J. v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch: Band 2, Teil 3 Recht der Schuldverhältnisse. Teil 3: §§ 631–853 [9., bearb. Aufl. Reprint 2020] 9783112354407, 9783112354391


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German Pages 1079 [1088] Year 1929

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Table of contents :
Inhaltsübersicht
Abkürzungen
Literatur im allgemeinen
Siebenter Abschnitt: Einzelne Schuldverhältnisse (Schluß)
Siebenter Titel: Werkvertrag
Achter Titel: Mäklervertrag
Neunter Titel: Auslobung
Zehnter Titel: Auftrag
Elfter Titel: Geschäftsführung ohne Auftrag
Zwölfter Titel: Verwahrung
Dreizehnter Titel: Einbringung von Sachen bei Gastwirten
Vierzehnter Titel: Gesellschaft
Fünfzehnter Titel: Gemeinschaft
Sechzehnter Titel: Leibrente
Siebzehnter Titel: Spiel. Wette
Achtzehnter Titel: Bürgschaft
Neunzehnter Titel: Vergleich
Zwanzigster Titel: Schuldversprechen. Schuldanerkenntnis
Einundzwanzigster Titel: Anweisung
Zweiundzwanzigster Titel: Schuldverschreibung auf den Inhaber
Dreiundzwanzigster Titel: Vorlegung von Sachen
Vierundzwanzigster Titel: Ungerechtfertigte Bereicherung
Fünfundzwanzigster Titel: Unerlaubte Handlungen
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J. v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch: Band 2, Teil 3 Recht der Schuldverhältnisse. Teil 3: §§ 631–853 [9., bearb. Aufl. Reprint 2020]
 9783112354407, 9783112354391

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3. o. Staubingers Kommentar jvm

vürgerlichen Gesetzbuch Mb btm Linfühnmgrgesetz herausgegeben von

Dr. Theodor Loewrnfeld

Dr. Erwin Niezler,

t,

UniversttätgaProfessor,Recht»anwaU in München

Professor an der Univerfität München

Dr. Karl Koder,

Dr. Alfred Werner,

Rat am Obersten Londebgericht in München

Rechtbanwalt In München

Dr. Korl Seiler,

Dr. Hans Nipperdey,

RechtbanwaU, Professor an der Univerfität Heidelberg

Professor an der Univerfität Kvln a. Rh.

Dr. Theodsr Engelmann f,

Dr. Felix Herzfelder,

Rat am Oberste« Londebgericht in München

Seh. Snstizrat, RechtbanwaU In München

Dr. Leo Roape,

Fritz Keidel,

Professor an der Univerfität Hamburg

Rat am Obersten Landebgericht in München

9. neubearbeitete Anfluge.

1929 München, Berlin «nd Leipzig

I. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier).

Z. I. SIMMS Kmaeitn zm MMlicht« Gesetzlich iintz den kiifjihmzzMe II. Band. Recht der KchutdVerhiittnissr 3. Teil: 88 631-853

Erläutert

von

Dr. Theodor Engelmarn» f,

Dr. Karl Kober, Rat am Obersten LandeSgertcht in München

Rat am Obersten LandeSgertcht in München

Dr. Karl Geiler, Rechtsanwalt, Professor an der Universität Heidelberg.

9. neubearbeitete Anflage.

1929

München, Berlin und Leipzig. I Schweitzer Berla g(A r t hurSe l l i e r).

Printed in Gennany. Druck »(8 602) enthielt die Vorschrift, dah der Auftrag erlösche, wenn über das Vermögen des Auftraggebers derKonkurs eröffnet werde, es sei denn, dah der Auftrag auf dieses Vermögen keinen Bezug habe; t den Fall des Erlöschens sollte 8 599 Abs. 2 (jetzt 8 672 Satz 2) entsprechende nwendung finden (M. 11, 551 ff.). Von der II. Komm, wurde die Verweisung dieser Vorschrift in die KO. beschlossen (P. II, 374, 375). Maßgebend ist nunmehr KO. 8 23 Abs. 1 („Ein von dem Gemeinschuldner erteilter Auftrag erlischt durch die Eröffnung des Verfahrens, es sei denn, dah der Auftrag sich nicht auf das zur Konkurs­ masse gehörige Vermögen bezieht. Erlischt der Auftrag, so finden die Vorschriften des 8 672 Satz 2 und des 8 674 BGB. entsprechende Anwendung") und 8 27 („Erlischt ein von dem Gemeinschuldner erteilter Auftrag ... infolge der Eröffnung des Ver­ fahrens, so ist der andere Teil in Ansehung der nach der Eröffnung des Verfahrens entstandenen Ersatzansprüche im Falle des 8 672 Satz 2 BGB. Massegläubiger, im Falle des 8 674 BGB. Konkursgläubiger"); vgl. hiezu Denkschr. z. KO. S. 17ff., 29, P. II, 375 ff., RGRK. Bem. 7, sowie die Kommentare zu 88 23, 27 KO. und RG., 21. Jan. 1903, RGZ. Bd. 53 S. 330. Dom Vergleichsverfahren zur Ab­ wendung des Konkurses wird der Auftrag nicht berührt; vgl. hierüber die Komm, von Kiesow (Anm. 4 zu 8 28) und Bernh. Mayer (Anm. 33 zu 8 29) zur Vergleichs­ ordnung vom 5. Juli 1927. 5. Die Vorschriften des 8 672 finden auf Dienst» und Werkverträge, die eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstände haben, entsprechende Anwendung (8 675); hin­ sichtlich des Konkurses s. Bem. 8 zu 8 675. 6. Über den Einfluß des Todes, des Eintritts der Geschäftsunfähigkeit oder beschränkten Geschäftsfähigkeit sowie des Konkurses des Beauftragten auf das durch den Auftrag begründete Rechtsverhältnis s. 8 673 und Bem. hiezu. 7. Hinsichtlich der Bofimacht s. 8 168. Über die Fortdauer der Wirksam­ keit einer vom Erblasser zugleich für die Erben ausgestellten Generalvollmacht im Grundbuchverkehr s. RG., 28. 3uni 1916, RGZ. Bd. 88 S. 345ff. S. auch BayObLG., 6. Juni 1913, BayObLGZ. Bd. 14 S. 317 ff. Die Vermutung des 8 672 genügt nur dann zur Erbringung des nach 8 29 GBO. zu führenden Beweises der Fortdauer des Rechtsverhältnisses trotz nachträglich eingetretener Geschäfts­ unfähigkeit des Vollmachtgebers, wenn feststeht, dah der Vollmacht ein Auftrag zugrunde liegt. Das Gleiche gilt für den Fall des Todes des Vollmachtgebers (BayObLG., 28. Mai 1915, SeuffA. Bd. 72 Nr. 2; vgl. KG., 8. April 1907, RIA. Bd. 8 S. 265 ff., und 29. März 1913, „Recht" 1913 Nr. 1570). Über die Fortdauer einer vom Vormund erteilten Vollmacht über die Volljährigkeit des Mündels hinaus s. KG., 25. Oft. 1923, „Recht" 1924 Nr. 157 = OLG. Bd. 43 S. 184; s. ferner RG. LZ. 1925 Sp. 542: Im Zweifel ist anzunehmen, dah der Vollmacht ein Auftrag zugrunde liegt. Dieser erlischt daher im Zweifel nicht durch den Tod des Machtgebers, besonders dann nicht, wenn dieser am Kriege teilnahm und er deshalb gerade für den Fall seines Todes wird Fürsorge haben treffen wollen.

S

10. Titel.

Auftrag.

673(1-8)

1109

§ 673.

Der Auftrag erlischt im Zweifel durch den Tod des Beauftragten. Erlischt

ber Auftrag, so hat der Erbe deS Beauftragten den Tod dem Auftraggeber un­ verzüglich anzuzeigen und, wenn mit dem Aufschübe Gefahr verbunden ist, die

Besorgung des übertragenen Geschäfts fortzusetzen, bis der Auftraggeber anderweit Fürsorge treffen kann; der Auftrag gilt insoweit als fortbestehend. 6. I. 601; II, 604; III, 660.

