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German Pages 350 [354] Year 1976
Jahrbuch des Museums fürVölkerkunde zu Leipzig BAND XXX
AKADEMIE-VERLAG 1975
BERLIN
JAHRBUCH DES MUSEUMS FÜR V Ö L K E R K U N D E ZU LEIPZIG BAND X X X
HERAUSGEGEBEN VOM DIREKTOR
AKADEMIE-VERLAG 1975
BERLIN
Redaktion: Rolf Krusche Die Autoren sind für den Inhalt ihrer Abhandlungen selbst verantwortlichRedaktionsschluß: 20. Februar 1974
Karten: Fotos:
THOMAS
E R N S T , HIMMELHEBER, HOLAS, K B U S C H E , H A N S E , WIECKHORST, M Ü L L E R
Zeichnungen:
THOMAS
Alle Kechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen © 1975 by Museum für Völkerkunde zu Leipzig Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Str. 3—4 Lizenznummer. 202 • 100/121/75 Gesamtherstellung: IV/2/14 VEB Druckerei »Gottfried Wilhelm Leibniz«, 445 Gräfenhainichen/DDR • 4458 Bestellnummer. 752 427 4 (2085/11/16) • LSV 0705 Printed in GDE
EVP 3 5 , -
Tora-Gruppe beim Drusch, Mali
Inhaltsübersicht
WOLFGANG KÖNIG,
Leipzig
Dietrich Drost ( 1 9 2 8 - 1 9 7 4 ) Budapest Die feudale Gesellschaft und die Europäische Ethnologie". E i n e Untersuchung am ungarischen Beispiel
5
TAMÄS HOFFMANN,
ELENA KOLEVA,
Plovdiv
Historisch-demographische Angaben über die Bevölkerung des Plovdiver Gebietes in der Zeit der Türkenherrschaft SEV'JAN I. VAJN§TEJN,
61
Leipzig
Die Bedeutung des Y a k s und seiner Kreuzungen für die Bevölkerung in den Hochgebirgszonen Zentralasiens KLAUS ERNST,
51
Moskau
Das Problem der Entstehung der Rentierzucht in Eurasien (Mit 5 Figuren im T e x t ) HELGA NEUBEBT,
13
93
Leipzig
Die traditionellen Institutionen der gegenseitigen Hilfe im heutigen malinesischen Dorf (Mit farbigem Frontispiz) 101 THEA BÜTTNER,
Leipzig
The Importance of the Pre-Colonial African States for the Historical Progress in their Time IRMGARD SELLNOW,
Berlin
Handicraft and Trade — their Importance in Respect to the Dynamics of Development in Ancient African States HANS HIMMELHEBER,
123
Heidelberg
Einige Mitteilungen über Metallmasken der nördlichen Dan, Elfenbeinküste (Mit 4 Abbildungen auf Tafel I - I V ) ROLF KRUSCHE,
113
131
Leipzig
Zur Genese des Maskenwesens im östlichen Waldland Nordamerikas. Dr. Siegfried Wolf zum 65. Geburtstag (Mit 1 Farbtafel und 9 Figuren im T e x t )
137
4
Inhaltsübersicht Leipzig F e d e r h a u b e n bei I n d i a n e r n des östlichen N o r d a m e r i k a (Mit 31 Abbildungen auf Tafel V - X X I V )
191
Davis, Calif. Strategies for Food P r o d u c t i o n and the Rise of U r b a n i s m in Mesoamerica: An Ecological View. (With 1 Figure)
205
LOTHAB DRÄGER,
K E N N E H - K . CHANG,
Lima, u n d W E R N E R A . H A R T W I G , Leipzig San J u a n B a u t i s t a de P a c h ä c h a c a — eine Comunidad in der zentralen Andenregion Perus (Mit 2 K a r t e n u n d 10 Abbildungen auf Tafel X X V - X X X I ) . . 231
J U D I T N . ARATJCO O . ,
Leipzig Grundaspekte der Indianerfrage u n d ihre Beziehungen Agrarfrage in Chile bis zum J a h r e 1970 (Mit 1 K a r t e )
VERA HARTWIG,
Anschriften der Mitarbeiter dieses Bandes
zur 291 305
Dr. phil. habil.
DIETRICH D R O S T
6 . 1. 1 9 2 8 - 1 0 . 4 . 1 9 7 4
Am 10. April 1974 verstarb nach langer schwerer Krankheit im Alter von 46 J a h r e n der langjährige verdiente Mitarbeiter und stellvertretende Direktor des Museums für Völkerkunde Leipzig Dr. phil. habil. D I E T R I C H D R O S T . Geboren am 6 . J a n u a r 1 9 2 8 besuchte D I E T R I C H D R O S T von 1 9 3 7 bis 1 9 4 5 das Gymnasium in Eisenach, legte 1946 die Reifeprüfung ab und begann im gleichen J a h r an der Humboldt-Universität Berlin mit dem Studium der Geschichte, Slawistik, Germanistik und Philosophie. E r hörte bei den Professoren M E U S E L , V A S M E R , W O L T E R und S T E I N I T Z . Besonders die starke Persönlichkeit Wolfgang Steinitz' wirkte formend auf den weiteren wissenschaftlichen Lebensweg D I E T R I C H D R O S T S : Sein Interesse zur Völkerkunde wurde geweckt. 1 9 4 8 wechselte er von Berlin nach J e n a über, studierte hier Vorgeschichte, Ethnographie und Anthropologie, legte 1951 das Staatsexamen in Vorgeschichte und Völkerkunde ab und promovierte 1 9 5 2 bei Professor B E H M - B L A N C K E in Jena. Seit 1 9 5 0 Hilfsassistent am Institut für Anthropologie und Völkerkunde der Universität J e n a wurde er 1 9 5 2 Assistent bei B E R N H A R D STRUCK und nahm 1 9 5 6 seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Museum für Völkerkunde Leipzig unter dem Direktorat von H A N S D A M M auf. Die zwei Jahrzehnte, die es D I E T R I C H D R O S T als Wissenschaftler zu wirken vergönnt war, hat er vorwiegend der Erforschung und Publizierung der Geschichte, Kultur und Lebensweise der Völker Afrikas gewidmet. Mehr als 40 wissenschaftliche Arbeiten, Bücher, Aufsätze, Buchbesprechungen und Ausstellungsführer stammen aus seiner Feder. Er arbeitete mit an Lexika, schrieb Gutachten für Verlage und Dissertationen, hielt Vorlesungen in Berlin, Leipzig, J e n a und Halle, referierte auf nationalen und internationalen Veranstaltungen. D I E T R I C H D R O S T nahm 1 9 5 7 / 5 8 an der Butana-Expedition der D D R teil, 1 9 5 9 habilitierte er. Er wirkte verantwortlich mit am Aufbau des Nationalmuseums der Republik Ghana, gestaltete Sonderausstellungen und baute unsere große Dauerausstellung „Afrika südlich der Sahara" auf. Die Aufzählung bei weitem nicht aller Daten beweist die Fruchtbarkeit, Vielseitigkeit, die Produktivität seines Schaffens, die er durch außergewöhnliche Arbeitsintensität, hohe Disziplin und absolute Identifizierung mit der Sache erreichte. Es gab für ihn keine Routine, er suchte, ob in der Forschung, ob in der Ausstellungsarbeit, ob in der populären Darstellung wissenschaftlicher Ergebnisse stets nach neuen Fragestellungen und neuen Lösungswegen.
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WOLFGANG KÖNIG
D I E T R I C H D E O S T hat an der Entwicklung des Museums für Völkerkunde Leipzig und darüber hinaus an der Entwicklung der Ethnographie in der D D R wesentlich mitgewirkt. Ihm ist über die Grenzen unseres Staates hinaus hohe Wertschätzung zuteil geworden. In Anerkennung seiner Arbeit wurde er mit der Medaille für ausgezeichnete Leistungen geehrt, er wurde zum Mitglied repräsentativer wissenschaftlicher Gremien der D D R berufen. Sein Tod hat eine Lücke gerissen, die wir nur schwerlich schließen können. Er war ein Vorbild an Pflichterfüllung und Verantwortungsbewußtsein. Wir werden sein Werk und seinen Namen immer in ehrendem Gedenken bewahren. WOLFGANG
KÖNIG
Verzeichnis der Schriften und Vorlesungen Dietrich Drosts
Publikationen 1953 Mehrtüllige Tongefäße in Afrika und ihre Beziehungen zum Mittelmeergebiet. Eine völkerkundlich-vorgeschichtliche Studie. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Jahrgang 3; Mathematisch-Naturwissenschaftliche Reihe, Heft 1 (1953/54), S. 61-79. Jena. 1954 Zur Gliederung und Herkunft der metallenen Feuerböcke Mitteleuropas. In: Ethnographisch-Archäologische Forschungen, Heft 2 (1954), S. 100—158. Berlin. 1955 Die Skelettfunde von Ingersleben. In: Alt-Thüringen, Band I (1953/54), S. 265272. Weimar. 1956 Tönerne Trommeln in Afrika. In: Jahrbuch des Museums für Völkerkunde zu Leipzig, Band XIV (1955), S. 31-61. Leipzig. 1957 Tönerne Dachaufsätze in Afrika. In: Jahrbuch des Museums für Völkerkunde zu Leipzig. Band XV (1956), S. 83-105. Leipzig. 1958 Rezension African Methods of Fire-Making. (Studia Ethnographica Upsaliensia X). Uppsala 1954. In: Ethnographisch-Archäologische Forschungen, Heft IV, Teil 1 und 2, S. 298-299. Berlin.
LAGEBCBANTZ, STUBE
1959 Völker der Republik Sudan. Sonderausstellung 1959. (Museum für Völkerkunde zu Leipzig). 12 S. Leipzig. Rezension: African Axes. (Studia Ethnographica Upsaliensia Uppsala 1958. In: Afrika und Übersee, Band X L I I I , S. 153-156. Berlin.
WIDSTEAND, CARLGÖSTA,
XV).
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WOLFGANG KÖNIG
1960 Transportable Herde in Afrika. I n : Jahrbuch des Museums für Völkerkunde zu Leipzig. Band X V I I (1-958), S. 140-157. Berlin. Direktor Prof. Dr. H A N S D A M M 65 Jahre. I n : Mitteilungen aus dem Museum für Völkerkunde zu Leipzig, Nr. 2, S. 1—3. Leipzig. Rezension: African Axes. (Studia Ethnographica Upsaliensia X V ) . Uppsala 1958. In: Zeitschrift für Ethnologie, Band 85, S. 157—161. Braunschweig. WIDSTKAND, CARL GÖSTA,
1961 Die Sonderausstellung „Völker der Republik Sudan" 1959/60. I n : Jahrbuch des Museums für Völkerkunde zu Leipzig. Band X V I I I (1959), S. 113-138. Berlin. Eine Reiterdarstellung aus dem Kameruner Grasland. I n : Beiträge zur Völkerforschung. H A N S D A M M zum 65. Geburtstag. (Veröffentlichungen des Museums für Völkerkunde zu Leipzig, Heft 11), S. 104-113. Berlin. Museum und Universität. I n : Mitteilungen aus dem Museum für Völkerkunde zu Leipzig. Nr. 8, S. 4—8. Leipzig. ' Stichwörter zur Kunst außereuropäischer Völker („afrikanische Kunst", „Indianer- und Eskimokunst", „Naturvölker, Kunst", „Ozeanien, Kunst", u. a.). I n : Meyers Neues Lexikon in acht Bänden. Leipzig 1961 ff.; Zweite, völlig neu erarbeitete Auflage in achtzehn Bänden. Leipzig 1971 ff. 1962 Mere und Hei-Tiki. I n : Mitteilungen aus dem Museum für Völkerkunde zu Leipzig. Nr. 10, S. 2—5. Leipzig. Rezension Die Nubier. (Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Völkerkundliche Forschungen, Band 2), Berlin 1957. In: Petermanns Geographische Mitteilungen, Jahrgang 1962, Heft 1, Gotha. HERZOG, ROLF,
1963
Kunst aus Afrika. 39 S., 24 Tafeln. Leipzig: Museum für Völkerkunde. (Nachdruck: 1966). Einige Bemerkungen zur Töpfereitechnik. I n : Alt-Thüringen, Band VI ( 1 9 6 2 / 1 9 6 3 ) ; G O T T H A R D N E T J M A N N zum sechzigsten Geburtstag am 8. Juni 1 9 6 2 ) , S . 6 4 1 - 6 5 1 . Weimar. Zur Technik der Holz- und Metallbearbeitung in Afrika. I n : Mitteilungen aus dem Museum für Völkerkunde zu Leipzig, Nr. 15, S. 2 - 5 . Leipzig. Rezension Die Völker Afrikas. Ihre Vergangenheit und Gegenwart. Unter der Redaktion von D. A. O L D E R O G G E und 1 . 1 . P O T E C H I N . 2 Bände. Berlin 1 9 6 1 . In: Ethnographisch-Archäologische Zeitschrift, Jahrgang 4, Heft 2 , S. 1 8 2 - 1 9 0 . Berlin.
Dietrich Drost
(1928-1974)
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Rezension B O E I S D E , Afrikanische Kunst. Übersetzt von J . H A L F E E I N , Zürich—Stuttgart 1960. In: Orientalistische Literaturzeitung, 58. Jahrgang,, Nr. 11/12, S. 608-610. Berlin. 1964 Mumifizierung in Afrika. In: Jahrbuch des Museums für Völkerkunde zu Leipzig, Band XX, S. 250-269. Berlin. Ornament und Plastik fremder Völker. Einführung (S. 5—16), Afrika (S. 121 — 133). Leipzig. Besondere Verhaltensweisen in Verbindung mit dem Töpferhandwerk in Afrika, In: Festschrift für A D O L F E . J E N S E N , Band I , S . 1 0 3 - 1 1 1 . München. Anthropologen und Völkerkundler aus aller Welt trafen sich in Moskau. Int Mitteilungen aus dem Museum für Völkerkunde zu Leipzig, Nr. 4, S. 8—12, Leipzig. RACHEWILTZ,
Rezension Die geographischen Grundlagen der Wirtschaft Ghanas unter besonderer Berücksichtigung der agrarischen Entwicklung. Wiesbaden 1961. In: Orientalistische Literaturzeitung, 59. Jahrgang, Nr. 1/2, S. 88—91. Berlin. MANSHAED, WALTHEE,
Rezension Afrikanische Skulpturen. Beschreibender Katalog. (Museum Rietberg). Zürich 1963. In: Tribus 13, S. 176-177. Stuttgart. 1965 Handel und Märkte in Afrika. In: Mitteilungen aus dem Museum für Völkerkunde zu Leipzig, Nr. 1/1965, S. 1—5. Leipzig. Daten zur afrikanischen Geschichte. In: Weltgeschichte in Daten. (Herausgegeben von A L F R E D A N D E E L E und vielen anderen Mitarbeitern) Berlin. LETTZINGEE, E L S Y ,
Rezension Die Religionen Afrikas. (Die Religionen der Menschheit, 6). Stuttgart 1963. In: Orientalistische Literaturzeitung, 60. Jahrgang, Nr. 1/2, S. 88-91. Berlin.
DAMMANN, EENST,
Rezension J. H., Der Ost-Sudan. Entwicklungsland zwischen Wüste und Regenwald. (Abhandlungen des 1. Geographischen Instituts der Freien Universität Berlin, Bd. 7). In: Orientalistische Literaturzeitung, 60. Jahrgang, Nr. 5/6, S. 295-296. Berlin. SCHULTZE,
Rezension STIENIMANN, H A N S , Nguni und Ngoni. Eine kulturgeschichtliche Studie. (Acta. Ethnologica et Linguistica, Nr. 6). Wien 1963. In: Tribus 14, S. 219-220. Stuttgart.
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WOLFGANG K Ö N I G
1966 Die Sonderausstellung „Kunst aus Afrika" (1963—1965). In: Jahrbuch des Museums für Völkerkunde zu Leipzig. Band XXII, S. 85—100. Berlin. Rezension Die Rolle des Hundes in afrikanischen Kulturen. (Studien zur Kulturkunde,, Band XVII). Wiesbaden 1965. In: Tribus 15, S. 192-193. Stuttgart. 1967 "Töpferei in Afrika. Technologie. (Veröffentlichungen des Museums für Völkerkunde zu Leipzig, Heft 15). 289 S. Berlin. •Souvenirs aus Afrika. In: Mitteilungen aus dem Museum für Völkerkunde zu Leipzig, Nr. 1/2, 1967, S. 16^24. Leipzig. 1968 'Töpferei in Afrika. Ökonomie und Soziologie. (Bernhard Struck zum 80. Geburtstag). In: Jahrbuch des Museums für Völkerkunde zu Leipzig, Band XXV, S. 131 -270. Berlin. Kunst aus Zentralafrika. In: Mitteilungen aus dem Museum für Völkerkunde •zu Leipzig, Nr. 3/4, 1968, S. 13-20. Leipzig. Die internationalen Beziehungen des Museums für Völkerkunde zu Leipzig. In : Neue Museumskunde, Jahrgang 11, Heft 4, S. 437-443. Berlin. T R A N K , BARBARA,
1969 kulturhistorisches Museum. In: Jahrbuch des Museums für Völkerkunde zu Leipzig, Band XXVI (Zum hundertjährigen Bestehen 18691969), S. 41-83. Berlin.
GUSTAV KLEMMS
Rezension F. E., Das Rind in den Felsbilddarstellungen Nordafrikas. (Studien zur Kulturkunde, Band 20). Wiesbaden 1967. In: Orientalistische Literaturzeitung, 64. Jahrgang, Nr. 3/4, S. 210-212. Berlin. RESCH, WALTHER
Rezension Les Zande dans l'histoire du bahr el ghazal et de l'équatoria. (Collection du Centre national des problème^ sociaux de l'industrialisation en Afrique noire). Bruxelles 1964. In: EthnographischArchäologische Zeitschrift, Jahrgang 10, Heft 1, S. 90—91. Berlin. THURIAUX-HENNEBERT, ARLETTE,
1970 und seine Sammlung. In: Mitteilungen aus dem Museum für Völkerkunde zu Leipzig, Nr. 1/2, 1970, S. 20-28. Leipzig.
'GUSTAV K L E M M
1971 Wegweiser durch Geschichte und Ausstellungen. 108 S., Leipzig: Museum für "Völkerkunde.
Dietrich Drost (1928-1974)
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Rezension und BURCHARD BRENTJES, Alte afrikanische Plastik: Nok, Ife, Benin. Leipzig 1967. In: Neue Museumskunde, Jahrgang 14, Heft 1/71, S. 73-74. Berlin. 1973 Bedeutender Zuwachs für Sammlungen und Bibliothek. In: Mitteilungen aus arsame Kollektion individueller Stücke; und sie werden bei der Zusammenstellung der Möbel nicht mehr mit den gezimmerten Stücken häuslicher Werkarbeit oder bäuerlichen Hausgewerbes gepaart. Damit aber schwanden mehr und mehr die aus Hartholz gearbeiteten Möbel, und mit ihnen einige sorgsam gehütete Stücke der die Wandschränke zierenden Zinngefäße, der gewissermaßen monotone Stil einer verschollenen Wohnkultur. Dafür blühte ein Stil auf, der lebhafte F a r b e n bevorzugte, der sich seiner Muster an Möbeln, Wohntextilien und Zierkeramik gleicherweise brüstete. Diese Wohnung war eine neue Möglichkeit der Repräsentierung: war die „Auslage". Ihr Stil brüstete sich nicht allein in der auf die Straße gehenden Stube, vielmehr verlieh er, wenn auch weniger auffallend, auch der Wohnstube neue Farben. Diese spektakulären Neuerungen störten aber keineswegs die innervierten Gewohnheiten, die seit Generationen überlieferte konventionelle Lebensordnung. Trotz der Veränderungen verspürte vorerst niemand in diesen Häusern den Bedarf nach einem eigenen Schlafzimmer und nach einem Tagesraum, obschon es die materiellen Verhältnisse ermöglicht hätten. Damit aber entfernte sich die so veränderte Wohnkultur endgültig von dem durch die Bürger repräsentierten Urbanen Entwicklungsweg. Denn wie die T e stamente der Bürger zeigen, hielten diese in der zweiten Hälfte des 18. J a h r h u n derts den Salon bereits für unerläßlich, womit sie etwas verspätet die Gepflogenheiten der urbanisierteren Gegenden des Kontinents nachahmten. I m Unterschied zur mittelalterlichen Urbanisierung in West- und Mitteleuropa, die diese Wohnkultur auch auf dem Lande, im Dorf heimisch werden ließ, wurde das ungarische Dorf von diesem Wandel der Bedürfnisse und Gepflogenheiten niemals erfaßt. Das Heim der Agrarbevölkerung und der ihr gleichgestellten Handwerkerschaft wahrte nach wie vor die im Mittelalter erzielten Leistungen, ja, es reproduzierte sie mangels tatsächlicher Alternativen nunmehr in unbegründeter Menge, sozusagen gedoppelt. Die Veränderung im Gepräge der Baulichkeiten und ihrer Einrichtungen scheint bloß die Formenwelt der Wohnhäuser gewandelt zu haben. Zur selben Zeit hielten sich alle Wirtschaftsgebäude des Hofes an die im Mittelalter herausexperimentierten Formen, und die alten Dimensionen erwiesen sich — soweit man aus den mangelhaften Denkmälern rückfolgern k a n n — nach wie vor als ausreichend. Auch das ist in dem Zusammenhang interessant, weil der ökonomische Aufschwung die Sorgen der Produktenspeicherung erhöhte und mit der intensiveren Viehhaltung auf den gutsherrschaftlichen Gütern eine ganze Reihe von Wirtschaftsgebäuden unterschiedlicher Bestimmung in der nächsten Nachbar^ Schaft der barocken und klassizistischen Schlösser und Herrensitze entstehen FBOLEC, V., D i e g e m e i n s a m e n u n d d i f f e r e n z i e r e n d e n E l e m e n t e in d e r V o l k s b a u k u n s t d e r D o n a u g e b i e t e . E t h n o l o g i a Slavica. I I . (1971). 7—57. D O M A N O V S Z K Y , GY., Ungarische Bauerntöpferei. B u d a p e s t . 1 9 6 8 . CSILLEBY, K . , U n g a r i s c h e B a u e r n m ö b e l . B u d a p e s t . 1972.
