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German Pages 539 [297] Year 1969
Jahrbuch des Museums für Völkerkunde zu Leipzig BAND XXV
AKADEMIE-VERLAG
BERLIN
JAHRBUCH DES MUSEUMS FÜR VÖLKERKUNDE ZU LEIPZIG STAATLICHE FORSCHUNGSSTELLE
BAND XXV
H E R A U S G E G E B E N VOM DIREKTOR
A K A D E M I E - V E R L AG • B E R L I N 1968
Redaktion: Dr. WOLFGANG KÖNIG Dr. B A R B A R A T R E I D E Die Autoren sind für den Inhalt ihrer Abhandlungen selbst verantwortlich Redaktionsschluß: 30. 6. 1967
Gedruckt mit "Unterstützung der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik: Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen Copyright 1968 by Museum für Völkerkunde zu Leipzig Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, 108 Berlin, Leipziger Straße 3—4 Lizenznummer: 202 • 100/126/68 Karten: 71/68 Fotos: Höltker, Wieckhorst Zeichnungen: Große, Thomas Herstellung: IV/2/14 VEB Werkdruck, 445 Gräfenhainichen • 2915 Bestellnummer: 2085/11/11 22,50
I N H A L T S Ü B E R S I C H T
Vorwort
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GEOBG HÖLTKER,
St. Augustin
Ältere Bilddokumente zur N a r b e n t a t a u i e r u n g in Neuguinea (Mit 21 Abbildungen auf Tafel I - X I ) H A N S DAMM,
Leipzig
Alte Holzgefäße von den Hawaii-Inseln (Mit 10 Abbildungen auf Tafel X I I - X V u n d 10 Figuren im Text) BARBARA TBEIDE,
LOTHAR STEIN,
60
London
Einiges zu den E t h n o g r a p h i k a der Chalcha u n d B u r j a t e n im Museum f ü r Völkerkunde Leipzig WALTER BÖTTGER,
79
Leipzig
Weitere buddhistische Votivstelen aus dem alten China im Besitz des Museums f ü r Völkerkunde zu Leipzig . (Mit 6 Abbildungen auf Tafel X V I - X V I I I ) P E T E R GÖBEL,
38
Leipzig
Die älteste Beschreibung der Beduinen in der deutschsprachigen Literatur . .• (Mit 7 Abbildungen im Text) BAWDEN,
29
Leipzig
Ökologische Klassifizierung von Pflanzen durch schoschonischsprachige Bevölkerungen im westlichen Nordamerika
C. R .
7
92
Leipzig
Die elo-Masken der N u p e im Museum f ü r Völkerkunde Leipzig (Mit 1 K a r t e , 2 Abbildungen auf Tafel X I X - X X u n d 4 Figuren im Text)
103
Inhaltsübersicht EDITH HOFFMANN,
Leipzig
Zyprische Skulpturen der Sammlung Ohnefalsch-Richter aus hellenistischer Zeit . . 120 (Mit 10 Abbildungen auf Tafel X X I - X X I V ) DIETRICH DKOST,
Leipzig
Töpferei in Afrika. Ökonomie und Soziologie (Mit 1 Karte und 4 Figuren im Text)
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VORWORT
Der vorliegende Band unseres Jahrbuches zeichnet sich dieses Mal nicht durch die regionale und thematische Vielfalt aus, wie wir sie sonst in unseren Publikationen zu geben bemüht sind. Ungeachtet dessen werden von den Autoren, ob sie das ethnographische oder archäologische Objekt, ob sie eine wissenschaftshistorische oder speziell ethnobotanische Frage zum Gegenstand ihrer Untersuchung machen, völkerkundliche Probleme aufgeworfen, die für den Fachmann wiederum von wesentlichem Interesse sein dürften und das Wissen um Kultur und Lebensweise der Völker bereichern. Mit der Ethnographie der Südsee beschäftigt sich G E O B G H Ö L T K E R in seinem Beitrag zu dem interessanten, leider vom Wesen her noch so wenig behandelten Komplex der Narbentatauierung in Neuguinea. Unterzeichnender nahm einige alte Holzgefäße von den Hawaii-Inseln, die einmal von der Provenienz und zum anderen von ihrer Ausdeutung als Gebrauchsgegenstände her starkes Interesse verdienen, zum Gegenstand der Untersuchung. B A R B A R A T E E I D E , die bereits ethnobotanischen Fragen in Melanesien nachging (als Veröffentlichung Heft 16 ist ihre diesbezügliche Dissertation Ende 1967 erschienen), beschäftigt sich in ihrer vorliegenden Arbeit mit einer ähnlich gelagerten Thematik im westlichen Nordamerika. Sowohl von wissenschaftsgeschichtlichem als auch speziell fachlichem Interesse dürfte der Aufsatz von L O T H A R S T E I N über die älteste Beschreibung der Beduinen in der deutschsprachigen Literatur sein. Mit Freude kann ich vermerken, daß die in unserem Jahrbuch publizierten Arbeiten die Aufmerksamkeit von Vertretern anderer Disziplinen in immer stärkerem Maße wecken. So Meiert z. B . C H A R L E S B A W D E N , angeregt durch die Beschreibung mongolischer und burjatischer Ethnographika (vgl. Jahrbuch Bd. XXII), eine durch die Auswertung von sprachlichem Material sehr wertvolle Ergänzung und Deutung mongolischer Begräbnisgeräte. Aus den Beständen des Museums hat sich unser Sinologe W A L T E R B Ö T T G E E buddhistische Votivstelen aus dem alten China zum Gegenstand seiner Untersuchung gewählt. P E T E E G Ö B E L beschreibt die wenigen in unserem Museum vorhandenen Nupe-Masken. Damit sind diese äußerst wertvollen und seltenen Objekte endlich mit in den wissenschaftlichen Verkehr gerückt worden. Mit dem Aufsatz von Frau E D I T H H O F F M A N N über die zyprischen Skulpturen der Sammlung Ohnefalsch-Richter aus hellenistischer Zeit ist die Publikation des gesamten Materials aus diesem Komplex abgeschlossen, und ich bin der Autorin sehr
Vorwort
dankbar, daß sie sich dieser verantwortungsvollen Aufgabe so aktiv angenommen hat. Weit über den Rahmen eines Jahrbuch-Aufsatzes geht die Arbeit von D I E T R I C H D R O S T hinaus. Es wäre eigentlich notwendig gewesen, seine „Töpferei in Afrika. Ökonomie und Soziologie" als gesonderte Veröffentlichung herauszugeben. Besondere Umstände haben uns jedoch dazu gezwungen, die vorliegende, als Teil I I konzipierte Arbeit zu der als Heft 15 unserer „Veröffentlichungen" erschienenen „Töpferei in Afrika. Technologie" in unserem Jahrbuch zu bringen. Allen Autoren sei abschließend für ihre Mitarbeit gedankt. Mein besonderer Dank' gilt auch dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, das die Herausgabe unserer Publikationen in so großzügiger Weise ermöglicht, sowie dem Akademie-Verlag, der sich der Drucklegung in altbewährter Form angenommen hat. HANS DAMM
August 1967
ÄLTERE
BILDDOKUMENTE
ZUR NARBENTATAUIERUNG Von
GEORG- H Ö L T K E R ,
IN
NEUGUINEA
St. A u g u s t i n
(Mit 21 Abbildungen auf Tafel I - X I )
Eine allgemeine und zusammenfassende wissenschaftliche Monographie über die „unbewegliche Körperzier" bei den Naturvölkern (um diesen von C. STREIT1 eingeführten Ausdruck zu gebrauchen) ist leider in neuerer Zeit nicht mehr erschienen. Immerhin besitzen wir aber im deutschen Sprachbereich drei ältere Publikationen dieser Art: die drei monographischen Darstellungen von JOEST, CATTANI und ZELLER.2 Das Buch von JOEST ist das solide Standardwerk der frühen Zeit vergleichender Völkerkunde, auf das auch CATTANI aufbaut, der allerdings das Thema nach der medizinischen Seite hin ergänzt und abrundet. ZELLERS Publikation dient mehr populärwissenschaftlichen Zwecken und holt ihre Materialien zumeist von ihren Vorgängern. Wie sieh das (einzige) englische Werk von HAMBLY3 in diese Serie einordnet, kann ich nicht beurteilen, da mir dieses Buch nicht zugänglich war. 1
Unbewegliche Körperzier in vorgeschichtlicher Zeit. (Anthropos, 3 0 , p. 1 0 7 - 1 3 4 , 4 6 3 - 4 8 2 , 6 8 1 - 7 0 6 . ) Diese S t u d i e b r i n g t a u s p r ä h i s t o r i s c h e r Sicht m a n c h e b e a c h t e n s w e r t e B e l e u c h t u n g des e t h n o g r a p h i s c h e n T h e m a s . W I L H E L M J O E S T , T ä t o w i r e n , N a r b e n z e i c h n e n u n d K ö r p e r b e m a l e n . E i n Beitrag zur vergleichenden Ethnologie. Berlin 1887. - P A U L C A T T A N I , Das T a t a u i e r e n . E i n e m o n o g r a p h i s c h e Darstellung. Basel 1922. — R . Z E L L E R , D a s T a t a u i e r e n bei d e n N a t u r v ö l k e r n . (Ciba-Zeitschrift, 7, 1941, Nr. 82, p. 2842-2858.) W. D. H A M B L Y , T h e H i s t o r y of T a t t o o m g a n d lts Significance. L o n d o n 1925. — I n z w i s c h e n h a b e ich H A M B L Y gelesen u n d festgestellt, d a ß er „ T h e B o d y m a r k i n g " vor allem m den ersten drei K a p i t e l n m Q u e r v e r b i n d u n g e n m i t magischen, religiösen u n d soziologischen Vorstellungen b e h a n d e l t . D a n n folgen die T e c h n i k (4. K a p . ) , die globale V e r b r e i t u n g (5. K a p . ) u n d zuletzt noch ein geschichtlicher Ü b e r b l i c k (6. K a p . ) . H A M B L Y will besonders das Pionierwerk v o n J O E S T (wie A n m . 2) ergänzen u n d korrigieren, weil er das f ü r n o t w e n d i g h ä l t : „ J o e s t ' s ,Die T a t o w i r u n g ' , 1887, IS useful on t h e side of technology relating t o all f o r m s of b o d y m a r k i n g , b u t omission of, a n d m places a l m o s t a disdain of t h e psychological a n d historical aspects which are f u n d a m e n t a l , d e t r a c t seriously f r o m a n otherwise v a l u a b l e w o r k " (p. 22f.). Wir b r a u c h e n hier auf diese u n d a n d e r e ungelöste P r o b l e m e n i c h t weiter einzugehen. — N u r noch kurz hingewiesen sei auf eine n e u e r e Publikation von: W A L T H E R SCHÖNFELD, Körperbemalen, Brandmarken, Tätowieren. Heidelberg 1960. Sie zitiert zwar dankenswerterweise ein a u s f ü h r l i c h e s S c h r i f t t u m a u s j ü n g s t e r Zeit, s t ü t z t sich im T e x t a b e r wesentlich auf P h ä n o m e n e u n d E r f a h r u n g e n „vorzüglich in E u r o p a " (so im U n t e r t i t e l des Buches) u n d ist vor allem eine Studie „ f ü r Mediziner" (so im Vorwort). C. STREIT, 1935,
2
3
8
GEORG H Ö L T K E R