1. Beendigung des Auftrags durch Tod des Beauftragten. Nach gemeinem Rechte endigt der Auftrag durch den Tod des Beauftragten (Dernburg, Pand. Bd. 2 § 374, b, Windscheid-Kipp, Pand. Bd. 2 S. 805; über die Frage, ob das Gegenteil vereinbart werden konnte, f. Windscheid-Kipp a.a.O.Anm.5). Das BLR. (Tl. IV cap. 9 § 14) unterschied auch hier (s. Bem. 1 zu 8 672), ob res adhuc Integra war oder nicht, über andere Rechte s. M. II, 549 Note 1. Das BGB. stellt die Auslegungsregel (s. Bd. I Bem. 7 zu 8 133) auf, daß der Auftrag durch den Tod des Beauftragten erlischt, wenn nicht das Gegenteil vereinbart oder aus den Umständen ein abweichender Wille der Parteien zu entnehmen ist. Diese Vorschrift beruht auf der Erwägung, daß der Auftrag in der Regel eine Sache persönlichen Vertrauens ist, und steht im Einklänge mit der Bestimmung des 8 664 Abs. 1 Satz 1 (M. II, 549). 2. Der Umstand, dah der Beauftragte geschäftsunfähig (8 104 Nr. 2, 3) oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt wird (8 114), führt an sich eine Beendigung des Auftrags nicht herbei; doch wird diese Tatsache häufig, insbesondere, wenn die Vor­ nahme eines Rechtsgeschäfts den Gegenstand eines Auftrags bildet, die Unmöglichkeit der Leistung (8 275) zur Folge haben (vgl. über diese bestrittene Frage Oertmann Bem. 4, Schollmeiyer S. 125, Kohler S. 393, Goldmann-Lrlienthal S. 700 Anm. 14, Planck Bem. 2, AlGRK. Bem. 2, Windscheid-Kipp, Pand. Bd. 2 S. 807, Erome S. 620, Dernburg 8 298, I, 5, Enneccerus 8 383, I, 2, Neumann Note 4). 3n der I. Komm, wurdr beantragt, die Vorschriften des 8 601 (E. I) auf den Fall der Gechäftsunfähigkeit des Beauftragten mit der Maßgabe für entsprechend anwendbar u erklären, daß an Stelle des Erben des Beauftragten dessen gesetzlicher Dertteter xete. Dieser und ein ähnlicher Antrag wurde aber abgelehni, weil man mit der An­ wendung der allgemeinen Gmndsätze zu einem richtigen Ergebnisse gelange (P. II, 516 ff.). Die Frage, ob an Stelle des geschäftsunfähig gewordenen Beauftragten dessen gesetzlicher Vertreter zur Ausführung des Austoags berechtigt und verpflichtet ist, wird gemäß 8 664 regelmäßig zu verneinen sein. Wird der Beauftragte durch den (Eintritt der Geschäftsunfähigkeit von seinen Verpflichtungen befreit, so dürfte 8 673 Satz 2 auf seinen gesetzlichen Vertreter entsprechend anwendbar sein (Planck Bem. 2, (Enneccerus 8 383, I, 2). 3. Rechtsfolge des Todes des Beauftragten. a) Wenn der Auftrag durch den Tod des Beauftragten nicht erlischt (was gemäß Bem. 1 die Ausnahme bildet), so besteht das durch den Auftrag be­ gründete RechtsoerhSltnis zwischen dem Auftraggeber einerseits und dem Erben des Beaufttagten anderseits unverändert fort, soweit nicht etwa die Gmndsätze des 8 275 eine Änderung des Bertragsinhalts herbeiführen. (Eine Verpflich­ tung des Erben des Beauftragten, dessen Tod dem Auftraggeber anzuzeigen, hat das Gesetz nicht ausgesprochen, doch wird diese Verpflichtung regelmäßig aus 8 666 zu folgern sein (M. II, 550). b) Trifft aber die Auslegungsregel des 8 673 zu, so obliegen dem Erben des Beauftragten zweierlel Pflichten: “) Er hat den Tod des Beauftragten dem Auftraggeber unverzüglich (d. h. ohne schuldhaftes Zögern, s. 8 121 Abs. 1 Satz 1) anzuzeigen (vgl. 8 1894 Abs. 1). Diese Verpflichtung ist nicht davon abhängig, daß mit dem Aufschübe Gefahr verbunden ist (M. II, 549). Die Beobachtung irgendwelcher Form ist für die Anzeige nicht vorgeschrieben. ß) Ist mit dem Aufschübe Gefahr verbunden, so hat er die Besorgung des übertragenen Geschäfts insolange fortzusetzen, bis es dem Auftraggeber möglich ist, anderweit Fürsorge zu treffen (vgl. 8 672 Satz 2 und Bem. 3, d zu 8 672).

1110 678 (4—6); 674 (1) VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse. „Insoweit", d. h. sowohl hinsichtlich der Anzeigepflicht (,Geschäftsbesorgung ist ... eine selbständige Tätigkeit wirtschaft­ lichen Charakters» die im Interesse eines anderen vorgenommen wird"), Jaeger Aonrnt. $. AD., 5. Aufl. Anm. 10 zu 8 22, Lotmar a. a. D. S. 279 ff., Cosack I S. 584, Aohler S. 116 ff., Neumann Vordem. III vor 8 662, Bernau a. a. D.» Puttkammer a. a. D. S. 26 ff., Jsay S. 43 ff., OLG. Celle, lO.Nov. 1905, OLG. Bd. 12 S. 273). Hienach fällt unter 8 675 nicht nur die Be­ sorgung von Rechtsgeschäften, sondern auch eine Reihe tatsächlicher Ver­ richtungen, z. B. die Verwaltung eines fremden Vermögens, bte Leitung und Ausführung eines Baues (ebenso OLG. Dresden, 2. Mai 1911, OLG. Bd. 24 S. 394 hinsichtlich des Abtreibens von Tulpenzwiebeln, OLG. Ham­ burg, 28. April 1915, OLG. Bd. 34 S. 55 hinsichtlich eines Schlepp Vertrags; and. Ans. OLG. Dresden, 27. Dkt. 1908, DLG. Bo. 20 S. 223), während in anderen Fällen, z. B. hinsichtlich der Tätigkeit des Erziehers, des Arztes, des Vorlesers und dgl. von „Geschäftsbesorgung" nicht gesprochen werden kann. Dgl. insbes. Dinstqanskyi a. a. D. Aus der Praris vgl. RG.» 14.April 1904 und 11.Dez. 1908, RGZ. Sb. 57 S. 392 ff., WarnE. 1909 Nr. 204 (Auftrag zur Interessenvertretung bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks), RG.» 29. De». 1905, IW. 1906 S. 109 ff. und DLG. Aolmar, 23. Febr. 1906, „Recht" 1906 S. 567 Nr. 1326 (Auftrag zur Eintreibung einer Forderung), DLG. Bamberg, 7. Jan. 1905, DLG. Bd. 10 S. 183 ff. (Zahlungsleistung seitens eines Dritten), RG., 11. Juni 1907, SeuffA. Bd. 63 Nr. 9 (Verwaltung eines Landguts), RG., 29. Mai 1908, IW. 1908 S. 480 (Verhältnis zwischen der Zeichnungsstelle und den Zeichnern von Attien), RG., 10. Jan. 1910, WarnE. 1910 Nr. 108 (Bank­ geschäft), RG., 29. April 1911, IW. 1911 S. 581 ff. (Inkassoauftrag), AG­ IO. Nov. 1911, IW. 1912 S. 73 (Aommissionsagent), RG., 3. Ian. 1913, RGZ. Bd. 81 S. 153 ff. (Stellung des Aufsichtsrats bei liquidationsloser Verschmelzung von Aktiengesellschaften), RG., 23. Dkl. 1913, RGZ. Bd. 83 S. 201 ff. (Übergabe von Sachen zum kommissionsweisen Verkauf), DLG. Hamburg, 9. Dkt. 1912, SeuffA. Bd. 68 Nr. 78 (Rechtsanwalt als Treu-

1114 675 (3)

VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse.

