung ist so durch ein striktes Simul von Niedrigkeit und Hoheit bestimmt: „Christum θεανθρωπον in exinanitionis statu & servum & Dominum fuisse“.326 Die einheitliche Geschichte der Person Christi bildet dann ein in sich zuhöchst gespanntes Geschehen, das polare Gegensätze vereint. Und dies näherhin in der Weise, daß sich die Antithetik nicht auf die Dualität der Naturen hin sortiert, sondern strikt von ein- und demselben Subjekt simultan prädiziert wird. Unus idemque: derselbe Mensch Christus, der Leid und Tod erfährt, partizipiert zugleich an der göttlichen Hoheit – ‚Christus homo toto quidem humiliationis tempore revera infirmus fuit, idem tamen toto eodem tempore divinam Omnipotentiam una cum assumente λογω indivise exeruit & usurpavit‘.327 4.1 „... & servum & Dominum fuisse“ Diese Vermittlung des per se Unvereinbaren – von ‚Schwarz und Weiß‘328 – zu denken, stellt das zentrale konstruktive Problem der neuen Tübinger Christologie dar. Auch hier gelingt erst den großen Streitschriften Th. Thumms ein abschließendes Wort. Die jetzt vorgetragene Erläuterung der Entäußerung Christi geht nicht nur über J. Brenz,329 sondern auch über die früheren Voten Lc. Osianders zu Beginn der kenotischen Debatte330 noch einmal einen wesentlichen Schritt hinaus. Sie ‚ergänzt‘ das dort vertretene ‚noetische‘ Konzept der ‚Verbergung‘ (occultatio, κρυψις) des Gebrauchs der Majestät nun um die Behauptung eines spezifischen Verzichts (evacuatio, κενωσις) im Majestätsgebrauch, ohne damit jedoch die Fundamentalthese der vollen und kontinuierlichen Partizipation der Menschheit am Sein und Tun des Logos einschränken zu wollen. 4.1.1 Möglich wird dieser dann das ‚System‘ der Tübinger Christologie zum Abschluß bringende Fort-Schritt dadurch, daß Thumm in die Fassung 325
Zu diesem der Kenotik geknüpften ‚Knoten‘ (M. Nicolai) vgl. o. C.IV.1.2.2.3. So die pointierte Formulierung im Titel von T HUMMs Assertio: Assertio SANAE ET ORTHODOXAE DOCTRINAE DE EXINANITIONE CHRISTI Θεανθρωπου, In qua e Scriptura sacra & Orthodoxae Ecclesiae consensu demonstratur, Christum θεανθρωπον in exinanitionis statu & servum & Dominum fuisse (Tübingen, 11.12. Mai 1621). 327 T HUMM, Ταπεινωσιγραφια, 1623, 625f (gerafft); vgl. o. bei Anm. 311. 328 Vgl. o. bei u. mit [C.] Anm. 621 (Z. Ursin). 329 Den Fortschritt gegenüber J. Brenz notiert zutreffend BRANDY in seinem kurzen „Ausblick auf die Tübinger ‚Kryptiker‘“, 1991, 223–225. 330 Vgl. o. C.II.3.1.3.2/3; C.II.3.2.3.5; C.II.3.2.4.2. Vgl. auch den hierauf bezogenen ‚Ausgleichsversuch‘: THUMM, Ταπεινωσιγραφια, 1623, 109. 326
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der Entäußerung zwei Differenzierungen neu einführt: die Unterscheidung (1.) der ‚Ämter‘ Christi sowie (2.) der ‚Richtung‘ des Majestätsgebrauchs. Die eindrücklichsten Formulierungen dieser Einsicht bieten die einschlägigen Abschnitte in Thumms Ταπεινωσιγραφια von 1623. In einem weit ausgreifenden Ausbau der schon mit der knappen Assertio von 1621331 skizzierten ‚Programm-These‘332 unternimmt es dieses „opus magnum der Tübinger Christologie“,333 den mit Mentzer und Feurborn ausgefochtenen Dissens in Sachen Allgegenwart und Weltherrschaft der Menschheit Christi auch während des Standes der Entäußerung334 konsequent im Horizont der nun umfassend335 ansetzenden Frage nach dem adäquaten Begriff der Erniedrigung – Humiliatio336 (ταπεινωσις) – derselben Menschheit zu ent331
Vgl. o. bei u. mit Anm. 326. „Quanquam vero Christi nostri θεανθρωπου majestatem, in distinctis disputationibus … asseruerimus, officiumque ejus triplex a varijs corruptelis brevi, (volente Domino) vindicaturi simus; placet tamen pro tempore & loco, breviter & quasi aphoristicam de Statu exinanitionis Christi, occasione dicti Phil.2.v.4.& seq. quod sedes articuli hujus propria & primaria est, exhibere διασκεψιν, ac in ea propter apparentes nonnullas Orthodoxorum αντιλογιας demonstrare: hominem Christum … a puncto conceptionis, non tantum δυναμει, potentia & κτησει seu possessione, sed in omnibus etiam ijs, incarnationis finem non impedentibus, χρησει quoque, exercitio & usu majestatis, omnipotentem & omnisapientem Deum personaliter fuisse, majestatemque suam in creaturis, omnipotenter & omnisapienter gubernandis, exeruisse ...“ (Assertio, 1621, 3/2). 333 J. B AUR, 1993h, 256; vgl. o. Anm. 204. 334 Vgl. die sorgfältige Fixierung des Status quaestionis, Ταπεινωσιγραφια 1623 (folgende Belegangaben hierauf bezogen), 196–199, mit der Bilanz: „Brevius: An exinanitio vera & realis Christum hominem propinquitate substantiali a suis creaturis absentem faciat, operationesque Christi in officio suo regio ita in naturas dividat, ut ο Λογος quidem omnia operetur, atque coelum & terram gubernet, humana autem illius natura quiescat, nec INDIVISE ad illas του Λογου universales operationes, vi secundi generis communicationis idiomatum in Formul. Concordiae descripti, concurrat?“ (199). 335 Thumm entwickelt zunächst den allgemeinen Begriff der Erniedrigung (De humiliatione in genere, 200: Theor. I–III, 201–286), der dann im Blick auf die einzelnen göttlichen Idiome ‚dekliniert‘ wird (De singulis idiomatis, de quorum USU respectu carnis Christi in exinanitione dubitatur, 200): omnipraesentia: Theor. IV–VII, 286–547[!]; omniscientia: Theor. VIII, 547–625; omnipotentia: Theor. IX, 625–723; opulentia: Theor. X, 724–758; adorabilitas: Theor. XI, 758–800; virtus vivificandi: Theor. XII, 800–829; potestas judicii: Theor. XIII, 829–840; gloria & majestas: Theor. XIV, 841–863. 336 Thumm verwendet jetzt (1623) gezielt diesen auf Phil 2,8 (εταπεινωσεν ) rekurrierenden Terminus ‚humiliatio‘ spezifisch zur Bezeichnung des Ganzen (complexim seu collective sumpta) der ‚Erniedrigung‘ Christi anstelle des etablierten Ausdrucks κενωσις (evacuatio; Phil 2,7): letzterer werde zwar traditionell als Generalbegriff der Entäußerung gebraucht, bezeichne aber präzise genommen nur ein Teilmoment derselben; der Verzicht auf diese synecdochische Verwendung vermeide unnötige Irritationen in der Festlegung des Status controversiae der Debatte mit den Gießenern (so etwa Feurborns Protest gegen die vermeintliche Tübinger Beschreibung der Kenose als bloßer occultatio). Zur Benennung des Ganzen der Erniedrigung sei der ‚kollektive‘ Terminus ‚humiliatio‘ darum vorzuziehen: „Ταπεινωσεως seu HUMILIATIONIS vocabulum ... est generale, & non tantum 332
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falten. Die mit der doppelten Tübinger Affirmation337 allerdings behauptete Simultaneität konträrer Bestimmungen – „Christum θεανθρωπον in exinaunicum Actum, ut Exinanitio, sed omnia ad primam illam Christi in terris conditionem | pertinentia, συλληβδην, collective comprehendit ...“ (209–213, Zitat 211|f). Diese dann schon in den Titel der Ταπεινωσιγραφια(!) eingehende (Ταπεινωσιγραφια Sacra, hoc est Repetitio Sanae et Orthodoxae Doctrinae de Humiliatione Christi Θεανθρωπου ...) terminologische Präzisierung bedeutet auch eine Selbstkorrektur Thumms; in der Titelformulierung der Assertio von 1621 (o. Anm. 326) wird als Bezeichnung des Ganzen der Entäußerung noch ‚exinanitio‘ verwendet (Assertio Sanae et Orthodoxae Doctrinae de Exinanitone Christi Θεανθρωπου; vgl. entsprechend dort 3/2, 4/2f, 8/3f, 11/4, 12/4 [ κενωσιν και ταπεινωσιν ohne Differenzierung], 16/6, 29/17, 31/25 u.ö.). – Die Kenose (Exinanitio, Evacuatio) im präzisen Sinn ist der erste und grundlegende Akt der Humiliatio, sie wird aber ‚ergänzt‘ durch 4 weitere Momente, die erst im Verbund den Begriff der Humiliatio – als eines „Ens collectivum & ex pluribus aggregatum quodammodo“ (213) – erschöpfen: „Humiliatio Christi θεανθρωπου, complexim seu collective sumpta, quae initium sumpsit a primo puncto conceptionis, atque duravit usque ad punctum ζωοποιησεως in sepulchro, FUIT, 1. Vera & [|208] realis Exinanitio seu Evacuatio reflexiva usus illius divinae Majestatis, qui Finem Incarnationis, opus videlicet Redemptionis, potuisset impedire. 2. Donorum Habitualium abdicatio. 3. Formae servilis & humanarum innoxiarum imbecillitatum assumptio. 4. Sub forma servili occultatio seu obtectio & obvelatio cum Majestatis in genere, tum in specie usus universalis extranei, qui ad Ecclesiam reliquasque Creaturas in Regimine totius universi directe una cum Λογω INDIVISE se exeruit, neque opus Redemptionis, utpote propriam carnem tantum reflexe respiciens, attinuit. Et tandem 5. praestatio obedientiae cum activae tum passivae (cui includitur poenarum nostrarum appropriatio) usque ad mortem Crucis, suscepta a Christo TOTO, Deo & Homine INDIVISE (servata tamen utriusque Naturae proprietate) ex misericordi Decreto S.S. Trinitatis, propter malum culpae imputatum, [|209] ut per hanc profundissimam suam Humiliationem hic secundus Adamus, dum hominibus similis factus est, protoparentis nostri, primi videlicet Adami, superbiam, qua is Deo assimilari volebat in Paradiso, expiaret, nosque per illam ad infimum usque infernum depressos & humiliatos, ad sublimitatem coelestem quasi postliminio eveheret“ (so die schulmäßige thetische Definition des Theorema II, 207–209, mit den angeschlossenen Erläuterungen 213–252); zu den in den Festlegungen zum 1. (Exinanitio) und 4. (occultatio) Moment beanspruchten weiteren Differenzierungen im Begriff des usus Majestatis s. gleich im Text. – Eine Unterscheidung der Entäußerung in sachlich distinkte Momente findet sich als solche – hier aber unter dem Oberbegriff der Exinanitio – bereits in der Assertio: Im Rekurs auf Phil 2 als der sedes doctrinae wird hier die Exinanitio zunächst ‚στερησει‘ (non duxit rapinam esse aequalia Deo; evacuavit se …) bestimmt (11–40/4–44) als Verzicht auf den Einsatz der Majestät zu eigenen Gunsten (reflexe, 34/29; respectu propriae carnis, 39/40). Anschließend und knapper werden, in Entfaltung des θεσει im Text Genannten, als deren 6 membra spezifiziert: 1. Formae servilis assumptio (41/44f); 2. Hominum similitudo (43/45f); 3. Habitus humanus seu conservatio vulgaris (44/46f); 4. Profundior Humiliatio (45/47); 5. Obedientiae Praestatio (46/47); 6. Usque ad Mortem Crucis ignominiosa Abiectio (47/47). 337 „... docemus, Christum θεανθρωπον quidem in |officio suo Sacerdotali reflexe quoad propriam carnem (ut pati & mori pro salute generis humani posset) usum divinae maiestatis, in omnibus ijs, quae incarnationis finem, opus videlicet redemptionis attinebant, retraxisse; verum realissima hac & profundissima, non occultativa tantum, sed & retractiva exinanitione non obstante, eundem tamen θεανθρωπον vi infinitae hypostaseως amba-
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nitionis statu & servum & Dominum fuisse“338 – bedeute keineswegs eine Rücknahme der Entäußerung auf bloßen Schein:339 der das Ganze der Erniedrigung Christi fassende Begriff der Humiliatio schließt als erstes Moment dezidiert einen spezifischen Verzicht auf den Gebrauch der Majestät ein, der Niedrigkeit und Leiden ermögliche. 4.1.2 Zentrales Element jener weiterentwickelten konstruktiven These wie dieser Apologie ist eine Differenzierung im Begriff des Gebrauchs der göttlichen Majestät. – In Aufnahme einmal mehr von Formulierungen Salomon Gesners,340 diese allerdings über ihre ursprüngliche Intention hinaus rumque naturarum in ea factae unionis intimae, κοινωνιας mutuae & περιχωρησεως profundissimae, propinquitate substantiali incessanter omnibus adfuisse creaturis, omnia scivisse, cunctaque incarnationis finem non impedientia (in his enim usum majestatis TOTUS retraxit) in officio suo regio (in quo ... utraque natura agit, quod cujusvis proprium cum communicatione alterius) TOTUM indivise, quamvis sub velo servilis formae latenter, conservasse & gubernasse ...“ (199|f). 338 So die Titelformulierung der Assertio 1621; vgl. o. Anm. 326. 339 „... exinanitio duntaxat phantastica & apparens, quae consistat in mera δοκησει και κρυψει, & non vera seu reali retractatione“ (196). Gleich das einleitende Theorema I der Ταπεινωσιγραφια (vgl. den Aufriß o. Anm. 335) stellt – zur Abwehr des auch von Feurborn erhobenen Vorwurfs ‚marcionitischer‘ Konsequenzen der Tübinger These (207, mit Verweis auf Feurborn, Σκιαγραφια 2, p. 25, Th. 28) – fest: „Humiliatio Christi juxta humanitatem in diebus carnis & visibilis conversationis in hoc mundo, non fuit sola κρυψις & mera absconsio seu occultatio communicatae majestatis“; es vollzog sich in Ausübung des officium Sacerdotale vielmehr auch eine „κενωσις seu vacuatio & retractio usus majestatis“ (201; vgl. schon 161f). Zur vollständigen Bestimmung der Humiliatio vgl. das o. Anm. 336 Zitierte. – Der Protest gegen die Unterstellung einer ‚sola κρυψις‘ auch schon in der Assertio, 1621: 13/5; vgl. 40/41 (non simulate). 340 Auf diesen ‚Vorgänger‘ beruft sich Thumm 1623 nun ausdrücklich: „Et hoc ipsum argumentum non Nos primi excogitavimus, aut potius ad nostrum propositum probandum, quod videlicet Christus reflexe se tantum evacuaverit usu divinae maiestatis, ex Paulo [sc. Phil 2,7] applicuimus, sed ante Nos idem fecit Praeclarus Theologus D.D. Gesnerus“. Als Beleg folgt ein Zitat aus Gesners Confessio de Persona Christi (Wittenberg 1595[a], p. 251[f]; das nach der Vorlage überprüfte Zitat im folgenden kursiviert): „ita quaerit [Gesnerus]. Quem porro Christus εκενωσε, vacuum & inanem reddidit? & respondet ibidem hisce verbis emphaticis: Paulus diserte indicat, quod SEIPSVM [Versalierung Thumm] evacuaverit. Non spoliavit Nos sua operatione, & forma divinae Maiestatis, non reliquas in mundo creaturas. Quia dicit Ipse Ioh.5. [v.17] Pater meus usque nunc operatur, & Ego operor. Et in profundissima Humiliatione (NB. quod de Homine etiam in Deum assumpto loquatur Gesnerus in statu Humiliationis, & doceat, quod ne ille quidem divina operatione universali, ad Ecclesiam & creaturas prodeunte, sed saltem proprium corpus reflexe concernente, caruerit) Et in profundissima Humiliatione (pergit Gesnerus) Christus nihilominus edit miracula, quibus divinae Maiestatis ενεργειαν clare ostendit, utpote omniscientiam patefacit, cum Iudae cor scrutatur, & omnia consilia Pharisaeorum novit: omnipotentiam probat in horto, cum unico verbulo lictores prosternit, cum in ipsa morte terram concutit, sepulchra aperit, mortuos excitat, latroni regnum coelorum donat. Sed (haec accurate notanda sunt) SEIPSVM [Versalierung Thumm] evacuavit, divina sua (NB) omnipotentia, pro se suaque defensione contra suos hostes & contra nos
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‚prinzipialisierend‘,341 unterscheidet Thumm einen Gebrauch der empfangenen Majestät durch die Menschheit Christi einerseits nach ‚außen‘, hinminime utendo, & sed eam retra[|Gesner: 252]hendo & inhibendo, seque ipsum suae Maiestatis virtute & efficacia respectu creaturarum (CONTRA quas illa uti noluit, quamvis PRO ijs in conservatione fuerit usus) destituendo. Hactenus D.D. Gesnerus“ (Ταπεινωσιγραφια, 1623, 219; vgl. schon ibd. 97). – Die Distinktion in der ‚Richtung‘ des usus Majestatis kennt und vertritt mit Emphase bereits die zwei Jahre ältere Assertio: „Christum θεανθρωπον majestatis usum in ijs tantum reflexe, hoc est in propria assumpta carne retraxisse, quae finem incarnationis impediebant; quia vero regimen universi ad creaturas foras prodiens, finem incarnationis, passionem scil. Christi, ceu opus IN carne tantum Christi obedientia activa & passiva peractum, non impediebat, ideo non usurpando quoad propriam carnem majestatem, pati & mori potuit, licet eandem majestatem ad extra, creaturas in λογω sustendando & regendo exeruit“ (1621, 34/29; vgl. entsprechend: 16/6, 29/16–18, 42/45 [usus ad extra]; 39/40, 40/40–44, 42/45, 48/47 [reflexe]). Nirgends indes findet sich hier – 1621 – ein Hinweis auf Gesners Vorgang; eine signifikante Leerstelle, weil andererseits weit weniger überzeugende Versuche eines ‚Traditionsbeweises‘ begegnen (40/41–43: Gerlach, [M. Schaefer], A. Osiander). Da auch andere Beobachtungen nahe legen, daß Thumm erst nach Abfassung der Assertio auf Gesner gestoßen ist (o. E.II.4.2), ist anzunehmen, daß die Distinktion als solche zunächst von Thumm selbst – angestoßen durch M. Schaefer (vgl. o. [D.] Anm. 222)? – entwickelt wurde und er dann nachträglich die (nur partielle; Anm. 341) Parallele bei Gesner entdeckte. Von Gesner als „Quelle“ der Distinktion (B RANDY, 1991, 224 bei u. mit Anm. 87) läßt sich darum nicht pauschal sprechen. 341 Die angezogenen biblischen Belege (Anm. 340) zeigen, daß Gesner einzelne Wundertaten (edit miracula) auch des Irdischen im Blick hat – den usus particularis der Majestät, welchen auch die Gießener nicht bestreiten, nicht aber die uneingeschränkte Teilhabe der Menschheit am universalen Weltregiment im Tübinger Sinn. Auch gilt dem Wittenberger, wie die sogleich angeschlossene Frage nach dem Subjekt solcher euacuatio – Secundum quam naturam se euacuauit? – zeigt, die retractio der Majestät nicht als gemeinsame – auch den Logos betreffende! – Tat beider Naturen (Thumm, u. Anm. 358), sondern als Tun des Logos gegenüber der angenommenen Menschheit: der Logos ‚ruht‘ (so in Aufnahme des ‚klassischen‘ Diktum Irenaeus’), seine göttliche Allmacht von der Menschheit abziehend, daß sie schwach und leidensfähig wird. Die so bestimmte Entäußerung betrifft die Person Christi dann auch allein nach der Menschheit, nicht aber die unveränderliche Gottheit selbst: „in ipsa carne assumpta, & toto curriculo terrenae conuersationis, maxime vero in paßione quievit [λογος], iuxta Irenaei sententiam ... Quae quies minime infert naturae divinae destructionem & immutationem, sed illa est & manet merus actus, & simplicißima perpetuaque ενεργεια, nihilominus ratione creaturarum suam ενεργειαν in officio mediatoris inhibet & retrahit ...“ (GESNER, 1595a, 252). „Humanitas autem Christi longe aliter exinanitur & euacuatur. Manet quidem illa perpetuo in persona του λογου ... At λογος operationes suas diuinas ita subtrahit humanitati, vt in statu hoc exinanitionis ignoret diem iudicij, non reprimat vim Judaeorum, adeoque sit expers diuini auxilij, vt ab angelis consolationem accipere necesse habeat, vt a Deo se desertum Christus in cruce queratur. Quod diuina natura sit ατρεπτος, modo dictum est, igitur etiam illa eiusmodi euacuationem admittere nullo modo potest. Relinquitur itaque, quod secundum humanam naturam exinanitio sit intelligenda ...“ (1595a, 253). Auch vertritt Gesner ganz die übliche Fassung der Ständedifferenz mittels der Unterscheidung von ‚Besitz‘ und (vollständigem) ‚Gebrauch‘ der Majestät: wohl gelangte die Menschheit mit
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sichtlich der Kirche und der Welt (usus extraneus, directus ad creaturas), andererseits deren selbstbezüglichen Einsatz zu eigenen Gunsten (usus reflexivus; quoad propriam carnem reflexe).342 In Verknüpfung mit der als solcher traditionellen, aber nun neu343 eingesetzten Unterscheidung der Ämter Christi344 erlaubt diese Distinktion eine noch einmal differenzierte Er-
Beginn der unio personalis in die Teilhabe (consortium) der Majestät – „sed interceßit tempus & curriculum exinanitionis ... Quod postquam Christus absoluit, iam in plenam vsurpationem eius gloriae ingressus est, cuius posseßionem a puncto conceptionis habuit. Aliud est bonum poßidere, aliud bono semper vti ...“ (1595a, 298, vgl. 310). Vgl. auch die Reserve bei BRANDY, 1991, 224 Anm. 87. – Dennoch stellt Gesners Unterscheidung der ‚Richtung‘ des Gebrauchs der Majestät als solche in der Tat „den [oder: einen, U.W.] entscheidenden Reflexionsfortschritt“ (J. B AUR, [1977, 213 =] 1993h, 223) dar, der aber erst in der Tübinger Ausformung voll zum Tragen kommt. 342 Vgl. hier neben den Festlegungen des Theorema II (Nr. 1. 4; o. Anm. 336): usus ad creaturas in regimine ECCLESIAE TOTIVSQVE UNIVERSI foras prodiens externus; – usus internus & reflexivus, propriam tantum carnem respiciens (217; vgl. schon 95). 343 Diese Unterscheidung kennt auch die schon die Distinktion in der Richtung des usus vertretende (vgl. o. Anm. 340) Assertio von 1621 noch nicht. 344 In einer Linie noch der frühen lutherischen Orthodoxie, in der Thesen Luthers nachklingen, kann Thumm die üblich gewordene und auch selbst vertretene Unterscheidung des ‚officium triplex‘ (o. Anm. 275) auf eine Dualität nur von Officium Regium und Sacerdotale zurücknehmen; das prophetische Amt gilt dann als im hohenpriesterlichen Amt ‚eingeschlossen‘: „Duplex est Christi Officium, Regium & Sacerdotale, cui includitur Propheticum. REGIUM est, quo non tantum singulas res creatas bene, libere, sapienter, potenter & praesenter regit & gubernat, sed & cumprimis ministerio verbi & Sacramentorum Ecclesiam sibi colligit, eam praeclaris donis ornat, contra hostes (in quorum medio praesens, | Omnipotenter & Omnisapienter dominatur) fortiter defendit, & tandem aeterna gloria & honore coronat. SACERDOTALE vicissim, cui includitur Propheticum, est, quo nos de voluntate Patris & via ad vitam coelestem erudit, pro peccatis totius mundi semetipsum perfectam hostiam offert, credentibus illo merito parta beneficia applicat, & pro ijsdem apud Patrem perpetuo intercedit“ (99|f). – Im Blick auf die angezielte Applikation hinsichtlich des Status Humiliationis betont Thumm die ‚grundsätzliche‘, schon von Ewigkeit her gegebene ‚Konsistenz‘ dieser zwei Ämter: „Haec duo officia, cum formaliter sint distincta, uti Theologi Orthodoxi nunquam confuderunt, ita nec eadem sibi invicem opposuerunt, sed potius asseruerunt, simul illa ceu subordinata in Christo consistere potuisse, non tantum authoritative, de jure & demandatione, sed exequutione, de facto, & exercitio reali. Immo uti ab omni aeternitate Λογος simplex etiam ante Incarnationem SUO quidem modo, at realiter, simul perfecit haec duo sive tria in Trinitatis consilio sibi demandata officia, ut fuerit vi meriti offerendi exercitio reali Sacerdos simul & Rex & Propheta ipsa ενεργεια, &c. Et uti jam etiam in omnem aeternitatem Christus συν θετος secundum utramque Naturam SIMUL eadem peragit, docendo, gubernando, comparando ut Sacerdos coram facie Patris & intercedendo: Ita & Status Humiliationis obstare non potuit, quo minus haec officia SIMUL peragerentur, quoad rem ipsam, quamvis MODUS fuerat diversus ... Nam ideo Λογος factus est Homo, ut quod prius fuerat Actu intuitiva & ενεργεια, id jam fieret etiam Actu praesenti & continuando in omnem aeternitatem, ut esset nimirum Rex & Sacerdos Noster ...“ (100).
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läuterung des Status humiliationis:345 An dem auf die Welt gerichteten göttlichen Handeln hat die Menschheit Christi auch während des Standes der Entäußerung in der gemeinschaftlichen Ausübung des officium regium mit dem Logos uneingeschränkt Anteil; hier ist zu Recht nur von einer Verbergung (κρυψις, absconsio) der Majestät zu sprechen. Anders im zweiten Fall: innerhalb des officium sacerdotale verzichtet dieselbe Menschheit, wieder in Gemeinschaft mit dem Logos, auf den reflexen Gebrauch – präzise: nicht der Majestät insgesamt,346 sondern zentral – der göttlichen Allmacht zu eigenen Gunsten347, um das satisfaktorische Leiden und Sterben, überhaupt die Übernahme der irdischen Niedrigkeit zu ermöglichen. Insoweit schließt die Erniedrigung Christi auch einen zwar spezifisch limitierten, aber eindeutig realen Verzicht (κενωσις, evacuatio) im Gebrauch der Majestät ein348, ohne daß damit ein simultaner – verborgener – Gebrauch derselben Majestät ausgeschlossenen ist. Die Differenz der Richtung und so der ‚Objekte‘ des Tuns sichert die Kompatibilität beider Vollzüge349 – 345 „Ut in Christo diversa dantur officia, formaliter distincta, ita Theologi quoque Orthodoxi secundum illa, distincte de humiliationis statu loquuntur. Qui enim ad officium respiciunt REGIUM; humiliationis statum per κρυψιν seu majestatis ABSCONSIONEM: qui ad SACERDOTALE; per κενωσιν seu VACUATIONEM plenarij usus majestatis quoad propriam carnem reflexe: qui vero ad UTRUMQUE; partim per obtectionem & obvelationem, partim per vacuationem, non usurpationem & retractionem, orthodoxe ... describunt ...“ (201; vgl. 99. 100–105). 346 So, in hier ungenauem Referat des angezogenen Beleges (Ταπεινωσιγραφια, 1623, 625; vgl. Anm. 347), BRANDY 1991, 224 bei u. mit Anm. 224. 347 „Fuit etiam illa Inanitio, Retractio seu Inhibitio usus reflexi & interni non OMNIS sed tantum illius, qui Finem incarnationis, opus videlicet Redemptionis, potuisset impedire, ut. 1. gloriae, cumprimis relativae, 2. opulentiae, & 3. omnipotentiae; Non omnipraesentiae aut omniscientiae & potestatis iudicandi, &c. ...“ (227–230, hier: 227). – Die positive These hinsichtlich des spezifisch eingeschränkten Gebrauchs der Allmacht formuliert und entfaltet dann eigens das Theorema IX: „Christus homo in officio suo Sacerdotali propter nos, quoad se reflexe, retrahendo usum communicatae & possessae omnipotentiae, toto quidem humiliationis tempore revera infirmus fuit; idem tamen in officio suo Regio toto eodem tempore, a primo conceptionis puncto, divinam sibi per unionem personalem communicatam Omnipotentiam, in operibus ad creaturas directis, hoc est, in potenti totius universi sustenta|tione & gubernatione, una cum assumente λογω indivise exeruit & usurpavit ...“ (625–723, hier: 625|f). 348 Vgl. die Zusammenfassung der Kenose als des ersten Moments (o. Anm. 336) der Humiliatio: „Haec de primo Actu Humiliationis Christi Θεανθρωοπου, videlicet Κενωσει seu Inanitione, quae, breviter, fuit 1. non apparens, sed vera; 2. non depositio Maiestatis ipsius, ratione ουσιας, sed tantum usus illius maiestatis, & ratione ενεργειας; 3. non fuit eadem retractio seu inhibitio usus omnis, sed tantum certi alicuius; ejusque 4. non externi & directe foras ad creaturas prodeuntis, sed tantum reflexi & interni, propriam personam duntaxat respicientis; qui nimo 5. ne illius quidem re|flexi omnis fuit inhibitio, sed tantum illius, qui opus redemptionis potuisset impedire ...“ (232|f). 349 „Haec duo pronunciata: Christus homo quoad creaturas ad extra operatur & gubernat Ecclesiam, ut & coelum ac terram: &: Christus homo quoad propriam carnem retrahit,
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„toto humiliationis tempore simul servus & Dominus juxta distincta officia esse potuit“.350 Das plakative Etikett der bloßen ‚Krypsis‘, gegen das sich die Tübinger auch ausdrücklich verwahren,351 trifft die damit erreichte These tatsächlich nicht: Die Erniedrigung ist Krypsis und Kenosis zugleich – „Kenosis in der Krypsis“!352 4.1.3 Die durch Thumm entwickelte abschließende Tübinger Lösung beeindruckt durch den Umgang mit dem prima facie stärksten Gegenargument ihrer Bestreiter – sie entkräftet es, indem sie es konsequent denkt und dann zur Basis der eigenen Konstruktion umdrehen kann. Die von den Gießener Kontrahenten, repräsentativ für die lutherische ‚Kenotik‘ außerhalb Tübingens, recht pauschal reklamierte Limitation des Majestätsgebrauchs durch die Erfordernisse des Leidens und Sterbens wird hier beim Wort genommen – und als Ergebnis dieser nun konsequenten Sichtung „ex FINE INCARNATIONIS, opere nimirum redemptionis“353 präzise eingeschränkt & evacuat usum suae maiestatis: non sunt εναντια, multo minus αντιφατικα, sed υπαλ ληλα η παραλληλα, subordinata aut coordinata. Sunt enim duo diversa subiecta vel obiecta, quorum respectu Christus divinam suam maiestatem usurpare & non usurpare asseritur, nimirum propria caro & creaturae, quae diversitas efficit, ut omnis tollatur αντιφασις seu contradictio“ (218); „A negatione reflexivae universalis usurpationis divinae Majestatis, ad negationem usurpationis directae ad Creaturas, non valet consequentia“ (97– 99, hier: 98). – Grundsätzlich dann das Theorema III: „Verissima, realissima & profundissima Humiliatio seu Inanitio Christi Θεανθρωπου 1. POTUIT consistere, & 2. ACTU constitit, imo 3. omnino & NECESSARIO debuit consistere in una & eadem Christi humana natura, cum | externo omnipraesente, omnisapiente & omnipotente Regimine totius universi ...“ (252–286, bes. 281ff [necessario debuit consistere!]; Zitat: 252|f). 350 Ταπεινωσιγραφια, 1623, 265; vgl. o. Anm. 344. – Fundamental das Unvermögen, göttliche Majestät und Niedrigkeit der Menschheit Christi zusammenzudenken, stehe hinter den calvinistischen Einwänden gegen die lutherische communicatio Majestatis, denen auf ihre Weise auch Feurborns Σκιαγραφια beitrete (Sciagraphus Calvinizat, 143 i.m.): „Fons fere & δοχειον seu αμεσον αιτιον omnium ferme objectionum, argumentorum & errorum Calvinisticorum circa doctrinam de communicatione idiomatum hoc est, quod ipsi in una eademque humana natura Christi, non possunt componere aut conjungere simul divinam majestatem seu gloriam & ignominian; infinitam opulentiam & paupertatem; Omnipotentiam & imbecillitatem seu fragilitatem humanam; Omniscientiam & ignorantiam; Omnipraesentiam, & in uno loco existentiam, &c. Unde fit, ut semper ab inclusione unius ad exclusionem alterius ipsi ... argumentati fuerint ...“ (143). 351 Ταπεινωσιγραφια, 1623, 161f u.ö.; Assertio, 1621, 13/5; 40/41. 352 J. B AUR, 2007, 298–301, hier: 300. 353 „Apostolus Paulus ad Phil.2.v.8. 2.Cor.8.v.9. Hebr.2.v.17. c.4.v.25. & tota historia Evangelica describit Inanitionem seu usus maiestatis divinae inhibitionem, ex FINE INCARNATIONIS, opere nimirum Redemptionis. ... Hinc sic argumentor: Illa tantum retractio usus reflexi divinae communicatae maiestatis Christo Homini in statu Humiliationis adscribenda, quae FINEM Incarnationis attinuit, opusque Redemptionis impedire potuit“ (227); „Cum vero humiliatio Christi hominis, in officio Sacerdotali praecipue locum habeat, atque ex INCARNATIONIS FINE, opere scil. redemptionis, potissimum investiganda sit, ideoque illam praeter absconsionem maiestatis in officio regio, κενωσιν quo-
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auf allein das, was auch nach Tübinger Sicht diesem Leiden tatsächlich entgegenstünde: dies aber ist nicht der Gebrauch der Majestät, insonderheit der Allmacht, im externen Weltbezug, sondern lediglich deren Einsatz zu eigenen Gunsten.354 Eine unlimitierte Teilhabe der Menschheit Christi am externen Gebrauch der göttlichen Allgegenwart und Allwissenheit hingegen – hinsichtlich welcher beiden Attribute eine Unterscheidung von ‚Besitz‘ und ‚Gebrauch‘ schon sachlich undurchführbar ist355 oder doch theologisch wie christologisch unhaltbare Konsequenzen zeitigt356 – steht den Widerfahrnissen von Leid und Tod nicht entgegen.357 Beides aber, erst damit ist Thumms These vollständig expliziert, beides, dieser Gebrauch und jener limitierte Verzicht, ist stets gemeinsamer Vollzug beider Naturen Christi, der Menschheit und des Logos.358 Anders als bei der These der luque seu vacuationem & retractionem usus majestatis in officio mediatorio, hoc est, omnibus ijs, quae redemptionem nostram spectabant, includere, probamus ...“ (201). 354 Vgl. neben den Anm. 347 genannten Texten: „Si ... homo Christus divinam suam gloriam, opulentiam, omnipotentiam, reflexe erga propriam suam carnem, tempore humiliationis incessanter usurpasset; si exeruisset regimen maiestatice gloriosum, utique nec sapi, pati, aut mori potuisset. Sed nullus nostrum ne per somnium quidem unquam haec somniavit“ (535, gegen FEURBORN, Σκιαγραφια, 208, Th. 135ff; vgl. 253). Mit klarer, freilich nicht ganz unproblematischer Pointierung schon die Assertio: [Exinanitio describitur] „Non per retractionem & non usurpationem illorum actuum majestatis, qui incarnationis finem … non impediebant; cui bono enim aut quo fine homini Christo quis assignare vellet infirmitatem aut inanitionem, quae tamen aeternam nostram redemptionem minime aut attingeret, aut passionem & mortem ejus non impediret? quo sensu homini Christo in infimo etiam exinanitionis statu, propter assumptionem in infinitam υποστασιν του λογου, intimamque ac profundissimam naturarum in ea factam κοινωνιαν & περιχωρησιν, tres potissimum majestatis actus universales (quos hominum respectu sub servili forma latenter, & non patenter peregit!) Omnipraesentiam, scil. Omnipotentem gubernationem ad creaturas foras prodeuntem, & omnisapientiam, cum Scriptura & Orthodoxo Ecclesiae consensu adscribimus“ (1621, 16/6; die positive These in sachlicher und terminologischer Anlehnung an das Fakultätsschreiben vom 1. September 1619 [o. C.II.2.2], das ebenso hinsichtlich der folgenden Einzelbegründung der Allgegenwart auch des Entäußerten Aufnahme findet, vgl. 17f/6–8, 21/10, 22/12). 355 Ταπεινωσιγραφια, 1623, 535. 356 Deus potentialis, Deus non Deus, Ταπεινωσιγραφια, 1623, 281. 284; faktische Duplizierung der Idiome, ibd. 282. 357 „... potuit enim Christus pro genere humano pati & mori, licet actu personae cuncta sciverit“ (567). 358 Für seine These einer retractio nur des ‚usus Majestatis reflexus‘ macht Thumm gerade auch dies mit Nachdruck geltend, daß allein ein in dieser Weise limitierter Verzicht auch vom Logos ausgesagt werden kann, womit dann aufgrund der Gemeinschaft der Naturen im Tun (o. E.III.2) auch das verbindliche Maß in der Bestimmung hinsichtlich der natura humana gesetzt ist: „conclusum ... etiam inde probatur, quia Λογος itidem non externum & directum, sed tantum reflexum suae Majestatis usum retraxit. Quievit enim quoad se in officio Sacerdotali seu mediatorio, non obsistendo suis hostibus, neque eos consummendo aut tollendo ab iniurias sibi illatas, quod facile facere potuisset: non
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therischen Kenotik kommt es an keinem Punkt und in keinerlei Hinsicht zu einer Inkongruenz des Tuns der Naturen. Totus Christus indivisus: es leidet und stirbt der ganze Christus, Mensch und Gott; und es regiert zur selben Zeit der ganze Christus, Gott und Mensch.359 So wie der Mensch Christus ‚indivise‘ an der Herrschaft des Logos teilhat, so betrifft die Erniedrigung uneingeschränkt auch die Gottheit des Logos: „Λογος per ιδιοποιιαν fuit exinanitus realissime“!360
quievit idem ille Λογος eodem tempore, eosdem illos hostes in officio regio, conservando, sustentando, motum, vitam, essentiam & omnia illis largiendo. Unde argumentor: Quem usum Majestatis retraxit Λογος, eundem etiam retraxit Homo in Λογον personaliter assumptus: Atqui ο Λογος per Κενωσιν seu Inanitionem retraxit usum reflexum, non directum, foras ad creaturas prodeuntem, quem retinuit: Ergo & Homo in Λογον assumptus non alium, nisi illum usum reflexum per Inanitionem retraxit. ... Major ... nobis ... demonstranda fuerit, quod Homo in Λογον assumptus non alium, quam Ipse Λογος ... usum Majestatis retraxerit seu inhibuerit. Probatur autem id inde, quia omnia in Christo sunt indivisa in secundo Communi|cationis Idiomatum Genere, in Formula Concordiae descripto. Non autem omnia essent indivisa, si Λογος tantum ad Intra retraheret, & ad extra operaretur; Homo vero in eundem Λογον assumptus personaliter, eidemque per intimam & profundissimam περιχωρησιν unitus, omnimodo (in regimine Ecclesiae & universi) exinaniretur, & neque ad Intra neque ad Extra operaretur ... Nam uti omnis Actio in quocunque Statu & officio debet esse 1. TOTIUS SUPPOSITI, quod non est tertium quid praeter naturas, sed ambae naturae simul; 2. INDIVISA inter naturas, adeo, ut una semper agat cum communicatione alterius, sit, ... sic & retractio debet esse INDIVISA, ut videlicet retrahente Λογω, retrahat etiam humana natura, & vicissim“ (220|f). – Das der Menschheit aufgrund der gemeinsamen Retraktion des usus reflexus widerfahrende Leidensgeschick eignet kraft ‚Aneignung‘ auch dem Logos, so daß von einer ‚Entäußerung‘ auch des Logos gesprochen werden muß: „... & Λογος in opere Redemptionis retraxit, ac in assumpta sibique realiter appropriata carne, & Λογος per ιδιοποιιαν fuit exinanitus realissime“ (96). – Die These der gemeinsamen retractio der Naturen findet sich sachlich identisch, aber weniger pointiert (es fehlt der ausdrückliche Bezug auf den Logos) bereits in der Assertio: „Christo homini, in unitatem υποστασεως assumpto, ac infinitam majestatem consecuto, in omnibus ijs, incarnationis finem non impedientibus (in his enim non caro tantum, sed totum Christus θεανθρωπος majestatis usum retraxit) Omnipotens & omnisapiens regimen adscribimus ...“ (26/14). 359 „[sententia nostra] haec, breviter, est, quod omnia in omni officio omnique Statu inter | Naturas Christi fuerint INDIVISA, adeoque non DIMIDIATUS, SED TOTUS Christus, non tantum Homo, sed & Λογος retraxerit suae majestatis usurpationem ad intra reflexe, in omnibus ijs, quae finem Incarnationis concernebant, quodque vicissim in omni officio & Statu NON DIMIDIATUS, sed TOTUS Christus; non solum Λογος, sed & Homo INDIVISE exeruerit, manifestaverit & revera usurparverit omnem divinam majestatem in actu directo apud Creaturas in regimine totius Ecclesiae & universi, adeoque omnibus, quae Finem Incarnationis non impediebant; seu ut brevius dicam; quod TOTUS Christus, DEUS & Homo, passus & mortuus fuerit in officio Sacerdotali, Inanitione: TOTUS vicissim, DEUS & Homo, eodem tempore (alio MODO, vid. PERSONALI) vivus gubernaverit coelum & terram ...“ (132|f; vgl. 147f. 200). 360 Ταπεινωσιγραφια, 1623, 96, vgl. den Kontext o. Anm. 358.
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E. Die neue Tübinger Christologie als Zielpunkt schwäbischer Christologie
4.2 „Λογος … fuit exinanitus realissime“ Totus Christus indivisus: In dieser Formel konvergieren die These des stets gemeinschaftlichen Tuns von Gott und Mensch in der Einheit einer Geschichte und der dieser These begründend vorausliegende Begriff der Personeinheit als kontinuierlicher Kommunikation der Naturen, das diese stetige Kongruenz des Tuns ermöglicht und fordert. Entschieden argumentieren die Tübinger dagegen, die Einheit dieser fraglos spannungsvollen Geschichte dadurch zu destruieren, daß das Simul extremer Gegensätze – Todesleiden und Weltherrschaft – durch die faktische Einführung zweier Subjekte auf eine Parallelität hin ermäßigt wird, wie man es in der (nicht nur) Gießener Konzeption der Statusdifferenz vollzogen, jedenfalls impliziert sieht: der Mensch leidet, der Logos herrscht. Dieser Sortierung der Gegensätze gegenüber arbeiten die Tübinger einen Begriff der göttlichen Herrlichkeit aus, der nicht durch einen abstrakten Gegensatz zur Niedrigkeit bestimmt ist, sondern eine Latenz und eine simultane Niedrigkeit zuläßt.361 Zum anderen, und erst damit ist die Radikalität der Tübinger These eingeholt, wird geltend gemacht, daß die für die Menschheit reklamierte Doppelbestimmung – simul servus & Dominus – mit gleichsam gegenläufigen Akzent ebenso für den Logos gilt: simul Dominus & servus. So wie die Menschheit nicht vom göttlichen Tun ausgeschlossen ist, so – aus demselben Grund der Personeinheit – auch nicht der Logos vom menschlichen Leiden. Als Subjekt ‚reiner‘ Herrschaft, wie ihn die kenotische These reklamiert, steht er gar nicht mehr zur Verfügung. Das totus Christus indivisus wird damit konsequent symmetrisch gedacht. 4.2.1 Von besonderer Eindrücklichkeit ist hier ein Passus aus der Repetitio, in dem Thumm sich mit einem Einspruch gegen die koinopoietische Gemeinschaft beider Naturen auseinandersetzt, den ein handschriftlich zirkulierendes Pamphlet vom Sommer 1624362 vorträgt: 361 Vgl. diese Intention schon in den frühen Texten, o. C.II.3.2.3.6; C.II.3.2.4.2. – Das Bewußtsein für die zentrale Bedeutung der Frage kommt auch darin zum Ausdruck, daß Thumms Ταπεινωσιγραφια nach der Durchführung je für die einzelnen Idiome diese Frage der Kompatibilität von Niedrigkeit und göttlicher Glorie noch einmal eigens, in einem abschließenden und zusammenfassenden Theorema (841; vgl. 846) aufgreift: „Christus homo infinitam suam gloriam & maiestatem, ignominia in se suscepta in propria carne vere & realiter quidem retraxit; Idem tamen eodem tempore ad extra eandem directe in omnibus creaturis gubernandis sub forma servili ignominiosa latenter una cum λογω indivise, universaliter exeruit“ (These des Theorema XIV., 841–863, hier: 841). Auf der Basis einer Kaskade diffiziler Distinktionen im Begriff der gloria und majestas Gottes (842f) und daran anschließender Präzisierungen des Status controversiae (844f) zielen Thumms Ausführungen darauf, gegen die Gießener Fassung von Herrschaft als notwendig manifest glorios den Begriff einer Herrschaft zu entwickeln, die sie als Übernahme der ‚Last‘ des Weltregiments versteht. 362 Vgl. dazu genauer u. F.III.1.2 (mit u. bei Anm. 62).
III. Auf dem Weg zum ‚System‘ der neuen Tübinger Christologie
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„Christus secundum solam Divinitatem in statu exinanitionis administravit regnum GLORIAE, ostendendo faciem suam gloriosam & essendo omnia in omnibus. Hoc autem, si etiam de Christo iuxta humanitatem exinanita[m] pronuncias, oppositum in apposito dices, nempe carnem exinanitam & extra gloriam constitutam, fuisse exaltatam & in statu gloriae constitutam, […] Haec & similiter luculenter evincunt, quod non absolute & universaliter omnes actus Christo secundum utramque naturam competant …“.363
Gegenüber dieser auf ‚eindeutige Verhältnisse‘ zielenden Sortierung von Herrlichkeit und Leiden unternimmt es Thumm, die vermeintliche Absurdität simultaner Kontrareität – oppositum in apposito – gerade im Blick auf den Logos nachzuweisen, für den sein anonymer Kontrahent umstandslos von solcher Eindeutigkeit ausging („secundum solam Divinitatem“): „respondeo: … In Christo, qua λογω, duos esse actus; naturalem, qualis in se est, ex naturae proprietate; & personalem, qualem est ex ιδιοποιησει, in officio praesertim Sacerdotali, in quo malum culpae ipsi imputatum, malum vero poenae ipsi appropriatum fuit. QUALIS ergo fuit, TALEM seipsu[m] quoque revera in coelo & in terra exhibuit. Atqui toto tempore Inanitionis in officio suo Sacerdotali fuit sub malo culpae & poenae; Ergo TALEM quoque revera & coelo & in terra exhibuit, | & per consequens, faciem servili forma velatum tempore Inanitionis etiam coelitibus ostendit; quo spectat locus 1. Pet.1.v.12. quod etiam Angeli concupiscant perspicere, non nuda[m] του λογου faciem, sed revelatum mysterium, in quo λογος carne, quam sibi appropriavit, vestitus, hoc est, vere incarnatus est …“.364
In diesem gar nicht besonders hervorgehobenen Argument Thumms vollzieht sich Entscheidendes. Die sonst in der These der communicatio Majestatis für die Menschheit Christi entfaltete Doppelbestimmung von Wesen (actus naturalis) und inkarnatorischer Veränderung (actus personalis) wird hier mit gleicher Stringenz für den Logos behauptet, in einem symmetrischen Positionswechsel. Auch der Logos – die göttliche Natur in Christus – hat einen actus personalis, kraft des via Idiopoiesis (1. Tübinger Genus) ‚angeeigneten‘ Seins und Geschicks der Menschheit (= deren actus naturalis). Eine gemessen an den vorgegebenen Bestimmungen von Wesen und Attributen Gottes exorbitante Behauptung, sagt sie doch: In der Person Christi – in concreto – existiert auch Gott nicht allein in der Aktualität seines unveränderlichen Wesens, sondern auch und mit gleichem Realitätsanspruch in der Bestimmung durch ihm äußerliches, fremdes Sein. In diesem Vollzug identischer Existenz des Disparaten, der die Person Christi ‚ist‘ (ambae naturae simul), hat die Menschheit teil an allem, was Gottes ist, nimmt die Gottheit teil an allem, was dem Menschen widerfährt. 363
Referiert bei T HUMM, Repetitio, 1624, 161. T HUMM, Repetitio, 1624, 162|f (Kursivierung und Paragraphierung U.W.). – Zur Unterscheidung von actus (primus) naturalis/personalis: o. bei u. mit [D.] Anm. 746. 364
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E. Die neue Tübinger Christologie als Zielpunkt schwäbischer Christologie
4.2.2 Die Geschichte Christi ist in allem stets und ohne Einschränkung die Geschichte dieses einheitlichen Subjekts, die von Gott und Mensch gemeinsam gelebte und erlittene Geschichte. Christus ist das Ende des Fürsich von Gott und Mensch; im Blick auf ihn exklusiv von Gott und Mensch zu reden (sola divinitas/humanitas), hintergeht diese Zäsur. Die in seiner Person vollzogene Vermittlung von Gott und Mensch verbietet es, ihre Geschichte nun nach der alten Antithetik von Hoch und Niedrig zu dissoziieren. Denn eben auf die konkrete ‚Aufhebung‘ dieses Gegensatzes zielt die innere Gemeinschaft der Person Christi, in diese zuhöchst spannungsvolle Geschichte – oppositum in apposito – hinein legt sie sich aus. Christus ist, darauf zielt die ‚neue‘ Tübinger Christologie im Grundsatz und in allen Verästelungen ihrer diffizilen Distinktionen, das Ende der Diastase von Schöpfer und Geschöpf, Himmel und Erde, oben und unten, Herrlichkeit und Niedrigkeit. Unum omnia:365 Post Christum gibt es kein Reservat ‚reiner‘ Glorie mehr, ist auch der Himmel keine Insel unberührter Seligkeit mehr – faciem servili forma velatum tempore Inanitionis etiam coelitibus ostendit (Logos): auch die himmlische Welt sah und ertrug das ‚Haupt voll Blut und Wunden‘.