Feudale Gesellschaft und Ethnographie Europas
45
ließ — und hierbei neue Formen und Ausmaße, neue statische und baustrukturelle Lösungen schuf. Von all dem konnte aber der Bauer nichts mehr für sich verwenden. Ebensowenig konnte er die Neuerungen adaptieren, die in der städtischen Architektur bei den Bürgern standardisiert wurden und die Begabung' einstiger Baumeister und die fachlichen Kontakte fast zur Hälfte des Kontinents bezeugten. Die mehrgeschossige Bauweise, deren ländliche Mode seit der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert in den mit Städten gespickten, von Handelswegen durchquerten Strichen des atlantischen und zentralen Europas das Dorfbild in immer weiteren Gegenden veränderte 24 , blieb selbst in den Perioden der Konjunkturen im Karpatenbecken eine unbekannte Praxis. Es läßt sich nicht bestreiten, daß die Wandlung der Merkmale der materiellen Kultur in der westlichen Zivilisation der Stadtbürger durch die Handwerker ausgelöst wurde. Die weitverzweigten Fäden der traditionellen Beziehungen zwischen Stadt und Land, die in den Händen der beiderorten tätigen Meister zusammenliefen, erweisen sich vorerst noch als so starke Bindungen, daß sie alle Verbraucherschichten in ihren Abnehmerkreis zwingen konnten. Dank dieser Beziehungen erneuerte sich die materielle Kultur in der Periode vor der industriellen Revolution. Alle Erfindungen und Neuerungen waren Schöpfungen der handwerklichen Findigkeit, die mit den Ingenieursberechnungen der wissenschaftlichen Spekulation nichts zu tun hatten. Der soziale Trend, der zu diesen Neuerungen Anregungen bot, führte wohl zum Austausch fast des gesamten Arsenals an Geräten und Gebrauchsartikeln, ließ aber dabei den sachlichen Rahmen der Lebensweise der drei Stände in seinem Charakter unverändert. Allerdings waren die quantitativen Unterschiede nach wie vor auffallend. Trotzdem ist ihnen gemeinsam, daß alle drei Stände ihr Leben mit Hilfe handwerklicher Erzeugnisse bestreiten. Mit dieser Praxis dürfte die Wandlung der Lebensform in den Gesellschaften Ostmitteleuropas (und speziell des Karpatenbeckens) kaum übereinstimmen. Während in den industrialisierten Gegenden die technologischen Voraussetzungen der Werkstätten des Bürgertums und die mit ihnen aufs engste verbundenen technischen Ansprüche die Formenwelt der materiellen Kultur regelten, behinderten die häufig ausfallenden Investitionen, die oft einfach unmöglich waren, desgleichen die von der Bevölkerung des Dorfes und des Marktfleckens abweichende soziale Orientierung des Adels und des Bürgertums des Handwerk daran, sich allgemein durchzusetzen. Darum tendierten die breitesten Schichten der Gesellschaft in Richtung des geringsten Widerstandes: Da sie die Mittel ihrer Reproduktion nicht modernisieren konnten, frönten sie mehr und mehr bloß der Mode. 2
J., Mittelmeerländische Einflüsse in der Bau- und Wohnkultur des westlichen Europa. In: Europäische Kulturverflechtungen im Bereich der volkstümlichen Überlieferung. Göttingen. 1967. (Veröffentlichungen des Instituts für mitteleuropäische Volksforschung an der Philipps-Universität Marburg/Lahn Bd. 5.) 1 - 2 7 .
'' S C H E P E R S ,
46
TAMAS HOFFMANN
Den längst vergessenen sozialen Sanktionen des Mittelalters, die einst — in der anderen Hälfte Europas — den Schein der Sonderstellung der drei Stände wahren sollten, scheint nun im Ungarn des 18.—19. Jahrhunderts fröhliche Urständ beschieden zu sein. Nur: Trotz aller Verbote der Verwaltungsstellen war das gemeine Volk auf gute Kleidung bedacht. 25 Die Symptome der urtümlich magyarischen Mode, die in der ungarischen Gesellschaft in den letzten sechs bis sieben Generationen immer wieder deutlich wurden, und die ihr gegenübergestellten Ansprüche beeinflussen heute noch unsere Einschätzungen. I n Wirklichkeit aber dürften sie kaum den Wohlstand symbolisiert haben; im Gegenteil, sie sind als deckende Hülle schwerwiegender Mängel zu betrachten. Sie waren geradezu berufen, die trostlose elende Wirklichkeit zu verschleiern, zu verschönern. So also sah es im großen und ganzen aus. Die überwiegende Mehrheit des Grundstoffes der Unterwäsche wurde seit dem Mittelalter im Rahmen des Bauernhaushaltes erstellt, und diese Rentabilitätsbezogenheit, wenn man so will, Sparsamkeit, gestaltete auch die Schnittmuster dieser Kleidung. Man war nach Möglichkeit darauf bedacht, daß nur wenig Stoff verlorengehe, so daß die Mode der abgeeckten Schnittmuster — entsprechend der zwangsläufigen Mode des feudalen Volkes in anderen Gegenden — die Bekleidungskultur auch hier regelte. Die zur Verzierung benutzten Stoffe und die Textilien der festlicheren, rangbetonteren Kleidungen fügten sich — mit dem Ausbau der lokalen und importierenden Kanäle des Warenverkehrs — mehr und mehr in diese Trachtentradition und bildeten alsbald ihre Ergänzung, und dadurch gesellte sich zur Sparsamkeit—inkaum merklichem Maßefortschreitend — allmählich die internationale Gepflogenheit, der Trend zur Repräsentation, die die sozialen Stände miteinander verband. Dadurch aber ließen sich noch immer nur einige Kleidungsstücke nach Schnittmustern mit geschweiften Linien herstellen, damit sie dem Auftreten von Adligen und Bürgern eine repräsentative Illusion verliehen. Es bedurfte beträchtlich größerer Mengen an fabriks-, manufakturgefertigten Stoffen, damit Bauern und einfache Handwerker ihr Anliegen verwirklichen konnten. Die Protokolle über Preisgebarung und Steckbriefe aus dem 17.—18. Jahrhundert lassen mit ihren Daten keinen Zweifel darüber aufkommen, daß ihre Bemühungen nur von mäßigem Erfolg gekrönt waren. Die vor zwei Jahrhunderten aufgekommene materielle Mobilität wirkte aber schließlich dahin, daß Textilien industriellen Ursprungs massenweise angeliefert wurden und das Volk in Dorf und Marktflecken endlich denen des Adels vermeintlich ähnliche Kleider tragen konnte. Selbstverständlich trat diese Änderung in den Feiertagskleidungen und vor allem in der Oberbekleidung in Erscheinung. Unterwäsche und Arbeitskleidung hielten sich am längsten an die Überlieferungen. I n dieser neuen Situation drangen die gewerblichen, industriellen Erzeugnisse 25
KBESZ,
M., Ungarische Bauerntrachten. (1820—1867). Berlin-Budapest.
I-II. GAB OB JÄN, A., Ungarische Volkstrachten. Budapest. 1969.
1957.
Feudale Gesellschaft u n d E t h n o g r a h i e E u r o p a s
von den industriegefertigten Grundstoffen und den zur Verzierung dienenden Fäden, Metallschnallen, Knöpfen bis zu den von Fachhandwerkern gefertigten repräsentativen Kleidungsstücken (reichbestickte Bauernumhänge, Mäntel, bestickte Pelzumhänge und -jacken/ung. szür, suba, ködmönj usw.) weitgefächert in den Konsum der breitesten sozialen Schichten ein. Es läßt sich nicht bestreiten, daß dieser soziale Trend zur Repräsentation über die industrielle Produktion hinaus sich auch der Selbstversorgung der Verbraucher bediente. Diese Lösung läßt sich historisch gesehen keineswegs als etwas Neues bezeichnen, denn auch diesmal tragen die freien Arbeitskräfte des Konsumentenhaushalts - sie wurden durch die „toten" Zeiten der Agrararbeit gewährleistet — mit der Ausschmückung, der Kleidungsstücke (und der Wohntextilien) zum erwünschten Erfolg der sozialen Repräsentation bei. Das Ergebnis blieb relativ. Das Erbübel bestand nämlich darin, daß die modischen Symptome der Adligen und der Bürger in den traditionellen Städten über die Leistung der vorausgegangenen Generationen schon längst hinausgekommen waren, und daß die durch soziale Kontakte und Kanäle des Warenverkehrs belebte Mobilität ihnen die schnelle Anpassung an die internationale Mode ermöglichte. Dadurch aber fiel das Volk in Dorf und Marktflecken — wir können es trotzder Motivationen seiner Gliederung nach Beschäftigung mit Recht als Bauerntum bezeichnen — in Lebensform und Kultur von den Ständen des Adels und der Bürger immer weiter ab. Die Werkstatt des neuen
Stils
Es mag als ein historisches Paradoxon erscheinen, daß das Streben der Bauern nach Assimilation in der traditionellen Gesellschaft der drei Stände geradewegszu ihrer Distanzierung führte, daß es eigentlich ihre provinzielle Isolation von der alle Möglichkeiten der internationalen sozialen Kontakte mehr oder minder nützenden Aristokratie und Bürgerschaft hervorrief. Das als Folge wurde durch die Produktion des Handwerks materiell gestützt. Das Handwerk erzeugte vor allem Konsumgüter und belebte sich im Sog der bereits angedeuteten Konjunktur. Es war hauptsächlich in den Marktflecken konzentriert und sättigte mit seinen Waren deren Marktbereich. Schreiner, Töpfer, Kürschner, Mantelschneider und Stiefelmacher befriedigten mit den besonderen Dienstleistungen und arbeitsintensiven Produkten ihrer kleinen Werkstätten wohl den Bedarf ihrer unmittelbaren Umgebung an Industrieartikeln. Doch war diese Praxis hinsichtlich ihrer sozialen Effektivität ganz anders gelagert als die der Produzenten von Produktionsmitteln. Der kleine Umfang der Marktbereiche und der Mangel der jeweiligen Produktion an Voraussetzungen zogen die Grenzen, die die modischen Stilbereiche der Konsumgüter geographisch trennten, sozusagen auf eine Tageswegstrecke, was weder die Vereinheitlichung des Stils fördern noch zum Integrierungsfaktor des einheitlichen Nationalmarkteswerden konnte. So war denn die Tätigkeit dieser Werkstätten ein kurioses Dasein, das bloß drei bis vier Generationen umfaßte, genährt in der Hoffnung auf
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TAMAS H O F F M A N N
die Nivellierung der schwerwiegenden Anachronismen durch reelle materielle Quellen, letzlich aber nur Ursache weiterer Illusionen und demzufolge tragischer sozialer Konflikte. Die Massenindustrie der Konsumgüter konnte nichtsdestoweniger an der historisch bedingten technischen Rückständigkeit der Ausrüstung des Handwerks und damit der Haushalte — immer verglichen mit den früher industrialisierten Gegenden Europas —. etliches beheben. Diese Entwicklung erwies sich aber — wiederum gemessen am Maß der Geschichte der Technik — als ziemlich einseitig, wurden doch die Produktionsmittel, des näheren die Arbeitsgeräte, nach wie vor nach alten Modellen erzeugt, wobei ihr Arsenal die Praxis der in den grundherrlichen Betrieben, sodann in den Frondörfern des Frühmittelalters geschaffenen Technologien und betriebsorganisatorischen Prozeduren bewahrte. Andererseits wurde dieser ganze Ablauf immer wieder durch Produkte der überschüssigen Arbeitskräfte in den Haushalten ergänzt, zumeist wohl gerade durch jene, die die Aufstockung der Werte des Haushaltes steigern sollten. So wurde die alte, in der Feudalgesellschaft bei der Aristokratie, sodann gegen Ende des Mittelalters beim Bürgertum erfahrene Praxis der Aufhäufung und Hortung von Gütern in dieser eigenartigen Konjunkturlage zur Praxis des Bauerntums. Hierbei ist es sehr wesentlich, daß die Mode und die Überschüsse der Handwerksproduktion der — eine beschränkte ökonomische Rolle spielenden — Industrie gleicherweise zu dieser Akkumulation hindrängten. Das allerdings konnte sich schwerlich als die breite Landstraße der Geschichte erweisen. I m Gegenteil, das war eine Sackgasse, aus der weder die Bauern noch die Handwerker, die sich in ihre Reihen zurückgezogen hatten, einen Ausweg finden konnten. Modische
Wandlungen
des neuen
Stils
Wie sehr eine ungesunde Gesellschaftsstruktur und ein einseitig entwickeltes Wirtschaftsleben zu dieser meist durch soziale Prestigegründe ausgelösten Wandlung der Lebensweise geführt hatte, wurde am anschaulichen Beispiel der Ereignisse in der modischen Wandlung des neuen Stils nach der Bauernbefreiung deutlich. Damals nämlich waren bereits die Fuhrleute und die agrarischen Lohnarbeiter die hauptsächlichsten Erneuerer der Mode, d. h. die Schichten, die t a t sächlich darauf angewiesen waren, ihre Zugehörigkeit zum Boden unter Beweis zu stellen, und in Kenntnis sonstiger Faktoren dürfen wir sagen: völlig unbegründet. Diesem Schein aber setzte die moderne industrielle Zivilisation des ausgehenden 19. J h . mit ihren brutalen Mitteln ein jähes Ende. Andererseits aber weckten die durch die moderne Urbanisierung ausgelösten Wandlungsprozesse — sie zerstörten die Institutionen der traditionellen Gesellschaft, machten diese Institutionen historisch und damit die ihrer Aufrechterhaltung dienende Unmenge an Geräten und Bedarfsmitteln überflüssig — das Interesse an der Vergangenheit. Das heißt, sie schufen die Wissenschaft der Volksk u n d e : Die Vergangenheit sollte erforscht und ausgeholt werden, man wollte ihre bis heute wirksamen Lehren herausfinden.
Feudale Gesellschaft u n d E t h n o g r a p h i e E u r o p a s
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Anfangs waren alle, die sich dafür interessierten, durch die blumenfreudige Stimmung, durch die exotisch zierreiche Welt der Festtage angezogen. Die Requisiten der Vergangenheit erschienen als originelle Überreste der traditionellen Gesellschaft, und nichts schien und war natürlicher, als in ihrem Bestehen die hartnäckige Tatsache der ethnischen Herkunft zu sehen. Ergebnisse und Irrtümer von annähernd vier bis fünf Generationen lenkten die Forscher zu der Erkenntnis, nach Ursachen und Gründen der Gesetzmäßigkeiten des Alltags zu suchen — und diese schließlich in den allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der traditionellen Gesellschaften zu finden. So erschloß sich ihnen eine neue Welt von Arbeitshypothesen und lückenfüllenden Forschungen. Sie mußten dessen gewahr und bewußt werden, daß sie alle bislang erworbenen Kenntnisse mit den Tatsachen und mit den Evidenzen zu konfrontieren haben, die von den sonstigen Disziplinen zur Erschließung der Gesellschaftsgeschichte angeboten werden. Die Einsicht in diese Fakten und Evidenzen und deren gegenseitige Nutzung wollte die vorliegende Skizze fördern.
4 Jahrbuch des Museums für Völkerkunde, Bd. X X X
Historisch-demographische Angaben über die Bevölkerung des Plovdiver Gebietes in der Zeit der Türkenherrschaft Von
ELENA KOLEVA,
Plovdiv
Die Erforschung der demographischen Beziehungen nimmt einen wesentlichen Platz bei der Darstellung des allgemein-historischen Prozesses ein. Sie stellen die Grundlagen dar für die Aufdeckung der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Verhältnisse der Bevölkerung und der tiefen Folgen der türkischen Eroberung. I n dem vorliegenden Aufsatz wird versucht, die demographischen Beziehungen und die allgemeinen politischen Veränderungen im Plovdiver Gebiet von der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts bis zur Befreiung Bulgariens zu verfolgen, wie auch den Einfall der osmanisehen Unterdrücker, der in großem Maße den Verlauf der ethnischen Veränderungen bestimmte. Jede historische Untersuchung der Periode der Türkenherrschaft, besonders in den ersten Jahrhunderten, ist sehr schwierig, da ausreichende Quellenangaben fehlen. Eine Hauptquelle für die Klärung der ethnisehen Beziehungen in der Untersuchungsperiode sind türkische Steuerregister, geführt von der Zentralmacht. Obwohl die Angaben, die ihnen entnommen wurden, sich nicht für eine statistische Bearbeitung eignen, ist ihre Bedeutung als demographische Quelle unersetzlich. Die demographischen Angaben allgemeinsten Charakters können sich in Notizen von Reisenden und ausländischen Gesandten befinden, die den Hauptweg von Zarigrad nach Westeuropa passierten. Obwohl sie sehr fragmentarische Angaben über die Bevölkerung und besonders über die Nationalitätenzusammensetzung enthalten, sagen alle einmütig aus, daß das Gebiet von Türken und Bulgaren bevölkert war. 1 Für die Konkretisierung der demographischen Charakteristik wurden sprachliche, toponymische und ethnographische Angaben von Ortschaften des Plovdiver Gebietes benutzt. 2 1
2
4*
K. IBECEK, Stari pätesestvija poBälgarija prez 15—18 stoletie. IN: Psp, V I I (1883), S. 108ff.; Etnograficeski promenenija v Bälgarija ot osnovenieto na Knjazestvoto. In: SNU, V (1891), S. 500—508; I. D. S i s M A N O V , Stari pätuvanija prez Balgarija. In: SNU, IV (1891), S. 458;L. MILETIÖ, Stari patuvanija prez Balgarija. In: SNU, V I (1891), S. 133; HB. KES.JAKOV, Polozenieto na Bälgarija kam kraja na X V vek. In: SNU, VI (1891), S. 177; D. GADZANOV, Patuvanija na Elija Celebi. In: Psp, L X X (1909), S. 686-691. Die Informatoren für die Angaben, die durch eine ethnographische Untersuchung im Plovdiver Kreis im Jahre 1971 vom Ethnographischen Museum erhalten wur-
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KOLEVA
Im Prozeß der Unterwerfung Bulgariens war es das Bestreben der Türken, ausgehend von der konkreten historischen Situation der Balkanhalbinsel und von der objektiv beschränkten Zahl der Muslims, etappenweise einzelne Gebiete zu unterwerfen. 3 Ziel der osmanischen Eroberung war schon in der ersten Etappe das Land entlang der Mariza. Das fruchtbare und reiche thrakische Land mit seinen wichtigen Wegen, besonders dem Hauptweg für die Verbindung mit Mitteleuropa, zog die Aufmerksamkeit der Eroberer in den 60er Jahren des 14. Jahrhunderts auf sich. Im Jahre 1364 fiel Plovdiv und die ganze Ebene auf dem umliegenden Territorium unter den Schlägen des Feldherrn Lala Schechin. Es begannen schwere Jahre für die einheimische slawische Bevölkerung. Massen von bewaffneten Muslims oder ganze Teile des Militärs überfielen die Siedlungen, sie raubten und töteten Kinder, Frauen und Männer oder entführten sie in die Sklaverei. Ein Teil der Bewohner der Ebene fand in den nahen Bergen Schutz, der größere Teil wurde in die Sklaverei in Gegenden Kleinasiens entführt und nur wenigen gelang es, sich in ihren alten mittelalterlichen Dörfern, die in der Umgebung von Plovdiv gelegen waren, zu schützen. In Kleinasien wurden ganze bulgarische Dörfer von „Ungläubigen, die aus Rumelien kamen" oder „Verbannten aus Rumelien" geschaffen/ 1 Die physische Vernichtung der bulgarischen Bevölkerung und die ständige Willkür riefen einen wesentlichen Nationalitätenwechsel in den Dörfern des Plovdiver Gebietes hervor. Nach einem Jahrhundert der Türkenokkupation hatte die Entbulgarisierung solche Ausmaße angenommen, daß sich in dem Vilaet Philibe nur 821 Haushalte erhalten hatten. 5 D e n Grundlagen ihrer strategischen Politik folgend, den Balkan etappenweise zu erobern und sich ständig dort niederzulassen, unternahmen die Türken sofort nach Bezwingung des Widerstandes der F e s t u n g e n eine Massenkolonisation in Nordthrakien, separat verwaltet in dem Vilaet Philibe. 8 Die potentielle Reserve für die Kolonisation stellten die türkischen N o m a d e n und H a l b n o m a d e n dar, die v o n den Mongolen im 14. Jahrhundert aus dem westlichen Kleinasien vertrieben worden waren. 7 Die osmanischen Eroberer wollten sich durch die Koloden, sind: Pavel Sp. Pavlov aus Brestovica, 74 Jahre, Mittelschulbildung; Luka Dim. Belcev, Bogdanica, 82 Jahre, Grundschulbildung; Veselina A. Argirova, Bogdanica, 54 Jahre, Grundschulbildung; Janko Iv. Bozov, Dalbok Izvor, 46 Jahre, Mittelschulbildung; Ivan Petkov Botev, Brestnik, 85 Jahre, Grundschulbildung; Nejko M. Petrov, Belozem, 85 Jahre, Grundschulbildung u. a. 3 P. NIKOV, Turskoto zavoevanie na Bälgarija i sadbata na poslednite Sismanovci. In: BIB, I (1928), kn. 1, S. 113-159. 4 B. C V E T K O V A , Pametna bitka na narodnite. Sofija, 1970. S. 98. 5 H. G A N D E V , Balgarskata narodnost prez X V vek. 1 9 7 2 . S . 7 9 . C N. T O D O R O V , Za demografskoto sästojanie na Balkanskija poluostrov prez XV— X V I vek. In: G'SU, Filos.-istor.fak., 53, kn. 2 (1960), S. 191-232; OAK 214/215, Inv. Nr. 5655, 1.11a und B. C V E T K O V A , Otkäs ot registära za dogandziite v Jugoiztocna Trakija za zadalzenijata i zemevladenijata im ot 1477 god. In: IBI, X (1964), S. 6 1 - 8 8 . 7 Iv. B A T A K L I E V , Pazardzik i Pazardzisko. 1969. S. 9 8 - 1 0 3 .