händer), OLG. Hamburg, 17. März 1913, OLG. Bd. 28 S. 388 (Speditions­ vertrag), RG., 23. Ott. 1912, LZ. 1913 Sp. 63 (Spedition zum festen Transportsatz), KG., 3. Febr. 1915, LZ. 1915 Sp. 783 ff. (urheberrechtlicher Vertrag über die Aufführung von Werken der Tonkunst), RG., 5. Dez. 1912, WarnE. 1913 Nr. 160 (Liquidator einer offenen Handelsgesellschaft), RE., 15. Dez. 1913, „Recht" 1914 Nr. 479 (Verhältnis der Bank zu ihren Kunden), s. auch RG. „Recht" 1925 Nr. 2416 (Einlösung von Wertpapieren), RGZ. Bd. 117 S. 127 (Auftrag an eine deutsche Bank kurz vor Ausbruch des Weltkrieges, eine in englischer Währung ausgedrückte Geldsumme in Deutsch­ land einzuziehen und einen entsprechenden Betrag in englischer Währung an die Londoner Filiale des Auftraggebers zu übermitteln); aus dem Bankverkehr vgl. ferner aus der Rspr. RG. HansGZ. 1926 S. 137, BadRpr. 1926 S. 90, OLG. Augsburg BayZ. 1926 S. 227 (Das Vertragsverhältnis zwischen dem Depotkunden und der Bank stellt einen gemischten Ver­ trag, Verwahrung und Geschäftsbesorgung, dar). Über das im Bank- und Börsenverkehr als „Auszahlung" bezeichnete Geschäft vgl. RGZ. Bd. 107 S. 136. Wegen des Akkreditivs f. unten Bem. 3, k. Wegen „Geschäfts­ besorgungen" des Spediteurs vgl. außer den oben bereits angegebenen Entscheidungen auch OLG. Köln, DerkehrsRundsch. Bd. 3 S. 224, WarnE. 1925 Nr. 65 = SeuffA. Bd. 79 Nr. 43. 3. Im einzelnen ist folgendes hervorzuheben: a) Die rechtliche Natur des zwischen Arzt und Patienten abgeschlossenen Ver­ trags kann hier dahingestellt bleiben (vgl. hierüber näher in Vordem. V, 1 vor § 611, ferner Bem. 2, e, Y zu 8 662 und Brückner a. a. O. S. 499 ff.), da hiebei jedenfalls eine „Geschäftsbesorgung" nicht in Frage steht (s. oben Bem. 2, b; vgl. aber auch RG., 24. Nov. 1911, „Recht" 1912 Nr. 865 hin­ sichtlich der Verpflichtung einer Krankenhausverwaltung zur Bewachung eines geisteskranken Patienten). Hinsichtlich des Armenarztes vgl. das oben in Bem. 2, b Abs. 3 erwähnte Urt. d. OLE. Celle. Über die Deliktshaftung des Arztes s. Vordem. V, 1 vor § 611, Vordem. III, b vor § 823 und Bem. 4, b, e zu 8 839. b) Über die rechtliche Natur des Vertrags zwischen Rechtsanwalt und Partei und weitere Fragen s. näher Vordem. V, 2 vor 8 611, Bem. 2, c, y 3U § 662 und die dort erwähnten Schriftsteller und Entscheidungen. Wird ein Dienst­ oder Werkvertrag als vorliegend angenommen, so bleibt für die Anwendbar­ keit des 8 675 immer noch zu untersuchen, ob es sich um eine Geschästsbesorgung im obigen Sinne handelt, was z. B. hinsichtlich der Ratserteilung oder der Erstattung eines Rechtsgutachtens zu verneinen sein wird (Neumann Note 2, a; und. Ans. Oertmann Bem. 1, b, "Q. In erster Linie entscheiden übrigens selbst­ verständlich die besonderen Bestimmungen der RAO. vom 1. Juli 1878 und der RAGebO. nunmehr in der Fassung des RG. vom 5. Juli 1927 (RGBl. I S. 162) (hinsichtlich der Verjährung vgl. BGB. 8 196 Nr. 15, 16 und 8 201 und 8 32 a RAO., beigefügt durch RG. vom 22. Mai 1910, sowie Korn in IW. 1911 S. 207). Hinsichtlich der Verpflichtung des Anwalts zur Heraus­ gabe seiner Handakten s. Bem. 1, a zu 8 667 und Friedlaender, Komm, z. RAO., 2. Ausl., Anm. 6 ff. zu 8 32. Über Haftung aus dem Vertrage vgl. auch Behrend IW. 1924 S.955, RG. JurRundsch. 1926 S. 1119 und die Bem. 1, a,« 311 8 676. Über die rechtliche Stellung eines gemäß 8 25 RAO. von der Landes­ justizverwaltung bestellten Anwallvertreters s. Lindemann „Recht" 1922 S. lff. Über Haftung des Armenanwalts s. RGZ. Bd. 115 S. 60. Über Haftung des Berufungsanwalts s. RGZ. Bd. 115 S. 185, Lesser IW. 1927 S. 1301, von Hodenberg ebenda S. 1459. Über die Deliktshaftung des Rechtsanwalts s. Bem. 4, b, e zu 8 839. Über Haftung mehrerer Rechtsanwälte gegenüber dem Auftraggeber s. Vordem. V, 2, c S. 704, Holzer in IW. 1927 S. 512, auch OLG. Karls­ ruhe in BadRpr. 1926 S. 145. Wegen der Streitfragen Hins, eines sog. Erfolghonorars s. näher in Vordem. V, 2, d vor 8 611 S. 705. Aus der Rspr. vgl. ferner RG., LZ. 1927 Sp. 387 (Kündigung des Dienstverhältnisses durch den Rechtsanwalt wegen Nichtzahlung eines Vorschusses). Vgl. auch OLG. Hamburg vom 16. Febr. 1927, HansRZ.

10. Titel.

Auftrag.

675 (8) 1115

1927 S. 387 (Wegen des notwendigen Vertrauensverhältnisses zwischen An­ walt und Mandant widerspricht es dem Wesen des Vertrags zwischen ihnen, diesen ohne Androhung in schroffer Form einseitig aufzulösen, es sei denn, daß die Verhältnisse ein solches Vorgehen besonders begründen). Über Handeln des Anwalts entgegen den Weisungen seines Mandanten und seine Rechtsfolgen vgl. OLG. München BayZ. 1928 S. 177. c) über das Rechtsverhältnis zwischen Notar und Partei s. näher Vordem. IV, 2, c vor § 611 und die dort erwähnten Schriftsteller und Entscheidungen. 3n erster Linie entscheidet hierüber das Landesrecht (hinsichtlich der Ver­ jährung vgl. BEB § 196 Nr. 15, § 201). Für das preußische Recht ver­ tritt das Reichsgericht den Standpunkt, daß die Erfüllung der Amtspflicht für den Notar nicht Gegenstand vertraglicher Bindung sein kann, der die Amts­ tätigkeit des Notars Anrufende daher mit ihm über die Leistung der Beur­ kundungstätigkeit keinen bürgerlich-rechtlichen Vertrag schließt; dadurch sei nicht ausgeschlossen, daß neben den Amtspflichten Verpflichtungen anderer Art für den Notar (nicht als solchen, sondern als Rechtskundigen) bestehen können, die Gegenstand eines Dienstvertrags nach § 675 zu sein vermögen (RG., 3. Nov. 1914, RGZ. Bd. 85 S. 409ff.; s. auch RG., 29. 3uni 1915 und 12. Iuli 1915, 3W. 1915 S. 1007 ff., 1193 ff., RG., 22. Febr. 1916, WarnE. 1916 Nr. 276; vgl. auch WarnE. 1927 Nr. 40 sHaftung des einen Grundstücks­ kauf beurkundenden Notars wegen Fahrlässigkeit bei Auskunft über die Boni­ tät des Käufers) = 3W. 1927 S. 1145). Vgl. die beachtenswerten kritischen Bemerkungen hiezu von H. Cahn in 3SB. 1915 S. 431 ff. Über die Be­ lehrungspflicht des Notars im besonderen s. Bem. 5, a, e zu § 839. Über die Deliktshaftung der Notare s. Bem. 4,b,« zu § 839. Über die Haftungsfrage beim Notar, der den Käufer nicht auf die Mög­ lichkeit hingewiesen hat, sich durch eine Auflassungs-Vormerkung zu sichern, s. RG., 3W. 1928 S. 1862 (= WarnE. 1928 Nr. 126) mit beachtlichen Nachw. von Oberneck, über konkurrierendes Verschulden des Notars und eines die Partei beratenden Rechtsanwalts vgl. WarnE. 1928 Nr. 125.

Wegen des württembergischen Notars vgl. LG. Stuttgart 3W. 1925 S. 665 und Ostermeyer daselbst; wegen des rheinischen Notars vgl. OLG. Düsseldorf DNotV. 1926 S. 177. d) Über die rechtliche Stellung des Gerichtsvollziehers s. Vordem. IV,2,b vor § 611, GVG. § 154, ZPO. § 753 und die Kommentare hiezu, RGZ. Bd. 9 S. 361 ff., Bd. 10 S. 233 ff., Bd. 16 S. 396 ff., RG., 11. Oktober 1901, 3W. 1901 S. 783 ff., 29. Oktober 1903, RGZ. Bd. 56 S. 84 ff., 5. Februar 1907, 3SB. 1907 S. 192, ferner 10, 3uli 1899 und 11. Dez. 1899 in GruchotsBeitr. Bd. 44 S. 1199, 1204 ff., OLG. Marienwerder, 25. Nov. 1901, OLG. Bd. 4 S. 216 ff., OLG. Hamburg, 3. Nov. 1908, SeuffA. Bd. 65 Nr. 64; vgl. auch O. Geib, Rechtsschutzbegehren und Anspruchsbetätigung im deutschen Zivilprozeß, München 1909 S. 74 ff., Kraft im RheinArch. Bd. 108 S. 58 ff., Pasch in 3SB. 1912 S. 657 ff. und Brückner a. a. O. S. 467 ff. Hinsichtlich der Haftung des Gerichtsvollziehers gegenüber dem Gläubiger für den bet Ausführung einer Zwangs­ vollstreckung schuldhaft verursachten Schaden haben die Vereinigten Zivilsenate des Reichsgerichts durch Beschl. vom 2. 3uni 1913 (RGZ. Bd. 82 G. 85 ff.) ausgesprochen, daß der Gerichtsvollzieher insoweit nicht aus einem bürgerlich-rechtlichen Vertragsoerhältnisse hafte, das Verhältnis vielmehr öffentlich-rechtlicher Natur sei; dabei ist jedoch ausdrücklich hervor­ gehoben worden, daß damit die Frage nicht entschieden werden wolle, nach welchen Grundsätzen die Schadensersatzpflicht des Gerichtsvollziehers für ein Verschulden bei der Zustellung, bei der Vornahme einer Versteigerung gemäß §§ 383, 1235 ff. BGB. oder bei freiwilligen Versteigerungen zu beurteilen ist (a. a. O. S. 95). 3n dieser Hinsicht dürste an der Haftung des Gerichtsvoll­ ziehers nach Maßgabe der §§ 675, 662 ff., 276 festzuhalten sein (vgl. RGRK. Sinnt. 1; and. Ans. E. 3osef „Recht" 1913 S. 513). Über die rechtliche Stel­ lung der Verteilungsstelle für Gerichtsoollzieherausträge nach preußischem Recht s. RG., 12. April 1912, RGZ. Bd. 79 S. 216 ff. Über die Haftung des (sächsischen) Gerichtsvollziehers aus unrichtiger Zustellung s. OLG. Dresden, 15. April 1920, SeuffA. Bd. 75 Nr. 210.