365
Vgl. o. C.II.2.2.2; D.IV.3.2.2; D.IV.4 und o. Anm. 323
F. Unum omnia. Zusammenfassende Überlegungen; zugleich als Hinweise auf Aufgaben und Perspektiven einer detaillierten Interpretation F. Unum omnia. Zusammenfassende Überlegungen
I. dogma Wirtembergicum? – Die ‚neue‘ Tübinger Christologie als Korrektur und Konsequenz schwäbischer Christologie I. dogma Wirtembergicum? – Korrektur und Konsequenz
„Wer leugnet, daß durch die persönliche Einwohnung des allgegenwärtigen Wortes [i.e. Logos] mit seiner ganzen Fülle im Fleisch dieses Fleisch auch selbst allgegenwärtig wird, derjenige kann nicht denselben – rettenden – Glauben mit den Württembergern halten … Und die Erörterung oder [Anerkennung durch] Unterschrift des Württembergischen Dogmas ist von so großer Notwendigkeit, daß ohne sie der heilbringende Glaube der Kirche im übrigen keinen Bestand haben kann, wie weit und wie lange auch immer sie in der Kirche unbeachtet oder sogar völlig unbekannt gewesen sein mag …“
1. Was J. Keplers bitter ironische Sätze1 hier als fatalerweise zum Glaubensartikel und Kriterium der Kirchengemeinschaft erhobenes dogma Wirtembergicum kritisieren, die Begründung der Allgegenwart der Menschheit Christi aus der Personeinheit, wie sie im Luther rezipierenden Kanon des ‚ubi Deus, ibi homo‘ ihre pointierte Formulierung finde – dieses Argument bildet tatsächlich seit seiner Präsentation durch J. Brenz 15572 eine Konstante schwäbischer Christologie in konstruktiver wie polemischer Hinsicht. Und hatte die noch bis zu Hafenreffer vertretene Limitation des ‚gemäßigten Ubiquismus‘ mit denjenigen Inkonsistenzen zu kämpfen, die dessen konfessionelle wie binnenlutherische Kritiker ebenso konstant und berechtigt markieren: die um 1625, als Kepler seinen Kommentar zu Proto1 „Qui negat per inhabitationem personalem verbi omnipraesentis in carne tota plenitudine, carnem fieri omnipraesentem et ipsam, is non eandem fidem (qua salvemur) colere potest cum Wirtembergicis. Et, Wirtembergici hic Orthodoxi sunt, Et, disputatio haec seu subscriptio dogmatis Wirtembergici tantae est necessitatis, ut sine ea non possit stare salvifica fides Ecclesiae reliqua; quantumcunque ea late et diu in Ecclesia fuerit neglecta vel etiam penitus ignorata … Nimirum, ut nisi subscribam argumento novitio, wo du mir Gott hinsetzest / desistam a communione petenda, quae inter consortes Ecclesiae suae sit symbolum confessionis hujus, argumentationi Lutheri innixae ...“ (Joh. Kepleri Notae ad Epistolam D.D. M. Hafenrefferi [1625]; Nova Kepleriana 6, 1932; 24, 23–28.33–35; zum Kontext vgl. u. Anm. 3). – Zur ‚argumentatio Lutheri‘: o. C.III.3.2. 2 Vgl. o. C.IV.1.
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F. Unum omnia. Zusammenfassende Überlegungen
koll gibt,3 in Tübingen vorgetragene Christologie wäre als nunmehr konsequente Durchführung jenes ‚württembergischen Dogmas‘ durchaus zutreffend charakterisiert. Dieser nach Jahren ‚rauher‘ und ‚hochärgerlicher‘ Debatten (erst) in Th. Thumms Texten von 1623 und 16244 zum runden und abschließenden Wort findende Entwurf bricht mit allen zwischenzeitlichen Limitationen schwäbischer Christologie: Indem die neuen Tübinger – bereits 1619 – die für die erste Revision des gemäßigten Ubiquismus konstitutive, von Ä. Hunn prinzipialisierte Unterscheidung von ‚Ontologie‘ der Personeinheit (praesentia intima) und Weltpräsenz (praesentia extima) gegenläufig revidieren und beides in ein Verhältnis von Grund und notwendiger Folge setzen, wird das Argument des ‚ubi Deus, ibi Homo‘ jetzt ohne ‚exceptio‘5 durchführbar. Und jede Bestreitung dieser konsequenten Gestalt des ‚württembergischen Dogma‘ gilt deren Protagonisten tatsächlich als Aufhebung des ‚Christentums‘ selbst.6 2. Den mit dieser Erneuerung ‚längst verglichener Kontroversen‘ vollzogenen tiefgreifenden Traditionsbruch hat B. Mentzer deutlich markiert. Die so Kritisierten haben versucht, das auch historische Recht ihres nur reaktiven Einspruchs gegen die im Gegenteil den Gießener Kontrahenten anzulastenden Abweichungen vom Konsens orthodoxer Tradition zu reklamieren, – ein angesichts der ‚harten Reden‘ ihrer Vorgänger objektiv unhaltbares Unterfangen.7 Dennoch läßt sich das Verhältnis der neuen Tübinger zur voraufgehenden Lehrtradition nicht schlicht antithetisch fassen, die Dinge liegen ‚komplizierter‘ – Kontinuität und Korrektur koinzidieren.8 Die neuen Tübinger kommen de facto überein mit Grundüberzeugungen, die ‚am Anfang‘ schwäbischer Christologie J. Brenz formuliert. Die in den Generationen dazwischen vorgetragene württembergische Position stellte eine deutliche – sehr rasch (Maulbronn 1564) vollzogene – Transformation dieses initialen Entwurfs dar, Voraussetzung der konkordi-
3
Mit der Publikation von M. Hafenreffers letztem Brief an Kepler (1619) in den Acta Mentzeriana (1625) war dessen ältere Auseinandersetzung mit den württembergischen Theologen in die Mühlen des Kenosis-Streites geraten, darauf reagieren seine Notae. Vgl. o. C.I.1.4 (Anm. 78. 79). 4 Ταπεινωσιγραφια 1623; Repetitio 1624. Beide Texte ‚entwickeln‘, wie gesehen, eine je erste Bearbeitung ihres Themas durch Thumm: die Ταπεινωσιγραφια entfaltet umfassend den in der Assertio (1621) erst knapp skizzierten Begriff der Erniedrigung Christi (o. E.III.4.1); die Repetitio präzisiert als zweite schulmäßige Bearbeitung des Locus ‚de Persona Christi‘ dessen erste Entfaltung in der Majestas 1620–22; erst die hier vorgelegte Fassung der Idiomenkommunikation genügt sachlich und dispositionell dem bereits 1619 intendierten Begriff der Persona Christi (o. E.II.1 bzw. E.II.5.). 5 Vgl. o. C.IV.2.4.1. 6 ‚Inde totus everteretur Christianismus‘! – Vgl. bei u. mit [C.] Anm. 398; vgl. auch C.II.3.1.3.1 (Anm. 254); C.II.3.2.4.3 (Anm. 376. 377). 7 Vgl. o. C.IV.2.5.3; auch: B.I.1.1. 8 Vgl. dazu o. C.IV.4, D.V.1/.2; hier sind nur einige Grundlinien zu repetieren.
I. dogma Wirtembergicum? – Korrektur und Konsequenz
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stischen Synthese. Die ‚neue‘ Lehrgestalt von 1619ff markiert insofern eine Revision der Revision – den zweiten ‚Knick‘9 der württembergischen Christologie. Doch zugleich besitzt diese zur konkordistischen Synthese eindeutig antithetische erneute Revision von 1619ff ebenso eindeutig inhaltliche10 Anknüpfungspunkte in der voraufgehenden nachkonkordistischen Generation und rekurriert auch darauf. Bereits das Fakultätsschreiben vom 1.9.1619 nimmt anonym Festlegungen Th. Wegelins aus dem Jahr 1608 auf, die jedenfalls partiell mit der neuen These übereinkommen, wenn sie zwar nicht eine Partizipation der entäußerten Menschheit Christi am Weltregiment behaupten, wohl aber, basiert auf ein zentrales Argument auch der neuen Tübinger, deren ubiquitäres Dasein (adessentia) auch im Stand der Entäußerung.11 Exakt diese Position einer – gemessen an den ‚Extremen‘ des Gießener-Tübinger-Konflikts – ‚Mittelpartei‘ schlägt auch die von B. Meisner verfaßte und in der Sache nur dessen schon ältere Thesen (1606/09)12 applizierende sächsische Brevis Consideratio den Parteien als sachgemäße – und in der Behauptung der kontinuierlichen adessentia carnis Christi auch sachnotwendige!13 – via media vor; und dieses Votum galt als diejenige These, die „unsere Vorfahren immer vertreten haben“, wie prominente sächsische Theologen in ihrer Kritik an der dann mit der Decisio Saxonica vollzogenen Kapitulation zu Protokoll geben.14 – Und schließlich: Nach Sachsen weist dann noch einmal Thumms 1623/24 dokumentierte Berufung auf Salomon Gesner in Sachen der Korrektur des konkordistischen 1. Genus und der Differenzierung im Gebrauch der Majestät (usus reflexus/directus).15
9
Vgl., mit anderem Bezug (o. A.II.1.3 [Anm. 125]), M AHLMANN, 1981c, S. XII. Zu den methodischen Affinitäten vgl. o. D.V.2; vgl. weiter u. F.II. 11 Vgl. o. C.II.2.5.3/4; D.IV.3.2.1. 12 Vgl. o. D.IV.5.2.2. 13 Vgl. u. bei u. mit Anm. 61. 14 Vgl. o. bei u. mit [C.] Anm. 691. – Diese ‚mittlere‘ Position findet im übrigen bis in die Hochorthodoxie ihre prominenten Vertreter, so A. C ALOV (in Auseinandersetzung mit den Tübingern): „Neque quaestio est de αδιαστασια penes omnes creaturas in exinanitionis statu, quae probe cum κενωσει consistere potest, quum haec solum gubernationem rerum omnium in coelo & in terra concernat, non vero αδιαστατον παρουσιαν , indistantem adessentiam proprie attineat ...“ (Systema VII, 1677, Art. V, c. I, Q. III, 624; unbestimmter: Art. III, c. IV, Q. VI, 365); entsprechend J.A. SCHERZER, Systema, 1698, Loc. VIII, § XXV, 223–238, sowie – von Scherzer weitgehend abhängig – D. HOLLAZ, Examen, 1707, p. III, s. I, c. III, Q. 58, bes. Prob. a; II, 205–219, bes. 207–209). Abschließend ‚entschieden‘ war 1624 auch für Sachsen nichts; der bleibende Dissens konnte durch ein- und dieselbe Fakultät gehen, wie das hier seinem Kollegen und Schwiegersohn Calov konträre Votum J.A. QUENSTEDTs zeigt, der die Gießener Option verteidigt: „Quamvis toto κενωσεως tempore divina Verbi natura praesens fuerit omnibus creaturis, ita ut interim natura humana in Deum assumpta non praesens, sed longissime absens sit, etiam propinquitate substantiali [= nuda adessentia; III, 186b] ab iis creaturis, quibus ο λογος adfuit, non tamen rumpitur unio, non divellitur persona, non separantur naturae ...“ (Theologia Didactico-Polemica, 1691, p. III, c. III, m. I, s. II, Q. XIV [III, 183–199], Zitat: ibd., Ekth. XI [III, 187a]; vgl. ibd. Ekth. IX [III, 186f] sowie die Auseinandersetzung mit den Tübingern, p. III, c. III, m. III, s. II, Q. I [III, 388–397], bes. Ekth. III und IV [III, 390a]; – (auch) in dieser Frage ist Quenstedt keineswegs lediglich der „still Calov nachwandelnde Schatten“ [THOLUCK, 1852, 220]). 15 Vgl. o. E.II.4.2 resp. E.III.4.1.3 (bei u. mit Anm. 340. 341). 10
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F. Unum omnia. Zusammenfassende Überlegungen
3. Die so notwendig detaillierte Untersuchung der für die neuen Tübinger ‚mäeutischen‘ nachkonkordistischen Diskussion (D.) konnte zeigen, daß es sich bei diesen Präludien nicht um isolierte Einzelphänomene, sondern um Manifestationen einer bereits älteren umfassenderen Neuorientierung handelt. Innerhalb und außerhalb Schwabens kommt es in der forschungsgeschichtlichen terra incognita der Jahre 1590–1610 zu Aufbrüchen, die zu einer weiteren Auffächerung des Spektrums lutherischer Christologie führen. Einige jüngere Vertreter schwäbischer Christologie (Th. Wegelin; M. Schaefer) gelangen dabei zu ‚Neuerungen‘, die, wie der aufmerksam die theologische Debatte in der alten Heimat beobachtende J. Kepler 1610 zutreffend bilanziert, in Dissens zu der von B. Mentzer repräsentierten konkordistischen Lehrform geraten.16 Als Charakteristika dieser Revision bereits um die Jahrhundertwende ließen sich benennen:17 In methodischer Hinsicht erlaubt es das mit der ‚Wiederkehr der Metaphysik‘ präzisierte logische und ontologische Instrumentarium, den eigenen Begriff der ‚unerhört neuen‘ Personeinheit Christi im interkonfessionellen Disput zu profilieren, in eins damit wird der systematische Konnex der ontologisch erhellten christologischen Topoi ‚entdeckt‘ und ausgearbeitet. – Inhaltlich richtet sich dieser Klärungsprozeß eindeutig noch einmal auf das initiale und fundamentale Thema lutherischer Christologie, die These der realen Idiomenkommunikation; letztere wird nunmehr über ihre biblische Bezeugung hinaus als im Vollzug der christologischen Vereinigung selbst begründet zur Darstellung gebracht. Der dieser Entfaltung ordine naturali korrelierte reduktive Begriff der Persona Christi ‚nur‘ als der Perichorese und Kommunikation ihrer Naturen legt sich aus in einer Revision der im ersten Genus der FC lozierten praedicatio de tota persona. Die Etablierung eines der communicatio Majestatis symmetrisch-gegenläufigen idiopoietischen Genus, verstanden als Betroffenheit der göttlichen Natur Christi, interpretiert sich selbst als Erläuterung der konkordistischen Bestimmungen, korrigiert aber in der Sache die auf Chemnitz zurückgehende asymmetrische Konzeption am zentralen Punkt; am Ende steht die faktische Zertrümmerung des 1. Genus der FC als Residuum eines nicht kommunikativen Personbegriffs. 4. Die genannten Fortschreibungen bringen die Ende des 16. Jh.s in den Aporien des gemäßigten Ubiquismus stagnierende lutherische Christologie neu in Bewegung und unter Spannung. Das entscheidende Movens dieses Aufbruchs bildet, wie zu betonen ist, nicht die Problematik der Konsistenz von communicatio Majestatis und Status exinanitionis, die mit Hunns These der praesentia intima eine ‚solide und akkurate‘ Lösung erhalten zu haben schien. Anstoß zur Neuorientierung gibt vielmehr die andere Aporie 16 17
D.I.6.1.1 (bes. bei u. mit Anm. 173. 175); o. C.I.1.4 (bei u. mit Anm. 67–75). Vgl. dazu detailliert o. D.V. (1., 2.).
II. Interpretationis interpretatio? – Systemanspruch und Schriftbezug
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der lutherischen Kenotik, die theopaschitische Frage – das Problem dieser quaestio altera war aufgrund der Hunns Konzept prägenden Distanzierung von Personeinheit und Weltimplikation schier aussichtslos verschärft worden, weil hier das metaphysische Apathie-Axiom aus dem Zentrum der Christologie selbst heraus noch einmal stabilisiert wurde.18 Demgegenüber setzen die Tübinger mit der idiopoietischen Fundamentierung der theopaschitischen These im Wege gerade einer ‚metaphysischen‘ Klärung der Christologie das kommunikative Verständnis der Person Christi gegen ein zentrales Theorem der metaphysischen Gotteslehre durch. An die Resultate der ersten ‚metaphysischen‘ Revision knüpft die neue Tübinger Christologie 1619ff faktisch an, wenn sie das dort an der theopaschitischen quaestio altera fortentwickelte Konzept der Personeinheit als kontinuierlicher Kommunikation der Naturen jetzt konsequent auch für die Frage der communicatio Majestatis zur Geltung bringt. Indem sie damit die – anstehende – Konsequenz der unmittelbar voraufgehenden schwäbischen Christologie zieht, vollzieht sie zugleich eine einschneidende nochmalige Korrektur des ‚dogma Wirtembergicum‘.
II. Interpretationis interpretatio? – Die ‚neue‘ Tübinger Christologie zwischen Systemanspruch und Schriftbezug II. Interpretationis interpretatio? – Systemanspruch und Schriftbezug
„Die spätere Ablehnung der Tübinger Christologie, aber auch die Zustimmung zu ihr hat sich in der Regel mit deren spekulativer Konsequenz begründet.“ 19
1. Tatsächlich beeindruckt die – noch einmal: erst in Th. Thumms Texten von 1623 und 1624 zum Abschluß kommende20 – Entfaltung jenes ‚Programms‘, das der 1619 vorgetragene prima facie partikulare Einspruch gegen Mentzer impliziert, durch die nunmehr erreichte Konsistenz. Die These einer strikt kontinuierlichen Partizipation der Menschheit an Gegenwart und Tun des Logos entgeht mit dem Ausschluß jeder exceptio hinsichtlich des Standes der Entäußerung21 den Anklagen auf selbstwidersprüchliche Verletzung des Prinzips, der sich der gemäßigte Ubiquismus konfrontiert sah. Und diese Integration der Statusdifferenz läßt sich wie alle Bestimmungen des Entwurfs entwickeln als Implikat des fundamentalen Begriffs der Person Christi strikt als Kommunikation der in ihr vereinigten Naturen, welche Identität die Kongruenz des Daseins und Tuns Gottes und dieses Menschen zwingend fordere: totus Christus indivisus. 18
Vgl. o. C.IV.3.2. W. SPARN, 1992, 59. – Vgl. o. A.I.2.1. 20 Vgl. o. bei u. mit Anm. 4. 21 Vgl. o. bei u. mit Anm. 5. 19
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F. Unum omnia. Zusammenfassende Überlegungen
Diesen im Grundsatz lutherisch unstrittigen Begriff der Personeinheit sehen die neuen Tübinger verletzt, wenn daraus nicht die stetige Kopräsenz der Naturen (totus Christus indivisus) und weiter auch deren stetige KoOperation (totus Christus indivisus) gefolgert wird.22 Im Verein mit der ebenso unstrittigen theo-logischen Bestimmung der Eigenschaften Gottes, deren ,unveränderliche‘ Identität die christologische Kommunikation nicht aufhebe, ergibt sich ‚notwendig‘ die These einer kontinuierlichen Partizipation am allgegenwärtigen Weltregiment des Logos.23 Auf der Basis der gemeinsamen Voraussetzungen bildet die seit dem Sommer 1619 vorgetragene Tübinger Christologie insofern die ‚konsequente‘ Form lutherischer Christologie. Und umgekehrt muß die Gießener Lehrform als inkonsistente Variante dieses Musters gewertet werden, die jenen Knoten nicht zu lösen vermag, den M. Nicolai ebenso konzis wie pointiert gegenüber Mentzers Kenosis-These schürzt: ostendat λογον communicasse quod ita non habuit, quod habuit, non communicasse ...!24 2. Im benannten Sinn ist die neue Tübinger Christologie, und zwar auch im Bewußtsein ihrer Protagonisten selbst, bestimmt von dem Willen zur ‚Systematizität‘ in einem nicht nur ‚pädagogisch-harmlosen‘25 Sinn. Die obschon beiläufig notierte Formel solius personae consideratione gibt diesem Willen konzisen Ausdruck; sie meint:26 die Deduktion der Einzelbestimmungen aus den fundamentalen Prinzipien der unio personalis, wobei auf die Logizität der den christologischen Konzepten korrelierten ontologischen Begriffe (totum; communicatio) rekurriert wird; weiter dann die syllogistische Operationalisierung der so gewonnenen Festlegungen; schließlich: die Erhebung der Resultate dieser gestuften und verketteten Deduktionen zu theologischen Argumenten eigenen Rechts, die neben den unmittelbar der Schrift entnommenen Argumenten stehen, ja im Einzelfall auch ‚gegen‘ explizite Schriftaussagen positioniert werden.27 In dieser methodi22
„… Christi maiestatem … ita asserere, ut is tam in Exinanitionis, quam exaltationis statu, quoad praesentiam ad creaturas TOTUS, & quoad actiones officii sui triplicis … INDIVISUS maneat“ (T HUMM, Repetitio, 1624, Praef. fol. b1 v; vgl. ibd. fol. b2 v). 23 Zum idiopoietischen ‚Gegenstück‘ – für die neue Tübinger Christologie von ebenso fundamentaler Bedeutung – vgl. o. C.II.1.3, C.IV.2.6 und gleich u. F.III.(2). 24 NICOLAI, Consideratio Theologica, 1622, 30/41. Vgl. o. bei u. mit [C.] Anm. 516. 25 Vgl. – in anderem Zusammenhang – SPARN, 1992, 77. 26 Vgl. o. C.III.1. 27 Vgl., statt anderem, den Umgang mit Mk 13,32: Die These, der hier für die Tübinger Doktrin ‚prekäre‘ Passus neque filius – eine schon altkirchliche crux dogmaticorum – sei ‚arianisch interpoliert‘, wird nicht erst bei späteren Sympathisanten der Tübinger „ernstlich diskutiert“ (MAHLMANN, 1990, 143, bei u. mit Anm. 25), sondern schon von diesen selbst erwogen. Diese 1621 nur gestreifte Problematik – „dubitatur, an verba illa … sint authentica“ (THUMM, Assertio, 1621, 38/38–40, hier: 38) – behandelt Thumm, gewendet gegen Feurborns zwischenzeitliche Beanspruchung, in der Ταπεινωσιγραφια detailliert (1623, 595–625, bes. 595–602). Er fixiert sich dabei nicht auf eine negative Ent-
II. Interpretationis interpretatio? – Systemanspruch und Schriftbezug
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schen Orientierung sind die neuen Tübinger freilich die Erben der bereits eine Generation zuvor einsetzenden ontologischen Präzisierung zentraler Theoreme der Christologie nicht nur in Württemberg.28 Deren Erträge werden v.a. von Th. Thumm in einem zwar raschen, aber doch erkennbaren nochmaligen Prozeß ‚entdeckt‘, angeeignet und zu jener konsistenten Fassung der unio personalis fortentwickelt, die den 1619 gegen Mentzer erhobenen Widerspruch in Sachen der Omnipraesentia carnis exinanitae tatsächlich als zwingende Folge dieser Ontologie der Person Christi zu demonstrieren vermag. 3. Zentral auf diesen insoweit rational-konstruktiven (‚spekulativen‘) Charakter der schwäbischen Christologie richtet sich allerdings die vehemente Kritik. Den zentralen Einwand hat einmal mehr schon der zeitgenössische Rezensent des ‚württembergischen Dogmas‘, J. Kepler, formuliert, wenn er gegenüber Hafenreffers analoger Begründung der omnipraesentia carnis durch Verbindung von Joh 1,14 mit der ‚Auslegung‘ in 1.Tim 3,16 – Paulum audi interpretem – den Anspruch auf direkte Konkordanz mit dem Schriftzeugnis negiert: die Tübinger These – näher besehen vielmehr eine nochmalige Deutung jener ersten biblischen Auslegung: interpretationis interpretatio! Diese in ihrer ‚Sekundarität‘29 nicht durchschaute produktive Interpretation gerate in einen fatalen Gegensatz zu ihrem Gegenstand: ‚Theologische oder metaphysische Spekulationen‘ verderben, was Paulus doch als unauslotbares Geheimnis und Wunder der Fleischwerdung Gottes dem Glauben vorstellt.30 Orientierung am biblischen Zeugnis versus spekulativen Rationalismus – mit dieser Antithese intoniert Kepler den cantus firmus jener Kritik, welche dann eine weit spätere Zeit gegen die schwäbische Christologie in toto vorbringen wird: „Die Eigenart dieser theologischen Konzeption ist in ihrem metaphysisch-spekulativ-rationalistischen Charakter begründet.“ „Die Metaphysik … geht von der Frage nach einem übergeordneten immateriellen Sein aus, hinsichtlich dessen Substantialität und Essentialität positive Aussagen scheidung der Authentizitätsfrage, sondern skizziert alternativ eine mit der eigenen These konsistente – ‚fromme‘ – Auslegung auch des ‚Langtextes‘: „Si verba (nec filius) sunt authentica, tum pie credo, contextu suadente, Christum loqui de se homine secundum actum naturae proprium“ – was ein paralleles Wissen derselben Menschheit ‚secundum actum personae‘ (zu dieser Distinktion: o. D.IV.2.2.2.1) nicht ausschließe (1623, 602–613, Zitat: 602; knapper schon Assertio, 1621, 38/38[–40]). 28 Vgl. o. D.V.2. 29 Vgl. I.U. DALFERTH, 1994, 146 (vgl. o. C.II.2.2.3). 30 „Perlubenter, venerande D. Doctor, tu modo sine me distinguere inter Pauli interpretationem, et tuam ejusdem interpretationis interpretationem. Ingens in re ipsa miraculum et sacramentum celebrat Paulus, quod Divina natura sese demiserit, in terras hominem induerit, nobiscum φανερως versata sit: Speculationes Theologicas Metaphysicasve nullas studit, nec in hunc finem percellit stupore mentes nostras ut omnium Theologorum subtilitates postea non admittamus tantum, sed et subscribamus ...“ (J. KEPLER, Notae [1625, vgl. o. Anm. 3]; Nova Kepleriana 6, 1932; 19, 15–21).
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F. Unum omnia. Zusammenfassende Überlegungen
möglich sind … Indem dieses immaterielle Sein für erfaßbar gehalten wird, ist die Metaphysik spekulativ, und indem das spekulativ faßbare metaphysische Sein Ausgangspunkt für logische Deduktionen wird, ist sie rationalistisch“. Was R. M ÜLLER–STREISAND hier als Prägung des ‚theologischen Grundansatzes‘ von Johannes Brenz bilanziert,31 hatte, wie notiert, H.E. WEBER als entscheidende Determinante der von Brenz ausgehenden, in der Tübinger ‚Krypsis‘ kulminierenden schwäbischen Christologie auf allen ihren Stufen diagnostiziert:32 Der ‚formale Rationalismus‘ des Durchdenkens und Erklärens, der seinen Gegenstand als den aus innerer ‚Notwendigkeit‘ so und nicht anders seienden zu erklären sich anmaßt33 und dabei in den Gegensatz zu dessen biblisch bezeugter Gestalt gerät34, verknüpft sich hier mit dem „‚materialen‘ Rationalismus“ (283) eines „ontischen Denken[s], dem das Wirkliche leicht zum ruhenden Sein und personhaftes Leben zur naturhaften Größe wird; sein Stichwort ist die Substanz oder auch die Natur“ (284). Insonderheit eine geschichtliche Veränderung, wie sie (christologisch) das vom Schriftzeugnis präsentierte ‚biblische Christusbild‘ mit der konstitutiven Differenz der Stände enthält, läßt sich auf dieser Basis nicht denken. 35
4. Die an die schwäbische Christologie von Brenz bis zu den neuen Tübingern adressierten Vorwürfe des ‚rationalen Konstruktivismus‘36 und einer ungeschichtlich-starren ‚Seinsmetaphysik‘ ignorieren oder unterschätzen die tiefgreifende Infragestellung ‚essentialistischen‘ Denkens,37 die jedenfalls die durchgebildete Tübinger Christologie gerade im Verfolg ihres ‚essentialistischen‘ Ansatzes tatsächlich bedeutet. Die von den Kritikern als solche richtig beobachtete ‚Flachheit‘ und ‚Entleerung‘ des Personbegriffs ist nicht Reflex einer Kapitulation vor der ‚Substanzmetaphysik‘ und deren ‚starrem Naturenbegriff‘,38 im Gegenteil: Der dieser ‚Entleerung‘ korres31 R. MÜLLER-STREISAND, 1960/1961, 231–244, hier: 244; als Zusammenfassung des ‚theologischen Grundansatzes‘ von Johannes Brenz in methodischer Hinsicht. 32 Vgl. dazu näher das o. A.I.2.2 und B.V.4.1 Notierte. 33 „Die Entfaltung der rationalen Gnosis wird zum Erklären aus der inneren Notwendigkeit und damit das oportet, necesse est zum Stichwort“ (H.E. W EBER, 1940, I/2, 283, Hervorhebung Weber; folgende Belegangaben hierauf bezogen). 34 „Diese Gnosis gerät in peinlichen Zwiespalt mit biblischem Gottesglauben und biblischem Christusbild, sie meistert | in ihrer Selbstherrlichkeit das Geheimnis und verfällt dabei dem Bann des rationalen Determinismus und der schlechten Seinsmetaphysik ...“ (1940, I/2, 298|f). 35 Der „Übergang von irdischer zu himmlischer Existenzweise im Leben Jesu“ wird „zum schier unlösbaren Problem“ (1908, 152). Gegen das „Jesusbild der Evangelien“ und schon allen „schlichten Wirklichkeitssinn“ (1940, I/2 168) sucht man „die eine große geschichtliche Wendung des apostolischen Zeugnisses“ (1908, 158) durch lediglich modale Distinktionen und Perspektiven-Differenzen einzuholen (1908, 156–158, – im Blick sind die Distinktionen der respectus, der Ämter, der Richtung des Majestätsgebrauchs [dazu o. E.III.4.1.2]) – und scheitert: es „schiebt sich … der Stand der himmlischen Verklärung hinter die irdische Erscheinung Jesu“; statt der angezielten Vermittlung des Gegensatzes „entsteht eine doppelte Gottmenschheit“ (1908, 152, vgl. 157). 36 Vgl. – dazu kritisch – H.CHR. B RANDY, 1991, 10f. 37 Vgl. o. D.V.2. 38 Vgl. o. C.III.2.3.
II. Interpretationis interpretatio? – Systemanspruch und Schriftbezug
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pondierende Versuch, die gottmenschliche Einheit auf der Ebene der Naturen zu denken, führt im Ergebnis zu einer einschneidenden Modifikation der metaphysischen Begriffe von Gott und Mensch. Denn mit dem hierfür zum Einsatz gebrachten Konzept der Perichorese, verstanden als die mit der identischen Subsistenz gesetzte wechselseitige Kommunikation der Naturen, wird die Personeinheit als ein Geschehen tatsächlicher ‚Veränderung‘ von Gott und Mensch gefaßt – jenseits der metaphysischen Alternative von Substanz und Akzidens, innerhalb deren die intendierte reale Veränderung allerdings nicht auf theologisch akzeptable Weise zu explizieren war.39 Diese Veränderung meint erklärtermaßen keine Alterierung des jeweiligen Wesens. Die ‚Substanzen‘ von Gott und Mensch, wie sie die metaphysischen Begriffe feststellen, bleiben ‚an sich‘ unverändert. Doch indem ein je doppeltes Sein beider Naturen, im Vollzug ihres essentiellen actus naturalis und des kommunikativ vermittelten actus personalis gedacht wird,40 vermag nun der theologische Begriff jene einheitliche Geschichte Jesu Christi einzuholen, wie sie das biblische Zeugnis präsentiert – als das κατ’ εξοχην neue Ereignis der wechselseitigen Hingabe und Gemeinschaft von Gott und Mensch. Kraft der in persona Christi vollzogenen Kon-kretion wird „die Zweiheit von Gottheit und Menschheit dem Status eines bloßen Nebeneinanders entnommen“; es werden so „menschliche und göttliche Natur gleichsam ‚denaturalisiert‘ und zu Bestimmungsgrößen einer einheitlichen Geschichte erklärt …, die im Namen Jesu Christi sich zusammenfaßt und in Kreuz und Auferstehung sich vollendet“.41 Weit davon entfernt, die christologischen Begriffe zu deformieren, dienen die ‚seinsmetaphysischen‘ Bestimmungen von Gott und Mensch gerade und nur als Folie, in Kontrast zu welcher die Differenz des neuen Seins beider behauptet und mit Hilfe der metaphysischen Kategorien auch demonstriert wird.42 Ohne abstrakt negiert zu werden, besitzen die essentiellen Begriffe von Gott und Mensch in concreto keine limitierende oder dissoziierende Wirkung mehr hinsichtlich der einen und einheitlichen Geschichte Christi. Ein ‚Aufstand der Mittel‘ ist nicht zu beklagen: Gerade die in der Tübinger Fassung kulminierende ‚spekulative‘ Entwicklung der Christologie intendiert und erreicht im Rekurs auf die – ihr verfügbaren! – logischen und ontologischen Konzepte eine Fassung der Personeinheit, die diese zum „Begriffsinstrument einer biblischen Christologie“43 umprägt. 39
Vgl. o. D.IV.4(.4). Zu dieser Unterscheidung als solcher vgl. o. D.IV.2.2.2.1; zur ‚exorbitanten‘ Anwendung auf die Gottheit des Logos: E.III.4.2.1. 41 G. WENZ, 1986, II, 398 Anm. 79, hier unmittelbar bezogen auf J. Brenz. 42 Vgl. dazu v.a. o. D.I.6.2.3. 43 So – für die frühe lutherische Christologie – MAHLMANN , 1969, 184; vgl. 196f. 40
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F. Unum omnia. Zusammenfassende Überlegungen
So treffend G. Wenz’ Stichwort einer ‚Denaturalisierung‘ der Naturen44 die in der schwäbischen Christologie ausgesagte Radikalität der Vermittlung von Gott und Mensch auch pointiert, ist es andererseits insofern problematisch, als (nicht nur) die Tübinger Theologen die bleibende essentielle Identität von Gott und Mensch auch in der Personeinheit in keiner Weise einschränken. Im Gegenteil wird die persistierende ‚Disparität‘ der Naturen mit Nachdruck betont. Darin bekundet sich die Absicht, den Geschehenscharakter der unio personalis festzuhalten.45 Das neue Sein von Gott und Mensch, das die Theologie im Gegenüber zu den metaphysischen Bestimmungen reklamiert, gibt es niemals ‚an sich‘, sondern nur im Vollzug der Koexistenz des wesentlich Fremden, die das ‚an sich‘ Unveränderte neu bestimmt. Der res nova der Person Christi ist nicht als neue Substantialität gegeben, sondern allein als Hingabe und Mitteilung des wesentlich Konträren wirklich – als das „Anderssein des Identischen“.46 Als das ‚Anderssein des Identischen‘ bedeutet die christologische Neubestimmung tatsächlich „gleichsam“ oder „gewissermaßen“ 47 eine Denaturalisierung der Naturen; die als solche unbestrittenen essentiellen Identitäten limitieren in keiner Weise mehr die Reichweite der Kommunikation von Gott und Mensch, Göttliches begegnet hier immer zugleich als Menschliches, Menschliches immer zugleich als Göttliches (humana divinitas, divina humanitas).48 Doch zugleich besteht dieses neue Sein der Personeinheit als das „Anderssein des Identischen“. Diese Vermittlung bildet und bleibt strikt ein Datum allein der Christologie; sie wird nicht generalisiert zum Versuch, nun „das Wesen Gottes und des Menschen allein an der besonderen Erscheinung dessen abzulesen, welchen biblische Geschichte als Heiland bezeugt“. 49 Außerhalb der Person Christi steht die Antithetik von Gott und Mensch vielmehr uneingeschränkt in Geltung. Dort wird sie erfahren als die Widerständigkeit Gottes, welche „Wirklichkeitserfahrung des Menschen“ nicht einfachhin „erledigt“ ist, sondern allein je durch die Zusage der in Christus realisierten versöhnten Vermittlung konkret aufgehoben wird.50 Die
44
G. WENZ, 1986, II, 398 Anm. 79; vgl. so auch ibd. 397, Anm. 77. Vgl. die Debatte über die ‚praedicatio disparatorum‘, o. E.I.3–5, bes. 5.2. 46 Der theologische „Anspruch auf Realitätsdifferenz … läßt sich ... nicht seinerseits metaphysisch aufheben, weil die Wirklichkeit, auf die sich theologische Aussagen beziehen, nicht allgemeiner, essentiell stabiler Natur ist, sondern als Anderssein des Identischen existiert. Die unmittelbare Beanspruchung der Metaphysik durch die Theologie stellt ihr daher nur die Aufgabe, die Differenzbegriffe für das besondere Sein zu bilden, welches das Thema der Theologie ist“: SPARNs Resümee (1976, 195–201, hier: 197; vgl. A.I.3.2) gilt auch und erst recht für die Tübinger ‚Beanspruchung‘ der Metaphysik. 47 G. WENZ, 1986, II, 398 Anm. 79 resp. 397 Anm. 77. 48 THUMM, Disputatio, 1618, LVIII/43|f . Vgl. dazu u. F.III.3.2. 49 G. WENZ, 1986, II, 397, Anm. 77 (Hervorhebung U.W.). 50 „Die[...] Neubestimmungen [Gottes und des Menschen] haben als Erschließungen dessen, was Gott und Mensch nun sind, selbst den Charakter des Zuspruchs; sie sind Ansage und Zusage eines neubestimmten Gottes, der des Menschen Leiden und Schuld auf sich nimmt, in der Erfahrung des ‚abgesonderten’ Gottes; das heißt zugleich, daß die Unterschiedenheit zweier Naturen nicht seit der Geburt Christi erledigt und die Allgegenwart des Menschen mit dem Logos nicht eine seitdem objektiv verwirklichte Gegebenheit ist, sondern daß in der christologisch festgehaltenen Unterschiedenheit der Naturen die Wirklichkeitserfahrung des Menschen aufbewahrt ist, die in der Verbindung zu einer Person als überwunden ausgesagt wird“ (N. SLENCZKA, 2005a, 392; bezogen auf Luther). – Die von WENZ in diesem Zusammenhang registrierte ‚gewisse interne Spannung‘ lutherischer Christologie – einerseits „bleibt der traditionelle chalcedonische Rahmen durchaus 45
II. Interpretationis interpretatio? – Systemanspruch und Schriftbezug
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Vermittlung von Gott und Mensch ist in diesem Sinne strikt ‚historisiert‘: Dem jeweiligen Wesen widersprechend haftet sie allein an dem kontingenten ‚in tempore coiise‘ der Naturen;51 und diese geschichtliche Eröffnung ist nicht lediglich das Initialgeschehen der gottmenschlichen Einheit, sondern bestimmt auf Dauer deren Vollzugsform als „Kommunikation des Disparaten“.52
5. Die konsequenten Tübinger von 1619ff ziehen in bestimmter Weise nur die Konsequenz aus jener ontologischen Präzisierung der zentralen christologischen Konzepte (communicatio Idiomatum; unio personalis), die bereits die voraufgehende Generation schwäbischer Theologen in Angriff genommen und der Sache nach bis ca. 1610 abgeschlossenen hatte. Dieses heißt in gegenläufiger Perspektive „Möglich“ – und durch den bereits erarbeiteten kommunikativen Begriff der Person Christi auch „notwendig“ – war die neue Tübinger Christologie somit rund ein Jahrzehnt vor ihrer tatsächlichen Entwicklung. Die Gründe dieser ‚Verzögerung‘ dürften sich, weil vermutlich historischer Kontingenz geschuldet, der systematischen Rückfrage entziehen und näher erst einer i.e.S. historischen Analyse erschließen. Erkennbar und benennbar aber ist, was diese neue Christologie, über eine bloß formale Konsequenz hinaus, inhaltlich-theologisch bewegt und konstituiert: Cui bono – ‚wozu dienen ihre disputationes?‘53
erhalten und die christologische Gedankenführung orientiert an den Allgemeinbegriffen göttlicher und menschlicher Natur“, andererseits zeigt sich jene aus der Ausrichtung auf die „vollzogene[...] Einigkeit Gottes und des Menschen in der Gestalt Jesu Christi“ resultierende „Tendenz, die Allgemeinheit der Naturen gewissermaßen zu ‚denaturalisieren‘“ (WENZ, 1986, II, 397 Anm. 77) – ist insofern kein inkonsequenter ‚metaphysischer‘ Atavismus, sondern, als Ausdruck dieses zentralen theologischen Interesses, theologisch essentiell. – Vgl. auch die unmittelbar auf Luthers Abendmahlstheologie bezogenen Feststellungen J. B AURs: „Mit dieser Aufhebung, nicht aber Vernichtung der Dinge in ihrem An-sich hat Luther … die Bestimmungen der aristotelischen Logik limitiert und überschritten hin auf eine Logik des Werdens, mit dem gegenüber Hegel entscheidenden Unterschied freilich, daß dieses Zusammenkommen des einen mit dem anderen nicht als ein Prozeß gedacht wird, der aus dem Grunde der Wirklichkeit selbst aufbricht, in sich verläuft und sich selbst vollzieht, damit aber nur die Entfaltung des Identischen bringt. Dann ist nämlich das andere in Wahrheit gar kein anderes. Luther hingegen weiß, daß dieses Neue … nicht aus den Dingen selbst kommt, sondern eines neuen Einsatzes Gottes bedurfte und bedarf ...“ (1993b, 21–28, hier: 27). – Christologisch führt die Frage nach dem Grund der Neubestimmung, der nicht in ‚den Dingen selbst‘ liegt, auf die Geschichte Jesu Christi, als den Ort des wirklichkeitsverändernden ‚neuen Einsatzes Gottes‘, – der hier genauer die Gestalt eines Selbst-Einsatzes hat; vgl. weiter u. F.III. 51 Vgl. o. C.III.2.4 und weiter u. F.III. 52 SPARN, 1976, 70. – Vgl. o. E.I.5.2. 53 Vgl. o. A.II.1.1 (bei u. mit Anm. 115), auch [B.] Anm. 10; [C.] Anm. 199.
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F. Unum omnia. Zusammenfassende Überlegungen
III. Cui Bono? – ‚Wozu dienen solche disputationes?‘ III. Cui Bono? – ‚Wozu dienen solche disputationes?‘
„Quaeritur de exiguo temporis, & jam dudum praeteriti spatio, nempe quo Christus modo sese ad creaturas habuerit secundum carnem, dum commoratus est in terris. Si ergo maxime relinqueretur decisio in dubio, … certe nihil decederet vel aedificationi Ecclesiae, vel saluti nostrae ...“54 – „Contrarium potius inferimus: quia Inanitionis tempore TOTA nostra Salus peracta, ideo Inanitionis Status propter consolationem nostram diligenter expendendus est, ut de sufficientia meriti certi esse valeamus ...“55
1. tempus praeteritum? 1.1 In der Kontroverse mit Mentzer stand für die Tübinger das Zentrum lutherischer Christologie, in der Konsequenz das Fundament des christlichen Glaubens überhaupt in Frage und auf dem Spiel: Unionem personalem non posse stare – totus Christianismus everteretur ...56 Es hat die Diskussion der anstehenden Sachfragen zusätzlich beeinträchtigt, daß diese Gewichtung von den anderen Teilnehmern der Debatte abgewiesen wurde. Nachdem die Machtverhältnisse an der Gießener Fakultät zu ihren Gunsten verschoben waren,57 ein Einschwenken der lutherischen Mehrheit auf ihre Linie sich abzeichnete, haben Mentzer und Feurborn das Gewicht des 1616 als quaestio gravis & necessaria deklarierten Themas der Gießener Debatte und auch diese selbst heruntergespielt und die Tübinger Konzentration des Streites auf Gegebenheiten des status exinanitionis als aus unerklärlichen Gründen inszenierte Erneuerung ‚längst erledigter‘ Debatten zu diskreditieren gesucht.58 In der genannten Hinsicht folgenreich war auch, daß die um Parteinahme bzw. Schlichtung angegangenen sächsischen Theologen den Streit unter Abwertung der gestellten Sachfrage eher als kirchenpolitisches Skandalon wahrgenommen haben: Die in der Frage der Allgegenwart Christi secundum carnem in statu exinanitionis zu Tage getretene Differenz – sie betrifft, so auch die ansonsten theologisch sorgfältig taxierende Brevis Consideratio B. Meisners, nur eine, gemessen am Ganzen der Geschichte Christi, kurze Episode, angesiedelt in der ‚längst vergangenen‘ Zeit seines irdischen Wirkens. Müßte auch die Entscheidung angesichts des Gewichtes der Argumente pro und contra in der Schwebe bleiben, – „gewiß nichts ginge der Auferbauung der Kirche oder unserem Heil ab“! Das zentrale Thema im Streit der Konfessionen ist der Erhöhte, der Christus exaltatus; – das theologische wie das religiöse Interesse gelten primär 54
[B. Meisner] Brevis Consideratio, 1621, 335; vgl. o. bei und mit [A.] Anm. 14. 15. T HUMM, Repetitio, 1624, Praef. Bl. f1r. – Vgl. u. bei Anm. 65. 56 Vgl. o. Anm. 6. 57 Vgl. o. [B.] Anm. 17. 58 Vgl. o. A.II.1.1 (bei u. mit Anm. 115), auch [B.] Anm. 10; [C.] Anm. 199. 55
III. Cui Bono? – ‚Wozu dienen solche disputationes?‘
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nicht einem Datum der Geschichte ‚damals‘, sondern der Bedeutung und Funktion Christi für ‚unsere Zeit‘.59 1.2 Dieser leichthändige, Urteile einer neuen Zeit präludierende60 und im übrigen auch nicht ohne faktischen Selbstwiderspruch61 vorgetragene Versuch einer Marginalisierung hat die Tübinger Kritik nur verschärft. In der Auseinandersetzung mit dem 1624 in handschriftlichen Exemplaren zirkulierenden Pamphlet eines sächsischen Anonymus (M. Hoë?), das in der Sache Argumente und Appell der Brevis Consideratio vergröbernd aufnimmt, hat Th. Thumm dieser Diagnose emphatisch widersprochen.62 Calvinistische Instrumentalisierungen der Mentzer’schen Thesen belegen, was 59
„An Christus post seßionem ad dextram Dei, etiam hoc nostro tempore, omnibus creaturis praesens sit, & illas potenter gubernat“. Vgl., auch für Belege, o. S. 1–3. 60 Die Bewertungen nehmen vorweg, was ein Jahrhundert später, nach dem Ende der orthodoxen Epoche, in Tübingen selbst zu hören sein wird (vgl. o. A.I.1). 61 In der dem Appell zur Mäßigung vorangehenden Sachanalyse hatte Meisner geltend gemacht, daß die (Gießener!) Bestreitung der Allgegenwart (adessentia, propinquitas) des Christus homo im Stand der Entäußerung eine Verletzung des ‚Prinzips‘ lutherischer Christologie bedeutet, die dann die grundsätzliche calvinistische Bestreitung der omnipraesentia carnis schlechterdings nicht mehr als Auflösung der Personeinheit kritisieren kann – eine faktische Ratifizierung der polemischen Spitzenthese reformierter Christologie, die in der Konsequenz das ganze Gebäude der lutherischen Christologie unterminiert: „hoc est illud Extra Calvinisticum, pro quo illi dimicant, cui se hactenus Nostri opposuerunt. Si enim datur tempus, quo λογος propinquus est creaturis, nec tamen illis propinqua est caro Christi, sequitur dari tempus, quo λογος sic est in carne, ut etiam sit extra carnem, nimirum respectu propinquitatis istius, secundum quam λογος solus sine carnis propinquitate creaturis quibusdam propinquus dicitur. Uno igitur ictu caderent omnia nostra argumenta hactenus posita, & suspecta fieret tota doctrina ...“ (Brevis Consideratio, 1621, 319)! – Diese dem eigenen Argument homophone Bewertung haben die Tübinger in ihrer Antwort auf die – Meisners Votum desavouierende – offizielle Decisio der Sachsen (1624) breit zitiert (Amica Admonitio 1624, 30–35, hier: 33). 62 T HUMM, Repetitio, 1624, Praef. Bl. b1r–f2 v. Ein – mit zahlreichen handschriftlichen Anmerkungen (wohl: Thumms!) versehenes – Exemplar dieses sächsischen Votums findet sich im Tübinger Universitätsarchiv (UAT 12/20a; Quart, 102 Seiten Text; Vorsatzblatt von gleicher Hand wie Text). Das titellose, lediglich „pro informatione tantum privata, quorundam Theologorum“ verfertigte „Scriptum ... non publicum“ (Vorsatzblatt) setzt die Kenntnis der Thumm’schen Ταπεινωσιγραφια (1623) sowie der Tübinger Antwort auf die Decisio Saxonica – Amica Admonitio (Sommer 1624) – voraus, deren Aufriß (vgl. Amica Admonitio 16–50) es in der eigenen Disposition ab cap. III (p. 16–102) exakt folgt. Terminus ad quem ist andererseits die vom Herbst 1624 datierende Praefatio der Repetitio Thumms. – Allem Anschein nach handelt es sich eine Vorarbeit zur 1625 publizierten Apologie der Decisio Saxonica; der Passus Apologia s. II, cap. V–XIV. XVI entspricht in der Abfolge exakt Anonymus cap. III–IX. So spricht vieles dafür, in dem Verfasser der Apologia, M. Hoë (vgl. HERTRAMPF, 1967, 162f; GLEICH, 1730, II, 101–103; P FAFF, 1718, 69f bei u. mit Anm. s), auch den Autor dieses anonymen Votums zu sehen. Thumms verhaltene Drohung, dem anonymen „AUTORI ... QUICUNQUE tandem sit“, das Nötige zu antworten (ibd., Praef. Bl. b1 v), dürfte die Verfasserschaft genau dieses „magni nominis Theologus“ (Bl. e3 v) unterstellen.