Historisch-demographische Angaben
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nisierung feste Grundlagen für die Fortsetzung der Eroberung sichern und sich gleichzeitig von den unruhigen Nomaden in Kleinasien befreien. Nach den Angaben des byzantinischen Autors Chalkokondil vollzog sich die Kolonisierung im Gebiet um Plovdiv und Stara Zagora bereits zu der Zeit Murads I. (1362—1389) und in der Gegend zwischen Plovdiv und dem Stara Planina bald danach zu der Zeit seines Nachfolge'rs Bajezid I. (1389—1402).8 Der bedeutendste Teil der türkischen Ansiedler setzte sich aus Jurutzi-Nomaden zusammen. 9 Sie teilten sich in odzaci (Gruppen von 10—40 Menschen) entsprechend ihrer Herkunft und ihres Siedlungsgebietes. Die ersten JurutziGruppen ließen sich unmittelbar nach der Schlacht bei Kosovo Pole im Jahre 1389 als Resultat der sogenannten „Saruchansko"-Umsiedlung der Jurutzi nieder. 10 In der Mitte und in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts (1543, 1556,1585) siedelten sichin der Plovdiver Gegend 46 odzaci an, die eine kompakte muslimische Schicht bildeten. 11 Das zahlenmäßige Anwachsen der Jurutzi-Kolonisten ließ zu Beginn des 17. Jahrhunderts nach, und es läßt sich sogar eine Tendenz ihrer Verringerung beobachten. Im Jahre 1609 fiel die Zahl der Jurutzi-odzaci im Plovdiver Gebiet von 46 auf 21 infolge des Verfalls des militärischen Lehn-Systems, daraus bedingt war das Rückzugsbestreben in andere Rayone des Türkenreiches. 12 Zur gleichen Zeit, am Anfang des 17. Jahrhunderts, wurde die türkische Massenkolonisierung beendet. Eine wesentliche ethnische Komponente des Kolonisierungsprozesses stellten die tatarischen Umsiedler dar. Ihre Anzahl trug dazu bei, die muslimische Bevölkerungsschicht in der Nordthrakischen Ebene zu vergrößern. Anfang des 15. Jahrhunderts (1403), zur Zeit der Kämpfe zwischen den Söhnen des Bajezid um Plovdiv und Konus, wanderten Tataren von Samsun und etwas später von der Krim und Bessarabien ein. 13 Zur Unterstützung der historischen Dokumente für die Kolonisierung der Tataren und Jurutzi im Plovdiver Gebiet in den ersten Jahrhunderten der Türkenherrschaft dienen örtliche toponymische Angaben. Bis heute sind die Namen der Dörfer Tatarevo, Tatare (heute Moskovec), und der Gegenden Tatarlij in Krasnovo, Tatarska ada in Moskovec, Tatar kär in Carimir usw. erhalten. 14 Der türkische Staat siedelte in den fruchtbaren Gegenden zur Verstärkung 8
K. IRECEK, Etnograficeski promenenija . . . S. 501.
,J
K . IRECEK, a . a . O . , S . 5 0 1 - 5 0 7 ; N . TODOROV, a . a. O . , S . 2 1 9 - 2 2 0 u n d B a l k a n s k i j a t
10
grad X V - X I X v. 1972. S. 4 5 - 4 6 . M. DRINOV, Istoricesko osvetlenie varchu statistikata na narodnostite v iztoönata cast na Bälgarskoto knjazestvo. In: Psp, VII (1884), S. 1 - 2 4 und kn. VIII, S. 6 8 7 5 ; K . IRECEK, a . a. O . , S . 5 0 1 — 5 0 3 ; N . TODOROV, B a l k a n s k i j a t g r a d . . ., S . 4 6 .
11 12 13
N. TODOROV, Balkanskijat grad . . ., S. 46. N. TODOROV, Balkanskijat grad . . ., S. 46. M. DRINOV, a. a. O., S. 1 - 2 4 ; Iv. BATAKLIEV, a. a. O., S. 9 9 - 1 0 3 und die dort zitierten Angaben von V. MTJTAFCIEVA. Angaben der ethnographischen Untersuchung vom Jahre 1971.
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des mohammedanischen Elementes systematisch aus Rußland emigrierte Gleichgläubige 15 an, für deren Anwesenheit eine Reihe von Geländenamen sprechen, wie Cerkezica im Dorf Bogdanica, Öerkez gjol in Trilistnik, das Dorf Dagestan im Gebiet von Perustica usw. 10 Mit den muslimischen Kolonisten kamen die Zigeuner, die zusammen mit vorher angesiedelter Zigeunfer-Bevölkerung eine separate ethnische Gruppe bildeten. 17 Besonders zahlreich waren sie in den Dörfern Rogos, Manole, Belozem, Sismanci und Calakovi vertreten. Im Unterschied zu den Zigeunern in der Stadt Plovdiv sprachen jene der aufgezählten Dörfer die bulgarische Sprache, obwohl sie auch die Zigeunersprache kannten, sie trugen die traditionelle' Sukman- und Sajatracht, beschäftigten sich mit der Landwirtschaft wie ihre bulgarischen Nachbarn und waren Träger der für die einheimischen Bauern charakteristischen Lebensweise. Alles das erlaubt uns anzunehmen, daß die Zigeuner-Minderheit, die sogenannten „Gepcelij", sehr früh von den Plovdiver Dörfern am Nordufer der Mariza gekommen ist und daß es ihr im Laufe einiger Jahrhunderte gelang, sich der bulgarischen Grundbevölkerung anzupassen, indem sie ihre Sprache erlernte und indem sie ihre höhere Wirtschaft und Lebenskultur annahm. 1 8 Wertvolle Angaben für das große Ausmaß der türkischen Kolonisierung und das Verhältnis zwischen der muslimischen und der einheimischen bulgarischen Bevölkerung entnehmen wir den türkischen Steuerregistern und den veränderten Benennungen der Ortschaften. Im 15. Jahrhundert gelang es nur etwa 20 Dörfern, ihre bulgarischen Namen zu erhalten. 19 Das Überwiegen der türkischen Toponymie beweist die faktische Reduzierung des bulgarischen ethnischen Elementes auf wenige Prozente der Bevölkerung des Plovdiver Gebietes. 20 Unabhängig von der Dauer des Kolonisierungsprozesses, der unglaublichen Grausamkeit gegenüber der einheimischen Bevölkerung, der bei ihr ständig anhaltenden Angst und dem Streben für die Vergrößerung des muslimischen Elementes durch einfache und allgemeine Türkisierungen, hielten die Bulgaren stand, und es gelang, einige ihrer mittelalterlichen Ortschaften zu erhalten. Ein unwiderlegbarer Beweis für die außerordentliche Festigkeit der Bulgaren des Plovdiver Gebietes gegenüber den Assimilierungs-Bestrebungen der türkischen Eroberer in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts (1477)2L stellt ein lä 16 17
18
llJ
20 21
Istorija na Balgarija, t. I (1954), S. 399. Angaben der ethnographischen Untersuchung vom Jahre 1971. K. I B E C E K , Knjazestvo Balgarija, c. I (1899), S. 148; A. I S I R K O V , Grad Sofija (1928), S. 67 und N. S E J T A N O V , Prinos kam govora na Sofijskite cigani. In: INEM, X / X I (1932). Eigenes Archiv von den Dorfen Manole, Belozem, Rogos, Calakovi, gesammelt in den Jahren 1968-1971. B. C V E T K O V A , Otkäs or registära za dogandziite v Jugoiztocna Trakija za zadalzenijata i zemevladenijata im, ot 1477 g. in: IBI, X (1964), S. 61—88. Hr. G A N D E V , Bälgarskata narodnost . . ., S . 8 0 . B . C V E T K O V A . Zitiertes Dokument aus dem Jahre 1 4 7 7 .
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Register der Falkner Südostthrakiens dar. Darin sind die Dörfer des kasa Philibe aufgezählt, die mit speziellen Pflichten beauftragt waren, und zwar die Falken des Sultans zu züchten. I n den meisten der aufgezählten Dörfer, in Jasno pole (Öakärdzi), Brestovica, Calapica, Stroevo, Zlatovräh (Arapovo), Strelca usw., sind in einer Reihe mit den Namen von Muslims auch Namen von bulgarischen Falknern aufgezeichnet, die dazu verpflichtet waren, die Falken des Sultans zu züchten oder bestimmte Geldsteuern zu bezahlen. Es ist offensichtlich, daß als Ergebnis des hartnäckigen und anhaltenden Widerstandes das bulgarische ethnische Element in den Ortschaften der Ebene um Plovdiv erhalten blieb und die türkische offizielle Macht gezwungen wurde, die Existenz der Bulgaren anzuerkennen, indem man sie verpflichtete, Falken zu züchten. Eine andere Art spezieller Pflichten, mit denen ein Teil der Bevölkerung beauftragt wurde, waren schließlich die Kriegsdienste. Bekannt sind die Kriegerdörfer: Vojnjagovo, Calapica, Brestovica, Zlati trap, Komatevo, Goljamo . Konare usw. In den ersten Jahrhunderten der Türkenherrschaft veränderten die Bulgaren ihren Wohnsitz und damit zusammen auch das Bild ihres Siedlungsgebietes. Konkrete Angaben über die ethnische Zusammensetzung im 16. Jahrhundert finden wir in einem Register von 1576,22 das von dem Kadi aus Tatarpazardzik auf Anordnung der Hohen Pforte zusammengestellt wurde. Er durchwanderte 13 kasi und inventarisierte die Namen von allen steuerzahlenden Schäfern, die mehr als 25 Schafe besaßen. Dieses Dokument ist eine wertvolle Quelle sowohl für die Namen der Dörfer im 16. Jahrhundert als auch für die Eigennamen der steuerzahlenden Bulgaren und Türken. Seine Analyse zeigt, daß einige der Ortschaften ihre alten bulgarischen Namen bewahrt haben, aber mit türkischer Aussprache. Jedoch sind die meisten der verzeichneten Ortschaften türkisch. Entsprechend diesem außerordentlich wichtigen Dokument setzte sich die kasa Philibe aus 4 nachi (türk. nahiye = Amt, Teil eines Kreises; d. Üb.) zusammen. Südöstlich von der Stadt befand sich die nachija Konus, wo in den Dörfern Voden, Arapovo, Kozanovo, Brani pole, Kocovo, Karadzovo, Ljubenovo usw. zusammen mit den Bulgaren auch Türken erwähnt wurden. I n den Dörfern Markovo, Komatevo, Belastica, Brestnik, Kuklen, Boljarci, Ruen, Cerven, Topolovo usw. sind nur bulgarische Steuerzahler registriert worden. Die zweite nachija — Karadza dag, im Südosten von Plovdiv gelegen, — wurde verstärkter von Türken und Jurutzi kolonisiert, während sich nur in den heutigen Dörfern Strjama, Manole, Belozem und Öoba zusammen mit der türkischen auch bulgarische Bevölkerung erhalten hatte. Am Flußlauf der Strjama befanden sich Ortschaften der nachija Gjopsa, in der auch die Zahl der Muslims überwog, und nur um Karlovo herum — in Banja, Däbene, Vejnjagovo, Räzevo und Öernicevo — wurden Bulgaren erwähnt. 22
R. S T O J K O V , Novi svedenija za minaloto na bälgarskite selista prez X V i X V I vek. In: IP, V I (1959), S . 77ff. und S E L I S T N I imena v zapadnata polovina na Balgarija prez X V I vek. In: sb. Romanski (1960), S. 429ff.
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Zahlreicher war die bulgarische Bevölkerung in der vierten nachija — in Kojun tepesi (später Ovcehalmska). I n den Dörfern Starosel, Stroevo, Benkovski, Vojsil, Calapica, Caracovo, Kostievo, Brestovica, Vojvodinovo, Rogos, Trilistnik, Kricim, Graf Ignatievo, Pastusa, Ustina, Pärvenec usw. dominierten zahlenmäßig die Bulgaren. Auf den ersten Blick ist es klar, daß die alten bulgarischen Ortschaften im unmittelbaren Hinterland von Plovdiv ihre Nationalitätenzusammensetzung bewahrten, indem sie um die Stadt herum eine Insel von bulgarischen Dörfern bildeten. Gleichzeitig muß bemerkt werden, daß einige der Dörfer nicht an gleicher Stelle waren, sie wurden vielmals umgesiedelt, aber gewöhnlich in den Grenzen des gleichen Gebietes. Davon zeugen sowohl die erhaltenen örtlichen Überlieferungen und Erinnerungen, als auch die Geländenamen wie Selisteto, Staroto selo, Jurtovete. 2 3 Der Verfall des türkischen feudalen Kriegssystems, die Mißerfolge an den Fronten und der folgende ökonomische Niedergang am Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts bedingte die langsame, aber sichere Rückkehr der christlichen Bauern in die türkischen Machtbereiche, von denen viele während der Epoche der Wiedergeburt von den Bulgaren zurückgekauft wurden. Um ihre umfangreichen Güter zu bearbeiten, gewannen die Türken selbst Bulgaren in ihre Landgüter und beschützten sie. Nach einigen Jahren Arbeit gaben sie ihnen das Recht, Häuser zu bauen und sich Wirtschaften in der Nähe des Landgutes zu gründen, wofür sie oft die Unterstützung des Gutsherrn erhielten. Dafür konnte er immer ihre Arbeitskraft in der Zeit der stärkeren Feldarbeit ausnutzen. Auf diese Weise entstanden aus den Landgütern und dem vakif-Land (vakif, tiirk. = türkischer Kirchenbesitz; d. Üb.) bulgarische Ortschaften, andere wurden erneuert oder verschwanden. Dazu gehören in der Plovdiver Gegend: Komatevo, Boljarino, Trilistnik, Dolnoslav, Dobridol, Belastica, Joakim Gruevo (Kara Tair) usw. 24 Ein charakteristisches Beispiel, das zeigt, wie sich die Bulgarisierung der Ortschaften in der Ebene vollzog, ist Kalojanovo (Seldzikovo). 25 Als P. Bogdan im Jahre 1640 das Dorf besuchte, war es ausschließlich von türkischen Großgrundbesitzern bewohnt. Die örtliche spachija ( = Reiter, Heer, eine Art Kriegsadel; d. Üb.) gewann die ersten christlichen Ansiedler mit der Versprechung, daß sie 4 Jahre keine Steuern bezahlen müssen. So willigten sie ein, und es siedelten sich zuerst 12 bulgarische Familien von den Rhodopen und dem Balkan an. Die Bulgarisierung setzte sich fort, und zur Zeit der Befreiung hatte sich die Nationalitätenzusammensetzung der Bevölkerung soweit verändert, daß in dem Dorf nur Bulgaren registriert waren. 23 24
25
Angaben der Untersuchung von 1971. Angaben der Untersuchung von 1 9 7 1 ; Str. D I M I T R O V , Kam väprosa za otmenjavaneto na spahijskata sistema v nasite zemi. In: IP, VI ( 1 9 5 6 ) , die vom Autor zitierte Literatur. Acta Bulgariae ecelesiastica (Monum. spect. hist. slav. merid XVIII). Argam. 1887, S. 162.
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Ein charakteristisches Dokument für die ethnische Zusammensetzung des Plovdiver Gebiets im 17. Jahrhundert ist ein Register des vakifs des bedeutenden osmanischen Staatsmannes und Militärchefs Schachabedin pascha. 26 Dieses vakif wurde in der Mitte des 15. Jahrhunderts gegründet, und das erhaltene Dokument spiegelt die Bilanz der Einnahmen und Ausgaben seines Imarets für das J a h r 1640 wider. Das Register enthält ausführliche Zahlenangaben für die Einwohnerzahl und Zusammensetzung von 16 Plovdiver Dörfern, die bereits im 15. Jahrhundert zu dem vakif gehörten. Das waren: Kuklen, Baniste, Karaagac, Penakija, Vodna Valja, Ljaskova, Javrova, Gerova, Dobra laka usw. Für uns ist die Tatsache interessant, daß die aufgezählten Dörfer völlig bulgarisch waren, dabei mit zahlreicher Bevölkerung und mit erhaltenen bulgarischen Namen. Aus der gleichen Zeit verfügen wir auch über ein Register (1633—1643), aus dem ersichtlich ist, daß die Steuer von 357 bulgarischen Haushalten (chan) in der Plovdiver kasa eingenommen wurden. 27 Folglich gab es in der Mitte des17. Jahrhunderts in der kasa Philibe noch 357 bulgarische Haushalte, außer den Haushalten in den rein bulgarischen Dörfern des vakifs des Schachabedin pascha und solchen von Ortschaften mit speziellen Krieger-, Falkenzüchter- und Paßwächter-Privilegien. Diese Angaben gestatten uns anzunehmen, daß ungefähr in der Mitte des 17. Jahrhunderts der Prozeß der Bulgarisierung der kasa infolge des Verfalls der türkischen Macht und der Verringerung der Zahl der türkischen Bevölkerung einen Aufschwung verzeichnet. 28 Als Reaktion auf diesen Prozeß lassen sich die tragischen Ereignisse von 1656—1661 auffassen, als die fanatisierten Türken, geführt von ihren Mollahs und Hodshas, 33 Klöster und 218 Kirchen von Kostenec bis Stanimaka zerstörten. 29 Zu dem veränderten Verhältnis zwischen der Anzahl der türkischen und bulgarischen Bevölkerung trug die anhaltende Umsiedlerwelle von Westmakedonien und Albanien bei, die bereits im 16. Jahrhundert begann und bis zum Ende des 19. Jahrhunderts anhielt. 30 Dieser Migrationsprozeß ist als „arnautische" Umsiedlung bekannt, obwohl er objektiv eine Umsiedlung der Bulgaren darstellte, 26
27
28
2Ü
30
V. M U T A F C I E V A , Novi osmanski dokumenti za vakafite v Balgarija pod turska vlast. In: IDA, V I I (1962), S. 269, N B V K , Orientalski otdel Pd 17/17. R. S T O J K O V , Bälgarski selista s naimenovanijata im v turski registri za dzazie ot X V I I v. In: IDA, V I I I (1964), S. 147ff. R. S T O J K O V , a. a. O. für das Dokument von 1633—1643; V. M U T A F C I E V A , a. a. O.; Hr. G A N D E V , Bälgarskata narodnost . . ., S. 79—80; El. G R O Z D A N O V A , Turskite dokumenti za danäka dzazie prez X V I I - X V I I I vek. In: IDA, X V I I I (1970), S. 289;: Iv. S N E G A R O V , Turskoto vladicestvo precka za kulturnoto razvitie na bälgarskija narod i drugite balkanski narodi. Sofija, 1958, S. 15, 194. N . T O D O B O V , Polozenieto na bälgarskija narod pod tursko robstvo. Dokumenti I' materiali. 1953. D . J A R A N O V , Preselnicesko dvizenie na bälgari ot Makedonija i Albanija kam Iztocno-bälgarskite zemi prez XV—XIX vek. In: Makedonski pregled, VII (1931),kn. II/III, S. 37-104.
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58
die in Nachbarschaft mit Arnauten wohnten. Davon wurden zuerst die Plovdiver Dörfer Gornoslav, Dolnoslav, Perustica, Brestovica, Belastica und Brestnik betroffen. Vom Beginn des 18. Jahrhunderts siedelten sich die ersten Stämme in Goljamo Konare, Bogdanica, Belozem,. Manolsko Konare usw. an. 31 Zu der gleichen Zeit siedelten sich Bulgaren von Kostur in Bracigovo und Dörfern B E A U C H A M P , 51
Zit. b e i HARRINGTON, 1921, p p .
52
bezieht sich mit diesem Urteil wahrscheinlich auf das Fehlen entsprechender Erwähnungen in den Schriften der älteren Autoren. Im 1 9 . / 2 0 . Jh. finden sich nämlich sehr wohl vereinzelte Bemerkungen über Masken bei den Nanticoke. Nach einer irokesischen Tradition soll sogar die /'dos-Gesellschaft aus einem alten Geheimbund der Nanticoke hervorgegangen sein. Vgl. P A R K E R , 1 9 1 3 , p. 2 9 (Fußnote) S P E C K , 1945b, p. 74; vgl. auch 1937, p. 49.
53 54
55
41/42.
SPECK
KRICKEBERG,
1932, p.
56.
Einiges Material mag sich auch noch unveröffentlicht in holländischen oder schwedischen Archiven befinden. Vgl. M Ü L L E R , 1956, p. 18 (Fußnote 9).
150
ROLF
KEUSCHE
Informationen. Besonders wenig ergiebig sind oft die Passagen über die Religion der Indianer; kurz und bündig steht da zu lesen: „Sie dienen dem Teufel."313 Anders als bei den aufgeschlossenen und interessierten Jesuiten gibt es unter den protestantischen Missionaren dieser Zeit wenige, denen wir bedeutsame ethnographische Aufzeichnungen verdanken. Zwei Beispiele aus den Schriften der wichtigeren zeitgenössischen Autoren sollen das oben abgegebene Urteil belegen. R O G E R WILLIAMS, ein den Indianern freundlich gesinnter Beobachter, schreibt über eine Mitt winter-Feier : „. . . they run mad once a yeare in their kind of Christmas feasting". 57 Ohne Zweifel, hier könnte man eine Bemerkung über Masken-Zeremonien erwarten; hier müßte man eigentlich Genaueres erfahren. Aber W I L L I A M S beeilt sich, klarzustellen: „I confesse to have most of these their customes by their owne Relation, for after once being in their Houses and beholding what their Worship was, I durst never bee an eye witnesse, Spectatour, or looker on, least I should have been partaker of Sathans Inventions and Worships, contrary to Ephes. 5. 14.". 5 S Auch D A N I E L D E N T O N erwähnt eine interessante Zeremonie — offenbar eine Art „Grünkorn-Fest" oder „Brot-Tanz" —, die er wahrscheinlich sogar als Augenzeuge miterlebt hat. 59 Doch eine Szene, bei der man wohl an einen MaskenAuftritt denken könnte, erklärt er mit Teufelsspuk: „. . . the priest by his Conjuration brings in a devil amongst them, in the shape sometimes of a fowl, sometimes of a beast, and sometimes of a man." 0 0 Einer der ganz wenigen Autoren, bei dem ausführlichere und sachliche Informationen zu erwarten sind, ist der schwedische Ingenieur und Mathematiker PER LINDESTRÖM.61 Von Masken schreibt auch er nichts ; aber ein ganzes Kapitel seiner „Geographia Americae" beschäftigt sich mit den pà&hra, die oft wie ein Amulett um den Hals getragen wurden. (Und die darum — selbst bei flüchtigen Kontakten außerhalb der indianischen Siedlungen — leicht bemerkt werden konnten !) Was er darüber mitteilt, entspricht in mancher Hinsicht den Aufzeichnungen der Herrnhuter Missionare des 18. Jhs. über die kleinen „Gesichter", die Masketten.62 6(i
Narratives of New Netherland, 1909, p. 57 (de L a e t , 1625), p. 126 (Michaelius, 1628), p. 302 (Vertoogh van Nieu-Nederland, 1 6 5 0 ) ; DENTON, 1902, p. 47 (1670).