Neben diesen vier mehr allgemeinen Werken ist noch eine größere Anzahl von Artikeln und Broschüren erschienen, die zwar auch die Tatauierung zum Hauptthema haben, aber sich mit einzelnen Völkern und Formen oder mit der regionalen Verbreitung (Afrika, Ozeanien, Asien, Amerika) beschäftigen. Einige von diesen werden wir nachher noch in dem einen oder andern Zusammenhang zu nennen haben. Sie hier alle aufzuzählen, liegt nicht in unserer Absicht. Schließlich müßte man natürlich alle kurzen und längeren Notizen und Hinweise aus ethnographischen Büchern und Zeitschriften sammeln, werten und verwerten, wenn eine gut fundierte Monographie zum Thema entstehen soll, die längst ein Desideratum der heutigen Völkerkunde ist. Meine hier vorgelegten Materialien können und sollen nur kleine „Beiträge" dazu sein. BEGRIFF, BENENNUNG, BEGRENZUNG
Schon das deutsche Fremdwort „Tatauierung" für den unbeweglichen Körperschmuck erlebte seit COOKS Zeiten eine interessante wortgeschichtliche Entwicklung. Zu den Einzelheiten sei auf K R Ä M E R S Aufsatz 4 verwiesen. Von ihm übernehme ich auch die Schreibweise „Tatauierung". Dudens Rechtschreibung sagt allerdings „Tätowierung"; für Dudens Fremdwörterbuch ist „tatauieren die wissenschaftliche Form von tätowieren". In älteren Werken, so auch bei J O E S T (wie Anm. 2 und 5 ) , fehlt meistens das „e". K R Ä M E R spricht mit Recht von dem „armen geknechteten Südseewort" (p. 32). Das merkt der Leser bald selber, wenn er in der früheren deutschen Fachliteratur immer wieder über die englisch oder französisch befruchteten Wortungetüme stolpert. 5 Drei verschiedene Arten der Tatauierung lassen sich unterscheiden. Z E L L E R (wie Anm. 2, p. 2842) nennt sie: 1. den in die Haut eingestochenen, 2. den eingebrannten und 3. den eingeschnittenen Körperschmuck. Die mittels Nadeln, Dornen usw. in die Haut eingestochene Tatauierung (blauschwarzfarbig, wie gewöhnlich, oder bunt, wie im alten Japan) wird die „eigentliche Tatauierung" oder auch „Stichtatauierung" genannt. Sie ist als einzige unter den drei Arten global verbreitet, aber nach Form, Technik, Ausdehnung und Qualität von Volk zu Volk doch sehr verschieden. Jedoch soll in diesem Aufsatz nicht näher darauf eingegangen werden. Es würde uns hier zu weit führen. Nur um die ästhetische Gegensatzwirkung der Stichtatauierung zur viel gröberen Narbentatauierung auch bildlich zu zeigen, sind die beiden, am ganzen Körper künstlerisch geschmackvoll tatauierten Hula-Frauen (Stichtatauierung!) hier aufgenommen worden, (s. Abb. 1, Taf. I). 4
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AtrGTTSTiN
K R Ä M E R , Tätowiren, Tatauiren, Tatuiren und die Wasserflasche. (Intern. Arch. f. Ethnogr., Leiden, 28, 1927, p. 31—34.) Das fehlende „e" in den drei ersten Hauptwörtern dürfte auf einen (holländischen) Druckfehler zurückzuführen sein, denn im Text heißt es immer richtig „Tatauieren" usw. Vgl. dazu etwa: W. JOEST, Körperbemalen und Tättowiren (!) bei den Völkern des Altertums. (Verhandl. d. Berliner Ges. f. Anthrop., Ethnol. und Urgeschichte, Jahrgang 1888, p. 412-416. In: Zeitschr. f. Ethn., 20, 1888.)
Bilddokumente zur Narbentatauierung in Neuguinea
9
Eine Zwischenbemerkung mag hier am Platze sein. Diese Stichtatauierung in ihrer einmaligen. Ausdehnung über den ganzen Körper von der Haargrenze bis zu den Fußknöcheln und in ihren typischen „geometrischen" Formen und Bildern ist an der Südostküste Neuguineas heimisch und den Ethnologen seit langem bekannt, wenn auch nur selten photographiert worden. Meistens mußten Zeichnungen genügen, die eine photographische Genauigkeit nicht garantieren können. 6 Schon 1 8 7 8 kam T U R N E R (wie Anm. 6 ) ziemlich ausführlich auf diese.Körperzier der „hellhäutigen Frauen" (p. 473) Papuas zu sprechen. In Wien erschien dann 1 8 8 5 von F I N S C H auf Grund seiner persönlichen Feldforschungen ein Artikel über die Kleidung und anderes der Papuas, der sofort auch ins Französische übersetzt wurde und in Paris herauskam. 7 F I N S C H glaubte, durch Augenschein belehrt, daß diese Tatauierungen Neuguineas auch bei Europäern Gefallen finden könnten. 8 Aus der Zeit noch vor der Jahrhundertwende haben wir einen weiteren Beleg von Missionar C H A X M E R S . 9 Die beste neuere Publikation zum Thema mit reichlichem Bildmaterial schrieb F. R . B A R T O N . 1 0 A U S diesen und andern einschlägigen Veröffentlichungen läßt sich belegen: Diese typische melanesische Stichtatauierung blieb bis in die dreißiger Jahre hinein auf bestimmte Stämme (bzw. Orte) an der Südostküste Neuguineas beschränkt, nämlich auf die Motu, Hula und Koita im Distrikt Port Moresby und auf einige „östliche Inseln", z. B. Samarai. In den letzten Jahrzehnten ist nun auch dieser Stammesbrauch rapid zurückgegangen. Die zweite und dritte Art nennt man zusammen die „Narbentatauierung", die uns hier besonders interessieren wird. Der Name sagt es schon, daß dieser eingebrannte und eingeschnittene Körperschmuck nicht hautglatte Formen und Bilder auf dem Körper anstrebt, sondern ganz im Gegenteil : dicke Narben (Hautwülste nach der Art des medizinischen Keloid). In der Literatur werden sie auch „Schmucknarben" oder „Ziernarben" genannt. „Fingerdick" oder „dick wie ein Bleistift" liegen diese künstlichen Narben auf der Haut. 1 1 J e nach dem, ob die ü
„I took an exact pencil copy of the marks on the girl's body", sagt z. B. auf Seite The Ethnology of the Motu. Journ. Anthrop. Inst. London, 7 , 1 8 7 8 , p. 4 7 0 - 4 9 9 . 7 O . F I N S C H , Über Bekleidung, Schmuck und Tätowirung der Papuas der Südostküste von Neu-Guinea. (Mitteilg. d. Anthrop. Ges. Wien, 1885.) Wörtliche Übersetzung : O T T O F I N S C H , Notice sur les vêtements, les parures et les tatouages des Papouas des Côtes Sud-Est de la Nouvelle-Guinée. (Revue d ' E t h n o graphie, 5, 1886, p.46—80, 97—116.) Ich zitiere nach der französischen Ausgabe: . . et même parfois toutes les parties du corps jusqu'au dos du pied" (p. 98). 8 O. F I N S C H , Tätowirung und Ziernarben in Melanesien, besonders im Osten Neuguineas. I N : J O E S T , wie Anm. 2 , p. 3 6 — 4 2 . Zitathinweis: auf p. 4 1 . 0 J A M E S C H A L M E R S , Pioneering in New Guinea. London s. a. p. 283. 10 F. R. B A R T O N , Tattooing in South Eastern New Guinea. (Journ. Anthrop. Inst. London, 48, 1918, p. 22-79.) " Auf den melanesischen Tanga-Inseln (östlich von N e w Ireland), wo die Narbentatauierung ebenfalls gebräuchlich ist, spricht der En gländer B E L L einmal von den „scars raised three-eighths of an inch above the surrounding skin surface". (F. L. S. B E L L , Tattooing and scarification in Tanga. In: Man, 49, 1949, No. 28.) 481 : WILLIAM Y . TURNER,
10
GEORG
HÖLTKER
Wunde durch Brand oder Schnitt entsteht, unterscheiden wir die „BrandTatauierung" und die „Schnitt-Tatauierung". Diese letztere kann aus kurzen oder langen Schnitten hervorgehen. Man sieht den Ziernarben selbst schon die individuelle Entstehungsursache an. Die Brand-Tatauierung verrät sich fast immer durch den runden oder ovalen Grundriß einer knöpf artig aufgeworfenen Narbe. Sowohl die Brand- als auch die Schnitt-Tatauierung wird in den Fachbüchern in Anlehnung an die englische Ausdrucksweise auch wohl mit „Skarifizierung" bezeichnet. Allerdings meint dieses Fremdwort einschränkend meistens nur die Langschnitt-Tatauierung. Wir hätten also jetzt folgende Übersicht über die Begriffe und Benennungen: 1. Stichtatauierung (wie bei den Hula-Frauen) 2. Narbentatauierung (Skarifizierung) a) Brand-Tatauierung b) Schnitt-Tatauierung a) Kurzschnitt-Tatauierung ß ) Langschnitt-Tatauierung
Abschließend soll noch ausdrücklich gesagt sein, daß der Körper auch manchc Narbe trägt, die mit Tatauierung nichts zu tun hat. Es sind die Folgen ungewollter Verletzungen, etwa die Brandnarben bei den Frauen oder die Pfeil- und Speerverletzungen bei den Männern, worauf LE ROIXX12 eigens aufmerksam macht. Beispielsweise im Mimika-Distrikt (West-Neuguinea) sind nach W O L L A S T O N vor allem handgreifliche Streitigkeiten für einen guten Teil der Narben auf Brust und Rücken der einheimischen Bevölkerung verantwortlich. ENTSTEHUNG DER ZIERNARBEN N E U H A U S S hat darauf hingewiesen, daß „die mehr rundlichen oder ovalen, stark hervortretenden Narben durch Einbrennen" entstanden sind.1'1 In den Bosngun-Dörfern 15 am unteren Ramu (Neuguinea) habe ich 1937 wiederholt beobachten können, wie sich die Mädchen selbst oder auch gegenseitig diese Brandwunden beibrachten. Sie drehten zu diesem Zwecke aus den trockenen Fasern der Außenschale einer Kokosnuß kleine Kugeln zusammen, die etwa 1—1,5 cm Durchmesser hatten. Eine solche Kugel klebten sie mit Speichel auf die Stelle des Körpers (Brust oder Oberarme), die durch Brandnarbe verziert 12
13
14 15
C. C. F. M. LE R o u x , De Bergpapoua's van Nieuw-Guinea en hun woongebied. I. Deel. Leiden 1948, p. 118: „. . . het gevolg van pijlschoten en speersteken". „. . . we occasionally saw people with irregulär scars all over the upper part of breast and back, but it is probable that most of them were the signs rather of former quarreis than due to a spirit of coquetry." ( A . F . R . W O L L A S T O N , Pygmies and Papuans. London 1912, p. 112.) R. N E U H A U S S , Deutsch Neu-Guinea. Berlin 1911. I. Bd., p. 192., Zum Stamm und Wohngebiet der Bosngun vgl.: G E O R G H Ö L T K E R , Das Geisterhaus bei den Bosngun am unteren Ramu River. (Jahrb. d. Mus. f. Völkerk. Leipzig, X X I I , 1966, p. 17-39.)