1116 675 (4)

VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse.

Über die Deliktshaftung des Gerichtsvollziehers s. Bem. 4,b,ß zu § 839. e) über das Verhältnis zwischen der Partei und dem Beamten der gericht­ lichen Geschäftsstelle, durch dessen Bermittelung der Gerichtsvollzieher mit der Zustellung beauftragt werden soll (ZPÖ. 88 166 ff.), s. RGZ. Sb. 17 S. 391 ff. Dgl. auch Bem. 4, b, t $u § 839 und Kraft in RheinArch. Bd. 108 S. 54 ff. f) Der Mäklervertrag ist in den 88 652—656 selbständig geregelt; s. oben Vorbem. IV, 1, d vor 8 611. Über Handelsmäkler s. HGB. 88 93 bis 104 und Vordem. 3, b vor 8 652, über Kursmakler f. 88 30ff. des BörsG. vom 8. Mai 1908. über Handlungsagenten s. HGB. 88 84—92 und dazu Vorbem. 3, c zu 8 652; über das Kommissionsgeschäft, Speditionsgeschäft und Frachtgeschäft s. HGB. 88 383ff., 407ff., 425 ff. g) Über Verträge, durch die sich jemand verpflichtet, einem anderen unentgelt­ lich Leistungen zu gewähren, die eine Geschäftsbesorgung nicht zum Gegenstände haben, s. Bem. 4, c $u 8 662. h) Unter 8 675 fällt regelmäßig das fiduziarische Rechtsgeschäft (Treu­ händerschaft); vgl. hierüber Bd. I Vordem. VI, H vor 8 104, Vorbem. 5, o vor 8 164, Bd. III Vordem. VI, 4 vor 8 903, Bem. VIII zu 8 929 sowie 8 1189 und Bem. hiezu; s. auch Grünschild, Die Treuhänderschaft zum Zwecke der Gläubigerbefriedigung, Berlin 1914 S. 28 ff., 36 ff., RH., 6. Rov. 1908, WarnE. 1909 Nr. 84, OLG. Hamburg, 9. Ott. 1912, SeuffA. Bd. 68 Nr. 78, Nord, Das Recht des Treuhänders, Berlin 1927. i) Hinsichtlich des Redaktionsvertrags f. A. Elster in IW. 1915 S. 260ff. Hinsichtlich des mit einem Verleger geschlossenen Vertrags, durch den sich ein Gelehrter zur Herausgabe der Gesamtwerke eines verstorbenen Schriftstellers verpflichtet, s. RGZ. Bd. 113 S. 70, ferner LZ. 1926 So. 484; wegen eines Kommissionsvertrags vgl. RG. SeuffA. Bd. 80 S. 259. Über den Derttag zwischen Auffraggeber und Auktionator s. OLG. Hamburg, 20. Mai 1919, „Recht" 1919 Nr. 1957. k) Wegen des Akkreditivs (Zahlung durch Akkreditivstellung) und der damit zusammenhängenden Rechtsfragen s. näher in Vordem. VII, 4 vor 88 783ff., auch Bem. IX, 1 und la a.6. $u 8 433 und die dortigen An­ führungen; s. ferner Koch in GruchotsBeitr. Bo. 69 S. lff. l) Wegen der rechtlichen Natur der Patentanwälten erteilten Aufträge auf Herbeiführung der Verlängerung ausländischer Warenzeichen usw. vgl. aus der Rspr. RG. JurRundsch. Rspr. 1925 S. 1173 und IW. 1926 S. 246. 4. Anwendbare Vorschriften. Als entsprechend anwendbar bezeichnet 8 675 die für den Auftrag geltenden Vorschriften über a) die Verpflichtung gewisser Personen, die Ablehnung eines Auftrags dem Aufttaggeber unverzüglich anzuzeigen (8 663); b) die Befugnis des Beauftragten, von den Weisungen des Auftraggebers abzuweichen (8 665); c) die Verpflichtung des Beauftragten, dem Auftraggeber Nachricht zu geben, Auskunft zu erteilen, Rechenschaft abzulegen, das zur Ausführung des Auftrags Erhaltene oder aus der Geschäftsbesorgung Erlangte heraus­ zugeben und das für sich verwendete Geld zu verzrnsen (83 666—668); d) den Anspruch des Beauftragten auf Borschubleistung und Ersatz seiner Aufwendungen (88 669, 670, vgl. RG., 10. Jan. 1910, WarnE. 1910 Nr. 108; über das Verhältnis des 8 670 zu 8 644 f. Oertmann Bem. 2 und Planck Bem. 3); e) die Beendigung des Aufttags durch Tod und Geschäftsunfähigkeit (88 672, 673; s. auch Bem. I, c zu 8 649); f) das Fortbestehen des erloschenen Auftrags zugunsten des gutgläubigen Beaufttagten (8 674); g) das Verbot der unzeitigen Kündigung seitens des Beauftragten (8 671 Abs. 2), falls dem zur Dienstleistung Verpflichteten oder Unternehmer das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen (88 623, 626, 627), vgl. P. VI, 189. Hinsichtlich des Armenanwalts s. RG., 24. April 1914, LZ. 1914 Sp. 1548.

10, Xitel.

Auftrag.

675 (5-8); 676 1117

8. Unanwendbar sind auf Dienst- und Werkverträge die §§ 664 und (in gewissem Umfange) 671. a) An Stelle des § 664 gilt beim Dien st vertrage § 613 (and. Ans. hin­ sichtlich des § 664 Abs. 1 Satz 2 RG., 2. Mär, 1912, RGZ. Sb. 78 S.313, RG., 4. Juli 1919, WarnE. 1920 Nr. 8, OLG. Hamm, 14. April 1920, SeusfA. Bd. 75 Nr. 211, RG. JurRundsck. Rspr. 1925 Nr. 871 und RENK. Bem. 1 zu 8 664), beim Werkverträge die allgemeine Vorschrift des § 267; s. auch § 278, Neumann Note 3, a und Note 4 zu 8 664, Galdmamv-Lilienthal S. 703, Lotmar, Der Arbeitsvertrag Bd. 2 S. 487, OLG. Kiel, 2.Noo. 1915, OLG. Bd. 34 S. 56 ff. (Ausführung von Überweisungsaufträgen an eine Bank). Über die Haftung des substituierenden Anwalts für die kosten der Substituierten s. P. Aron m IW. 1912 S. 728 ff., A. Meyerowitz ebenda S. 730, W. Kiese ebenda S. 1094 ff. b) An Stelle des 8 671 (soweit er nicht gemäß $ 675 für entsprechend an­ wendbar ertlärt ist, s. oben Bem. 4, g) gelten beim Dienstverträge die 88 620ff., beim Werkverträge die 88 643, 649 (OLG. Hamburg,20.Mai 1919, ,Liecht" 1919 Nr. 1957; vgl. hinsichtlich der Widerruflichkeit des Akkre­ ditivs RG., 4. Mär, 1922, „Recht" 1923 Nr. 507). Hinsichtlich des Armen­ anwalts s. RG., 24. April 1914, LZ. 1911 S. 1548. 6. Die in Bem. 4, a—g erwähnten Bestimmungen finden auf die eine Geschäfts­ besorgung zum Gegenstände habenden Dienst- und Werkverträge „entsprechende An­ wendung". Damit ist zum Ausdrucke gebracht, dah die Anwendung nur stattfinden darf, wenn ihr die rechtliche Natur des Dienst- oder Werkvertrags nicht entgegen­ steht. Inwieweit dies der Fall ist, labt sich im allgemeinen kaum bestimmen. Als Beispiel für die aus diesem Gesichtspunkte sich ergebende Unanwendbarkeit einzelner Sätze wurde in der II. Komm, erwähnt, a) dah, wenn der Dienst- oder Werkvertrag, mit welchem die Verpflichtung zur Geschäftsbesorgung verbunden sei, erlösche, daneben nicht noch die Grundsätze über die Erlöschung des Mandats (88 672, 673) anwendbar seien (vgl. auch ZPO. 88 239, 244, 246); b) datz die 88 669, 670 nichts anwendbar seien, wenn die vereinbarte Vergütung nach dem Dienst- oder Werkverträge zugleich als Entgelt für die Aufwen­ dungen anzusehen sei (P. II, 377; vgl. Hachenburg a. a. O. S. 22 ff., Neumann Note 3 zu 8 669, Goldmann-Lilienthal S. 702 ff., Planck Bem. 3). c) über eine weitere Verschiedenhett hinsichtlich der Klagbarkeit des Anspruchs auf Vorschubleistung s. Hem. 1 zu 8 669. 7. Abgesehen von der Vorschrift des 8 675 unterliegen Dienst- und Werkverträge, die eine Geschästsbesorgung zum Gegenstände haben, den Vorschriften der 88 611 ft,