5' WILLIAMS, 1 6 4 3 , p .
119.
58 W I L L I A M S , 1 6 4 3 , p p . 59
119/120.
have writ nothing but what I have been an eyewitness to . 1902, Preface).
„I
. ."
(DESTON,
60 D E N T O N , 1 9 0 2 , p . 4 7 . 61
LINDESTRÖM,
62
Vgl. z. B . Z E I S B E R G E R ( 1 9 1 0 , p. 1 4 1 ) : „The only idol which the Indians have, and which m a y properly be called an idol, is their Wsinkhoalican, t h a t is image. I t is an image cut in wood, representing a human head, in miniature, which they always carry about them either on a string around their neck or in a bag. . . . The Wsinkhoalican they like also to hang about their children to preserve them from illness and insure them success." Ebenso L O S K I E L , 1 7 8 9 , pp. 5 2 / 5 3 .
1925.
151
Z u r Genese des M a s k e n w e s e n s
Solche Miniatur-„Masken" sind auch noch bei den Indianern des 20. Jhs. in Gebrauch gewesen, und zwar sowohl bei den Delaware wie bei den Irokesen.103 Im allgemeinen stellen sie ziemlich genaue Abbilder der großen Holzmasken dar. 64 Daß sich L I N D E S T B Ö M S Beobachtungen bei den Indianern „Neu-Schwedens" u. a. auch auf diese — oder zumindest vergleichbare — Gegenstände beziehen, scheint mir aus einer Bemerkung S P E C K S hervorzugehen, in der er ganz ähnliche indianische Bezeichnungen gebraucht. 65 I n vor- und frühgeschichtlichen Indianer-Dörfern sind diese Masketten aus Stein, Knochen, Geweih und Muschelschale ziemlich häufig ausgegraben worden. Soweit es sich dabei um Funde im Wohngebiet der Irokesen oder Huronen handelte, hat man sie auch als Indiz dafür gewertet, daß die irokesische MaskenTradition beträchtliche historische Tiefe haben muß. Auf die an „False Faces" erinnernden, „Asche blasenden" Gesichter auf den tönernen Tabakspfeifen hat z. B . bereits P A R K E R aufmerksam gemacht. 06 W R A Y hat bestimmte stilistische Merkmale der Stein- und Muschel-Masketten, die mehr und mehr in den frühen Irokesen-Siedlungen auftauchen, mit denen moderner „False Face"-Masken verglichen. Dabei hat er zeigen können, daß es hier eine über mehrere hundert Jahre zu verfolgende Kontinuität des Stils gibt. 67 T U C K hat festgestellt, daß das „Gesichts-Motiv" seit der sogenannten Chance«3 H A R R I N G T O N ,
1913, p. 231;
1921, p p . 36,
38, 4 1 ;
SPECK,
1950, p p . 43, 45,
( D e l a w a r e ) ; SKINNER, 1925, p p . 2 0 4 f f . ; FENTON, 1937, p. 233; P l a t e 15, 2 ; SPECK, 1949, p . 8 3 ; 1950, p p . 17/18 u. a. e4
1941, p p . 412,
u. a. 425,
(Irokesen).
E i n e E r i n n e r u n g a n a l t e K u l t p r a k t i k e n m i t G e s i c h t s - S k u l p t u r e n a u s S t e i n h a t sich vielleicht n o c h in m a n c h e n i n d i a n i s c h e n Ü b e r l i e f e r u n g e n des 19./20. J h s . e r h a l t e n . C O N V E R S E u n d P A R K E R h a b e n z. B . M y t h e n d e r Seneca a u f g e z e i c h n e t , in d e n e n die E x i s t e n z d e r „ F a l s c h g e s i c h t e r " auf m y t h i s c h e Steinriesen z u r ü c k g e f ü h r t wird.
(CONVERSE,
zit. n a c h
LINDIG,
1970,
p. 197;
PARKER,
1909,
pp.
180/181)
U n d die O n o n d a g a g l a u b t e n , d a ß die „ F a l s e F a c e s " in einer g r o ß e n H ö h l e l e b t e n , in d e r sich a u c h s t e i n e r n e G e s i c h t e r b e f ä n d e n ( S M I T H , 1888, p . 187). B L A U (1966) e r f u h r v o n einer solchen H ö h l e , in d e r f r ü h e r o f f e n b a r t a t s ä c h l i c h „ F a c e s " a u f b e w a h r t w u r d e n , bei seiner A r b e i t auf d e r O n o n d a g a - R e s e r v a t i o n bei S y r a cuse, N . Y . ®5 „ T h e s t o n e m a s k e t t e s m a y b e t h o u g h t of as p r o t o t y p e s of t h e s m a l l w o o d e n a n d c o r n - h u s k m a s k s still s e r v i n g t h e I r o q u o i s as ' g u a r d i a n s of h e a l t h ' a n d t h e D e l a w a r e s as p e r s o n a l c h a r m s ( k n o w n as pdolax a n d päwalax in d i f f e r e n t d i a l e c t s of t h e D e l a w a r e t o n g u e ) . " S P E C K , 1 9 5 0 , p . 4 5 ( H e r v o r h e b u n g v o n F . G. S P E C K ) . CC
PARKER, 1909, p.
07
WRAY, C. F . , A r c h a e o l o g i c a l E v i d e n c e of t h e M a s k A m o n g t h e Seneca. IN: N e w Y o r k S t a t e A r c h a e o l o g i c a l A s s o c i a t i o n B u l l e t i n , N o . 7 ( 1 9 5 6 ) , p p . 7 — 8 . (Zit. n a c h : H E N D R Y , 1 9 6 4 , p . 3 6 4 ; R I T Z E N T H A L E R , 1 9 6 9 , p . 1 3 ) . Ü b r i g e n s ist n o c h ein w e i t e r e s c h a r a k t e r i s t i s c h e s R i t u a l g e r ä t d e r „ F a l s c h g e s i c h t e r " in f r ü h e r Zeit n a c h w e i s b a r : die g r o ß e R a s s e l a u s d e m P a n z e r d e r S c h n a p p s c h i l d k r ö t e ( C h e l y d r a s e r p e n t i n a ) . (PARKER,
1909, p.
182.
182).
152
ROLF
KRUSCHE
Phase (ca. 14./15. Jh.) G8 immer häufiger auftritt. Dieser Befund spiegelt seiner Meinung nach die zunehmende Bedeutung der Masken-Bünde in der Gesellschaft der sich formierenden Liga-Stämme wider. 69 Jedenfalls haben diese Funde viele Forscher davon überzeugt, daß die LigaIrokesen schon in voreuropäischer Zeit Masken gekannt haben. 70 Aber: Wenn das ein beweiskräftiges Argument sein kann — und fast alle Autoren haben es als solches angesehen — dann muß es auch für die Algonkin-Stämme an der Mittleren Atlantik-Küste und im Ohio-Gebiet gelten! Das „Gesichts-Motiv" ist nämlich wesentlich älter als die eigentliche IrokesenKultur; 7 1 es tritt u. a. schon in der Owasco genannten Phase (C 14-Daten: A. D. 905—1435)72 auf. Außerdem ist es keineswegs auf Funde im irokesischen Wohngebiet beschränkt. So hat z. B. RITCHIE auch Hinweise auf einen MaskenKult bei Indianern gefunden, die später wahrscheinlich an der Formierung der Delaware beteiligt waren. Als solche Hinweise galten ihm u. a. die MaskenGesichter an den Tonpfeifen vom Castle Creek und anthropomorph gestaltete Tongefäße. 73 Es gibt darüber hinaus noch weitere charakteristische Funde, die für eine alte Masken-Tradition bei den Ost-Algonkin sprechen. Vor allem sind da die zum Teil lebensgroßen steinernen Köpfe oder Gesichter zu nennen, die man u. a. auf Long Island, Staten Island und Manhattan, des weiteren im östlichen New York und New Jersey, im Osten von Pennsylvania und auch in Ohio gefunden hat. 7/1 Sie sind von verschiedenen Autoren als ein besonderes Merkmal der alten „Lenape"-Kultur angesehen und sogar direkt als Mising identifiziert worden. 75 Und ebenso, wie die Masketten-Funde im Irokesen-Gebiet für eine Kontinuität des Stils sprechen, weisen auch die kleinen und großen Steingesichter in den 68
6,J
Eine C14-Datierung (A. D. 1398 ± 150) dieser Phase konnte an Hand von Fundmaterial der Getman Site im Mohawk-Tal vorgenommen werden. Das getestete Material wird dem „Upper Chance Horizon" zugeordnet. (RITCHIE, 1961, p. 34). „Almost no material remains would be expected to indicate the formation or increased importance of these institutions, but it is a rather suggestive fact that human-face motifs, perhaps reflective of the False Face Society, proliferated greatly during and immediately after the Chance phase, only slightly later than many supposed village convergences must have taken place." (TUCK, 1971, p. 213).
™ FENTON, 1956, p. 351; HENDRY,
1964, p.
™ TUCK, 1971, p. 2 0 5 ; FENTON, 1956, p. '2 R I T C H I E , 1 9 6 1 , p .
31.
73
1956, p. 3.
Nach:
NEWCOMB,
1882, pp. 800ff.; S K I N N E R , 1919, p. 30; 1920a, p. 178; 1920b, p. 6; H A K 1921, pp. 38ff. „ Stone heads of life-size depicting- human features, made by some of the coast Algonkians, are found in New Jersey, eastern Pennsylvania, and New York . . . They may be considered a peculiarly Lenape, or Delaware, feature." ( S K I N N E R 1919, p. 3 0 ) . Vgl. A B B O T , 1882, pp. 799ff.; H A R R I N G T O N , 1921, p. 4 0 (Fig. 5 ) , Plate IV.
™ ABBOTT,
RINGTON, 73
364.
351.
Zur Genese des Maskenwesens
153
Wohngebieten der Delaware und Shawnee wesentliche Merkmale der hölzernen Mising-MsLsken auf. In vielen Fällen ist unbekannt geblieben, aus welchem Zeit-Horizont diese
Fig. 1
Großes Steingesioht, gefunden im Ohio-Gebiet; Höhe: ca. 35 cm (Nach:
HARRINGTON 1921, p. 4 0 , F i g .
Fig. 2
5)
Steinerne Maskette, Ohio. (Nach: HOLMES, in Handbook 1910 I I , p. 492)
Fundstücke stammen. Da aber die Indianer die nahe der Atlantik-Küste gelegenen Dörfer meist sehr früh verlassen mußten, ist kaum anzunehmen, daß es sich ausschließlich um Arbeiten aus nacheuropäischer Zeit handelt. Angesichts dieser Tatsachen fällt es mir schwer, zu glauben, daß die MaskenRiten der Delaware späte Nachahmungen irokesischer „False-Face"-Zeremonien sein sollen. Sicher ist, daß die Kulturen der Irokesen und verschiedener OstAlgonkin-Völker auf gemeinsamen oder ähnlichen Grundlagen aufgebaut haben. Und aus diesem gemeinsamen Erbe sind wahrscheinlich die Masken-Traditionen der Irokesen und der Algonkin als eigenständige und gleichwertige Entwicklungen hervorgegangen. 3. Zwei Thesen lassen sich bis jetzt aus der vorliegenden Untersuchung ableiten: (a) Der Masken-„Komplex" der Waldland-Stämme hat sich im östlichen Waldland — also „in situ" — herausgebildet, (b) An der relativ alten MaskenTradition haben nicht nur Irokesen — sondern auch Algonkin-Stämme teilgehabt. Viel scheint mit diesen Erkenntnissen nicht gewonnen zu sein. Denn die bloße Feststellung, es habe eine lokale „Entwicklung" stattgefunden, ist in der Tat höchst unbefriedigend. Und man kommt nicht um die Frage herum: Wie soll sich denn eine Maske „entwickelt" haben?
154
ROLF
KEUSCHE
Daß die Indianer Tier-Verkleidungen aus Fellen und Federn anlegten oder sich in Maisstroh-Umhänge hüllten, hat meines Wissens die Gelehrten nicht besonders beschäftigt. Beschäftigt hat sie vor allem die Herkunft der geschnitzten Holzmasken. Wie sind also diese „Falschgesichter" entstanden? Betrachtet man Abbildungen der seltenen prähistorischen Holzmasken, die in Spiro Mound und Key Marco gefunden wurden, stellt sich eine überraschende Entdeckung ein: Die meisten von ihnen sind gar keine „Masken" im eigentlichen Sinne! Die aus Holz geschnitzten Tier-Menschen-Gesichter haben nämlich keine Augenlöcher. Und offenbar wurden sie auch nicht vor dem Gesicht getragen; •dafür sind sie meist auf der Rückseite nicht tief genug ausgehöhlt. 76 Wozu können sie gedient haben? Eine plausible Erklärung ist m. E., daß diese Gesichts-Plastiken auf Pfähle gesteckt oder daran festgebunden wurden. Bei den meisten prähistorischen Kopfund Gesichts-Skulpturen läßt sich diese Erklärung schon aus formalen Gründen nicht von der Hand weisen.77 Außerdem kennt man auch steinerne GesichtsPlastiken, bei denen eine solche Verwendung wahrscheinlich ist. 78 Und schließlich haben die Indianer im östlichen Nordamerika noch in historischer Zeit Masken-Gesichter auf Pfähle gesetzt. Hinweise darauf finden sich u. a. bei den Herrnhuter Missionaren des 18. Jhs. So schreibt z. B . LOSKIEL: „Bey ihren Opfern Avird ein solches Bild, in der natürlichen Größe eines Menschenkopfs, an einen Pfosten mitten im Hause befestigt." 79 Im Delaware-Großhaus haben die „Gesichter" einst eine wichtige Rolle gespielt. H A R R I N G T O N und S P E C K fanden Anfang des 2 0 . Jhs. letzte Zeugnisse dieses alten „Ikonen"-Kults bei den Delaware in Oklahoma und Ontario. 80 H A K R I N G T O N hat die „Gesichter" im letzten Großhaus der Oklahoma-Delaware» („Unami") am Caney River noch selbst sehen und photographieren können. Es sind Gesichts-Skulpturen gewesen, die die Indianer aus den hölzernen Stützpfosten herausgearbeitet haben (Fig. 4). Bei den kanadischen Delaware („Oshweken-Band", „Munsee-Mahican") sind die großen Jahresfeste etwa 1 8 5 0 zum letzten Male gefeiert worden. S P E C K hatte noch das Glück, in dem alten Nekatcit einen kundigen Gewährsmann zu finden, der die fast vergessenen Riten seines Volkes wenigstens teilweise beschreiben und deuten konnte. Von ihm erfuhr er auch, daß die „Oshweken"-Leute früher in ihrem Langhaus am Boston Creek zwei „Ikonen" am Hauptpfahl und je eine über den Eingängen im Osten und Westen aufgehängt haben (Fig. 6). 76
Bei der berühmten „Hirsch-Mensch"-Maske von Spiro Mound (heute im Museum of the American Indian in New York) mißt die Höhlung nur 3 / 4 " ! ( F U N D A B U R K / FOREMAN, 1 9 5 7 , P l a t e 1 4 2 ) .
78
79
77
Vgl. FUNDABURK/FOREMAN, 1 9 5 7 , P l a t e 1 4 1 .
Plate 5 0 ) schreibt z. B . über ein solches steinernes Gesicht aus dem Gallatin County, Kentucky: „The partially hollowed-out back also suggests that it served as the face of a wooden statue." DOCKSTADER
(1962,
LOSKIEL, 1789, p. 5 3 ; vgl. ZEISBERGER, 1910, p.
SO H A R R I N G T O N ,
1910,
pp. 57ff.;
1913,
pp. 219,
1931, pp. 30, 3 6 ; 1945a, pp. 21 ff., 39ff. u. a.
141.
228;
1921,
pp. 83ff.,
129;
SPECK,
Zur Genese des Maskenwesens
155
S P E C K bezeichnete diese Gesichts-Plastiken nämlich nicht als „Masken", sondern als „Ikonen". Ziemlich entschieden vertrat er die Auffassung, daß die „festen Gesichter" der Delaware ganz anders geartete Wesen darstellten als die Masken, und daß sie auch einer anderen — archaischeren — K u l t u r angehören müßten. 8 1 Diese Unterscheidung ist der Eckpfeiler seiner Hypothese über die Geschichte des Maskenwesens im östlichen Waldland. S P E C K vermutete, daß die PfahlGesichter und der damit verbundene Kult ein Spezifikuni verschiedener OstAlgonkin-Stämme zwischen Hudson und Pamlico Sound gewesen seien. Dagegen war seiner Ansicht nach das Tragen von Gesichts-Masken ursprünglich eine ausgesprochen irokesische Tradition. Und erst durch die starke irokesische Beeinflussung übernahmen die Delaware und verwandte Stämme diese ihnen zunächst fremde Gewohnheit. Daß in den Ritualen der Delaware sowohl „stationäre" Ikonen („stationary icons") als auch „bewegbare" Masken („prosopic masks") einen Platz haben, erklärte S P E C K aus der Vermischung dieser — ursprünglich verschiedenen — Traditionen. 8 2 N u n mag es bei einer Klassifizierung ethnographischer Objekte wesentlich und naheliegend sein, zwischen „statischen" und „bewegten" Bildern zu unterscheiden. Bei einem genaueren Studium der Augenzeugen-Berichte erweist sich diese Unterscheidung als recht problematisch. Da wird nämlich von verschiedenen S t ä m m e n des Südostens berichtet, daß sie hölzerne „Bilder" und „ S t a t u e n " zur Zeit ihrer Jahresfeste in Prozessionen durch das L a n d trugen. 8 3 Sogar in die Schlacht haben die Indianer „Idole" gef ü h r t . U n d das heißt doch, daß die „an sich statischen" Bilder in bestimmten Situationen zu „bewegten" werden konnten. Andererseits schreiben die Jesuiten nicht nur von Masken-Umzügen in Huronia. F a s t genauso oft erwähnen sie, daß die Huronen in ihren Dörfern Holzmasken und Maskenanzüge aus Maisstroh („hommes de paille") aufstellten, um Krankheits-Dämonen zu vertreiben. 8 4 U n d das bedeutet, daß auch die „bewegbaren Masken" zeitweise zu „stationären I k o n e n " wurden. So schildert ein Bericht aus dem J a h r e 1637 sehr anschaulich, wie die Einwohner des Huronen-Dorfs Onnentisati einer drohenden Blattern-Epidemie zu begegnen suchten: „Also t h e y ordered t h a t those who would be delivered entirely from this disease should hang at their doorways large masks, and above their cabins figures of men similar to those scarecrows t h a t in France are placed in the orchards, to frighten away the birds. This was soon executed, and in less t h a n 48 hours all the cabins of Onnentisati and the places around were almost covered
81
SPECK, 1950, p p . 42/43. I n seiner A r b e i t ü b e r d a s „ B i g H o u s e " (1931) h a t t e er
allerdings gerade das A u f t r e t e n der Maske als ein besonders „archaisches", „jägerisches" Merkmal angesehen (pp. 39, 44). 82 SPECK, 1945b, p . 76. V g l . z. B . SWANTON, 1 9 2 8 b , p . 708.
83
Vgl. JR. X I I I , p p . 262ff.