Bilddokumente zur Narbentatauierung in Neuguinea
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werden sollte. Dann zündete man das Kügelchen an und ließ es langsam bis auf •die Haut niederbrennen. Es war auf der Brandstelle nur noch etwas Asche sichtbar, •die man mit dem Munde wegblies. Zurück blieb aber dann eine offene Brandwunde. Während der ganzen Prozedur verzerrten sich zwar zeitweise die Gesichter der leidenden Mädchen in empfindlichen Schmerzen — die Mädchen waren schätzungsweise 12—15 Jahre alt —, aber es kam kein Klagelaut über die zusammengekniffenen Lippen, und man unterbrach auch nicht das Niederbrennen der Faserkugel. Ich habe nie gesehen, daß ein Mädchen gleichzeitig mehrere Kugeln auf •seiner Haut niederbrennen ließ; der Schmerz wird wohl zu groß gewesen sein. Nach einigen Tagen wurde eine neue Wunde eingebrannt. Durch Einreiben mit Asche, Kalk oder Pflanzensäften in die offenen Brandwunden erreichte man, daß •die Wunden nur langsam und dann mit einer dicken Narbe verheilten. Aus dieser Operationstechnik ergibt sich der rundovale Grundriß der späteren Brandnarben. Bei anderen Stämmen Neuguineas nimmt man zum Abbrennen statt der .Kokosfaser kleine Stückchen von der trockenen Mittelrippe eines KokospalmenWattes, wie es z. B. auch in Tanga gebräuchlich ist. 16 Die Gogodara (Fly River, Papua) greifen zu einer Kokosrispe, wie W I R Z es anschaulich schildert: „Man nimmt eine vollkomnien trockene Kokosrispe, bricht kleine Stückchen davon ab und drückt sie aufrecht auf die angefeuchtete Haut. Mit einem Feuerbrand wird •ein jedes dieser Stäbchen zum Glimmen gebracht und auf der Haut belassen, bis es vollkommen verbrannt ist. Durch kräftiges Pressen oder Emporziehen •der Hautpartie sucht man den Schmerz zu lindern". 17 Nach einer kleinen Notiz bei F I N S C H (wie Anm. 8 , p. 3 7 ) werden die Brandwunden bei einigen Stämmen Neuguineas auch mittels heißer Kohlen hergestellt. Die Schnittnarben lassen ebenfalls durch ihre Form sofort erkennen, ob sie die Folge kurzer oder langer Schnitte sind. Als Schneidegerät für diese Wunden werden Bambussplitter, Bambusmesser, Obsidiansplitter, heiße MuschelschalenTänder, scharfe Steine, Flaschenglasstücke usw. genannt. Zur Beschreibung der Technik der kurzen Schnitte zitieren die Autoren von •Sammelwerken gern die Schilderung von den Stämmen aus Neu-Mecklenburg (New Ireland), die uns S T E P H A N und G R A E B N E R geschenkt haben. 18 Ich lasse hier a.ber lieber den Neuguinea-Kenner und erfahrenen Feldforscher P A U L W I R Z (wie Anm. 17) von den Gogodara erzählen: „Die Mädchen pflegen allgemein den Oberkörper mit Ziernarben (kaka) zu versehen. Solches geschieht vor der Heirat. Man verwendet hierzu einen Epidermisstreifen eines harten Bambus (kowe), aus welchem auch Pfeilspitzen und Bambusmesser verfertigt werden. Die Haut wird mit dem Daumen und Zeigefinger der Linken hochgezogen und mit dem scharfen 1C
„The midrib of a coconut-palm lead is heated and used as a poker. The resulting pyrographic design is made permanent by not allowing the burns to heal too soon". (BELL, w i e A n m . 11, N o . 28, p. 31.)
17
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P A U L W I R Z , Die Gemeinde der Gogodara. (Nova Guinea, X V I , Livraison I V . ) Leiden 1934, p. 428. E M I L S T E P H A N und F R I T Z G R A E B N E R , Neu-Mecklenburg. Berlin 1 9 0 7 , p. 4 5 .
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GEORG HÖLTKER
Bambussplitter geritzt. Oberarme, Brust und Rücken, seltener auch der Bauch und die Kreuzgegend werden auf diese Weise mit geraden, gezackten und auch gewellten Linien verziert. Die Operation wird stets von älteren Frauen ausgeübt" (p. 428). Die Ziernarben aus kurzen Schnitten, die dann jeweils etwa 0,5—1 cm lang sind, lassen sich zu Punktbändern (Winz, wie Anm. 17, p. 428, nennt sie „Linien"!) und symbolischen Zeichen lose aneinanderreihen oder zusammenstellen. So können größere Flächen des Körpers (Brust, Rücken, Bauch, Gesäß, Arme) leicht und ästhetisch wirksam überdeckt werden. Nicht selten allerdings ist dabei die figurale Gestaltung äußerst primitiv, um nicht zu sagen regellos (vgl. etwa N E U H A U S S , wie Anm. 14, p. 193, Abb. 94: Bukaua-Frau). Für die Herstellung der Schmucknarben aus „langen Schnitten", die wohl 10-20 und noch mehr Zentimeter lang sein können, haben wir nur ganz selten eine nähere Beschreibung in der Literatur gefunden, wohl aber öfters Abbildungen aus der Sepik-Kultur, die allerdings die grausame Praxis zwar bestätigen, aber nicht erläutern können. Wrßz berichtet von den Marind-anim aus Saringe (Südwest-Neuguinea) : „Die Mädchen und Frauen von Saringe und den benachbarten Siedlungen zeichnen sich durch besonders reiche Narbentatauierung aus, die gelegentlich den ganzen Rumpf, die Oberarme und Oberschenkel bedecken kann . . . Das aus geraden, parallelen oder sich kreuzenden, seltener auch aus gerundeten Linien bestehende Muster wird in raschen (langen) Zügen, ohne erst auf die Haut aufgezeichnet zu werden, mit einem Muschelsplitter eingeschnitten, so daß reichlich Blut fließt . . . Oftmals stellen sich Entzündungen und Fieber ein, denen man aber weiter keine Beachtung schenkt. Man reißt im Gegenteil die Wunden wiederholt auf, um sie am Verheilen zu hindern, so daß sich mit der Zeit stark hervorquellende Narben bilden". 19 Besonders bei den Schmucknarben aus langen Schnitten kommen wohl öfters ungewollte Verwachsungen der Haut und Narben vor, die auch den Frauen und Mädchen nicht sympathisch sind. Schon FISCHER20 bespricht solche „Verunstaltungen", wie er sie nennt: „Die Narben bilden ringsumgehende Gürtel oder netzähnliche Figuren und liegen bis fingerdick auf der Epidermis, von der sie bisweilen an einigen Stellen brückenartig abgehoben werden können" (p. 45). Immer wieder weisen die Feldforscher darauf hin, daß die Schnittwunden allgemein nur der Narbenbildung wegen eingeschnitten werden. Die dicke Ziernarbe wird angestrebt; darum muß man eine schnelle Heilung der Wunde, wie sie eigentlich bei jungen, gesunden Menschen die Regel ist, mit wirksamen Mitteln verhindern. Nicht nur, daß die heilende Wunde wiederholt aufgerissen wird, sondern man reibt schon in die frische Wunde bestimmte flüssige oder staubartige Fremdkörper ein (Kohlenpulver, Asche, Rötel, Kalk, Blättersaft usw.), um die langsame Narbenbildung zu begünstigen und zu fördern. 19 20
PAUL Winz, Dämonen und Wilde in Neuguinea. Stuttgart 1928, p. 108. H. W. FISCHER, Ethnographica aus Süd- und Südwest-Neu-Guinea. Guinea, VII, Livraison I.) Leiden 1913, p. 37—145.