631 ff. 8. Konkurs. Die Bestimmungen des 8 23 Abs. 1 KO. (s. Bem. 4 zu

8 672) gelten nach 8 23 Abs. 2 KO. auch dann, wenn sich jemand durch einen Dienst­ vertrag oder Werkvertrag verpflichtet hat, ein ihm von dem Gemeinschuldner über­ tragenes Geschäft für diesen zu besorgen. Erlischt ein solcher Dienst- oder Werkvertrag infolge der Eröffnung des Verfahrens, so ist der andere Teil in Ansehung der nach der Eröffnung des Verfahrens entstandenen Ersatzansprüche int Falle des 8 672 Satz 2 BGB. Massegläubiger, im Falle bes 8 674 BGB. Konkursgläubiger (KO. 8 27); vgl. P. II, 517, 374ff., Denkschrift zur KO. S. 18, 19, RGRK. Bem. 5).

§ 676.*) Wer einem Anderen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, ist, unbe­ schadet der sich aus einem BertragsverhältniS oder einer unerlaubten Handlung

ergebenden Verantwortlichkeit, zum Ersätze des aus der Befolgung des Rates

oder der Empfehlung entstehenden Schadens nicht verpflichtet. 6. I, 604; II, 607; III, 663.

*) Schrifttum: M. von Witzleben, Außerkontraktliche Haftung für bloße Er­ teilung einer Auskunft oder eines Rates, Erl. Jnaug.-Disf., Köthen 1899; I. Zahnen, Die Haftung des Ratgebers, Freib. Jnaug.-Disf., Freiburg 1899; E. Wolff, Die Haftung des Ratgebers, Berliner Jnaug.-Disf., Berlin 1899; W. Hückstädt, Die Haftung des Ratgebers nach gern. R. und nach dem Rechte des BGB. s. d. D. R., Greifsw. Jnaug.-Diss.,

1118 676 (1)

VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse.

1. 8 676 regelt die rechtliche Bedeutung von Rat und Empfehlung (die II. Komm, versetzte diese Dorschrift zuerst in den Titel über die unerlaubten Handlungen, später aber in den Titel über den Auftrag zurück; P. II, 380, 664 ff.). Unter § 676 fällt auch die Erteilung einer Auskunft, da jeder Rat und jede Empfehlung eine Auskunft enchält (M. II, 554, Schmitt a. a. O. S. 267 ff., 273 ff.). Nach gemeinem Rechte konnte jemand aus der Erteilung eines Rates in An­ spruch genommen werden, wenn er dolos handelte oder besondere Umstände ihn zur Anwendung von Sorgfalt verpflichteten, wobei insbesondere das Bestehen einer Ge­ schäftsverbindung von wesentlicher Bedeutung wurde (sog. „mandatum tua gratia“; vgl. Dernburg, Pand. Bd. 2 § 372 Anm. 7, 8, Windscheid-Kipp, Pand. Sb. 2 S. 818 Anm. 21, Zeitschrift des Anw.-Ver. für Bayem Bd. 10 S. 219 ff., Tewes im Arch. ZivPrar. Bd. 51 S. 35 ff., ROHE. Bd. 19 S. 196 ff., RGZ. Bd. 19 S. 97 ff., Bd. 27 S. 118 ff., Bd. 42 S. 129 ff., BayObLGZ. Bd. 6 S. 137 ff., SeuffA. Bd. 55 Nr. 26). Nach BLR. (Tl. IV cap. 9 § 3 Ziff. 1) unterscheidet sich das Mandat von Klotzen Ratschlägen oder Rekommandationen dadurch, datz diese beiden regelmätzig keine Ver­ bindlichkeit nach sich riehen, sofern sie ohne Betrug und Hinterlist geschehen (s. auch Tl. IV cap. 10 § 3 Ziff. 4; BayObLG. vom 6. Dez. 1901, BayObLGZ. Bd. 2 S. 779 ff.). Hinsichtlich des PLR. s. RG., 6. Okt. und 22. Dez. 1902, SeuffBl. Bd. 67 S. 504 ff., Bd. 68 S. 477 ff. Über andere Rechte s. M. II, 554 Note 1. Auch nach dem BGB. begründet die (Erteilung eines Rates oder einer Empfehlung nur dann eine Haftung, wenn entweder zwischen den Beteiligten ein Vertrags­ verhältnis bestand oder der den Rat oder die Empfehlung Etteilende sich einer unerlaubten Handlung schuldig gemacht hat. a) über das Mischen dem Etteiler und dem Empfänger des Rates oder der Empfehlung bestehende Vertragsverhältnis entscheiden die Umstände des ein­ zelnen Falles. Die Erteilung von Rat, Empfehlung oder Auskunft kann den Haupt- oder einzigen Gegenstand des Dettrags bilden, sie kann aber auch als Nebenverpflichtung sich aus einem anderen Vertragsverhältnis ergeben (RG., 3. 3ult 1911, IW. 1911 S. 809). 3n Betracht kommen hiebei insbesondere Dienst- und Werkvertrag, Mäklervertrag und Ga­ rantievertrag (vgl. S. 933 Vordem. III, 7 vor 8 631, Brunswig a.a.O. S. 87 ff., Alsberg a. a. O., Königsberger a. a. O. S. 58 ff., RG., 31. Mai 1905, SeuffBl. Bd. 71 S. 40 ff. und die dort erwähnten Schriftsteller und Entscheidungen). Verpflichtet sich jemand, einem anderen unentgeltlich einen Rat oder eine Empfehlung zu erteilen, so liegt (da eine „Geschäftsbesorgung" nicht in Frage steht, s. Bem. 2, d zu 8 675; and. Ans. Königsberger a. a. O. S. 68, Schmitt a. a. O. S. 279 ff.) kein Auftrag (8 662), sondern ein besonderes, Greifswald 1901; Brückner, Die rechtliche Stellung und Haftverbindlichkeit der kauf­ männischen Auskunftsbureaus (Auskunfteien), „Recht" 1903S.245ff., 273ff.; Bendix, Rat und Empfehlung, SeuffBl. Sb.71 @.2ff.; Staub-Könige, Komm.z.HGB„ 12./13.Aufl. [email protected]. (Anhang zu §349: Rat, Empfehlung und Auskunft); Düringer-Hachen­ burg, Das HGB. 2. Aufl. Bd. 2 § 347 Anm. 17ff.; P. Brunswig, Die vertrags­ mäßige Haftung des Ratgebers, ZHR. Bd. 56 S. 77ff.; K. Schmitt, Die kaufmännische Auskunftei, insbesondere der Auskunftsvertrag, ebenda Bd. 70 S. 266ff.; Sontag, Die Haftung für Auskunftserteilung nach dem BGB., HoldheimsMSchr. Bd. 12 S. 141 ff.; M. Alsberg, Die Haftung des Bankiers für Fahrlässigkeit bei der Empfehlung von Wert­ papieren, ebenda Bd. 15 S. 321 ff.; E. v. Ziegler, Haftung des Bankiers aus Rat­ erteilung und Empfehlung von Wertpapieren, ebenda Bd. 21 S. 1 ff., S. 29ff., S. 57 ff.; Barth, Die Haftung des Bankiers für fahrlässig falschen Rat, ebenda S. 287ff.; A. Königsberger, Die berufliche Auskunftserteilung und die Stellung der Auskunfts­ anstalt gegenüber dem Anfragenden, Stuttgart, 1907, insbesondere S. 54ff.; H. Flierl, Die zivilrechtliche Haftung der Presse auf Grund des § 676 BGB., Erl. Jnaug.-Diss., BornaLeipzig 1908; v. Dasfel, Haftung für Auskunft über Angestellte, „Recht'" 1909 S. 733 ff.; Brand, Die Haftung des Bankiers für Raterteilung, DIZ. 1912 S. 724ff.; Schnitzenstein. Die Erteilung von Auskunft auf dem Gebiete des Rechtes, DFZ. 1916 S. 662ff.; Bovenfiepen, Die Haftung des Bankiers für Ratserteilungen, Bankwissenschaft 1924 S. 170; Rudolf Wassermann, Die Haftung der Referenzfirmen für Auskunftserteilung, BerkehrsRundsch. 1924 S. 564.