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an anderer Stelle auch Meisners eigene Beschwörung des Extra-Calvinisticum63 bündig benennt: die Annahme einer systematischen Independenz der Präsenz des Erhöhten und des Irdischen ist Illusion, jedenfalls dann, wenn für letztere Argumente aus der unio personalis aufgeboten werden sollen; das läßt sich konsistent nur für beide Stände durchführen. Und der Hinweis auf den geschichtlichen Abstand des strittigen Phänomens (statum exinanitionis praeteriisse) ist schlechterdings theologisch desaströs. Wird die Geschichte des Irdischen an diesem einen Punkt degradiert zur Episode, mit der für das ‚heute‘ Geltende nichts entschieden sei, – Quid TUM?: nichts hindert dann, diese Geschichte überhaupt zu verabschieden, mit ihr auch das satisfaktorische Leiden, das ja ebenso allein in der ‚kurzen Zeit‘ jener Vergangenheit seinen Haftpunkt hat, der ‚photinianischen‘ (i.e. sozinianischen) Kritik anheim fallen zu lassen.64 Das in seinen Konsequenzen ruinöse Argument ist umzudrehen: „Contrarium potius inferimus: quia Inanitionis tempore TOTA nostra Salus peracta, ideo Inanitionis Status propter consolationem nostram diligenter expendendus est, ut de sufficientia meriti certi esse valeamus“.65 Die meritorische Suffizienz der Leidensgeschichte hängt an der Qualität ihres Subjekts, daran, daß sie eine auch Gott selbst betreffende Geschichte ist. Eben dies steht zur Debatte, wenn nach dem Sein der Person Christi in statu exinanitionis gefragt wird; keineswegs also darf diese Frage als ‚weniger notwendige und völlig unzeitige Sache‘ suspendiert werden.66 Ein Christus jedoch, dessen Menschheit der Allgegenwart entbehrt, wäre nicht dieser wahre Gott, sondern ein Deus potentialis, nicht gewachsen den Anforderungen dieser Geschichte, die in der Last des dienenden Einsatzes für die Welt und Kirche ihre Signatur hat. Der gegen die Tübinger gewendete Einwand des Cui Bono? – „Christus ist nicht ins Fleisch gekommen, um zu herrschen, sondern um zu leiden und zu sterben“ – greift zu kurz.67 63
Vgl. o. Anm. 61. „Scribit [Anonymus] Calvinianos sine Decisione harum quaestionum sufficienter refutari posse. Respond. Negat Crocius Calvinianus in Aploget. Disput.11 thes. 16. VTILITER acceptamus, &c. 2. statum Exinanitionis praeteriisse addit. Quid TUM? & passio praeteriit, qua Patri satisfecit Christus: Ergo & illa Photinianis donanda? Et passio brevi tempore duravit. Ergo ob hanc causam neganda?“ (Repetitio, 1624, Praef. Bl. f1 r). 65 T HUMM, Repetitio, 1624, Praef. Bl. f1r. 66 „res sane minus necessaria & plane intempestiva non est“ (Amica Admonitio, 1624, 15; zum Kontext vgl. u. Anm. 68). 67 „Obijciunt [sc. Giessenses] … Cui bono sit illa universalis gubernatio Ecclesiae & mundi tempore inanitionis? Christum non ideo venisse in carnem, ut gubernaret, sed ut pateretur & moreretur. Respond. I. Ex mysterio unionis & communicationis personalis orthodoxe explicato, illa gubernatio immediate & necessario consequitur: proinde pie credenda, si maxime nesciamus, cui bono sit. II. Scimus utique, quid prosit: Ad perfectionem videlicet illius personae, per quam totus mundus erat redimendus, necessario requirebatur, ut illa non POTENTIALIS, sed ACTUALIS Deus esset; alioquin nec Diabolos, in 64
III. Cui Bono? – ‚Wozu dienen solche disputationes?‘
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2. Veränderungsgeschichte Gottes 2.1 Thumms Argument, dessen Gewicht die prima facie engführende Terminologie (meritum) nicht verdecken sollte, setzt voraus, daß mit der Teilhabe des Christus homo an den göttlichen Idiomen zugleich die gegenläufige Partizipation der Gottheit an der menschlichen Niedrigkeit tangiert ist.68 Dieser Konnex wird schon in den frühen Texten der neuen Tübinger Christologie implizit beansprucht, findet aber dort keine klare Ausarbeitung. Diese Voten suchen einer Implikation Gottes in die Geschichte Jesu dadurch zu entsprechen, daß sie die Definität und strikte Kontinuität der Teilhabe der Menschheit Christi am göttlichen Sein unterstreichen (perfecte simul & semel totum).69 Die dieser (‚anabatischen‘) Bewegung (Theogenese) symmetrisch korrespondierende und sachlich prioritäre (‚katabatische‘) Bewegung, die Partizipation Gottes am Sein und Geschick der angenommenen Menschheit (Ensarkose), bildet hingegen zunächst kein eigenes Thema der Auseinandersetzung mit Mentzer.70 Wenn, in Aufnahme der biblischen Wendungen, die Totalität des Eingangs Gottes ins Fleisch betont wird – IN-carnatio; IN-habitatio71 –, ist diese Partizipation der Sache nach impliziert: die Fleischwerdung eröffnet die Geschichte einer „Veränderung, die Gott den Sohn selbst betrifft, der geworden ist zum Christus ..., zur Person im Beisammensein von Gottheit und Menschheit“.72 Doch mußtoto universo hinc inde dispersos, compescere & vincere, nec Ecclesiam, varijs in locis hinc inde dispersam, sustentare, defendere, atque praesenter, potenter & omnisapienter regere potuisset. III. Conducit etiam, ut Christum Θεανθρωπον integrum & indivisum retineamus: uti enim in Christo unica est hypostasis, ita in unica hac υποστασει realis & indivisa 1. Est κοινωνια naturarum, 2. κοινωνια ιδιωματων , 3. κοινωνια ενεργειων ; quicunque iam indivisam & concatenatam κοινωνιαν naturarum, ιδιωματων & ενεργειων , non illaesam, indivisam & indissolubilem servat, is cum Calvinianis & Iesuitis ad Nestorij transit castra …“ (THUMM, Ταπεινωσιγραφια, 1623, 284). – Vgl. das zur Tübinger Auflösung der Antithetik von Herrschaft und Erniedrigung Dargelegte: E.III.4.1, C.II.3.2.4.2; zu Mentzer vgl. C.II.2.4.3. 68 Eine parallele Auseinandersetzung mit der behaupteten Irrelevanz des vergangenen Status exinanitionis in der Amica Admonitio hat dann eben diese Konjunktion beider Themen vorgenommen: „Christum praeterea, qua homo est, per triginta quatuor ferme annos, actu etiam personae a creaturis suis ... absentem facere, operationes in naturas, sive divinam, sive humanam dividere, Logon seu filium Dei omni modo & omni ratione, quae excogitari etiam possit, ab exinanitione ... a passione & morte in redemptionis opere peragendo excludere, personam ipsam divellere, principia, quibus hactenus contra Adversarios ... mascule pugnatum est, enervare aut saltum suspecta efficere, res sane minus necessaria & plane intempestiva non est ...“ (Amica Admonitio, 1624, 15). 69 Vgl. C.II.3.1.3; zum Konnex von Kenose und theopaschitscher Frage: C.IV.2.6. 70 Zur Terminologie und Differenzierung vgl. o. bei u. mit [C.] Anm. 415. 71 Vgl. o. C.II.2.2.3 („Nostrum IN Sanctum“). 72 J. B AUR, 1993h, 262. – Insofern läßt sich von einer ‚verschlüsselten Antwort‘ auf die ‚quaestio altera‘ de subiecto passionis sprechen (ibd., 263; vgl. u. Anm. 74).
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te der Ausfall einer eigenständigen Behandlung dieser gegenläufigen Teilhabe Gottes an der Menschheit, die in jener 1619 zwar notierten, aber beiseite gestellten quaestio altera de subiecto passionis Christi73 ihr Ziel und Zentrum hätte, als vorläufige Leerstelle der neuen Tübinger Christologie gelten – noch offen bleibt die Frage, ob es sich bei dieser „Veränderungsgeschichte Gottes selbst“ am Ende „nicht doch nur um eine Geschichte der Erhöhung der Menschheit handle, von der zu einem die Gottheit selbst berührenden Geschehen noch immer ein weiter Schritt ist“.74 2.2 J. Baurs Hinweis auf den ‚weiten Schritt‘ berührt jenes Problem, das lutherischer Christologie mit der außerhalb Württembergs üblichen asymmetrischen Fassung der Idiomenkommunikation entsteht. Eben diese Frage bildet das Movens der um die Wende zum 17. Jh. nachweisbaren Tübinger Revision der konkordistischen Konzeption; die im Entwurf eines separaten idiopoietischen Genus resultierende Weiterarbeit an der theopaschitischen Frage bildet deren Fokus und Thema.75 Die von der Intention lutherischer Christologie geforderte ‚Koinzidenz von Theogenese und Ensarkose‘ wird damit tatsächlich als das Simul zweier Vollzüge gedacht; die Ensarkose ist nicht länger nur als das Implikat und die ‚umschlagende Konsequenz‘ des theogenetischen genus maiestaticum entworfen.76 Nach dem Blick auf die abschließende Fassung der Tübinger Christologie ist zu sagen: Auch diese erneute Theorieprogression von 1619ff läßt sich in diesem Horizont verstehen. Ihre neue These zur omnipraesentia carnis exinanitae bringt den 2 Jahrzehnte zuvor am theopaschitischen Thema präzisierten kommunikativen Begriff der Persona Christi (ambae naturae simul) zunächst konsequent in theogenetischer Hinsicht zur Geltung, wenn sie die statusübergreifende Kontinuität der communicatio Majestatis als Bedingung der Einheit der Person reklamiert. Die mit der symmetrischen Fassung der Idiomenkommunikation (re-)etablierte Simultaneität konträrer Bestimmungen, die in der theopaschitischen These der divinitas passa ihre Konkretion fand, bahnt nun den Weg zur Verabschiedung jener Antithetik von Leiden und Herrschaft Gottes, die der kenotischen Restriktion zugrunde liegt:77 Gottes Herrschaft ist zentral die Übernahme der Last der Erhaltung und Rettung der Welt; in diese Last wird die Menschheit Christi qua Teilhabe an der Ubiquität einbezogen; die so beanspruchte Kompatibilität von Leiden und Herrschaft wird expliziert im Rekurs auf den Unterschied 73
Vgl. o. C.II.1.3. B AUR, 1993h, 262.263. Ebenso treffend dann die Fortsetzung: „Dem kann nicht widersprochen werden, jedenfalls nicht[,] bevor de subiecto passionis Christi gehandelt wird – was der Brief [vom 1.9.1619] ausdrücklich ausspart ... Eine verschlüsselte Antwort zwar läßt sich schon den weiteren Sätzen des Schreibens entnehmen“ (263). 75 Vgl. zusammenfassend o. D.V.1(.2/3). 76 Zu diesen Termini und Themen vgl. o. bei u. mit [C.] Anm. 415; C.IV.2.6(.2–4). 77 Vgl. o. C.IV.2.6.3–5. 74
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der Ämter Christi sowie mittels der Distinktion von selbstbezüglichem (reflexe) und externem (ad extra) Gebrauch der Majestät, damit ist das pro nobis des Seins Christi nun stringent als Kriterium der Reichweite der christologischen Kommunikation der Naturen gedacht.78 Diese für die theogenetische These ausgearbeitete Simul-Struktur wird dann mit gleicher Stringenz auch für die ‚andere Frage‘, die Fassung der Ensarkose, zur Geltung gebracht wird. Alles, was der Menschheit widerfährt, Leiden, Tod und Entäußerung, betrifft ohne Einschränkung – realissime! – auch die Gottheit (des Logos). Kraft der ‚Aneignung‘ des menschlichen Geschicks in Persona Christi ‚ist‘ Gott nicht allein als sein ewiges Wesen, sondern zugleich als ein durch das koexistierende fremde Wesen ‚Veränderter‘ (actus personalis ex ιδιοποιησει). Damit wird die als Simul extremer Gegensätze, als Koinzidenz von Leiden und Herrschaft bestimmte Geschichte Christi nun in allen Phasen und in jeder Hinsicht als einheitliche Geschichte ihres ‚einen‘ Subjektes denkbar.79 3. Der menschliche Gott in der Welt des Menschen 3.1 Mit diesem 1623/24 abgeschlossenen80 Entwurf der neuen Tübinger Christologie, der verbliebene Leerstellen der ‚ersten‘ Revision 1600ff füllt und auch Unklarheiten noch ihrer eigenen ersten Anläufe beseitigt, ist der ‚weite Schritt‘ von der „Erhöhung der Menschheit … zu einem die Gottheit selbst berührenden Geschehen“ definitiv getan, nun tatsächlich die Geschichte Christi als „Veränderungsgeschichte Gottes selbst“ gedacht.81 60 Jahre nach ihrer Begründung durch J. Brenz kommt die schwäbische Christologie an ihr Ziel und ihre Entwicklungsgrenze. „Der Gottmensch in der Welt Gottes“ – so hat H.E. Weber den „Gegenstand des theologischen Sinnens“ der „spekulativen Lutheraner der schwäbischen Schule“ auf den Punkt zu bringen gesucht.82 Intention und Skopus schon des initialen Entwurfs Brenz’ trifft dieses Plakat nicht.83 Einen Haftpunkt hat es freilich an bestimmten ‚akosmistischen‘ Akzenten einzelner Theoreme Brenz’.84 Eben diese problematischen Nebenlinien wird dann Ä. Hunn prinzipiell wenden, 78
Vgl. o. E.III.4.1. Vgl. o. E.III.4.2. 80 Vgl. o. Anm. 4. 81 J. B AUR, 1993h, 262. 263; vgl. o. bei u. mit Anm. 74. Dies entspricht Luthers Verständnis der Reichweite der christologischen Unio: „daß die Geschichte, die die Person Jesu Christi secundum humanitatem macht, Gottes eigene, sein eigenes Sein angehende Geschichte wird ...“ (E. J ÜNGEL, 1972a, 115; Hervorhebung J.). Vgl. DERS., 1972b, 137f. 82 H.E. WEBER, 1940, I/2, 163.161. 83 Vgl. dagegen, pars pro toto, nur H.CHR. BRANDYs theologische Bilanzierung des Brenz’schen Entwurfs: „Der Sinn der Person Christi: Die Soteriologie“, 1991, 267–283, mit dem abschließenden „Ergebnis: Christologie als Evangelium“ (ibd., 280–283). 84 J. B AUR, 2007, 241–255, bes. 247ff; vgl. näher o. C.IV.1.1.3/4. 79
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sein Konzept der praesentia intima sucht die Integrität der Personeinheit so zu sichern, daß es diese im ‚Innenraum‘ der Logos-Hypostase ‚verortet‘, in radikaler ontologischer Distanz zur raumzeitlich verfaßten Welt der Geschöpfe:85 An dieser ‚verformten schwäbischen Christologie‘ Ä. Hunns, in der die „Saat des Zeit und Raum nichtenden Brenz’schen Akosmismus ... voll aufgegangen“ ist,86 findet Webers These insofern Anhalt. Für die neue schwäbische Christologie von 1619ff, die darin aber Erbin der 1600ff vorlaufenden ersten Progression – bereits diese eine faktische Korrektur an Hunn – ist, gilt diese Einordnung eindeutig nicht mehr. Im Gegenteil, bei aller Reserve gegenüber plakativen Etiketten ist umgekehrt zu sagen: ihr ‚Sinnen‘ geht konsequent auf den ‚menschlichen Gott in der Welt des Menschen‘. Diese Ausrichtung integriert ihre in der kenotischen Kontroverse spezifisch werdenden Thesen. Protologisch: Ihr Begriff der Gegenwart Gottes als adessentia kraft der Unermeßlichkeit seines Wesens bringt die Weltimplikation Gottes als ‚notwendiges‘ Korrelat der Un-Selbständigkeit der geschaffenen Welt zur Geltung. Und doch ist damit nicht Gottes Freiheit einer fremden Notwendigkeit unterstellt (necessitas coactionis), sondern die unbedingte Verläßlichkeit (necessitas immutabilitatis) seiner Selbstbindung (necessitas pacti & promissionis) als der ratio existendi der Welt formuliert.87 – Analog in der Christologie: Die Personeinheit konstituiert nicht lediglich eine graduelle Steigerung der protologischen Weltgegenwart Gottes, sondern dessen Kommunikation an die angenommene Menschheit, vorbehaltlos und irreversibel, weshalb die Teilhabe der Menschheit am Sein und Tun Gottes als ‚notwendig‘ ausgesagt wird. Diese für alle schwäbische Christologie seit Brenz88 konstitutive Aussage steigern oder präzisieren die neuen Tübinger noch einmal: Solche die konservatorische Weltgegenwart (adessentia) kategorial überschreitende christologische Mitteilung Gottes erschöpft sich nicht in einer einlinigen TeilGabe (communicatio sensu stricto). Sie bedeutet vielmehr zunächst und fundamental seine Teil-Nahme am Geschick der Menschheit (appropriatio/ Idiopoiesis sensu stricto); auch diese Bewegung Gottes in die Tiefe kennt keine ‚exceptio‘ und Grenze, so daß von der ‚allerrealsten‘ Entäußerung und Passion ‚Gottes selbst‘ die Rede sein muß.89
85 „Qua ratione non posset Saluatoris humanitas a rebus creatis distare longius“! – Vgl. o. C.IV.3.1.1 (bei u. mit Anm. 634). 86 J. B AUR, 2007, 272– 280, Zitate: 272. 278; vgl. o. C.IV.3.1.1 (bei u. mit Anm. 636). 87 Vgl. o. C.IV.1.2.2. 88 Vgl. o. D.IV.1.3. 89 Vgl. o. E.III. 4.1.3, 4.2. – Der schwäbischer Christologie attestierte ‚formale‘ und ‚materiale Rationalismus‘ (H.E. Weber; o. F.II.3) ließe sich von daher alternativ interpretieren als Versuch, diese verläßliche (‚notwendige‘) Selbstbindung Gottes und die ‚Investition‘ seiner selbst (essentiƗ) in die Welt zur Geltung zu bringen.
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3.2 Der menschliche Gott in der Welt des Menschen: Diese in persona Christi eröffnete Geschichte der humana divinitas und – dann und daraufhin – der divina humanitas, die das sonst gegebene ‚Für-sich‘ von Gott und Mensch (sola divinitas/humanitas) ‚vermittelt‘,90 ist das ‚Thema‘ der neuen Tübinger Christologie. Weil diese Vermittlung im Wesen des Vereinigten keine Begründung hat, diesem vielmehr radikal widerspricht, kommt ihrem Vollzug schlechthin fundamentale Bedeutung zu. Die res κατ’ εξοχην nova der Persona Christi als des ‚Gottes mit uns‘, die auszusagen das Interesse der schwäbischen Christologie seit ihrer Grundlegung durch Brenz ist,91 läßt sich nicht anders explizieren als im Rekurs auf die Geschichte dieser Person. Allein und allererst hier geschieht (fieri) dieses Neue – „in der Zeit“ gegen die ‚ewige‘ Wahrheit des Wesens eine neue Wahrheit des Werdens92 konstituierend.93 In diesem Sinn entwirft sich die neue Tübinger Christologie als eine dezidiert ‚historische‘ Christologie. Die Person Christi besteht nicht als wesentlich konstituierter Sachverhalt, sondern als ‚das „Anderssein des Identischen“,94 welche Neubestimmung nur in ihrem kontingenten Vollzug in tempore wirklich und wahr ‚ist‘. Die Marginalisierung des status exinanitionis zur Episode eines ‚längst vergangenen Zeitraums‘, der ‚nicht mehr ist noch je wieder sein wird‘, konnte im Blick auf die doch allein hier begründete, wirkliche und vollzogene ‚Veränderungsgeschichte Gottes‘ nur als schlechthin ruinös angesehen werden. Die Bedeutung Christi hoc nostro tempore läßt sich begründen nur im Rekurs auf die Geschehnisse jenes tempus praeteritum,95 niemals und in keiner Weise in Antithese dazu. Sachlich in genauem Gegenzug zu Hunns Versuch, die Einheit der Person Christi dadurch zu retten, daß sie durch eine ‚transcendente‘ Verortung ‚extra omnia loca et tempora‘ den Gegensätzen ‚dieser Welt‘ enthoben wird, rückt nun gerade die in loco und in tempore vollzogene irdische Geschichte Jesu – „dum commoratus est in terris“96 – als Ort der Evidenz und Bewährung des inkarnatorischen conventus97 von Gott und Mensch in den Blick. Gelöst aus dem abstrakten Gegensatz zu jeglicher Niedrigkeit muß die göttliche Majestät nicht länger den irdischen Lebensvollzug Jesu ‚tran90 „… inter divinitatem solam, & humanitatem solam mediatrix sit humana divinitas, & divina hu|manitas“ (T HUMM, Disputatio, 1618, LVIII/43|f). 91 „Quid ergo noui factum est, quod, cum Christus nasceretur, homo vocatus sit Immanuel (hoc est) nobiscum Deus?“ (BRENZ, Recognitio, 1564, 21). – Vgl. BRANDY, 1991, 280–283; J. B AUR, 2007, 243f. 92 Vgl. o. Anm. 50. 93 „... utrasque Naturas, non ab aeterno, sed in tempore … coiisse“; vgl. o. C.III.2.4. 94 SPARN, 1976, 197. Vgl. o. F.II.4. 95 Vgl. o. F.III.1. 96 Brevis Consideratio, 1621, 335; vgl. o. F.III.1; o. bei u. mit [A.] Anm. 14. 97 Ä. Hunn; vgl. o. bei u. mit [C.] Anm. 637.
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scendieren‘, evident allein dem intuitus fidei, der diese ontologische Distanz (nur) noetisch wieder einholt.98 Sie ist vielmehr in diesem Lebensvollzug anwesend, sub contrario dessen Kraft und Integral. „Nur der Sohn des Zimmermanns“, lautet das abschätzige und abweisende Urteil des Unglaubens gegenüber dem Anspruch, es in dieser Geschichte mit Gott zu tun zu haben.99 Diesem nach Erfahrung und Vernunft fraglos ‚Allergewißesten‘ widerspricht der Glaube. Aber sein Widerspruch hintergeht nicht ‚intuitiv‘, was vor Augen steht. Er beharrt darauf, daß tatsächlich ‚nur‘ dieses partikulare Menschendasein der Ort der neuen Gotteserfahrung ist; ‚nur‘ hier, im handfest kenntlichen Lebenszusammenhang dessen, „den sie Jesus aus Galiläa nennen“, hinein verflochten in die Folge von Abhängigkeit und Bedürftigkeit, Leiden und Tod, begegnet das Wunder des neuen Ereignisses Gottes.100 Die Passionsgeschichte des Zimmermannsohns zwischen Empfängnis und Kreuz dementiert nicht die Implikation Gottes, sie bildet deren konkrete Gestalt – die Geschichte der Selbsthingabe des deus humanus in die Niedrigkeit menschlicher Verlorenheit. 3.3 So gelangt die ‚essentialistisch‘ ansetzende und ‚deduktiv‘ argumentierende neue Tübinger Christologie, gerade indem sie jenen schwäbischer Christologie in toto attestierten ‚formalen‘ und ‚materialen Rationalismus‘ konsequent entwickelt, auf dem Boden und in den Grenzen der klassischen Inkarnationslehre zu einer ‚geschichtlichen‘ Fassung der personalen Union, die dem jedenfalls nicht entgegensteht, was gemeinhin aus neutestamentlicher Perspektive als Defizit und notwendige Korrektur der Zwei-
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Vgl. o. C.IV.3.2.2. „… quam primum enim venit in sua Christus, non receptus est a suis, Joh. 1,11. Sed ipsum ψιλον ανθρωπον … nulloque modo Deum esse crediderunt, Joh 8. V.19.29.57 … eumque | non nisi filium Davidis, Matth. 22.42. imo fabri lignarii filium [Mt 13,55] esse arbitrati sunt“ (T HUMM, Majestas, 1620d, 1|f). 100 „... Euangelista dicit: Verbum caro factum est, hoc est Deus est homo, & homo est Deus. Sed quis hoc credet? Audiamus iudicium omnium hominum … An non apud omnes confessum est, & ab vniuersis pro compertissimo habetur, quod hic homo, quem vocant Iesum e Galil(a)ea, non sit Deus? Deus enim non habet corporales manus, non habet corporales pedes, non esurit, non sitit, non dolet, non moritur, Hic autem homo habet tam manus, quam pedes, sitit, esurit, dolet & moritur, Quomodo igitur potest Deus? … His enim fundamentis positis … quid aliquid sequeretur, quam quod doctrinam Christianismi esse verum figmentum, & inanem rixam, propterea quod pugnet cum ijs, quae sunt apud omnes confessa, & ab vniversis pro compertissimis habentur? … nos autem, quod de proprietate & veritate humanitatis Christi sentiendum est, petamus non ex vulgari hominum iudicio, sed quia incarnatio Christi est miraculum omnia re|liqua miracula, admirabilitate sua excedens, petamus e iudicio Spiritus sancti, quod in sacris literis extat“ (BRENZ, Recognitio, 1564, 97|f). – Vgl. zur damit aufgerufenen theologischen Frage auch E. J ÜNGEL, 1978, 490. 99
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Naturen-Christologie angemahnt zu werden pflegt.101 Ihre konsequente Fassung der Personeinheit als symmetrischer Vermittlung der Naturen stellt ein Instrument bereit, die Geschichte des Lebens Jesu im dogmatischen Begriff zu explizieren. Die als solche festgehaltenen Wesensbegriffe von Gott und Mensch limitieren nicht länger die Aussage der Neubestimmung beider. Sie benennen den terminus a quo,102 der in dieser Geschichte überholt wird, und weisen so ex negativo hin auf den konkreten Ort, wo diese Neubestimmung allein ihre Wirklichkeit und Wahrheit hat. ‚Dort‘ aber, in der schlechthin neuen Gemeinschaft der Person Christi geschieht jene radikale Veränderung von Gott und Mensch, die die außerchristologische Distanz und (ex parte hominis:) Konkurrenz103 von Schöpfer und Geschöpf zur Gemeinschaft einer Lebensgeschichte wendet. In Verabschiedung aller quantitativen Reduktionen, unter Verzicht auch auf jedweden ‚diplomatischen‘ Ausgleichsversuch104 kann nun, in konsequenter Umsetzung des Begriffs der Person Christi nur als Zugleich ihrer Naturen (ambae naturae simul), durchgehend die ganze Person Christi als das eine und kontinuierliche Subjekt dieser Geschichte gedacht werden (totus Christus indivisus). Hoheits- und Niedrigkeitsprädikate werden nicht länger statusrelativ auf die Naturen hin sortiert. Vielmehr gelingt es, „konsequent den ganzen Weg Jesu als den des fleischgewordenen Wortes zu 101
Zur Kontrastierung von neutestamentlicher und Zwei-Naturen-Christologie vgl., statt anderem, nur die abwägenden Skizzen von D. W IEDERKEHR, 1970, 490–499 (‚Desiderata der ntl. Christologie an die Systematik‘), 511–518 (‚Jesus als eschatologisches Ereignis Gottes und die Zweinaturenlehre‘), 612–621 (‚Jesus als das eschatologische Ereignis des Menschen und die Zweinaturenlehre‘); – allerdings in deutlich ‚römischkatholischer‘ Perspektive, die gerade die klassische lutherische Relektüre der ZweiNaturen-Christologie im Konzept der realen Idiomenkommunikation weitgehend ignoriert. Die Klage über die ‚Statik‘ der Zwei-Naturen-Lehre, „die von ihrem Begriff her doch schon immer zum Parallelismus neigt“ (509 Anm. 33), hätte von daher Differenzierungen erfahren können: Die dazu kontrastierte These: „Richtigerweise muß nicht nur von Gottes Handeln in menschlicher Gestalt, sondern als menschliche Gestalt gesprochen werden“ (509; Kursivierungen D.W.), bringt auf den Punkt, was die lutherische Lesart der Zweinaturenlehre durch das Konzept der communicatio Idiomatum realis intendiert und aussagt. 102 Womit die Wirklichkeitserfahrung extra Christum ‚aufbewahrt‘ ist; – vgl. o. mit u. bei Anm. 50 (N. Slenczka). 103 „Non potest homo naturaliter velle deum esse deum, Immo vellet se esse deum et deum non esse deum“ (LUTHER, StA 1, 166,23f; WA 1, 225,1f [Disp. contra schol. theol., 1517]). 104 Vgl. das von E. JÜNGEL zur Problematik der ‚altkirchlichen Zwei-Naturen-Lehre‘ Angemerkte: „Deren berechtigtes Interesse, von Jesus beides auszusagen: das vere deus und das vere homo, war doch immer von der Gefahr begleitet, zwischen beiden Aussagen sozusagen ein diplomatisches Gleichgewicht der Kräfte herzustellen und eine Überbetonung des vere homo alsbald durch eine entsprechende ‚Aufwertung‘ des vere deus auszugleichen (und umgekehrt) …“ (1990a, 239).
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sehen“:105 Die Geschichte Jesu ist in allen Phasen und Hinsichten die von Gott und Mensch gemeinsam vollzogene und gemeinsam erlittene Geschichte, in der bisher und außerhalb dieses Vollzugs auch weiterhin radikal Getrenntes vermittelt wird zur vorbehaltlosen Einheit eines unum omnia. Diese Formel meint nicht die Aufhebung jeder Bestimmtheit in beziehungslose Indifferenz, sondern benennt als Kurzfassung der perichoretischen Vermittlung106 das von jeder Sorge um Selbstverlust freie versöhnte Beieinander von Gott und Mensch. Die Persona Christi ist „die Person des Vollzugs dieser Gemeinschaft“,107 konstituiert durch das Geschehen von Hingabe und Teilgabe, „in dem Gott Mensch und der Mensch Gott wird, weder durch Verwandlung der Gottheit noch durch Angleichung des Menschen, wohl aber im Prozess der Teilnahme Gottes am Elend des Menschen und der Aufnahme des Menschen in Gottes Macht und Leben“.108 4. ‚Gottes eigene Geschichte‘109 Einen noch einmal pointierten Ausdruck findet die in der Geschichte Jesu vollzogene Versöhnung des sonst zuhöchst Gegensätzlichen und Getrennten in einer These, die schon, allerdings ohne breitere Ausarbeitung, bei 105 CHR.V. SCHÖNBORN, 1977, 436 (Kursivierung Sch.); hier in Auseinandersetzung mit W. Pannenbergs Versuch, die Einheit Jesu mit dem ewigen Sohn Gottes als über die im Kreuz erreichte Selbstpreisgabe Jesu an Gott vermittelt zu denken, vgl. 435–445, bes. 436f. Zur theologischen Problematik auch E. J ÜNGEL, 1972b, 140f (Anm. 38). – Weiter notiert sei Schönborns These, diesem Konzept eigne eine Nähe zu den neo-kenotischen Lösungsversuchen: „Es muß auch die Frage offenbleiben, wie bereits Jesu irdischer Weg sinnvoll als gottmenschlicher geglaubt werden kann. Ist Jesus erst und einzig von seiner eschatologischen Vollendung her mit dem Sohn Gottes identisch zu sehen, dann muß Jesu geschichtlicher Weg als unvollendeter ‚vorläufig‘ aus dieser Identität herausgehalten werden. Hier bleibt P[annenberg]s Christologie m.E. in eigenartiger Nähe zu den Kenotikern des 19. Jh.s, die ‚einem wahrhaft menschlichen Leben Jesu Raum schaffen‘ wollten, indem sie von seiner Göttlichkeit Abstriche machten; nur sind bei P[annenberg] die Vorzeichen umgekehrt gesetzt: die Kenosis wird gewissermaßen vom Ende her gesehen, und nicht in der Inkarnation“ (444). – Vgl. W. P ANNENBERGS eigene Replik, 1978. 106 Vgl. o. D.IV.3.2.2; D.IV.4. 107 Jesus ist „nicht nur ein Glied der neuen Gemeinschaft mit Gott, sondern die Person des Vollzugs dieser Gemeinschaft. In seiner Person und durch sie vollzieht sich die neue Gemeinschaft mit Gott, ereignet sich die neue Selbstverständlichkeit der Versöhnung“ (E. J ÜNGEL, 1978, 488). 108 J. B AUR, 2007, 301; mit Verweis auf T HUMMs Formulierung der ‚christologischen Summe‘ (ibd.): „qua ratione ob unionem personalem Deus fit homo, infirmus, mortalis; ea ratione (loquendo de reipsa, non rei modo) homo fit Deus omnipotens, immortalis: atqui Deus non formaliter, essentialiter siue subjective, sed assumendo & intime appropriando realiter fit homo infirmus, mortalis; Ergo et homo assumptus non formaliter, essentialiter seu subjective, sed ob naturarum, proprietatum & omnium ενεργειων κοινωνιαν realiter fit Deus“ (Repetitio, 1624, 328). 109 Zur Formulierung vgl. o. Anm. 81 (E. Jüngel); u. Anm. 121 (J. Ringleben).
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Vertretern der ersten Tübinger Progression am Anfang des 17. Jh.s in Aufnahme altkirchlicher Vorgaben begegnet: Die Menschheit Christi geht ein in das Consortium Trinitatis, das innere Leben Gottes selbst.110. Vom ‚Innen‘ Gottes war zwar, und mit Emphase, schon in der Christologie Ä. Hunns die Rede. Doch seine These der weltdistanzierenden ‚Erhebung‘ (elevare) der Menschheit in das Innere der Logos-Hypostase111 meint gerade kein Geschehen, welches das Sein der Gottheit selbst tangierte. Die asymmetrische Binnenstruktur der Personeinheit als Beieinander von hegemonialem Logos und instrumental zugeordneter Menschheit, wie sie den gemäßigten Ubiquismus bestimmt und durch Hunn nochmals verschärft wird, verlegt die außerchristologische Opposition von Gott und Mensch gleichsam in die Personeinheit Christi hinein, fixiert sie als strikte Hierarchie. Für die Menschheit bildet der Logos dieses Gegenüber ‚Gottes‘. Die Diastase wird dann zwar ‚psychologisch‘ überbrückt, durch Mitwissen und Mitwollen der Menschheit; indem der Logos aber so zum Terminus einer voluntativen und intellektuellen Beziehung der Menschheit wird, ist diese Differenz nun erst recht markiert.112 Mit diesem hierarchischen Konzept bricht die symmetrische Fassung der Personeinheit (nicht erst) durch die neuen Tübinger. Sie hält zwar die Prävalenz des Logos für die Konstitution der Personeinheit fest, schreibt sie aber nicht als bleibendes Prinzip auch noch der konstituierten Person Christi fest. Vielmehr ist Christus des Logos Ende:113 nur als eine der vereinigten Naturen ist ‚nun‘ der Logos Subjekt der einen Geschichte Christi, dies aber stets in perichoretischer Kommunikation (unà cum) mit der koexistierenden Menschheit.114 Logos factus est Christus: Aufgrund des damit gesetzten ‚discrimen inter Christum & Filium Dei‘115 repräsentiert postinkarnatorisch niemals der Logos allein diese Person nach außen; ebensowenig bildet er für die Menschheit das ‚innere‘ Gegenüber Gottes. Mit diesen Festlegungen ist einer deren neutestamentlichen Ursprüngen adäquaten Wahrnehmung der trinitätstheologischen Frage116 der Weg je110 M. Schaefer, Th. Wegelin, beiden voran S. Gesner; vgl. bei u. mit [D.] Anm. 744; D.IV.3.1; [D.] Anm. 470. In dieser Spur dann auch die ‚neuen‘ Tübinger; schon T HUMM, Disputatio, 1618, 78/53 (im – anonymen – Anschluß einmal mehr [vgl. C.II.2.5.3/4] an W EGELIN, Disputatio, 1608, 54.55/13f). 111 Vgl. o. C.IV.3.1. 112 Vgl. das o. [D.] Anm. 834 Notierte. 113 Vgl. o. C.III.2(.6); auch D.IV.2.2.1. 114 Vgl. o. E.III.3.2. 115 M. SCHAEFER, Disputatio I, (1602a=) 1607, 54/16. Vgl. o. D.IV.2.2.1. 116 Hier darf es genügen, für diese Frage auf einige umfassende Entwürfe (evangelischer Provenienz und deutscher Sprache) zu verweisen: E. J ÜNGEL, 1978, 409–545, bes. 470ff; J. M OLTMANN, 1980, bes. 77f, 129ff; W. P ANNENBERG, 1988, I, 283–364; 1991, II, 365–440. – Vgl. auch D. W IEDERKEHR, 1970 (bes. 502–504. 534–540. 550–561. 630–
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denfalls bereitet. Die der Menschheit Christi widerfahrene elevatio in consortium Trinitatis meint ein Ereignis, das die Gottheit in ihrem Sein tangiert. Diese Menschheit und ihre Geschichte gehören zum Leben Gottes selbst, auch in einer letzten Tiefe: ‚als Christus starb, war ein Leichnam in der Dreieinigkeit selbst‘ (St. Gerlach).117 Die vom Logos ‚angenommene‘ Menschheit rückt kraft dieser hypostatischen Vermittlung ein in dessen trinitarische Sohnes-Relation und gewinnt Teil an der Trinität,118 Anteil an der Gemeinschaft mit dem ewigen Vater – „non minus ... quam ipse λογος“!119 Ist so die Menschheit einbezogen in das innergöttliche Gegenüber des Sohnes zum Vater, wird die innertrinitarische Konstitution des ewigen Sohnes (generatione Archetypa) auf die geschichtliche Seinskonstitution der Menschheit (gratia Vnionis personaliter) bezogen.120 Letztere wird damit zum ‚Ort‘ des geschichtlichen Vollzugs des ewigen Seins des Logos. Das in tempore begründete und vollzogene Dasein Christi bildet das Ereignis der Auslegung – ‚Offenbarung‘ – des Seins des ewigen Gottessohnes: „Diese Geschichte ist Gottes eigene Lebensgeschichte“.121 642); CHR. SCHWÖBEL, 2002a, 2002b; weiter auch: J. R INGLEBEN, 2008, bes. (49–51.) 652–663: ‚Der Gott des Sohnes (Gottes Sichhervorbringen)‘ (vgl. u. Anm. 121). 117 „moriente Christo, in ipsa trinitate funus fuisse“; Zitat und Übersetzung nach J. B AUR, 1993i, 305 bei u. mit Anm. 53. 118 „Humana Christi Natura eadem ratione qua personaliter pertinet ad λογον, qui est secunda Trinitatis Persona, pertinet etiam personaliter ad Trinitatem in Persona του λογου“ (W EGELIN, 1608, 54/13). Vgl., auch zum folgenden, o. D.IV.3.1. 119 „... [Christus Homo] concors est factus S.S. Trinitatis, in cuius complexum venit per Personam Filij, sic vt per eandem non minus Personaliter sit in SINV PATRIS, quam ipse λογος [Joh 1,18] ...“ (WEGELIN, 1608, 112/30). 120 „... Tam quidem arcte, ut caro Christi suam προσωποτητα seu Personalitatem non MINUS habeat a Filio DEI, quam Filius DEI a Patre suo: quamvis non AEQUE, hoc est, quamvis diverso communicationis modo. Filius namque eam a Patre habet generatione Archetypa, necessitate imperscrutabiliter Naturali. Caro autem Christi gratia VNIONIS Personaliter“ (WEGELIN, 1608, 106/28). 121 „Diese Geschichte [Jesu] ist Gottes eigene Lebensgeschichte, und in Gottes ewigem Leben schlägt ein menschliches Herz“: Mit diesem Satz aus J. RINGLEBENs Jesusbuch (2008, 653) dürfte sich, über den Abstand der Zeiten hinweg, die Intention dieser Tübinger Thesen benennen lassen. Auch sonst bietet Ringlebens Bilanz des ‚Versuchs‘, ‚Jesus … zu begreifen‘, interpretatorisch anregende ‚Entsprechungen‘ zur Tübinger Christologie: ‚In der Person und in der Geschichte Jesu bringt Gott sich (bei uns) selbst hervor‘ – als der ‚Gott des Sohnes‘ (2008, 652–663, hier: 652; vgl. 49–51); dies verstanden als der ‚geeignete‘ Gedanke, „die Christologie zu begründen“ (659f, hier: 659). Sowenig die Tübinger von einem (‚definitiven‘, 654) ‚Sichhervorbringen‘ Gottes hätten sprechen wollen und so wenig sie als dessen primären ‚Ort‘ das ‚Sohnesbewusstsein‘ (653. 658. 661) und ‚Wort‘ (653) Jesu hätten sehen wollen: ihre Interpretation der inkarnatorischen Synthese als Res κατ’ εξοχην NOVA, in der der Logos zum Christus ‚wird‘, denkt eine „Neubestimmung Gottes in Jesus“ (661), deren Radikalität hinter der mit Ringlebens Stichwort ,Sichhervorbringen‘ gesetzten Marke kaum zurückbleibt: „Gott ist dabei anders geworden (wenngleich kein anderer Gott!)“ (661). – Als ein Gespräch eröffnende Anfra-
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Es sind diese nicht explizit formulierten, doch in der ‚Konsequenz‘ der konsequenten Tübinger Christologie aufleuchtenden Verschränkungen von (irdischer) Zeit (Jesu) und (Gottes) Ewigkeit – „ein Geschehen zwischen Zeit und Ewigkeit“ 122 –, die Th. Thumm berührt, wenn er von der ‚ewigen‘ Wahrnehmung des Mittleramtes Christi schon durch den ewigen Gottessohn spricht.123 Zu erinnern ist auch an die Tübinger These einer in Persona Christi gegebenen reziproken Koinzidenz der actus von Gott und Mensch. Der actus naturalis der Menschheit ist (qua Idiopoiesis) der actus personalis der Gottheit; Gottes actus naturalis (qua communicatio Majestatis) der actus personalis des homo assumptus.124 Auch dies bestimmt die Menschheit Christi und ihre Geschichte zum ‚Ort‘ und zur Gestalt‘ der Neubestimmung Gottes zum ‚menschlichen Gott‘ (humana divinitas), seines Werdens zum ‚Gott mit uns‘ (Immanuel).
Von dieser letzten Verankerung im Sein Gottes selbst her fällt noch einmal ein Licht auf jene zunächst prima facie nur partikulare These, mit der die klassische Tübinger Christologie 1619 in die theologische Welt tritt. Indem sie von der notwendig kontinuierlichen omnipraesentia carnis Christi spricht, intendiert sie nicht eine isolierte Auskunft über die exzeptionelle Auszeichnung dieses Menschen. In Rede steht schon hier die Gegenwart des ‚menschlichen Gottes‘ (humana divinitas). Diese Neubestimmung Gottes ist allein in seiner ‚in Persona Christi‘ konstituierten Gemeinschaft mit diesem Menschen und der dadurch eröffneten Geschichte ‚da‘, außerhalb dieser steht „das alte Widereinander von Gott und Menschen“125 in Geltung. ‚Ipse ambabus naturis rebus omnibus, in coelo & in terra praesentissimus adest‘:126 Nur indem dieser Mensch da ist, ist der menschliche Gott da‚ ‚überall‘ – in seiner Welt, allen Menschen, auf Glauben hin.127 ge an die Tübinger Fassung der Neubestimmung Gottes strikt unter dem Vorzeichen eines ‚simul et semel‘ (C.II.3.1.3) ließe sich lesen, was Ringleben abschließend zur ‚Binnendifferenzierung‘ jener in der Geschichte Jesu vollzogenen ‚Lebensgeschichte‘ Gottes andeutet: „Was hier als Sichhervorbringen Gottes (oder: Werden zu sich) begriffen wird, ist die eigene ‚Lebensgeschichte‘ Gottes. Sie ist durch das Nacheinander von Kreuz und Auferstehung als ein wirkliches Geschehen so unbedingt gemacht …, dass es nicht in ein ‚ewiges‘ Beieinander (‚Gleichzeitigkeit‘) zweier (soz. gleichberechtigter) Momente aufgelöst werden kann. Die Einheit des ewigen Gottes in seinem ewigen Leben ist dadurch gewährleistet, dass dies Nacheinander als ein wirkliches Entzweiungsgeschehen gedacht wird, in dem die Einheit in sich zurückgeht, so dass Gott auch im zeitlichen Verlauf dieser Geschichte – nun aber lebendig – ewig bei sich bleibt. Gottes ‚Unveränderlichkeit‘ muss daher als ‚Resultat‘ dieses Weges Gottes zu sich selbst bestimmt werden. Nur so ist er in Wahrheit als der Gott ‚des Sohnes‘ zu verstehen“ (663; Kursivierung U.W.); vgl. ibd. 660f sowie, zur ‚Gottverlassenheit des Sohnes‘ am Kreuz, ibd. 604–628, bes. 628. 122 J. RINGLEBEN, 2008, 653. 123 T H. THUMM, Ταπεινωσιγραφια, 1623, 100; vgl. o. [E.] Anm. 344. 124 Vgl. o. E.III.4.2.1. 125 J. B AUR, 2007, 220. 126 Acta Mentzeriana, 1625, 70. – Zum Zusammenhang vgl. o. C.II.2.2.1.3/4. 127 Zur Tübinger Zuordnung von Soteriologie (unio mystica) und ‚Ontologie‘ der Person Christi (unio personalis) vgl. das C.II.3.2.2.5.2 (bes. bei u. mit Anm. 328. 329) Notierte. Vgl. auch F. NÜSSEL, 2000, 267–278, bes. 276ff, 290–294; W. SPARN, 1992, 59.
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F. Unum omnia. Zusammenfassende Überlegungen
Epilog Epilog
‚Ein hochärgerlich Gezänke‘ sei es gewesen, von ‚rauen‘ Begleiterscheinungen geprägt, politisch ganz inopportun, zudem auf religiös nicht entscheidende ‚Schulfragen‘ kapriziert. – Die abwehrenden Urteile schon vieler Zeitgenossen über den kenotischen Streit, die in späteren Annäherungen ihr Echo fanden,128 sind nicht einfach vom Tisch zu wischen. Ohne Gezänk ging es allerdings nicht ab; und eine – sehr wünschenswerte – i.e.S. historische Aufarbeitung der Debatte dürfte hier reichlich Ernüchterndes ans Licht bringen.129 Die nochmalige Fraktionierung lutherischer Christologie und Kirche, in welche die Kontroverse mündet, sie war unbestreitbar ein hoher Preis in ‚gefährlichen Zeiten‘. Gerungen wurde mit großer Anstrengung des Begriffs tatsächlich um ‚Schulfragen‘, Probleme einer konsistenten Fassung akademischer Christologie, deren praktischer Ertrag für Leben und Frömmigkeit nicht unmittelbar am Tag lag.130 Schon richtig. Doch hat die hier ans Ende kommende Untersuchung zeigen können: Die in, mit und unter diesem ‚Gezänk‘ zu Stand und Wesen findende klassische Tübinger Christologie ist im Zentrum nichts anderes als der Versuch, die neutestamentlich erzählte und geglaubte ‚eigene Geschichte Gottes‘ unter den Bedingungen der klassischen Inkarnationschristologie konsistent zu denken.131 Eine auf den vorgelegten Ergebnissen aufbauende und den vorgeschlagenen Perspektiven folgende, noch einmal eingehendere Interpretation132 wird den Verdacht widerlegen können, daß sich dieser Versuch nicht ‚verlohnt‘133 hätte … 128
Vgl. o. S. 1–4; A.I.1. Vgl. U. BUBENHEIMER ([A.] Anm. 154); auch W. ANGERBAUER, 1972, 36–45. 130 Vgl. hier A.IV.3.2 zum Einspruch gegen eine antithetische Zuordnung von Lehre (doctrina) und Frömmigkeit (pietas) und die damit einhergehende Problematisierung des wissenschaftlichen Charakters der (akademischen) Theologie. Und noch einmal darf, gegen die unzeitige Einforderung funktionalen ‚Mehrwerts‘ theologischer Wahrheit, gefragt werden: „warum soll nicht auch ‚intellektuelle‘ Erkenntnis von Wahrheit sich selbst genügen können?“ (M. MATTHIAS, 2004, 20, Anm. 22; zum Kontext o. [A.] Anm. 202). 131 Vgl., aus einem etwas anderen Zusammenhang: „Die damals gestellten Probleme ergeben sich, wenn man einmal versucht, den Satz: „‚Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen‘ (Mt 18,20) logisch zu analysieren – jede Generation muß ja für diesen Satz, den sie glaubt, auch eine möglichst konsistente Theorie haben“ (T H. MAHLMANN, 1990, 142; zweite Kursivierung U.W.). 132 Ihre strukturierende Text-Basis hätte diese Untersuchung in den großen Entwürfen Th. Thumms – Repetitio 1624; Ταπεινωσιγραφια 1623 –, in denen die neue Tübinger Christologie ihr rundes Wort spricht (o. Anm. 4.): Sie entfalten die christologische Kommunikation konsequent symmetrisch, als Vermittlung von humana divinitas und divina humanitas, wodurch die Geschichte Jesu in der benannten Weise als ‚Gottes eigene Geschichte‘ erzählbar und begreifbar wird. 133 Vgl. o. S. 1. 129
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Literaturverzeichnis
DERICO BALDUINO | S.S. Theol. D. ac Prof.P. Pastore & | Superintendente. | RESPONDENTE M. ABRAHAMO HEINECCIO | Wittebergensi, facult. Philosoph. Adiuncto. | Ad diem 27. Martii horis a 7. matutinis. | … | VVITTEBERGAE, | Ex Officina Typographica JOHANNIS MATTHAEI. | ANNO M. DC. XVIII. |. B EKENNTNISSCHRIFTEN (1979): Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche. Herausgegeben im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession 1930. 8. Auflage, Göttingen 1979. B ERICHT VON DEM COLLOQVIO (1585): Bericht von dem | COLLOQVIO | Der zu Quedelburg versambleten | Theologen: |Vber dem Artickel von der Vbiqui= | t[ae]t vnd allenthalben gegenwertigkeit deß Leibs | Christi/ wie dieselben in der newen Concordi for= | mul vnd darob zu Erfurt vorfasten Apo= | logien gelehrt wirdt. | Jtem das Iudicium D. Heshusij von derselben | Apologien/ zum f[ue]rlauff einer ferneren gr[ue]nd= | lichen widerlegung: | ... | Getruckt in der F[ue]rstlichen Pfaltz/ zu Newstatt | an der Hardt durch Mattheum Harnisch. | M.D.LXXXV. |. B ESTÄNDIGER UND GRÜNDTLICHER B ERICHT (1601): Beständiger und Gründtlicher | Bericht / Uber das vermeinte | Christliche Bedencken/ welches unter dem | Namen des Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten | und Herren/ Herrn Ernst Friderichen Marggrauen zu Baden | und Hochberg ... wider die Christ- | liche Formulam Concordiae, und deroselben einverleibte Augspurgische Confession, auch grossen | Catechismum Lutheri, so dann den Appendicem gedachter Formulae, neben angehengter| ihrer Fürstlichen Gnaden Calvinischen Confession, Anno 1599. zu | Staffort in Truck außgegangen. | ... | Auff Gnädigen Beuelch des ... Herrn Friderichen/ Hertzogen | zu Würtemberg vnd Teck ... verfasset: Und ... in Truck gegeben/ | Durch die | Würtembergische hierzu verordnete Theologen. | ... | Getruckt zu Tübingen/ | Bey Georgen Gruppenbach/ | ANNO M.D.CI. |. B EZA, THEODOR (1576): Theodori Bezae Vezelii Volumen ... Tractationum Theologicarum ... Secunda Aeditio ab ipso Authore recognita, I, Genf 1576. – (1576a): Ad Joannis Brentij argumenta, & Jon.[!]Andreae Theses, quibus carnis Christi omnipraesentiam nituntur confirmare, id est Aduersos Nestorij & Eutychetis errores, Responsum [1565]. In: Theodor Beza, Theodori Bezae Vezelii Volumen ... Tractationum Theologicarum ... Secunda Aeditio ab ipso Authore recognita, I, Genf 1576; S. 507–624. – (1576b): De Hypostatica duarum in Christo Naturarum Vnione Adversus Jacobi Andreae assertionem [1565]. In: Theodori Bezae Vezelii Volumen ... Tractationum Theologicarum ... Secunda Aeditio ab ipso Authore recognita, I, Genf 1576; S. 625–645. – (1582): Theodori Bezae Vezelii Volumen ... Tractationum Theologicarum ... Secunda Aeditio ab ipso Authore recognita, II, Genf 1582. – (1587): Ad Acta Colloqvii Montisbelgardensis Tvbingæ Edita, Theodori Bezæ Responsio. Genevæ 1587, Genf 1587. B IEL, GABRIEL( IS) (1979): Collectorium circa quattuor libros Sententiarum. Liber tertius. Collorantibus Volker Sievers et Renata Steiger edid. Wilfridus Werbeck et Udo Hofmann, Tübingen 1979. B ÖTKER, J OHANNES (1557): BREVIS COMPREH= | HENSIO FVNDAMENTORVM | ORTHODOXAE DOCTRINAE | & fidei, de Coena Do- | minica. | Authore M. Johanne Boedekero. | In: Joachim Westphal (Hg.), | CONFESSIO | FIDEI DE EVCHA= | RISTIAE SACRAMENTO, IN QVA | Ministri Ecclesiarum Saxoniae solidis Argumentis sa= | crarum Literarum astruunt Corporis et Sangui= | nis Domini nostri IESV CHRISTI, | praesentiam in Coena sancta, et de li= | bro Ioannis Caluini ipsis de= | dicato respondent. | ... | Impressum Magdeburgae, apud Am- | brosium Kirchner. Anno, | M.D. LVII. |, Magdeburg 1557 |; S. Piiiv-Qiv.