156
ROLF KEUSCHE
with images, — a certain man having 4 or 6 of these straw archers hung to thepoles of his fireside; these were their idols and their tutelary gods". 85 Und an anderer Stelle schreibt LE MERCIER, der Autor dieser Relation: „At the end of the dance . . . all these masks were hung on the end of poles, and placed over every cabin, with the straw men at the doors, to frighten the malady and to inspire with terror the demons who made them die". 86 Offensichtlich sollten die Krankheit bringenden Dämonen durch das Auftreten der Masken-Tänzer vertrieben werden und durch das Aufstellen der MaskenGesichter gebannt bleiben. Das scheint die Grund-Idee dieser Exorzismen gewesen zu sein. Ähnliche, Praktiken und Vorstellungen lassen sich auch noch in den MaskenZeremonien der Irokesen des 1 9 . und 2 0 . Jhs. feststellen. B L A U schreibt von den Onondaga: „. . . anciently masks were often hung up on cabins to frighten away disease-causing demons . . . The older, now archaic, fqrm of the false face curative rite was called . . . 'scaring witches' or 'demons'." 87 Und S P E C K erfuhr bei den kanadischen Cayuga: „The Whirlwind Mask ist used by the devout to turn aside an approaching thunderstorm or tornado, being hung up in the first tree . . . near the house facing the storm, or even thrown in the teeth of the storm to split the storm cloud asunder. . . A smaller size of this mask is not intended to be worn, being intended to be hung up to avert the storm". 88 Diese Beispiele zeigen: Solange man sich auf zwei, drei technisch-formale Kriterien festlegt (z. B.: Masken werden vorm Gesicht getragen, Ikonen in Kulträumen aufgehängt), scheint die Gegenüberstellung von „statischen" Ikonen und „bewegten" Masken sinnvoll und wohlbegründet zu sein. Bezieht man aber noch andere — vor allem funktionale — Gesichtspunkte in den Vergleich ein, verliert diese Unterscheidung an Prägnanz. Nicht immer läßt sich eindeutig entscheiden, ob die Kult-Plastik in einer bestimmten Zeremonie als „statisches" oder „bewegtes" Masken-Gesicht gelten soll. Ist es aber dann gerechtfertigt, zwischen einer Ikonen-Tradition der Algonkin und einer Masken-Tradition der Irokesen zu unterscheiden ? Haben wir vielleicht nur verschiedene Aspekte einer alten, weitverbreiteten Kult-Tradition vor uns? Die indianische Interpretation könnte bei der Suche nach genetischen Zusammenhängen wichtige Hinweise geben. 89 Darum soll zunächst die Frage geklärt85 J R X I I I , p. 231. 86 J R X I I I , p. 263. 87 B L A U , 1 9 6 6 , p p . 5 7 2 , 5 7 3 . 88
89
SPECK, 1949, p. 76. Bemerkenswert ist auch, d a ß bei gewissen Veranstaltungen der „ F a l s e F a c e Society" Miniatur-Masken an der H a u s w a n d aufgehängt (SPECK, 1949, p. 83) oder an Stäben befestigt umhergetragen werden (SKINNER, 1925, p. 206; FENTON, 1941, p. 425). Diese Gewohnheiten erinnern u. a. an gewisse DelawareR i t e n (Vgl. HARRINGTON, 1921, pp. 164, „Doli Dance"). Entscheidendes K r i t e r i u m k a n n sie nicht sein. D e n n m a n m u ß immerhin d a m i t rechnen, daß sich das Verständnis u n d die D e u t u n g dieser Bilder im L a u f e d e r
Zur Genese des Maskenwesens
157
-werden: Haben die Indianer ihre Masken und Pfahl-Gesichter als Abbilder wesensverwandter (oder gar identischer) Mächte angesehen? SPECK, der hervorragende Kenner der Waldland-Indianer, hatte sich - wie gesagt — unmißverständlich negativ dazu geäußert: „The Mask-Spirit as a potentially malicious spirit is clearly totally different in conception from . . .'our grandfathers', appearing on the posts of the Big House".99 Sein Haupt-Argument war, daß die Delaware in den Großhaus-Ikonen lediglich Zeichen oder Symbole gesehen haben, die auf transzendente geistige Mächte hinweisen sollten. Dieser spirituelle Aspekt tritt bei dem Masken-Geist Misinghalikun tatsächlich fast ganz in den Hintergrund. Überhaupt wirkt das eigenartige Wesen, das den „Boss" und Hüter der Jagdtiere verkörperte, wie ein Fremdling in S P E C K S Darstellung der Big-House-Religion. Schon das BärenfellKostüm, das den Darsteller des Misinghalikun vollständig verhüllte, betont den Monster-ähnlichen Charakter der urtümlichen Gestalt. Und im Gegensatz zu den symmetrisch angeordneten Pfahlplastiken mit ihren „heiligen Zahlen" vier und zwölf trat nur ein einziger Maskentänzer im Tempel der Oklahoma-Delaware auf. In der Tat, aus dieser Gegenüberstellung91 scheint deutlich genug hervorzugehen, daß die Delaware mit ihren Masken und Pfahl-Gesichtern grundsätzlich verschieden geartete Wesen abgebildet — oder versinnbildlicht — haben. Und doch läßt sich der Verdacht nicht abweisen, daß diese Andersartigkeit erst das Ergebnis einer neueren Entwicklung gewesen ist. Fast sieht es so aus, als haben die Großhaus-Ikonen in später Zeit eine Umdeutung erfahren. Feststeht zunächst, daß ihr Aussehen dem des Misinghalikun weitgehend entsprach. Diesen Sachverhalt hat W . M Ü L L E K sehr eindringlich hervorgehoben: „In dem mising oder misinghalikun verehren die Unami-Lenape Oklahomas, wie der Name „Antlitz" oder „Lebendes Festes Gesicht" schon verrät, eine Dramatisierung der Schnitzbilder im Großhaus. Das eigentümliche Merkmal dieses Zeit gewandelt haben, — daß sie vielleicht immer differenzierter wurden, — oder daß sie umgekehrt mehr und mehr zu einer Einheit verschmolzen. Außerdem muß man sehen, daß bei den verschiedenen Delaware-Abteilungen nicht ganz identische Auffassungen über die Masken-Gesichter im Großhaus bestanden haben. Vgl. etwa MÜLLER, 1956, p. 341 (nach einem anonymen Autor des frühen 19. Jhs.: „grandfather" — „grandmother"); HARRINGTON, 1913, p. 228 („ . . . twelve messengers of the Great Spirit"); SPECK, 1931, pp. 30, 36 („the Creator, the supreme d e i t y " and „twelve deified spirit forces"); 1945a, pp. 39 ff. (two mask images of the Creator; one „mask of the Wapanachki" and one „of the Unami"). A n einer Stelle hat SPECK selbst auf widersprüchliche Deutungen hingewiesen: „That other symbolisms entered into the mask concept must be conceded, for in a recent communication Jesse Moses writes that he has heard that the white mask represented the Great Spirit and the red one the ,Lenni-lenapah' whom he created." (SPECK. 1945a, p. 22, Fußnote 46) Vgl. auch Fußnote 99 dieser Arbeit. SPECK, 1931, p . 39. SPECK, 1950, p p . 32/33.
158
ROLF
KBUSCHE
Wesens ist seine große, runde Holzmaske, die genau wie die Sakralvorbilder im Großhaus rechts rote und links schwarze Bemalung trägt. . . Sie (die Maske) ist natürlich mit den Gesichtsskulpturen innig verschwistert, stellt sie doch die von den Holzpfosten herabgestiegene Plastik dar, das frei bewegliche Schnitzbild". 92 Auch der Hinweis auf die Fellkleidung des Maskenträgers kann kein stichhaltiges Gegen-Argument sein. Denn im Großhaus der „Oshweken"-Band in Kanada wurde noch in der ersten Hälfte des 19. Jhs. der Hauptpfahl, der die großen Ikonen trug, alljährlich mit einem neuen Bärenfell umkleidet. 93 So mußte die Gestalt des Masken-Geistes den Indianern tatsächlich als die bewegte — lebendig gewordene — Pfahlplastik erscheinen. Daß ihnen dieser Zusammenhang auch bewußt gewesen ist, bestätigen nicht zuletzt die indianischen Bezeichnungen. Denn die Pfahl-Ikonen der Delaware hießen „Mising",94 was wohl am treffendsten mit „Solid Face" — Festes Gesicht — übersetzt worden ist. Und den Masken-Geist haben sie „Misinghalikun" — „Living Solid Face" — genannt. 95 Nur am Rande sei darauf hingewiesen, daß auch der bekannte Hirschpfahl der Waldland-Indianer sein lebendiges Gegenstück gehabt hat. Dafür sprechen nicht nur prähistorische Darstellungen, sondern auch Hirschfell-Kleidung und Geweih-Kopfschmuck einzelner Maskentänzer bei den Irokesen, Delaware und Shawnee. 96 Bemerkenswert ist weiterhin, daß in den Mythen, die die Existenz der „Gesichter" im Großhaus erklären sollen, meines Wissens niemals vom „Großen Geist" gesprochen wird. 97 Der „Herr der Tiere", Misinghalikun, ist es, der als Stifter — oder Erneuerer — der Big House-Feier auftritt. 9 8 Auf ihn gingen nach dem Glauben der Delaware nicht nur die Zeremonien zurück, die mit der schwarzrot bemalten Holzmaske — „to represent his face" — verbunden waren. I n den Mythen heißt es auch, daß er die Masken-Gesichter im Großhaus eingeführt 92 M Ü L L E B , 1 9 5 6 , p p . 2 6 5 ,
288.
93
1945a, p p . 38 (Plan), 40, 62, 64. I n m a n c h e n Darstellungen wird dieser Bärenfell-Anzug als ein spezifisches Merkmal des Misinghalikun hervorgehoben. E s ist jedoch sicher, daß in f r ü h e r Zeit auch bei anderen S t ä m m e n „Doorkeepers", Herolde u. a. im Bärenfell-Kostüm aufgetreten sind. Vgl. S A G A B D , nach F E N T O N , 1941, p. 413 (Huronen); M O B G A N , 1901,1, p. 200; F E N T O N , 1956, p. 350 (Irokesen); S P E C K , 1950, p. 20 (Seneca in Oklahoma), p p . 47/48 (Shawnee).
94
HABBINGTON,
SPECK,
95 H A B B I N G T O N ,
1921, p p . 88,
106.
1910, p. 5 5 ; 1921, p. 32, u. a.
pp. 8 1 , 9 1 (Cayuga); H A B B I N G T O N , 1 9 2 1 , p. 1 5 9 (Munsee); E . W . V O E in S P E C K 1 9 5 0 , p. 4 7 (Shawnee); S P E C K , 1 9 5 0 , p p . 5 0 , 5 6 (Abnaki). 97 S P E C K erwähnt allerdings einmal, daß es bei den kanadischen Delaware eine Überlieferung gab, die besagte, daß die Ikonen nach dem Vorbild eines steinernen Gesichts geschaffen wurden. I n ihm habe sich der Schöpfer den Delaware o f f e n b a r t (1945a, p. 42; 1950, p. 39). Interessant ist aber, daß m a n eine Version dieser Überlieferung schon bei H A B B I N G T O N (1921, pp. 36/37, 158/159) finden k a n n , und daß darin nicht vom „Creator", sondern von Misinghalikun die R e d e ist. 98 H A B B I N G T O N , 1910, p. 57; 1921, pp. 147ff; S P E C K , 1950, p. 38. 96
SPECK, 1949,
GELIN,
Zur Genese des Maskenwesens
159>
habe: „He told the Delawares to carve twelve faces like his on t h e posts of the Big House. . .','.99 U n d schließlich wird es wohl ursprünglich auch nicht so gewesen sein, daß nur ein einziger Maskenträger bei den großen Festen der Delaware a u f t r a t . Denn in der Vorstellung der Indianer scheint Misinghalikun — ähnlich wie die großen Ikonen im Big House — von einem Gefolge umgeben gewesen zu sein. Eine Bemerkung bei T R O W B R I D G E könnte darauf hinweisen: „When they go to hunt, at t h e first encampment a n offering of tobacco is made by burning, to the seven masters of the game, Mezinkhoaleekun". 1 0 0 Als H A R R I N G T O N bei den Oklahoma-Delaware („Unami") forschte, erfuhr erauch, daß in früherer Zeit nicht nur eine, sondern mehrere Masken beim großen Dank-Fest aufgetreten sind. Außer der bekannten Maske mit dem BärenfellAnzug, die sich im Besitz der Frenchman-Familie befand, wurde damals noch eine weitere in der Familie eines anderen Masken-Hüters aufbewahrt, deroffenbar schon seit langem nicht mehr praktizierte. 1 0 1 Bei den „Munsee" in K a n a d a konnte H A R R I N G T O N nur noch eine einzige Maske ausfindig machen. Trotzdem hat es bei ihnen einen Masken-Bund gegeben, d e r ursprünglich zwölf Mitglieder umfaßte. 1 0 2 I n diesem Zusammenhang ist der Bericht über den Einzug der Maskenträger und ihre zeremonielle Aufstellung im Langhaus am Boston Creek sehr aufschlußreich. 103 Denn die Plazierung der maskierten Tänzer — sechs auf der NordSeite und sechs auf der Süd-Seite — wiederholt im Prinzip die Anordnung der Pfahl-Ikonen im „Unami"-Großhaus. Was bedeuten diese merkwürdigen Übereinstimmungen? Die meisten indianischen Gewährsleute, mit denen H A R R I N G T O N und S P E C K gearbeitet haben, sahen in den Ikonen Sinnbilder des „Großen Geistes" und seiner „Boten". 1 0 4 Das ist, die Interpretation, die den Riten und Glaubenssätzen der Big House-Leute (zu. Beginn des 20. Jhs.) entsprach. H ä l t m a n diese Deutung f ü r ursprünglich, dann wird man in den genannten Analogien wohl nur sekundäre Entwicklungen sehen können, die sich vielleicht S P E C K , 1 9 5 0 , p. 3 8 (Nach H A B B I N G T O N ) ; ebenso 1 9 3 7 , p. 1 9 : „the likenesses of the monster upon the posts of the Big House." Vgl. auch H A K R I N G T O N 1 9 2 1 , p. 3 1 . 100 T R O W B R I D G E 1972, p. 494 (Hervorhebung von Trowbridge). Ungewöhnlich ist in diesem Zusammenhang die Zahl sieben. Sieht man die „Gesichter" im Oklahoma-Großhaus ursprünglich als eine Darstellung dieser Wesen an, könnte man spekulieren, ob damit vielleicht die sechs Mising der einen „Seite" oder StammesHälfte mit ihrem Anführer — der einen großen Ikone — gemeint sind. Vgl. dazu die interessante Passage bei M O B G A N (1959, pp. 55/56, nach W. A D A M S ) , in derausgedrückt wird, daß sowohl der Große Geist als auch sein Widersacher Diener und Gehilfen hätten. Sieben „gute Geister" werden genannt und kurz charakterisiert.
99
W1 H A B R I N G T O N , 1 9 2 1 , p . 3 6 .
1921, p. 159; S P E C K , 1945a, p. 75. 1945a, p. 75. 104 ygi. Fußnote 89 dieser Arbeit. I°2 H A B R I N G T O N , «>3 S P E C K ,
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R O L F KRUSCHE
erst unter dem Einfluß eines fremden Volkes (der Irokesen) herausgebildet haben. Auf diese Annahme gründet sich das Urteil SPECKS, daß zwischen den erhabenen Symbolen im Großhaus und dem tierähnlichen Masken-Wesen keine Gemeinsamkeit bestanden habe. 105 Nun läßt sich aber nicht leugnen, daß S P E C K selbst mythische Überlieferungen aufgezeichnet hat, die mit dieser Deutung nicht ohne weiteres zu vereinbaren sind. Vielmehr geht aus den Texten hervor, daß die Pfahl-Gesichter — ebenso wie die Masken — als Abbilder Misinghalikuns (und seiner Gefolgschaft) aufgefaßt wurden. Es muß also in der Big-House-Gemeinde zumindest Relikte anderer Vorstellungen gegeben haben, die der „offiziellen" Auslegung widersprachen. Diese Relikte scheinen mir wichtige Indizien zu sein. Sie zeigen nämlich, daß die Masken und Pfahl-Gesichter auch im Bewußtsein der Delaware mehr miteinander zu tun gehabt haben als die „Theologie" der Big House-Lehre zunächst erkennen läßt. Kann man aus diesem Sachverhalt auf alte genetische Zusammenhänge schließen? Ich meine, daß man es in der Tat kann. Denn auch der Prozeß der MaskenHerstellung scheint zu bestätigen, daß die hölzerne Gesichts-Maske aus der Pfahl-Ikone entwickelt worden ist. Dieser Prozeß weist sehr eigenartige Züge auf, die aus dem Arbeitsgang selbst nicht zu erklären sind. Es liegt nahe, sie als „survivals" zu verstehen. Da ist zunächst die merkwürdige Tatsache, daß die Indianer ihre Masken früher aus dem Stamm eines lebenden Baumes schnitzten. 106 (Fig. 3). Nun ist zwar behauptet worden, daß dieses Verfahren die Arbeit erleichtert habe, weil das Werkstück auf diese Weise gut „fixiert" bleibe. Aber es gibt viele Belege dafür, daß die Indianer selbst diese Art der Herstellung — insbesondere die Lösung des massiven Gesichts vom Stamm — als äußerst risikoreich ansahen. 107 Und falls es dafür eines Beweises bedarf, wird er durch die einfache Tatsache erbracht, daß diese altertümliche Gewohnheit heute so gut wie ganz verschwunden ist. Denn heute bevorzugen die Irokesen beim Schnitzen ihrer „Falschgesichter" weniger komplizierte, risikolose Methoden. 108 Es ist nicht zu übersehen, daß die aus dem Stamm herausgearbeitete Maske sehr viel Ähnlichkeit mit den Pfahl-Gesichtern der Oklahoma-Delaware 405 SPECK (1931, p. 39) vermutete, daß die Maske Misinghalikuns erst in später Zeit — „during some phase of its later development" — in die Big House-Zeremonie einbezogen wurde. Und er sah in ihr auch eine der alten Delaware-Religion fremde Zutat: „The personification of this creature . . . seems to enter into the Performance of the Big House as an extraneous feature," (p. 37). 10G FENTON, 1941, p. 423, u. a . ; HENDRY, 1964, p. 367. E s sei angemerkt, daß sich alle Angaben über die Herstellung der Masken ausschließlieh auf die Indianer beziehen, die allein im 20. J h . noch Masken geschnitzt haben: die Stämme der Irokesen—Liga. Uber die Technik der Maskenherstellung bei den Delaware oder anderen Algonkin-Stämmen ist meines Wissens nichts bekannt. I° 7 V g l . e t w a HENDRY, 1 9 6 4 , p . 3 6 7 ; LYFORD 1 9 4 5 , p . 3 5 . ¿08 HENDRY, 1 9 6 4 , p p . 3 6 7 , 3 9 0 .
Zur Genese des Maskenwesens
161
(Objekt im Besitz des Museum of the American Indian, Heye Foundation, New York; nach: FENTON, 1941, Plate 21, 1.) Fig. 4 Pfahlgesicht (Mising) vom Zentralpfosten des Großhauses der OklahomaDelaware. (Nach: HARRINGTON, 1913, p. 219, Fig. 44) hat 1 0 9 (Fig. 4). Das Masken-Gesicht wurde in diesem Stadium durchaus als wirkungsmächtig angesehen und darum vorsichtig und achtungsvoll behandelt. Gelegentlich haben die Indianer solche Gesichter in Bäume geschnitzt, um einen gehaßten Gegner durch den Anblick mit Krankheit zu schlagen. 110 Selbst die heutigen Irokesen scheinen sich zuweilen dieses Schadzaubers zu bedienen. Sollte nun aus dem Baum-Gesicht eine Gesichts-Maske entstehen, dann wurde die Plastik vom Stamm abgespalten (Fig. 5). I n diesem Stadium könnte man das Masken-Gesicht mit den Ikonen der kanadischen Delaware vergleichen, die an den Pfosten des Großhauses befestigt wurden. Sie waren ebenfalls nicht geeignet, 109 Man könnte einwenden, daß ein Hauspfosten kein Baum ist, und daß es sich hier sehr wohl um eine rein äußerliche, zufällige Ähnlichkeit handeln kann. Diesem Einwand steht die Aussage eines Delaware über die Pfahlgesichter entgegen, der betonte: „he (Mising) is of the same nature as a tree." (HABRINGTON, 1921, p. 112). Im übrigen hat auch SPECK häufig auf die Gleichsetzung von „Weltenbaum" und Zentralpfosten im Großhaus-Ritual aufmerksam gemacht. 110
SPECK, 1949, p. 8 6 ; RITZENTHALER, 1 9 6 9 , p. 18.
11
Jahrbuch des Museums für Völkerkunde, Bd. X X X
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ROLF
KRUSCHE
vor dem Gesicht getragen zu werden. 11 ! (Fig. 6). Ebenso hat es bei den Irokesen „Masken" gegeben, die nicht dazu bestimmt waren, in der Öffentlichkeit aufzutreten. 1 1 2 Es sei in diesem Zusammenhang auch noch einmal an die Masketten erinnert, die man als verkleinerte Modelle solcher „halbfertigen" Masken bezeichnen könnte.
Fig. 5 Herstellung einer „Falschgesichts"-Maske: Die Vorderseite ist fertig ausgeführt, ehe die Rückseite ausgehöhlt wird. (Nach: F E N T O N 1937, p. 233) Fig. 6 Ikone aus dem Großhaus der kanadischen Delaware; H ö h e : ca. 25 cm, B r e i t e : ca. 19 cm. (Objekt im Besitz des R o y a l Ontario Museum, Sign.: 9 2 2 . 1 . 2 5 ; nach: Masks, o. J . , A 14, und R O G E R S 1969, p. 82)
Ein interessantes Zwischen-Stadium stellen nun die Masken dar, die nicht vor das Gesicht gebunden, sondern in der Hand getragen wurden. Die Indianer haben solche „Gesichter" früher bei der Krankenheilung gebraucht. Sie wurden dann meistens mit einer Schildkröten-Rassel in der Weise kombiniert, daß sie am Griff gehalten werden konnten. 113 Offenbar liegt dieser Gewohnheit wieder die bekannte Vorstellung zugrunde, daß die Krankheits-Dämonen weichen müssen, wenn ihnen die Maske „gezeigt" und entgegengehalten wird. 114 Auch unter den moderneren Irokesen-Masken gibt es einige, deren Kinnpartie so extrem verlängert ist, daß sie als Handgriff dienen kann. Nach F E N T O N scheint dieser Masken-Typ besonders bei den Grand River-Irokesen nicht selten zu sein: „. . . a prominent chin, common on masks from Grand River, serves as " I SPECK, 1 9 4 5 a , p . 3 9 .
PARKER, 1909, p. 179; SKINNER, 1925, p. 2 0 0 : „Some masks are kept as familyguardians. They do not appear in public, and, so far as could be ascertained, are never worn." " 3 HARRINGTON, 1908, p. 417, Plate X X V I a (Missisauga); 1921, p. 38, Plate I l l b (Munsee). H A R R I N G T O N hat in diesen Passagen hauptsächlich Informationen verarbeitet, die auf P E T E R J O N E S zurückgehen. i l i Darauf deutet auch eine Bemerkung, die H A R R I N G T O N (1908, p. 417) über ein solches Objekt von den Missisauga gemacht hat. E r schrieb nämlich, die vom ihm abgebildete und beschriebene Rassel mit dem Masken-Gesicht stelle Pabookowaih dar, — „the God that breaks down diseases." 112
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163
a convenient grip for the wearer to adjust the mask to his face". 115 Ganz ähnlich hat sich D O C K S T A D E R geäußert.116 Es ist denkbar, daß wir in diesen Formen die letzten Relikte einer altertümlichen Tragweise vor uns haben, bei der die Maske lediglich vor das Gesicht gehalten wurde.