(Nova
Bilddokumente zur Narbentatauierung in Neuguinea
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berichtet aus Kambrambo am Sepik River, daß dort bei der Jugendweihe die Kandidaten „mit den sehr scharfen Zähnchen in den Schädeln junger Krokodile am ganzen Leibe blutig geritzt werden . . . (daß) sie mit großer Gewissenhaftigkeit am ganzen Körper gekratzt werden, bis sie so ziemlich mit Blut bedeckt sind" (p. 155). Ob diese Kratzer hier bei der Tatauierung eingereiht werden müssen oder eher, was wahrscheinlich ist, nur eine besondere Art der allgemein üblichen Quälereien der Initianden darstellen, läßt sich aus der kurzen Mitteilung S P E I S E R S nicht klar erkennen. Es bedarf keiner großen Phantasie, sich vorzustellen, wie schmerzhaft die beiden Arten der Narbentatauierungen (Brand- und Schnittnarben) für die betreffende Person sein müssen. J O E S T (wie Anm. 2 ) spricht in diesem Zusammenhang von einer „Zerfetzung der H a u t " (p. 3). Gerade Ärzte und Mediziner haben diese Seite der Narbentatauierung besonders hervorgehoben. P L O S S und B A R T E L S 2 2 beispielsweise sprechen von den „besonders schmerzhaften Prozeduren bei der Tatauierung" (p. 7 2 ) . Dort, wo B U S C H A N 2 3 das Thema „Schmucknarben" behandelt, versäumt ernicht, als Mediziner beizufügen:,,... was natürlich fürchterliche Schmerzen verursacht" (p. 7 4 ) . Der Feldforscher und Mediziner N E U H A U S S äußert sich ganz im gleichen Sinne (wie Anm. 14): „Damit bei den durch Brennen erzeugten Wunden recht dicke Narben entstehen, beschmiert man in Sissanu . . . die frische Wunde mit einer Mischung aus Kalk und Blättersaft einer Pflanze. Diese Mischung, welche eine gelbe Farbe hat, reizt außerordentlich stark. Die Schmerzen, welche die Frau ausstand, damit durch wiederholtes Brennen eine Narbe wie die in Fig. 9 5 ( N E U H A U S S , p. 1 9 4 — G. H.) dargestellte sich bildet, müssen fürchterlich gewesen sein" (p. 192). Im allgemeinen tun die Betroffenen nichts dagegen, die Wundschmerzen zu lindern oder abzukürzen. Die geringfügige Erleichterung durch „Pressen und Emporziehen der Hautpartie" (vgl. Anm. 17) ist oben schon genannt worden. Auf den kleinen Inseln Rennell und Bellona (Melanesien-Polynesien) versucht man, die heftigen Tatauierungsschmerzen durch das Auflegen warmer Hände zu besänftigen. 24 Für Neuguinea kann ich den gleichen Brauch nicht ausdrücklich belegen, man darf ihn aber wohl annehmen, weil es sich um eine allgemein menschliche Erfahrung handelt. „Wenn sich die Mädchen", so sagt N E U H A U S S (wie Anm. 1 4 ) , „bei Eintritt der ersten Regel auf Brust und Rücken durch Schneiden und Brennen hunderte von Wunden anbringen lassen . . . , so darf man das nicht als ein Zeichen von stark herabgesetzter Empfindlichkeit der sensiblen Nerven auffassen" (p. 109). Vielmehr müssen dafür ganz andere, besonders starke Gründe vorliegen. SPEISER21
F E L I X S P E I S E E , Eine Initiationszeremonie in Kambrambo am Sepik. (Ethnologischer Anzeiger, 4, 1944, p. 153—157.) 22 H E I N B I C H P L O S S und M A X B A R T E L S , Das Weib in der Natur- und Völkerkunde. 9. Aufl. Leipzig 1908. I. Bd. 23 GEORG B U S C H A N , Illustrierte Völkerkunde. II. Bd. Stuttgart 1923. 2 '* S A M U E L H . E L B E R T und T O R B E N MOMBERG, From the two Canoes. Vol. I . Honolulu/ Copenhagen 1965, p. 121. 21
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GEORG HÖLTKER
ZWECKE U N D MOTIVE
Damit steht die schwere Frage nach dem „Warum?" vor uns. Der einzige Zweck der vielen blutigen und schmerzhaften, frei und gewolltbeigebrachten und übernommenen Wunden und der ganzen damit verbundenen Operation sind die Narben. Andere operative Eingriffe, die auch nicht selten sind, stehen hier nicht zur Diskussion. Und welche Motive liegen diesem erstaunlichen und konsequenten Streben nach Narben zugrunde? Schon JOBST (wie Anm. 2) hat sich diese Frage vorgelegt. Er meint, daß die europäischen Gelehrten bei der Beantwortung dieser Frage in eine richtige und wüste „Orgie von Phantasie" (p. 65) geraten, indem sie die unmöglichsten Motive vorbringen. JOEST selbst hat sich für das Schmuckbedürfnis des Menschen als einziges Motiv entschieden und verteidigt diese These in seiner Monographie kühn und leidenschaftlich. Allzu temperamentvolle Aussagen wird man einem Pionier auf diesem weiten Forschungsgebiete zugute halten dürfen. Grundsätzlich hat JOBST durchaus recht. Noch heute ist es wohl die allgemeine Auffassung der Fachgelehrten, daß für jede Art von Tatauierung das allererste und stärkste Motiv immer war und geblieben ist: den eigenen Körper dadurch zu schmücken, ihn noch schöner und attraktiver für den Ehepartner zu machen. Darum auch die Namen „Schmucknarben", „Ziernarben". Doch neben dem Schmuckbedürfnis können auch noch andere Motive mitsprechen. Sowohl CATTANI (wie Anm. 2) als auch ZELLER (wie Anm. 2) haben für die Tatauierung allgemein noch ein Dutzend Motive gefunden. In behutsamer Auswahl wird man für Neuguinea noch etwa folgende Beweggründe gelten lassen können: 1. ein stark sexuell betontes Schmuckbedürfnis, weil die Tatauierung gewöhnlich zwischen Pubertät und Heirat vollendet wird. 2. Marken der Mannbarkeit aus der Jugendweihe. 3. Zeichen von Rang und Würde, wie beispielsweise früher auf den Laughlaninseln die Stichtatauierung ein Vorrecht der Häuptlingsfrauen war. 25 Unnötig ist es, noch eigens darauf hinzuweisen, daß die Schönheitsbegriffe anderer Völker nicht unbedingt mit den unsrigen konform gehen müssen. Geschmackvolle Stichtatauierung könnte wohl auch, sagt man, die europäischeÄsthetik ansprechen, aber wie ist es dann mit der groben „Hautzerfetzung" bei der Narbentatauierung? Der gelehrte Kanonikus von Xanten, CORNELIUS D E P A U W , stellte 1768 eine lange Liste völkerkundlicher Körperdeformationen zusammen. Sie sind für ihn „Gewohnheiten, die den gesunden Verstand beleidigen". In dieser listenartigen Aufzählung werden auch genannt (offenbar sind hier die Tatauierungen gemeint!): „. . . die Haut kerben, in die Haut Figuren schneiden . . .", die demnach auch „den gesunden Verstand beleidigen". Aber E. F. PODACH, der den alten Herrn aus Xanten zitiert (p. 104), beweist ihm, daß „Schönheit" ein. 26
G. THILENIUS, Die Tätowierung der Frauen auf den Laughlaninseln. (Globus, 81, 1902, p. 47.) Die fünf Laughlaninseln gehören zu den sogenannten „östlichen. Inseln" und liegen etwa 60 km östlich von Woodlark (Papua) entfernt.
Bilddokumente zur Narbentatauierung in Neuguinea
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sehr widerhaariger Begriff ist und sich ungern einer allgemeinen Definition, unterordnet. Und überhaupt: „Alles 'Schöne' im Sinne eines gesellschaftlichen Phänomens mußte erst Prestige haben, um zur Schönheit zu werden", sagt PODACH.26 Das große Arbeitsfeld, das man „Ethnologie des Schönen" nennen könnte, ist noch wenig systematisch beackert worden. Auch das ist eine Aufgabe für die Zukunft. ETHNOLOGISCHE BEDEUTUNG Es bleibt der vergleichenden Ethnologie für die Zukunft noch sehr viel zu tun. Dazu würde auch eine gründliche Erforschung der Probleme rund um das völkerkundliche Phänomen der Tatauierungen und eine moderne monographische Darstellung des Ganzen und der Einzelheiten gehören. Schon die erste Monographie zum Thema, die von J O E S T (wie Anm. 2 ) , nannte sich im Untertitel „Ein Beitrag zur vergleichenden Ethnologie". Daß die Tatauierung für die vergleichende Völkerkunde ein wichtiges Kulturelement und darum ein ergiebiges Thema sein kann, braucht wohl nicht bewiesen zu werden. Allerdings müßte man, mehr als bisher, für die Erforschung der kulturellen Beziehungen zwischen den einzelnen Völkern und Stämmen nicht nur das Vorhandensein der Tatauierung oder deren Fehlanzeige kennen, sondern ganz besonders auch die charakteristischen Einzelheiten: Art, Technik, Figuren, Instrumente, Einreibungsstoffe, soziale Bedeutung, psychologische Einschätzung, handelnde und leidende Personen, geschlechtliche und altersmäßige Zuordnung der Träger, Bedeutung, Zweck, Motive usw. Neben dieser ersten Beziehungsforschung laufen fallweise auch noch andereAufgaben nebenher. Ich nenne dafür nur einige Fragen: Könnte ein Zusammenhang bestehen zwischen der Narbentatauierung am menschlichen Körper und den zahlreichen, oft gesehenen Kerbschnitzmustern an den Holzplastiken Neuguineas? In beiden Fällen sind Brust und Rücken, Arme und Beine und besonders auch die Nabelgegend die bevorzugten Träger solcher Zierschnitte. So weit ich das Neuguinea-Material überschauen kann, sind nun die Einkerbungen auch an Plastiken zu finden, deren Hersteller oder Besitzer keine Narbentatauierung kennen. Die Frage wäre also wohl wert, ihr nachzugehen. Eine in Nordost-Neuguinea weitverbreitete Mythe erzählt, daß ein mythischer Held die Schamteile seiner Schwägerin tatauierte (ganz bezeichnenderweise auf ausdrücklichen Wunsch dieser Frau!) und darum von seinem Bruder verfolgt wurde.27 Diese doch immerhin etwas absonderliche Vorstellung bekommt ein bißchen mehr Gewicht, wenn man daran denkt, daß in bestimmten Teilen Neuguineas, z. B . in Südost-Papua, eine Stichtatauierung der weiblichen Schamteil& 26
E . F . PODACH, Haarfarbe und Stand. (Tribus, N. F . 2 und 3, Stuttgart 1953, p.
27
GEORG HÖLTKER, Mythen und Erzählungen der Monumbo- und Ngaimbom-
104-124. Zitat auf p. 104.)
Papua. (Anthropos, 60, 1965, p. 68-72.)