III. Quellen
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BRENZ, J OHANNES (1557): APOLOGIAE | Confessionis Illustriss. | Principis ac Domini, D. CHRISTO- | phori Ducis Vuirtenbegen. &c. | perikope deutera. | AVTORE IOANNE BRENTIO | Francoforti, excude= | BAT PETRVS BRVBAHIVS | Anno [M.D.] LVII. |. – (1564): Recognitio | Propheticąe & Aposto- | LICAE DOCTRINAE DE VERA | MAIESTATE DOMINI NOSTRI IE- | SV CHRISTI, AD DEXTERAM DEI | PATRIS SVI OMNIPO- | TENTIS. | In hoc Scripto refutatur liber Henrici Bullingeri, | cui author titulum fecit: Fundame[n]tum fir= | mum, cui tuto fidelis quiuis inniti | potest, &c. | Authore Ioanne Brentio. | Item appendix publicorum testimoniorum, quibus manifeste osten- | ditur, Cinglianos nostram, hoc est, vere piam sententiam | de coena DOMINI, mala conscientia |oppugnare. |TVBINGAE. APVD VI-| duam Vlrici Morhardi. |1564.|. – (1590): Operum Reverendi et Clarissimi Theologi, D. Joannis Brentii, Praepositi Stvtgardiani, Tomus Octavus. In quo continentur Polemica Scripta Contra Petrum a Soto, & Sacramentarios ... Tubingae, Excudebat Georgius Gruppenbachius, Anno M.D.X.C. –; ANDREAE, J AKOB (1614): Apologia ad Electorem Augustum (13.11.1564). In: Leonhard Hutter, | CONCORDIA CONCORS. | De | ORIGINE ET PROGRESSU FOR-| MULAE CONCORIDAE ECCLESIARUM | CONFESSIONIS AUGUSTUSTANAE, | Liber Unus: | IN QUO EIUS OR-| THODOXIA, SCRIPTURAE SACRAE, | OECUMENICIS SYMBOLIS, TOTI ANTIQUITATI | PURIORI, ET PRIMAE ILLI MINIMEQUE VARIATAE CONFES- | sioni Augustanae, ex asse consona: Modus item agendi, in eo conscribendo, suffragiis mu- | niendo, & in Ecclesia CHRISTI hactenus | usitatus fuisse, Christiano lectori evidenter & perspicue demonstratur: & RODOL- | PHI HOSPINIANI Tigurini Helvetii convitia, mendacia, & ma- | nifesta crimina falsi deteguntur ac solide | refutantur: | EX ACTIS PUBLICIS: RECESSI- | BUS ETIAM ALIQUOT CONVENTUUM ET COL- | loquiorum: Scriptis item & Rescriptis; Censuris & Judiciis Illu- | strissimorum Electorum, Principium, Comitum, Rerum pub. Ec- | clesiarum Scholarum, &c. | PRO ORTHODOXIS ECCLESIIS: JUSSU ET AUTORITATE SERE- | NISSIMORUM ELECTORUM SAXONIAE: CHRI- | STIANI II., ... Prin- | cipis: & JOHANNIS GEORGII, &c. | Cum approbatione Theologorum Lipsensium, Witebergensium, | & Würtenbergensium.| editus | AUTORE | LEONHARTO HUTTERO, S.Theologiae | Doctore, & Professore in Academia VViteber- | gensi Ordinario. | Cum Indice triplici locupletissimo.| PRIVILEGIO ELECT. SAX.| VVITEBERGAE | Impensis Clementis Bergeri: Typis vero Meisnerianis | ANNO M. DC. XIV. |, Wittenberg 1614; S. 61–86. – (1970): Frühschriften. Teil 1. Hg. von Martin Brecht, Gerhard Schäfer und Frieda Wolf (Werke. Eine Studienausgabe), Tübingen 1970. – (1981): Die christologischen Schriften. In drei Teilen hg. von Theodor Mahlmann. Teil 1 (Werke. Eine Studienausgabe), Tübingen 1981. B USÄUS, JOHANNES (1583): DE PERSONA CHRISTI | DISPVTATIO | Theologica Aduersus Vbi- | quitarios, | IN ACADEMIA MO- | GVNTINA ANNO M.D. | LXXXIII. VII. KALEND. | Septembrium publice pro- | posita:| PRAESIDE | IOANNE BVSAEO SOCIE- | TATIS IESV, SS. THEOLO | GIAE DOCTORE ET PRO- | fessore Ordinario, | Respondente Nobili et Doctißimo | D. BARTHOLOMAEO ZEBRI= | DOVIO POLONO, SACRARVM | Literarum Studioso. | MOGVNTIAE, | IN OFFICINA GASPARIS BEHEM. | [1583]. CAESAR, P HILIPP (1615): DISPUTATIO THEO- | LOGICA | DE | ULTIMO CHRISTI | ADVENTU: | QUAM IN CE- | LEBERRIMA ET ANTIQUA | Hessorum Academia Marpurgensi, vene- | randae facultatis Theologicae decreto pro | consequendis in Theologia honori-| bus Doctoralibus, | Proponit |M. PHILIPPUS CAESAR ... | Respondente
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III. Quellen
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– (1614): DISPVTATIONVM THEOL- | OGICARVM, | DE PRAECIPUIS | ... HORUM | TEMPORUM CONTROVER- | siis, in Academia GIESSENA | publice habita- | rum, | TOMUS V. | IN VSVM SS. THEOLOGIAE | Studiosorum editus, | A disputationum Praesidibus, | IOHANNE WINCKELMANNO, SS. | Th.D. Profess. Pastore & Superintend. | BALTHASARO MENTZERO, SS. | Theol. D. Profess. & Stipendiar. Ephoro. | CHRISTOPHORO HELVICO, SS. TH.D. | ejusdem & Hebr. Linguae Professore. | CASPARO FINCKIO, SS. TH. D. | Professore & Ecclesiaste. | GIESSAE HESSORUM, | Typis Nicolai Hampelii, Typogr. Acad. | [M] [D] cXIV. |. – (1617): DISPVTATIONVM THEOLO- | GICARVM, | DE PRAECIPUIS ... DOCTRINAE | CAPITIBUS, ET INPRIMIS | HORUM TEMPORUM CONTRO- | versis, in Academia Giessena publi- | ce habitarum, | TOMUS VI. | IN VSVM SS. THEOLOGIAE STV- | diosorum & aliorum veritatis aman- | tium editus, | A Disputationum Praesidibus, | IOHANNE WINCKELMANNO, SS. | Theologiae Doctore, Professore, Pastore & | Superintendente. | BALTHASARO MENTZERO, SS. THEOL. | Doctore & Professore.| IOHANNE GISENIO, SS. THEOLOGIAE | Doctore & Professore.| GIESSAE HESSORUM, | Typis Nicolai Hampelii, Typograp. Academ:| M DC XVII. |. – (1620): DISPVTATIONVM THEOLO- | GICARVM, | DE PRAECIPUIS | ... DOCTRINAE | CAPITIBUS, ET INPRIMIS | HORUM TEMPORUM CONTROVERSIIS | Theologicis, in Academia Gissensi publice | habitarum, | TOMUS VII. | IN VSVM SS. THEOLOGIAE STV- | diosorum & aliorum veritatis aman- | tium editus, | A Disputationum Praesidibus, | IOHANNE WYNCKELMANNO, SS. | Theol. Doctore, ejusdemque Professore, Pastore, | & Superintendente. | BALTHASARO MENTZERO, SS. THEOL- | giae Doct. ejusdemque Professore. | JUSTO FEWBORNIO, SS. THEOLOG. | Doctore, ... | Ephoro & Ecclesiaste. | GISSAE HESSORVM, | Typis Nicolai Hampelii, Typogr. Academ. | ANNO M DC XX. |. ERKLÄRUNG (1565): Christliche vnd in Gottes Wort | gegründte Erkl[ae]rung/ | Der Würtenbergischen | Theologen Bekanndtnuß/ von der | Maiestet des Menschen Christi/ zu der Gerech= | ten des Vatters/ vnnd der warhaffti= | gen Gegenwertigkeit seines Leibs | vnd Bluts im heiligen | Abendtmal. | Zu erleütterung vnd Apologi des | Maulbrunnischen jetzundt in Truck gefertig= | ten Protocols/ vnd darauß hieuor gezognen Berichts / auch zu | ableinung vnd widerlegung der Heydelbergischen | Theologen vngegründten Ge= | genberichts. | Tübingen/ | 1565. | (Getruckt ... | bey Vlrich Mor= | harts Wittib.) |. FECHT, J OHANN (1684): Historiae Ecclesiasticae Seculi A.N.C.XVI. Supplementum; Plurimorum Et Celeberrimorum Ex Illo Aevo Theologorum Epistolis, Ad Joannem, Erasmum Et Philippum, Marbachios, Antehac Scriptis, Nunc Vero Ex Bibliotheca Marbachiana Primum Depromptis, Constans. Divisum In VIII.Libros. Ad Illustrandas Plerasque Ejus Aetatis In Ecclesia Puriore Historias. Una Cum Apparatu, Ad Totum Opus Necessario, Et Tabulis Chronologico-Historicis, Editum A Jo. Fechtio, SS. Th. Lic. ... Et Theol. Prof. Ord. Francofurti & Spirae, Impensis Christophori Olffen / Bibliopolae. Dvrlaci, Typis Martini Mulleri, Anno M DC LXXXIV., Frankfurt a.M.; Speyer 1684. – (1740): Compendium universam theologiam thetiam et polemicam complexum. Cum vita auctoris et indice gemino editum cura et studio Ioannis Hoxa, Zerbst 1740. FEURBORN, JUSTUS (1618): FASCICVLVS | Dissertationum Theologicarum | De | DIVINA | CHRISTI, | UT HOMO EST, APUD | CREATURAS OMNI-| praesentia. | Inprimis contra D. PHILIPPUM CAESA- | REM, Calvinistam Bremensem, publice in | Academia Gissena ad normam ver- | bi divini | propositarum. | AUTORE, | JUSTO FEWBORNIO | SS. THEOLOGIAE D. EIUS- | demque Professore ordinario, stipen- | diariorum Ephoro & Ecclesiaste. | GISSAE, apud Chemlinum. | 1618. |.
III. Quellen
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– (1621): D.O.M.A. | SKIAGRAPHIAS THEOLOGICAE | Dissertationes novem, | DE | DIVINAE ET IN- | FINITAE, CHRISTO JESU, JUXTA HUMANAM NATURAM | in ipso primo unionis hypostaticae momento, vere & rea- | liter communicatae, Majestatis & gloriae, ut & opulentiae, omnipotentiae, ac regni | potentiae, nec non omnisapientiae, & omnipraesentiae, in statu humliationis particu- | lari, in statu autem superexaltationis ejusdem ad dextram Dei Patris uni- | versali, exsertione & usurpatione. | Publice & placide, pieq[ue] & modeste in solius DEI honorem, Di- | vinae veritatis assertionem, Ecclesiae JESU CHRISTI exadificationem, & afflictarum | conscientiarum solidam erectionem ac informationem, in inclyta Academia | GISSENSI institutae & habitae | a | JUSTO FEWRBORNIO, S.S. THEOLOGIAE | DOCTORE, EJUSDEMQUE ORDINARIO PROFES- | sore | GISSAE, Typis exscripsit Petrus Lucius, |M DC XXI.|. – (1627): ΚΕΝΟΣΙΓΡΑΦΙΑ ΧΡΙΣΤΟΛΟΓΙΚΗ, | In qua, | In Trinunius Dei honorem, in divinae veritatis assertionem, inq[ue] | Ecclesiae Christi exaedificationem, | EX VERBO DEI PROPHE- | TICO ET APOSTOLICO DEMONSTRA-| TUR SIMULQUE EX ORTHODOXA ANTIQUITATE, EX AU- | gustana Confessione invariata, Formulaq[ue] Libri Concordiae, & ejus Apologia, nec minus ex | reliquis Dnn. Theologorum Saxonicorum, & veterum Würtembergicorum, in Domino | Jesu placide quiescentium, & aliorum, Augustanae Confessioni sincere addictor- | rum Authorum Scriptis clarissime explicatur, | QVOD IESVS CHRISTVS, VT HOMO, PLENARIO SEV VNI- | SALI ET INCESSABILI DIVINAE MAIESTATIS OMNIPRAESENTIAE, | omnipotentiae, omniscientiae, &c., mox a primo conceptionis puncto, vi personalis unionis ipsi vere communica- | tae, usu, juxta adorandae Triados decretum, propter aeternam, satisfactorie nobis recuperandam | salutem, in suae progressae humiliationis statu, libere fuerit vacuatus: | NEC NON | THEOLOGORUM ANTEHAC GISSENSIUM, NUNC MARPURGENSIUM | orthodoxia & innocentia, & Skiagrafia Dissertationum Theologicarum, Gissae editarum, adversus | multiplices Theodor Thummii, D. Tübingensis, ipsiusq[ue] asseclarum accu- | sationes vindicantur: | ... | Publicata | a | JUSTO FEWRBORNIO, S. THEOLOGIAE DOCTORE, | ejusdem[ue] in inclyta Academia Marpurgensi ordinario Professore | & Ecclesiaste. | MARPURGI, | ... Typis Nicolai Hampelii, Typogr. | Academici, & Caspari Chemlini, | ANNO M. DC. XXVII. |. – (1671): B.D. JUSTI FEURBORNII | Professoris quondam primarii in Acade- | miis Marpurgensi & Giessensi ... | ... | OPERA THEO- | LOGICA, | Nimirum: | I. Fasciculi VI. Controversiarum Theologicarum, | II. Syntagmata II. Disquisitionum Sacrarum, & | III. Dissertatio Theologica, de Peccato in Sp. S. | Hactenus sparsim extantia, | Nunc vero ex desiderio multorum Virorum & Studiosorum | ... | IN UNUM VOLUMEN, | In Academiarum, Ecclesiarum & Scholarum | Emolumentum maximum, | congesta. | GIESSAE, | EX OFFICINA HAMPELIANA. | ANNO M. DC. LXXI. |. – (1671a): FASCICVLVS PRIMVS | DISSERTATIONUM | THEOLOGICARUM, | De | DIVINA CHRISTI, UT HOMO EST, | apud Creaturas Omnipraesentia, | INPRMIS | Contra D. PHILIPPUM CAESAREM, | Calvinistam Bremensem, publice in Academia | Gissena ad normam verbi divini | propositarum.|. In: Justus Feurborn, | B.D. JUSTI FEURBORNII |Professoris quondam primarii in Acade-|miis Marpurgensi & Giessensi ... | OPERA THEO- | LOGICA, |Nimirum:| I. Fasciculi VI. Controversiarum Theologicarum,| II. Syntagmata II. Disquisitionum Sacrarum, & |III. Dissertatio Theologica, de Peccato in Sp.S.| Hactenus sparsim extantia,| Nunc vero ex desiderio multorum Virorum & Studiosorum |Eruditorum intensissimo, | IN UNUM VOLUMEN, | In Academiarum, Ecclesiarum & Scholarum | Emolumentum maximum, | congesta. | GIESSAE, | EX OFFICINA HAMPELIANA. | ANNO M. DC. LXXI. |; S. 1–160.
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Literaturverzeichnis
– (1713): D. Justi Feuerbornii Brieff an D. Balth. Meisnerum (Marburg 15.11.1624). In: Unschuldige Nachrichten (1713); S. 540–546. – (1714): D. J. Feuerbornii Brieff von der Tübingisch. Controversie (an H. Hoepfner; Marburg 18.3.1626). In: Unschuldige Nachrichten (1714); S. 66–70. F ISCHER, ERDMANN RUDOLPH (1723): VITA | IOANNIS GERHARDI | QVAM | E FIDIS MONUMENTIS, MAGNA EX PARTE | NONDVM ANTEA EDITIS, | ATQVE EX INSTRVCTISSIMA | SERENISSIMI | DVCIS GOTHANI | BIBLIOTHECA | BENIGNISSIME SECVM COMMVNICATIS, | LVCVLENTER COPIOSEQVE EXPOSVIT, | ET | AD ILLUSTRANDAM | HISTORIAM ECCLESIASTICAM | EIVS, QVA ILLE VIXIT, AETATIS DIREXIT | ERDMANN RVDOLPH FISCHER, | ECCLESIAE COBVRGENSIS DIACONUS. | ACCEDVNT TRES ET QVADRAGINTA | CVM B. GERHARDI, TVM AD EVNDEM | EPISTOLAE. | LIPSIAE, | APVD IOH. CHRISTOPHERVM COERNERVM, | ANNO MDCCXXIII. |. FORER, LORENZ (1627): BELLVM VBI- | QVISTICVM | VETVS ET | NOVVM INTER | IPSOS LVTHERANOS | BELLATUVM, ET NEC- | dum debellatum; | ex quo | EVIDENTER DE- | MONSTRATVR, ECCLE- | SIAM LVTHERANAM ESSE | falsam Ecclesiam; quia non est | Vnitate fidei | VNA | ECCLESIA. | Authore | LAVRENTIO FORE- | RO SOC: IESV THEOLOGO | In Academia Dilin- | gana. | ... | DILINGAE. | Apud Erhardum Lochner. | ANNO M.DC.XXVII. |. – (1629): Alter vnd Newer | Lutherischer | Katzenkrieg von der Vbi- | quitet, welchen die Lutheraner selbst | wider einander geführt/ vnd noch | nit vollführt. | Darauß | Augenscheinlich erwisen wirdt/ | daß die Lutherische Kirch ein falsche | Kirch seye: weil sie in der Einigkeit deß | Glaubens nit eine Kirch ist.| Von | LAURENTIO FORER der Socie- | tet JESU vnd der H. Schrifft Doctor ... | IN der Academischen Druckery zu | Dillingen bey Jacob Sermodi / 1629. |. GARTH, HELWIG (1602): Disputatio | Theologica | DE DISCRIMINE LEGIS | ET EVANGELII. | Contra imposturas & errores Iesuitae ROBERTI BEL- | LARMINI, Tom. 3. Contr. lib. 4. De Iusti-| ficatione, cap. 1. 2. 3. 4. 5. | Quam | Dei & Patris Domini nostri Jesu Christi per Spi- | ritum sanctum auxilio, | AVTORITATE ET CONSEN- | SV VENERANDI ORDINIS | Theologici in illustri Academia | Tubingensi, | SVB PRAESIDIO | REVERENDI | ET CLARISSIMI VIRI, DO- | MINI STEPHANI GERLACHII, | SS. Theologiae Doctoris eximij, praedictaeq[ue] inclytae Academiae | Professoris celeberrimi, | PRO CONSEQVENDO SVMMO IN | SS.Theologiae gradu, publice ad XII. & XIII. Feb. horis matutinis, in | Aula noua examinandam proponit | M. HELVICVS GARTHIVS, | Alsfeldianus, Hessus. | ... | TVBINGAE,| Excudebat Georgius Gruppenbachius, | ANNO M. DC II. |. – (1612): DISPUTATIO THE- | OLOGICA | DE PASSIONE | FILII DEI | De cujus subjectis Thesibus | AUXILIANTE DEO | Praeside | HELVICO GARTHIO, S.S. | Theologiae Doctore, Ecclesiae Friber- | gensis Pastore & Superintendente, | Respondebit | M. GABRIEL WAGENER | Verbi Divini ad D. Iohan. Friber-|gae minister.| Ad diem 7. Aprilis, horis pomeridianis, in au- | ditorio Scholae majori. | … | Fribergae Hermundurorum Typis | Georgij Hoffmanni, | M. DC. XII. |. GERHARD, J OHANN (1762): Ioannis Gerhardi ... Locorum Theologicorum Tomus Primus; ed. Johann Friedrich Cotta, Tübingen 1762. – (1765): Ioannis Gerhardi ... Locorum Theologicorum Tomus Qvartus; ed. Johann Friedrich Cotta, Tübingen 1765. – (1863–1875): Loci Theologici, ed. Eduard Preuss. Tomi 1–9, Berlin (Tom. 9: Leipzig) 1863–1875. GERLACH, STEPHAN (1580): Antidanaeus,| SIVE | RESPONSIO, QVA | LAMBERTI DANAEI FIG- | MENTA ET CALVMNIAE, QVAS CON= | tra Antisturmium D.D. Osi-
III. Quellen
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andri, in causa Coenae Dominicae, | et Maiestatis Christi Hominis, impotenter euo- | muit, ex verbo Dei deteguntur et | confutantur | PER | STEPHANVM GERLACHIVM, | S. Theologiae Doctorem & Professorem in Aca- | demia Tubingensi. | ... | TVBINGAE | Excudebat Georgius Gruppenbachius, | Anno 1580. |. – (1581): Hyperaspistes An- | tidanaei: | I. De condemnatione errorum. | II. De S. Domini nostri Iesu Christi | Coena. | III. De Maiestate Christi hominis. | SCRIPTVS | Aduersus Lambertum Danaeum | A | STEPHANO GERLACHIO | ... | TVBINGAE, | Excudebat Georgius Gruppenbachius, | M.D.LXXXI. |. – (1583): DECERTATIO | CVM LAMBERTI | DANAEI PROFANO MILITE, | quem Clibanarium vocat: qua ille, veritatem S. Coenae, | et diuinam Maiestatem Christi Hominis oppu= | gnans, leuissima sua armatura, vir- | tute verbi Dei exuitur ac | debellatur, | Per | STEPHANVM GERLACHIVM, S. | Theologiae Doctorem. | ... TVBINGAE, | Excudebat Alexander Hockius, 1583. |. – (1585): Assertio | PIAE SANAEQVE DO- | CTRINAE DE DIVINA MAIESTATE | CHRISTI HOMINIS: QVA RESPONDETVR DIS- | putationi Nestorianae de Persona Christi, aduersus Orthodoxos a | Ioanne Busaeo, Professore Moguntino et Antichristiano Fraterculo | institutae ... | PER |Stephanum Gerlachium, S. Theologiae Doctorem | & Professorem in Academia Tubingensi. | Cum Praefatione ... D.D. Iacobi Andreae, Praepo= | siti & Cancellarij Academiae Tubingensis. | TVBINGAE | Excudebat Georgius Gruppenbachius, | Anno 1585. |. – (1591): DE PERSONA SER= | VATORIS CHRISTI | Disputatio I. | ADVERSVS APO| LOGETICVM IOANNIS BVSAEI | IESVITAE: IN QVA FVNDAMENTA QVAE- | dam doctrinae Orthodoxae praemittuntur: deinde subiun- | gitur Refutatio capitis primi, tam Disputationis | quam Apologiae Nesto-| rianae. | CONSCRIPTA A | STEPHANO GERLACHIO, D. ET | Professore Theologiae in Academia | Tubingensi. | QVAM, | ... SVB PRAESIDIO AVTORIS DE- | fendet ... M. LVCAS OSIANDER. | TVBINGAE | Excudebat Georgius Gruppenbachius.| ANNO M.D.XCI. |. – (1596): Disputatio | DE COMMUNICATIONE | IDIOMATUM DVARUM NA- | turarum in Christo. | QVAM, | Diuina adspirante gratia: | SVB PRAESIDIO | REVRENDI | ET CLARISSIMI VIRI, | DOMINI STEPANI GERLACHII, S.S. | Theologiae Doctoris & Professoris in Academia Tubin- | gensi celeberrimi, Praeceptoris sui honorandi, pro | ingenuij tenuitate, 3. Septemb. horis locoque | solitis, defendere cona- | bitur | M. MICHAEL MARSCHALCK ... | TVBINGAE, | Typis Iohannis Kircheri, 1596.|. – (1598): De Christo Mediatore | Disputatio: | OPPOSITA PERNICIOSIS ERRORIBVS PAPI- | starum & Caluinianorum: Inprimis IOANNIS BV- | SAEI, Iesuitae Moguntini, impijs & haere- | ticis opinionibus. | QVAM. | Auxilio CHRISTI Mediatoris, | PRAESIDE AVTHORE, | STEPHANO GER- | LACHIO, SS.THEOLO- | GIAE DOCTORE, ET PROFES- | sore in Academia Tubin- | gensi: | Die 15. & 16. Decembris, loco & horis solitis, exercitij | causa defendet | M. MICHAEL SCHAEFER, | Petricellanus. | TVBINGAE, | Apud Georgium Gruppenbachium. | M. D. XCVIII. |. [–;] SCHAEFER, MICHAEL (1602a): Disputatio | OPPOSITA SCHOLASTI- | corum quorundam Erroribus, | DE PERSONALI | duarum in Christo | nione & communica- | tione: | Ad quam, auxiliante Christo, | SVB PRAESIDIO | REVERENDI | ET CLARISSI| MI VIRI, D.D. STEPHANI | GERLACHII, SS. THEOLOGIAE | in Academia Tubingensi Professoris celeberrimi, | Praeceptoris & Patroni sui colen-| dissimi. | Die 7. & 8. Maij ... | Respondebit | M. MICHAEL SCHAEFER, | Diaconus Ecclesiae Marpachensis. | … | TVBINGAE, | Apud Georgium Gruppenbachium. | ANNO 1602. |. [–;] SCHAEFER, MICHAEL (1602b): II. Disputatio | OPPOSITA SCHOLA- | STICORUM QVORUN- | dam Erroribus, | DE COMMUNICATIONE IDIO- | matum in Persona Domini nostri Jesu Christi. | EORVNDEM QVOQVE DE OFFICIO | Christi Erroris,
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Literaturverzeichnis
in tertio Communicationis Genere per- | censentur ac confutantur. | AD QVAM | Auxilio Eiusdem Saluatoris Optimi. | PRAESIDE | REVERENDO | ET CLARISSIMO VIRO, D. | STEPHANO GERLACHIO, SS. | Theologiae in Academia Tubingensi Professore celeberri- | mo, Praeceptore & Patrono suo colen- | dissimo. | DIE XXIV. ET XXV. SEPT. | Respondebit | M. MICHAEL SCHAEFERVS, | Diaconus Ecclesiae Marpachensis. | … | TVBINGAE, | TYPIS CELLIANIS. | Anno 1602. |. – (1610a): Tomus Prior | DISPV-| TATIONVM | THEOLOGI- | CARVM, | DE PRAECIPVIS | HORVM TEMPORVM | controversiis, in Academia Tubin- | gensi publice proposita- | rum, | a | STEPHANO GER- | lachio S.S. Theologiae | Doctore & Professore. | ... | TVBINGAE, | Excudebat Theodoricus Werlin, Sumptibus | Iohannis Berneri Francofurt. | ANNO M. DCX. |. – (1610b): Tomus Posterior | DISPVTATIO- | num Theologicarum, | SVB PRAESIDIO | REVEREN- | DI ET CLA- | RISSIMI VIRI, Dn. D. STEPHANI GERLACHII | S.S. Theologiae Doctoris & Professo- | ris celeberrimi, discussa- | rum. | ... | TVBINGAE, | Excudebat Theodoricus Werlin ... | ... |ANNO M. DCX. |. GESNER, SALOMON (1594a): PRO SANCTISSIMO | LIBRO CHRISTIANAE | CONCORDIAE | DISPVTATIO VNDECIMA | De Persona Salvatoris nostri Iesu Christi | QVINQVE CAPITVM |... De quibus | SVB PRAESIDIO SALOMONIS GESNE- | RI S. Theologiae Doctoris & Professoris VVitebergae | ... ad d. 10. Aprilis Anno 1594. | respondebit. | IOHANNES MVLLERVS Havelbergensis. | VVITEBERGAE, | Typis Zachariae Lehmanni, Anno M.D.XCIIII. |. – (1594b): PRO SANCTISSIMO | LIBRO CHRISTIANAE | CONCORDIAE | DISPVTATIO DVODECIMA, | De Persona Salvatoris nostri Jesu Chri- | sti altera | TRIVM CAPITVM | ... De quibus | SVB PRAESIDIO SALOMONIS GESNERI | S.Theologiae Doctoris & Professoris VVitebergae ... | VI. Calend Aug. Anno Christi 1594. | respondebit. | IOHANNES MVLLERVS HAVELBERGENSIS. | VVitebergae, Typis Zachariae Lehmanni, Anno 1594. | – (1594c): PRO SANCTIS= | SIMO LIBRO CHRI= | STIANAE CONCORDIAE | Disputatio decima tertia | Quae est | DE PERSONA DOMINI | NOSTRI IESV CHRISTI | TERTIA | Octo capitum: | ... Addita singulis capitibus sophismatum Scholae Melanch| thoniae refutatione | De quibus auxiliante DEO. | Sub praesidio | SALOMONIS GESNERI, S. THEO- | logiae Doctoris & Professoris Witebergae respon- | debit ad diem 2. Octob. Anno 1594. | M. IACOBVS MARTINI HALBERSTAD. SAXO. | WITEBERGAE, | Typis Wolffgangi Meißneri, M.D.XCIIII. |. – (1595a): Orthodoxa confessio | DE PERSONA | ET OFFICIO SALVA-|TORIS NOSTRI IESV CHRISTI; | extructa ex solido DEI VERBO, & Ortho- | doxae antiquitatis, Praeceptoris nostri Diui | LVTHERI, nec non Corporis doctri- | nae Pomeranicae testimonijs; | Quaestionibus et responsionibus tracta- | ta, inque capita digesta | a | SALOMONE GESNERO, S. THEO- | logiae D. & Professore in Acade- | mia VViteberg. | 1595. | VVITEBERGAE | Impressa typis Simonis Gronenbergij. |. – (1595b): DISPVTATIONES XVII. | PRO SANCTIS= | SIMO LIBRO CHRI- | stianae Concordiae. | IN QVIBVS ORTHODOXA VERITAS | articulorum ... | asseritur; ac variae haereticorum | ... opiniones ... | refutantur. | Habitae in Academia VVite- | bergensi, a | SALOMONE GESNERO, S. THEO- | logiae Doctore, & Professore publico. | ... | VVITEBERGAE. | Ecxusae impensis Andreae Hoffmanni Bibliopolae. | Typis Simonis Gronenbergij. | 1595. |. G ISENIUS, J OHANNES (1617): CALVINISMUS, | Hoc est, | ERRORUM ZWIN- | GLIOCALVIANORUM ME- | thodica enumeratio, & brevis, pia & | modesta Refutatio, | AUTHORE | JOHANNE GISENIO, SS. THEOLO- | GIAE DOCTORE, ET IN IN-
III. Quellen
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CLYTA | Academia Giessena Ordinario Pro- | fessore. | GIESSAE HASSORUM, | Typis Nicolai Hampelii, Typogr. Academ. | ANNO M DC XVII. |. – (1617a): DE CALVINISMO | DISPVTATIO QVARTA. | Et quidem in specie | DE | VNIONE PERSONALI, ET PRAE- | dicationibus personalibus: | Ad quam | SUB AUSPICIIS CHRISTI: | PRAESIDE | JOHANNE GISENIO, | SS. THEOLOGIAE DOCTORE, | & ordinario Professore, | Respondebit | OTTO BRAWE OSNABUR- | GO WESTPHALUS. | In auditorio Theologico ad diem 4. Iunii, horis matutinis. | GIESSAE HESSORVM, | Excudebat Nicolaus Hampelius, Typogr. Acad. | M DC XVII. |. – (1617b): DE CALVINISMO | DISPVTATIO QVINTA. | Et quidem in specie | DE | PRIMO COMMVNICATIONIS | Idiomatum genere: | Ad quam | SUB AUSPICIIS CHRISTI: | PRAESIDE | JOHANNE GISENIO, | SS. THEOLOGIAE DOCTORE, | & ordinario Professore, | Respondebit | BOETHIUS PETRI DIETHMARSUS | AUSTRALIS. | In auditorio Theologico ad diem 12. Iunii, horis matutinis. | GIESSAE HESSORVM, | Excudebat Nicolaus Hampelius, Typogr. Acad. | M DC XVII. |. – (1617c): DE CALVINISMO | DISPVTATIO SEXTA. | Et quidem in specie | DE | SECUNDO COMMVNICATIO- | nis Idiomatum genere: | Ad quam | SUB AUSPICIIS CHRISTI: | PRAESIDE | JOHANNE GISENIO, | SS. THEOLOGIAE DOCTORE, | & ordinario Professore, | Respondebit | M. JOHANNES WAGNERUS GIES- | SENSIS. | In auditorio Theologico ad diem 18. Iunii, horis matutinis. | GIESSAE HESSORVM, | Excudebat Nicolaus Hampelius, Typogr. Acad. | M DC XVII. |. – (1617d): DE CALVINISMO | DISPVTATIO NONA. | Et quidem in specie | DE | STATV EXINANITIONIS | & Exaltationis. | Ad quam | SUB AUSPICIIS CHRISTI: | PRAESIDE| JOHANNE GISENIO,| SS. THEOLOGIAE DOCTORE,| & ordinario Professore, | Respondebit | GEORGIUS FIESSIUS, DURLACO MAR- | CHI-BADENSIS. | In auditorio Theologico ad diem 2. Iulii, | horis matutinis. | GIESSAE HESSORVM, | Excudebat Nicolaus Hampelius, Typogr. Acad. | M DC XVII. |. – (1621a): De | ZVVINGLIO- | CALVINISMO | FVGIENDO | PARTES DUAE | Propositae | A | JOHANNE GISENIO | SS. THEOLOG. DOCTORE ET IN | inclyta Academia Argentinensi | Professore. | PARS PRIMA. | ARGENTORATI, |Sumptibus & Typis PAULI LEDERTZ Bibliopolae. | Anno M. DC. XXI. |. – (1621b): De | ZVVINGLIO- | CALVINISMO | FVGIENDO | PARS SECUNDA. | Proposita | A | JOHANNE GISENIO | SS. THEOLOG. DOCTORE ET IN | inclyta Academia Argentinensi | Professore. | ARGENTORATI, | Sumptibus & Typis PAULI LEDERTZ Bibliopolae. | Anno M. DC. XXI. |. GLEICH, JOHANN ANDREAS (1730): Annales Ecclesiastici, Oder: Gründliche Nachrichten der Reformations-Historie Chur-Sächß. Albertinischer Linie [Teil 2:] ... Annalium Ecclesiasticorum Andrer Theil: Jn sich fassend Die Lebens-Beschreibungen und mancherley glaubwürdige Nachrichten, Derer sämtlichen Churfürstl. Sächßischen Herrn Ober-Hoff-Prediger in ihrer Ordnung biß zu unsern Zeiten, Leipzig 1730. GOCLENIUS, RUDOLPH (1613): LEXICON | PHILOSOPHICVM,| QVO TANQVAM CLAVE | PHILOSOPHIAE FORES | APERIVNTVR. | Informatum opera & studio | RODOLPHI GOCLENII | SENIORIS, IN ACADEMIA MAURITIANA, | quae est MARCHIOBURGI, Philosophiae Pro- | fessoris primarij. | ... | FRANCOFVRTI,| Typis viduae Matthiae Beckeri, impensis Petri Musculi | & Ruperti Pistorij. | M. DC. XIII. |. GRETSER, J ACOB (1609): PETRVS CNA- | PHEVS SEV | FVLLO | IN | THOMA VVEGELINO, LV- | THERANO THEOPASCHITA | REDIVIVVS | STRENAE ET HONORIS | ERGO MISSUS | AD | REVERENDVUM ADMODVM ET ERV- | DITISSIMVM DOMINVM ANTONIVM | VELSERVM, Cathedralis Ecclesiae Fri- | singensis Canonicum, &c. | A | JACOBO GRETSERO Societatis Iesu. | ... | Cum gratia & priui-
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Literaturverzeichnis
legio Caesarae Maiest. | INGOLSTADII, | EX TYPOGRAPHEO ADAMI SARTORII, | ANNO Domini M. DC.IX. |. GRÜNDTLICHER B ERICHT (1589): Grundtlicher auszf[ue]hr=|licher Bericht der W[ue]rtem= | bergischen Theologen: | Dasz die Christliche Lehr von der Ma= | iestet Christi (welche von ettlichen die Vbiqui= | tet gennet w[ue]rdt) nicht allein in H. G[oe]ttlicher Schrifft gegr[ue]ndet/ | sonder auch ... Von D. Luthern/ | ... Vnnd andern ... Theologen Augspur= | gischer Confession/ ...| in offentlichen Schrifften gef[ue]rth/ der Christ= | lichen Formulae Concordie eiunerleibt/ vnd auß | Gottes Wort erhalten | worden. | Vnnd w[oe]rdt in diser Schrifft ... | geantwortet auff das B[ue]chlin | D. Danielis Hofmanni, in welchem er D. Jacobo Andreae, ... | sibenzehen Jrrthumb mit | vngrundt zugemessen. | Getruckt zu T[ue]bingen/ bey Georgen | Gruppenbach/ Anno 1589. |. GRUNDFEST (1571): Von der Person vnd | Menschwerdung vnsers HERRN | Jhesu Christi/ | Der waren Christlichen | Kirchen | Grundfest/ | Wider die newen Marcioniten/ Sa= | mosatener/ Sabellianer/ Arianer/ Nesto= | rianer/ Eutychianer vnd Monotheleten/ | vnter dem Flacianischen hauffen. | Durch die Theologen zu Wittemberg/ aus der heiligen | Schrifft/ aus den Symoblis/ aus den f[ue]rnemesten Concilijs | vnd einhelligem Consenss aller bewerten Lerer. | Widerholet vnd Gestellet / zu trewer lere vnd ernster | verwarnung an alle frome vnd Gottselige Christen. | Neben warhaffter vorantwortung/ auff die gifftigen vnd | boshafftigen verleumbdungen/ so von den Propositionibus vnd | Catechismo zu Wittemberg ausgangen/ von vielen | dieser zeit ausgesprenget werden. | Jtzund auffs newe vbersehen/ vnd mit verdolmetschung | der Spr[ue]che so zuuor Latinisch angezogen/ vormehret. | Wittenberg/ | Anno 1571. |. GRUNDFEST (2008): Von der Person vnd | Menschwerdung vnsers HERRN | Jhesu Christi/ | Der waren Christlichen | Kirchen | Grundfest/ | ... | Wittenberg/ | Anno 1571. | (Bearbeitet von Henning Jürgens, Johannes Hund). In: Irene Dingel (Hg.), Die Debatte um die Wittenberger Abendmahlslehre und Christologie (1570–1574), Göttingen 2008; S. 382–673. HACHFELD, HERRMANN (1866): Die Schwäbische Confession (liber Tubingensis). Nach einer wolfenbüttler Handschrift zum ersten Male veröffentlicht. In: ZHTh 36 (1866); S. 230–301. HAFENREFFER, MATTHIAS (1600): Loci Theolo- | gici: | CERTA METHODO | AC RATIONE, IN | Tres Libros tributi. | QVI | ET RERVM | THEOLOGICA- | RVM SVMMAS, SVIS | SCRIPTVRAE TESTIMO- | nijs confirmatas, breuiter continent: earumque | Christianam Praxin paucis commonstrant: ac | nostri denique seculi praecipuas | ετεροδιδασκαλιας fideliter exponunt. | PER | MATTHIAM HAFENREFFERVM, | Theologiae D. & eiusdem in Schola Tubin- | gensi Professorem. | TVBINGAE | Typis Georgij Gruppenbachij. | ANNO M.DC. |. – (1601): Loci Theologici: Certa Methodo Ac Ratione, In tres Libros tributi. Qui Et Rerum Theologicarum Summas, Suis Scripturae Testimoniis confirmatas, breviter continent: earumque Christianam Praxin paucis commonstrant: ac nostri denique seculi praecipuas ετεροδιδασκαλιας fideliter exponunt / Per Matthiam Hafenrefferum, Theologiae D, & eiusdem in Schola Tubingensi Professorem ... Editio secunda, Cui Adiuncta Est Tabula Synoptica, exhibens lectori seriem locorum Theologicorum, qui hoc Libello explicantur ..., Tubingae 1601. – (1602): Disputatio | Theologica, | IN QVA | PRINCIPALES QVAE -| STIONES PRAECIPVORVM AR- | TICVLORVM, DE QVIBVS INTER ORTHODOXOS | & Calvinianos, hoc praesertim tempore, maxime controvertitur, ad | normam Sacrosanctae Scripturae examinantur & | explicantur:| Diuino auxilio Spiritus Sancti, | PRAESIDE, | MATTHIA HAFEN- | REFFERO, SS. THEOLOGIAE | DOCTORE, ET EIVSDEM IN IN- | clyta Tubingensi Academia Professore, atque | Facultatis Theologicae pro tem- |
III. Quellen
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pore Decano: | RESPONDENTE, | M. GEORGIO VITO | MEZINGENSI, ECCLESIAE | Gröningensis Pastore; | PUBLICE DEFENDENDA, | Dieb. 5. & 6. & Martij, horis & loco solitis. | TVGINGAE, | TYPIS CELLIANIS, | ANNO M. DCII. |. – (1603): Loci Theolo- | gici, CERTA METHODO AC RA- | tione, in Tres Libros tribuiti. | QVI | THEOLOGI- | CARVM RERVM | SVMMAS, SVIS VBIQVE | DILVCIDIS SCRIPTURAE TESTI- | moniis confirmatas, breviter continent: earundem | Christianam Praxin, paucis commonstrant: ac | nostri denique Seculi, praecipuas | Ετεροδιδασκαλιας fideliter | exponunt:| COLLECTI PER | MATTHIAM HAFENREFFERVM, | Theologiae Doctorem & Professorem in Aca- | demia Tubingensi. | TERTIA CVRA | Ab Auctore Recogniti, & Priori- | bus Locupletiores. | ADIECTVS EST IN FINE | Triplex, Locorum nimirum, Dictorum Scripturae Ex- | plicatorum, & Rerum vtiliß. Index. | CVM PRIVILEGIO ILLUSTIRISSIMI | Electoris Saxoniae Speciali. | ... | TVBINGAE, | Typis Georgij Gruppenbachij. | ANNO M. DCIII. |. – (1609): Loci Theologici, | CERTA METHODO AC RATIO-|ne, in Tres Libros tribuiti: | QVI | THEOLO- | GICARVM RERVM | SVMMAS, SVIS VBIQVE | DILVCIDIS SCRIPTURAE | Testimoniis confirmatas, breviter continent: earundem | Christianam Praxin, paucis commonstrant: ac nostri | deniq[ue] Seculi, praecipuas Ετεροδιδασκαλιας fide- | liter | exponunt: | COLLECTI PER | Matthiam Hafenreffe- | rum, Theologiae Doctorem & | Professorem in Academia Tu- | bingensi. | QVARTA CVRA | Ab Auctore Recogniti, & Priori- | bus Locupletiores. | ADIECTVS EST IN FINE | Triplex, Locorum nimirum, Dictorum Scri- | pturae explicatorum, & Rerum vti- | lissimarum Index. | TVBINGAE, | Typis & Expensis Philippi | Gruppenbachij. | ANNO 1609. |. – (1613): TEMPLUM | EZECHIELIS, | SIVE IN IX. POSTREMA | Prophetae Capita | Commentarius:| NON TANTVM | GENVINAM TEXTVS | ET EXPEDITAM INTERPRETA- | tionem, una cum Templi, admiranda Spiritus S. cura | & studio delineati, Architectonica aeneis | formis expressa: | VERVM ETIAM DE PRAECIPVIS CHRISTIANAE RELIGIONIS CAPITIBVS | iucundas & utiles Meditationes; facilem insuper de Hebraeorum omnium generum | Mensuris, Ponderibus ac Monetis, cum nostratibus comparatam | explicationem complectens: | EX PROPHETICA PENV, ET | aliis divinarum Scripturarum cognatis oraculis ita con- | formatus, ut totius Evangelicae doctrinae Compendium, & ad quamplurima | Scripturarum loca prompte dextreq[ue] intelligenda iusta | Isagoge haberi possit: | In Academia Tubingensi elaboratus | PER | Matthiam Hafenrefferum, S.S. Theolo- | giae Doctorem, eiusdemq[ue] in Academia Tubin- | gensi Professorem. | Cum Privilegio Electoris Saxoniae ad decennium speciali. | TVBINGAE, | Typis Theodorici VVerlini, sumptibus Iohannis | Berneri Francofurtensis. | ANNO CHRISTI | M DC XIII. |. – (1618a): Verbum Caro factum est. Oratio in Nativitatem Salvatoris, Domini Nostri Jesu Christi [24.12.1617], Tübingen 1618. – (1618b): Disputatio Theologica | DE | PERSONA CHRISTI, | QUAM | ... SUB PRAESIDIO, | Reverendi & Excellentißimi Viri,| DN. MATTHIAE HAFEN- | REFFERI, D. THEOLOGI ET | PROFESSORIS CELEBERRIMI, ACA- | demiae Tubingensis Cancellarii, & Ecclesiae Praepositi, | Domini ac Praeceptoris ho- | norandi. | In Aula Nova instituit | IOHANNES GEILFUSIUS | Hassiacus. | Ad diem 25. & 26. Septemb. | TUBINGAE, | Excudebat Theodoricus Vverlin, | ANNO M. DC. XVIII. |. – (1619): Deo Sacra | DE | SERVATORE JESU | CHRISTO | Disputatio problematica, | Calvinistarum Erroribus potißimum | opposita. | QUAM SUB PRAESIDIO | Viri summi, gravissimi & admodum Reverendi, | DN. MATTHIAE HAFEN- | REFFERI, S.S. THEOL. DOCT. | MERITISSIME, INCLITAE TUBINGEN-| sium Academiae Cancellarii, Ecclesiaeque Praepositi Dignis-|simi, Domini sui, Praeceptoris, Hospitis & magni Patroni, | ... Pro conequendo in Sacrosancta Theologia | Gradu Doctorali, publice ven-
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Literaturverzeichnis
tilandam | proponit | M. LAVRENTIUS OLAI | Wallius, Nercensis, Suecus. | In Aula Theologorum Nova, | Ad diem 26. & 27. Februarii. | Tubingae, Typis Theodorici VVerlini, | Anno M. DC. XIX. |. – (1622): Loci Theolo-| gici: | CERTA METHODO AC | RATIONE, IN TRES LI- | bros tributi. | QUI | ET RERUM | THEOLOGICA- | RUM SUMMAS, SUIS | SCRIPTURAE TESTIMONIIS | confirmatas, breviter vontinent: earumque Christia- | nam Praxin paucis commonstrant: ac nostri denique | seculi praecipuas ετεροδιδασκαλιας | fideliter exponunt. | PER | MATTHIAM HAFENREFFE- | rum, Theologiae D.& eiusdem in Schola Tubin- | gensi Professorem. | ... | STUTGARDIAE | Typis Iohannis Wyrichii Rößlini, | ANNO MDCXXII. |. [–] (1608a): EXAMEN | vnd Gegenbericht/ | Uber das jüng= | sten zu Heidelberg getruckt | Calvinische Büchlin/ nach= | folgenden Tituls: | Außführlicher Bericht/ | Was die Reformirte Kirchen in | Teutschland/ gleuben oder nicht gleuben: Item/ | was sie für Ceremonien gebrauchen oder | nicht gebrauchen. | Darinn zugleich auch das letztere | Büchlin/ D. Davidis Parei, Summarische Er= | klärung intitulirt/ von den fürnembsten/ jetziger Zeit stritti= | ger Religions Articuln/ [et]c. anfüglichen Orten mit | eingezogen/ und refutirt worden. | Dem Guthertzigen Leser zur Notwendigen In= | formation vnd Unterricht angestellet/ | Durch die Württembergische | Theologen. | Die Ander Edition. | Tübingen / bey Philipp Gruppenbach/ | ANNO M. DC VIII. |. [–] (1608b): Kurtze beschaidenliche Antwort | Auff die im Truck wi= | derholete Fridensbietung | oder (wie dz Büchlin intitulieret | wirdt) trewhertzige Vermahnung der Pfäl= | tzischen Kirchen an alle andere Evan= | gelische Kirchen in Teutschland: | Daß man die itzo werende Re= | ligions strit Christlich vnd Brü= | derlich mit jnen auffheben vn[d] | hinlegen wölle. | Vnd werden in solcher Be= | antwortu[n]g etliche erhebliche Ur= | sachen kürtzlich eingeführet/ warum[b] die E= | vangelische Gemeinden (an jetzo den eus= | serliche[n] Politischen Frieden hindan gesetzet/ | als welchen wir mit aller Welt zu halten | von Hertzen geneigt) in Religionssachen | noch der zeit mit den verfächtern der Calvi= | nischen Irrthumben keine Geistliche | oder Glaubens Bruderschafft | eingehen können. | Einfältigen Christen zum be= | sten gestellet/ | Durch die Würtembergische Theologen. | Getruckt im Jahr 1608. | [Tübingen]. [–] (1609): Continuatio | EXAMINIS,| Das ist:| Fernerer Ge=| genbericht auff der Heidelbergi= | schen Theologen und Kirchendiener jüngsten | publicirten Anhang ihres Außführlichen Be=| richts/ was die Reformirten Kirchen in |Teutschland gleuben oder nicht | gleuben/ [et]c. | Darinn zum Augenschein er= | wiesen würdt/ daß unser vorgehendes Examen, | keine falsche Zeugnussen außgesagt habe/ wie es von ob | gemeltem Anhang vielfältig beschuldigt worden: Auch | die Calvinische Lehr / sich zugelegter schröcklicher | Irrthumb nicht entschuldigen | können.| Gestelt | Durch die Würtembergische | Theologen. | Tübingen/ | Bey Philipp Gruppenbach. | ANNO, 1609. |. [–] (1610): PROMOTIO | Gehaltenen Exa- | minis: | Das ist: | Augenscheinli= | cher Beweiß/ daß die Hei= | delbergischen Theologen/ aller= | dings auß Examinirt/ auff die für= | gehaltene hochwichtige Fragen/ weniger | dann nichts Antworten | können: | Und in ihrer jüngsten vermein= | ten Antwort/ nichts dann offenba= | ren Ungrund und Falsch vor= | gebracht haben. | Gestellet | Durch die Würtembergi= | schen Theologen. | Tübingen / Bey Dieterich Werlin | Schrifftgiessern / Anno MDCX. |. [–] (1612): SchluszRede | Oder Abfertigung der |Jüngsten Heidelbergischen/ ge=| nanten/ Endtlichen Vber= | weisung; | In welcher die Heidel= | bergische Theologen nochma= | len schröcklicher Irrthumben/ gründtlich | vnd vnwidersprechlich vber= | wiesen. | Auch die von ihnen gesuchte | Außflüchten nottürfftiglich entdecket | vnd abgeleinet werden. | Gestelt/ | Durch die Würtembergische | Theologen. | Tübingen/ | Bey Philipp Grupppenbach/ | ANNO M. DC. XII. |.