Fig. 7 Blinde Maske des 7'dos-Bundes, Seneca-Irokesen. (Nach: PARKER 1909, p. 1 7 3 , Fig. 2 5 , 3 ) Fig. 8 Maske mit winzigen Augenlöchern, wahrscheinlich von der Grand River Reserve, Ontario. (Nach: JENNESS 1963, p. 303) Oklahoma-Delaware; Höhe: ca. 36 cm. (Objekt im Fig. 9 Maske Misinghalikuns, Besitz des Museum of the American Indian, Heye Foundation, New Y o r k ; nach: H A R R I N G T O N 1 9 2 1 , p . 3 2 , F i g . 1)
Erst nachdem der Schnitzer die Vorderseite des massiven, hölzernen Gesichts vollständig bearbeitet hatte, höhlte er es auf der Rückseite aus. 117 Damit wurde Iis F E N T O N , 1 9 3 7 , p . 2 1 7 . 11G
DOCKSTADER, 1962, Plate 233 (Great Doctor Mask; Museum of the American Indian, Sign.: 21/6509). Recht instruktive Beispiele finden sich u. a. auch bei RITZENTHALER, 1969, F i g . 47 ( M i l w a u k e e P u b l i c M u s e u m , S i g n . : 3245) u n d L I N -
117
DIG, 1970, Abb. 13 (Städtisches Museum für Völkerkunde Frankfurt/M., Sign.: N S 8398). Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, daß auch der Darsteller des Misinghalikun die schwere Holzmaske mit der Hand festhielt und stützte. E r tat das, indem er seine Finger in die Mundöffnung der Maske zwängte (SPECK, 1 9 3 7 , p. 5 1 ) . FENTON, 1941, p. 423. In früherer Zeit hat man die Masken offenbar ausgebrannt.
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das „Solid Face" zur echten Gesichts-Maske. Ein wesentlicher Unterschied zum „modernen" False Face bestand allerdings noch in diesem — vorletzten — Stadium- der Schnitzarbeit: Die Maske hatte keine Augenlöcher! Tatsächlich haben aber im irokesischen Kult auch solche „blinden" Masken eine Rolle gespielt. Zu Beginn des 20. Jhs. scheinen sie freilich nur noch im Ritual des /'dos-Bundes (yeidos; hanai'tus; Society of Mystic Animals) einen Platz gehabt zu haben118 (Fig. 7). Das wird kein Zufall gewesen seih. Denn gerade von dieser Geheim-Gesellschaft ist durch PAKKER und SPECK eine Reihe ungewöhnlicher, archaisch wirkender Züge bekannt geworden. 119 Viel weiß man allerdings über den 7'dos-Bund und seine Masken nicht. Bei den Cayuga hat SPECK erst nach jahrelanger Bekanntschaft von der Existenz gewisser geheimgehaltener /'ei os-Masken erfahren können. Und selbst danach schien es ihm geraten, auf eine weitere Diskussion des offensichtlich heiklen Themas zu verzichten. 120 Ähnliche Erfahrungen hat FENTON gemacht: „The blind mask . . . presents something of an enigma because it is either little known or informants are unwilling to discuss it". 1 2 1 Das alles spricht nach meinem Dafürhalten gegen die Auffassung, daß sich die Eigenart der /'«Zos-Masken infolge sekundärer Entwicklungen ergeben habe.122 Es sieht eher so aus, als ob gerade in den Riten dieser Gesellschaft und in ihren mythischen Überlieferungen sehr altertümliche — nur noch teilweise verstandene — Erscheinungen und Vorstellungen zutage treten. Daß auch bei den bisher gefundenen prähistorischen Holzmasken häufig die Augenlöcher fehlen, wurde bereits erwähnt. Bemerkenswert ist, daß von den führenden Männern des I'dos gesagt wurde, sie seien auf Grund ihrer magischen Kräfte imstande gewesen, durch das Holz der Maske hindurchzusehen und verborgene Dinge zu erkennen.123 Das ist ein Anspruch, den mehr oder weniger auch die Angehörigen anderer Masken-Bünde aufrechterhalten, obwohl sie heute so gut wie ausschließlich Masken mit Augenlöchern verwenden. 124 118
PARKER, 1909, p p . 1 7 2 f f . ; SKINNER, 1925, p . 200; FENTON, 1941, p p . 411, 421.
»9 PARKER, 1909, pp. 172-174 (Seneca); SPECK, 1949, pp. 100-109 (Cayuga). 120 SPECK, 1949, p. 109. An anderer Stelle (p. 102) schreibt er: „ I t is difficult to find an individual who knows the method of procedure or one who will talk freely about the society." 121
FENTON, 1941, p . 411.
122
L I N D I G , 1970, p . 237.
123
P A R K E R , 1909, p p . 172, 173; FENTON, 1941, p . 411. A u s der V o r s t e l l u n g , daß der
Blick des Medizinmannes fähig sei, durch die Dinge hindurchzusehen, sie zu „durchbohren", lassen sich vielleicht auch einige der schier unverständlichen Passagen in den Texten der J'dos-Gesellschaft erklären; z. B.: „He is- peering around turning his face from side to side . . . the great sharp point . . . it is peering around." ( K U R A T H , 1964, p . 109). 124
SPECK, 1949, p. 92; 1950, p. 20; BLAU, 1966, p. 574. Dieser Gedanke hängt wahrscheinlich mit der Vorstellung zusammen, daß der Träger einer Maske in der Lage sein soll, die verborgenen Ursachen der Krankheiten aufzuspüren und zu bannen.
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Allerdings hat es Faces mit ziemlich feinen, unauffälligen Bohrungen gegeben (Fig. 8). Und man kennt „geteilte", zweifarbige Masken, die auf einer Seite eine auffällig kleine Perforation aufweisen 125 (Fig. 9). F E N T O N fand bei den Seneca die Vorstellung, daß die schwarzen Masken mächtiger seien als die roten, weil sie in der Regel kleinere Augenlöcher hätten ! 1 2 ß Die „Langhaus"-Anhänger unter den Irokesen halten auch heute daran fest, daß sich die „ K r a f t " des Maskenträgers in seiner übernatürlichen Scharfsichtigkeit erweise. 127 Ich habe versucht, glaubhaft zu machen, daß sich die hölzernen Masken der Waldland-Indianer aus den Baum- und Pfahl-Gesichtern entwickelt haben. Wenn diese Vermutung richtig ist, dann könnte man von der Maskenherstellung alten Stils sagen, daß in ihr der Werdegang vom Baum-Gesicht zur Maske nachvollzogen wurde. In den Augen der Indianer war das Maskenschnitzen, bei dem sich diese Verwandlung vollzog, alles andere als ein nur technischer Vorgang. E s war vielmehr eine religiöse Zeremonie, die mit Tabus, Gebeten und Opfern verbunden war ; 1 2 8 auch die heiligen Texte, die die Existenz der Masken erklären sollten, wurden dabei rezitiert. So sollen allein die vorbereitenden Riten früher drei Tage in Anspruch genommen haben. 1 2 9 I n den Feldberichten der Ethnographen findet man allerdings nur vereinzelte Andeutungen. Aber F E N T O N hat nachdrücklich darauf hingewiesen, daß wir nur noch Relikte eines früher wesentlich entwickelteren Zeremoniells vor uns haben. E r schrieb: „The whole mask-making process, which was formerly ritualized, is still hedged in by the fragments of a broken-down ceremonial procedure". 1 3 0 Man kann generell feststellen, daß gerade die archaischen Maskenformen von den Indianern als besonders heilig und wirkungsmächtig angesehen wurden und werden. 1 3 1 4. I m vorigen Abschnitt sollte erstens — an Hand des Delaware-Materials —
125
Übrigens lassen sich ähnliche Gedankengänge auch und Shawnee finden. Vgl. dazu: SPECK, 1931, pp. pp. 33, 47. PARKER, 1909, p. 173 (Fig. 25, 1: Dual-spirit's HARRINGTON, 1 9 2 1 , p. 32 (Fig. 1 : Misinghalikun,
im Maskenwesen der Delaware 41, 93, 141 (Fußnote 4); 1950, mask, I-dos-Bund, Seneoa); Oklahoma-Delaware).
J2G FENTON, 1 9 4 1 , p . 4 1 1 . 127
BLAU (1966, p. 574) schreibt u. a.: „masked dancers can tell whether a person is a believer in their powers." HENDRY, 1 9 6 4 , p. 3 6 7 .
JM LYFORD, 1 9 4 5 , p p . 3 4 / 3 5 . >30 FENTON, 1 9 4 1 , p . 4 0 3 ; e b e n s o H E N D R Y , 1 9 6 4 , p . 3 9 0 . ,31
SPECK (1949, pp. 100, 102, 103) erfuhr bei den Cayuga, daß die i'dos-Gesellschaft vor allem in Fällen schwerster Krankheit hinzugezogen wurde und dann sozusagen als „letzte Instanz" galt. Bezeichnend ist ferner, daß die heutigen Irokesen die aus einem Baum herausgearbeitete Maske für ungleich mächtiger halten als neue, mit „modernen" Mitteln hergestellte „Falschgesichter". (Vgl. SKINNER, 1925, p . 2 0 2 ; H E N D R Y , 1 9 6 4 , p . 3 9 0 ; RITZENTHALER, 1 9 6 9 , p . 1 9 ) .
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gezeigt werden, daß im Bewußtsein der Indianer eine gewisse Identität von Pfahl-Ikone und Maske bestanden hat. Zweitens habe ich versucht, die Entwicklung der Gesichts-Maske aus der Pfahlplastik zu rekonstruieren — und bediente mich dabei hauptsächlich des irokesischen Fakten-Materials. Dieses Vorgehen ist durch die Quellenlage bedingt gewesen. Nun läßt sich nicht abstreiten, daß dem Rekonstruktions-Versuch ein gewichtiges Argument im Wege steht. Es ist S P E C K S Feststellung, daß es bei den irokesischen Völkern weder in Vergangenheit noch Gegenwart jemals Pfahlplastiken dieser Art gegeben hat. Wenn seine Behauptung richtig ist, erübrigt sich jede weitere Diskussion. Dann kann man die irokesische Maske nicht aus der PfahlIkone ableiten! Das ist leicht einzusehen. S P E C K schreibt: „In treating the masking phenomena of the Iroquois I have withheld mention, for the purpose of emphasis, of the outstanding fact t h a t no accounts of early or late Iroquois life testify to the existence of stationary face images or icons in the Long House or in other religious functionings. This fact will be made the focal point of a conclusive supposition concerning mutuality in the religious history of the Iroquois and the Delawares". 132 E r hat sich also äußerst entschieden ausgesprochen, und es wird nötig sein, auf das Problem näher einzugehen. Etwas überraschend ist zunächst einmal, daß S P E C K die Auffassung vertrat, der Pfahlkult des östlichen Nordamerika habe sein Zentrum („Center of development") in der Delaware-Kultur gehabt. 133 Sicher, bei- den anderen indianischen Restgruppen aus dem Osten der USA haben die Ethnographen des 20. Jhs. so gut wie keine Hinweise entdecken können. Aber trotzdem kann man diese These schwerlich aufrechterhalten. Denn in den Quellen des 16., 17. und 18. Jhs. finden sich zahlreiche Erwähnungen von „Idolen" bei den indianischen Völkern des Südostens. 13,1 Sie fehlen auch nicht in den Nachrichten über die irokesisch-sprachigen Indianer dieser Gebiete. Eine aufschlußreiche Passage enthält vor allem der Bericht des Christoph von G R A F F E N R I E D aus dem Jahre 1 7 1 1 . Er beschreibt darin das Innere einer „heidnischen Kapelle" im Wohngebiet der Tuscarora am Neuse River (North Carolina). Es heißt da: „. . . gegen Sonnenaufgang wahre gesetzt ein Hölzernes Bild, • • • geferbt halb roth, halb weiß, . . . gegen Mitternacht oder viel Eher gegen Abend wahre opposite Ein ander Bild mit einem häßlichen gesicht, Schwarz und Roht geferbt. . .". 135 Wahrscheinlich bezieht sich auch eine Erwähnung bei L A W S O N auf Pfahlplastiken der Tuscarora. 136 Die Frage ist nun: Haben die Nord-Irokesen derartige Skulpturen gehabt? 132 133
134
135
1950, p. 18 (Hervorhebung von Speck!). 1950, p. 55; ebenso 1945b, p. 76. Vgl. z. B. P E P P E R , 1921; S W A N T O N , 1928b, pp. 707/708; F U N D A B U R K / F O R E M A N , 1957, P l a t e 139 (John White, 1587). G R A F F E N R I E D , 1 9 2 0 , p. 1 7 4 . S P E C K h a t übrigens diese Stelle g e k a n n t ! (Vgl. 1 9 5 0 , p. 2 1 ) . SPECK,
SPECK,
136 L A W S O N , 1 7 1 2 , p .
265.
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Schon der Autor der „Vertoogh van Nieu-Neder-Land" vermerkte im Jahre 1650, daß es bei den Indianern — und besonders in den Häusern der Häuptlinge — „Gesichter" und „Bildnisse" gegeben habe. 137 Diese Feststellung ist eindeutig, was die Sache betrifft. Trotzdem läßt sich damit noch nichts beweisen; denn es ist unsicher, ob sich der anonyme Verfasser dabei wirklich auf irokesische Stämme (Mohawk oder Oneida) bezieht. Daß die Langhäuser der Huronen und Irokesen mit „Figuren" geschmückt waren, wird allerdings von manchen Beobachtern hervorgehoben. Mißbilligend erwähnt es z. B. der Pater B R E B E U F (1636) bei den Huronen: „toutes ces figures & peintures rouges qui sont sur vos Cabanes". 138 Und C H A R L E V O I X stellt ein Jahrhundert später fest: „Formerly the Iroquois built their cabbins in a better manner than the other nations, and even t h a n themselves do at this day; these were adorned with figures in relievo, but of very coarse workmanship; and as almost all their towns have been since burned in different expeditions, they have not taken the trouble to rebuild them with their former magnificence". 139 Manchmal ist in den älteren Reiseberichten auch von freistehenden irokesischen Pfahlplastiken die Rede. Die wahrscheinlich älteste Erwähnung (1634) findet sich in V A N C U R L E R S Beschreibung eines Oneida „Castle": „. . . we marched through them by the gate, . . . and at the top were standing three big wooden images, of cut wood, like men, . . ," 140 Ähnliche Skulpturen haben die Soldaten der Armee Sullivans bei ihrem Vergeltungszug (1779) im Seneca-Gebiet gesehen — und vernichtet. So fielen den Amerikanern bei der Einnahme des Dorfes Chemung nicht nur mehr als 40 Masken in die Hände, 1 4 1 sondern auch eine Figur, von der Major N O R R I S schrieb: „In what we supposed to be a Chappie was found indeed an Idol, which might well enough be Worshipped without a breach of the 2d Commandmt. on account of its likeness to anything either in heaven or Earth". 1 4 2 Auch in anderen Dörfern wurden derartige „Idole" aufgespürt und gestürzt. 143 Weitere Hinweise finden sich im Journal des Colonel P R O C T O R aus dem Jahre 1791, der über seine Beobachtungen in den Irokesen-Dörfern des AlleghenyGebiets u. a. folgendes niederschrieb: „In this place was erected a wooden statue, (or deity) fashioned like a fierce looking sage. This formerly they worshiped by dancing before it on certain festival occasions or new moons, . . .", 144 I n 137
Narratives of New Netherland, 1909, p. 302. »3S J R X , pp. 46/47. 13!» C H A R L E V O I X , 1761 II, pp. 127/128. IIO W I L S O N , J . Gr., 1 8 9 6 , p . 9 3 .
1956, p. 350 (Nach Manuskript-Aufzeichnungen von D u SIMITIERE in der Library of Congress). B E A U C H A M P , 1905b, p. 173 (Nach C O N O V E R ) . D E A R D O R F F , 1951, p. 85 (Cornplanter's Town am Allegheny). Den Hinweis auf diese wichtige und für das hier behandelte Problem sehr ergiebige Arbeit verdanke ich Dr. Lothar Dräger, meinem Kollegen und Freund! Nach B E A U C H A M P , 1905b, p. 183 (Caneadea am Genesee River).
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Cornplanter's Upper Village wurde er Augenzeuge eines Dankfestes der Seneca: „Thus prepared, they proceed to the statue, which was erected in the center of the village, bearing some proportions to a man, and justly painted as the Indian at its coming, but having no weapon of war about him, intimating that he was the maintainer of peace. This figure is about 9 feet in hight, and stood on a pedestal of about 12 feet, having on breech clout leggins, and a sash over its shoulders, and a very terrible appearance. . . The old and the young women danced around in a circle, the image in the center, the men following them using gestures that would have made saints laugh, had he forgotten that he was in a place of worship ; . . ." w 5 Ergiebiger sind die Berichte und Tagebücher der Quäker, die in den 90er J a h ren begannen, sich mit dem „Bilderdienst" der Indianer auseinanderzusetzen. Aus ihren Notizen geht hervor, daß die Skulpturen eine zentrale Rolle im religiösen Leben der Seneca gespielt haben müssen, als der Reformer Handsome Lake an der Wende zum 19. J h . mit seiner Lehre hervortrat. i/|G Die Informationen über Aussehen und Bedeutung dieser Pfahlplastiken, die in den Quäker-Berichten enthalten sind, hat W A L L A C E in knapper Form zusammengefaßt : „The religious center of Cornplanter's Town was still the huge painted wooden statue of a man standing on a pedestal carved from the same block, near the council-house. This statue represented Tarachiawagon, the Good Twin and Creator of the Indian way of life. At Green Corn and New Year's, the statue was lavishly decorated with skins, handkerchiefs, ribbons, and feathers, and the white dog was hung on it, strangled and waiting to be burned. The drummers sat on a deerskin at the foot of the statue, and up to two hundred men, women, and children moved round it in a large circle in the Worship Dance". 147 Diese Bilder wurden bald nach dem Auftreten Handsome Lake's (1799) immer mehr in Frage gestellt. Es waren nicht nur die Quäker, die sich gegen die indianische „Idolatrie" wandten. w 8 Auch in den Augen der „Progressiven" war sie bereits zu einem bedenklichen Ärgernis geworden. Auf der anderen Seite entwickelte sich das Pfahlbild vor dem Langhaus gleichsam zu einem Symbol der konservativen, „heidnischen" Fraktionen in den westlichen Irokesen-Dörfern. Und die „heidnischen" Indianer ermahnten und ermutigten auch ihre Gesinnungsgenossen in anderen Gebieten, am traditionellen Pfahlkult festzuhalten. 1/l9 Gegen diesen Hintergrund muß man den kurzen Bericht sehen, der das Ende «« N a c h BEAUCHAMP, 1905b, pp. 173/174. D E A K D O R F F , 1951, pp. 85 (Jackson), 88, 92 (Simmons); D E A B D O K F F / ' S N Y D E R M A N , 1956 (John Philips' Manuskript), pp. 588/589; WALLACE, 1970, pp. 53,192, 229, 249, 251, 297 (Sharpless, Simmons, J a c k s o n u. a.). 147 WALLACE, 1970, p. 192. D i e Identifizierung mit Teharonhiawagon scheint eine D e u t u n g v o n W A L L A C E ZU sein!
146
I « WALLACE, 1970, p p . 276, 140
293.
p. 2 9 7 (pagan Sandusky Indians), p. Oneida, Stockbridge).
WALLACE.
1970,
299
(pagan faction a m o n g
Zur Genese îles Maskenwesens
169&
dieses Kults in Cold Spring, dem damaligen Zentrum der Handsome Lake-Anhänger, vermerkt: „A few years since, a portion of the Indians in this town were in the practice of collecting around a log about 30 feet long, worked into a resemblance of the human form, to which they performed a kind of worship. The son of Cornplanter subsequently persuaded them to throw it into the river". Einige instruktive Informationen zu diesem Vorgang finden sich in W A L L A C E S Buch. Mit dem Sohn Cornplanter's ist Henry O'Bail gemeint, ein Neffe Handsome Lake's aus der Häuptlings-Linie. Dieser Mann hatte eine höhere Erziehungsanstalt im Osten der USA besucht und wurde zu einem der führenden „Progressiven" unter den Seneca. Im Verlauf der weiteren Entwicklung hat er sich auch gegen die Bestrebungen des Propheten gestellt. Als er im Jahre 1802 die hölzerne Statue in den Allegheny River stieß, stand die amtierende Rats-Versammlung hinter ihm, und es versteht sich, daß er auch von den Quäkern unterstützt wurde. 151 Dieser Druck der „progressiven" Gruppen und der Quäker, die als „Entwicklungshelfer" unter den Seneca lebten, hat die Geschichte der sich formierenden „Langhaus"-Gemeinde wesentlich bestimmt. Ihre Einflußnahme nötigte die Anhänger der neuen Lehre, sich von so offensichtlich „heidnischen" Gewohnheiten zu distanzieren. Als A S H E R W E I G H T um die Mitte des 19. Jhs. Nachrichten über die traditionelle Kultur der Seneca-Irokesen sammelte, waren die Pfahl-Kulte gerade noch Bestandteil der „Memory Culture" einiger älterer Gewährsleute. W E I G H T konnte lediglich feststellen: „It has not been generally supposed t h a t these Indianswere idolators but very many of their customs, to say the least, savor very strongly of that sin. There have been instances within the memory of personsstill living, where the people of particular localities have taken for a god a tall stump left by the fire in such from t h a t a little imagination could discover some resemblance to a human countenance, and have danced and sung around it, prayed to it, and given it thanks for the protection, good fortune, etc., which they fancied had been bestowed by it.". 152 So ist es wohl kein Wunder, daß die Ethnographen in späterer Zeit nichts über die irokesischen Pfahl-Kulte in Erfahrung gebracht haben. 153 Auf Grund der hier zusammengebrachten Nachrichten können wir jedenfallssagen, daß es bei den Irokesen tatsächlich Pfahlplastiken und Pfahl-Gesichter gab. Und wir können auch sagen, warum sie im 20. J h . verschwunden waren.. 150
BEAUCHAMP,
1905b, p. 174 (Nach
BABBEB
and
HOWE).
J5i W A L L A C E , 1 9 7 0 , p . 2 9 3 . «2 WRIGHT, A., 1957, p. 305. 153
SwANTON schreibt zwar im „ H a n d b o o k " (1910 I I , p. 795): „Some eastern tribes,, such as t h e Creeks, Delawares, Shawnee, and Iroquois, set up small poles . . . Those of t h e Delawares and Shawnee were erected in t h e four corners of t h e i r medicine-lodges, while those of t h e Iroquois were similarly placed in t h e houses of s h a m a n s and were adorned with representations of t h e s h a m a n ' s t u t e l a r y spirits." E s bleibt aber offen, auf welche Quellen (oder mündlich gegebenen I n formationen) er sich dabei s t ü t z t .