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nichts Ungewöhnliches ist (vgl. die Abbildungen in: B A R T O N , wie Anm. 1 0 ) . Mit Hilfe einer fast hundertjährigen Zeichnung bringt T I S C H N E R den Nachweis, daß früher die Frauen auf Fidji (Melanesien) eine Tatauierung trugen, die sich „im wesentlichen auf'die durch den Schurz verdeckten unteren Körperteile einschließlich der Genitalregion erstreckte". 28 Man fragt sich weiter: Wird man einmal die kulturgeschichtliche Entwicklung des Personenschmuckes vom beweglichen Schmuck (Blumen, Schmuckstücke usw.) zur Körperbemalung und von der abwaschbaren Körper bemalung zur permanenten Ziertatauierung unanfechtbar nachweisen können? Für manche Forscher der einschlägigen Materie ist dieser Entwicklungsgang nicht nur möglich, sondern so gut wie sicher. Persönlich glaube ich aber, daß man auf Grund bisheriger Studien zur Ornamentforschung zu solchen Schlußfolgerungen noch nicht berechtigt ist. Die Frage bleibt offen. Geradezu sensationell wirkte vor zwei Jahrzehnten das Bemühen S C H U S T E R S , aus den geometrischen Figuren der Stichtatauierung in Südost-Papua weltweite Beziehungen zu Alt-Ägypten und Afrika abzulesen. 29 Es ist mir nicht bekannt, ob der Autor in den letzten Jahren diesen Weg weiterging und ob er damit Erfolg hatte. Immerhin erreichte C A R L S C H U S T E R in seinem späteren Aufsatz „V-Shaped Chest-Markings" (Anthropos, 47, 1952, p. 99—118), in dem er sich ausschließlich auf Ozeanien beschränkte, zweifellos eine Verdeutlichung und gesteigerte Intensität der Problematik, eine erstaunliche Anreicherung der Materialien und eine Vervielfältigung der zur Diskussion gestellten Fragen. Solche Versuche sind durchaus nicht schon von vornherein abwegig und aussichtslos. VERBREITUNG DER NARBENTATAIIIERUNG IN NEUGUINEA
Der Anfang jeder kulturgeschichtlichen Analyse wird eine Verbreitungsstudie über das betreffende Kulturelement sein müssen. Darum ist auch für eine gründliche Erforschung der Tatauierungen in Neuguinea eine Übersicht über das Vorkommen oder Nicht-Vorkommen bei den einzelnen Stämmen eine unabdingbare Voraussetzung. Es kann aber nicht die Aufgabe meines kurzen Artikels sein, hier eine Vollständigkeit der Belege zu erreichen. Meine Ausführungen wollen vielmehr nur „Beiträge" zu einer später notwendig werdenden „Monographie des unbeweglichen Körperschmuckes" sein. Also vorläufig gewollt und bewußt nur Stückwerk zu einem Ganzen, das erst noch kommen muß! Besonders gilt das auch für die hier mitgeteilten positiven Angaben, die ich aus persönlicher 28
Beiträge zur Ethnographie des alten Viti Levu und den unveröffentlichten Notizen und Zeichnungen T H E O D O E K L E I N S C H M I D T S aus den Jahren 1 8 7 5 — 1 8 7 8 . (Beiträge zur Völkerkunde. Festschrift für Hans Damm.) Berlin 1961, p. 671 und Tafel 140, Abb. 4. C A B L S C H U S T E R , Modern Parallels for Ancient Egyptian Tattooing. (Sudan Notes and Records, 2 9 , 1 9 4 8 , p. 7 1 - 7 7 . ) HSBBEET
Vanua
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TISCHNER,
Levu
nach
Bilddokumente zur Narbentatauierung in Neuguinea
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Erfahrung in Neuguinea (1936—39) oder als „Lesefrüchte" der letzten Jahrzehnte sammeln konnte. Vollständigkeit wurde nirgends angestrebt. Was aber bereits bekannt ist, sollte in diesem Zusammenhang kurz registriert werden, damit es später nicht übersehen, sondern entsprechend ausgewertet wird. Aus praktischen Gründen beschränke ich mich hier auf Neuguinea. Damit soll aber nicht behauptet oder auch nur irgendwie insinuiert werden, die Tatauierungen kämen auf andern melanesischen Inseln (New Britain, New Ireland, Fidji usw.) oder auf den polynesischen und mikronesischen Eilanden nicht vor, von Indonesien, Asien und Afrika gar nicht zu reden. Wir meinen hier nur Neuguinea mit seinen drei verschiedenen Verwaltungsterritorien (Westirian, Territory of New Guinea, Papua). Immer wieder hört man von den Feldforschern in Neuguinea die Klage, besonders aus der Zeit nach dem letzten Weltkriege, wie schnell und wie gründlich sich das Kulturbild der einheimischen Bevölkerung wandelt. Manche Kulturelemente verschwinden mehr und mehr oder sind bereits vollständig untergegangen. Dazu gehört auch die Narbentatauierung in vielen Teilen Neuguineas, wo sie ihre einstige soziale Bedeutung längst verloren hat. T I S C H N E R hat in seinem Aufsatz (wie Anm. 28) gezeigt, daß alte Bilddokumente eine wertvolle Quelle für die heutige Ethnologie sein können. Man muß die Bilder nur vorzeigen und nicht in Archiven verstauben lassen. Man muß sie durch einen Kommentar zum Reden bringen, sonst bleiben sie stumm und uninteressant. Da ich selbst zwar keine hundertjährigen Bilder habe, aber immerhin ältere Photoaufnahmen aus den Jahren 1920—1940, so glaube ich, der ethnologischen Forschung einen kleinen Dienst damit zu tun, wenn ich diese bisher unveröffentlichten Bilder mit kurzem Kommentar der Öffentlichkeit übergebe. Es handelt sich also um bildhafte Belege, die heute (von einigen Sepik-Kulturen abgesehen) wohl kaum noch aufgenommen werden könnten. Der objektive, dokumentarische Charakter der Photographie aus dem angegebenen Jahr bleibt auf jeden Fall ungeschmälert. Und darin liegt ein einmaliger Wert. Ein allgemeiner und summarischer Überblick über die Verbreitung belehrt uns bald, daß alle Tatauierungen nur im Küstenstreifen heimisch sind, allerdings gebietsweise oft sehr verschieden und da und dort auch mit örtlichen Unterbrechungen. 30 Die Zentralneuguinea-Stämme haben keine Tatauierung, weder die Mt. Hagen-Wahgi-Chimbu-Bewohner noch auch die Bergpapua in Westirian. 31 Um unsere Belege rein äußerlich zu ordnen und geographisch genauer zu lokalisieren, umwandern wir in Gedanken die ganze Insel in der Uhrzeigerrichtung. 30
31
„The practice of making elaborate designs on the body by tattooing or the raising of keloids has a very uneven distribution." (Pacific Islands, vol. IV. B. R. 519 C. Geographical Handbook Series for official use only. Naval Intelligence Division. London 1945, p. 154.) „De Bergpapoea daarentegen heeft deze gewoonte om zijn lichnaam meer blijvend te versieren nog niet van zijn rasgenoten in de laagvlakten overgenomen. Alle o'nderzoekers melden unaniem: sCarificatie en tatoeage komen niet voor" (LE R o u x , wie Anm. 12, I, p. 118).
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Jahrbuch des Museums für Völkerkunde, Bd. X X V
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GEORG H Ö L T K E B
Wir beginnen bei Samarai (Südost-Papua), gehen dann an der Küste von Papua und Westirian entlang, umrunden den „Vogelkopf" und gelangen an der Nordund Ostküste Neuguineas entlang über Madang hinweg bis in den MassimDistrikt (Südost-Papua). a) Südost- und Südküste von Papua Hula: Mit Motu, Koita und den „östlichen Inseln" ist Hula die Heimat ausgedehnter und geschmackvoll durchgeführter Stichtatauierung bei Mädchen und Frauen. Abb. 1 (Taf. I) zeigt zwei Hula-Frauen. Die geometrische Musterung, welche die ganze Rückseite bedeckt, findet sich ganz analog auch auf der Vorderseite von der Stirn bis zum Rist. Hula als Siedlung und Bucht liegt etwa 90 km südöstlich von Port Moresby.32 Die übrigen Gebiete des Port Moresby-Distriktes sind ohne jede Tatauierung. Das gilt z . B . auch von den Mafulu am Vorgebirge im Hinterland von Port Moresby.33 Ebenso wird von der ganzen Südküste bis an das Gebiet der Marindanim heran kein unbeweglicher Körperschmuck gemeldet, abgesehen von der sehr beliebten Körperbemalung für Tanz und Kultfeste usw. b) Südwest- und Westküste von Neuguinea Marind-anim: Die Marind-anim besitzen eine reiche Narbentatauierung (gariv), „auf welche die Mädchen und jungen Frauen sehr stolz sind. Sie wird infolgedessen niemals unterlassen" ( W I R Z , wie Anm. 1 9 , p. 18). Gogodara: Bei den Gogodara „pflegen die Mädchen allgemein den Oberkörper mit Ziernarben (kaka) zu versehen . . . Eigentliche Tatauierung (d.h. Stichtatauierung) ist in diesem Gebiete unbekannt" ( W I R Z , wie Anm. 1 7 , p. 4 2 8 ) . Murray-See: Ziernarben bei den Wiram und den Anwohnern des Murray-Sees meldet N E V E R M A N N . 3 4 Mimika-Distrikt: Der Mimika-Distrikt ist vollständig frei von Stichtatauierung, kennt und praktiziert aber sehr wohl die Skarifizierung. 35 Lorentz-Fluß: Auch die Bewohner vom Unterlauf des Lorentz-Flusses tragen Ziernarben, während diese bei den Pesegem in den Bergen unbekannt sind.36 32
33 3/
*
35
36
A . V. G . P R I C E and N . W . G . MACINTOSH, A note on the fingerprints and ethic Classification of the natives of Hula Village near Port Moresby. (Oceania, 28, 1957-58, p. 204.) R O B E R T W . W I L L I A M S O N , The Mafulu. London 1912, p. 3 6 . H A N S N E V E R M A N N , Die Gabgab auf Südneuguinea. (Tribus, N . F. 2 und 3. Stuttgart 1953, p. 200.) „Tattooing, in the proper sense of the term, is unknown to the Mimika Papuans, but a great number of them practise cicatrisation or scarring." (WOLLASTON, wie Anm. 13, p. 112.) J. W. VAN NOUHUYS, Der Bergstamm Pesegem im Innern von Niederländisch Neu-Guinea. (Nova Guinea, VII, Livraison I.) Leiden 1913, p. 2.
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c) Nord- und Nordostküste von Neuguinea Humboldt-Bai: Wie GALIS mitteilt, findet man bei den Bewohnern der Humboldt-Bai sowohl die Stichtatauierung als auch die eigentlichen Schmucknarben (p. 147). Der Verfasser erwähnt (p. 148), daß bereits 1858 VAU DER GOES die Skarifizierung bei diesen Stämmen festgestellt hat. 37 Sentani-See: „Bei den Bewohnern des Sentani-Gebietes werden, wie auch bei der Küstenbevölkerung, Knaben und Mädchen tatauiert" (p. 290). „ . . . das Tat.auieren bei den Männern des Sentani-Gebietes ist viel weniger üblich als an der Humboldt-Bai . . . Die Jünglinge tatauieren sich gegenseitig und desgleichen auch die Mädchen" sagt WIBZ38 (p. 291), aber leider läßt er nicht erkennen, ob er von der Stich- oder der Narbentatauierung spricht. Wanimo: Abb. 2 (Taf. I) zeigt ein älteres Photo, etwa aus dem Jahre 1925, mit drei Männern aus Wanimo am Angriffshafen. Die dicken Schmucknarben auf dem rechten oder linken Oberarm treten plastisch hervor. Die figürliche Gestaltung des Narbenbildes ist sehr merkwürdig und könnte irgendwie an eine konkrete Vorlage aus der Tierwelt (Schlange? Krokodil?) erinnern. Leider wissen wir über die Bedeutung der Narben nichts, auch nicht, bei welcher Gelegenheit (Jugendweihe?) sie eingeschnitten werden. Es sind offenbar Narben aus dem langen Schnitt. Sissanu: (besser bekannt unter dem Namen „Aissano") liegt vom Angriffshafen etwa 100 km nach Südosten hin entfernt. An den von N E U H A U S S (wie Anm. 14) im Bild veröffentlichten Sissanu-Leuten erkennt man die knopfartige Brandnarbentatauierung bei den Frauen auf Brust und Oberarmen (II. Bd., p. 320, 323). Auch Schmucknarben aus den langen Schnitten sind in Sissanu bekannt. „Zu dem Großartigsten", sagt N E U H A U S S (wie Anm. 14, I. Bd., p. 192), „was es überhaupt auf dem Gebiete der Narbentatauierung gibt", gehört die Schmucknarbe auf der linken Schulter einer Sissanu-Frau, die er auf Seite 194 veröffentlicht hat. Sehr wichtig ist aber seine ergänzende Bemerkung dazu ( N E U H A U S S , wie Anm. 14, I. Bd., p. 192): „Doch ist diese Art der Verzierung in Sissanu nicht einheimisch, wohl aber in dem nicht weit davon entfernten Angriffshafen". Daraus ergibt sich, daß Sissanu nur der empfangende, nicht der gebende Partner zu Wanimo (siehe oben!) ist. Tatsächlich hat die Narbenfigur bei der Sissanu-Frau eine ziemlich gute, formale Ähnlichkeit mit dem Narbenbilde der Wanimo-Männer von Abb. 2, wenn man auf der einen Seite die Figur umdreht. Ilubeim: ein zum Bugi-Stamm gehöriges Dorf im Hinterland von But, etwa drei bis vier Tagereisen von der Küste entfernt. Abb. 3 (Taf. II) zeigt zwei Frauen 37
38
9*
K L A A S WILHELM
GALIS, P a p u a ' s
van
de Humboldt-Baai.