III. Quellen
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[–] (1614): Sieg vnd Triumph | Der | Unüberwindtli= | chen/ Württembergischen Schluß| Rede/ welche die Heydelbergische Theologen/ | nochmalen solcher Irrthumben/ die Christum der gantzen Welt | Heyland/ und aller Menschen Seeligkeit/ vernichte und | auffhebe/ unwidertreiblich uber= | weiset. | Auff sonderbaren gnädigen | Bevelch | Des Durchleuchtigen vnd Hochgebornen | Fürsten vnd Herrn/ | Herrn Johann Friderichen/ | Hertzogen zu Württemberg und Teck / Gra= | ven zu Mümpelgart [et]c. zu offentlichem Gezeugnus | vnd widerholeter Erklärung; | Daß durch Gottes Gnaden und Beystand/ Ihre | F. Gn. bey der reinen/ unverfälschten Augspurgischen Confession/ | vnd in Formula Concordiae repetirter Evangelischer| Warheit beständig zuverharren; |Und keinen Calvinischen Irrthumben nimmer= | mehr Beyzupflichten gedencken. | In Truck verfertiget/ und der Heydelbergi= | schen Theologen Beschluß endtlicher Uberwei= | sung entgegen gesetzt/ | Durch die Württembergische Theologen. | ... | Tübingen / bey Dieterich Werlin. | ANNO M. DC. XIV. |. HEERBRAND, J AKOB (1573): Compendium | Theologiae,| QVAESTIONI=| BVS METHODI | TRACTATVM. | A | IACOBO HEERBRANDO | Doctore, et Professore Theologiae in Aca= | demia Tubingensi. | TVBINGAE | Excudebat Georgius Gruppenbachius, | ANNO 1573 |. – (1578): Compendium| Theologiae, | Nunc paßim AVCTVM, | et Methodi Quaestionibus | Tractatum | A | IACOBO HEERBRANDO | Doctore et Professore Theologiae in | Academia Tubingensi. | TVBINGAE | Excudebat Georgius Gruppenbachius | ANNO M.D.LX XVIII. |. – (1579): Compendium| Theologiae, | Nunc paßim AVCTVM, | et Methodi Quaestionibus | tractatum | A | IACOBO HEERBRANDO | Doctore et Professore Theologiae in | Academia Tubingensi. | TVBINGAE, | Excudebat Georgius Gruppenbachius. | M.D. LXXIX.|. HEPPE, HEINRICH (1857a): Formula concordiae inter Sueuicas et Saxonicas Ecclesias. In: Heinrich Heppe, Geschichte der lutherischen Concordienformel und Concordie. Erster Band [= ders., Geschichte des deutschen Protestantismus 1555–1581, Bd. 3], Marburg 1857; S. [Beilagen Nr. III] 166ff. – (1857c): Der Text der Bergischen Concordienformel, verglichen mit dem Text der schwäbischen Concordie, der schwäbisch-sächsischen Concordie und des Torgischen Buches, Marburg 1857. – (1958): Die Dogmatik der evangelisch-reformierten Kirche. Neu durchgesehen und herausgegeben von Ernst Bizer. Zweite um eine „Historische Einleitung des Herausgebers“ vermehrte Auflage, Neukirchen 1958. HESHUSEN, T ILEMANN (1574): ADSERTIO | SACROSANCTI | TESTAMENTI IESV | CHRISTI | CONTRA | BLASPHEMAM CALVI- | NISTARVM EXEGE= | sin sine authoris nomi= | ne editam | Authore | TILEMANO HESHV= | sio Episcopo Sambiense. | REGIOMONTE | TYPIS HAEREDVM | Ioannis Daubmanni. Anno | 1574. |. – (1582): ADSERTIO | SACROSANCTI | TESTAMENTI IESV | CHRISTI CONTRA BLASPHE- | mam Caluinistarum Exegesin sine au- | thoris nomine editam. | Authore | TILEMAMO HESHVSIO. | ADDITA EST APPENDIX ET DE- | claratio locorum quorundam huius Assertio- | nis in Cap. De Communicatione Ma- | iestatis ... ANNO | M.D. LXXXII. | (ERPHORDIAE | Esaias Mechlerus excudebat.) |. HOECKER, JONAS (1610): PRIOR PARS | SPECULI LO- | GICO-THEOLO- | GICI; IN QUO | PERSPICUA ET SOLIDA | horrendorum Exemplorum Calvinisticorum & | PARALOGISMORUM Diale- | cticorum | CONFVTATIO | proponitur: | QUIBUS CALVINIANI NONULLI | LOGICI, AMANDUS POLANUS, FORTUNA- | tus Crellius; cumprimis vero BARTHOLOMAEUS KE- | CKERMANNUS, Rector Dantiscanus, Dialectica sua prae- | cepta foede conspurcarunt, & Cardinalem nostrae Religionis |
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Literaturverzeichnis
Articulum; nimirum der PERSONA CHRISTI, cum | maximo multarum animarum dispendio ever- | tere conati sunt. | Auctore | M. JONA HÖCKERO, DIACONO | Tubingensi. | TUBINGAE, | TYPIS CELLIANIS. | ANNO M. DCX. |. – (1613): Clavis Philoso-| phica, CONTINENS | DILVCIDAS | GRAECORVM TERMINORVM | Explicationes, & Utilissimas Homonymon vel | Aequivocorum Vocabulorum in Praecipua | Significata | DISTINCTIONES; | Quibus juventus adjuta Veram Verae PHI- | LOSOPHIAE Ianuam aperire, eiusque PENE- | TRALIA perfacile adire potest:| RENOVATA | & | Multis non tantum PHILOSOPHICIS; | Verum etiam THEOLOGICIS Quaestio- | nibus, Distinctionibus & Limitationisbus | Augmentata; adeo, ut | CLAVIS PHILOSOPHICO-THEOLOGICA | appellari certis de causis possit. | Per M. Ionam Hoekerum, | Ecclesiae Tubingensis p.t. Diaconum. | NOTA. | ACCESSIT VSVS PRACTICVS CLAVIS | Philosophicae, in quo Varia Problematum Genera, ex optimis | Scientiis hausta, in Vtramvis Partem| disputantur. | TVGINGAE, | Typis Theodorici Vverlini, Impensis | Iohannis Berneri. | ANNO M DC XIII. |. HOF(F)MANN, DANIEL (1588): Errores XVII. | IACOBI ANDREAE | DOCT. CRASSIO= | RES. | Collecti & detecti | A |DANIELE HOFFMANNO |D. Theologo in illustri IVLIA | academia Helmstadij. | Sanae, de persona Christi et sacra Domi- | ni coena, doctrinae, potißimum vim infe- | rentes, Anno 1586. Mense | Septembri. | ... | ANNO | D.M.LXXXVIII. |. – (1598): PROPOSITIONES | DE DEO, ET CHRI- | STI TVM PERSONA | TVM OFFICIO: | Asserentes puriorem confessionem D. Lutheri | feces Scholasticas expurgantis, oppositae Pon- | tificiis ... | DE QVIBVS | Praeside | DANIELE HOFMANNO S. TH. | Doctore & Professore | Respondebit |M. CASPARVS PFAFRADIVS | Montensis Prof. Th. | pro impetrando gradu Doctoris in | Theologia, | in Academia Iulia mense Februario. | ... | HELMAESTADII | Excudebant haeredes Iacobi Lucij, Anno |M.D. XCVIII.|. – (1600a): PRO | DVPLICI VERI= | TATE LVTHERI A PHI- | LOSOPHIS IMPVGNATA, | & ad pudendorum locum | ablegata. | DISPVTATIO | D. DANIELIS | HOFFMANNI | THEOLOGI AD VICI- | NAE CVIVSDAM ACA- | demiae Philosophum | missa. | Quae | De neceßitate certaminis adversus Ca-|selianos suscepti B. Lectorem | admonet. | MAGDEBVRGI | Excudebat Andreas Dunckerus. Anno 1600. |. – (1600b): AVREA | ET VERE THEO= | LOGICA COMMENTA- | TIO D. DANIELIS HOF- | MANNI THEOLOGIAE | Doctoris, &c. | Super Quaestione | Num Syllogismus rationis locum ha-|beat in regno fidei. | ... | MAGDEBVRGI | Excusa ab Andrea Dunckero. Anno 1600. |. HOFFMANN, GEORG (Hg.) (1938): D. Balthasar Mentzers Handbüchlein (Das Wort der Reformation; Bd. 3), Göttingen 1938. HOLLA(T)Z, DAVID (1971): Examen Theologocium Acroamaticum Universam Theologiam Thetico-Polemicam complectens. 2 Bde. (Stargard 1707), Nachdruck Darmstadt 1971. HUNN(IUS), ÄGIDIUS (1585): LIBELLI IIII. | DE PERSO- | NA CHRISTI, E- | IVSQVE AD DEXTRAM | DEI SEDENTIS DIVINA | Maiestate. | ... CONSCRIPTI, RECOGNITI, ET | multis in locis aucti: | PER | EGIDIVM HVNNIVM, S. THEO- | logiae D. et Professorem in Academia | Marpurgensi. | FRANCOFORTI AD MOENVM,| Anno 1585. | (EXCVDEBAT IO- | annes Spies. | ). – (1585a): ARTICVLVS | DE PERSONA |CHRISTI: DVARVM | IN EA NATVRARVM VNIO- | NE HYPOSTATICA ... | explicatus: | PER | ... EGIDIVM HVNNIVM, | Sacrosanctae Theologiae Doctorem: et eius- | dem Professorem in Academia Mar- | purgensi. | Accessit | VENERANDAE ET PV- | RIORIS ANTIQVITATIS PIVS CON= | sensus: de Maiestate Domini nostri Iesu Christi, | secundum assumptam humanam naturam: | per eundem Autorem collectus ac | conscriptus.| NEC NON | DIVI LVTHERI
III. Quellen
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DE HOC ARTICVLO | perpetua et vniformis sententia: per eundem opti= | me collecta et doctißime latine reddita.| (Vrsellis,| Excudebat Nico=| laus Henricus | Anno 1585.) |. – (1587): COMMENTARIVS | IN EPISTO- | LAM DIVI PAVLI | APOSTOLI AD | Ephesios, | Scriptus ab | EGIDIO HVNNIO, S. THEO- | logi[ae] Doctore & Professore in Aca- | demia Marpurgensi. | IN QVO ETIAM PRO NECES- | SARIA DEFENSIONE LIBELLORVM | DE PERSONA CHRISTI ... | respondetur ad maledicum | ... Scriptum Theologorum Bremensium, D. | CHRISTOPHORI PEZELII, & M. IOSE- | PHI GRABII ... | FRANCOFVRTI AD MOENVM | excudebat Ioannes Spies. | M. D. LXXXVII. |. – (1590a): Articulus siue Locus | DE SACRA- | MENTIS VETERIS | ET NOVI TESTAMENTI, | praecipue de Baptismo & | Coena Domini | PER QVAESTIONES | ET RESPONSIONES EX IMMO- | tis Scripturae sacrae Canonicae fundamentis solidis- | sime pertractatus ... | AVTORE | AEGIDIO HVNNIO, S.THEO- | LOGIAE DOCTORE ET PROFESSORE | in Academia Marpurgensi. | M.D. XC. | FRANCOFORTI AD MOENVM | excudebat Ioannes Spies. |. – (1590b [1577]): Ein kurtze/ einf[ae]ltige/ | vnd inn Gottes Wort gegr[ue]ndte Be= | kandtnuß des Ehrw[ue]rdigen vnd Hochgelehrten | Herrn EGIDII HVNII der Heiligen Schrifft Doctorn | vnd Professorn in der ... Vniuersitet | zu Marpurg in Hessen: So von seinem ... | F[ue]rsten ... jhme zuthun befohlen | ... ist worden. | Darinn von der Person Christi vnd jhrer Ma= | yestet ... vnd sonder= | lich de Omnipraesentia hominis Christi, | gehandelt wirdt. | ... | Gedruct zu Straßburg/ durch | Antonium Bertram. | M.D.XC. |. – (1591): Assertio | SANAE ET OR- | THODOXAE DOCTRI- | NAE DE PERSONA ET MAIE- | state Domini nostri IESV CHRISTI, ad dextram | virtutis potentiaeq[ue] Dei; in vsum studiosae iuuen- | tutis sub forma Quaestionum & Re- | sponsionum proposita. | IN QVA REFVTANTVR | SOPHISMATA FVTILISSIMA | D. CHRISTOPHORI PEZELII BRE- | MENSIS ... | AVTORE | AEGIDIO HVNNIO, S. THEO- | LOGIAE DOCTORE ET PROFESSORE | in Academia Marpurgensi. | FRANCOFORTI AD MOENVM | excudebat Ioannes Spies. | M. D. XCI. |. – (1592a): LIBELLI IIII. | DE PERSONA | CHRISTI, EIVSQVE AD | DEXTRAM DEI SEDEN- | TIS DIVINA MA- | IESTATE. | QVORVM PRIMVS DOCTRINAE | SANAE EX SCRIPTVRA CONFIRMATIO- | nem ... continet. SE- | CVNDVS purioris Antiquitatis vnanimem consen- | sum proponit. TERTIVS Lutheri constantem ... | sententiam complectitur. QVARTVS ... | demonstrationem habet, nostras Ecclesiae as- | serendo Maiestatem Filij hominis ab Augustana | Confessione nil quicquam recedere. | SCRIPTI PER | EGIDIVM HVNNIVM, S. THEO- | logiae D. et Professorem in Academia | Marpurgensi. | QVI NVNC EX NOVISSIMA RECOGNI- | tione ipsius Autoris multo emendatiores ... | prodeunt, quibusdam et- | iam in locis auctiores. | FRANCOFVRTI AD MOENVM, | M.D.XCII. | (EXCVDEBAT | Iohannes Spies.) |. – (1592b): Assertio | SANAE ET OR- | THODOXAE DOCTRI-| NAE DE PERSONA ET MAIE- | state Domini nostri IESV CHRISTI, ad dextram | virtutis potentiaeq[ue] Dei; in vsum studiosae iu- | uentutis sub forma Quaestionum & | Responsionum proposita. | IN QVA REFVTANTVR | SOPHISMATA FVTILISSIMA | D. CHRISTOPHORI PEZELII BRE- | MENSIS, quibus ... particulam | quandam Libri AEGIDII HVNNII | de Sacramentis allatrauit. | AVTORE | AEGIDIO HVNNIO, S. THEO- | LOGIAE DOCTORE ET PROFESSORE | in Academia Marpurgensi.| FRANCOFVRTI AD MOENVM | excudebat Iohannes Spies. | M. D. XCII. |. – (1607): TOMVS PRIMVS | OPERUM LA- | TINORVM | D. AEGIDII HUNNII, | Celeberimi August. Confeß. Theologi, | Continens Articulos Christianae Reli-| gionis praecipuos & hoc tempore maxime controversos, ex Scripturae sa- | crae fundamentis extructo, & forma Quaestionum ac | Responsorum pertractatos. | ... | WITEBERGAE, |
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Literaturverzeichnis
Typis M. Georgij Mulleri, | Impensis Iohan. Iacobi Porsii Bibliopolae Francof: ad Moenum. | ANNO M. DC. VII. |. HUTTER, LEONHARD (1590): THESEIS | De communicatione Idiomatum, | QVAS A SE CON- | SCRIPTAS IN CON- | SESSV THEOLOGORVM ... | ... 21. & 25. Novemb. defendere | conabitur | M. LEONHARTVS HVTTERVS VLMENSIS. | In praesentia | ... D. AMBROSII | REVDENII: Doctoris et professoris in inclyta | Salana Theologi. | 1590. | JENAE Typis Tobiae Steinmanni. |. – (1608): LIBRI | CHRISTIA= | NAE CONCOR-| DIAE: | Symboli Ecclesia- | rum gnesios Lutheranarum, no- | vissimo hoc tempore, longe | augustissimi; | Explicatio plana & perspicua, | In Electorali Academia VVITEBER- | GENSI publice proposita, | a | LEONHARTO HUTTERO:| S. Theologiae Doctore, & Pro- | fessore P. ac S. | CUM PRIVILEGIO ELECT. SAXON. | VVITEBERGAE | Excusa: Sumtibus Zachariae Schüreri Bibliopolae: | Typis Martini Heuckelij, Anno Gratiae | M. DC. VIII. |. – (1614): CONCORDIA CONCORS. | De | ORIGINE ET PROGRESSU FOR- | MULAE CONCORIDAE ECCLESIARUM | CONFESSIONIS AUGUSTUSTANAE, | Liber Unus: | IN QUO EIUS OR- | THODOXIA, SCRIPTURAE SACRAE, | OECUMENICIS SYMBOLIS, TOTI ANTIQUITATI | PURIORI, ET PRIMAE ILLI MINIMEQUE VARIATAE CONFES- | sioni Augustanae, ex asse consona: Modus item agendi, in eo conscribendo, suffragiis mu-|niendo, & in Ecclesia CHRISTI hactenus | usitatus fuisse, Christiano lectori evidenter & perspicue demonstratur: & RODOL-| PHI HOSPINIANI Tigurini Helvetii convitia, mendacia, & ma-| nifesta crimina falsi deteguntur ac solide | refutantur:| EX ACTIS PUBLICIS: RECESSI-|BUS ETIAM ALIQUOT CONVENTUUM ET COL-| loquiorum: Scriptis item & Rescriptis; Censuris & Judiciis Illu-| strissimorum Electorum, Principium, Comitum, Rerum pub. Ec-|clesiarum Scholarum, &c. | PRO ORTHODOXIS ECCLESIIS: JUSSU ET AUTORITATE SERE-|NISSIMORUM ELECTORUM SAXONIAE: CHRI-| STIANI II., augustissimae recordationis Prin-| cipis: & JOHANNIS GEORGII, &c. | Cum approbatione Theologorum Lipsensium, Witebergensium, | & Würtenbergensium.| editus | AUTORE | LEONHARTO HUTTERO, S.Theologiae | Doctore, & Professore in Academia VViteber- | gensi Ordinario. | Cum Indice triplici locupletissimo. | PRIVILEGIO ELECT. SAX. | VVITEBERGAE | Impensis Clementis Bergeri: Typis vero Meisnerianis | ANNO M. DC. XIV. |. – (2006): Compendium Locorum Theologicorum ex Scripturis sacris et libro Concordiae. Lateinisch - deutsch - englisch. – Kritisch herausgegeben, kommentiert und mit einem Nachwort sowie einer Bibliographie sämtlicher Drucke des Compendium versehen von Johann Anselm Steiger. 2 Bde. (Doctrina et pietas. Abt. 2, Varia; Bd. 3), Stuttgart-Bad Cannstatt 2006. J ÄGER, J OHANN W OLFGANG (1709): Historia Ecclesiastica Cum Parallelismo Profanae. In qua Conclavia Pontificum Romanorum fideliter aperiuntur et sectae omnes recensentur ..., Ab Anno M.DC, usq[ue] ad Annum MDCC. In II. Tomis, Hamburg 1709. J OHANNES VON DAMASKOS (1973): Ekdosis akribes tes orthodoxou pisteos. Expositio Fidei. Die Schriften des Johannes von Damaskos, hg. von Bonifatius Kotter. Bd. 2 (PTS 12), Berlin - New York 1973. KECKERMANN, B ARTHOLOMÄUS (1606): SYSTEMA | LOGICAE, | TRIBVS LIBRIS AD| ORNATUM. | PLENIORE PRAECEPTORVM | Methodo, & Commentariis scriptis ad Praecepto- | rum illustrationem & collationem cum doctrina | Aristoteles, atq[ue] aliorum, tum veterum, tum | recentium Logicorum sententiis | ac disputationibus, | A | BARTHOLOMAEO KECKERMANNO | Dantiscatio, Philosophiae in Gymnasio pa- | trio Professore. | EDITIO TERTIA, AB AVTHORE | recognita & emendata. | CVM RERVM ET VERBORVM INDI- | ce locupletissimo. |... HANOVIAE | Apud Guilielmum Antonium; | M D C VI. |.
III. Quellen
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– (1607): SYSTEMA | SS. THEOLOGIAE, | TRIBVS LIBRIS | adornatum | per | BARTHOLOMAEVM KECKERMANNVM | Dantiscanum. | Methodum ac Dispositionem operis TA- | BVLA praefixa adumbrat. | Cum INDICE rerum & verborum. | EDITIO SECVNDA. | ... | HANOVIAE | Apud Guilielmum Antonium, | M D C V II |. – (1611): SCIENTIAE | METAPHYSICAE | COMPENDIOSVM | SYSTEMA. | Publicis in Gymnasio Dantiscano | Praelectionibus adornatum, | & | in duas Partes tributum, | a | BARTHOLOMAEO KECKERMANNO, | Philosophiae ibidem Professore. | ... | HANOVIAE | Apud Guilielmum Antonium. | MDCXI | Cum gratia & Priuilegio Caes. Maiest. |. KEPLER, J OHANNES (1932): Joh. Kepleri Notae ad Epistolam D.D. M. Hafenrefferi. Wiederaufgefunden und dargelegt von Max Caspar. Nova Kepleriana, 6 (Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Mathematisch-Naturwissenschaftliche Abteilung. Neue Folge, Heft 14), München 1932. – (1933): Prognosticum auf das Jahr 1620. Bearbeitet von Max Caspar und Walther von Dyck. Nova Kepleriana, 7 (Abhandlungen der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Mathematisch-Naturwissenschaftliche Abteilung. Neue Folge, Heft 17), München 1933. – (1954): Gesammelte Werke. Band XVI: Briefe 1607–1611. Herausgegeben von Max Caspar, München 1954. – (1955): Gesammelte Werke. Band XVII: Briefe 1612–1620. Herausgegeben von Max Caspar, München 1955. – (1969): Unterricht vom H. Sacrament des Leibs und Bluts Jesu Christi unsers Erlösers (1617). Bearbeitet von Jürgen Hübner. Nova Kepleriana, Neue Folge, Heft1 (Bayerische Akademie der Wissenschaften. Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse. Abhandlungen. Neue Folge, Heft 137), München 1969. – (1975): Gesammelte Werke. Band XIX: Dokumente zu Leben und Werk. Bearbeitet von Martha List, München 1975. KESSLER, ANDREAS (1629): SOLIDA AC MODESTA | RESPONSIO | Bello Ubiquistico Lau- | RENTII FÖRERI JESUITAE | OPPOSITA, | in qua | tum Ecclesiarum Evangelicarum circa | Omnipraesentiae Christi doctrinam concor-| dia contra accusationes Pontificias | asseritur; | tum mulitplex in Papatu circa gravissimos fidei | articulos discordia demontratur. | ... | adornata & edita | AUTORE | ANDREAE KESLERO SS. Theol. D. | ... | JENAE | Typis ... Tobiae Steinmanni | ANNO M. DC. XXIX.,| Jena 1629. KÖNIG, J OHANN FRIEDRICH (2006): Theologia positiva acroamatica (Rostock 1664). Herausgegeben und übersetzt von Andreas Stegmann, Tübingen 2006. KURTZER BERICHT (1589): Kurtzer Bericht der W[ue]rtenber= | gischen Theologen/ | VOn dem B[ue]chlin/ | so vnder dem Namen Doctor Daniel | Hoffmans/ in nechstuerschiner Herbstmeß | des abgeloffnen acht vnd achtzigsten Jahr | im Truck außgangen/ mit dem | Titel. | Errores XVII. Iacobi Andreae | Doctoris craßiores, etc. | Gedruckt zu T[ue]bingen/ bey Georgen | Gruppenpach Anno 1589. |. LANSIUS, T HOMAS (1620): Amicitiae monumentum: | QUOD | incomparabili Theologo, | MATTHIAE | HAFENREFFERO, | XXII. Octobr. An. Chr. M.DC.XIX. Tu- | bingae mortuo, | CONSECRAVIT | THOMAS LANSIUS | IN ILLUSTRI COLLEGIO, | XV. April. An. Chr. | M.DC.XX. | TUBINGAE, | imprimebat Eberhardus Wildius. |. LECHNER, KASPAR (1624): EVTCHI-NESTORIANA | VBIQVITAS | THEOL. DISPVT. | IMPVGNATA | In Celebri ac Electorali Vniversitate | Ingolstadiensi, | CONTRA | THEODORVM THVMMIVM, NOVUM EVTYCHI-NESTORIANVM, | Academiae Tubingensis Theologum. | PRAESIDE ET PROMOTORE | R.P. GASPARE LECHNERO | SOCIETATIS IESV, S. THEOLO- | GIAE DOCTORE ET PROFESSORE | Ordinario, | PROPVGNANTE | REVERENDO ET CLARISSIMO | DOMINO GASPARE
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Literaturverzeichnis
ZEILLERO, S. THEOLOGIAE | LICENTIATO, CATHEDRALIS ECCLESIAE AVGUSTANAE POENI- | tentario, Reuerendissime & Illustrißimi Episcopi | Augustani Consiliario, Visitatore Generali &c. | Pridie Doctoratus Theologici | VI. Maij, | M DC XXIV. | INGOSTADII, Typis GREGORII HAENLIN. |. LÖSCHER, VALENTIN ERNST (1723. 1724): Ausführliche Historia motuum zwischen den Evangelisch-Lutherischen und Reformirten, in welcher der gantze Lauff der Streitigkeiten biß auf jetzige Zeit acten-mäßig erzehlet, ... auch alle historischen Controversien ... untersuchet, ... und insonderheit die sogenannte christliche Erwegung der Historiae motuum ... nebst andern noch nicht refutirten historischen Streitschriften der Reformirten, ... widerleget worden ... Zweyte und vermehrte Auflage, Frankfurt u. Leipzig 1723. 1724. LOMBARDUS, PETRUS (1971): Magistri Petri Lombardi Sententiae in IV Libris Distinctae. Editio Tertia Ad Fidem Codicum Antiquorum Restituta. Tomus I, Grottaferrata (Romae) 1971. – (1981): Magistri Petri Lombardi Sententiae in IV Libris Distinctae. Editio Tertia Ad Fidem Codicum Antiquorum Restituta. Tomus II, Grottaferrata (Romae) 1981. LUTHER, MARTIN (1930): Enarratio 53. capitis Esaiae ([1544] 1550). In: WA 40/III (1930); S. 685–746. – (1932a): Disputation de sententia: Verbum caro factum est (Joh 1,14) (11. Jan. 1539). In: WA 39/II (1932); S. 1/3–33. – (1932b): Disputation de divinitate et humanitate Christi (28. Febr. 1540). In: WA 39/II (1932); S. 92/93–121. – (1932c): Die Promotionsdisputation von Georg Major und Johannes Faber (12. Dezember 1544). In: WA 39/II (1932c); S. 284/287–336. – (1966): Vom Abendmahl Christi. Bekenntnis (1528). In: Otto Clemen (Hg.), Luthers Werke in Auswahl. Dritter Band: Schriften von 1524 bis 1528. 6. Aufl., Berlin 1966; S. 352–516. – (1979): Disputatio contra scholasticam theologiam (1517). In: Hans-Ulrich Delius (Hg.), Martin Luther Studienausgabe. Bd. 1, Berlin 1979; S. 163–172. – (1982): De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium. In: Hans-Ulrich Delius (Hg.), Martin Luther Studienausgabe. Bd. 2, Berlin 1982; S. 168/172–259. – (1986): Vom Abendmahl Christi. Bekenntnis (1528). In: Hans-Ulrich Delius (Hg.), Martin Luther Studienausgabe. Bd. 4, Berlin 1986; S. 13–258. – (1992): Von den Konziliis und Kirchen (1539). In: Hans-Ulrich Delius (Hg.), Martin Luther Studienausgabe. Bd. 5, Leipzig 1992; S. 448–617. MARTINI, J AKOB (1609): JACOBI MARTINI | Halberstadiensis | De | COMMUNI- | CATIONE PROPRII | LIBER UNUS | Contra Barthol. Keckermannum.| VVITTEBERGAE | Impensis Zachar. Schureri. | 1609 |. MARTINI(US), MATTHIAS (1614): THEOLOGIA | DE UNICA DO- | MINI NOSTRI JESU Christi persona, | In duabus naturis, intime quidem, sed inconfuse, ut | indvulse, unitis, & veram inter se communio- | nem habentibus, post exinanitionem tempo- | rariam aeternum exaltatis, | EX SCRIPTURARUM SANCTARUM APERTIS DI- | ctis, idoneis rationibus, & antiquitatis testimoniis, | CONTRA | Blasphemias, errores & calumnias haereticorum, imprimis | Samosatenianorum, Socinianorum & Arianorum; etiam Ubiquitariorum, nominatim | D. BALTHASARIS MENTZERI | professoris Giessensis, | In II. libros, sing. per VI. tractatus/ distincta, Auctore | MATTHIA MARTINIO, servo JESU CHRISTI | in schola Bremensi. | Addito indice copioso triplici; dictorum scripturae expositorum | & vindicatorum patrum, & denique verborum | ac rerum; | Librorum etiam & capitum summis. | BREMAE, | Typis Thomae Villeriani, scholae typographi, | anno M D C XIV. | [erschienen 1615 – VD 17: 1:081666E].
III. Quellen
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– (1615): EXAMEN | QUERELARUM | ET ADMONI- | tionis BALTHASARIS MENTZERI, | quas partim praefatione in exegesin Au- | gustanae confessionis, partim in Gies- | sensi disputatione nu- | per egessit | In | MATTHIAM MARTINIUM; | Qui hic causam veritatis et personae suae in- | nocentiam contra illius calumnias | et iniquitatem tuetur | ... | BREMAE, | Typis Thomae Villeriani illustris scholae typogr. | ANNO | MDCXV.|. – (1616): Mentzerus Antinuthetumenus: Hoc est, Demonstratio Evidens, Quod similiter primae vana sit illius admonitio altera de libro M. Martinii …, (Okt. 1615) Bremen 1616 (VD 17: 1:081829N). – (1617a): Demonstratio Mathiae Martinii, Quod Conformi Sanctis Scripturis Phrasi Et apud patres veteres & recentiores doctores optimos frequentata, recte dicatur, & orthodoxe pieq[ue] in nostris ecclesiis exponatur, Christum Jesum secundum utramque naturam exinanitam & exaltatam esse: Contra virulentas Balthasaris Mentzeri & C. calumnias ..., Bremen 1617 (VD 17: 23:638511F). – (1617b): Institutio | MATTHIAE MARTINII | DE PRAESENTIA | DOMINI NOSTRI JESU | CHRISTI, DEI ET HOMINIS, | in sacra coena, in ecclesia | & in medio inimi- | corum: | Pro confessione orthodoxa, | Contra | D.BALTHASARIS MENTZERI | vanas objectiones, | in elencho adversus Sadeelem & antimartinio. | BREMAE | Typis Thomae de Villiers, | anno M D C X V II |. MEISNER, B ALTHASAR (1606a): ...| DISPVTATIO | De | NATURA META- | PHYSICAE, | Quam Consensu Amplissimae Facultatis Phi- | losophicae, in inclyta VViteber- | gensium Academia, | Publice discutiendam | Proponit | M. BALTHASAR MEISNERVS | Dresdensis, | Respondente | FRIDERICO FABRO | Stetiniensi Pomerano. | Habebitur ad d. 26. Iulij in auditorio majori, | horis a sexta matutinis. | VVITEBERGAE, | Typis Cratonianis, per Iohan. Gorman. Anno 1606. |. – (1606b): Articulus secundus, | DE PERSONA CHRISTI | DISPVTATIO IV. | DE UNIONE DU- | ARVM NATVRARVM | IN CHRISTO.| Complectens exestasin duarum priorum thesium | Libelli Visitatorij. | Quam | Adspirante Spiritus sancti gratia | Sub Praesidio | Dn. FRIDERICI BALDVINI, | SS. Theol. Doct. & Professoris publici, in cele- | berrima Academia VVitebergensi, privati | exercitij gratia proponit | M. BALTHASARIS MEISNERVS, | Dresdensis. | Ad diem 6. Decemb. | VVITEBERGAE. | Typis Cratonianis, per Iohannem Gorman, Anno 1606. |. – (1609): Disputatio Theologica, | De | REALI DONORUM |VERE INFINITORUM COM- | municatione, Assumptae Christi hu- | manitati, propter unionem per- | sonalem, ab assumente | logo facta. | Cuius Positiones,| ... | Sub praesidio | ... DN. JOHANNIS PAPPI, SS. | Theologiae Doctoris & Professoris celeberrimi ... | Ad publicam placidamque collationem, in celebri | Argentinensium Academia proponit | M. BALTHASAR MEISNERVS DRESDENSIS | Habebitur d. XVIII. & XIX. Maij, horis matutinis. | ... | ARGENTORATI. | Excudebat Carolus Kieffer Junior. | M D.C. IX. |. – (1611a): PHIOSOPHIA | SOBRIA, | Hoc est:| PIA CONSIDE- | RATIO QUAESTIONUM | PHILOSPHICARUM, IN | Controversiis Theologicis, quas | Calviniani moverunt Ortho- | doxis, subinde occur- | rentium. | AVCTORE | M. BALTHASARE MEISNERO | DRESDENSI.| Approbante Venerando Theolo- | gorum Giessensium Collegio, | quorum censura est | praefixa. | ... | GIESSAE HESSORUM | Typis Nicolai Hampelii, Typogr. Acad. | M DC XI. |. – (1611b): DISSERTATIO | DE ANTIQUA VI- | TIOSA, THEOLOGICE DI- | SPUTANDI RATIONE. | A Scholasticis primum imprudenter introducta, | A Luthero ex Scholis utiliter educta,| A Jesuwitis infeliciter reducta: | In anniversaria festivitate Academica | ADMODUM REVERENDI COL- | LEGII THEOLOGICI TUBINGEN- | sis, Mense Augusto, valedictio- | nis ergo recitata: | Nunc aucta, & ad Amicorum peti-
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Literaturverzeichnis
tionem publici iuris facta | a | M. BALTHASARE MEISNERO | DRESDENSI. | ... | GIESSAE HASSORUM.| Excudebat Nicolaus Hampelius, Typogr. Acad. | M DC XI. |. – (1612): SCHOLAE ACADEMICAE, | HOC EST, | DISPUTATIONES QUINQ[UE], | quarum, | 1. De unione Personali agit. | 2. De Communicatione Idioma- | tum. | 3. De causis peccatorum. | 4. De Regimine Ecclesiastico. | 5. De Lutherana Fide capessenda. | Una cum Oratione | De antiqua vitiosa Theologice disputandi | ratione, | Olim in diversis Academiis habi- | tae, nunc in unum fasciculum | collectae, | a | BALTHASARE MEISNERO, Th.D. | & Moralium in Acad. VVitt. | Professore Publico. | Cum Gratia & Privilegio Electoris Saxoniae. | VVittebergae, Sumptibus & typis Johan. Gormanni. An. 1612. |. – (1613): SECUNDA PARS | PHILOSOPHIAE | SOBRIAE, | In qua | PROBLEMATA | LEXICA ET LOGICA, | IN CONTROVERSIIS PAPISTI- | cis subinde occurrentia, succin- | cte discutiuntur. | AUCTORE | BALTHASARE MEISNERO, | SS. Theol. Doct. & in Acad. Witteberg. | Profess. Ordin. | M.DC. XIII. | Cum Gratia & Privilegio Electoris Saxoniae. | WITTEBERGAE | Sumtibus Bechtholdi Raaben Bibliopolae. |. – (1619): Christologias Sacrae Disputatio Decima quinta De Secundo Communicationis Idiomatum Genere. Quam Annuente Θεανθρωπω Sub Praesidio Dn. Balthasaris Meisneri S.S. Theol. D. & P.P. In privato Collegio examinandam proponit M. Tobias Hermannus Memminga-Suevus. Habebitur 21. Martii ..., Wittebergae (Gormannus) 1619. – (1623): TERTIA PARS | PHILOSOPHIAE | SOBRIAE, | In qua | PROBLE= | MATA ETHICA | ET POLITICA, IN CON-|TROVERSIIS PAPISTICIS | subinde occurrentia, studiose discutiuntur; | Cui praefixa est praefatio, De gravissi- | ma servitute Magistratus in | Papatu. | AUCTORE | BALTHASARE MEISNERO, | SS. Theolog. Doct & in Witteb. | Acad. Prof. P. | ... | WITTEBERGAE, | Sumtibus CASPARI HEYDEN Bibliop. | Typis Jobi Wilhelmi Fincelii, | ANNO 1623. |. – (1624a): MAGNUM | PIETATIS | MYSTERIUM | De | DEO IN CARNE MANI- | FESTATO, | Sub ejusdem auspiciis | PRAESIDE | BALTH. MEISNERO SS. TH. D. | & Professore Publico,| Pro consequendis summis in THEOLOGIA honoribus | & Privilegiis Doctoralibus | Publice defendent | M. JOHANNES MÜLLER VRATISLAVIENSIS, | ... | & | M. LAURENTIUS ANDREAE HALLENSIS, | ... | Habebitur disputatio d. XVII. Decembris, horis ante- & pomeridianis, | In Auditorio Majori | ... | WITTEBERGAE, | Ex Officina Typographica CHRISTIANI THAM, | Acad. Typogr. | ANNO M. DC. XXIV. |. – (1624b): CHRISTOLO- | GIAS SACRAE | Disputationes L. | Certis titulis notatae, accuratiore metho- | do inclusae, subque | PRAESIDIO | Dn. BALTHASARIS MEIS- | NERI S.S. Theol. D. & P.P. | In privato Collegio ad disputandum | propositae, & habitae in Auditorio minori| horis & diebus hisce dicatis. | ... WITTEBERGAE | Ex Officina JOHANNIS Gormanni | Anno [M] [D] CXXIV. |. – (1625): Brevis Consideratio recentis controversiae, de divina apud creaturas praesentia. In: Apologia Decisionis, | NECESSARIA ET INEVITABILIS | APOLOGIA, | SEU ASSERTIO DECI- | SIONIS SOLIDAE, VERBOQVE DEI, | ET CHRISTIANAE CONCORDIAE LIBRO CONGURAE,| QVATUOR ILLORUM INTER ALIQVOS THEOLOGOS | Augustanae Confessionis nuperrime controversorum | capitum principaliorum, Superiore anno, autoritate ... | JOHANNIS GEORGII, | ... | Editae: | Haud ita pridem vero a Dominis Theologis Würtembergicis | sub specie AMICAE ADMONITIONIS | vehementer impugnatae. | Iussu ... Domini Electoris Saxoniae,| concinnata, & ad notitiam omnium, publici Iuris facta, | Per suae Serenitatis Electoralis Deputatos Doctores | Theologos. Cum Praefatione ... Indice triplici, & | PRIVILEGIO ELECTORALI SAXONICO. | LIPSIAE, | Sumtibus ZACHARIAE SCHURERI & MATTHIAE Götzen/ | ANNO [M] [D] CXXV. |.
III. Quellen
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– (1697): [De Christiano] ORATIO SOLEMNIS | Die 5. Novembr. 1622 in promotione | DN. ANDREAE GROSSHEN- | NINGI, PASTORIS LOBURGENSIS, | WITTEBERGAE RECITATA. | In: Scripta, | Duo | EGREGIA ET ERUDITA SCRIPTA | celeberrimorum qvondam Theologorum | Lutheranae Ecclesiae | Ad | Cognitionem veri Christianismi & Pseudo- | Christianismi perducentia | I. Oratio Theologica B. Balthasaris Meisneri, | SS. Theol. D. & Prof. Publ. Wittebergensis, | De | Vero Christiano, | ejusq[ue] natura, praestantia & unione cum | CHRISTO; | II. Disputatio inauguralis B.D. Arnoldi | Mengeringii, Concionatoris qvondam Altenb. | Aulici | De | Impedimentis conversionis | & salutis humanae. | Argentorati, | Typis EBERHARDI WELPERI, | Anno M. DC. XCVII. |, S. 1–60. MELANCHTHON, P HILIPP (1834–1869): Opera quae supersunt omnia; hg. von Bretschneider, Carl Gottlieb; Bindseil, Heinrich Ernst; 28 Bde. (Corpus Reformatorum 1–28), Halle/Braunschweig 1834–1869. – (1951–1975): Werke in Auswahl. Bd. 1–7/2, hg. von Robert Stupperich (StA), Gütersloh 1951–1975. MENTZER, B ALTHASAR (1593): ELENCHVS | ERRORVM | ANTONII SADEELIS | IN LIBELLO DE VERI- | tate Humanae naturae Iesu Christi. | AVCTORE | M. BALTHASARE | MENTZERO Allendorfensi ad Sali- | nas Hassiacas, Ecclesiae Kyrttorfensis | in Hassia Pastore. | Praefixa est Praefatiuncula AEGIDII HVN- | NII Theologiae Professoris in Acade- | mia VVitebergensi. Editus VVITEBERGAE | Typis Matthaei VVelaci. | M.D.CXIII. |. – (1594): ELENCHVS ALTER | ERRORVM | ANTONII SADEELIS | IN LIBELLO DE SA-| cramentali manducatione | carnis Christi.| Auctore | M. BALTHASARE | MENTZERO ALLENDORFENSI | ad Salinas Haßiacas, Pastore | Ecclesiae Kyrttorfensis | in Haßia. | Antefixa est praefatio Reverendi ... | D. AEgidii Hunnii ... | in Academia VVitebergensi | Professoris. | VVITEBERGAE, | Typis Georgij Mulleri. | M.D.XCIV. |. – (1604): MODESTA ET SOLIDA | Responsio | BALTHASARIS | MENTZERI, SS. THEO- | LOGIAE DOCTORIS ... qua defendit E- | lenchum errorum ANTONII SADEELIS de per- | sona Christi, contra futiles obiectiones MAT- | THIAE MARTINII ... | FRANCOFVRTI, | Opera & impensis Petri Kopfii. | M. DC. IV. |. – (1605): Disputatio Theologica prior: | DE JESU CHRISTO | ΘΕΑΝΘΡΩΠΩ, UNICO HUMANI | GENERIS REDEMPTORE. | ... | De subjectis Thesibus | SVB PRAESIDIO | BALTHASRIS MENTZERI, | SS. THEOL. D. ET PROFESSORIS OR- | dinarii in illustri Gymnasio Giesseno, publice | rationem reddet | M. JOHANNES STUMPIUS ALSFEL- | DIANUS HASSUS.| In Majore auditorio Curiae, VI. die Decemb.| ... | GIESSAE HESSORUM | Apud Nicolaum Hampelium, Gymnasii Typographum. | Anno Christi, M. DC. V. |. – (1606): DISPUTATIO THEOLOGICA | POSTERIOR: | DE JESU CHRISTO| ΘΕΑΝ ΘΡΩΠΩ , UNICO HUMANI | GENERIS REDEMPTORE. |...| De subjectis Thesibus | SUB PRAESIDIO | BALTHASRIS | MENTZERI, SS. THEOLOGIAE | DOCTORIS ET PROFESSORIS ORDI- | narii in illustri Schola Giessena, publi- | ce respondebit | M. LUDOVICUS STEITZERUS GIES- | SENSIS HASSUS. | In Majore auditorio Curiae, XXIIX. Febr. ... | GIESSAE HASSORUM, | Excudebat Nicolaus Hampelius, Scholae Typogr. | M. DC. VI. |. – (1614a): Disputatio VI.: Pia meditatio dicti salvatoris: Ubi sunt duo vel tres congregati in nomine meo, ibi sum in medio ipsorum, Matth. 18. v. 20 [Resp. Johannes Laurentius]. In: DISPVTATIONVM THEOL- | OGICARVM, | DE PRAECIPUIS | QUIBUSDAM HORUM | TEMPORUM CONTROVER- | siis, in Academia GIESSENA | publice habita- | rum, | TOMUS V. ... GIESSAE HESSORUM, | Typis Nicolai Hampelii, Typogr. Acad. | [M] [D] cXIV. |, S. 151–163.
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Literaturverzeichnis
– (1614b): Disputatio VII. über Matth. 28,20 [Resp.: Fridericus Lyser]. In: Disputationes Giessenses, | DISPVTATIONVM THEOL- | OGICARVM, | DE PRAECIPUIS | QUIBUSDAM HORUM | TEMPORUM CONTROVER- | siis, in Academia GIESSENA| publice habita- | rum, | TOMUS V. | ... GIESSAE HESSORUM, | Typis Nicolai Hampelii, Typogr. Acad. | [M] [D] cXIV. |, S. 163–188. – (1614c): Disputatio IX.: Pia Meditatio Dicti Apostolici, Deus Ecclesiam acquisivit proprio suo sanguine [Resp.: Sebastian Hornung]. In: Disputationes Giessenses, | DISPVTATIONVM THEOL- | OGICARVM, | DE PRAECIPUIS | QUIBUSDAM HORUM | TEMPORUM CONTROVER- | siis, in Academia GIESSENA | publice habita- | rum, | TOMUS V. | ... GIESSAE HESSORUM, | Typis Nicolai Hampelii, Typogr. Acad. | [M] [D] cXIV. |, S. 196–209. – (1614d): Disputatio XV.: De Praesentia Christi Θεανθρωπου Apud Creaturas in regno potentiae, gratiae, & gloriae [Resp.: Iohannes Adolphus Cypraeus]. In: Disputationes Giessenses, | DISPVTATIONVM THEOL- | OGICARVM, | DE PRAECIPUIS | QUIBUSDAM HORUM | TEMPORUM CONTROVER-|siis, in Academia GIESSENA| publice habita- | rum,| TOMUS V. | ... GIESSAE HESSORUM,| Typis Nicolai Hampelii, Typogr. Acad.| [M] [D] cXIV. |, S. 507–532. – (1615a): Admonitio Brevis De Libro Matthiae Martinii; De Persona Christi, Contra Vbiquitarios, & nominatim D. Balthasarem Mentzerum …, Gießen 1615 [Wiederabdruck: DGT VI.14. = ME I (Opera II, 354–366)]. – (1615b): Admonitio Altera: De Libro Matthiae Martinii; De Persona Christi, Contra Vbiquitarios, & nominatim D. Balthasarem Mentzerum …, Gießen 1615. [Wiederabdruck: DGT VI.15. = ME II (Opera II, 366–388a)]. – (1616a): CONSIDERATIO | Novi libelli Matthiae Martinii, | Cui Titulus: | EXAMEN QUERELARUM ET | ADMONITIONIS BALTHASARIS | MENTZERI, &c. | De cuius subiectis positionibus, | Ipso DIVIno ChrIstI regente nVMIne: | SVB PRAESIDIO | BALTHASARIS | MENTZERI, S.S. THEOLOGIAE | D. ET PROFESSORIS IN INCLYTA | Hessorum Academia Gissensi Professoris | ordinarii, in publica disputatione ra- | tionem redditurus est. | M. JANUS DIONYSIUS JERSI- | nus-Danus. | In Auditorio Theologico XIIX. Ianuarii. | ... | GIESSAE HESSORUM, | Excudebat Nicolaus Hampelius, Typgr. Acad. | M DC XVI. | [Wiederabdruck: DGT VI.16. = ME III (Opera II, 388a–409b)]. – (1616b): ADMONITIO NOVA | De novo Libro | MATTHIAE MARTINII, | Cui titulum fecit: | MENTZERUS ANTINUTHETUMENUS, &c. | Cuius subiectas positiones | IesV ChrIstI nVMIne DIrIgente, | SVB PRAESIDIO | BALTHASARIS | MENTZERI, SS.TH[E]OL. D. ET PRO- | FESSORIS IN INCLYTA HESSORUM | Academia Gissensis ordi-| narii, | Publica disputatione defendendas suscipiet | M. WENEMARUS ELBERUS HATTIN- | GENSIS WESTPHALUS. | In Auditorio Theologico XVIII. Iulii. | ... | GIESSAE HESSORUM,| Excudebat Nicolaus Hampelius, Typgr. Acad. | M DC XVI. | [Wiederabdruck: DGT VI.17, 294–323 = ME IV (Opera II, 409b–428a)]. – (1616c): Admonitio nova continuata | DE NOVO LIBRO | MATTHIAE MARTINII, | Cui Titulum fecit: | MENTZERUS ANTINVTHE- | TVMENVS, &c. | Cuius subiectas positiones | IesV ChrIstI nVMIne DIrIgente, | SVB PRAESIDIO | BALTHASARIS | MENTZERI, | SS. THEOLGIAE DOCTORIS ET PRO- | FESSORIS IN INCLYTA HESSORUM | Academia Gissensis ordinarii, | Publica disputatione defendendas suscipiet | SAMUEL Zehner SULANUS | FRANCUS. | In Auditorio Theologico XXII. Augusti. | ... GIESSAE HESSORUM, | Excudebat Nicolaus Hampelius, Typgr. Acad. | M DC XVI. | [Wiederabdruck: DGT VI.18, 323–365 = ME V (Opera II, 428a–454)]. – (1616d): Admonitio nova continuata, (Th. 278ff); Wiederabdruck: Opera II, 454–474a.