170
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5. I n der vorliegenden Untersuchung bin ich von der Annahme ausgegangen, •daß das Maskenwesen in prähistorischer Zeit relativ weit verbreitet war und sicher kein spezifisch irokesisches Element gewesen ist. Aber andererseits habe ich mich fast nur auf Informationen über Irokesen-Masken beziehen können. Besteht hier nicht offensichtlich ein Widerspruch? Warum liegen denn so wenige Angaben über das Maskenwesen anderer indianischer Völker vor? Zwei Beispiele können vielleicht die Beantwortung dieser Frage erleichtern: E s ist bekannt, daß die Masken im religiösen und sozialen Leben der Huronen eine außerordentlich wichtige Stellung einnahmen. Trotzdem haben die Nachkommen dieses Volkes, die heute in der Provinz Quebec (bei Lorette) und in Oklahoma (unter den Wyandot?) leben, offensichtlich nicht einmal die Spur einer Erinnerung daran bewahrt. 15 ' 1 Gäbe es nicht die alten französischen Berichte, wir wüßten buchstäblich nichts über das entwickelte Maskenwesen Huronias. Und ebensowenig hat sich die Tradition der „Falschgesichter" unter den Oneida halten können, die — außerhalb des alten irokesischen Wohngebiets — in Wisconsin leben. Erst in neuerer Zeit sollen Masken durch die im Osten wohnenden Irokesen wiedereingeführt worden sein. 155 Beide Völker haben ursprünglich Masken gekannt. Bei beiden haben die dynamischen Prozesse ihrer neueren Geschichte — militärische Zerschlagung, Missionierung, Vertreibung, Umsiedlung, Verlust des politisch-ethnischen Zusammenhalts, Verschmelzung mit anderen ethnischen Gruppen, Neu-Konsolidierung — zum totalen Verlust dieser Traditionen geführt. Und nun muß man fragen: Welchem indianischen Volk im Osten Nordamerikas ist dieses Schicksal erspart geblieben? Es gibt nur wenige Ausnahmen: die Irokesen New Yorks und die — zufällig sprachverwandten — Eastern Cherokee in North Carolina. 150 Daß die meisten Waldland-Stämme zu Beginn dieses Jhs. von ihren Masken-Kulten so gut wie nichts bewahrt hatten, ist angesichts dieser Tatsachen keineswegs überraschend. Schwer zu begreifen ist nicht das Verschwinden dieser Kulte, sondern ihr Überleben! Wie war es möglich, daß die Masken-Tradition bei den Irokesen und Delaware so lange lebendig blieb? Die Antwort heißt m. E . : Weil sie bei ihnen in eine reformierte Stammes-Religion integriert wurde, die aus der Krise der traditionellen Glaubensvorstellungen hervorgegangen war. Ich meine die Großhaus-Religion bei den Delaware und die Lehre Handsome Lake's bei den Irokesen. Schon die früheste Erwähnung einer Delaware-Maske im Jahre 1745 ist ein Dokument des Nativismus! B R A I N E B D schreibt nämlich über seine Beobachtungen unter den Delaware am Susquehanna, „jenseits der englischen Siedlungen": „But of all the sights I saw among them, or indeed anywhere eise, none appeared « 4 SPECK, 1 9 5 0 , p . 21. 155 R I T Z E N T H A L E B , 156
1 9 6 9 , p . 7.
Kein Zufall ist aber allem Anschein nach, daß die (mir bekannten) CherokeeMasken ohne Ausnahme von der Qualla Reservation — also nicht von der großen Cherokee-Bevölkerung in Oklahoma, sondern von dem im Osten verbliebenen Rest — stammen. (Vgl. z. B. S P E C K , 1950, pp. 22ff.; F U N D A B U E K / F O S E M A N , 1957, Plates 139, 140, 147).
Zur Genese des Maskenwesens
171
so f r i g h t f u l . . . as the appearance of one who was a devout and zealous Reformer, or rather, restorer of what he supposed was the ancient religion of the Indians. He made his appearance in his pontifical garb, which was a coat of bear skins, dressed with the hair on, and hanging down to his toes; a pair of bear skin stockings; and a great wooden face painted, the one half black, the other half tawny, about the color of an Indian's skin, with an extravagant mouth, cut very much awry; the face fastened to a bear skin cap, which was drawn over his head". 157 Dieser Mann mit der Maske Misinghalikuns scheint zu der Zeit noch eine führende Rolle im Big House gespielt zu haben, denn B R A I N E R D bemerkt weiterhin : „He had a house consecrated to religious uses, with divers images cut upon the several parts of it . . . " , 1 5 8 T R O W B R I D G E (1823) hebt ebenfalls die Autorität des Maskenträgers im Großhaus hervor. Er schreibt u. a.: „The old inquisitor is dressed in the skin of a bear, with a frightful mask on his face, and is said to be a terrific object, particularly to those guilty of a breach of the customs of the assembly". 159 Nach dem Glauben der Delaware ging die Big House-Feier in ihrer historisch bekannten Form auf das Eingreifen des Masken-Geistes zurück. Es ist bemerkenswert, daß sich diese Erinnerung bis zuletzt unter den Delaware gehalten hat. Wahrscheinlich wurde die Masken-Tradition auch nur darum so lange bewahrt, weil sie in die Riten der Großhaus-Anhänger integriert worden war. Denn daß der Darsteller Misinghalikuns noch zu Beginn des 20. Jhs. bei den Oklahoma-Delaware auftreten konnte, hängt offensichtlich damit zusammen, daß dieser Auftritt als Bestandteil des großen Stammes-Festes angesehen wurde. 160 Die Ausübung der Masken-Riten ist nämlich in später Zeit längst nicht mehr selbstverständliche, unangefochtene Tradition gewesen; das geht aus vielen Aussagen indianischer Gewährsleute hervor. Die Ikonen im Großhaus waren zwar als Symbole des „Großen Geistes" aufgewertet worden. 161 Aber die Maske Misinghalikuns entging der Verteufelung nicht. Beide Umdeutungen müssen wohl aus dem Bestreben der Indianer verstanden werden, sich vom „Bilderdienst" zu distanzieren. A D A M S , der selbst aus einer Delaware-Familie stammte, schreibt zum Beispiel, daß der Auftritt des Maskentänzers von der weißen Bevölkerung 157 158 159
Zitiert nach Zitiert nach
TROWBRIDGE, 1972, p .
1921, pp. 41/42 (Hervorhebungen bei Harrington). p. 2 3 1 (Fußnote 1 ) .
1913,
496.
hat das schon in seinen Feldnotizen von den Kansas-Delaware (1859) angedeutet: „At this festival they have a number of old dances, which are still maintained among the Delawares" (MORGAN, 1959, p. 55). Unter diesen „Tänzen" erwähnt er auch den „False Face Dance" (p. 52). Das verhinderte allerdings nicht, daß um die Mitte des vorigen Jahrhunderts G. M. H. Johnson, ein Mohawk anglikanischer Konfession, die „Bilder" im Big House der kanadischen Delaware herunterreißen und zum größten Teil mit Äxten zertrümmern ließ. (Vgl. S P E C K , 1937, p. 13; 1945a, pp. 35, 44 [Fußnote 59]). Ihre Rolle im Big House erklärt aber m. E., warum sie in so relativ später Zeit überhaupt noch bei den Delaware vorgefunden wurden
WO M O R G A N
101
HARRINGTON, HARRINGTON,
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in Oklahoma als „Devil Dance" 1 diskriminiert wurde. Und,er ist offensichtlich bemüht, den Leser von der Harmlosigkeit dieser Veranstaltung zu überzeugen, wenn er u. a. schreibt: „The dance is only for amusement". 162 Selbst die Gewährsleute S P E C K S betonten immer wieder, daß die Maske — vom Standpunkt der „eigentlichen" Big House-Lehre — als unwesentliche, ja gefährliche Zutat anzusehen sei.103 So beschränkte sich das Erscheinen des Maskenträgers bei den Oklahoma-Leuten schließlich nur noch auf eine mehr oder weniger kurze Episode an einem der Feiertage. I n einigen Fällen betrat er nicht einmal das Großhaus; und gelegentlich fiel diese Relikt-Handlung insgesamt fort, wenn sich kein Darsteller für den Masken-Geist finden ließ.*64 Bei .den kanadischen „Munsee" waren die Masken zuletzt ganz und gar aus dem Großhaus verbannt worden. 1 ® Dieses Abrücken von der alten Masken-Tradition zeigt wohl auch, wie sehr die Big House-Anhänger bestrebt sein mußten, die Übermacht der „Modernisten" nicht herauszufordern. 166 Durch das Verschmelzen der relativ kleinen Delaware-Bevölkerung mit anderen indianischen Stammesgruppen (Cherokee, Caddo), das allmähliche Verschwinden ihrer eigenen Sprache und das Eindringen pan-indianischer Kultur war schließlich auch der Stammes-Religion der Delaware die Grundlage genommen. 167 1924 wurde das letzte traditionelle Big House-Fest der „Lenape" in Oklahoma gefeiert. 168 Fast ebensolange (etwa bis 1910) hatte sich die Masken-Tradition bei ihnen halten können. Auch die zweite Behauptung bedarf einiger Erläuterungen. Denn daß die Lehre des Seneca-Propheten Handsome Lake das Überleben der Masken-Tradition bei den Irokesen verursacht haben soll, scheint eine nicht gerade plausible These zu sein. Ist doch allgemein bekannt, daß er Zeit seines Lebens heftig gegen die Medizin-Bünde agitierte und ihre Auflösung forderte. Handsome Läke's Verständnis der alten irokesischen Mythologie ist natürlich stark von christlichen Ideen bestimmt gewesen, die ihm die Quäker vermittelt hatten. So identifiziert er den irokesischen K/ülturheros Teharonhiawagon mit 1 dem „Großen Geist" (Haweniyu), während er seinen mythischen Zwillingsbruder 102
ADAMS in Report on Indians, 1894, p. 299. SPECK, 1 9 3 1 , p p . 3 9 , 4 3 ; 1 9 3 7 , p p . 18FF.
Iß« SPECK, 1 9 3 1 , p . 3 9 . 105
HABBINGTON (1913, p. 230) schreibt. „. . . none being allowed in the Minsi 'big house'. Their twelve mask-holders had a meeting-house of their own." (Ebenso 1921, pp. 138, 159). Sein Bericht bezieht sich auf die btei Munceytown, Ontario, lebende Gruppe. Dagegen berichtet SPECK (1945a, p. 75) ziemlich ausführlich (auf Grund der relativ weit in die Vergangenheit zurückreichenden Erinnerungen seines Gewährsmannes) vom Auftreten der Masken-Gesellschaft im Langhaus am Boston Creek („Oshweken Band").
16« WESLAGEB, 1 9 7 2 , p p . 4 4 5 , 4 4 8 . 167
Vgl. NEWCOMB, 1956, pp. 106ff. JG8 SPECK, 1931, p. 18. In den letzten Jahren des zweiten Weltkrieges haben einige ältere Leute versucht, die Großhaus-Feier wieder zu beleben, allerdings ohne bleib e n d e n E r f o l g . (NEWCOMB, 1 9 5 6 , p p . 1 1 0 / 1 1 1 ; WESLAGER, 1 9 7 2 , p . 1 4 ) .
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Tawiskaron mit dessen Widersacher, dem „Bestrafer" (Ganosge') gleichsetzte. 109 Die „Falschgesichter" sah er als Gehilfen oder Geschöpfe des „bösen" Zwillings an.»7» I n der bekannten Mythe vom Zweikampf des Schöpfers mit dem großen Falschgesicht — das manche Züge des Tawiskaron trägt — kommt diese Wertung deutlich zum Audsruck. 171 Daß es sich um eine „tendenziöse" Darstellung handelt, ist nicht zu übersehen. W A L L A C E hat überzeugend nachweisen können, daß sie aus dem engeren Kreis um Handsome Lake stammt. 1 7 2 In dieser Variante der Schöpfungs-Mythe wird gesagt, daß der Schöpfer das große Falschgesicht besiegte und an den westlichen Rand der Erde verbannte. Aber: Der Schöpfer erkannte auch, daß sein Gegner über große Macht verfügte; und er wies ihm die Aufgabe zu, Krankheiten zu vertreiben und den Menschen bei der Jagd zur Seite zu stehen. 173 In dieser Form ist die Mythe also Ausdruck eines Kompromisses. Es sei daran erinnert, daß Handsome Lake zwar die Beseitigung der MedizinGesellschaften forderte, daß er aber gerade in dieser Frage eine starke Opposition gegen sich hatte. 174 Der Prophet duldete also schließli'h die Existenz der Medizin-Bünde. Er bestand jedoch darauf, daß sie ihre Zeremonien nur während der großen Feste der Langhaus-Gemeinde veranstalteten, daß diese Feiern am Tage, öffentlich und zum Nutzen der ganzen Gemeinde stattfanden, und daß sie der Aufsicht der Diakone („Faithkeeper") unterstellt wurden. 175 Es ist recht wahrscheinlich, daß gerade dieses Bestreben, die Masken-Gesellschaften unter Kontrolle zu bringen, letzten Endes dazu geführt hat, sie zu einem Bestandteil der Langhaus-Riten zu machen! Zunächst waren die Mitglieder der Masken-Bünde allerdings zahlreichen Repressionen ausgesetzt. In der Frühzeit der Langhaus-Gemeinde verfügten die unter dem Einfluß Handsome Lake's stehenden Häuptlinge eine „offizielle" Auflösung aller Medizin-Gesellschaften, — die allerdings später wieder mit so-, phistischen Argumenten rückgängig gemacht wurde. l7(i Auch sind offenbar viele der alten Masken vernichtet worden; 177 und in einem Falle sollen die Mitglieder WALLACE, 1 9 7 0 , p p . 2 5 1 , 3 1 6 . 170
Es ist bemerkenswert, daß also auch bei den Irokesen Tendenzen aufkamen, die Masken-Geister zu verteufeln. Und andererseits gab es auch Versuche, die Pfahlbilder — zumindest in der Auseinandersetzung mit den christlichen Missionaren — als nur-spirituelle Symbole zu deuten! Damit rechtfertigten sich z. B. die „heidnischen" Irokesen am Sanduskv vor einem Missionar, der sie in ihrem Dorf aufsuchte: „they do not consider it a God, bat have it there to put them in mind
171
Vgl. u. a. HEWITT, in Handbook, 1910, II, p. 722; SMITH, 1889, pp. 278f.; FENTON, 1941, pp. 418/419.
172
WALLACE, 1 7 0 , p p . 8 5 / 8 6 .
of their God." (WALLACE, 1970, p. 297).
173 F E N T O N , 1 9 4 1 , p . 4 1 9 . ™ WALLACE, 1 9 7 0 , p p . 2 5 2 , 2 9 2 , 3 1 6 . 175
WALLACE, 1 9 7 0 , p . 2 5 2 . PAUKER, 1 9 0 9 , p . 1 6 3 ; 1 9 1 3 , p p . 3 9 / 4 0 , 114.
*77 H E N D R Y , 1 9 6 4 , p . 3 7 1 .
174
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einer Gesellschaft sogar bei einer geheimen Zusammenkunft überrascht und als „Hexer" hingerichtet worden sein. 178 Es ist bezeichnend, daß L. H. M O E G A N , dessen Werk über die „Liga der Irokesen" (1851) noch eine Reihe wichtiger Informationen über Masken und MaskenZeremonien enthält, 179 im Jahre 1877 die Bünde der Seneca endgültig als eine Sache der Vergangenheit ansah. I n seiner „Ancient Society" schreibt er nämlich : „The Senecas have now lost their Medicine Lodges which fell out in modern times; but they formerly existed and formed a prominent part of their religious system". 180 Offenbar haben sich die Masken-Bünde jahrzehntelang mehr oder weniger nur im Untergrund halten können. Es ist denkbar, daß sie vor allem dadurch gewisse geheimbundähnliche Züge entwickelt haben. 181 Erst im späten 19. J h . traten sie wieder häufiger in der Öffentlichkeit auf, als sich die Nachfolger Handsome Lake's längst zu einer gefestigten Institution, der Langhaus-„Kirche", formiert hatten. 1 8 2 Denn das Langhaus, das zu Lebzeiten Handsome Lake's die Anhänger eines „neuen Glaubens" vereinigt hatte, wandelte sich im Laufe der Zeit mehr und mehr zum Sammelpunkt aller konservativen, an der irokesischen Tradition orientierten Stammes-Mitglieder. W A L L A C E schreibt dazu: „What was revolutionary in the prophet's day is now, one hundred and fifty years later, the extreme of traditionalism"! 8 3 I n diesem Lager hatten schließlich auch die traditionellen Masken-Bünde einen Platz. Sie haben ihn bis heute behaupten können. Man wird also sagen müssen: Die Masken-Tradition hat sich nicht darum bei den Irokesen erhalten, weil sie hier besonders entwickelt bestanden hat, oder weil sie besonders tief in der irokesisehen Kultur verwurzelt gewesen ist. Vielmehr fand diese Tradition bei ihnen ein Refugium in einer neuen religiösen Bewegung, von der auch entscheidende Impulse für ein neues Selbstverständnis dieser Indianer — und für ihren Willen zur Selbstbehauptung — ausgingen. 184 178 17
PAUKER, 1 9 1 3 , p . 1 1 4 .
" MOBGAN, 1 9 0 1 I , p p . 1 5 7 f f .
«O M O B G A N , 1 8 7 8 , p . 9 7 . 181
PABKEB, 1909, p. 163. E s gibt verschiedene Anhaltspunkte dafür, daß sieh die „Falschgesichter" in dieser Zeit wirkungsvoll gegen E n t d e c k u n g zu schützen wußten, und zwar ebenfalls durch Terror! PABKEB (1909, P l a t e V I I I , 1) hat z. B . eine wirklich unheimliche Maske abgebildet, die m. W . sonst ganz u n b e k a n n t ist. E s ist die „Maske des Verräters": „This m a s k was supposed to represent t h e face of a traitor as he would look w h e n drowned for his infamy, (p. 181)". PABKEB, 1909, p. 163.
«A W A L L A C E , 1 9 7 0 , p . 3 3 6 . 184
Besonders auffällig äußern sich nativistische Tendenzen in den modernen MaskenVeranstaltungen der Eastern Cherokee in N o r t h Carolina. N a c h SPECKS Darstellung (1950, pp. 22—30) bildet die Auseinandersetzung m i t der Vergangenheit das H a u p t - T h e m a ihrer „Booger Dances", deren Kernstück die dramatische oder parodierende Darstellung der frühen K o n t a k t e m i t den „Fremdlingen aus d e m Osten", der B e k a n n t s c h a f t m i t ihren Neger-Sklaven, und der Ausbreitung verheerender, zuvor unbekannter K r a n k h e i t e n aus der A l t e n W e l t zu sein s c h e i n t .
Zur Genese des Maskenwesens
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Die Tatsache, daß es noch heute in der Nähe der Millionen-Stadt New York Indianer gibt, die zweimal im J a h r traditionelle Masken-Zeremonien in ihren Siedlungen veranstalten, läßt sich nicht einfach mit dem Festhalten a n ehrwürdigen alten Gewohnheiten und Überlieferungen erklären. Die Erhaltung dieser Tradition ist nie bloßes Bewahren, sondern stets auch bewußte Neu-Belebung und Ausdruck der Résistance der sogenannten „konservativen" Gruppen gewesen, die zeitweise sogar extrem nativistische Positionen einnahmen. Eine ganz und gar ungebrochene Kontinuität der Maskentradition wird man bei den heutigen Irokesen nicht voraussetzen können. Wahrscheinlich haben sich sowohl in der Funktion wie im Verständnis der Zeremonien gewisse Wandlungen vollzogen. Zum Beispiel ist anzunehmen, daß die spezifischen Masken-Riten, die mit J a g d und Jagd-„Medizin" zusammenhingen, auf den wildarmen, leergejagten Indianer-Reservationen ihre ursprüngliche Bedeutung mehr und mehr verloren haben. Daß sich die „Falschgesichter" der modernen Irokesen fast ausschließlich mit der Krankenheilung befassen, dürfte also eine neuere Entwicklung sein/ 8 5 die sicher auch etwas mit den akuten Gesundheits-Problemen der Indianer zu t u n hat ! Man muß ferner damit rechnen, daß bestimmte soziale Funktionen der Bünde im Laufe der Zeit gegenstandslos geworden sind,' 8 0 daß eine gewisse „Säkularisierung" eintrat, und daß vielleicht auch Veranstaltungen wegfielen, die als Provokation aufgefaßt werden konnten. Daß z. B. in neuerer Zeit nur noch ganz, wenige Autoren Tiermasken mit Hörnern oder Geweih-Aufsätzen erwähnen, ist wahrscheinlich kein Zufall. D E COST SMITH schrieb nämlich von den Maskenträgern bei den Onondaga: „. . . the Ho n -do' ï are careful to avoid anything in their costume which might suggest the conventional devil, or Satan. This is probably t o afford no ground for the accusation of 'devil-worship'". 187 Seine Bemerkung bezieht sich auf die Irokesen des späten 19. J h s ; es gibt aber Hinweise darauf, daß dieser Gesichtspunkt noch in der jüngeren Vergangenheit eine Rolle gespielt hat. 1 8 8 Die Irokesen sind — neben den Eastern Cherokee — die einzige größere Stam183
Die relative Hilflosigkeit der Indianer gegenüber den aus der Alten Welt stammenden Infektions-Krankheiten h a t diese Entwicklung allerdings schon in früher historischer Zeit vorgezeichnet. Das bestätigen bereits die Aufzeichnungen der französischen Jesuiten-Missionare aus der ersten H ä l f t e des 17. Jhs. 180 PABKEB (1909, p. 163) schreibt z. B.: „ . . . their policy seems to have changed, for after inquiry the writer can find no restriction placed on membership by reason of p h r a t r y or clanship." 187 SMITH, 1889, p. 278. Wie gerechtfertigt diese Vorsichts-Maßnahmen gewesen sein dürften, zeigt eine Äußerung von J . V. H . CLARK, die sich auf eine Veranstaltung der Onondaga im J a h r e 1841 bezieht: „On the evening of this day, t h e y hold a most ludicrous dance, called by the white people 'the devil's dance', in which they 'dance off the witches'. Nothing can appear more loathsome and abhorrent t h a n do the participators in this dance . . . and indeed it m a y well be styled 'a dance of the devils'." (Zit. nach BLAU, 1966, p. 564). 1 8 8 SHIMONY, 1 9 6 1 , p . 1 5 0 .