10. Titel.

Auftrag.

676 (1) 1119

im BGB. nicht ausdrücklich geregeltes Rechtsgeschäft vor (Bem. 4, e zu § 662, Ziegler a. a. O. S. 31). Die Beschaffung einer Auskunft kann eine Ge­ schäftsbesorgung sein (RG., 7. Juli 1910, IW. 1910 S. 808). Von besonderer Bedeutung sind die Fälle, in denen Rat oder Empfehlung kraft Gewerbes oder Berufs gegen Entgelt erteilt wird, wie z.B. die Ratschläge des Arztes und Rechtsanwalts, die Empfehlung eines von dem Kunden anzukaufenden Wertpapiers durch den Bankier, die Aus­ kunft über Kreditwürdigkeit eines Kaufmanns durch ein Auskunftsbureau (Auskunftei). Das blohe Bestehen einer Geschäftsverbindung (vgl.RG., 20. Dez. 1920, LZ. 1921 Sp. 266) genügt nicht, um die Auskunftserteilung zu einer der vertraglichen Sorgfaltspflicht unterstehenden Leistung zu machen; hiezu ist vielmehr erforderlich, dah die Auskunftserteilung in den Rahmen dieser Geschäftsverbindung fällt (OLG. Hamburg, 2. Mai 1906, OLG. Bd. 13 E. 432; s. auch RG., 31. Ian. 1907, REZ. Bd. 65 S. 141, 26. April 1907, IW. 1907 S. 363 ff., und 19. Ian. 1910, DIZ. 1910 S. 481, RG., l.Dez. 1921, „Recht" 1922 Nr. 427, OLG. Rostock, 20. Juni 1911, OLE. Bd. 24 S. 395 ff., Staub-Könige Bem. 10 und 19 im Anhang zu § 349 HEB., Oertmann Bem. 1, b, a, Enneccerus § 384 Anm. 10, Ziegler a. a. O. .); so kann z. B. die Anwendung des 8 852 nur insoweit in Frage kommen, als die Auf­ wendungen des Klägers, deren Ersatz er verlangt, erst nach dem Ablaufe der Verjährung für den Schadensersatzanspruch des Beschädigten gegen den Beklagten gemacht wären; denn dann befreite die Geschäftsführung den Schuldner nicht mehr von einer Schuld, diese war vielmehr erloschen (RG., 4. Jan. 1915, RGZ. Bd. 86 S. 97). 7. Nimmt jemand eine prozeßrechtliche Handlung für eine Partei als Geschäftsführer ohne Auftrag vor, so kann er gegen oder ohne Sicherheitsleistung für Kosten und Schäden zur Prozeßführung einstweilen zugelassen werden. Das Endurteil darf aber erst erlassen werden, nachdem die für die Beibringung der Genehmigung zu bestimmende Frist abgelaufen ist. Ist zu der Zeit, zu der das Endurteil erlassen wird, die Genehmigung nicht beigebracht, so ist der einstweilen zur Prozeßführung Zugelassene zum Ersätze der dem Gegner infolge der Zulassung erwachsenen Kosten zu verurteilen; auch hat er dem Gegner die infolge der Zulassung entstandenen Schäden zu ersetzen. Die Partei muß die Prozeß­ führung gegen sich gelten lassen, wenn sie die Prozeßführung ausdrücklich oder still­ schweigend genehmigt hat (ZPO. 8 89).

8. Die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag finden entsprechende Anwendung: a) auf die Verpflichtung des Käufers, des Vermieters, des Verpächters, des Ver­ leihers, des Eigentümers (gegenüber dem Besitzer und dem Nießbraucher), des Verpfänders und des Nacherben zum Ersätze gewisser Verwendungen (88 450Abs.2, 547 Abs. 2 Satz 1, 581 Abs. 2, 601 Abs. 2 Satz 1, 994 Abs. 2, 1049 Abs. 1, 1216 Satz 1, 2125 Abs. 1); b) auf die Rechte und Pflichten des die Erbschaft ausschlagenden Erben gegenüber demjenigen, der Erbe wird (8 1959 Abs. 1); c) auf die vor der Annahme der Erbschaft von dem Erben besorgten erbschaftlichen Geschäfte (8 1978 Abs. 1 Satz 2, s. auch 8 1991 Abs. 1); d) auf den Anspruch des Erben auf Ersatz von Aufwendungen aus dem Nachlasse bei Anordnung der Nachlaßverwaltung oder Eröffnung des Nachlaßkonkurses (8 1978 Abs. 3, s. auch 8 1991 Abs. 1).

9. Bildet die eigenmächtige Besorgung eines fremden Geschäfts eine unerlaubte Handlung im Sinne der 88 823 ff., so stehen dem Geschäftsherrn auch die hieraus sich ergebenden Ansprüche zu (M. II, 854; vgl. § 687 Abs. 2 und Bem. 3, ä zu 8 687; and. Ans. Lent a. a. O. S. 293 ff.). Nach Zitelmann (ArchZivPrax. Bd. 99 S. 104 ff.) soll die objektive Widerrechtlichkeit (und damit die Anwendbarkeit der 88 823ff.) aus­ geschlossen sein, wenn jemand als Geschäftsführer in den Grenzen des 8 677 gehandelt hat; nach unserer Ansicht kann von Geschäftsführung in den von Zitelmann erwähnten Fällen *) Fr. Schmitt, Die Verjährung des Ersatzanspruchs aus auftragsloser Geschäfts­ führung, SeuffBl. Bd. 76 S. 461 ff.

11. Titel. Geschäftsführung ohne Auftrag.

Vordem. (10-12) 1127

überhaupt nicht gesprochen werden (Bem. 2, a zu § 677); über die Frage des Aus­ schlusses der Widerrechtlichkeit s. näher in Bem. II, B,7 zu § 823. 10. über die Geschäftsführung auf Grund Auftrags f. §§ 662ff., über die rechtliche Wirkung eines ohne Bertretungsmacht im Namen eines anderen vorgenommenen Rechts­ geschäfts für und gegen den Vertretenen (Vertretung ohne Bertretungsmacht) s. §§ 177 ff. (vgl. OLG. Stettin, 9. Mai 1902, OLG. Bd. 9 S. 10). Der Fund verlorener Sachen ist in den §§ 965 ff. besonders geregelt (vgl. OLG. Hamburg, 2. Nov. 1903, SeuffA. Bd. 59 Nr. 104). über Bergung und Hilfeleistung in Seenot s. HGB. 88 740 ff. in der durch Art. 1, II des RG. vom 7. Jan. 1913 (RGBl. 1913 S. 91 ff.) festgesetzten Fassung, StrandO. vom 17. Mai 1874 in der durch Art. 2 des RG. vom 7. Jan. 1913 (RGBl. 1913 S. 95) festgesetzten Fassung, BinnenSchG. in der Fassung der Bek. vom 20. Mai 1898 §§ 93 ff., OLG. Hamburg, 7. Juni 1907, OLG. Bd. 22 S. 74 ff. 11« Eine selbständige BersionSklage (actio de in rem verso; vgl. Dernburg, Pand. Bd. 2 ß 270 Ziff. 3, Windscheid-Kipp, Pand. Bd. 2 S. 1116 ff., Kreittmayr, Anm. z. BLR. Tl. IV cap. 13 8 2 Ziff. 8, PLR. Tl.I Tit. 13 88 262 ff., sächs. GB. 8 1357) ist dem BGB. unbekannt (M. II, 871 ff., Jacubezky, Bem. S. 180 ff.). Zum Ersätze dienen außer den Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag insbesondere die Vorschriften über ungerechtfertigte Bereicherung (88 812ff.); vgl. auch Neumann Bem. III zu 8 687, Oertmann Vordem. 11 und RG., 15. Dez. 1904, IW. 1905 S. 80 sowie Vordem. 10 vor 8 812 und die dort erwähnten Schriftstellen und Entscheidungen.