III. Quellen
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– (1616e): Oratio | IN QVA BREVITER DELI- | neantur praecipua capita contro- | versiae, | DE | OMNIPRAESENTIA | JESU CHRISTI ΘΕΑΝΘΡΩΠΟΥ | in utraque natura. | ... | GISSAE HESSORUM, | Typis Nicolai Hampelii, Typogr. Academ. | ANNO [M] [D] c XVI. |. – (1617a): Examen Demonstrationis Matthiae Martinii, De Christo Jesu, ... secundum utramque Naturam exinanito & exaltato, Gießen 1617 [= ME VII, Wiederabdruck Opera II, 474a–499b]. – (1617b): EXAMEN | INSTITUTIONIS | MATTHIAE MARTINII, | DE PRAESENTIA DOMINI NO- | stri Jesu Christi, Dei & hominis, in | Sacra Coena: | BenIgna ChrIstI optiIMI gratia aDIVVante, | SUB PRAESIDIO | BALTHASARIS | MENTZERI, SS. THEOL. D. ET | Professoris in alma Giessensi Acade- | mia ordinarii, | Publica disputatione rationem redditurus est | JOACHIMUS ZACHOVIUS WISMARIENSIS | MEGAPOLITANUS.| In Auditorio Theologico XXI. Augusti, horis consuetis. | ... | GIESSAE HASSORUM, | Typis Nicolai Hampelii. Academ. Typogr. | ANNO M DCXVII. | [= ME VIII, Wiederabdruck Opera II, 499b–526b]. – (1618a): MARTINIUS | ELEGCOMENOS. | SIVE REFVTATIO | SOPHISMATUM MAT- | TIHAE MARTINII ZWINGLIA- | NI BREMENSIS,| IESV CHRISTI AD DEXTRAM PATRIS | sedentis gloriam & majestatem, | ET | VERAM IPSIVS CORPORIS ET SANGVINIS | cum pane & vino in sacra coena praesentiam & manductio- | nem, in verbis institutionis fundatam, hostiliter | impugnantis, | ADORNATA | a | BALTHASARE MENTZER- | RO, SS. THEOL. D. ET PROFESSORE | in inclyta GIESSENSI Academia ordinario. | ... | GIESSAE HESSORUM, | Typis Nicolai Hampelii, Typogr. Academ. | M DC XIIX. |. – (1618b): DEFENSIO | COLLATIONIS AVGVSTANAE | CONFESSIONIS | Cum | Doctrina Zwinglianorum & Calvinistarum: | OPPOSITA | URBANO PIERIO,| & | LUDOVICO CROCIO | Calvinistis eam impugnantibus. | Cuius disputationem primam pro Augusta- | na Confeßione MoDeratore ChrIsto InnIXVs | Sub Praesidio | BALTHASARIS | MENTZERI, SS. THEOL. D. ET | Professoris in inclyta ACADEMIA | Giessensi ordinarii, | Pro virili defendere conabitur | JOHANNES CHILIANI, Trapsta| densis Francus. | Die 25. April. horis antemeridianis. | GIESSAE, | Excudebat NICOLAUS HAMPELIUS, Typogr. Academ. | M DC XIIX. |. – (1621): DISPVTATIO THEOLOGICA | DE QUATUOR QUAESTIONI- | BUS CONTROVERSIS. | De quibus | DIVIno nVMInIs aVspICIo, | PRAESIDENTE | BALTHASARE | MENTZERO, | SS. THEOLOGIAE DOCTORE | & Professore in inclyta Gissensi Academia | ordinario, rationem redditu- | rus est | M. LUDOLPHUS PEITHMAN, | STADHAGA-SCHAUMBURGICUS.| In Collegio Theologico XIX. Iulii, | horis consuetis. | GISSAE HESSORVM, | Typis Nicolai Hampelii, Typogr. Academ. | ANNO M DC XXI. |. – (1624): NECESSARIA ET JUSTA | DEFENSIO | CONTRA INJUSTAS | CRIMINATIONES | D. LUCAE OSIANDRI, | D. MELCHIORIS NICOLAJ, | D. THEODORI THUMMII: | IN QVA MULTI DE PERSONA ET OFFICIO | CHRISTI ERRORES DETEGUNTUR ET | REFUTANTUR: | Adornata a | BALTHASARE MENTZERO, SS. | Theolog. D. ejusdem in inclyta Marpurgensi | Academia Professore Ordinario, & | Stipendiatorum Ephoro. | Accusare alios facile est, ubi garrulalingua est: | Sed veritas defensa pulchrius nitet. | Excusa GISSAE per NICOLAUM HAMPELIUM, | ANNO | Vt paLMA ponDere, Ita VerItas pressa aLtIVs sVrgIt. [1624] | – [verso:] | COMPREHENDUNTUR IN HAC | DEFENSIONE:| I. Historia Controversiae Tybigensis, pag.1. | II. Brevis Controversiae Tybingensis Delineatio, | pag.69. | III. Hypothesium Tybingensium consideratio, p. 77.| IV. Trias Disputationum, ad hanc controver- | siam pertinentium: prima est Dn. D. Johan- | nis Wynckelmanni, An. MDC XX. p. 110. Se-|
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Literaturverzeichnis
cunda & tertia D. Mentzeri, An. MDC XXI. | Mense Martio & Iul. Gissae habitae, p.124. | V. Modesta Responsio, duabus disputationibus in- | clusa, ad librum D. Lucae Osiandri maledi- | cum, & Schola Theologica indignum, p. 177. | De Consideratione D. Melchioris Nicolai | Theologica, fidelis admonitio, p. 268. | VII. Beantwortung der Frage: Ob die Menschliche | Natur vnsers HERRN vnd Heylands Jesu | Christi/ im Standt der Ernidrigung bey allen | vnd jden Creaturen gegenwertig gewesen sey/ | vnnd alles in Himmel vnd auff ERden regieret | habe/ auch mitten in dem Todt/pag. | Pressa DIV VerItas Laeta sVrgIt In aLtVM. [1624] |. – (1669a): D. BALTHASARIS | MENTZERI | Senioris, b.m. | OPERA LATINA,| AB IPSO, DUM VIVERET, DIVERSIS | Temporibus seorsim edita, nunc vero, Ecclesiae Bono, | in unum Corpus congesta. | Procurante, Cohaeredum & suo Nomine, | BALTHASARE MENTZERO D. | (Senioris Filio) Aulae & Ecclesiae Hasso-Darmbstatinae | Pastore Prim. & Superintendente,| Tribus Indicibus locupletata.| FRANCOFVRTI, | Anno reparatae Salutis MDCLXIX. ab Autoris beato obitu,| quadragesimo tertio. | Ex Officina Zunneriana. |. – (1669b): D. BALTHASARIS | MENTZERI | Senioris, b.m. | OPERVM LATINORVM, AB IPSO, DUM VIVERET, DIVERSIS | TEMPORIBUS SEORSIM EDITORUM, | Nunc vero, Ecclesiae Bono, in unum | Corpus congestorum, | TOMUS SECUNDUS, | Procurante, Cohaeredum & suo Nomine,| BALTHASARE MENTZERO D. | (SENIORIS FILIO) AULAE ET ECCLESIAE | Hasso-Darmbstatinae Pastore Prim. | & Superintendente, | Tribus Indicibus Locupletatus.| FRANCOFVRTI, | Anno reparatae Salutis M.DC.LXIX. ab Autoris | Beato Obitu, quadragesimo tertio.| Ex Officina Zunneriana.|. MÖRLIN, J OACHIM (1552): Von der Rechtferti= | gung des glaubens: | gründtlicher warhafftiger be= | richt/ auss Gottes Wort/ etlicher Theolo= | gen zu K[ue]nigsberg jn Preussen.| Wider die newe verfürische vnd | Antichristische Lehr. ANDREAE OSIANDRI, | Darinnen er leugnet das Christus jn seinem | vnsch[ue]ldigen Leiden vnd sterben/ vn= | ser Gerechtigkeit sey. | ... |, Königsberg (23. Mai) 1552. – (1561): CONTRA SA= | CRAMENTARIOS.| DISPVTA= | TIONES DVAE, | PRIMA DE COENA DO= | mini, Altera de communica= | tione Idiomatum. | ITEM | Declarationes duae, & vera sententia | AVGVSTANE CONFESSIONIS,| in articulo, de Coena Domini. Quibus subscripse= | runt inferioris Saxoniae Theologi, qui fuerunt | in proximo Conuentu Brunschui- | censi, Anno Domini 1561. | mense Februa= | rio. | Ioachimus Morlin D. | ... | (Islebij, in Officina Vrbani | Gubisij. 1561.) |. – (1571): DISPVTATIO | D. IOACHIMI MOR= | LINI, EPISCOPI SAMBIEN= | SIS, DE COMMVNICATIO=| NE IDIOMATVM. | ANNO | M.D.LXXI. | HVIC ADIVNCTA SVNT, DE | eadem Communicatione, Illustria Testimonia | sacrae Scripturae. | COLLECTA PER IOACHIMVM | VVestphalum, Superintendentem | Hamburgensem. | ... |, [s.l.] 1571. MÜLLER, GERHARD; SEEBASS, GOTTFRIED (Hg.) (1994): Andreas Osiander d. Ä., Gesamtausgabe. Bd. 9: Schriften und Briefe 1549 bis August 1551, Gütersloh 1994. –; SEEBASS, GOTTFRIED (Hg.) (1997): Andreas Osiander d. Ä., Gesamtausgabe. Bd. 10: Schriften und Briefe September 1551 bis Oktober 1552 sowie Posthumes und Nachträge, Gütersloh 1997. N ICOLAI, MELCHIOR (1622): CONSIDERATIO | THEOLOGICA, QUATUOR QUAESTIO- | num Controversarum: | De | PROFUNDISSIMA ΚΕΝΩΣΕΙ | Domini & Salvatoris nostri IESU Christi, | firmamenta causae utriusque partis exhibens, & | quid ex verbi divini praescripto tenen- | dum sit breviter common- | strans. | Conscripta & in privato Collegio discussa, | a | MELCHIORE | NICOLAI, THEOLO- | GIAE D. ET PROFESSORE, IL- | lustris Stipendii in inclyta Tubin- | gensi Academia Superatten- | dente. | TVBINGAE, | TYPIS EBERHARDI WILDII, | ANNO M. DC. XXII. |.
III. Quellen
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–; ANDREAE, J OHANN VALENTIN (1632): Duae Orationes Funebres, De Vita Et Obitu: Admodum Reverendi & Clarissimi, Pietate, Doctrina, Prudentia, rerum usu & Authoritate Praestantissimi Viri, Domini, Erasmi Grüningeri, Consiliarii Württembergici, Universiatis Tubingensis Commissarii, & Ecclesiae Stuttgardianae Praepositi Dignissimi / Quarum Una Habita Tubingae, a Melchiore Nicolai, Sacrosanctae Theologiae Doctore ... Altera Conscripta, a Valentino Andreae, Ecclesiae Calvensis Pastore ..., Tübingen 1632. – (1676): CONSIDERATIO | THEOLOGICA, QUATUOR QUAESTIO- | NUM CONTROVERSARUM: | De | PROFUNDISSI- | MA ΚΕΝΩΣΕΙ | Domini & Salvatoris nostri JESu Chri- | sti, firmamenta causae utriusque partis exhi- | bens, & quid ex verbi divini praescripto tenendum | sit breviter commonstrans. | CONSRIPTA ET IN PRIVATO COLLEGIO DISCUSSA | a | MELCHIORE NICO- | LAI, Theol. D. & Professore, Illustr. Stip. in | Inclyta Tubing. Academ. quondam Superattend. | postea Praeposito Stutgardiano.| EDITIO SECUNDA.| TVBINGAE,| Typis excudebat JOACHIMUS HEIN. | ANNO M.DC.LXXVI. |. OSIANDER, ANDREAS (II.) (1587): | TRACTATVS DE | OMNIPRAESENTIA | CHRISTI, | IN QVO AD INA- | NEM ET ELVMBEM VBIQVI- | TATIS, HOC EST, MAIESTATIS | Christi confutationem, per quendam Christianum | VValdensem institutam, re- | spondetur. | HVIVS RESPONSI CAPITA. | I. Controuersiae Vbiquitariae status recte constituitur. | II. Axiomata & Argumenta aduersarij, quibus Cinglianorum senten- | tiam confirmare contendit, refutantur. | III. Elegia Antubiquitaria inuersione persoluitur, & Christi seruatoris | honor asseritur. | IIII. Ad Argumenta ex Zacharia Vrsino collecta respondetur: & contra- | ria Argumenta, numero LVII. quibus Omnipraesentia Christi | personalis nititur (in gratiam studiosae iuuentutis) iuxta locos | Dialecticos ordine recensentur. | PER | M. ANDREAM OSIANDRVM, | Pastorem Güglingensis Ecclesiae, in Duca- | tu Vvirtembergico. | TVBINGAE, | Apud Georgium Gruppenbachium, | M.D.LXXXVII. |. – (1609): Disputatio IX.| DE | PERSONA CHRISTI; | EX FORMVLA CON-| CORDIAE; | QVAM | Ipso Christo Duce, & Auspice: | SVB PRAESIDIO | Reuerendi & Clarissimi Viri, | DN. ANDREAE | OSIANDRI; SS. THEOLOGIAE | DOCTORIS, ET PROFESSORIS | celeberrimi, Ecclesiae Tubingensis Praepositi, & Academiae | ibidem Cancellarij dignissimi, Domini Prae- | ceptoris, & Affinis sui colend- | dissimi, | I. & II. Septembris, horis, locoq[ue] solitis, | defendet | M. IOHANNES VLICRCVS | Pregitzer, Ecclesiae Tubing. | Diaconus.| Tubingae, Apud Philippum Gruppenbachium | ANNO M. DC. IX. |. OSIANDER, ANDREAS, d. Ä. (1994): An filius Dei fuerit incarnandus, si peccatum non introivisset in mundum (1550). In: Gerhard Müller u.a. (Hg.), Andreas Osiander d. Ä., Gesamtausgabe. Bd. 9: Schriften und Briefe 1549 bis August 1551, Gütersloh 1994; S. 450/456–491. – (1997): Von dem einigen mittler Jesu Christo und rechtfertigung des glaubens bekanntnus/De Unico Mediatore Jesu Christo et iustificatione fidei (1551). In: Gerhard Müller (Hg.), Andreas Osiander d. Ä., Gesamtausgabe. Bd. 10: Schriften und Briefe September 1551 bis Oktober 1552 sowie Posthumes und Nachträge, Gütersloh 1997; 78–300. OSIANDER, LUCAS (II.) (1619a): Synopticae Assertiones | DE DUARUM IN CHRI-| STO NATURARUM, DIVINAE ET HU- | manae, VERITATE, illarum UNIONE PERSO- | NALI, earundemque COMMUNICA- | TIONE REALI. | QVAS | Auxiliante & iuvante Deo Opt. Max. ad dispu- | tandum, publice in inclyta Tubingensium V[n]iversi- | tate, proponit, | LUCAS OSIAN- | DER, S.S. THEOLO-| GIAE PROFESSOR ORDINARIUS, EC-| CLESIAE DECANUS, ILLUSTRISQUE WIR- | tembergici Stipendii Superintendens, | ibidem:| Ad easque | MELCHIOR NICO- | LAI, EJUSDEM STIPENDII
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Literaturverzeichnis
SUPERIN- | endens, & S.S. Theologiae Professor, | respondebit: | Vterq[ue] pro Doctoreo in SS. Theologia gradu conse- | quendo. | Ad diem: 7. & 8. Maii, hora & loco solitis. | TVBINGAE, | Typis Theodorici Werlini, | ANNO M. DC. XIX. |. – (1619b): Disputatio | De | DIVINORUM ATTRIBU- | TORUM ET IDIOMATUM, AS| SUMPTAE CARNI CHRISTI FACTA | Communicatione, & ea[l.: o]rundem Di- | stinctione. | PRAESIDE | LUCA OSIAN- | DRO, S.S. THEOLO- | GIAE DOCTORE, EJUS- | demque Professore Tubingae Ordinario, | ac Ecclesiae ibidem De- | cano: | RESPONDENTE | M. Alberto Müllero, Uracensi, | S.S. Theologiae Studioso; | In Aula Nova ad discutiendum proposita, | AD DIEM XXVIII. AUGUSTI, | Tubingae, | Typis Theodorici VVerlini, | Anno M.D. C. XIX. |. – (1619c): Disputatio | De | CHRISTI HOMINIS, | APUD OMNES CREATU- | RAS PRAESENTIA DIVINA | UNIVERSALI.| Dei Triuni adiuvante gratia, | IN CELEBERRIMA TUBIN- | GENSIUM ACADEMIA | PRAESIDE | LUCA OSIAN- | DRO, SS. THEOLOGIAE | DOCTORE ET PROFES-| SORE ORDINARIO, EC-| CLESIAEQUE IBI-| dem Decano.| RESPONDENTE | M.CHRISTOPHERO SCHOLTZIO,| VRATISLAVIENSI SIL.| Ad diem XVII. & XVIII. Decembris| In Aula Theologorum Nova publice proposita.| TVBINGAE,| TYPIS THEODORICI WERLINI,| ANNO M.DC.XIX.|. – (1620a): Appendix Disputationis | De | UNIVERSALI CHRI- | STI HOMINIS APUD | OMNES CREATURAS | PRAESENTIA | CONTINENS, | RESPONSIONES AD ADVER-| sariorum Cavillationes & Calumnias, quibus | Omnipraesentiam Christi hominis divinam, im- | petere & denigrare illi | conantur. | Quam | SVB PRAESIDIO | LUCAE OSIANDRI, | SS. THEOLOGIAE | DOCTORIS | ET PROFESSORIS, TUBINGENSIS | ACADEMIAE CANCELLARII, ET | Ecclesiae Praepositi. | Ad diem 26. & 27. Maij, horis & loco consuetis, defendit | M. IOHANNES VISCHERUS, | AMSTERDAMENSIS. | TVBINGAE, | TYPIS THEODORICI WERLINI, | ANNO, M. DC. XX. |. – (1620b): De | NOMINE SUPRA OMNE | nomen, Christo homini, beneficio Unionis Per- | sonalis, & inde consecutae Idiomatum Communicationis, | donato & contributo, | DISPUTATIO, | Praeside, | LUCA OSIANDRO,| S.S. THEOLOGIAE DOCTORE | ET PROFESSORE, TUBINGENSIS | Academiae Cancellario, & Ecclesiae Praeposito, | proposita. | RESPONDENTE, | STEPHANO HARTMANNO, | Esslingensi, S.S. Theologiae Studioso. | Ad diem 1. & 2. September horis & | loco consuetis. | TUBINGAE, | TYPIS THEODORICI WERLINI, | ANNO MD. C. XX. |. – (1620c): Informatio Theologica | Fidelis,| SIMPLEX ET PERSPICUA, DE |CONTROVERSIS NONULLIS | Quaestionibus, quatuor Theorematibus, | pertractatis. | I. Vtrum Omnipraesentiae Christi hominis Fundamentum Primum, proximum | adaequatum, & unicum in liberrima Dei, promissione Verbi fundata Volun- | tate; an potius in Vnione Hypostatica duarum in Christo naturarum, sit | repositum. | II. Vtrum eiusdem in Statu inanitionis, Realis aliquae fuerit, ad omnes Crea- | turas indistans Praesentia. | III. Vtrum eidem, in Exinanitionis Statu divina quoq[ue] apud Creaturas Ope- | ratio Vniversalis recte tribuatur.| IV. Vtrum Exinanitio, Maiestatis in Unione acceptae Depositione, Abdicatione, | & omnimoda Non-usurpatione; an Vero, per Formam servi asumptam, fa- | cta Occultatione, describenda sit. | EX LIBRO CONCORDIAE, | & perpetua Harmonia sibi constantibus | Wirtembergicorum Theologorum editis Confessionibus | publicis, fideliter & bona fide, deducta & excerpta, & ad | disputandum proposita. | AVTHORE & PRAESIDE | LUCA OSIANDRO,| SS. THEOLOGIAE DOCTORE | ET PROFESSORE, ACADEMIAE TUBIN-|gensis Cancellario & Ecclesiae prae-| posito. | RESPONDENTE | M. BERNHARDO Wildersin/ S.S. Theo-|logiae Studioso.| Discutientur duo Priora Theoremata, 24. & 25. Novembris. | Duo Posteriora, 1. & 2. Decembris, Loco & horis | consuetis, | Causae susceptae hujus Disputationis, in Praefatione explicantur. | TUBINGAE, | Typis Theodorici Werlini, Anno 1620. |.
III. Quellen
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– (1621a): Disputatio | De | DIVINA ET INFINITA | HOMINI CHRISTO | COMMUNICATA OMNISCIEN- | TIA. | Ad quam sub | PRAESIDIO | Reverendi & Clarißimi Viri, | DOMINI | LUCAE OSIANDRI | S.S. THEOLOGIAE | DOCTORIS ET PROFES| SORIS, TUBINGENSIS ACADE- | miae Cancellarij, & Ecclesiae Prae- | positi, | RESPONDEBIT | M. JOHANNES MAILLARDUS, | Mombelgardensi, S.S. Theologiae | Studiosus. | Diebus, XIX. & XX. Febr. horis & loco consuetis. | TVBINGAE, | Typis THEODORICI WERLINI, | ANNO M. DC. XXI. |. – (1621b): Disputatio Theologica | De | DIVINA ET INFINITA | CHRISTO HOMINI COM- | UNICATA OMNIPO- | TENTIA.| Ad quam | SUB PRAESIDIO, | LUCAE OSIANDRI, | S.S. THEOLOGIAE DO-| CTORIS ET PROFESSORIS, | Tubingensis Academiae Cancella-| rij, & Ecclesiae Praepositi. | Respondebit, | M. MARCUS HAILANDUS, | Messingensis, S.S. Theolog. Stud. | Diebus, 15. & 16. Iunij, horis consuetis, | In Aula nova. | Anno reparatae Salutis. | DesIstIte ab hoMIne, CVIVs naso est spIrItVs. | TVBINGAE, | Typis THEODORICI WERLINI, | [1621]. – (1621c): Disputatio Theologica, | De | MAIESTATE DEX-| TERAE DEI, | ET | Ad eandem, hominis Christi | Sessione, | Ad quam | Divina Adjuvante gratia, | PRAESIDE, | LUCA OSIANDRO, | S.S. THEOLOGIAE DOCTORE | ET PROFESSORE, TUBINGENSIS | Academiae Cancellario, & Ec- | clesiae Proposito. | Respondebit, | M. IOANNES LUCAS BRAIT- | majer Bittenfeldensis, S.S. Theologiae | Studiosus, Jllustr. Tubingensis Würtember- | gici Stipend. Alumnus. | Diebus X.XI. August. horis & loco consuetis. | ... | sUsCepIt Me DeXtera tUa. | TVBINGAE, | Typis THEODORICI WERLINI, | [1621]. – (1621d): Orthodoxae Concilia- | tionis Modi, | SIVE | CANONES THEO- | LOGICI. | QVIBVS ORTHODOXORVM | Theologorum, de Statu Exinanitionis carnis | Christi, dicta & scripta quaedam, in speciem obscuriora, proprio & genuino | suo sensui, ad Fidei Analogiam, orthodoxe, dextre & perspicue, | restituuntur & explicantur. | In gratiam eorum, quibus Conciliatio illa | nonnihil difficilis visa fuit. | Ex Disputatione, de Maiestate Dexterae | divinae, | LUCAE OSIANDRI, | D. in hasce pagellas translati, & seor- | sim excusi. | TVBINGAE, | Typis THEODORICI WERLINI, | ANNO. M. DC. XXI. |. – (1622): Justa Defensio | ORTHODOXAE | VERITATIS, IN LIBRO CON-| CORDIAE, ET APOLOGIIS PVBLICIS | PRO EODEM CONSCRIPTIS | comprehensae, | De | QVATVOR THEOLOGICIS,| CIRCA OMNIPRAESENTIAM ET OMNIPO- | tentiam Carnis Christi, in Exinanitionis Statu constituti, Quae-| tionibus: adversus Disputationem cuiusdam Theo- | logi Censoriam, nuper in publicum | emissam, | ADORNATA | a | Luca Osiandro, D. Academiae | Tubingensis Cancellario, & Ecclesiae | eiusdem Praeposito:| Cum Consensu & Adprobatione Consistorij Eccle- | siastici Stutgardiani, & Collegij Theologicae Facul- | tatis Tubingensis. | TUBINGAE, | Typis Theodorici VVerlini, | ANNO M. DC. XXII. |. – (1623): Theologisches Bedencken | Und | Christliche Treu- | hertzige Erinnerung / welcher | Gestalt Johann Arndten genandtes | Wahres Christenthumb / nach Anleitung deß | H. Worts Gottes | und der reinen Evangelischen | Lehr und Bekandtnussen/ anzusehen | und zuachten seye.| Allen Gottseligen Christen / denen jetz- | gemeldetes Christenthumb zur Hand kom- | men / zu notwendiger Nachrichtung/ | gestellet und publiciert/ | Durch/ | Lucam Osiandern/ der Hei-|ligen Schrifft Doctorn vnnd Professorn/ | Cantzlern bey der Universitet/ vnd | Propsten bey der Kirchen zu | Tübingen. | … | Tübingen/ | Gedruckt bey Dieterich Werlin/ | Im Jahr / 1623. |. – (1625a): SYNOPSIS, | QVA | PIA ET DEBITA | VENERATIO CHRISTI | HOMINIS, UBIQUE PRAE- | SENTIS, ET OMNIA CUM PATRE OPE- | RANTIS, TAM IN EXINANITIONIS, QVAM EXALTATTIO- | NIS STATU; EX D. LUTHERO ET FOR-
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Literaturverzeichnis
MULA | Concordiae, repetitur: | ET | SIMVL INVOCATO NOMINE | CHRISTI, MONSTRATVR VIA, QVA CONTRO-| versiae, de Statu Exanantionis motae, vel tandem pie | componi possint, ad aedificationem Ecclesiae, per | Charitatem. | AUTORE ET PRAESIDE,| LUCA OSIANDRO, D. | ACADEMIAE TUBINGENSIS | CANCELLARIO, ET ECCLESIAE | PRAEPOSITO. | RESPONDENTE, M[.] JOANNE FALCONE, S.S. Theol. Stud. | In Aula nova, ad diem 7. & 8. Januarii. | ... | TVBINGAE, | Typis THEODORICI WERLINI, Anno 1625. |. – (1625b): DISPUTATIO | DE | TRIBUS, | IN LIBRO CON- | CORDIAE EXPOSITIS | COMMUNICATIONIS | Idiomatum, in Persona Christi, | Generibus. | PRAESIDE, | LUCA OSIANDRO D. | ACADEMIAE TUBINGENSIS | CANCELLARIO, ET ECCLESIAE | PRAEPOSITO. | RESPONDENTE, | M. JOHANNE EBERMAIERO, | S.S. Theol. Stud. | In Aula nova ad diem [handschriftlich ergänzt: 4.5.] Februar. | TVBINGAE, | Typis Theodorici Werlini, Anno 1625. |. – (1625c): Succincta delineatio | Venerandi Sacramenti Eucharistiae | Impurae Pontificiorum Calvinianorum | & Anabaptistarum catervae opposita, | Deo Duce & Scriptura Sacra Comite. | PRAESIDE | D. LUCA OSI=| ANDRO S.S. THEOL. | PROFESSORE, ACADEMIAE | CANCELLARIO ET ECCLESIAE | Tubing. Praeposito Dn. Praeceptore | suo pie suspiciendo. | RESPONDENTE | M. DANIELE LVDO-| vici Montbelgardensi S.S. Theol. | studioso ad disputandum proposita. | Ad diem Martij [handschriftlich korrigiert: 1. & 2. Aprilis] in | Aula Nova. | TUBINGAE, | Typis Eberhardi Vvildii, | ANNO M. DC: XXV. |. – (1632a): DIATRIBE | Κατασκευαστικη | DE | PERSONA CHRISTI | FILII DEI ET MARIAE, IMMA- | NUELIS NOSTRI. | Cuius subjectas Assertiones, | Decidente Supremo Judice, Spiritu S. | ET | Praesidente Viro admodum Reverendo; Excellentiß. | DN. LUCA OSIANDRO, | SS. THEOLOGIAE DOCTORE, EIUS- | DEMQUE PROFESSORE PRAECLARISSIMO, ACADEMIAE TU- | bingensis Cancellario Amplissimo; & Ecclesiae Praeposito Emeri- | tissimo; Domino Patrono, & Praeceptore suo perpetua | pietate atque Observantia | Colendissimo; | In Illustri Tubing. Vniversitate, | publice Theologounton Censurae proponit | Christianus Müller/ Sueto-Brandeburg. | SS. LL. Studiosus. | IN AVLA NOVA, | Ad dies 11. & 12. Mensis Maii, horis consuetis. | ... | ATHENIS TUBINGIACIS | Excudebat THEODORICUS WERLIN. | ANNO | NVnC IterVM aD nostras Veniet PaX aVrea terras. | [1632]. – (1632b): Disputatio Theologica, | De | VERA ET SUBSTAN- | TIALI CORPORIS ET SAN- | guinis Christi, in Sacrosancta Coe- | na, Praesentia. | QUAM | D.O.M.A. | Sub | PRAESIDIO | Viri Reverendi ac Clarißimi, | DN. LVCAE | OSIANDRI, SACRO- | SANCTAE THEOLOGIAE DOCTO- | RIS AC PROFESSORIS, VNIVERSITATIS TV- | bingensis Cancellarii & Ecclesiae Praepositi, ... Pro viribus publice defendet | M. Johannes Zehentmayer/ Montisbeligar-| densis, S.S. S.S. | In Auditorio magno d. Octobris. | TVBINGAE, | TYPIS WILDIANIS, | ANNO M. DC. XXXII. |. PEUCER, CASPAR (1593): COMMENTARIVS, | DE PRAECIPVIS | DIVINATIONVM | GENERIBVS, IN QVO A PRO- | PHETIIS, AVTHORITATE DI- | uina traditis, & a Physicis coniecturis, discernuntur artes ... | Diabolicae ... | Recognitus ... et auctus, | AB AVTHORE IPSO | CASPARO PEVCERO D. | Addita, singulis voculis ... Graecis, | sua interpretatione. | ... | FRANCOFVRTI, | Apud Andreae Wecheli heredes, | Claudium Marnium, & Ioan. Aubrium. | MDXCIII. |. P FAFF, CHRISTOPH MATTHÄUS (1718): DE | ACTIS SCRIPTISQVE | PUBLICIS | ECCLESIAE | WIRTEMBERGICAE | liber commentarius, | quem PRAESIDE | CHRISTOPHERO MATTHAEO | PFAFFIIO, | S. THEOL. DOCT. & PROF. PUBL. ORD. | ad dies XXVII. & XXVIII. Junii A. MDXXCVIII. | dissertationi publicae exponet | M.
III. Quellen
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GEORG. CONRADUS MEZ, Kircho-Teccensis;| S.Theol. Studiosus in Ducali Stipendio. | TVBINGAE, | Typis JOSEPHI SIGMUND. |. – (1719): ACTA | ET SCRIPTA PUBLICA | ECCLESIAE | WIRTEMBERGICAE, | TUM QUAE CUSA DUDUM | FUERE, | TUM QUAE E SITU ET TENEBRIS | NUNC DEMUM IN DIAS LUMINIS AURAS | PRODEUNT. | Recensuit atque in hanc formam fudit conspe- | ctum Actorum publicorum & Conciliorum omnium | Ecclesiae Germanicae ab se olim edendorum | adjecit | CHRISTOPH. MATTHAEUS | PFAFFIUS, | THEOLOGUS TUBINGENSIS.| TUBINGAE | Sumtibus JO. GEORGII COTTAE. | A. MDCC XIX. |. – (1720): Institutiones Theologiae dogmaticae et moralis, Tübingen 1720. P FEIFFER, J OHANN GOTTLOB (1742): Celeberrimorum theologorum consilia theologica, Tarnovii, Mosellani, Meisneri, Fechtii, Gerhardi, Mayeri, aliorumque, ... collecta a Joh. Gottlob Pfeiffer, Leipzig 1742. P ITISCUS, B ARTHOLOMÄUS (1606): Trewhertzige Vermahnung der | Pfältzischen Kirchen/ | An alle andere | Evangelische Kirchen | in Deutschland: | Daß sie doch die grosse Gefahr/ die jhnen | so wol als vns vom Bapsthumb fürstehet/ in acht | nemmen: Und die inheimische unnötige / oder ja nunmehr ge- | nugsam erörterte Stritte/ dermal eins Christlich vnd | Brüderlich mit vns auffheben vnnd hin-legen wollen. | Sampt einem kurtzen Außzug der Warnung | vor der Jesuiter blutdürstigen Anschlägen: So | im Jahr 1585. zu Tübingen in Druck | gegeben worden/ Durch Lucas Osiander D. | ... | Gedruckt im Jahr M DC VI. | [s.l. – Heidelberg]. – (1607): Außführlicher Bericht | Was die Re= | formierte Kirchen in | Deutschland gleuben oder | nicht gleuben: Item/ Was sie für | Ceremonien gebrauchen oder | nicht gebrauchen: | Sampt beygefügten Ursa= | chen/ warumb sie eins oder das an= | der thuen oder lassen.| Guthertzigen leuten zur nach=| richtung an tag gegeben: In der Churfürstlichen Pfaltz | zu Heydelberg.| Typis GOTTHARDI VOEGELINI.| ANNO M.DCVII.|. – (1609): Kurtzer Anhang | Des Ausführ= | lichen Berichts/ was | die Reformirte Kirchen in | Deutschland gleuben oder | nicht gleuben/ [et]c. | Darinne sonderlich dieser Punct | noch weiter wird erkläret und bewiesen/ | daß wir keines wegs so einen schrecklichen | glauben haben/ als uns von Friedhes= | sigen leuten wird zuge= | messen. | Gestelt von den Theologen und Kirchen= | dienern in der Churfürstlichen Pfaltz | zu Heydelberg. | Mit Churfürstlicher Pfaltz Freyheit nicht nach= | zudrucken / Gedruckt zu Heydelberg / bey | Gotthard Vögelin. 1609. |. P ORPHYRIUS (1887): Isagoge. Ed. Adolf Busse (Commentaria in Aristotelem Graeca IV/ 1), Berlin 1887. PREGITZER, JOHANN-ULRICH (1625): ASSERTIO | SANAE ET ORTHO- | DOXAE DOCTRINAE DE FILIO | Hominis gloria & honore coronato, | ex PSALMO DAVI- | DIS VIII. | QUAM | ... | SUB PRAESIDIO | JOHANN-ULRICI PREGITZERI | S.S. Th. D. Professoris Ordinarii, Ecclesiae Tubin- | gensis Pastoris, & vicinarum Superin- | tendentis | Defendent | M. GEDEON SIGWART ... | M. JOHANNES KIESS ... | M. DAVID HAUG ... | Mensibus Augusto & Septembri, Loco & | horis solitis. | ... | TVBINGAE, | Apud PHILIPERTUM BRVNNIVM, Anno 1625. |. PRESSEL, T HEODOR (1866): Zwei Actenstücke zur Genesis der Concordienformel, aus den Originalien des Dresdener K. Archivs .... In: JDTh 11 (1866); S. 640–742. – (Hg.) (1868): Anecdota Brentiana. Ungedruckte Briefe und Bedenken. Gesammelt und herausgegeben von Dr. Th. Pressel, Tübingen 1868. PROTOCOLL [P FALZ] (1565): Protocoll | Das ist/ | Acta oder Handlun= | gen des Gesprechs/ zwischen den Pfa[e]l= | tzischen vnd Wirtembergischen Theologen/ von | der Vbiquitet oder Allenthalbenheit des Leibs Christi ... | Jm April des Jars 1564. | zu Maulbrun gehal= | ten. | Jtem/ | Der Wirtembergischen Theologen von | | gemeldtem
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Literaturverzeichnis
Gesprech desselben jares | außgangener Bericht. | Samt | Der Pfa[e]ltzischen Theologen warhafftigem | vnd bestendigem Gegenbericht ... | Heidelberg. | 1565. |. PROTOCOLL [W ÜRTTEMBERG] (1565): Protocoll | Des Gespra[e]chs zwi- | schen den Pfa[e]ltzischen vnd Würten= | bergischen Theologen/ im Aprill des | 1564. Jars zĤ Maulbrun[n] gehalten. | Aller dings dem Originalj gleich= | lautend/ on zĤsatz vnd abbruch getrewlich von | den Würtenbergischen Theologen/ so gedachtem | Colloquio beygewonet/ in Truck | verfertigt. | Getruckt zĤ Tübingen | 1565. |. QUENSTEDT, J OHANN ANDREAS ([1685=]1691): Theologia Didactico-Polemica, Sive Systema Theologicum, in duas Sectiones, Didacticam et Polemicam, Divisum ..., Wittenberg [1685=] 1691. SCHAEFER, MICHAEL (1602a): Disputatio | OPPOSITA SCHOLASTI- | corum quorundam Erroribus, | DE PERSONALI | duarum in Christo | vnione & communica- | tione: | Ad quam, auxiliante Christo, | SVB PRAESIDIO | REVERENDI | ET CLARISSI- | MI VIRI, D. D. STEPHANI | GERLACHII, SS. THEOLOGIAE | in Academia Tubingensi Professoris celeberrimi, | Praeceptoris & Patroni sui colen-|dissimi. | Die 7. & 8. Maij, loco & hora solitis | Respondebit | M. MICHAEL SCHAEFER, | Diaconus Ecclesiae Marpachensis. | … | TVBINGAE, | Apud Georgium Gruppenbachium. | ANNO 1602. |. – (1602b): II. Disputatio | OPPOSITA SCHOLA- | STICORUM QVORUN- | dam Erroribus, | DE COMMUNICATIONE IDIO- | matum in Persona Domini nostri Jesu Christi. | EORVNDEM QVOQVE DE OFFICIO | Christi Erroris, in tertio Communicationis Genere per- | censentur ac confutantur. | AD QVAM | Auxilio Eiusdem Saluatoris Optimi. | PRAESIDE | REVERENDO | ET CLARISSIMO VIRO, D. | STEPHANO GERLACHIO, SS. | Theologiae in Academia Tubingensi Professore celeberri- | mo, Praeceptore & Patrono suo colen- | dissimo. | DIE XXIV. ET XXV. SEPT. | Respondebit | M. MICHAEL SCHAEFERVS, | Diaconus Ecclesiae Marpachensis. |… | TVBINGAE, | TYPIS CELLIANIS. | Anno 1602. |. – (1607): ΑΚΡΟΠΟΛΙΣ | Christianae Religionis, | SIVE, | SANAE ET OR- | THODOXAE DOCTRINAE DE | SUMMIS FIDEI ARTICULIS | Quinque, ASSERTIO, OPPOSITA | SCHOLASTICORUM QVO- | rundam Erroribus: | I. DE UNIONE Personali in CHRISTO. II. De COMMUNICATIONE Idiomatum. | III. DE S.S. COENA Domini. | IV. DE IVSTIFICATIONE Fidei. | V. DE PECCATO Originis, & Origine ANIMAE. | AVCTORE | Michaele Schaefero, Aulae Wirttem- | bergicae Ecclesiastae. | CVM PRAEFATIONE | Reverendi Senioris & Clarißimi Theologi, | STEPHANI GERLACHII, S.S. | Theologiae Doctoris & Professoris in inclyta Tubinga | celeberrimi. | PRAEFIXA ETIAM EST AVCTGORIS AD S.THEO- | logiae Studiosos Paraenesis, forsitan non ingrugifera.| Eam sequitur RERVM in hoc libello memorabilium | INDEX. | NON SINE PRIVILEGIO | TVBINGAE: | TYPIS CELLIANIS. | M. DC VII.|. SCHEGK, J AKOB (1565): DE VNA PERSO- | na, & duabus Naturis | Christi, | Sententia Iacobi Schegkij | D. MEDICI ET PHILOSOPHI | CLARISSIMI, PROFESSORIS SCHOLAE | Tubingensis, ex fundamentis quidem Scripturae | Sacrae, analysi autem Philosophica, & | pie & erudite expli- | cata. | Francofurti ex officina Typographica Petri Bru- | bachij Anno a Redemptione generis hu- | mani M. D. LXV. |. – (1566): RESPONSIO | IACOBI SCHE-| GKII SCHORNDORF-| FENSIS, AD LIBELLVM | Anonymi interpretis libri sui de vna | persona & duabus naturis | in Christo. | IN QVA RESPONSIO= | ne Maiestas etiam Christi secundum hu= | manitatem suo modo vbique, et in Eu= | charistia quoque praesentis, per- | spicue explicatur. | TVBINGAE, | Apud viduam Vlrici Morhardi, Anno | M.D.LXVI. |. – (1568): Responsum | IACOBI SCHE-| GKII SCHORNDORF- | FENSIS, AD SIMONIS SIMONII | libellum vanissimum, quo conatus est ve- | ritatem libri de Vna persona & du- | abus naturis in Christo | refellere. | CONFVTANTVR AVTEM | Simonij errores
III. Quellen
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circiter 80. quos tam exili | libello effutiuit, & praeterea de multis Phi- | losophicis & Theologicis quaestionibus di- | sputationes perutiles tractantur, qua-|rum mentionem fecimus in | Praefatione. | EIVSDEM. | Breue Responsum ad Scriptum D.Thomae Erasti, quo explica- | tur hactenus non consentire Schegkium cum Erasto. | TVBINGAE, | Apud viduam Vlrici Morhardi. | Anno 1568. |. SCHERZER, J OHANN ADAM (1698): JOH. ADAMI SCHERZERI | EGRANI, THEOLOGI | APUD LIPSIENSES | PRIMARII,| SYSTEMA | THEOLOGIAE,| XXIX. DEFINITIO| NIBUS ABSOLU- | TUM. | ... Editio Ultima Auctio & Correctior | CUM PRIVILEGIO ELECTORALI | SAXONICO. | Lipsiae & Francofurit, | Sumptibus JOH. CHRISTOPH. TARNOVII, | Literis JOH. WILHELMI KRÜGERI, | Anno M DC XCVIII. |, Leipzig u. Frankfurt 1698. SCHNEPF, DIETRICH (1577): DISPVTATIO, DE | VNIONE PERSONALI | in Christo, & idiomatum com- | municatione. | Cuius veritatem ... PRAESIDE | REVERENDO ET CLARIS- | SIMO VIRO, D. THEODORICO SCHNEPF= | fio, SacrosanctĊ Theologiae Doctore eximio, eiusdem | in inclyta Tubingensi Academia professore celeberri= | mo, & Ecclesiae in eadem Pastore vigilantissimo, Do= | mino & pr[a]eceptore suo reuerenter colendo, M. IOAN= | NES VVESENBECCIVS ZEISENHAVSEN= | IS, 3. Maij, hora sexta matutina, in Aula | noua, pro ingenij viribus publi= | ce defendere cona= | bitur. | TVBINGAE. | ANNO M.D.LXXVII. |. SCHRÖDER, J OHANN (1608): PROBLEMA | THEOLOGO- | LOGICUM DE COMMU- | NICATIONE PROPRII, | E | SINCERIORIS THEOLOGIAE | FVNDAMENTIS EXPLICATVM | & cum Logicorum quorundam prae- | scriptionibus collatum: | Ubi & Sententia quorundam de Vita | duplici in homine, una animae, alte- | ra corporis, consideratur | Auctore | M. JOHANNE SCHRÖDERO, | Ecclesiae Swinfurtensis Pastore. | ... | SWINFURTI ad Moenum | Ex officina Typographica Casparis Kemlini. | ANNO CHRISTI M.DCVIII. |. SCRIPTA (1697): Duo | EGREGIA ET ERUDITA SCRIPTA | celeberrimorum qvondam Theologorum | Lutheranae Ecclesiae | Ad | Cognitionem veri Christianismi & Pseudo| Christianismi perducentia | I. Oratio Theologica B. Balthasaris Meisneri, | SS. Theol. D. & Prof. Publ. Wittebergensis, | De | Vero Christiano, | ejusq[ue] natura, praestantia & unione cum | CHRISTO; | II. Disputatio inauguralis B.D. Arnoldi | Mengeringii, Concionatoris qvondam Altenb. | Aulici | De | Impedimentis conversionis | & salutis humanae. | Argentorati, | Typis EBERHARDI WELPERI, | Anno M. DC. XCVII. |. S IGWART, J OHANN GEORG (1603): XXIII. | DISPVTATIONES | Theologicae, | DE OMNIBVS | FERE CHRSTIANAE RE- | LIGIONIS ARTICVLIS, | breuiter conscriptae, & in Academia Tubin- | gensi priuato Collegio ad discutien- | dum propositae, | Auctore & Praeside | IOHANNE GEOR- | GIO SIGVVARTO S.S. THEO- | logiae Doctore, Professore & Pastore | Tubingensi.| INDICEM DISPVTATIONUM | inuenies Praefationi subiunctum. | TVBINGAE | TYPIS ET IMPENSIS | Erhardi Cellij | ANNO M. DC III. |. – (1603a): Disputatio III. De Dvabus in Christo Naturarum, Divinae et Humanae, earumque vnione personali. In: Johann Georg Sigwart, XXIII. | DISPVTATIONES | Theologicae, | DE OMNIBVS | FERE CHRSTIANAE RE- | LIGIONIS ARTICVLIS, | breuiter conscriptae, & in Academia Tubin- | gensi priuato Collegio ad discutien- | dum propositae,| Auctore & Praeside | IOHANNE GEOR-| GIO SIGVVARTO S.S. THEO- | logiae Doctore, Professore & Pastore | Tubingensi. | INDICEM DISPVTATIONUM | inuenies Praefationi subiunctum. | TVBINGAE | TYPIS ET IMPENSIS | Erhardi Cellij | ANNO M. DC III. |; S. 18–24. – (1603b): Disputatio IV. De Communicatione Idiomatum, eiusque Generibus: tum etiam Exinanitionis & Exaltationis statu. In: Johann Georg Sigwart, XXIII. | DISPVTATIO-
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NES | Theologicae,| DE OMNIBVS | FERE CHRSTIANAE RE- | LIGIONIS ARTICVLIS, | breuiter conscriptae, & in Academia Tubin-| gensi priuato Collegio ad discutien- | dum propositae, | Auctore & Praeside | IOHANNE GEOR- | GIO SIGVVARTO S.S. THEO- | logiae Doctore, Professore & Pastore | Tubingensi.| INDICEM DISPVTATIONUM | inuenies Praefationi subiunctum. | TVBINGAE | TYPIS ET IMPENSIS | Erhardi Cellij | ANNO M. DC III. |; S. 24–32. – (1603c): Disputatio V. De Omnipotentia, Omniscientia et Omnipraesentia Christi secundum Humanitatem. In: Johann Georg Sigwart, XXIII. | DISPVTATIONES | Theologicae, | DE OMNIBVS | FERE CHRSTIANAE RE- | LIGIONIS ARTICVLIS, | breuiter conscriptae, & in Academia Tubin- | gensi priuato Collegio ad discutien- | dum propositae,| Auctore & Praeside | IOHANNE GEOR- | GIO SIGVVARTO S.S. THEO| logiae Doctore, Professore & Pastore | Tubingensi. | INDICEM DISPVTATIONUM | inuenies Praefationi subiunctum. | TVBINGAE | TYPIS ET IMPENSIS | Erhardi Cellij | ANNO M. DC III. |; S. 32–42. – (1603d): Disputatio VI. De Officio Christi, Sacerdotis et Regis. In: Johann Georg Sigwart, XXIII. | DISPVTATIONES | Theologicae, | DE OMNIBVS | FERE CHRSTIANAE RE- | LIGIONIS ARTICVLIS, | breuiter conscriptae, & in Academia Tubin- | gensi priuato Collegio ad discutien- | dum propositae,| Auctore & Praeside | IOHANNE GEOR-| GIO SIGVVARTO S.S. THEO- | logiae Doctore, Professore & Pastore | Tubingensi. | INDICEM DISPVTATIONUM | inuenies Praefationi subiunctum. | TVBINGAE | TYPIS ET IMPENSIS | Erhardi Cellij | ANNO M. DC III. |; S. 42–50. – (1608): IV. Disputatio | EX | AVGVSTANA CONFESSIONE | Continens Articulum Tertium, | DE | CHRISTO: | QUAM,| CHRISTI Θεανθρωπου Auxilio,| SVB PRAESIDIO AVTHORIS,| REVERENDI, | ET CLARISSIMI VIRI, DN. | JOHANNIS GEORGII SIGWARDI, SS. | Theologiae Doctoris, & Ejusdem in inclyta Tubingen- | si Academia Professoris celebratissimi, ibidemque Ecclesiae Pa- | storis, & Superintendentis dignissimi: Praeceptoris, & | Patroni sui perpetua pietate, & animi | submissione honrandi: | DIE XV. & XVI. IANVARII, | defendere conabitur | M. JOHANNES HENRICUS | Hiemer, Tubingensis. | TUBINGAE, | TYPIS CELLIANIS: | M. DC. VIII. |. SPITZEL, GOTTLIEB (1673): TEMPLUM | HONORIS | RESERATUM, IN QUO L. ILLUSTRIUM | AEVI HUIUS, ORTHODOXORUM, AC | BEATE DEFUNCTORUM THEOLOGORUM PHI- | LOLOGORUMQUE IMAGINES EXHIBENTUR, ET QUI| BUS SIVE IN SACRAM, SVE LITERARIAM REM ME- | RITIS, QUIBUS ITEM MONUMENTIS LIBRISQUE | EDITIS VEL MSS. INCLARUERINT DISER- | TE OSTENDITUR. | AUTHORE THEOPHILO SPIZELIO. | ... | AUGUSTAE VINDELICORUM, | TYPIS KOPPMAYERIANIS. | PROSTAT APUD GOTTLIEB | GOEBELIUM. | ANNO M DC LXXIII. |. STEUBER, J OHANNES (1621): DISSERTATIONES | THEOLOGICAE | DE CONTROVERSIIS | INTER | LUTHERANOS | & | CALVINIANOS | MOTIS:| Authore | JOHANNE STEUBERO, SS. THEOL- | LOGIAE ET HEBRAEAE LINGUAE IN ILLUSTRI | ACADEMIA GISSENSI Profes- | sore Ordinario. | GISSAE HESSORUM, | Typis Nicolai Hampelii, Academ. Typogr. | M DC XXI. |. THUMM, THEODOR (1618): Disputatio Inauguralis | DE | JESU CHRISTO ΘΕΑΝΘΡΩΠΟΥ | unico humani generis Redemptore: | Photinianorum & Calvinistarum Erroribus | opposita: | Et sub auspiciis Sacrosanctae Trinitatis in | inclyta Tubinga pro consequendo Gradu Doctoreo| ad disputandum publice proposita.| A | M. THEO- | DORO THUMMIO, | S.S. THEOLOGIAE PROFES- | sore ordinario, ibidemque Ecclesiae | Pastore. | RESPONDENTE | M. JOSEPHO SCHLOTTER- | beccio, Lentzengensi S.S. Theol. Stud. in | Illustri Stipend. | Ad diem 4. & 5. Septemb. horis & loco consuetis. | TUBINGAE, | Typis Theodorici Werlini, Anno | M. DC. XVIII. |.
III. Quellen
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– (1619a): EXEGESIS | Primi Capitis Matthaei | Evangelistae,| In Qua | PROLEGOMENA QUAE- | DAM GENERALIA PRAEMIT- | TUNTUR, DEINDE DICTA FERE OMNIA, | adhaec usque tempora in controversiam vo- | cata ex toto textus systemate pie & sobrie explicantur, ab | Adversariorum corruptelis & affictis interpretationibus | vindicantur, ac in Orthodoxam nostram sen-| tentiam manisfeste asserun-| tur, &c. | Ad disputandam proposita | PRAESIDE | Theodoro Thummio S.S. Theolo- | giae Doctore, ejusdem Professore Tu- | bingae Ordinario, ac Ecclesiae ibidem | Pastore: | RESPONDENTE | Hectore Mithobio Hannoverano. | In Aula Theologorum nova | Ad diem 13. & 14. Aug. | Tubingae, Typis THEODORICI WERLINI. [M] [D] xIx [1619] |. – (1619b): ΜΙΣΑΝΘΡΩΠΙΑ CAL- | VINISTICA, | HOC EST, | HORRENDUM ET | BLASPHEMORUM ERRORUM, | QUOS CALVINISTAE IN ARTICULO DE | Praedestinatione fovent, brevis & methodica narratio, soli- | daque ex Dei verbo refutatio, in gratiam Synodi | Dordrechtanae nupereditae: | SUB PRAESIDIO | THEODORI | THUMMII S.S. THEO- | LOGIAE DOCTORIS, EIVS- | demq[ue] Professoris in Academia Tubingensi Or-|dinarij, atque Ecclesiae ibidem | Pastoris | Ad disputandum proposita | RESPONDENTE | M. Johanne Schlatero Wilensi,| S.S. Theolog. Stud. | In Aula Theologorum nova ad diem 5. | & 6. Novembr. | TUBINGAE, Excudebat THEODORICUS WERLINUS, | Anno M. DC. XIX. |. – (1620a): EXEGESIS | DICTI PAULINI | I. Ad Timotheum. 3. vers. 16. MEMBRI PRIMI: | Et citra controversiam magnum est pie- | tatis mysterium: Deus manifestatus est in | carne, &c. | IN QVA | PRAECIPUA PHOTINIANO- | rum, potissimum vero GEORGII ENIEDINI, contra ma-| gnum hoc Incarnationis του λογου Mysterium Sophismata, ex verbo | Dei deteguntur & solide refutantur. | Ad Disputandum publice proposita. | PRAESIDE | Admodum Reverendo & Excellentissimo Viro, | Dn. THEODORO | THUMMIO, S.S. THEOLO- | giae Doctore, ejusdem Professore | & Ecclesiae Decano. | RESPONDENTE | M. CHRISTOPHERO SCHOLTZIO,| VRATISLAVIENSI SILES. | In aula Theologorum Nova, Ad diem 28. & 29 Martij: | TVBINGAE, | TYPIS THEODORICI WERLINI, | ANNO M. DC. XX. |. – (1620b): VERA,| REALIS ET SUB- | stantialis carnis & sanguinis | Christi Θεανθρωπου in coena prae- | sentia, | Ex Sacra Scriptura & pia antiquitate | ab erroribus breviter vindicata | AC | SUB PRAESIDIO | THEODORI | THUMMII, S. S. THEO- | LOGIAE DOCTORIS, EIUS- | DEM PROFESSORIS, ECCLESIAE | Decani, & p.t. Rectoris Magnifici | proposita, | RESPONDENTE | M. ULRICO NIOCLAI EC- | clesiae Tubingensis Diacono. | Ad diem XXI. & XXIII. Iunij in aula Nova | Theologorum.| TVBINGAE, | Typis Theodorici Werlini, Anno, | M. DC. XX. |. – (1620c): EXEGESIS | DICTI PAULINI | Coloß. 2. v. 9. | In ipso inhabitat omnis plenitu- | do Deitatis corporaliter; | IN QVA | Praecipua Photinianorum, Calvinistarum | & Pontificiorum contra Incarnationis mysterium sophis- | mata, ex verbo Dei deteguntur & soli- | de refutantur; | Ad disputandum publice proposita, | PRAESIDE | THEODORO | THUMMIO, S.S. THEO- | LOGIAE DOCTORE, EIUS- | DEM PROFESSORE, ECLESIAE | Decano, & p.t. Rectore Magni- | fico. | RESPONDENTE | M. Joanne Nicolai, Vratislaviensi. | In aula Theologorum Nova ad diem 4. & 5. Iulij. | TVBINGAE, | TYPIS THEODORICI WERLINI, | ANNO M. DC. XX. |. – (1620d): MAJESTAS | JESU CHRISTI Θεανθρωπου. | A corruptelis & Phlyariais Photinianorum, Cal- | vinistarum & Jesuwitarum praecipuis | vindicata,| SUB PRAESIDIO | Reverendi & Clarissimi Viri, | THEODO- | RI THUMMII, S.S. THEO- | LOGIAE DOCTORIS, EJUSDEM | Professoris, Ecclesiae Decani & p.t. | RECTORIS. | RESPONDENTE | M. CHRISTOPHERO OERTLINO | Stutgardiano S.S. Theol. Studioso in illustr. | Stipend. | Ad diem XXV. & XXVI. Septembr. | ... | TUBINGAE, | Apud Eberhardum Wildium | ANNO M. DC. XX. |.