(Proefschrift.)
H a a g 1955. PAUL WIEZ, Beitrag zur Ethnologie der Sentanier, Holländisch ( N o v a Guinea, X V I , Livraison III.) Leiden 1928.
Den
Neuguinea.
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GEORG H Ö L T K E R
aus Ilubeim. Sie tragen auf Bauch und Oberarm dickwulstige Schmucknarben, die aus langen Schnitten zur Zeit der ersten Menstruation entstanden sind. Das Photo wurde 1 9 3 4 im Dorfe Ilubeim vom Missionar A N D R E A S G E R S T N E R SVD aufgenommen. Murik: Daß bei den Nor-Papua in Murik die Narbentatauierung für Männer und Frauen üblich ist, berichtet der Missionar und gute Murik-Kenner J O S E P H S C H M I D T SVD. Er gibt auch genauer die Gründe und Gelegenheiten an, warum und wann die langen Schnitte beigebracht werden.39 Abb. 4 und Abb. 5 (Taf. II, III): Mädchen mit Narbentatauierungen auf dem Oberarm. Die Photos entstanden 1920. Nach einer späteren Notiz auf der Rückseite der Photoabzüge soll es sich um Mädchen aus „Hendan" handeln. Da es in der ganzen Sepik-Region, die allein in Frage kommen kann, kein „Hendan" gibt, so viel ich weiß, wohl aber ein Mendam (oder Mendim) — das ist die östlichste Siedlung der Nor-Papua in Murik; vgl. die Karte bei S C H M I D T , wie Anm. 3 9 , p. 701 —, so möchte ich diese Bildbelege zunächst in Murik lokalisieren, bis etwa spätere Studien diese Ortsbestimmung bestätigen oder korrigieren. d) die Sepik-Region An beiden Ufern des Sepik und zum Teil auch an seinen Nebenflüssen ist die Narbentatauierung ausgiebig in Gebrauch. Das ist zudem das einzige Vorkommen tief im Lande, soweit wir unterrichtet sind. Die erste großzügige Übersicht über die Tatauierungen bei den Sepik- Stämmen bot R E C H E in seiner berühmten Monographie über den Kaiserin-Augusta-Fluß/1" Ihm war es schon aufgefallen, daß die Stichtatauierung überhaupt ganz fehlt, die Narbentatauierung zwar am Unterlauf des Sepik seltener zu sehen ist, aber dagegen sehr häufig am Mittellauf, beginnend etwa mit Kambringi, und besonders in den Dörfern 252 und 293 (wie Anm. 40, p. 109). Vom Dorfe 3 7 5 an flußaufwärts werden dann wieder, sagt R E C H E , „die Ziernarben seltener und kunstloser" (p. 112). „Bei den Weibern habe ich (dort) keinerlei bemerkenswerte Ziernarben gesehen" (p. 1 1 2 ) . Das von R E C H E als Hauptverbreitungszentrum am Mittellauf des Sepik gefundene Areal würden wir heute — etwas großzügig — als das Wohngebiet der Iatmül bezeichnen. R O E S I C K E , der Ethnologe der damaligen Südsee-Expedition, hat uns aus dem Kerngebiete die Entstehung solcher Narben geschildert:'*1 „Die Vornahme der Tätowierung ist eine recht schmerzhafte Prozedur. Ich kam einmal gerade dazu, als man sie vornahm. Der junge Mann lag mit dem Rücken nach oben auf einem schon vorher Tätowierten, der ihn festhielt. Sechs ältere Männer bearbeiteten 39
JOSEPH
SCHMIDT,
Die
Ethnographie
der
Nor-Papua
(Murik-Kaup-Karau)
bsi
Dalimannhafen, Neu-Guinea. (Anthropos, 1 8 - 1 9 , 1 9 2 3 - 2 4 , p. 712.) 40 OTTO R E C H E , Dar Kaiserin-Augusta-Fluß. (Ergebnisse der Südses-Expeditiori 1 9 0 8 - 1 9 1 0 . I I . A. 1.) Hamburg 1913. 4 1 ROESICKE, Mitteilungen über ethnographische Ergebnisse der Kaiserin-AugustaFluß-Expedition. (Zeitschr. f. E t h n . , 46, 1914, p. 5 0 7 - 5 2 2 . )
Bilddokumente zur Narbentatauierung in Neuguinea
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ihn, mit scharfen Bambusmessern Schnitte in die Haut machend. Das Blut floß reichlich. Das Opfer fing gegen Ende der Arbeit an zu jammern und zu schreien, doch wurde das durch Schlagen der Schlitztrommeln und durch einen möglichst lärmenden Tanz mit Tanztrommelbegleitung, zu dem rasch ein paar Männer zusammentraten, zu übertönen versucht. Der durch den Blutverlust ziemlich geschwächte Junge wurde dann mit Wasser abgewaschen und mit Öl eingerieben, von einem älteren Manne auf dem Rücken aus dem Versammlungshaus herausgetragen und in einer Gruppe von andern Männern, die dazu ein paar Tanztrommeln schlugen und eine kurze Bambusflöte bliesen, den Frauen gezeigt. Denn während solcher Zeremonien sind die Versammlungshäuser durch hohe Zäune aus Sago-Palmwedeln gegen, die Blicke der Unberufenen, d. h. der Frauen und Kinder, geschützt" (p. 510). „Nach der Tätowierung werden die Kandidaten mit grauweißem Schlamm bestrichen und bleiben so längere Zeit — mehrere Wochen dauerte es in Jentschemangua — im Versammlungshause eingeschlossen, wo man sie gut verpflegt, aber von Zeit zu Zeit mit Gerten jagt und schlägt, wobei öfters auch wieder Blut fließt" ( R O E S I C K E , wie Anm. 41, p. 511). Durch die Nennung des Dorfnamens Yentschemangua im westlichen Teil des Iatmül-Gebietes, unmittelbar am Sepik gelegen, ist uns die genauere Lokalisierung der wertvollen Angaben möglich. Aus der Abbildung eines „jungen Mannes in Kararau" ( R O E S I C K E , wie Anm. 41, p. 511) — Kararau gehört zu den östlichen Dörfern der Iatmül — wissen wir, daß es sich hier um Narbentatauierung aus langen Schnitten handelt. Diese dickwulstigen Narben sitzen vor allem auf dem Rücken und dem Gesäß der Männer, manchmal dehnen sie sich auf die vordere Seite des Körpers aus, und manche Narben umgeben den Nabel und die Brustwarzen. „Endlich findet man auch solche in der Deltoideus-Gegend" ( R O E S I C K E , wie Anm. 41, p. 511). Bei der Narbentatauierung am mittleren Sepik handelt es sich zwar auch um „Schmucknarben", aber in der einheimischen Wertskala doch erst an zweiter Stelle. Zuerst sind die Narben dem Träger und für die Gemeinschaft der Ausweis der überstandenen Jugendweihe, der geschlechtlichen Reife, der Ehefähigkeit; sie sind zudem der ganze Stolz eines vollwertigen Mitgliedes der Stammesgemeinschaft. Für dieses hohe Ziel jeder männlichen Jugend übernimmt man gern und bereitwillig die fürchterlichen Schmerzen der Schnitte und der Narbenbildung. Ob der tatauierte Mann aus Neuguinea, den S P E I S E E photographierte/*2, auch in das Iatmül-Gebiet gehört, wage ich nicht zu entscheiden. Jedenfalls ist S P E I S E R bei seiner damaligen Sepik-Reise (vgl. Anm. 21) über Kambrambo hinaus weiter flußaufwärts gekommen. M a l i n g a i (Iatmül): Die erste intensive Erforschung der Iatmül wird immer mit dem Namen B A T E S O N verbunden bleiben, der zweimal Feldforschungen am mittleren Sepik durchführen konnte. Von seinen Publikationen ist sein Buch „Naven" /l3 das bekannteste, das allerdings vor allem ein „Buch der Theorie" ist « CiBA-Zeitschrift V I I , N r . 84, 1942, p. 2950. 43
GREGORY BATESON, N a v e n . 1. E d . , C a m b r i d g e 1 9 3 6 . 2. E d . , S t a n f o r d / C a l . 1 9 5 8 .
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GEORG HÖT.TKER
und darum textlich für ethnographische Dinge kaum brauchbare Belege liefert/' 4 So auch nicht für die Narbentatauierung, aber die Abbildungen seines Buches reden für uns eine klare Sprache. Die Abbildung auf der Tafel X zeigt einen jungen Mann aus Malingai, der auf einem kieloben gedrehten Kanu liegend von den Männern die Schnitte in den Rücken empfängt. K a n g a n a m u n (Iatmül): Aus diesem Dorf bringt B A T E S O N (wie Anm. 43) gleich zwei Bilder, die uns interessieren. Auf der Tafel XI. A. sehen wir einen jungen Mann aus Kanganamun, der die Schnitte rund um die Brustwarzen, und auf der Tafel XI. B. den gleichen Jungen, der die Skariflzierung auf dem Rücken bekommt. Auf allen drei Bildern hat der Kandidat Kopf und Oberkörper in den Schoß eines vor ihm sitzenden Mannes gelegt, der iljn mit sicherem Griff festhält. Abb. 6a (Taf. III): Dieses Photo entstand 1925. Es ist zwar eindeutig auf den mittleren Sepik lokalisiert, aber nicht auf eine bestimmte Ortschaft. Der Jungmann zeigt die typischen halbbogenförmigen Schnittnarben oberhalb der Brustwarzen, wie B A T E S O N das oben für Kanganamun belegt, so daß wir diesen Jungen mit einigem Recht nach Kanganamun oder dessen Nähe verweisen könnten. Aber auch aus Korogo und Torembi meldet A U F E N A N G E R Schnittwunden um die Brustwarzen. Demnach könnte dieses Photo auch nach Korogo oder Torembi gehören. Doch so oder so bleibt die Ortsbestimmung „Iatmül am mittleren Sepik" unangefochten. Im Photo-Archiv des Museums für Völkerkunde zu Leipzig befindet sich seit längerer Zeit dieses Photo (Abb. 6b, Taf. III), das nur die Ortsangabe „Neuguinea" trägt. Ein aufmerksamer Vergleich mit Abb. 6a zeigt uns bald, daß die beiden jungen Männer aus der gleichen Sepik-Gegend stammen müssen, möglicherweise sogar aus demselben Dorf. Beide tragen die große Schnittnarbentatauierung auf dem rechten Oberarm, der linke Arm ist narbenfrei, und die halbmondförmigen Schmucknarben oberhalb der Brustwarzen gleichen sich bei beiden Jünglingen wie ein Ei dem andern. Man wird darum keine Bedenken haben, auch den Jungmann von Abb. 6b als einen „Iatmül vom mittleren Sepik" anzusehen und ihn dann ebenfalls etwa nach Kanganamun, Korogo oder Torembi zu verweisen. Abb. 7 (Taf. IV): Dieses Photo entstand am gleichen Ort und zur gleichen Zeit (1925) wie Abb. 6a. Die beiden Jünglinge zeigen nicht bloß die dicken Wulste aus den langen Schnitten auf den Oberarmen, sondern auch die Brustwarzennarben und die wellenförmigen Tatauierungen auf Gesäß und Oberschenkel. Abb. 8 (Taf. IV): Aus dem gleichen Dorf und der gleichen Zeit (1925) wie Abb. 6a und Abb. 7 stammt auch dieses Photo mit zwei Männern, deren Oberarme, Rücken, Gesäß und Oberschenkel ausgiebig mit wulstigen Narben bedeckt sind. 44
45
Die von B A T E S O N vorgelegte Theorie fand auch ihre Kritiker. Erinnert sei nur an: K U R T H-. W O L F F , A Critique of Bateson's Naven. (Journ. Anthrop. Inst. London, 74, 1944, p. 59-74.) „When I was in Kanganamun in 1961, the young men were still initiated and received their scar-tattoo in the old tradition on the upper floor of the ceremonial house". (EIKE HABERLAND, Tasks of Research in the Sepik Region, New Guinea. In: Bulletin of the Intern. Committee on Urgent Anthrop. and Ethnol. Rasearch. Vienna 1965, p. 33-44. Zitat auf p. 38.)