12. Unberührt bleiben gemäß EG. Art. 103 die landesgesetzlichen Vor­ schriften, nach welchen der Staat sowie gewisse Verbände und Anstalten Ersatz der für gewährten Unterhalt gemachten Aufwendungen von dem Unterstützten sowie von den nach BGB. unterhaltspflichtigen Personen verlangen können (vgl. die Bem. zu EG. 103 in Bd. VI, ferner Bd. IV Vordem. 13, a vor 8 1601, Bem. 4 zu 8 1602, Bem. 6, a zu 8 1607; s. auch Oertmann Vordem. 5, d, ß, RGRK. Vordem. 6, Goldmann-Lilienthal S. 713 Anm. 9, Crome 8 255 Anm. 3, OLG. Kiel, 10. Mai 1906, OLG. Bd. 14 S. 32 ff., RGZ. Bd. 14 S. 197 ff., Bd. 41 S. 267 ff., Dernburg 8 299 Anm. 12, 13 und Pand. Bd. 2 8 379 Anm-. 3). Das gleiche gilt hinsichtlich der Vorschriften über die Ersatzansprüche von Fürsorge­ verbänden (s. Vordem. 13, a vor 8 1601 in Bd. IV, 2 S. 898 ff. und Bem. 2 und 4 zu Art. 103 EG. Bd. VII S. 261) und der Vorschriften der Arbei ter versicherurtgsgesetze über Erstattung von Aufwendungen und Übergang von Ersatzansprüchen (vgl. Planck Vordem. III, 2). Unberührt bleiben ferner die Vorschriften des öffentlichen Rechtes, nach welchen Be­ hörden oder Beamte zur Besorgung fremder Geschäfte berechtigt oder verpflichtet sind (z.B. Nachlaßverwaltung durch einen Konsul), über die Zulässigkeit des Rechtswegs für den Anspruch des Fiskus auf Erstattung der Hebekosten eines gesunkenen Kahnes s. RG., 22. Dez. 1910, RGZ. Bd. 75 S. 188 ff.; über den Anspruch auf Erstattung von Auf­ wendungen zum Schutze gegen Seuchengefahr s. RG., 15. Juni 1911, RGZ. Bd. 77 S. 193 ff. (Cholerastation), und 2. Okt. 1911, GruchotsBeitr. Bd. 56 S. 380 ff. (Schutzpockenimpfung), über die Erstattungsklage auf Grund des 8 56 des preuß. Zuständigkeitsgesetzes vom 1. Aug. 1883 s. Urt. d. preuß. OBG. vom 13. Okt. 1910, DIZ. 1911 S. 653 ff. Vgl. hiezu insbesondere Hartmann a. a. O. und das dort erwähnte weitere Schrifttum, ferner aus der Rspr. WarnE. 1926 S. 206 (für den Ersatzanspruch wegen der Jnstandsetzungsarbeiten an einem Hause, die durch die Gemeinde auf der Grundlage des 8 8 RMietenG. ausgeführt sind, ist der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen, auch wenn der Anspruch auf Geschäfts­ führung oder ungerechtfertigte Bereicherung gestützt wird, well nach den Bestimmungen dieses Gesetzes für Erstattungsansprüche solcher Art der Rechtsweg als ausgeschlossen zu erachten ist). Vgl. hieher auch Bem. 1, a, ß zu 8 679 über die Frage, ob und inwieweit «die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über „Geschäftsführung ohne Auftrag auf öffentlich-rechtliche Verhältnisse überhaupt anwendbar find.

1128 Vordem. (IS, 14); 677(1,2) VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse.

13. über die strafrechtliche Bedeutung der Geschäftsführung ohne Auftrag s.M. Ahrens, Geschäftsführung ohne Auftrag als Strafausschließungsgrund (Heft 101 der von Lilien­ thal herausgegebenen strafrechtlichen Abhandlungen), Breslau 1909; vgl. auch Bem. II, B, 7 zu § 823 und die dort erwähnten Schriftsteller und Entscheidungen. 14. Über Aufwertung im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag s. Bem. V, 2, b, n zu § 242 in Bd. II, 1. § 677.

Wer ein Geschäft für einen Anderen besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein, hat das Geschäft so zu führen, wie das Interesse des Geschästsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mut­ maßlichen Willen es erfordert. r. I, 749 «ds. 1; II, 608; III, «64.

1. § 677 hat einen doppelten Inhalt: a) er umgrenzt den Begriff der Geschäftsführung ohne Auftrag durch Auf­ stellung der wesentlichen Voraussetzungen (s. Bem. 2); b) er legt dem Geschäftsführer als Grundpflicht die Rücksichtnahme auf das Interesse und den Willen des Geschäftsherrn aus (s. Bem. 3). 2. Voraussetzung für das Borliegen einer Geschäftsführung ohne Auftrag ist: a) Besorgung eines Geschäfts. Die Geschäftsbesorgung kann sich auf ein einzelnes Geschäft oder auf eine Reihe von solchen oder aus alle Geschäfte einer Person berieten (M. II, 855). Über den Begriff der „G e s ch S f t s b e s o r g u n g" s. Bem. 2, d zu § 675. Wie dort ausgeführt, kann über die Frage, ob eine Geschäftsbesorgung vor­ liegt oder nicht, in letzter Linie nur der Sprachgebrauch des täglichen Lebens Aufschluß geben. Nach diesem aber ist es unzweifelhaft, daß insbesondere Ver­ richtungen an der Person eines anderen nicht als Besorgung eines Geschäfts desselben erachtet werden können. Demgemäß stehen z. B. dem Arzte, der einem plötzlich Erkrankten unaufgefordert Hilfe leistet, gegen diesen Ansprüche aus der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht zu. Im Hinblick auf das Un­ befriedigende dieses Ergebnisses wird mehrfach die Anschauung vertreten, daß der Begriff der Geschäftsbesorgung im § 677 weiter sei als in den §§ 662 und 675 und sich auch auf nichtgeschäftliche Angelegenheiten erstrecke, so ins­ besondere von Crome § 254 Ziff. 1 (ebenso Gierke § 216 Anm. 5; s. auch Höniger im ArchBürgR. Bd. 35 S. 273 ff.). Allein dessen Beweisgründe (die int § 680 erwähnte „Gefahr" sei nicht nur als Vermögensgefahr aufzu­ fassen; auch sei die Geschäftsführung ohne Auftrag das Gegenstück nicht nur des Auftrags, sondern aller Lohnverträge) sind nicht so zwingend, datz sie die hiemit dem Gesetzgeber zugemutete llngenauigkeit des Ausdrucks zu recht­ fertigen vermöchten (ebenso Jsay a. a. O. S. 46; nach Oertmann Vordem. 2 soll in solchen Fällen § 677 entsprechend anwendbar, daher zwischen einer Geschäftsführung im engeren und weiteren Sinne zu scheiden sein; für diese Unterscheidung dürste es aber an einer gesetzlichen Grundlage fehlen). Dre mit der hier vertretenen Ansicht verbundene Unbilligkeit wird übrigens in vielen Fällen durch die Vorschriften der §§ 812 ff. (ungerechtfertigte Bereiche­ rung), unter Umständen wohl auch durch Annahme einer stillschweigenden Vereinbarung (vgl. § 612; so Jsay a. a. O. S. 47) eine Ausgleichung er­ fahren. Schickt der Wirt für den in seinem Gasthaus erkrankten Gast ohne dessen Wissen nach einem Arzte, so hat demgemäß der Arzt zwar nicht An­ sprüche aus der Geschäftsführung ohne Auftrag gegen den Gast, wohl aber Anspruch auf Honorar gegen den Wirt, während der letztere gegenüber dem Gaste geltend machen kann, daß er (durch Herbeiholung des Arztes) dessen Geschäft besorgt habe (so mit Recht Jsay a. a. O. S. 46, Planck Bem. 2, b a. E.; vgl. auch unten unter c, , 755; II Hl ; III, HH6.

1. 8 679 enthält eine Ausnahme von dem Grundsätze des 8 678. Gemäh 8 677 hat der Geschäftsführer auf den Willen des Geschästsherrn Rücksicht zu nehmen. Hat er vorsätzlich oder fahrlässig dem Willen des Geschästsherrn zuwidergehandelt, so haftet er ohne weiteres Verschulden für jeden dem Geschästsherrn aus der Geschäfts­ führung erwachsenen Schaden (8 678). Trotz des Vorliegens dieser Voraussetzung beschränkt sich aber die Haftung des Geschäftsführers wieder auf das im allge­ meinen geltende Matz, nämlich auf Haftung für Vorsatz und Fahrlässig*) Vgl. hiezu die in Note * zur Vordem. (S. 1124) erwähnte Diss. von K l a w k i; I. Holz, Der Arzt als negotiorum gestor, IW. 1914 S. 1124ff.; Kellner, Geschäfts­ führung ohne Auftrag im Armenrecht, „Recht" 1919 S. 224ff.; Parisius, Die Haftung für Unfälle und Schäden im Feuerlöschdienst, PrBBl. Bd. 46 S. 456 und dazu Delius, Bersicherungs- und Geldwirtschaft 1925 S. 173.