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mesgruppe im Osten Nordamerikas, der ein Teil ihres früheren Wohngebietes erhalten blieb. So kam es, daß auf ihren Reservationen in New York und vor allem in Ontario zahlreiche Splittergruppen von den Delaware, Nanticoke, Tutelo und anderen Stämmen Zuflucht gefunden haben. Als nun von einigen dieser Gruppen bekannt wurde, daß sie früher auch Masken besessen haben sollen, war es nicht schwer, dafür eine Erklärung zu finden: Es mußte sich um Lehngut von ihren Gastgebern, den „Sechs Nationen", handeln! Bei einigen der kleineren Gruppen wird man diese Erklärung — aus Mangel an beweiskräftigem Quellenmaterial — wohl oder übel hinnehmen müssen. Aber immerhin gibt es andere Erklärungsmöglichkeiten; und ich möchte auf eine, die ich für ziemlich plausibel halte, aufmerksam machen. Es ist bekannt, daß die Auseinandersetzungen zwischen den politischen F r a k tionen oft genug die Stämme zerteilten, und daß auf der anderen Seite gleichgesinnte Fraktionen von ¡verschiedenen ethnischen Gruppen enger zusammenrückten. Auf das Beispiel der „heidnischen" Irokesen von der Six Nations Reserve in K a n a d a und der auf ihrem Territorium siedelnden „Munsee-Mahican" hat S P E C K selbst hingewiesen: „The Munsee-Mahican band of the same Nation . . . adhered to its native beliefs and rituals, possibly through association with the unconverted Iroquois, whose tenacity of belief is, and has long been, largely defended by rationalized arguments. Tradition asserts t h a t the Munsee-Mahican adopted by the Six Nation was definitely antirChristian in a t t i t u d e . . ." 1 8 9 Man wird also sagen können, daß es überwiegend „konservative" Gruppen gewesen sind, die Verbindung zu den „heidnischen" Irokesen aufgenommen haben. Und man k a n n weiter schließen, daß der Rückhalt durch diese Irokesen auch auf die Kult-Traditionen der bei ihnen siedelnden fremden Stammesgruppen konservierend gewirkt hat. H A R R I N G T O N erwähnt z. B., daß die letzten Big House-Feste der Grand River-Delaware im Langhaus der Cayuga stattgefunden haben, und daß auch die „Falschgesichter" der Cayuga zu den „Munsee" kamen, um einer gefährlichen Cholera-Epidemie Einhalt zu gebieten. 190 Ähnliche Beziehungen haben nach E. W. V O E G E L I N und F . G. S P E C K auch unter den in Oklahoma -angesiedelten Waldland-Stämmen (Delaware, Shawnee, Seneca) bestanden. 1 9 1 Es ist also sicher richtig, daß die Nachbarschaft der „heidnischen" (Langhaus-) Irokesen auch eine gewi sse Bedeutung für die Masken-Tradition der kleineren Splittergruppen hatte. Damit ist nicht gesagt, daß sie die Masken erst von den Irokesen „übernahmen". Wahrscheinlicher ist, daß diese Gruppen ihre StammesR i t e n länger als andere bewahren konnten, weil sie einen starken Rückhalt in den Stämmen der Irokesen-Liga'gehabt haben. SPECK, 1945a, pp. 34/35. «O H A R B I N G T O N , 1 9 0 8 , p . 4 1 4 ; 1 9 2 1 , p . 1 6 1 . 191
S P E C K , 1950, p. 20. C. F. V O E G E L I N (1936, p. 13) schreibt sogar, daß die Seneca die bei den Shawnee bereits aufgegebene Masken-Zeremonie für eine gewisse Zeit wiederbelebt hätten! Daß die intensiven Kontakte auf den Reservationen zu einer gewissen Nivellierung der verschiedenen Stammes-Traditionen geführt haben, soll nicht bestritten werden.
D i e „ M e e z i n g " - M a s k e i m I n d i a n e r - M u s e u m z u R a d e b e u l ( K a t a l o g - N r . 150) H ö h e (ohne H a a r e ) : 28,2 c m , B r e i t e : 20 c m
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W e n n man allerdings das bei S P E C K abgebildete „Gesicht" aus dem letzten Big House der kanadischen Delaware betrachtet, 1 9 2 kommen einem doch Zweifel, ob die eben geäußerte Vermutung wirklich zu akzeptieren ist. Denn diese Ikone hat in der T a t sehr viel Ähnlichkeit mit einer irokesischen „False Face"-Maske. Sie ist mit Pferdehaar-Büscheln versehen, zeigt die charakteristischen Stirnfurchen, eine Reihe großer Zähne, plastisch herausgearbeitete Augenbrauen u n d weist offensichtlich dreieckige Metall-Augen mit Durchbohrung auf. Das alles p a ß t eigentlich mehr zu der Hypothese, daß diese „abnehmbaren" Ikonen — die also nicht aus dem Pfosten selbst herausgearbeitet sind — auf irokesischen Einfluß zurückgehen und sozusagen einen „Kompromiß" zwischen algonkinischer Pfahl- und irokesischer Masken-Tradition darstellen. Was hat es mit diesem Masken-Gesicht auf sich ? Bekanntlich sind die MisingPlastiken im Langhaus am Boston Creek größtenteils durch den Eifer des Mohawk-Predigers G. H. M. Johnson und seiner Anhänger zerstört worden. 1 9 3 Doch schreibt SPECK, daß eines dieser „Gesichter" in den Besitz der Tochter J o h n sons gelangt und verschiedenen Personen gezeigt worden sein soll. Andrew Thomas, ein irokesischer Maskenschnitzer, gehörte zu ihnen. Dieser Mann hat die Ikone im Auftrag S P E C K S — offensichtlich aus dem Gedächtnis — nachgestaltet, und S P E C K hat diese Nachbildung publiziert. 194 Es liegt an sich kein Grund vor, a n der Genauigkeit in der Wiedergabe der verschiedenen Details zu zweifeln. N u n befindet sich aber ein solches „Solid Face" von den kanadischen Delaware im Besitz des Royal Ontario Museum in Toronto 1 9 3 (Vgl. Fig. 6). Es entspricht in keiner Weise dem Aussehen des Masken-Gesichts in S P E C K S Werk, wohl aber dem Stil der „Gesichter" auf den Pfosten im Oklahoma-Big House und auf den Kultgeräten der „Unami" und „Munsee". 190 Der Freundlichkeit von Mrs. Kathleen WOOD, Curatorial Assistant des Royal Ontario Museum, verdanke ich dazu die folgende Information: „This is said to have been the last 'idol' worshipped by the Delawares; it was cut down from the post from which it projected by Mr. George H. M. Johnson late in the 1840's. This piece was given to the Royal Ontario Museum by Miss Evelyn H. C. J o h n son, Brantford in 1922". 197 Die Vermutung liegt nahe, daß bei der künstlerischen Gestaltung der „Kopie" nicht das Gedächtnis, sondern die Tradition des irokesischen Schnitzers den Ausschlag gegeben h a t ! W2 SPECK, 1 9 4 5 a , p . 4 3 , F i g . 2. W4 W5
SPECK, 1937, p . 1 3 ; 1945a, p . 44, F a ß n o t e 59. V g l . d a z u SPECK, 1945a, p . 44. V g l . M a s k s , o. J . , A 1 4 ; ROGERS, 1969, p . 82, F i g . 138. D a s O b j e k t t r ä g t d i e Sign a t u r : 922.1.25. W E S L A G E R (1972, p p . 18, 29, A n m e r k u n g 14) s c h r e i b t ü b r i g e n s , d a ß sich e i n w e i t e r e s h ö l z e r n e s „ G e s i c h t " i m B e s i t z v o n E l l i o t t M o s e s i n O s h w e k e n befände, „which tradition says had been salvaged f r o m the Big House."
« « V g l . e t w a : HARRINGTON, 1 9 2 1 , p . 8 3 , F i g . 6 ; p . 1 0 2 , F i g . 1 1 ; p . 1 3 0 , F i g . 1 5 . 1117
B r i e f l i c h e M i t t e i l u n g v o m 7. F e b r u a r 1974. I c h m ö c h t e M r s . W o o d a u c h a n d i e s e r Stelle f ü r ihre f r e u n d l i c h e U n t e r s t ü t z u n g ganz herzlich d a n k e n .
12 Jahrbuch des Museums für Völkerkunde, Bd. X X X
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6. Eine wichtige Frage ist bis jetzt noch unbeachtet geblieben: Wie ist es zu erklären, daß sich das irokesische Maskenwesen offensichtlich als viel entwickelter und komplexer erwiesen hat, als die (uns bekannten) Masken-Zeremonien der Algonkin-Stämme? Das ist eine ziemlich entscheidende Frage. D e n n aus dieser Komplexität könnte man auf größere historische Tiefe schließen. Das hat FENTON ausdrücklich hervorgehoben: „ . . . it would be relevant to investigate whether the Iroquois possess the complex in a greater degree of detail than their Algonquian neighbors". 198 Unübersehbar ist nicht nur die Zahl der Irokesen-Masken. Auch die Vielfalt der Formen und Bezeichnungen entzieht sich einer jeden exakten Klassifikation. „Natives themselves are confused when asked to classify False-faces. One old Seneca informant, Henry Redeye, told me there are as many False-face t y p e s as there are different people", schreibt FENTON.199 Nichtsdestoweniger haben FENTON und BLAU verschiedene Versuche unternommen, die Masken der Irokesen nach bestimmten Form- und FunktionsKriterien zu gliedern. 200 Das Ergebnis ihrer Untersuchungen: Man kann die Vielfalt der Masken weder aus ihrer Funktion noch aus den ihnen beigelegten Bezeichnungen („Doorkeeper Mask", „Common Face" u. a.) erklären. Mit anderen Worten: Form und Funktion haben kaum etwas miteinander zu t u n ! FENTON hat diese Einsicht so formuliert: „. . . a mask which was never intended t o represent more than a common face of the forest may in time perform the curing role of the great world-rim dweller in the doorkeeper ritual. Thus all the old masks do become ultimately doctor masks. And, occasionally, even some of the more potent doctor masks get into the hands of small b o y s who impersonate the beggars of the forest at the Midwinter Festival." 2 0 1 Demgegenüber ist die Gliederung der Masken bei den Delaware geradezu unkompliziert und leicht zu durchschauen; sie entsprach in einigen wesentlichen Zügen der hierarchischen Ordnung der Pfahlgesichter im Großhaus. Die große Maske mit dem geteilten, schwarz-roten Gesicht verkörperte den „Boss", Misinghalikun-, die einfarbigen Masken, die bei den kanadischen Delaware bekannt geworden sind, stellten wahrscheinlich sein Gefolge dar. Diese einfarbigen (roten und weißen) Masken gehörten jeweils zu einer der beiden StammesHälften oder „Moieties". Dabei spielte die Orientierung nach den Himmelsrichtungen eine wichtige Rolle, — wiederum genau wie bei den Ikonen. 2 0 2 Die weißen Masken betraten das Langhaus durch das West-Tor, die roten durch den Eingang im Osten. Auch im Innern nahmen sie jeweils auf „ihrer" Seite Aufstellung. 2 0 5 N u n ist allerdings merkwürdig, daß auch die Irokesen zwischen dem Anführer, dem „Great Doctor", und seiner Gefolgschaft, den „Common Faces", untere s FENTON, 1 9 4 1 , p . 4 0 5 . 199 F E N T O N , 1 9 4 1 , p . 4 0 6 . 200 FENTON, 1 9 4 1 , p p . 4 0 8 f f . ; 1 9 5 6 , p p . 3 4 8 f f . ; B L A U ,
1966.
201 FENTON, 1 9 4 1 , p . 4 0 7 . V g l . d a z u B L A U , 1 9 6 6 , p . 5 6 7 ; SHIMONY, 1 9 6 1 , p . 1 5 0 .
202 SPECK, 1945a, pp. 2 0 f f . 203 SPECK, 1 9 4 5 a , p . 7 5 .
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scheiden. 20 '' Merkwürdig ist auch, daß es bei den Masken-Zeremonien verschiedene Rollen oder Funktionen gibt: „Master" („Leader"), „Doorkeeper", „Commoner", „Beggar". 2 0 5 Und es gibt nicht nur die Funktionäre, sondern auch bestimmte Masken-Typen, die diese Bezeichnungen tragen („Doorkeeper Mask", „Common F a c e " usw.). Nur eben: Beides hat praktisch nichts miteinander zu tun! Allerdings scheint das nicht immer so gewesen zu sein. Jesse Cornplanter, em bekannter Seneca-Gewährsmann, erinnerte sich noch, daß in seiner Jugendzeit die verschiedenen Funktionen ganz bestimmten Maskenträgern vorbehalten waren. („. . . certain masks were reserved for certain functions. The Great Doctor masks were never lent out to small boys; they were kept for the Doorkeeper role.") 2 0 6 Wie ist nun dieser Wandel zu erklären? Ich meine, daß er sich vor allem durch eine Veränderung der Besitzverhältnisse ergeben hat. Daß gewisse Veränderungen im Maskenbesitz stattgefunden haben, ist sicher. Darauf hat vor allem J . H E N D R Y hingewiesen: „Masks were originally clan property, were later acquired by the medicine society, and finally came to be individual possessions which were handed down within families". 2 0 7 Auch R I T Z E N T H A L E B schreibt, daß die Masken m früherer Zeit Eigentum der Medizin-Gesellschaften gewesen seien. 208 Und die Vorstellung, daß die Masken von Rechts wegen - Gemeindebesitz sind, ist sogar bei den heutigen Irokesen noch ziemlich lebendig. 209 Praktisch sind sie jedoch persönliches Eigentum; sie können verkauft, verliehen, verschenkt und vererbt werden.. 210 J a , es gibt bereits einzelne berufsmäßige Schnitzer, die ihren Unterhalt teilweise durch Masken-Herstellung bestreiten. 2 1 1 Unter diesen Bedingungen ist es ganz logisch, daß allein die „Qualifikation" des Trägers entscheidet, welche Rolle seine Maske im Ritual spielt. Das Aussehen der Maske, die zufällig in seinen Besitz gelangt ist, kann jedenfalls nicht das ausschlaggebende Kriterium sein. So läßt sich m. E. erklären, warum eine bekannte, wirkungsmächtige „Doktor-Maske" in der Öffentlichkeit lediglich als „Bettler" fungiert, — wenn der frühere Besitzer sie einem kleinen Jungen verkauft oder vererbt hat. Und ebenso läßt sich erklären, warum der Darsteller des Shagodyowehgowa, der die „Falschgesichter" anfuhrt, unter Umständen nur m der Maske eines „Common F a c e " auftritt. Man kann also vermuten, daß das irokesische Maskenwesen erst m relativ später Zeit so „komplex" - und unübersichtlich - geworden ist, seitdem die ursprüng20/, FENTON, 1 9 4 1 , p . 4 2 0 . 2'« P A R K E S , 1 9 0 9 , p . 1 7 9 ; FENTON, 1 9 4 1 ; p . 4 2 1 , SPECK, 1 9 4 9 , p . 7 3 . 20Ü FENTON, 1 9 5 6 , p . 3 5 5 . 20' H E N D R Y , 1 9 6 4 , p . 3 8 0 . 208 RITZENTHALER, 1 9 6 9 , p . 2 2 .
200 RITZENTHALER, 1969, p. 32 (Nach SPITTAL, Grand R i v e r Reserve). 2IO RITZENTHALER, 1 9 6 9 , p p . 1 7 , 2 3 , 3 1 , 3 2 . 2 " H E N D R Y , 1 9 6 4 , p p . 3 8 2 f f . ; RITZENTHALER, 1 9 6 9 , p . 3 2 . 12*
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liehe Zeremonial-Organisation nicht mehr in ihrer traditionellen Form existiert. Bei den heutigen Irokesen entsprechen die „Gesichter" nicht ausschließlich bestimmten Rollen im Ritual; sie sind auch nicht in jedem Falle Abbilder eines durch den Mythos genau definierten Wesens mit festumrissenen Eigenschaften und Merkmalen. Vielmehr werden die „Falschgesichter" in der Regel nach individuellen Traum-Erlebnissen geschaffen. 212 (Davon kann bei den DelawareMasken nicht die Rede sein!) Die Zahl der Varianten ist also — theoretisch — unbegrenzt. Und insofern hat Henry Redeye, der alte Gewährsmann F E N T O N S , durchaus recht: Es gibt so viele Masken-Typen, wie es Individuen gibt! Die Auflösung des alten Organisations-Prinzips läßt sich auch noch an einem . anderen Beispiel nachweisen: Ich meine die Unterscheidung zwischen roten und schwarzen „Falschgesichtern". Auch sie trägt zur Kom-plizierung dieses Systems bei. Warum gibt es überhaupt rote und schwarze Masken ? Und welche Funktionen können sie früher einmal gehabt haben? Diese Frage wurde u. a. bereits von 213 S K I N N E R gestellt; aber 111. W. hat man darauf keine wirklich befriedigende Antwort finden können. Sicher scheint nur zu sein, daß die Farben irgend etwas mit den Himmelsrichtungen zu tun haben. Und zwar gilt Rot stets als Symbol des Ostens (des Sonnen-Aufgangs), während Schwarz offensichtlich die Farbe des Westens (des Sonnen-Untergangs) ist. 2|/| F E N T O N erfuhr von seinen SenecaGewährsleuten, daß der Maskenschnitzer, der seine Arbeit am Morgen begann, das entstehende „Falschgesicht" rot bemalte. Fand er aber den dafür geeigneten Baum erst in der zweiten Tageshälfte, dann färbte er seine Maske schwarz. 215 Auch hier scheint es sich wieder um ein ganz individuelles — und letzten Endes zufälliges — Gestaltungs-Prinzip zu handeln. Über die Funktion dieser Masken ist damit noch nichts geisagt. Aber immerhin sind gewisse Anhaltspunkte gegeben, aus denen sich vielleicht Schlußfolgerungen ableiten lassen. Daß die Farben Rot und Schwarz symbolische Bedeutung für die Gliederung der irokesischen Gesellschaft gehabt haben, geht u. a. aus einem alten französischen Dokument des Jahres 1666 hervor. Darin erwähnt der anonyme Autor zwei „Abteilungen" (d. h. Moieties) bei den Irokesen, zu denen jeweils bestimmte „Stämme" (d. h. Gentes) gehörten. Und er schreibt weiter, daß ein Teil der Gentes seine Totemzeichen mit roter Farbe an die Front der Langhäuser gemalt habe, 212 FENTON, 1941, pp. 4 0 6 f f . ; 1956, pp. 3 5 2 f f . E s sei dahingestellt, welche Rolle Träume und Visionen bei den irokesischen Maskenschnitzern der Gegenwart noch spielen. H E N D R Y (1964, p. 395) fand bei den Onondaga keine A n h a l t s p u n k t e dafür. Viele der modernen Schnitzer holen sich s t a t t dessen neue Ideen durch Literatur-Studium und Museums-Besuche! 2 « SKINNER,
1925, p.
206.
1941, p. 410; 1956, pp. 355/356; S P E C K , 1949, p. 76; H E N D R Y , 1964, p. 370. D a r u m wird auch von der geteilten, schwarz-roten Maske gesagt: „He stands at the mid-sky looking south, his red cheek to the east . . . "
214 F E N T O N
215 F E N T O N , 1 9 4 1 , p p .
423/424.
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während die Tier-Symbole der anderen schwarz gewesen seien: „Each tribe has in the gable end of its cabin, the animal of the tribe painted; some in black, others in red. When they assemble together for consultation, the first Division ranges itself on one side of the fire in a cabin; and the other Division places itself on the other side". 216 Die Himmelsrichtungen — besonders Osten und Westen — spielen auch in den Masken-Zeremonien der Irokesen eine wichtige Rolle. Zum Beispiel findet der Einzug der „Falschgesichter" in die irokesischen Siedlungen von entgegengesetzten Seiten statt. Im Frühling und Herbst, wenn die öffentlichen MaskenFeste gefeiert werden, ziehen die Maskierten in zwei Gruppen ins Dorf ein. 217 Es liegt eigentlich nahe, diese anonymen Abteilungen mit den Moieties in Verbindung zu bringen, die nachweislich auch im 20. J h . noch eine wichtige Rolle im Zeremonialleben der Irokesen gespielt haben. 218 S P E C K schreibt ausdrücklich, daß die Mitglieder der Wolf-Moiety das Cayuga-Langhaus (in Sour Springs) durch das West-Tor betraten, während die Angehörigen der SchildkrötenMoiety durch das Tor im Osten kamen. 219 Die Organisation der Masken-Gesellschaften hat sicher etwas mit dem MoietyPrinzip zu tun gehabt. Wie sollte man es sonst erklären, daß die verschiedenen Funktionäre in der Regel paarweise auftreten und stets verschiedenen Moieties angehören müssen? 220 M O E G A N hat das ja auch ganz eindeutig zum Ausdruck gebracht: „They had two such organizations, one in each phratry, which shows still further the natural connection of the phratry with religious observances." 221 Im Zusammenhang mit dieser Feststellung kommt einer Beobachtung SHIMONYS besondere Bedeutung zu. Sie schreibt nämlich, daß bei der feierlichen Ansprache an die „False Faces" im Langhaus bestimmte Passagen zweimal vorgetragen werden, und zwar einmal für die schwarzen und einmal für die roten Masken: „The two categories of Faces are seen as separate groups of personalities". 222 Mir scheint, es spricht manches für die Annahme, daß auch die Farbe der Masken ursprünglich mit dem irokesischen Moiety-System zusammenhing. Die Deutung der heutigen Indianer, daß die Schnitzer ihre Arbeit an den roten Masken in der ersten Hälfte des Tages begannen, und daß die schwarzen Masken in der zweiten Tageshälfte entstanden, widerspricht dieser Erklärung nicht. Im Grunde genommen ist damit nur ein anderer Aspekt des alten dualistischen Systems genannt. Denn man weiß ja, daß die Irokesen vor dem Auftreten Handsome Lake's Zeremonien des Tages und der Nacht unterschieden haben. Und es ist 2J(i
D o c u m e n t a r y H i s t o r y I, p. 4. 217 FENTON, 1936, p. 9; 1937, p. 233 (Cold Spring). 218
V g l . ^ v o r a l l e m F E N T O N , 1 9 3 6 ; S P E C K , 1 9 4 9 ; SHIMONY, 1 9 6 1 .
21