Bilddokumente zur Narbentatauierung in Neuguinea
23
Wie H A B E R L A N D berichtet, ist in Kanganamun die Narbentatauierung aus langen Schnitten zur Zeit der Jugendweihen auch heute noch in Gebrauch.45 Diese Beobachtung spricht für die Konstanz gerade dieses Kulturelementes im Umbruch der modernen Zeit. K o r o g o (Iatmül): Aus den Dörfern Korogo und Torembi, zwischen Marui und Timbunke gelegen, meldet AITFENANGER das Wundenschneiden.46, besonders rund um die Brustwarzen. P a l i m b e i (Iatmül): Abb. 9 (Taf. V) stammt als älteres Photo aus dem auf der rechten Sepik-Seite liegenden Dorf Palimbei, und zwar aus dem Jahre 1925. Es zeigt einen auf dem umgedrehten Kanu liegenden Jüngling, dem die Männer den Rücken skarifizieren. Diese Aufnahme gleicht weitgehend dem Bild aus Kanganamun auf der Tafel XI bei BATESON (wie Anm. 43) und beweist damit die Fortdauer der gleichen Zeremonien über mehr als ein ganzes Jahrzehnt. Denn der Zeitunterschied zwischen den beiden Aufnahmen beträgt mehr als zehn Jahre. Kanganamun liegt auf der linken Flußseite, etwa Palimbei gegenüber. Abb. 10 (Taf. V): Wie ROESICKE mitteilte (wie Anm. 41, p. 511), wurden die Initianden „nach der Tatauierung mit grauweißem Schlamm bestrichen". Hier haben wir einen noch knabenhaften Kandidaten aus Palimbei, der mit weißem Lehm eingerieben ist. Wegen der offenen Schnittwunden auf seinem Rücken schläft er im Versammlungshause auf einer Schlitztrommel (?) liegend. Das Photo, das 1925 in Palimbei gemacht wurde, besitzt gewisse Ähnlichkeiten mit dem Bild auf der Tafel XIII. B bei BATESON (wie Anm. 43). Abb. 11 (Taf. VI): Zwei junge Männer aus Palimbei zeigen die Narbentatauierung auf ihren Rücken und Oberschenkeln. Die Aufnahme stammt aus dem Jahre 1925. Abb. 12 (Taf. VI): Auch diese beiden Jünglinge aus Palimbei haben ihre Schmucknarben auf Rücken und Gesäß. Das Photo entstand 1925 in Palimbei. Abb. 13 (Taf. VII): Ob dieses Photo aus Palimbei (1920) in diese Serie gehört, ist nicht eindeutig klar. Zwar zeigt der junge Mann zwei Einschnitte auf seinem Rücken — dabei ist der rechte offenbar eine klaffende Wunde —, aber das war in Palimbei nicht die herkömmliche Art, Ziernarben herzustellen. Vielleicht handelt es sich um einen Unglücksfall oder um eine Kampf Verletzung, worauf auch das Loch in der rechten Gesäßhälfte hinweisen könnte. Eine Entscheidung kann man darüber heute nicht mehr fällen. Gleichwohl wollte ich das Bild wenigstens gezeigt haben. Y e n t s c h a n (Iatmül): Abb. 14 (Taf. VII). Das Anthropos-Institut besitzt zwei Photos von der heutigen Herstellung der Skarifizierung, die Missionar H E I N R I C H L E H N E R SVD 1 9 6 5 in Yentschan aufgenommen hat. Sie folgen hier als Abb. 14 und Abb. 15. Wenn ich die ganze Situation richtig interpretiere, scheint mir schon dieses eine Photo der Beweis für die fortschreitende Säkularisierung eines alten magisch-religiösen Brauches am Sepik zu sein. Früher war die Skarifizierung /,FI
HEINRICH AUFENANGER, Jugendweihe und Weltbild a m mittleren Sepik. (Anthropos, 55, 1960, p. 137.)
24
GEORG HÖLTKEB
in das reiche und wochenlange Zeremoniell der Jugendweihen eingebettet. Es war eine sakrale Handlung im Männerhaus, umgeben von den magischen Praktiken der traditionellen Knabenweihen. Auf diesem Photo ist nun von alledem nichts mehr zu spüren. Die Narbentatauierung wird in Einzelfällen wegen der Ziernarben noch angestrebt, aber die ganze Technik ist jeder magisch-religiösen Umrandung entkleidet. Die Skarifizierung erscheint nur noch als eine profane Handlung, wie so vieles im heutigen Alltag der Sepik-Leute, ohne tiefere Verankerung in einer magischen Weltanschauung. Aus diesem Blickwinkel heraus beurteilt ist dieses Photo allerdings besonders instruktiv und wertvoll. Abb. 15 (Taf. V I I I ) : Dieses Photo aus Yentschan (1965) zeigt noch unverhüllter als das vorhergehende, wie heute am Sepik, wenigstens in manchen Dörfern, die Narbentatauierung ein weltliches Unternehmen geworden ist, so eine Art Freundesdienst oder Gefälligkeitsgeste unter Kameraden und Altersgenossen. Auch dieses Photo stammt von H E I N R I C H L E H N E R und befindet sich jetzt im AnthroposInstitut. Alfendio: Wie schon oben gesagt, ist die Narbentatauierung auch an einigen Nebenflüssen des Sepik heimisch geworden. Ein Beleg dafür ist der Fluß Alfendio, der seinerseits ein Nebenfluß des Korowori auf der rechten Sepik-Seite ist. Aus dem Stromgebiet des Alfendio meldet H A B E R L A N D die „Narbentatauierung am Oberarm", die „das für die Sepikregion typische, aus Spiralen gebildete herzförmige menschliche Gesicht" zeigt.'1' Korowori: Dieser Nebenfluß des Sepik wurde wegen seiner eigenwilligen Kunstwerke neuerdings allen Neuguinea-Kennern ein geläufiger Begriff/' 8 Am Oberlauf des Korowori ist die Narbentatauierung wie am Alfendio gebräuchlich ( H A B E R LAND, w i e A n m , 4 7 , p . 4 4 ) .
Kuoma: Die Kuoma leben in den „Peilungua Mountains" ( = Washkuk-Berge) nördlich vom Sepik, stromaufwärts oberhalb der Iatmül. WHITING'19 berichtet auf Grund seiner Feldforschungen, daß dort die Jünglinge vor der Heirat, die Mädchen kurz nach der Heirat ihre Schmucknarben bekommen (p. 9). Die Burschen werden im Geisterhaus, die Mädchen aber in einem Privathause skarifiziert. Die Ziernarben des Jünglings sind kleine Halbmonde, die oberhalb der Brustwarzen erscheinen, während bei den jungen Frauen der Nabel das Zentrum des Narbenbildes darstellt. Damit die Narben möglichst wulstig werden, wird Asche in die offenen Schnittwunden gerieben (p. 106). Hunsteingebirge: Noch weiter stromaufwärts, im Hunsteingebirge, bei den Männern und Frauen dieser Bergstämme, fand schon ROESICKE eine Skarifizierung, die der bei den Kuoma üblichen nicht unähnlich erscheint. ROESICKE 47
EIKE
HABESIAND,
Zur
Ethnographie
der
Alfendio-Region.
( J a h r b . d. M u s . f .
Völkerk. Leipzig, X X I I I , 1966, p. 44.) 48 Yg]. beispielsweise: ALFRED BÜHLER, Kultkrokodile v o m Korewori. (Zeitschr. f.
Ethn., 86, 1961, p. 183-207.) 4>on m i Sômi^arfc con ^ r « i r o & « i £ / î i . befcftrie bftt. foi^-o. >>Tnijo^ann S a l i son $mb(vn/$>?.
10.
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Die älteste Beschreibung der Beduinen
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fiiwmtn. Abb. 3. Faksimile aus Rauwolfs Reisebeschreibung
Zu Beginn der siebziger Jahre des 16. Jahrhunderts reist jedoch ein Mann in den Vorderen Orient, der von einem ganz anderen Geist erfüllt ist als seine Vorläufer, die Kreuzfahrer und Pilger: LEONHART RAUWOLF, „der Artzney Doctorn und bestellten Medici zu Augspurg". l:1 Er kommt als Abgesandter des aufstrebenden süddeutschen Bürgertums. Erfüllt vom Forschergeist und befreit von den dogmatischen Fesseln der mittelalterlichen Kirche steht er allem Neuen und Fremdartigen, das ihm auf seinen Reisen begegnet, aufgeschlossen gegenüber. Seiner sorgfältigen und genauen Beobachtung verdanken wir die frühesten Berichte über die Beduinen. Er ist auch der erste, der diesen Terminus in der deutschen Literatur verwendet. In seiner Reisebeschreibung lesen wir: „Deßhalben verhalten sich in den Wüstinen Arabische Völcker Beduini genannt / die kain stete Wohnung haben / sondern 12 0 p . cit. S. 405. Andere Schreibweisen
13
RAUCHWOLFF.