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Literaturverzeichnis
– (1620e): MAJESTAS | JESU CHRISTI Θεανθρωπου. | A corruptelis & Phlyariais Photinianorum, Cal- | vinistarum & Jesuwitarum praecipuis | vindicata, | SUB PRAESIDIO | Reverendi & Clarissimi Viri, | THEODO-| RI THUMMII, S.S. THEO-| LOGIAE DOCTORIS, EJUSDEM | PROFESSORIS, ET ECCLE- | siae Decani. | RESPONDENTE | M. CHRISTOPHERO OERTLINO | Stutgardiano S.S. Theol. Studioso in illustr. | Stipend. | Ad diem XV. & XVI. Decembr. | ... | TUBINGAE, | Excudebat EBERHARDUS WILDIUS | ANNO [M]. [D]C. XX. |. – (1620f): Controversia | De | PERSONARUM | IN UNA DEI ESSENTIA | PLURALITATE, | Adversus | GEORGIVM ENIEDINVM, | Photinianum agitata, | Et publica in Illustri Tubinga sententiarum | collatione ventilata, | PRAESIDE, | THEODORO THUM- | MIO, S.S. THEOLOGIAE DO- | CTORE, EIUSDEMQUE PRO- | FESSORE ET ECCLESIAE | Pastore, &c. | Respondente | M. JOHANNE NICOLAI, | URATISLAVIENSI. | In Aula Theologorum Nova, Ad diem 4. & 5. Februar. | TVBINGAE, | Typis THEODORICI VVERLINI. | ANNO M.DC. XX. |. – (1621): MAJESTAS | JESU CHRISTI Θεανθρωπου, | IN DISTINCTIS DISPUTATIONIBUS | publicis |A corruptelis & Phlyariais Photinianorum, Cal- | vinistarum & Jesuwitarum praecipuis | vindicata, | AUCTORE ET PRAESIDE | THEODO- | RO THUMMIO S.S. | THEOLOGIAE DOCTORE, EJUS- | DEM PROFESSORE, ET EC-| clesiae Decano .| RESPONDENTE | M. CHRISTOPHERO OERTLINO | Stutgardiano S.S. Theol. Studioso in illustr. | Stipend. | ... | TUBINGAE, | Excudebat EBERHARDUS WILLDIUS | ANNO [M] [D]C XXI. |. – (1621a): MAJESTAS | JESU CHRISTI Θεανθρωπου. | A corruptelis & Phlyariais Photinianorum, Cal- | vinistarum & Jesuwitarum praecipuis | vindicata, | SUB PRAESIDIO | Reverendi & Clarissimi Viri, | THEODO-|RI THUMMII, S.S. THEO- | LOGIAE DOCTORIS, EJUSDEM | PROFESSORIS, ET ECCLE-| siae Decani. | RESPONDENTE | M. CHRISTOPHERO OERTLINO | Stutgardiano S.S. Theol. Studioso in illustr. | Stipend. | Ad diem II. & III. Martii | ... | TUBINGAE, | Excudebat EBERHARDUS WILDIUS | ANNO [M]. [D]C. XXI. |. – (1621b): Assertio | SANAE ET ORTHO- | DOXAE DOCTRINAE DE | EXINANITIONE CHRISTI | Θεανθρωπου, | In qua e Scriptura sacra & Orthodoxo Eccle-| siae consensu demonstratur, | Christum θεανθρωπον in exinanitionis statu | & servum & Dominum fuisse; | Ad disputandum proposita | PRAESIDE | THEODORO | THUMMIO, S.S. THEO-| LOGIAE DOCTORE, EIVS- | DEM PROFESSORE ET ECCLE- | SIAE TUBINGENSIS DE- | CANO, | Respondente M. Bernhardo Mockelio, Offterdingens. | Ad diem XI. & XII. Maij. | Anno quo, | ChrIstVs hoMo a pVnCto ConCeptIonIs CVnCta prae- | sens sIne fIne regIt. [1621] | TVBINGAE. | Typis THEODORICI WERLINI. |. – (1621c): MAJESTAS | JESU CHRISTI Θεανθρωπου, | A corruptelis & Phlyariais Photinianorum, Cal- | vinistarum & Jesuwitarum praecipuis | vindicata,| SUB PRAESIDIO | Reverendi & Clarissimi Viri, | THEODO- | RI THUMMII, S.S. THEO- | LOGIAE DOCTORIS, EJUSDEM | PROFESSORIS, ET ECCLE-| siae Decani. | RESPONDENTE | M. CHRISTOPHERO OERTLIN | Stutgardiano ... | TUBINGAE, | Apud EBERHARDUM WILDIUM |[ANNO][M].[D]C.XXI.|. – (1621d): DISSERTATIO | κατασκευαστικη, και ανασκευαστικη, | DE MAIESTATE CHRI- | STI JESV ΘΕΑΝΘΡΩΠΟΥ, PROUT ILLA | in triplici ipsius officio, Prophetico, Sacerdotali | & Regio elucescit. | AUSPICANTE | NOSTRO PROPHETA, | SACERDOTE, ET REGE | REGUM UNICO, | PRAESIDENTE | Viro Reverendo admodum & Praeclarissimo, | THEODORO | THVMMIO, SS. THEO- | LOG. DOCTORE, ACADEMIAE | Tubingensis Professore cellebratiss. & Ec- | clesiae Decano, & c.| RESPONDENTE | M. CHRISTOPHERO OERT- | INO STUTGARDIANO, SS.
III. Quellen
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THEOL. | in Illustri Principis Stipendio | Studioso. | ad diem 14. & 15. Septembris. | ... | TUBINGAE, | Typis Johan-Alexandri Cellii, | ANNO M. DC. XXI. |. – (1622): Impietas Wigeliana, | HOC EST, | NECESSARIA | Admonitio | DE CENTUM ET | VIGINTI ERRORIBVS | NOVORUM PROPHETARUM | coelestium, quos a Valentino Wigelio nostra haec aetas dicere coepit WI- | GELIANOS, in qua e Scriptura Sacra demonstratur, hypocritas istos, | & Religionis Christianae principia, & ipsam fidem, & tres vitae humanae | Hierarchicos Status palam evertere; obtrudere vicissim doctrinam, e qua | nec sincere promoveri gloria Dei, nec plantari pietas, nec ul-| lum adflictis conscientiis accedere solidum solatium possit unquam: | ADORNATA, | A | Theodoro Thummio; S.S. Theologiae | Doctore, ejusdem Professore, & Ecclesiae | Tubingensis Decano, &c. | TUBINGAE, | Typis Johan. Alexandri Cellii. | ANNO M. DC. XXII. |. – (1622a): DISSERTATIONIS | Κατασκευαστικης, και ανασκευαστικης continuatio, | DE MAIESTATE CHRI- | STI JESV ΘΕΑΝΘΡΩΠΟΥ, PROUT ILLA | in duplici ipisus statu Exinanitionis & Exalta- | tionis elucescit. | AUSPICANTE | Christo nostro exinanito & exaltato, | PRAESIDENTE | Viro Reverendo admodum & Praeclarissimo, | THEODORO | THVMMIO, SS. THEO- | LOG. DOCTORE, ACADEMIAE | Tubingensis Professore cellebratiss. & Ec- | clesiae Decano, & c. | RESPONDENTE | M. CHRISTOPHERO OERT- | LINO STUTGARDIANO, SS. THEOL. | in Illustri Principis Stipendio | Studioso. | Ad diem 30. Januarii & 1. Februarii. | ... | TUBINGAE, | Typis Johan-Alexandri Cellii, | ANNO M. DC. XXII. |. – (1622b): TRIUMPHUS | JESU CHRISTI Θεανθρωπου. | HOC EST, | DISSERTATIONIS κατασκευαστικης, και ανασκευαστικης | DE MAIESTATE CHRISTI CONTINVATIO, | prout illa in actu triumphali & glorioso, triumphalis | & gloriosi | DESCENSVS CHRISTI AD INFEROS | ET | RESVRECTIONIS EX MORTVIS | elucescit.| Auspicante nostro victorioso Triumphatore. | PRAESIDENTE | REVERENDO | ET CLARISSIMO | VIRO, DN. THEODORO THVM- | MIO, S.S. THEOLOGIAE DOCTRORE, | Academiae Tubingensis Professore, & Eccle- | siae ibidem Decano &c. | RESPONDENTE | M. CHRISTOPHORO OERT- | LINO, STUTGARDIANO, S.S. | Theologiae Studioso. | Ad diem 17. & 18. Maii. | TVBINGAE: | Typis Iohan-Alexandri Cellii. | ANNO M. DC. XXII. |. – (1622c): COMPLEMENTUM | TRIUMPHI JESU CHRI-| sti Θεανθρωπου. | HOC EST, | DISSERTATIONIS Κατασκευαστικης και ανασκευαστικης, | DE MAIESTATE CHRISTI FINALIS CONTI- | nuatio, prout illa in actu triumphali & glorioso, triumphalis | & gloriosae | ASCENSIONIS CHRISTI IN COELOS, | SESSIONIS MAJESTATICAE AD | Dextram Dei, | ET | REDITUS VISIBILIS AD JUDI-| cium elucescit. | Auspicante nostro victorioso Triumphatore. | PRAESIDENTE, | Reverendo & Clarissimo Viro, | DN. THEODO-| RO THVMMIO, S.S. | THEOLOGIAE DOCTRO- | RE, ACADEMIAE TUBINGEN- | sis Professore, & Ecclesiae ibidem | Decano; &c. | RESPONDENTE | M. CHRISTOPHORO OERT- | LINO, STUTGARDIANO, S.S. | Theologiae Studioso. | Ad diem 21. & 22. Iunii. | TVBINGAE, | Typis Iohan-Alexandri Cellii. | ANNO M. DC. XXII. |. – (1622d): Continuatio | MAIESTATIS JESV CHRI- | STI ΘΕΑΝΘΡΩΠΟΥ | DE IPSIUS OFFICIO TRIPLICI, DUOBUS | DISTINCTIS STATIBVS; DESCENSV AD IN- | feros; Resurrectione ex mortuis; Gloriosa & Maiestatica Ascensione | in Coelos; Seßione ad dextram Dei; &, Reditu ad iudicium visibili: | In 4. distinctis Disputationibus publicis | A CORRUPTELIS ET PHLYARIAIS, PHOTINIANORVM, CALVINISTARVM, ET | Et Jesuitarum, aliarumq[ue] praecipuis vindicata Κατασκευαστικως κ[ αι] Ανασκευαστικως, | SUB PRAESIDIO | Reverendi & Excellentißimi Viri, | DN. THEODO| RI THVMMII, S.S. | THEOLOGIAE DOCTO- | RIS, ACADEMIAE TUBINGEN- |
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Literaturverzeichnis
sis Professoris, & Ecclesiae ibidem Decani, &c. | RESPONDENTE | M. CHRISTOPHORO OERT-| LINO STUTGARDIANO, S.S. | Theol. Studioso in Illustri Stipendio. | TUBINGAE, | Typis Iohan-Alexandri Cellii, | ANNO M. DC. XXII. |. – (1623): Ταπεινωσιγραφια SACRA, | HOC EST, | REPETITIO | SANAE ET ORTHODOXAE DO- | CTRINAE DE HVMILIA- | TIONE CHRISTI ΘΕΑΝ - | θρωπου, | IN QUA DEMONSTRATUR, | VERISSIMAM, REA- | LISSIMAM ET PROFUNDIS- | SIMAM HUMILIATIONEM HOMINIS IN DEUM | assumpti, cum eiusdem omnipraesente, omnisapiente, omnipo- | tente, &c. Ecclesiae ac totius universi regimine, actu | revera constitisse. | ADORNATA | & ad disputandum publice proposita | A | THEODORO THUMMIO, S.S. | THEOL. DOCTORE, EJUSDEM PROFESSO- | re, & Ecclesiae Tubingensis Decano. | Cum Consensu & Adprobatione Consistorii Eccle- | siastici Stutgardiani, & Collegii Theologicae Facul- | tatis Tubingensi. | Tubingae Excudebat Theodoricus Vverlin, | ANNO M.DC.XXIII. |. – (1623a): EXERCITATIONUM | Theologicarum | Disputatio IX. | De | SATISFACTIONE | CHRISTI ΘΕΑΝΘΡΩΠΟΥ | pro peccatis hominum, | Erroribus ac corruptelis Photinianorum | & Pontificiorum opposita, | PRAESIDE | THEODORO | THUMMIO, S.S. THEO- | LOGIAE DOCTORE, EIUS- | DEM PROFESSORE, ET ECCLE- | SIAE TUBINGENSIS | Decano, | Respondente | M. Iohanne Georgio Cellio, | In Aula Theologorum nova ad Septemb. | TVBINGAE, | Typis Theodorici Werlini, Typofusoris, | ANNO M. DC. XXIII. |. – (1624): SANAE DE MAIESTATE | CHRISTI ΘΕΑΝΘΡΩΠΟΥ | DOCTRINAE | REPETITIO, | VBI | MEMBRO PRIMO: | ORTHODOXA VERITAS CONTRA | JESVITARVM CALVMNIAS, ET QVORVNDAM ALIO- | rum suggillationes ita asseritur, ut CHRISTUS tam in Exinanitionis, quam | Exaltationis Statu, quoad praesentiam ad creaturas TOTUS, & quoad | actiones officij triplicis, Sacerdotalis, Prophetici & Regii | INDIVISUS maneat. | MEMBRO SECUNDO: | IMPOSTURAE ET FRAVDES CA- | SPARIS LECHNERI JESVITAE MONACHI | INGOLSTADIENSIS REFELLVNTVR. | Acceßit | PRAEFATIO, IN QVA PAGELLAE, | sine titulo & Autore hinc inde nuper de eodem | hoc argumento sparsae, pie examinantur. | Auctore | THEODORO THVMMIO, S.S. Theol. Doctore, ejusdem Professore or- | dinario, & Ecclesiae Tubingensis Decano. | TVBINGAE, | Typis exscribebat THEODORICVS WERLIN, | ANNO | ChrIstVs ab Vtero Materno InDIVIsVs regnat. [1624] |. – (1624a): Brevis Consideratio | TRIVM QVAESTIO- | NUM, NOSTRO SECU- | LO MAXIME CONTRO- | VERSARUM, | I. An verbi Dei scripti & praedicati in conversione hominis aliqua | sit efficacia, & qualis illa? | II. Quo modo & ordine in respectu ad Spiritum Sanctum efficacia | haec in ipso conversionis actu verbo Dei scripto & praedicato | sit adscribenda? | III. An homo constet e tribus partibus essentialiter constituentibus, | anima scil. Spiritu & corpore? | Erroribus Stenckofeldo-Vvigeliomani- | tarum opposita, & ad Disputandum | proposita, | PRAESIDE | THEODORO | THUMMIO, S.S. THEO- | LOGIAE DOCTORE, EIUS- | DEM PROFESSORE ET ECCLESIAE | TUBINGENSIS DE- | cano. | Respondentibus | M. Georgio Hehl, Ulmensi. | M. Marco Hailand, Mössingensi. | TUBINGAE, Typis Theodorici Werlini, Anno M. DC.XXIV.|. – (1625a): Errores | BALTHASARIS MENZERI | & IUSTI FEURBORNI, | D.D. Marpurgensium, | Quos IN DEFENSIONE CONTRO- | VERSIAE NVPER EXORTAE DE OMNIPRAESENTIA | Carnis Christi, eiusq[ue] indivisa & universali gubernatione, in statu | inanitionis suos fecerunt publice: | MONSTRATI, | A | THEODORO THUMMIO, | S.S. Th. DOCTORE, EIUSDEM | PROFESSORE, ECCLESIAE TUBIN- | GENSIS DECANO, & STIPENDIATO- | RUM EPHORO. | TVGINGAE, | Typis excribebat Theodoricus Werlin. | ANNO M. DC. XXV. |.
III. Quellen
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– (1625b): EXAMEN | Defensionis | BALTHASARIS MENZERI | DOCT. MARPURGENSIS. | Quisquis es, lege, & deprehendes, Menzerum nec iuste, nec necessario, in con- | troversia, de Omnipraesentia Christi Θεανθρωπου ad creatu- | ras, hactenus agitata, ad defensionem sui prorepsisse. | INSTITVTVM, | A | THEODORO THUMMIO, | S.S. Th. DOCTORE, EIUSDEM | PROFESSORE ET ECCLESIAE TUBIN- | GENSIS DECANO. | ... | TVBINGAE, | Typis exscribebat Theodoricus Werlin, | ANNO M. DC. XXV. |. – (1625c): Synopsis | Praecipuorum Articulorum Fidei, no- | stro seculo maxime controver- | sorum. | In Qua | FUNDAMENTA | NOSTAE FIDEI | contra Judaeos, Photinia- | nos, Papanos, Calvinianos, | Schwenckfeld. &c. ponuntur, & | Argumenta contraria Po| TIORA diluun- | tur. | AUTORE. | THEODORO THVMMIO, | S.S. Theol. D. & P.P. | TVBINGAE. | Typis EBERHARDI VVILDII, | An. Ch. M. DC. XXV. |. T IMPLER, CLEMENS (1608): CLEMENTIS TIMPLERI | METAPHYSICAE | SYSTEMA METHODICUM, | Libris quinque | PER THEOREMATA ET PROBLE- | mata selecta concinnatum. | ... | HANOVIAE | Apud Guiliemum Antonium, | MDCVIII. |. W ALCH, JOHANN GEORG (1775): Philosophisches Lexikon. Vierte Auflage in 2 Theilen. Hg. von Justus Christian Hennings, Leipzig 1775. W EGELIN, THOMAS (1608): Disputatio Theologica, | DE | CHRISTO. | QVAM | Per Spiritus Sancti gratiam, | AVTORITATE ET DECRE- | TO VENERANDI COLLEGII | Theologici, in celeberrima Tubingen- | ium Academia. | SVB PRAESIDIO | REVERENDI | ET CLARISSIMI VIRI, | DN. IOANNIS GEORGII SIG- | wardi, S.S. Theologiae Doctoris & Professoris Celeber- | rimi, ibidemque Ecclesiae Pastoris & Superintendentis | dignissimi. | Pro Privilegijs in S.S. Theologia Doctoralibus consequen- | dis, placidae & devotae disquisitioni subijcit, | DIEB. XXVII. & XXVIII. MAII, IN AVLA | Nova Collegij Theologici, | M. THOMAS WEGELINVS, | Augustanus. | ... | TVBINGAE, | Apud Philippum Gruppenbachium, | ANNO M. DC. VIII. |. – (1609): Hypomnema Theologicum, | X. CAPITIBVS comprehensum, | DE HYMNO TRIS- | AGIO, | SANCTVS DEUS, SAN- | CTVS FORTIS, SANCTVS | IMMORTALIS, MISERERE | nostri. | Cum & sine clausula | QUI CRUCIFIXVS ES PROPTER NOS. | Adversus Calumnias | JACOBI GRETZERI adornatum. | Huic accessit | PETRUS CNAPHEVS NESTORIANVS. | IN IACOBO GRETZERO LOIOLITA | Rediuiuus: | OPPOSITVS | FVLLONI THEOPASCHITAE fictitio, aduersus THO- | MAM WEGELINVM nuper euulgato.| Auctore | THOMA WEGELINO, AVGUSTANO, SS. | Theologiae Doctore. | ... | Francofurti, apud Egenolphum Emmelium. | M. DC. IX. |. W ESTPHAL, J OACHIM (Hg.) (1557): CONFESSIO | FIDEI DE EVCHA= | RISTIAE SACRAMENTO, IN QVA | Ministri Ecclesiarum Saxoniae solidis Argumentis sa= | crarum Literarum astruunt Corporis et Sangui= | nis Domini nostri IESV CHRISTI, | praesentiam in Coena sancta, et de li= | bro Ioannis Caluini ipsis de= | dicato respondent. |... | Impressum Magdeburgae, apud Am-| brosium Kirchner. Anno, | M.D.LVII. |. W IGAND, JOHANNES(1568): DE COM= | MVNICATIO=| NE IDIOMA- | tum:| D. IOANNES UUI- | GANDVS. | ... | BASILEAE, PER PAVLVM | Quecum. 1568. |. – (1589): DE | VBIQVITATE, | SEV | Omnipraesentia Dei | I. IN GENERE: | II. IN SPECIE, IN SVA ECCLESIA: | I. HVMANAE NATVRAE IN PERSO- | NA CHRISTI, IN TOTO MVNDO: | II. IN TESTAMENTO DOMINICO: | III. IN ECCLESIA, ET IN CREDENTI- | BVS: | CONSIDERATIO | METHODICA | Per Joannem Vvigandum, Episco= | pum Pomezaniensem. | TVBINGAE | In Officina Georgij Gruppenbachij. | ANNO M.D.LXXXIX. |. W INCKELMANN, J OHANNES (1614): Disputatio V.: De Visione B. Stephani Act.7 v.55. & 56. In: DISPVTATIONVM THEOL- | OGICARVM, | DE PRAECIPUIS | QUIBUSDAM HORUM | TEMPORUM CONTROVER- | siis, in Academia GIESSENA | publi-
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IV. Sekundärliteratur
651
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Register Register
In allen Registern wurden die Anmerkungen berücksichtigt. – Im Personenregister sind Autoren von Werken mit Publikationsdatum nach 1800 kursiv gesetzt.
I. Bibelstellen I. Bibelstellen
Genesis 11,7 18,21
63 63
Exodus 3,8 3,12 33,18ff
467
432, 445 65 156, 193, 296 188, 445 55
Kohelet 1,9
141
Jesaja 43,2 43,24 53,1
65 323 396, 397, 398, 399
Jeremia 1,8
5,1
65
194
Maleachi 3,6
Psalmen 72,8 91,15 110,1 110,2 139,7
65 55, 177, 237 100, 184, 237 335
Micha 63 100 373
Numeri 22,28ff
15,20 23,23 23,24 31,32
268, 269, 284, 309, 354
Matthäus 1,20 2,2.11 8,26 9,1–8 12,3 13,55 16,27 18,20 21,5 22,42 27,11 28,20
159 194 194 466f, 468 194 576 193 65, 190, 444, 582 194 576 194 51, 55, 65, 69, 71, 82, 88, 190, 295, 444
Markus 2,1–12 13,32 15,2 16,20
467 562 194 193
654
Register
Lukas 1,2 1,33 1,35 2,11 23,3 24,26 24,39 24,50
Römerbrief 293 194 283 194 194 156 540 194
1,3 1,18 1,25 4,4 5,10 8,10 8,32 9,5 11,6 15,8
576 124, 140f, 149, 184, 207, 264f, 293, 325, 327, 371, 373f, 403, 563, 576 322 430, 580 343 190, 261, 264, 365 283 540 507, 509 192, 507f, 509, 510, 514, 515, 518 296 576 576 295, 365 576 243, 244, 245 243 243 184 94, 193 194 194
1. Korintherbrief
Johannes 1,11 1,14
1,17 1,18 1,48 3,13 3,16 4,24 5,16ff 5,17 5,26 8,19 8,29 8,56 8,57 11,15 11,21 11,32 15,5 17,5 18,8 18,36f
1,24 2,8 8,6 10,9 10,16 15,19 15,28 15,45f 15,47
5,19 8,9 13,5 13,13
148 551 193, 295 193, 459
Galaterbrief 1,7–9 2,20 4,4 5,10 Epheserbrief
3,15 3,15f 7,55f 9,5 17,21 20,28
1,20 1,23 2,8f 3,9 3,17 4,10
23,11
83 194, 196, 269, 283, 323, 366 295 295 459 323 100 327 428
2. Korintherbrief
Apostelgeschichte 283 323 193 193 55 196, 283, 293, 323, 343, 355, 366, 414, 500, 540 193
283, 309, 326, 365 316 316 197 283, 323 193 283, 293, 323 283, 293, 345 197 193
5,2
121 193, 283, 293, 323 283, 293, 323 121
236 87 197 295 193 87, 193, 195, 196, 236, 237, 241, 445 268
655
II. Personen 1,1(f) 1,7 3,8
Philipperbrief 2,4ff 2,7 2,7f 2,8 2,8f 2,9 2,10f
545 95, 156, 170, 246, 545 246 514, 545, 551 156 156, 196f, 521 197
283, 293, 323 196 293, 323
1. Petrusbrief 1,12 3,18 4,1
555 283, 293, 365, 366 283, 293, 345, 365, 366
Kolosserbrief
2. Petrusbrief
1,19 2,9(f)
1,4 3,10
3,3f 3,11
82 56, 82, 92, 96, 148, 260, 280, 418, 419 430 193, 295
1. Timotheusbrief 3,16
56, 141, 148f, 207, 263, 293, 317, 323, 481, 563
2. Timotheusbrief 4,17
65
185 220
Hebräerbrief 1,3 1,8f 2,8 2,14 2,17 4,25 9,12 11,8
296 296 170 140, 184, 323, 531 323, 531, 551 551 343 365
Offenbarung
1. Johannesbrief
21,3
1,1
100
II. Personen II. Personen
Adam, Gottfried 125, 270 Ailly, Pierre de 217 Albrecht Friedrich von Preußen 391 Althaus, Paul (d.J.) 12 Andreae, Jacob 15, 18, 57, 134, 144, 213, 214, 218, 231, 232, 244, 253, 270f, 277, 298, 299, 302, 309, 313, 325, 352, 358, 372, 388, 415, 417, 418, 419, 421, 516 Andreae, Johann Valentin 29, 39, 310 Angerbauer, Wolfram 582 Antonii, Gottfried 41 Appold, Kenneth G. 31, 37, 287, 306 Aristoteles 51, 71, 175, 316, 397, 425, 454, 486, (493), 494 Arndt, Johann 33, 101, 103, 183, 185 Arnold, Gottfried 4
Arnoldi, Bartholomäus siehe Usingen, Bartholomäus von Aubenque, Paul 380 Auer, Johann 145 Augustinus, Aurelius 61, 250, 373, 432 Aurifaber, Johannes 77 Axt-Piscalar, Christine 9 Bachmann, Claus 76, 77, 78 Balduin, Friedrich 102f, 183f, 357f, 364 Barton, Peter F. 387 Baur, Ferdinand Christian 10 Baur, Jörg 2, 4, 9, 11, 15, 17, 18, 19, 20, 21–23, 26, 30, 33, 34, 36, 39, 42, 47, 49, 50, 52, 53, 57, 62, 67, 92, 93, 94, 96, 111, 113, 115, 116, 118, 124, 127, 129, 130, 133, 135, 136, 139,
656 140, 141, 142, 143, 145, 150, 153, 154, 158, 162, 168, 175, 176, 185, 195, 201, 203, 215, 218, 222f, 225, 234, 249, 250, 253, 259, 261, 274, 276, 279, 280, 281, 286, 300, 304, 305, 308, 311, 371, 399, 416, 418, 421, 435, 449, 464, 465, 474, 514, 528, 545, 549, 551, 567, 571, 572, 573, 574, 575, 578, 580, 581 Bausenhart, Guido 339, 425 Bayer, Oswald 285, 396 Becker, Wilhelm Martin 42, 44 Bellarmin, Robert 473, 495 Benrath, Gustav Adolf 350 Beutel, Albrecht 396, 400 Beyschlag, Karlmann 208, 538 Beza, Theodor 55, 270f, 345, 410, 415– 418, 419, 542 Biel, Gabriel 217, 313, 330–333, 335– 337, 485f, 493 Bizer, Ernst 251 Borchert, Ernst 217, 330 Bötker, Johannes 80, 90, 395f Brandy, Hans-Christian 15, 18, 53, 62, 79, 123, 141, 144, 146, 176, 205, 215, 218, 220, 221f, 225f, 243, 247, 251, 252, 253, 254, 255, 264, 269, 277, 297, 303, 330, 371, 379, 416, 417, 418, 419, 420, 421, 422, 544, 548, 550, 564, 573, 575 Brecht, Martin 220 Breidert, Martin 7, 8, 9, 18, 303 Brenz, Johannes 14, 15, 18, 20, 25, 53, 57, 113, 117, 141, 175, 176, 184, 214–223, 224f, 243, 247, 252–255, 259, 264, 268, 269, 272, 277, 280, 302, 303, 372, 379, 415, 416, 417– 423, 433, 435, 464, 468, 542, 543, 544, 557f, 564, 565, 573, 574, 575f Bring, Ragnar 28 Broll, Ulrich 2 Brunstäd, Friedrich 140 Bubenheimer, Ulrich 28f, 582 Bullinger, Heinrich 141, 218, 243 Busäus (Buys), Johannes 305, 306, 313 Caesar, Philipp 69, 97–99, 103, 174 Calinich, Robert 218 Calov, Abraham 4, 99, 289, 559 Calixt, Georg 67, 231
Register Caspar, Max 122 Chandieu, Antoine de la Roche (siehe auch Sadeel, Antonius) 45 Chemnitz, Martin 14, 18, 21, 80, 103, 111, 113, 146, 224, 232, 235, 266, 276, 277, 297, 298, 299, 301, 372, 383, 384–386, 387, 388, 389, 390, 391, 392–394, 395, 396, 402, 404, 410, 413, 414, 421, 434f, 460, 462, 464f, 469, 505, 506f, 510, 536 Chyträus, David 77, 103, 388 Cornerus, Christoph 388 Cotta, Johann Friedrich 5, 6, 43, 63, 104, 289 Crell, Paul 218 Crocius, Ludwig 117, 131 Cross, Richard 433 Cureus, Joachim 387 Cyrill von Alexandrien 270 Dalferth, Ingolf U. 150, 301, 464, 479, 563 Danaeus (Daneau), Lambert 305 Dannhauer, Johann Konrad 536 Dieterich, Konrad 2, 41, 44 Dieterich, Hermann 3 Diehl, Wilhelm 41, 49 Dingel, Irene 15, 32, 218, 231, 232, 233, 251, 305, 387, 510 Dorner, Isaak August 2, 7, 8, 10, 11, 20, 25, 146, 258, 273 Dülmen, Richard van 310 Ebel, Jobst Christian 298 Eber, Paul 218 Eck, Johannes 131 Elert, Werner 354, 538 Eschweiler, Karl 12, 356 Eutyches 352f, 396 Fatio, Olivier 30 Farren, John Aquinas 24 Fecht, Johann 2, 499 Feu(e)rborn, Justus 29, 40, 41, 42, 44, 67, 69, 91, 97–100, 101, 102, 104, 115, 130, 132, 133, 135, 174, 185, 226, 471, 472, 502, 510–514, 515, 516, 525, 545, 562, 568 Fischlin, Ludwig Melchior 310, 345, 350, 471
II. Personen Flacius, Matthias 103 Forer, Lorenz 40 Frank, Franz Hermann Reinhold 26, 300–303, 328, 461, 462 Frank, Günter 144, 330, 339, 357 Franz, Gunther 2, 119 Friedrich III. von der Pfalz 53 Friedrich, Markus 28, 29, 36, 51, 52, 116, 131, 239 Garth, Helwig 410, 471–474 Geilfusius, Johannes 211 Gerhard, Johann 15, 62f, 97, 103–105, 179, 185, 281, 287f, 289, 363f, 366, 367f, 377, 461, 500, 535f Gerlach, Stephan 19, 118, 125, 249, 262, 291, 304–309, 310, 311, 313, 319, 322, 324, 326, 327, 330, 350, 359, 365, 370, 373, 448, 472, 515, 548, 580 Gesner, Salomon 22, 24, 103, 124, 309, 311, 322, 358, 363, 370–378, 383, 405–410, 411, 412, 414, 423, 430, 442, 450–459, 460, 461, 462, 465– 467, 468, 469, 472, 503, 516, 517, 520, 521, 528, 529, 530, 531 542, 547–549, 559, 579 Gisenius, Johannes 41, 42, 44, 48, 49, 50, 57, 91, 95f, 109, 123, 134, 152, 181, 192, 371 Gleede, Benjamin 396, 433 Gleich, Johann Andreas 2, 569 Goclenius (Göckel), Rudolf 174, 394 Green, Lowell C. 298 Gregor von Nazianz 434 Gretser, Jakob 311 Grillmeier, Alois 538 Grüninger, Erasmus 2, 20, 39, 40, 118, 119, 120, 121, 128, 153 Günther, Ernst 7, 8 Haag, Nobert 31 Hachfeld, Herrmann 298, 299 Hafenreffer, Matthias 25, 43, 44, 58, 94, 114, 115, 116, 118–125, 127, 128, 132, 135, 141, 142, 147, 149, 208, 209f, 211, 213, 214, 276, 280–296, 297, 299, 301, 303f, 305, 306, 307, 308f, 310, 311, 319, 320, 322, 324, 326, 341, 343, 344, 348, 350, 351,
657
366, 379f, 382, 383, 448, 469, 473, 475–478, 498, 499, 501, 503, 504, 505, 520, 557, 558, 563 Hagenmaier, Monika 31, 33 Hägglund, Bengt 286, 316, 386, 396 Hardenberg, Albert 215 Hartknoch, Christoph 387f, 390, 393 Hasse, Hans-Peter 99 Hauke, Rainer 77 Heerbrand, Jakob 125, 266, 276–280, 281, 282, 352 Helwig, Christoph 41, 91 Henß, Walter 251 Heppe, Heinrich 39, 41, 42, 43, 44, 46, 49, 91, 231, 251, 298 Hermelink, Heinrich 50 Hertrampf, Hans-Dieter 1, 2, 3, 569 Heshusius, Tilemann 15, 21f, 45, 67, 231, 232, 233–247, 387–393, 396, 397, 404 Hesse, Friedrich Hermann 40, 94 Hiemer, Johann Heinrich 43 Hilgenfeld, Hartmut 217, 324, 330 Hirsch, Emmanuel 77, 78 Hitzler, Daniel 122 Hoecker, Jonas 141, 311, 325, 326, 343, 344, 345–350, 351, 357, 369, 377, 380, 382, 405, 425, 427, 437, 438, 448, 450, 468, 477, 478, 479, 481, 482, 493, 504, 540 Hoë von Hoënegg, Matthias 1, 2, 4, 569 Hof(f)mann, Daniel 21, 28, 45, 51, 67, 117, 232, 239, 311, 314, 315, 316 Hoffmann, Georg 39 Hofius, Otfried 467, 468 Hofmann, Johann Christoph Konrad von 30 Holder, Wilhelm 233 Holl, Karl 204, 410, 450 Holla(t)z, David 103, 179, 289, 559 Hollerbach, Marion 251 Holtmann, Wilhelm 350 Holtz, Sabine 31, 33, 43, 116, 125, 276, 305 Hoogland, Marvin P. 24 Hübner, Jürgen 15, 118, 119, 120, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 149, 225, 311, 471 Hund, Johannes 6, 15, 62, 79, 217f, 234, 297, 387f, 391, 395, 398, 418
658 Hünermann, Peter 434 Hunn(ius), Ägidius 10, 15, 19, 21–23, 27, 38, 45, 95, 103, 124, 125, 144, 146, 158, 176, 223, 235, 249, 256– 271, 272, 275, 281f, 283, 284, 321, 322, 324, 326, 357, 360, 367, 377, 410, 422, 446f, 449f, 463, 470, 471, 474, 558, 560, 561, 573f, 575, 579 Hunn(ius), Nicolaus 273 Hunzinger, August Wilhelm 207 Hutter, Leonhart 10, 22f, 124, 235, 281, 288f, 292, 357, 358f, 363, 366f, 371, 377, 388, 391, 471–474, 503, 520 Irenäus 95, 548 Jäger, Johann Wolfgang 3, 4, 5 Janse, Wim 215 Johann Friedrich von Württemberg 118 Johannes Chrysostomus 104 Johannes Damascenus 261, 339, 382, 386, 409, 425, 429, 434, 435, 440, 500, 510, 532, 535, 536 Jonas, Justus 77 Julius von Wolfenbüttel 232 Jung, Martin H. 43, 276, 277, 280, 281, 285, 286 Jüngel, Eberhard 217, 400, 433, 573, 576, 577, 578, 579 Jürgens, Henning 297 Kaiser, Philipp 217 Kaufmann, Thomas 30, 31, 32, 33, 34, 274, 313 Keckermann, Bartholomäus 325, 345– 347, 359, 438, 439, 452, 454f, 482– 485, 491, 540 Kepler, Johannes 118–127, 148f, 213f, 238, 273, 275, 310f, 350, 557f, 560, 563 Kesler, Andreas 40 Kirchner, Timotheus 22, 245, 388 Klueting, Harm 31 Kobusch, Thomas 380 Koch, Max 101 Koch, Ernst 32, 99, 298 Kolb, Christoph 276f, 279, 281f, 305 König, Johann Friedrich 287 Koepp, Wilhelm 101, 102 Krebs, Albert 97, 101
Register Krüger, Thilo 15, 21, 231, 232, 233, 235, 238, 239, 243, 244, 245, 246, 387, 388, 389, 391, 392 Krümmel, Achim 99 Kunze, Johannes 350, 358 Lansius, Thomas 43, 49, 50, 134, 172 Lasco, Johannes a 53, 215 Lechner, Caspar 415, 540 Lehmkühler, Karsten 101 Lehmann, Hans 33 Leibniz, Gottfried Wilhelm 108, 111 Leinsle, Ulrich Gottfried 70, 356, 357 Leo der Große 353, 468, 534 Leontius von Byzanz 435 Leube, Hans 350 Leuchter, Heinrich 128 Leuckfeld, Johann Georg 385, 387, 388, 389, 390, 391, 392, 393 Lewalter, Ernst 12, 356 Leyser, Polycarp (I.) 23, 358 Lienhard, Marc 352, 353 Lindström, Martin 101, 144, 330 Link, Christian 123 Löher, Bernhard-Ludwig 128 Lohse, Bernhard 218 Loofs, Friedrich 8, 11, 24, 39 Lotter, Tobias 4, 128 Ludwig V. von Hessen Darmstadt 1, 40 Ludwig von Württemberg 232 Luther, Martin 44, 57, 101, 102, 103, 117, 131, 134, 174, 175, 185, 195, 213, 214, 222, 223, 225, 232, 235, 239f, 241, 259, 266, 270, 278f, 285, 297, 302, 312, 313, 323, 335, 351, 352–354, 381, 382, 383, 384, 386, 393, 396–405, 407, 411, 434, 480, 493f, 495, 508, 549, 557, 566, 577 Mager, Inge 15, 32, 231, 232, 238, 239, 243, 298, 387, 388, 391 Mager, Johannes 233 Mahlmann, Theodor 2, 14, 15, 16, 22, 23, 28, 30, 36, 39, 45, 46, 53, 62, 67, 78, 79, 90, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 113, 183, 205, 215, 216–221, 223–225, 235, 249, 254, 255, 256, 269, 297, 298, 358, 364, 379, 391, 395, 396, 418, 420, 465, 468, 499, 542, 559, 562, 565, 582
II. Personen Major, Georg 218 Malmberg, Felix 217 Marbach, Philipp 499 Markschies, Christoph 396 Marschalk, Michael 304, 305(–309) Martini, Cornelius 357 Martini, Jakob 357, 359, 363, 377 Martini(us), Matthias 46–48, 54, 60, 72, 112, 126, 132, 154, 156, 157 Maestlin, Michael 122 Matthias, Markus 15, 21, 23, 27, 30, 31, 33, 34, 35, 36, 37, 235, 256, 257, 261, 262, 269, 358, 449, 582 Maximus Confessor 338f, 434 Meisner, Balthasar 3, 24, 38, 105–108, 139, 161, 164, 166, 177, 180–182, 185, 203, 273, 315, 357–367, 368f, 371, 377, 378, 384, 399, 405, 408, 410–414, 424, 427, 437–449, 452, 454f, 469, 470, 478–483, 487–495, 496, 497, 500, 529, 535, 540, 542, 559, 568f, 570 Melanchthon, Philipp 14, 15, 53, 61f, 77, 79, 108, 111, 113, 217, 218, 224, 235, 277, 280, 285f, 297, 375, 377, 379, 391, 395, 418, 455, 482, 484 Mentzer, Balthasar (I.) 19, 20, 21, 22, 29, 37, 38, 39–113, 114, 116, 117, 121, 124, 125, 126, 128, 129, 131, 132, 133f, 135, 137, 138, 143, 147, 148, 151–158, 162, 164, 172, 173, 174, 178, 179, 190, 191, 192, 193, 199, 200, 201, 210, 212, 214, 224, 226f, 229, 249, 310f, 446, 450, 470, 474–478, 488, 490, 497, 498–501 502, 508, 509, 510, 535, 545, 558, 560, 562, 563, 568, 569, 571 Möller, Wilhelm 76, 77 Moltmann, Jürgen 218, 579 Moraw, Peter 42 Morgenstern, Benedictus 387, 389 Mörlin, Hieronymus 385, 387, 389, 392f, 394 Mörlin, Joachim 78, 387, 395 Moustakas, Ulrich 51 Mühlen, Karl-Heinz zur 225 Müller-Streisand, Rosemarie 13, 251, 564 Musäus, Johannes 103, 357 Musculus, Andreas 388
659
Neddermeyer, Uwe 99 Nestorius 270, 278, 334, 352f, 396, 513, 571 Neuser, Wilhelm 218, 350 Nicolai, Melchior 19, 39, 116, 129, 135, 137, 182, 201f, 203, 214, 226–230, 249, 250, 544, 562 Nicolai, Philipp 30, 33, 101, 103, 144 Nieden, Markus 31, 37, 285, 286, 287 Nilsson, Kjell Ove 206, 352, 353, 397 Nürnberger, Richard 45 Nüssel, Friederike 30, 67, 77, 101, 185, 186, 276, 277, 280, 281, 285, 286, 294, 304f, 316, 581 Oberman, Heiko Augustinus 123, 217, 324 Ockham, Wilhelm 217, 330, 336 Ohlemacher, Andreas 31, 276, 277, 280, 285 Oeing-Hanhoff, Ludger 380 Olevian, Caspar 156f, 158, 190, 244, 248, 257, 261, 262, 274 Osiander, Andreas (d.Ä) 76–80 Osiander, Andreas (d.J.) 43, 311, 548 Osiander, Lucas (I.) 233, 236 Osiander, Lucas (II.) 2, 19, 29, 114, 115, 116, 117, 119, 120, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 135, 137, 139, 162, 163–198, 199, 203–210, 212, 213, 214, 226–230, 249, 286, 322, 423, 544 Otte, Hans 33 Pannenberg, Wolfhart 9, 11, 18, 179f, 195, 217, 286, 578, 579 Pappus, Johannes 358 Petersen, Peter 12, 356 Petrus (Apostel) 416, 417 Petrus Lombardus 61 Peucer, Caspar 99f Pezel, Christoph 218 Pfaff, Christoph Matthäus 5, 41, 273, 298, 569 Pfefferl, Horst 102 Pfeiffer, Johann Gottlob 359 Pitiscus, Bartholomaeus 350 Plato 407 Pohlig, Markus 31, 313 Polanus, Amandus 345
660 Porphyrius 479 Pouchenius, Andreas 388, 392 Pregitzer, Johann Ulrich 249 Press, Volker 251 Pressel, Theodor 53, 298 Prestige, George Leonard 145, 432 Preuss, Eduard 104 Ps. Cyrill 434 Quenstedt, Johann Andreas 4, 99, 111, 536f, 559 Raeder, Siegfried 276, 277, 279 Raitt, Jill 270 Ratschow, Carl Heinz 286, 316 Ringleben, Joachim 578, 580f Ritschl, Albrecht 78 Ritschl, Otto 13, 18, 59, 97, 100, 103, 111, 218, 220 Rohls, Jan 30 Röse, Bernhard 370 Rozemond, Keetje 434 Rublack, Hans-Christoph 30, 33 Saarinen, Risto 400 Sadeel, Antonius (siehe auch Chandieu, Antoine de la Roche) 45, 46, 126 Sattler, Basilius 233 Schaefer, Michael 17, 125f, 213, 273, 305, 306, 309, 310–341, 343, 344, 345, 346, 347, 350, 351, 357, 359, 365, 369, 374, 375, 379, 382, 383, 423–428, 430, 433, 436, 448, 460, 464, 468, 470, 477, 493, 498f, 501, 503, 504, 515, 528, 548, 560, 579 Schäfer, Volker 118, 122 Schegk, Jakob 111, 144, 313, 321, 329– 334, 336–340, 342; 357, 361f, 428, 446 Scheibler, Christoph 41, 357 Scher(t)zer, Johann Adam 559 Schilling, Hans 31 Schimmelpfennig, Adolf 370 Schlüsselburg, Conrad 387 Schmidt, Axel 217, 396, 398 Schmidt-Biggemann, Wilhelm 286, 356 Schneckenburger, Matthias 8 Schneider, Hans 33 Scholder, Klaus 52 Schönborn, Christoph von 578
Register Schröder, Johannes 22, 46, 124, 359, 371, 449 Schröder, Richard 14, 15, 17, 26, 255, 286, 287, 288, 289, 363, 364, 367– 369, 461, 462 Schubert, Anselm 51, 131 Schultz, Hermann 8, 10, 205f Schwarz, Reinhard 14, 217, 218, 324, 330, 333, 335, 396, 400, 485, 494, 495 Schwenckfeld, Kaspar von 403 Schwöbel, Christoph 580 Seebaß, Gottfried 76 Selnecker, Nikolaus 22, 388 Severus von Antiochien 538 Sibylle von Württemberg 118 Sigwart, Christoph 144, 330, Sigwart, Johann Georg 43, 125, 305, 307, 311, 342 Slenczka, Notger 396, 399, 401, 402, 403f, 566, 577 Söderlund, Rune 125 Sommer, Wolfgang 358 Sparn, Walter 2, 16f, 25, 26, 30, 34, 35, 51, 52, 111, 124, 164, 166, 180, 185, 186, 205, 227, 230, 239, 281, 286, 287, 312, 314, 315, 316, 318, 325, 345, 356, 357, 370, 409, 410, 411, 412, 424, 426, 428, 437, 438, 441, 442, 452, 453, 454, 458, 461, 464, 478, 482, 484, 490, 491, 492, 495, 496, 497, 561, 562, 566, 581 Stegmann, Andreas 37, 276, 285, 286, 287, 288 Steiger, Johann Anselm 36, 183, 377 Steitz, Heinrich 39, 42, 46 Stemmer, Peter 433, 434, 435 Steuber, Johannes 41 Stickelberger, Hans 140 Sträter, Udo 33 Streiff, Stefan 51, 217, 330, 396, 400, 401 Stupperich, Martin 76, 77, 78 Sudhoff, Karl 251 Teichmann, Albert 50 Tekolf, Oliver 370 Tholuck, Friedrich August Gottlieb 5, 6, 9, 12, 13, 357, 559 Thomas von Aquin 426
III. Sachen Thomasius, Gottfried 6–10, 25, 273, 274 Thumm, Theodor 2, 3, 19, 28, 29, 41, 45, 49, 101, 102f, 114, 115, 116, 117, 120, 123, 127, 128, 130, 131, 132, 134, 136, 143, 144, 145, 148, 149, 150, 153, 159, 160, 161, 162, 171, 172, 174, 177, 178, 180, 182, 183– 185, 188, 200, 201, 211, 214, 226– 228, 249f, 272, 286, 371, 415, 462, 471, 474, 475, 476, 502–527, 528– 555, 558, 559, 561, 562f, 566, 568, 569–571, 575, 576, 579, 581, 582 Timpler, Clemens 70, 112, 452, 453, 454, 455 Trepp, Anne-Charlott 33 Troeltsch, Ernst 12, 31 Tschackert, Paul 218, 342 Ursin, Zacharias 244 Usingen, Bartholomäus von 493 Valentia, Gregor de 313 Varenbuller, Antonius 233 Vermigli, Petrus Martyr 123, 218, 243 Vietor, Johann 128 Vind, Anna 400 Vorstius, Conrad 55 Walch, Johann Georg 5 Wagner, Tobias 5 Wagner, James Benjamin 24 Wallius, Laurentius O. 211 Wallmann, Johannes 30, 31, 32, 52, 286, 288, 363 Wartenberg, Günther 99
661
Weber, Hans Emil 12f, 30, 10–104, 110–112, 204, 216, 220, 286, 302, 305, 356, 410, 415f, 450, 564, 573f Wegelin, Thomas 145, 160f, 188, 213, 272, 273, 311, 342–345, 350, 361, 371, 378, 380–383, 384, 393, 423, 424, 428–433, 435, 436, 448f, 460, 462, 463, 464, 465, 468, 469, 470, 542, 559, 560, 579, 580 Weidemann, Johannes 387, 389 Weigel, Valentin 102f, 183 Weizsäcker, Carl von 2, 19, 203, 249, 311 Wendebourg, Dorothea 304, 305 Wenz, Gunther 15, 32, 45, 298, 543, 565, 566f Westphal, Joachim 395 Wiedenroth, Ulrich 281, 518 Wiederkehr, Dietrich 577, 579 Wigand, Johannes 141, 164, 235, 297, 387f, 391, 394 Wilhelm IV. von Hessen-Kassel 256 Williams, Rowan 217 Willis, David E. 123 Winckelmann, Johannes 41, 42, 44, 49, 50, 55, 56, 57, 81–83, 91, 93, 94, 95, 109, 123, 134, 152, 181, 192 Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken 391 Wollgast, Siegfried 356 Wriedt, Markus 42 Wundt, Max 12, 356, 357 Zabarella, Jacopo 287, 455 Zeller, Winfried 33, 34 Zwingli, Ulrich 44, 195, 403, (467)
III. Sachen III. Sachen
a priori/a posteriori (siehe auch Deduktion) 186, 219 Abendmahl (siehe auch Realpräsenz; Transsubstantiation) 195, 233, 480 – Abendmahlslehre 34, 215, 452 – Abendmahl und Christologie 14, 45, 90, 215, 239–241, 242, 567 – Einsetzungsworte 89, 239, 240f Abendmahlstreit – erster 44, 239f, 268, 270, 480, 493f
– zweiter 45, 80, 90, 215, 391, 395, 463 – Heidelberger 391 Abstraktion/Konkretion (christologisch) (siehe auch Prädikationen; Logik) 267–269, 271, 275, 301, 331–333, 355f, 364, 373, 376, 379–414, 453, 460, 471, 472, 473, 486, 511f, 529– 531, 565 – im ostpreußischen Abstraktionsstreit 381, 384, 386, 387–396, 404, 413
662 – bei J. Brenz 379 – bei M. Chemnitz 384–386, 392–394, 396, 404, 410, 411, 413, 414 – bei J. Feurborn 511f – bei S. Gesner 405–410, 411, 412, 413, 453, 529, 531 – bei M. Hafenreffer 379f – bei J. Hoecker 380 – bei Ä. Hunn 410 – bei L. Hutter 410f – bei M. Luther 396–405 – bei B. Meisner 410–414, 529 – bei Ph. Melanchthon 379, 391 – bei M. Schaefer 379 – bei Th. Thumm 529–531 – bei Th. Wegelin 380–384 – ‚etymologische‘ Verwendung 380, 381, 385f, 390, 393, 396, 397, 404, 411 – ‚grammatische‘ Verwendung 380, 390, 529 – metasprachliche/objektsprachliche Verwendung 385, 389 – philosophische Verwendung 380, 381, 405–407, 411f, 529 – scholastische Verwendung 380, 381, 384f, 389, 390, 393, 396, 404, 407, 411, 486, 529 – als mentale Operation 405f, 411 – reale Interpretation (als separatio resp. conjunctio) 393, 394, 397f, 400, 401, 403, 404, 405, 411 – relationale Begriffe 405, 411 – ‚de abstracto tacendum est prorsus‘ (Luther) 386, 396, 398, 403, 411 – dreifache Abstraktion 381, 397 – konkreter Begriff der Naturen Christi 382f, 399, 407f, 409, 541, 542, 555 – ‚nova significatio‘ der christologischen Termini 400–403 actus naturae (naturalis)/personae (personalis) 153, 343, 427, 534, 542, 543, 555, 563 – actus personalis des Logos ex ιδιοποιησει 555, 573 actus primus/secundus 263, 423, 427, 534 actus purus 59, 60, 83, 163, 361 Adelberg 125 Akosmismus 176, 223, 259, 573, 574
Register Akzidens 255, 318, 479 Alamundarus-Anekdote 354 Allgegenwart (siehe auch Gegenwart Christi/Gottes; Ubiquität) – Christi (nach der Menschheit) 67–74, 136–158, 165–167. 186–196, 267 – Gottes 58–66, 173–182, 241, 258f Allmacht Christi 67, 88–90, 165, 191, 233, 234, 241, 257, 267, 540f Alloiosis 293, 298, 302, 303, 443, 473, 500, 511 Allwissenheit Christi 165, 234, 257, 267, 466, 562f Anbetung Christi 234 Alte Kirche 213, 338f, 352f, 354 Amt Christi (siehe auch genus apotelesmaticum; Koinopoiesis) 67–74, 112, 192, 193–195, 199, 374, 531– 543 – officium propheticum/regium/sacerdotale 531, 532, 541, 549–551, 555 – ewige Wahrnehmung durch den Logos 549, 581 Analogie(lehre) 58f, 65 analysis demonstratiua (siehe auch Methode) 318 analytische Methode siehe Methode ancilla theologiae (siehe auch Philosophie, Vernunft und Glauben/Offenbarung) 316, 317 Aneignung menschlicher Idiome durch die Gottheit siehe Approriatio; Idiopoiesis Anhypostasie siehe Enhypostasie Antidosis (αντιδοσις) (siehe auch communicatio idiomatum; tota persona: praedicatio) 344, 457, 458, 500 Apathie (Gottes)/Apathieaxiom 254, 255, 268, 270, 302, 354, 414, 436, 461, 472 Apokalyptik 34 Apologetik, lutherische 213, 257 Apologia – ad Electorem Augustum 253, 255 – der Confessio Virtembergica 215, 224 – der Decisio Saxonica 174, 514 – der Konkordienformel 231, 236, 243, 244, 245
III. Sachen Appropriatio (christologisch; siehe auch Idiopoiesis; proprium) 25f, 185, 252, 267, 268, 269, 279, 288, 290, 292, 293, 308, 322, 325f, 344, 348f, 366, 368f, 372, 373, 461, 472, 513, 519, 521, 522f, 524, 526, 530, 555, 574 approximatio peculiaris (siehe auch unio mystica) 96–101, 110, 183, 186 Äquivokation 400f, 403 Arianismus, arianisch 309 Aristotelismus, aristotelisch 175, 312, 325, 380, 478, 493, 494, 567 ascensio/ascensus (siehe auch Erhöhung; sessio ad dexteram) 193, 194, 195, 196, 220f, 246f assumptio (in hypostasin) (siehe auch terminus unionis; unio personalis: Konstitution) 136f, 138, 139f, 141, 145f, 159, 166, 168, 194, 207f, 210, 220, 230, 257–259, 267, 280, 290, 321, 322, 372, 426f, 429f – homo assumptus (Tübinger Gebrauch) 540–543 Assumptus-Homo-Theorie 217 Astronomie 121 Athanasianum siehe Symbolum Quicunque Auferstehung Christi (siehe auch Erhöhung; ascensio; status Christi) 246 Augsburg 160 Augsburger Religionsfrieden 32 augustinisch 176 Bad Teinach 119 Basel 164, 391 Beweis(verfahren) (siehe auch Deduktion; Syllogismus) 318 Beziehung siehe Relation biblische Theologie (siehe auch Schrift) 51f, 60, 200, 236f Blasphemie 466f bonum 227 Braunschweig, braunschweigisch 231, 233, 392, 393 ‚Brentianer‘ 416 ‚Brenz-Renaissance‘ 21, 272 Briefwechsel – Hafenreffer–Kepler 118–126 – Tübinger Fakultät–Mentzer 128, 162, 172, 214, 507, 508
663
Breslau 370 Bund(eszusage) (Gottes) 228 Bunzlau/Schlesien 370 Calvinismus, Calvinisten, calvinistisch (siehe auch Reformierte, reformierte Theologie) 34, 50, 61, 82, 117, 122f, 133, 181, 188, 214, 216, 235, 236, 267, 273, 312, 348, 359, 375, 471, 503, 520, 530, 551, 569, 571 capax/non capax 279, 352, 354, 418 causa siehe Deduktion; Syllogismus Chalcedon(ense) 73, 74, 75, 87, 241, 266, 531, 533, 534, 537, 540, 566 Christologie (siehe auch Abendmahl; Abstraktion/Konkretion; actus naturalis/personalis; Allgegenwart; Allmacht Christi; Allwissenheit Christi; Amt Christi; appropriatio; ascensio; assumptio; Auferstehung Christi; communicatio idiomatum/majestatis/naturarum; Deus incarnatus/separatus; εκατερωσις; elevatio; Enhypostasie; Entäußerung Christi; Erhöhung Christi; Eutychianismus; extra carnem; extra locum; ExtraCalvinisticum; Fundamentalchristologie; Gegenwart Christi; Geschichte Christi; Herrlichkeit; Herrschaft Christi; Hypostase; Idiopoiesis; Inkarnation; Kenose; Koinopoiesis; Kreuz; Krypsis; Logos asarkos/ensarkos; Majestät der Menschheit Christi; meritum Christ; Metaphysik und Christologie; Metapoiesis; multipraesentia; Naturen Christi; Nestorianismus; Osiandrischer Streit; Paradox; particulae distinctivae; Perichorese; Person Christi; persona simplex/composita; Prädikationen; propositiones personales; Rationalismus der schwäbischen Christologie; Realpräsenz; Rechtfertigung; Sessio ad dexteram; Simul; Status Christi; Subsistenz; suppositum; Synamphoterismos; ταπεινωσις; terminus unionis; theologia crucis; theopaschitische Frage; tota persona; totus Christus indivisus; Transzendenz; Ubiquität; Ubiquismus, gemäßigter; ‚ubi
664 Deus, ibi homo‘; unio personalis; unio suppositalis; usus der Majestät; Zwei-Naturen-Lehre) passim – Terminus 364 – mittelalterliche 217 – nominalistische (siehe auch unio suppositalis) 217, 329, 339 – occamistische 329 – scholastische (siehe auch unio suppositalis) 329, 330 – ‚System‘ 281, 310 – bei J. Kepler 124 – bei Maximus Confessor 338f cognitio Dei naturalis (siehe auch Gotteserkenntnis; Erkenntnisprinzipien) 52, 186 communicatio (ontologische Struktur) (siehe auch proprium) 166, 254, 255, 360f, 367–369, 375–377, 458f, 517, 520 communicatio idiomatum – an die Person/zwischen den Naturen 375–378, 510–512, 516–527 – als differentia specifica der unio personalis 62, 280, 372, 373, 416f, 418– 423 – als Folge (consequens, effectus) der unio personalis 278, 284, 306, 307, 322, 352, 359, 372, 419–423, 458f – als Ersatz menschlicher Idiome 420 – altkirchliche 396, 473 – kryptocalvinistische 297, 388 – scholastische 323f, 330–338, 375, 377, 503 – bei G. Biel 330–338 – bei J. Brenz 252–255, 418–423 – bei M. Chemnitz 80, 277, 298f, 301, 394, 505, 506f, 536 – bei J. Feurborn 502, 510–514, 515, 517 – bei J. Gerhard 363f, 367f – bei St. Gerlach 304–309, 515, 516 – bei S. Gesner 370–378, 465–467, 517, 520, 521, 528 – bei M. Hafenreffer 280–296, 303f, 308f, 503, 516, 520 – bei J. Heerbrand 276–280 – bei J. Hoecker 345–350 – bei Ä. Hunn 266–271 – bei L. Hutter 366f, 377, 520
Register – im Irenischen Streit 350–356 – bei B. Keckermann 345–347 – in der Konkordienformel siehe Konkordienformel – bei J. Martini 363 – bei Ph. Melanchthon 79, 297, 375, 377 – bei B. Meisner 358–363, 364–366, 368f, 413 – bei B. Mentzer 498–500, 508 – bei Lc.(II.) Osiander 130, 163–171 – im Osiandrischen Streit 79f – bei M. Schaefer 310, 319–341, 503, 515, 516 – bei J. Schegk 330–338, 339f – bei Th. Thumm 185, 502–527, 528 – bei Th. Wegelin 342–344 – bei J. Wigand 164 – denominativa/indenominativa 163f, 363 – Genera (1): Trichotomie, 4. Genus, Anordnung, Abfolge 25, 277f, 282– 285, 298f, 301f, 327f, 344f, 349f, 364f, 372–374, 506f, 515f, 521f – Genera (2): sachlicher Konnex nach Tübinger Sicht 505f, 507, 508, 509, 513f, 515, 517f, 518–527, 531, 534 – immediata/mediata 163f – (onto)logisch irregulär 318f – Kontinuität (statusübergreifend) 168– 171, 193f, 242–247, 544 – ordo (ratio) 164–167, 282–285, 287– 293, 306–308, 319f, 344, 360, 364f, 367–369, 372–374, 460, 498–500, 503f, 521f, 560 – Perfektion (simul & semel totum) 168–170 – realis 14, 15, 80, 90, 164, 284f, 345, 395, 466, 468, 506f – Symmetrie 25f, 207, 210,252f, 265– 268, 277f, 283f, 299, 302, 303, 327, 329, 342–344, 350–353, 360–362, 367, 368, 372f, 377, 394, 460–462, 468f, 474, 504, 572f – Tübinger Revision (4 Genera) 25, 38, 276–356, 359, 360, 364f, 367, 369, 370, 371, 377, 378, 384, 394, 460– 462, 469, 472, 475, 499, 500, 560 – verbalis, als forma loquendi 79, 80, 164, 345, 376, 395
III. Sachen – genus apotelesmaticum (siehe auch Amt Christi; Koinopoiesis) 75f, 80, 82f, 288, 299, 307, 320, 321, 327f, 344, 345, 349f, 368, 373f, 468, 503, 531–543 – genus maiestaticum (siehe auch Metapoiesis) 80, 253, 255, 461 – ‚genus tapeinoticum‘ (siehe auch theopaschitische Frage) 25, 269 communicatio majestatis (siehe auch Metapoiesis; communicatio idiomatum) 26f, 361f communicatio naturarum (siehe auch Perichorese) 166f conceptio (Christi) 159, 166, 168 concretum naturae siehe Abstraktion/ Konkretion Confessio Augustana 32 Confessio ecclesiarum Saxoniae 391 Confessio Virtembergica 215 ‚conscientia Mentis, conformitate Voluntatis‘ 144, 321, 424, 446f, 579 Darmstädter Rezeß 40, 50, 64, 81, 91– 93, 99, 101, 102, 110, 114, 131, 133, 138 Decisio Saxonica 174, 273, 559, 569 decretum absolutum 227 Deduktion (siehe auch Rationalismus; Syllogismus; Vernunft) 186, 192, 194, 198–202, 213, 214, 219, 224f, 238–242, 274, 291, 311, 327, 431, 459, 463–465, 562–565 Deismus 227 Determinismus 12 Deus incarnatus/separatus 278, 361, 382, 397f, 566 ‚Deus potentialis‘ 552, 570 differentia formalis 441 Disputation(en) 36f, 126, 129f, 131, 162f, 305f, 310 divinitas communicans/communicata (siehe auch communicatio; proprium) 254, 542 ‚divisis operationibus, divisa est persona‘ 323, 508 Dogma – christologisches 11, 198, 204 – ‚neues Dogma‘ lutherischer Christologie 14, 45, 164, 415, 463, 468
665
‚dogma Mentzerianum‘ 530 ‚dogma Wirtembergicum‘ 310, 557, 558, 561, 563 Dogmatik – Lehrbücher/Kompendien 37, 266, 276, 320 – Unterricht 37, 276 Dogmenkritik 464 Doketismus 111, 153, 221, 256, 547 doppelte Wahrheit siehe Wahrheit Dresden 358, 472, 473 Dualismus (siehe auch Zwei-WeltenLehre) 221 duplex mundus siehe Zwei-WeltenLehre Eigenschaften (Gottes) – (in)kommunikable 163f – immanente/energetische 163f, 362f, 390 – Identität in der christologischen Kommunikation 230, 562 Eisleben 395 Einwohnung Gottes – christologisch 56, 62, 92, 147–149 – soteriologisch (siehe auch unio mystica) 77, 107, 184 εκατερωσις (siehe auch Synamphoterismos) 293, 345, 359, 365, 503, 504, 505, 507, 512, 516, 518, 520 elevatio, elevari (der Menschheit Christi) 258f, 579 Enhypostasie (siehe auch terminus unionis; unio personalis: Konstitution) 160, 161, 257–259, 265, 426, 428, 431f, 441, 448 Entäußerung Christi (siehe auch Kenosis; Krypsis; ταπεινωσις; status Christi) 94–96, 111, 117, 123, 155f, 169– 171, 196f, 220, 245–247, 248, 254, 261, 279f, 296, 540f, 545–553 – bei Th. Thumm 545–553 – Krypsis und Kenosis zugleich 551 – auch des Logos 553, 554–556 Entelechie (εντελεχεια) 342f, 361f, 456, 500 ‚Entweltlichung‘ (der Menschheit Christi) 259 Entwicklung(sgeschichte) 6f, 8f, 11, 15, 30, 37, 273f
666 Erbauungsliteratur 33 Erhöhung Christi (siehe auch ascensio; status Christi) 95f, 196f, 219, 220, 230, 246f, 279f, 300 – meritorisches (Miß)Verständnis 196f, 322, 374 Erkenntnis(theorie) 58f, 65, 186, 406f Erkenntnisprinzip(ien) (siehe auch Natur; Schrift; Vernunft und Glauben/Offenbarung) 314, 315–317 Erwählung (siehe auch decretum absolutum) 475 essentia/existentia 70f, 72, 140 Eutychianismus, eutychianisch 295, 309, 415–417, 495 extra carnem 57, 84, 105, 144, 147, 148, 149, 257, 450 extra locum 222, 257–261, 262, 575 Extra-Calvinisticum 11, 19, 123, 182, 569, 570 ‚Extra-Hunnianum‘ 259 Fideismus 314 finitum/infinitum 70f, 217, 279, 418, 492 Flacianer 235 Fleischwerdung siehe Inkarnation Formula Concordiae (FC) siehe Konkordienformel Freiberg/Sachsen 471, 474 Freiheit und Notwendigkeit (siehe auch Notwendigkeit) 138, 225–230 Frömmigkeit (pietas) siehe Theologie und Frömmigkeit/Religion Fundamentalchristologie (siehe auch Metaphysik und Christologie) 17, 313–319 Galiläa 216, 576 Gegenwart (Christi, Gottes) – qua Unendlichkeit 55f, 59, 61, 64, 66, 68, 70f, 87, 91, 94, 104f, 106, 110, 111, 112, 143, 151f, 175, 177, 179f, 186, 237, 574 – qua Mitteilung 72f, 87f, 110, 165– 167, 183–185 – qua Willenssetzung 71, 83, 88–91, 109, 182, 186, 190, 191, 199, 202, 226, 229f, 450
Register – als ‚Dasein‘ (adessentia) 58f, 69, 82, 99, 103, 143f, 152, 173–182, 186, 223, 273, 446f, 559, 574, 574 – als Tat/Handlung 48f, 58–66, 67–74, 75, 85f, 92–96, 99f, 105, 153, 177– 179, 445f, 499, 501 – als Präsenz (nur) der Gnadengaben 67, 82 – (nur) im Geist 67 – und Freiheit 58, 81, 138, 176, 225– 230 – und Amt Christi 67–74, 75, 83, 93, 94, 109, 199 – und Ständedifferenz 137f, 445–448 – Grade (Modi) 61–65, 69, 74, 81, 85f, 96f, 151, 178f, 183f, 418f, 421, 444 – gloriose 64, 229 – gnädige 64, 65f, 67, 106, 183–186, 229, 444 – praesentia universalis/specialis 62, 64, 66, 82, 100, 106, 186, 191, 226, 228, 229, 444f – praesentia naturalis/supernaturalis 153 – natürliche 175 – repletive 55f, 174 – soteriologische siehe unio mystica – in der Kirche 233, 240, 444 – in der Welt 21, 22, 233, 444 – im Abendmahl 233, 240 – praesentia intima/extima (terminologisch und sachlich) 15, 19, 21–23, 56f, 72f, 83f, 95f, 124, 145f, 157f, 213, 256–261, 272, 281f, 321, 358, 422, 446f, 449f, 558, 560 – praesentia relativa 452 – und Transzendenz 146, 575 Geheimnis (siehe auch Vernunft und Glauben/Offenbarung) 51, 108, 149, 237, 238f, 242, 430f, 463 Gehorsam Christi 246 Gemeinschaft der Naturen Christi siehe Perichorese, Koinopoiesis ‚General-Ubiquität‘ 233, 235, 245 Geometrie (christologisch) 121, 148f Geschichte siehe Werden Geschichte Christi 3, 9, 263–265, 267, 334, 432, 466f, 468, 496, 543, 551, 564, 565, 567, 568f, 575f, 577
III. Sachen – als vergangenes Datum 3, 569, 570, 571, 573 – als Gottes (‚eigene‘) Geschichte 468, 571–573, 578–581, 582 Geschöpf/Schöpfung – ontologische Bedürftigkeit 59, 222, 227f gestari (christologisch) siehe unio suppositalis Gewissensfreiheit 274 Gießen 357, 474, 476, 498 – theologische Fakultät 1, 2, 39, 41f, 44, 49, 91, 474, 476, 498 – Streit über die Gegenwart Christi 29, 39–76, 80–100, 105–108, 133f, 501 Glauben – als Vertrauen 89, 314f – intuitus fidei 264f, 576 – blinder 314 Gnosis 12, 564 Gott – Allmacht 152, 486 – Apathie 254, 268, 270, 354, 373, 414, 436, 461, 472 – Attribute (siehe auch Eigenschaften) 59f, 104f, 179f – Dekrete 227 – Ehre 195 – Einfachheit 59, 76 – Einwohnung siehe unio mystica; Gegenwart: Grade – Ewigkeit 219 – Freiheit 58, 81, 175f, 225–230 – Gegenwart (siehe auch Gegenwart) 175f – Güte 227 – Herrschaft (regnum, regnare) 220 – Kondeszendenz 372 – ‚Menschlichkeit‘ (siehe auch Inkarnation; Geschichte Christi) 26, 230, 573–576, 581 – Sterben und Tod (siehe auch theopaschitische Frage) 278f, 280 – Transzendenz 146, 175, 176, 220f, 222, 258f, 575 – Unendlichkeit 106, 177, 227f, 229 – Unveränderlichkeit 97, 168, 169, 254, 260, 265, 268, 279, 280, 284, 302, 309, 354, 361f, 368, 414, 436, 461 – Vollkommenheit 76, 228, 361f, 473
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– und Welt/Schöpfung 179f, 220, 226– 228, 258f, 418, 574 Gotteserkenntnis 58f, 200 – natürliche 52, 200 Grab (Christi) 264 Grammatik 55 – und Logik 400–403 Grundtfest (siehe auch Kryptocalvinismus) 218, 297 Habitus-Theorie (christologisch) 217 Handeln Christi – und Personeinheit siehe unio personalis – gemeinsames Handeln der Naturen: siehe Amt Christi; Koinopoiesis; Osiandrischer Streit Hegelianismus, hegelianistisch 9 Heidelberg 350, 360, 391, 471, 472 – Heidelberger Abendmahlsstreit 391 Helmstedt(er Christologie) 2, 9, 21f, 38, 45, 67, 74, 231–251, 262, 272, 357, 388, 390, 391, 464 Hermeneutik (siehe auch Schrift; Vernunft und Glauben/Offenbarung) 149f, 250, 400–403, 464, 467, 563f Hertzberg(er Konvent) 388, 389, 390 Herrlichkeit (christologisch) – und Knechtsgestalt (siehe auch Simul) 219, 264f, 544–553 Herrschaft Christi (siehe auch Amt Christi) 193–197 – und/oder Gegenwart 236f, 241, 247, 261f, 362 Himmel (theologisch) siehe ZweiWeltenlehre Himmelfahrt siehe ascensio Hof(f)mann’scher Streit (siehe auch doppelte Wahrheit; Vernunft und Glauben/Offenbarung) 28f, 51, 116, 238f, 312, 314, 315, 316 hypostatische Union siehe unio personalis Hypostase (des Logos, Christi) (siehe auch Enhypostasie; terminus unionis; unio personalis: Konstitution; Subsistenz) 139f, 145f, 166f, 208, 210, 217, 229, 230, 238, 257–259, 260, 263, 265, 295, 321, 361, 412, 441f, 448
668 Ideengeschichte und Sozialgeschichte 28f, 33, 35f Ideenlehre 406 Idiomenkommunikation siehe communicatio Idiomatum; Perichorese; proprium Idiopoiesis (ιδιοποιησις) (siehe auch appropriatio) 268, 288, 293, 295, 296, 297, 299, 303, 304, 307, 309, 319, 322, 327f, 341, 345, 348f, 352, 353f, 360, 361, 362, 365f, 367, 368f, 373, 378, 385, 394, 414, 436, 444, 460, 462, 468, 469, 472, 474, 475, 499f, 503, 504, 505, 507, 509, 512, 515, 519, 521, 522, 523, 525, 526, 527, 528, 534, 538, 539, 541, 542, 553, 555, 560, 561, 574 – Entäußerung auch des Logos per ιδιοποιιαν 553, 554–556 – actus personalis des Logos ex ιδιοποιησει 555 Illokalität (siehe auch Gegenwart; Transzendenz) 216f, 220, 222f, 258f impassibilitas siehe Apathie Imputation (siehe auch Rechtfertigung) 452 interimistische Krise 32 Inkarnation(slehre) 11, 56, 140f, 206f, 225, 226, 259, 278f, 582 – als Simul von Ensarkose und Theogenese 207–209, 251, 420, 461, 462, 571, 572 – als Vermittlung von Schöpfer und Geschöpf 141, 142, 150, 219, 263, 275, 278f, 325f, 335, 356, 378, 400, 425, 460, 481, 492, 493, 553, 566, 575f, 578 Irenik 350–356, 360 Jena 2, 43, 103, 281, 357, 471 Jesuit(en), jesuitisch 117, 163, 213, 214, 236, 254, 311, 312f, 359, 476, 503, 520, 530, 571 Katechetisches Frage-Antwort-Schema (siehe auch Methode) 288 Kategorisierungsvorschlag 131, 137 Katholizismus 34 Kausalschema (siehe auch Methode) 287f
Register Kenosis (siehe auch Entäußerung; ταπεινωσις; status Christi) – κενοσις i.e.S. (Tübinger Begriff) 544, 545f, 550 Kenotik, neue 7f, 10, 230, 303, 578 Knechtsgestalt Christi (siehe auch Entäußerung) 246f Kohärenz, dogmatische (siehe auch Deduktion; Rationalismus; System) 463 Koinopoiesis (κοινοποιησις, κοινποιια, ενεργειων κοινωινια) (siehe auch Amt Christi) 288, 289, 293, 307, 365, 369, 378, 460, 500, 504, 519, 521, 525, 527, 531–543, 554–556 – ενεργεια/actio θεανδρικη 532, 533, 534, 536, 537–539 – αποτελεσμα 533, 534, 536 – bei J. Gerhard 535f – bei Th. Thumm 531–543 – bei B. Meisner 535 – bei B. Mentzer 75f – bei Johannes von Damascus 532, 535 – bei J.A. Quenstedt 536f Kondeszendenz (Gottes) 431 Konfessionalisierung, konfessionelles Zeitalter, Konfessionskultur 31f, 274 Königsberg 387, 388, 390, 391 Konkordienformel 9, 10, 15, 18, 20, 25f, 32, 40, 45, 117, 118, 122, 204, 213, 214, 231, 232, 234, 235, 236, 239, 262, 263, 266, 277, 282, 283, 286, 288, 289, 291, 292, 294, 295, 296, 297f, 305, 308, 315, 320, 323, 352, 354, 364, 365, 366, 370, 371, 377, 388, 460, 468, 470, 472, 503, 508, 516, 528, 531, 559 – Vorstufen (SC, SSC, TB, BB) 235, 266, 276, 277, 288, 297–299 – Redaktion 235, 277, 297–300 – Christologie 15, 25f, 244, 262, 272, 281, 354, 371, 559 – Idiomenkommunikation 26, 266–268, 271, 275, 296–302, 367–370, 276, 277f, 282f, 286, 287–290, 295, 300– 302, 328, 364–366, 367–369, 371, 372, 460–462, 468, 470, 475, 498– 500, 503, 531 – 1. Genus 26, 266–268, 277f, 283f, 291–295, 296–302, 303, 307, 309,
III. Sachen 320, 364, 365, 366, 367–369, 374f, 377, 394, 461, 462, 469, 472, 475, 503, 508, 509, 510f, 528, 559, 560 – 2. Genus 266f, 271, 282, 288f, 301, 531 – 3. Genus 266f, 268, 271, 282f, 284, 288f, 301f – Epitome 277, 366 – Apologie 231, 236, 243, 244, 245 – ‚ubiquistische Verfälschung‘ 236 Konsistorium – Stuttgart 2, 114f, 117, 118, 119f, 121, 122, 128 – Darmstadt 128 Kördorf/Hessen 471 Körper (der Menschheit Christi) 89f Kreuz (siehe auch Entäußerung) 192, 195, 246, 248, 251, 263, 264, 543, 565, 576, 581 Krise(nkonzept) 33, 35 Krypsis (siehe auch Entäußerung; Kenosis; ταπεινωσις; status Christi) 169–171, 191, 194, 282, 507, 544– 553 Kryptocalvinismus/Kryptocalvinisten 14f, 218, 234, 357, 375, 387, 388 Leib-Seele-Einheit siehe unio von anima und corpus – relationale Interpretation 456f Leiden und Sterben – Gottes siehe theopaschitische Frage Leipzig (theolog. Fakultät) 43, 298, 471 libertas contradictionis/contrareitatis (siehe auch Freiheit und Notwendigkeit) 227 Liebe (Christi, Gottes) 185, 226 limitatio (siehe auch particulae distinctivae) 336–338, 345f, 503 – aetiologica 337 – reduplicativa 336f – synecdochica 337f, 345f ‚Linksmelanchtonianer‘ (siehe auch Kryptocalvinismus) 234 Linz 118, 119, 122, 127 Löbenicht 387, 392 Locus, christologischer – Aufbau 203f, 281, 310 Logik 51, 317, 336, 477, 478, 493 – und Ontologie 488–490, 493f, 567
669
Logos asarkos/ensarkos (siehe auch Person Christi; Inkarnation; unio personalis: Konstitution) 147, 188, 425, 501, 526 Lübeck 273, 391 Magdeburg 395 Majestät der Menschheit Christi (siehe auch Metapoiesis; communicatio Majestis) 234f, 241 – Besitz/Gebrauch (siehe auch Ubiquismus, gemäßigter) 18, 95f, 169– 171, 195f, 211, 229, 245–247, 263, 279, 282, 296, 321, 423, 462 – und Ubiquität 234–236, 241, 261, 262, 321, 423f Marburg 46, 49, 256, 281, 358, 470, 474 massa naturae humanae siehe unio suppositalis Maulbronner Kolloquium 18, 156f, 244, 251, 255, 257, 263, 272, 558 Menschensohn 466, 467 Menschheit Christi, doppelte 220f, 564 meritum Christi 197, 570, 571 Metaphysik (siehe auch Philosophie) 12f, 16f, 34, 111, 200, 311, 381, 397, 462, 561, 564, 566 – und Christologie 12f, 16f, 60, 70f, 110–112, 204, 288, 312–319, 340f, 357, 367–369, 461f, 464, 497, 560, 561, 563–567 Metapoiesis ( μεταποιια, μεταποιησις, μεταδοσις) (siehe auch communicatio Majestatis; communicatio idiomatum: genus majestaticum) 288f, 293, 295, 296, 299, 303, 304, 321, 326, 327f, 341, 345, 348f, 352, 360, 369, 378, 413, 414, 436, 444, 460, 468, 509, 512, 515, 519, 521, 522, 523, 525, 526, 527, 528, 534, 538f, 541, 542 Methode 34, 186, 198–202, 219, 359, 463, 560 – analytische 287f – Loci-Methode 286, 287 – partikulare/universale 287f – rationale 198–202, 219, 313–315 – synthetische 281 – methodi quaestiones 288 – methodus dialectica 288 – analysis demonstratiua 318
670 Mitteilung siehe communicatio ‚Mittel-Partei‘ (im Kenosis-Streit) 4, 23, 24, 99, 154, 161, 180–182, 272f, 357, 445–448, 449f, 559, 569 Modus ponendo ponens 224 Mömpelgarder Kolloquium 270f, 309, 352, 417, 460 Monophysiten, Monophysitismus (siehe auch Eutychianismus) 353 multipraesentia (siehe auch Allgegenwart; Ubiquität; Gegenwart) 190f, 246, 444 mundus corporalis/spiritualis siehe Zwei-Welten-Lehre Mystik 33 Natur, naturaliter – als Erkenntnisbereich und -grundlage 315, 316f Naturen Christi – Gemeinschaft (siehe auch Perichorese) 26, 300f, 351, 359 – gemeinsames Handeln (siehe auch Amt Christi; Koinopoiesis) 82f, 303 – Integrität (siehe auch pradicationes disparatorum) 241, 255, 510, 566f – konkreter Begriff (siehe auch Abstraktion/Konkretion) 382f, 497 – Trennung 78f, 223 – Vermischung (siehe auch Eutychianismus; Monophysitismus) 140f, 142, 241, 352, 403 Nellingen/Ulm 358, 471 Nestorianismus, nestorianisch 50, 78, 84, 223, 244, 334, 353, 354, 381, 415–417, 477, 495, 500, 530, 540, 541 Neustädter Admonitio 244 Neuzeit 31f Niedersachsen 9, 231, 232, 391 Nominalismus, nominalistisch 217, 407 notiones – reales/primae intentionis 478 – secundae (intentionis) 478 ‚nova lingua‘ (christologisch) bei Luther (siehe auch Abstraktion/Konkretion) 400–403, 404 Notwendigkeit (necessitas) 12, 151, 194, 199, 216, 217, 219, 225–230, 564, 574
Register – coactionis 226, 228, 229, 574 – immutabilitatis 227, 228, 229, 574 – pacti et promissionis 229, 574 occultatio siehe Krypsis Ockhamismus, ockhamistisch 217 Offenbarung siehe Vernunft und Glauben/Offenbarung officium Christi siehe Amt Christi Onomatologie (siehe auch Methode; Theologie als Wissenschaft) 281, 287, 329 Ontologie 16f, 22, 34, 51, 312, 317– 319, 340f, 356, 367–369, 463, 464, 478, 560 Ordinatio Fridericiana 119 ordo generalis/particularis (siehe auch Methode) 287f Orthodoxie, altprotestantische 30f, 36, 279 Osiandrischer Streit 76–80 Ostpreußen 387 ‚Papist(en)‘ 133, 235 Paradox (christologisch) 317, 318, 319, 339 Paradox (des Glaubens) 107f, 111 particulae distinctivae (siehe auch limitatio; tota persona: praedicatio) 266, 283, 294, 295, 309, 326f, 334, 335– 338, 348, 369, 517, 527f Perichorese (siehe auch communicatio idiomatum) 56, 57, 84, 145–147, 160, 166, 187, 212, 344, 359, 361f, 408, 409, 427f, 432f, 433–436, 452, 457, 458, 462, 464, 465, 496f, 515, 533, 534, 538, 540, 541, 542, 565, 578 – energetische (siehe auch Amt Christi; Koinopoiesis) 534, 538f – ‚cum-perichoreticum‘ 541 Person – Begriff 367–369, 440f Person Christi (siehe auch unio personalis) – Einheit 7, 219, 224, 477, 490f – und Naturendifferenz 70, 71, 75, 202–206, 340, 360, 369, 440f, 478, 488–493 – und Amt/Werk 76–81, 443 – und Geschichte 8f, 219f, 263–265
III. Sachen – als Gemeinschaft/Kommunikation 26, 38, 204–206, 300, 351, 398, 410, 415–459, 462, 468, 492f, 529, 541, 543, 554, 560, 561, 578 – und Idiomenkommunikation (siehe auch communicatio idiomatum als Folge der unio personalis) 367–369 – als Wirkungseinheit 111, 362, 421, 435, 501, 579 – doppelter Personbegriff (siehe auch Hypostase; Logos asarkos/ensarkos) 208f, 210, 440f – reduktiver Begriff (ambae naturae simul/nihil praeter naturas) 204–206, 212, 294, 304, 336, 337, 338–341, 343, 346, 347, 348, 351, 370, 375– 378, 409, 410, 425, 426, 428, 436, 437–443, 450–459, 462, 470, 505, 511, 516, 521, 525, 527, 528, 530f, 543, 560, 577 – symmetrische Struktur 207–212, 252f, 265f, 268, 327, 342–344, 350– 353, 420f, 435, 447, 460, 501, 541, 579 – relationale Interpretation 408, 409, 450–459, 531 – als ‚res nova‘ 141, 208, 209, 335, 369, 378, 400–403, 424, 425, 460, 463, 481, 560, 566, 575, 580 – ontologisch singulär 317–319, 335, 347, 369, 424, 436f – jenseits der ontologischen Alternative von Substanz und Akzidenz 436f, 565 persona simplex/composita (siehe auch unio personalis; Inkarnation) 140f, 142f, 209, 210, 425, 427 Pfalz, Pfälzer (Theologie) 251, 253, 350–356 Pfalz-Neuburg 122 Pharisäer 466, 467 Philippismus, philippistisch 216, 234, 297, 371, 375, 390, 417 Philosophie (siehe auch Metaphysik, Logik; Ontologie; Vernunft) 51, 52, 58f, 89, 200, 315–317, 357 – philosophia vera/falsa 315f – philosophia sobria/corrupta 315 ‚Photinianismus‘ siehe Sozinianismus Platonismus, platonisch 176, 380, 406
671
Polen 370 Pomesanien 387 Potenz (δυναμις) 342, 361f, 427 Prädestination(slehre) 12, 34, 35, 125, 227, 359, 475 Praedicabilia siehe Prädikabilien Praedicatio identica (siehe auch Prädikationen) 480, 493 Prädikabilien 477, 479, 481 Prädikationen (praedicationes, propositiones) (siehe auch propositiones personales) – satzlogische Struktur (siehe auch limitatio; particulae distinctivae; Synecdoche) 55, 219, 224, 335f, 340f, 401, 477, 478f, 488–490, 493f – abendmahlstheologische 479f, 495 – akzidentelle/essentielle 479, 483 – christologische 55, 335–338, 379, 400–403, 413f, 475–497, 503f, 525– 527 – praedicationes disparatorum 318, 475–497, 501, 566 – praedicationes extraordinariae 482, 483, 484 – praedicationes inusitate 473, 481, 482, 484, 487 – reale 268, 283, 341, 479, 481, 525 – paronyme/synonyme 479, 483 – verbale (figürliche) 267, 268, 298, 303, 323, 326, 481 Prag 126, 311, 471 Pragmatologie (siehe auch Onomatologie; Methode) 287 Praesentia (Christi, Dei) siehe Gegenwart praesentia intima/extima siehe Gegenwart Privatkolleg 358 propositiones personales (siehe auch Prädikationen; tota persona: praedicatio) 427f, 475–497 – bei G. Βiel 485f, 493 – bei M. Hafenreffer 475–477 – bei J. Hoecker 477 – bei B. Keckermann 482–485 – bei M. Luther 493f – bei B. Meisner 479–482, 487–496 – bei B. Mentzer 475–478 – bei M. Schaefer 477
672 proprium (siehe auch communicatio) 318f, 325, 359, 363, 534f, 539f – ‚proprium appropriatum‘ 325, 535, 539f – propria των εσω/των εξω 374 Providenz 57, 81f, 110 Quedlinburger Kolloquium 231, 238, 243, 244, 245 Ramismus 478 Rationalismus (siehe auch Deduktion; Syllogismus; Kohärenz; Vernunft und Glauben/Offenbarung) 51f, 60 – der schwäbischen Christologie 12f, 17, 216f, 459, 463–465, 561–567, 574 Raumfreiheit, positive und negative (siehe auch Gegenwart; Transzendenz; Illokalität) 146, 258 Realismus 401, 479 Realpräsenz (siehe auch Abendmahl) 24, 90, 215, 233, 239, 241f, 300, 452 Rechte Gottes siehe sessio ad dexteram Rechtfertigung 29, 186, 197, 276, 310, 312f, 452 – im Osiandrischen Streit 76–78 Reformation(szeit) 30–32, 279 Reformierte, reformierte Theologie (siehe auch Calvinismus, Calvinisten) 45, 46–48, 52, 81, 84, 109, 112, 163, 213, 227, 234, 236, 243f, 248, 254, 312, 417, 444, 452, 476 Refutatio Libri Staffortensis 510 regula Leonis (siehe auch Chalcedonense) 534, 540 Relation 408, 409, 452–455, 459 – Begriff (fundamentum, subjecta, terminus relationis) 454f, 459 – als accidens debilissimum 453f – correlativum 459 – esse aliorum/ad aliquid 453, 454 – reale Identität von fundamentum und terminus 456f – relata realia/verbalia 452 – relationes increatae 453 – christologische Applikation 408, 409, 450–459, 531 ‚Remelanchthonisierung‘ 113, 501 Rinteln 134
Register Sachsen 3, 22, 23f, 38, 43, 91, 272f, 357f, 363, 367, 368, 369, 370, 377, 410, 469, 500, 501, 559, 569 Sakrament siehe Abendmahl ‚Sakramentierer‘ 236 Samland 387 Satisfaktion 192 Satzlogik siehe Prädikationen Schlesien 370 Scholastik(er), scholastisch 76, 217, 305, 310, 311, 312, 313–315, 316, 323, 324, 325, 329, 330, 335, 336, 375, 377, 394, 425, 443, 465, 494 Schöpfer und Schöpfung (siehe auch Geschöpf) 222, 263, 418 Schrift (Bibel) – Schrift und Dogma(tik) 16, 147, 199– 202, 217, 219, 240f, 242, 465–467, 562f, 565, 577 – Schrift und Vernunft 51f, 177, 182, 200–202, 219, 238f, 242, 313–315, 334f, 562f, 564 – Schriftbeweis 54, 147 – Schriftprinzip 201, 234, 236f, 250, 314, 315f – Klarheit 314, 315 Schulphilosophie (siehe auch Logik; Ontologie; Metaphysik; Vernunft) 12, 16, 34, 111, 312, 356, 357, 427, 438, 463, 478, 491 Schweiz(er), schweizerisch 218, 224, 252, 418 Sessio ad dexteram (siehe auch ascensio) 193, 195f, 215, 234, 238, 239, 240, 241, 262, 321, 445 Signifikation siehe Abstraktion/Konkretion; Hermeneutik Simul – konträrer Bestimmungen 26f, 222, 255f, 264, 397, 436, 443, 495, 544 – von Leiden und Herrschaft (christologisch) 22, 155f, 171, 193–198, 221f, 248, 397, 436, 544–553, 554– 556, 572f, 575f, 577f Sitzen Christi zur Rechten Gottes siehe sessio ad dexteram Soteriologie (siehe auch unio mystica) – und Christologie 29f, 76–78 – Rechtfertigung 77f Sozialdisziplinierung 31
III. Sachen sozialpsychologische Interpretation 20, 28f Sozinianer, Sozianismus 50, 55, 61, 109, 133, 181, 227, 570 Spätreformation, spätreformatorisch 217 Spekulation, spekulativ (siehe auch Rationalismus) 464, 561, 563, 565, 573 Spiritualismus 176 Spiritualpräsenz (siehe auch Gegenwart) 67 Stände Christi siehe status Christi; Erhöhung; Entäußerung; status Christi (siehe auch Entäußerung; Erhöhung; Kenose; Krypsis; ταπεινωσις) – Distinktion 124 – duplex 155f – exaltationis 94–96, 155f – exinanitionis 23, 94–96, 155f, 246, 264, 321 – humiliationis 514 – triplex 281 status quaestionis (des kenotischen Streites) 131–136, 136–138, 152– 158, 180f Stettin 370 Stoa 433f Stralsund 370 Stuttgart 286 Stuttgarter Kolloquium 215 Straßburg 2, 42, 49, 57, 134, 257, 357, 358, 471 Studienanleitungen 285f sub contrario (siehe auch Simul) 265, 576 Subsistenz, subsistere (siehe auch Enhypostasie) 140f, 142f, 148, 160f, 213, 218, 229, 258, 441, 442f, 448 Subsistenztheorie 217 Substanz(sbegriff) 12f, 110–112, 150, 204, 217 – prima substantia 217 Sündenvergebung 466f suppositale Union siehe unio suppositalis suppositum (siehe auch unio suppositalis) 217f, 262, 331–333, 443, 451, 473 – actiones sunt suppositorum 443, 508
673
sustentari (christologisch) siehe unio suppositalis Syllogismus siehe Deduktion ‚Syllogismus Oleviani‘ 156–158, 190, 243, 248, 257, 261, 262, 274 Symbolum Quicunque 140 Synamphoterismos (συναμφοτερισμος) (siehe auch εκατερωσις; tota persona) 293, 348, 359, 365, 367 Synecdoche, synecdochisch (siehe auch limitatio; particulae distinctivae) 323, 324, 326, 337f, 345–347, 477, 484, 504, 511 Synode – Königsberg 388 System (siehe auch Deduktion, Syllogismus, Kohärenz) 38, 287, 562f ταπεινωσις (siehe auch Entäußerung;
Kenosis) 514, 545f terminus unionis (siehe auch Hypostase; unio personalis: Konstitution) 139f, 187, 208, 212, 257f, 441f, 457 Theogenese siehe Inkarnation theologia crucis (siehe auch sub contrario) 460 Theologie – Begriff 281, 285 – Praxisbezug (usus) 281, 287 – Studium 285f – natürliche/geoffenbarte (siehe auch Gotteserkenntnis) 200 – wissenschaftliche 34, 35f, 281, 285, 287f, 582 – als praktische Wissenschaft 287f – und Frömmigkeit/Religion 3, 4, 5, 31, 33–35, 36, 582 – und Historie 4f, 6f – und Philosophie (siehe auch Vernunft und Glauben/Offenbarung) 16f, 200, 312–317 theopaschitische Frage (siehe auch Apathie; appropriatio; Idiopoiesis) 25– 27, 38, 134–136, 192f, 197f, 207, 248, 250–256, 266–271, 275, 277– 280, 283, 293, 296, 298, 299, 302, 303, 304, 309, 311, 322–327, 343f, 353–356, 373, 392, 394, 420, 436, 460–462, 468, 469, 471–475, 500, 512f, 515, 560, 570, 571, 572, 573
674 Teil/Ganzes-Logizität siehe totum/partes tota persona (Christi) 318 – praedicatio de tota persona (siehe auch εκατερωσις; Synamphoterismos; limitatio; particulae distinctivae) 283, 294–296, 303, 304, 307f, 320, 328– 338, 344, 345–349, 351f, 356, 367, 378,379, 394, 470, 502, 504f, 507, 509, 511, 515–517, 518–527 totum – essentiale/accidentale 318, 340f, 347, 348, 369, 438 – extraordinarium 346, 347 – integrale 346, 369, 438–440 – personale (hypostaticum) 348 totum/partes 55, 318, 345–347, 437– 443, 485, 491 totus Christus/totum Christi 440 ‚totus Christus indivisus‘ 553, 554, 561, 562, 577 Tradition(sbruch) 18–20, 40, 249f, 274, 356, 499, 501, 558, 568 Transsubstantiation (siehe auch Abendmahl; Realpräsenz) 215, 495 Transzendenz (siehe auch praesentia intima) 175, 222, 258f, 263f, 575, 579 Transzendierung, noetische 265 Trinität(slehre) 8, 76, 185, 281, 426, 429, 430, 432, 434, 437, 460, 472, 473, 543, 549, 579f Tübingen – Evang. Stift 161, 312 – theol. Fakultät 1f, 28f, 43, 114–130, 131f, 249, 281, 285, 311, 341, 350, 471, 474, 478, 558 – Schreiben der theol. Fakultät an B. Mentzer vom 1. Sept. 1619 114, 118, 120, 127f, 120, 131–162, 173, 198, 211, 272, 552 – Universität 2, 357 ‚ubi Deus, ibi homo‘ 168, 213–215, 216, 219, 223–225, 238, 239, 242, 263, 445, 557, 558 Ubiquismus, gemäßigter (siehe auch Majestät) 15, 18f, 251, 256, 257, 261, 262, 263, 279f, 282, 358, 362, 423f, 447, 468, 470, 557f, 560, 561, 579
Register Ubiquität(slehre) 2, 40, 45, 52f, 54, 57, 84, 165, 195, 213, 225, 231, 232, 233, 236, 237, 238, 242–247, 262, 411, 445f – ‚krasse‘ 52f, 54, 57, 69, 74, 153, 216, 415, 445 – ‚de ubiquitate non est disputandum‘ 235 – ‚Ubiquitarier‘ 314, 415, 416, 464 Ulm 358 unio – Begriff 450f, 452, 459 – und unitas 318, 488–490 – als Relation 452–459 – als Kopräsenz des Vereinigten 187, 422, 423, 424, 438–440, 445 unio formalis 217 unio hypostatica siehe unio personalis unio mystica (siehe auch approximatio peculiaris) 29, 101–103, 183–186, 581 unio personalis – als Akt (unitio)/Status (unio) 441 – immediata/mediata 441f – ontologische Struktur (genus/differentia specifica; principium materiale/formale) 423–459, 463f – Konstitution (siehe auch terminus unionis) 139f, 207f, 210, 265, 280, 441f – als unio disparatorum siehe praedicationes disparatorum – als Einwohnung (inhabitatio) 147– 149, 571 – als Kommunikation 81, 82f, 204–206, 225, 280, 398, 408f, 458f, 492f – als Neubestimmung von Gott und Mensch (siehe auch Inkarnation) 150, 206–209, 212, 269, 398, 400–403, 426, 495f, 541, 555, 565–567 – als Perichorese 145–147, 225, 427f, 432–437, 462, 496f, 541, 560, 578 – und Ständedifferenz (siehe auch Entäußerung; Erhöhung; usus der Majestät) 151, 152–158, 168–171, 189– 193, 193–198, 210, 211, 242–248, 250, 261, 362, 444–448 – und Weltgegenwart Christi 56f, 72f, 83f, 87f, 94–96, 124, 134, 136–152, 154–158, 160, 165–167, 187–190,
675
III. Sachen 198–202, 212, 223, 225, 229f, 238f, 242–247, 248, 259–261, 262, 321, 432, 444–448 – Perfektion/Perfektibilität 8f, 168f, 189f, 196f, 247f – Totalität 188, 571 – altkirchliche 428f, 434 – bei J. Brenz 418–423 – bei S. Gesner 450–459, 465–467 – bei B. Meisner 437–449 – bei M. Schaefer 423–428 – bei Th. Wegelin 428–433 unio suppositalis 14, 217f, 262, 280, 324, 331–333, 334, 339f, 398, 417f, 426, 428, 486f unio von anima und corpus 280, 338, 342, 421, 424, 434, 451, 453, 456f – relationale Interpretation 456f unio von forma und materia 424 Union, kirchliche 7 Universalien 397 unum – essentiale/accidentale/integrale 318, 340f, 424f – essentiale/existentiale 488f, 497 unum (ens) hypostaticum/personale (siehe auch unio personalis) 426, 433, 437 ‚unum omnia‘ (siehe auch Inkarnation; Simul; Perichorese) 275, 432, 543, 556, 557, 578 usus der Majestät durch die Menschheit Christi siehe Ubiquismus, gemäßigter; Entäußerung; Erhöhung; Kenosis; Krypsis) – usus reflexus/ad extra (siehe auch Simul) 321f, 548–551, 552, 553, 554, 559, 564, 573 Vergottung der Menschheit Christi (siehe auch Theogenese; Inkarnation) 361 Verheißung (Christi, Gottes) 88f, 147, 151, 190, 191, 199, 202, 228, 240f Vernunft (ratio, intellectus) (siehe auch Deduktion; Rationalismus; System; Wahrheit) – und Glauben/Offenbarung 11, 12f, 28, 51f, 89, 107, 108, 238f, 312–317, 354, 397, 431, 436f, 463–465, 486
Visitationsartikel, sächsische 358 Voluntarismus 88f, 109, 113 Wahrhaftigkeit (Christi) (siehe auch Verheißung) 89f Wahrheit 36, 55, 207, 477, 481, 488– 490, 493, 494, 582 – doppelte (siehe auch Hof(f)mann’scher Streit) 51, 238f, 312, 316 – veritas Dei 316 – veritas rationalis/spiritualis 316 Weigelianismus 102f, 183f Welt (siehe auch Geschöpf/Schöpfung) – ontologische Dependenz 222, 227f, 418, 574 Werden, geschichtliches (fieri) 140f, 142, 206–209, 210, 425, 575 Westfälischer Frieden 32 Widerspruchsprinzip (siehe auch Simul) 255f, 436 Wille (Christi) 89f ‚Winkel-Gott‘ 188 Winnenden (Württemberg) 358 Wissenschaft (siehe auch Methode; System) – Theologie als Wissenschaft siehe Theologie – Wissenschaftstheorie 287f, 315–317, 318, 478 Wittenberg(er Christologie, Theologie) 2, 14, 22, 23, 43, 218, 231, 234, 256, 277, 281, 285, 297, 311, 357f, 359, 370, 371, 387, 390, 410, 469, 470, 471, 472, 473 Wolfenbüttel 231 Wort Gottes siehe Schrift (Bibel); Einsetzungsworte; Verheißung; Hermeneutik Wunder (siehe auch Allmacht Christi) 263, 264, 432, 466f, 468, 508 Württemberg 231f, 233, 234, 235, 244, 246, 248, 249, 250, 251, 255, 262, 272, 281, 302, 471–473 υπερυψωσις (siehe auch Metapoiesis)
288, 293, 373, 500, 503f, 507, 521 Zeit, zeitlich siehe Werden, geschichtliches Zensur 119
676 Zwei-Naturen-Lehre (siehe auch unio personalis; Person Christi) 204–206, 576f – und Personeinheitslehre 204, 219 – und communicatio Idiomatum 204f, 577 – ‚Generalisierung‘ 222, 416, 417–419, 422, 423
Register Zwei-Stände-Lehre siehe Entäußerung; Erhöhung; status Christi; Ubiquismus, gemäßigter ‚Zwei-Welten-Lehre‘ (J. Brenz) (siehe auch Akosmismus; Transzendenz) 176, 220–223 Zwinglianer, zwinglianisch 293, 298, 302, 467, 473