seines Namens
lauton: RAUWOLFF,
RAUCHWOLF
und
Die älteste Beschreibung der Beduinen
65
ligend jmmer zu feld / vnd durchstraiffen dise Landtschafft mit hauffen / weil sie für jhr Vihe vnnd Camel gute Wayd finden". 14 R A U W O L F hat, wie er selbst mitteilt, wiederholt persönlichen Kontakt mit den Beduinen gehabt und mehrmals in ihren Zeltlagern übernachtet. 15 Aus eigener Anschauung vermittelt er eine Reihe von interessanten ethnographischen Einzelheiten nicht nur über die Beduinen, sondern auch über Türken, Kurden, Drusen und Maroniten — nach seinen Worten beschreibt er „der Morgenländer Leben/ Sitten/Gebreüch/Gesätz/Ordnungen . . . und was mehrerley Secten unnd Religionen" 16 er aus eigener Anschauung kennengelernt hat. Dadurch wird sein Werk zu einer wesentlichen völkerkundlichen Quelle. Wer war nun dieser bemerkenswerte Orientreisende, und welche Triebkräfte veranlaßten ihn zu dieser Forschungsreise % Einige biographische Angaben über R A U W O L F entnehmen wir der Allgemeinen Deutschen Biographie, wo kein geringerer als F R I E D R I C H R A T Z E L über ihn schreibt: „Rauwolf, Leonhard (Dasylycos), Arzt, Botaniker und namhafter Reisender, als Sohn eines Kaufmanns zu Augsburg geboren, wurde von Jugend an trefflichen Lehrern übergeben, die ihn für das Universitätsstudium vorbereiteten, welchem er in Deutschland (Basel?), dann in Italien und Frankreich sich widmete. 1560 ging er nach Frankreich, 1562 erwarb er sich den Doctorgrad in Valence und studierte dann in Montpellier, dessen berühmten Rondelet er mit Vorliebe als seinen Lehrer bezeichnet, Botanik." 17 Nach weiteren Studienreisen durch Südfrankreich und Italien praktizierte R A U W O L F als Arzt in Augsburg, Aichach und Kempten, bis er 1 5 7 3 die offenbar schon lange geplante Orientfahrt antreten konnte. Er unternahm seine Reise im Auftrage verschiedener Großkaufleute aus Augsburg, unter denen neben seinen Vettern Hans Widtholz, Christoff Christel und Niclaus Bemer der Großhändler Melchior Manlich sen. der bedeutendste gewesen ist. 18 Diesen seinen Förderern widmet RATTWOLF späterhin auch sein Reise werk. Die Stadt Augsburg war im 15. und 16. Jahrhundert ein Zentrum der KapitalAkkumulation, und die Zahl der Inhaber großer Vermögen stieg während dieser Zeit sprunghaft an 19 , dabei handelte es sich vorwiegend um die Besitzer großer Handelsfirmen (Fugger, Rehlinger, Paumgartner, Höchstätter, Welser u. a.). Diese Kaufleute waren an der Ausweitung ihrer Handelsbeziehungen mit der Levante stark interessiert und erhofften sich von einer Erkundungsfahrt in die inneren Gebiete Vorderasiens großen Nutzen. Seine Auftraggeber hatten R A U W O L F „mit den nöthigen Mitteln reichlich versehen" 20 — er fungierte auf dieser Reise 14
RAUWOLF, S. 323/24; im R e y ß b u c h steht „Baduini" S. 325.
»5 R A U W O L F , S . 3 2 4 . lü 17
op. cit. S. 10 der Vorrede. Allgemeine Deutsche Biographie S. 462.
18
RAUWOLF, S. 2 d e r V o r r e d e u n d RÖHRICHT 1900, S. 252.
111
MOTTEK, S. 221/22 u n d Weltgeschichte 1964, S. 164ff.
5
Jahrbuch des Museums für Völkerkunde, Bd. XXV
RÖHRICHT 1 9 0 0 , S. 252.
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LOTHAR
STEIN
offenbar weniger als Händler, sondern eher als „Expeditionsarzt" 21 (wie wir heute sagen würden) und vor allem als wissenschaftlich geschulter Beobachter. In seiner Eigenschaft als Apotheker hatte R A U W O L F zudem ein ausgeprägtes Interesse an botanischen Studien, die ihn nicht zuletzt zur Teilnahme an dieser Reise bewegten. Sein Reisebegleiter U L R I C H K R A F F T erblickt den wesentlichen Beweggrund für R A U W O L F S Beteiligung an dem Unternehmen darin, „. . . daß er möchtte nach seinem Wunsch die Ime bekantte frembde Kreytter, Troges und andere Materialien in selbigen landen sehen erwaxsen und selbsten Colligiren . . Die detaillierte Beschreibung orientalischer Pflanzenspecies zieht sich dann auch wie ein roter Faden durch R A U W O L F S Reisewerk. Hier nun in Kürze der äußere Verlauf dieser Orientreise: Am 18. Mai 1573 verläßt R A U W O L F seine Heimatstadt Augsburg zu Pferde in Richtung Lindau am Bodensee; über Chur, Como, Mailand und Nizza erreicht er Anfang Juni Marseille. Hier trifft er mit dem bereits erwähnten U L R I C H K R A F F T zusammen, um mit ihm gemeinsam am 1. September an Bord der Fregatte „Santa Croce" die Schiffsreise nach Syrien anzutreten 23 , wo sie am 30. September im Hafen von Tripoli (Tarabulus) einlaufen. Hier verweilt R A U W O L F zunächst einige Wochen und beginnt dann seine Streifzüge in das Innere des Landes. Von Aleppo aus reist er mit einer Kamelkarawane zum Euphrat. In der Stadt Blr wartet er auf ein Boot und fährt damit über Der ez-Zör und 'Ana den Euphrat abwärts; bei „Felugo oder Elugo"2'*, wo er irrtümlich die Ruinen des alten Babylon zu sehen glaubte, unterbricht er seine Schiffsreise und erreicht am 26. Oktober 1574 mit einer Karawane Bagdad. 25 Nach einem zweimonatigen Aufenthalt in der Tigrismetropole, deren Umgebung er auch ziemlich genau kennenlernt, bricht er in nördlicher Richtung auf, besucht Kirkuk, Erbil und Mosul, wo er am 7. Januar 1575 eintrifft. Von hier aus tritt er in Gesellschaft jüdischer Kaufleute über Nisibin und Urfa die Rückreise nach Syrien an und kehrt am 10. Februar zum Ausgangspunkt seiner ausgedehnten Erkundungsfahrt, Tripoli, zurück. 26 Hier muß sich R A U W O L F drei Monate lang im Lagerschuppen des französischen Konsulats verborgen halten, um der Gefahr einer Verhaftung durch die türkischen Behörden zu entgehen, die ihn wegen seiner ausgedehnten Streifzüge als Spion verdächtigen; sein Reisegefährte U L R I C H K R A F F T war bereits vorher festgenommen worden und mußte in Tripoli drei schwere Jahre in einem türkischen Gefängnis zubringen. 27 R A U W O L F betätigte sich im Orient wiederholt als praktischer Arzt. Zu seinen Patienten gehörte auch ein maronitischer Patriarch aus dem Libanon, der ihn aus 21 K R A F F T , S . 1 5 . 22
loc. cit.; R A T J W O L F S Pflanzensammlung befindet sich heute im Besitz der Universitätsbibliothek Leiden, vgl. Allgemeine Deutsche Biographie S. 464.
23
RAUWOLF, S. 20.
24
op. op. 2 6 op. 27 op.
cit. cit. cit. cit.
S. 202, aller Wahrscheinlichkeit nach im heutigen Fallüga. S. 205. S. 262. S. 268/69.
Die älteste Beschreibung der Beduinen
69
Dankbarkeit nach seiner Genesung mit ins Gebirge nimmt 28 , wo R A U W O L F einen tiefen Einblick in die Lebensverhältnisse der Drusen und Maroniten erhält. Am 7. September 1575 fährt R A U W O L F von Tripoli zu Schiff nach Joppe (Jaffa) und verweilt noch einen Monat in Jerusalem, wo er sich — allerdings vergebens — um die Befreiung seines Gefährten U L K I C H K R A F F T bemüht. Er kehrt darauf nach Tripoli zurück und tritt am 6. November mit dem Segelschiff „St. Matthiae" die Heimreise an. Nach stürmischer Seefahrt erreicht das Schiff am 15. Jan. 1576 Venedig, und am 15. Februar kehrt R A U W O L F nach beinahe dreijähriger Abwesenheit wieder nach Augsburg zurück. Sein Buch über diese denkwürdige Reise erschien sechs Jahre später; wie es scheint, hat sich R A U W O L F nur zögernd zu dessen Drucklegung entschlossen. Der Erfolg des Werkes war ungewöhnlich groß — es wurde mehrmals aufgelegt und in andere Sprachen übersetzt. R A T Z E L schreibt in der „Allgemeinen Deutschen Biographie" über das Schicksal des RAUWOLFschen Reisewerkes: „. . . erschien 1582 im Original zu Lauingen, ebendaselbst 1583 in neuer (Titel-)Ausgabe und 1582 in einem Nachdruck zu Frankfurt. Letzterer ist von Vielen . . . für das Original gehalten worden. Eine 1581er Ausgabe, die Stuck und nach ihm E. Meyer angibt, scheint nicht vorhanden zu sein. . . . Ein weiterer Nachdruck der drei ersten Theile erschien 1609 in Frankfurt a. M., englische und holländische Übersetzungen 1693, 1707 und 1738, zu einer Lügenreise verballhornt wurde endlich R A Ü W O L F ' S ehrüches Werk 1681 in Rotenburg als ,Leonis Flaminii Itinerarium per Palaestinam'". 29 Bei dem letztgenannten Buch handelt es sich eindeutig um ein Plagiat, wie sie in jener Zeit nicht selten in Umlauf gebracht worden sind. Zu ergänzen wären RATZELS Ermittlungen noch insofern, als R A U W O L F S Reisebeschreibung nur wenig gekürzt in dem von S I G M U N D F E Y B A B E N D herausgegebenen großen „Reyßbuch deß heyligen Lands, Das ist eine gründtliche beschreibung aller und jener Meer und bilgerfahrten zum heyligen Lande" Frankfurt a. M. 1583 enthalten ist. Ferner tauchen R A U W O L F S Angaben häufig in späteren zusammenfassenden Werken auf, z. B. in BÜSCHINGS neuer Erdbeschreibung von Asia, Schaffhausen 1769, wo er mit zu den Hauptgewährsleuten gehört. 30 Das Exemplar des F E Y R A B E N D s e h e n „Reyßbuches", das sich im Besitz der Leipziger Universitätsbibliothek befindet, ist reichlich mit Randbemerkungen versehen, die wahrscheinlich von einem Zeitgenossen R A U W O L F S stammen und die Aufschluß über die geteilte Aufnahme seines Werkes in der Öffentlichkeit geben können. Eine dieser Randnotizen lautet z. B.: „D. RauchwolfF ein kätzerischer lutherischer ewig verdambter Schelm." 31 Ferner sind zahlreiche Textstellen, überwiegend religiösen Inhalts, mit schwarzer Tinte ausgestrichen worden. - Wir wissen, daß R A U W O L F nach seiner Rückkehr aus dem Orient die Leitung des Pestspitals zu Augsburg innehatte, bis er 1588 in einen Streit mit der Kirchen28
op. cit. S. 271 ff. Allgemeine Deutsche Biographie, S. 463/64. 30 BÜSCHING, S. 8 der Vorrede. 3 > Reyßbuch, S. 294.
29
IMMP1P LEONIS FLAMINII cifl * ISefcfmiiiittg* in M c b T i o r g c n M u D c r :
S« Wfldjem fiitwmltcj) gcfian&cfi ö>f rt> / ft>(< € t l n @ i ) t w m t'ommcn/unt wa«(Erfout>crIi(^(S Mite nahm^afftte in ftl6i