1134 679(1)

VH. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse.

leit (J. Vordem. 4), wenn durch die Geschäftsführung verhütet wird, dab eine Pflicht des Geschäftsherrn. deren Erfüllung im öffentlichen Interesse

Anm. 18). Daß die Einmischung im öffentlichen Interesse liegt, genügt nicht zur Anwendbarkeit des § 679 (Planck Bem. 1, a). Das gleiche gilt natürlich, wenn ohne das Dazwischentreten des Geschäftsführers die Pflicht des Geschäftsherrn überhaupt nicht erfüllt werden würde (M. 11,865). a) Die erste der im § 679 erwähnten Voraussetzungen ist dann gegeben, wenn die Erfüllung der Pflicht des Geschäftsherrn nach den Umständen des Falles im öffentlichen Interesse liegt; ob die Verpflichtung selbst öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist, ist nicht entscheidend (P. II, 737 ff., OLG. Telle, 10. Nov. 1905, OLG. Bd. 12 .). e) Ist zwar der Hauptschuldner, nicht aber der Gläubiger aufrechnungsberechtigt (so z. B. wenn der Hauptschuldner eine fällige For­ derung aus einer ihm vom Gläubiger zugefügten vorsätzlichen Körper­ verletzung gegen diesen hat, s. § 393, oder wenn die Forderung des Haupt­ schuldners unpfändbar ist, s. § 394), so steht dem Bürgen das im § 770 erwähnte Recht nicht zu (ebenso Planck Bem. 2, b, Cosack I § 158,IV,2,b, Goldmann-Lilienthal S. 816 Anm. 18, Mantey a. a. O. S. 545, Schollmeyer S. 173 Anm. 1, Fischer-Henle Note 3 und nunmehr auch Oertmann Bem. 4, b und RGRK. Bem. 2). Die gegenteilige Meinung, für die man sich auf die Analogie bei der Anfechtung, auf die Rechtsgeschichte, auf ein argumentum a fortiori, auf die Absicht des Gesetzes und auf das Billigkeits­ gefühl gegenüber dem Bürgen beruft (Krönte S. 879, Lippmann a. a. O. S. 555 ff., Lippmann im ArchZivPrar. Bd. 111 S. 197 ff., Dernburg 8 287, V, Enneccerus § 413, II, 2, Gierke § 206 Anm. 65, Merckens [|. Rote * zu 8 768] S. 70), scheitert an dem klaren Wortlaute des § 770 Abs. 2 (vgl. auch die entsprechende Borschrift des § 129 Abs. 3 HGB ). ) Die Befreiung des Bürgen kann der Hauptschuldner entweder dadurch herbeiführen, daß er seine eigene Berbindlichkeit tilgt (wodurch auch die Dürgschaftsschuld erlischt) oder daß er den Gläubiger veranlaßt, unentgeltlich oder gegen Entgelt, eventuell gegen Beschaffung anderweitiger Sicherhett, den Pürgen aus der Haftung zu entlassen (vgl. (fronte S. 886). Welchen dieser Wege der Hauptschuldner wählen will, ist seinem Ermessen überlassen. Steht die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners fest, so verwandelt sich der Anspruch auf Befreiung in einen Anspruch auf Geldzahlung (9t®., 2. Dez. „Recht" 1912 Nr. 404; vgl. RGZ. Bd. 37 S. 93ff.). c) Die Vollstreckung des auf Befreiung lautenden Urteils erfolgt nach Maß­ gabe des 8 887 ZPO. (vgl. RGZ. Bd. 18 S. 435 ff.). d) Der Anspruch auf Befreiung steht beim Vorliegen der im 8 775 erwähnten Voraussetzungen auch dem Bürgen zu, der auf die Einrede der Voraus­ klage verzichtet hat (M. II, 677; vgl. RGZ. Bd. 8 S. 262ff.); dagegen kann der Bürge Befreiung insoweit nicht verlangen, als ihm gegen den Haupt­ schuldner kein Rückgriffsrecht zusteht. e) Der Verpflichtung, den Bürgen zu befreien, kann sich nach 8 775 Abs. 2 der Hauptschuldner, wenn die Hauptverbindlichkeit noch nicht fällig ist (also nur in den Fällen des 8 775 Abs. 1 Nr. 1 und 2) dadurch entledigen, daß er dem Bürgen Sicherheit leistet, und zwar auch dann, wenn er schon rechtskräftig zur Befreiung verurteilt ist (88 232 ff., P. II, 479 ff.; vgl. 8257 Satz 2). Die Sicherheit ist dafür zu leisten, daß bei Fälligkeit der Haupt­ verbindlichkeit die Befreiung des Bürgen bewirkt werde, nicht für die Ersatz­ ansprüche, die sich für den Bürgen aus der Erfüllung der Bürgschaftsoerpflichtung ergeben (P. II, 480). Die Ansicht von Kremer (Die Mitbürgschaft S. 120 ff.), daß der Bürge, der vor Fälligkeit der Hauptverbindlichkeit Sicher­ heitsleistung erlangt hat, nicht berechtigt sei, nach (Eintritt der Fälligkeit der Hauptverbindlichkeit Befreiung zu verlangen, ist unzutreffend (91®., 22. Sept. 1904, RGZ. Bd. 59 S. 10 ff.). Dem Bürgen steht ein Anspruch auf Sicherheitsleistung nicht zu. f) Über die Unanwendbarkeit des 8 775 auf die bloße Mitunterschrift eines Wechsels s. OLG. Marienwerder, 11. Juni 1905, „Recht" 1905 S. 431 Nr. 1744.

1516 775 (8-6)

VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse.

2. Die llmftände, die den Bürgen nach § 775 berechtigen, Befreiung von der Bürgschaft zu verlangen, sind: a) wesentliche Verschlechterung der Dermögensoerhältnisse des Hauptschuldners (vgl. §§ 321, 610); ob eine solche vorliegt, hat der Richter nach freiem Ermessen zu entscheiden; vgl. RG.. 12. Juli 1906, erwähnt in RGRH. Bem. 3; s. auch REE. vom 1. April 1927 in IW. 1927 S. 1689 (Die Auflösung einer offenen Handelsgesellschaft und die damit verbundenen Änderungen in dem Rechtsbestande des bis dahin ver­ einigt gewesenen Gesellschaftsvermögens können eine wesentliche Verschlech­ terung in den Dermögensverhältnissen des Hauptschuldners — hier der offenen Handelsgesellschaft — begründen; wenn aber die Verhältnisse auch nur eines der Gesellschafter noch die gleiche Gewähr für den Rückgriff bieten, löst die Auflösung den Befreiungsanspruch noch nicht aus);

d) wesentliche Erschwerung der Rechtsverfolgung gegen den Haupt­ schuldner infolge einer nach Übernahme der Bürgschaft eingetretenen Änderung seines Wohnsitzes, seiner gewerblichen Niederlassung oder seines Aufenthalts­ orts (M. II, 677; vgl. Bem. 1, a—c zu § 772, Bem. 1, b zu 8 773);

c) Verzug des Hauptschuldners (§8 284ff.); eine dem Hauvtschuldner nach Fälligkeit seiner Schuld vom Gläubiger ohne Zustimmung des Bürgen ge­ währte Stundung vermag das dem Bürgen nach § 775 Abs. 1 Nr. 3 zustehende Recht auf Befreiung nicht zu beeinträchtigen (RG., 22. Sept. 1904, RGZ. Bd. 59 S. 10 ff.); d) Erwirkung eines voll st reckbaren Urteils auf Erfüllung gegen den Bürgen seitens des Gläubigers (P. VI, 385); „vollstreckbar" ist auch das für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteil (ZPO. § 704). Über diese „Reslerwirkung" eines Zioilurteils s. Hüttner, Die privatrechtlichen Nebenwirkungen der Zivilurteile S. 37 ff.; s. auch ebenda S. 220 ff. Unter § 775 Nr. 4 fällt auch der Bollstreckungsbefehl (ZPO. § 700), nicht aber ein Vergleich nach PO. § 794 Abs. 1 Nr. 1 und 2 oder eine vollstreckbare Urkunde nach ZPO. 794 Nr. 5, da in diesen Fällen die Rechtslage des Bürgen sich nicht ohne sein Zutun (f. oben Bem. 1) verschlechtert hat (ebenso Zubke a. a. O.; and. Ans. Bergschmidt a. a. O.).

?

e) Aus dem Kündigungsrechte des Bürgen gegenüber dem Gläubiger bei einer auf unbestimmte Zeit übernommenen Kreditbürgschaft (s. Bem. 5 zu § 777) leitet OLG. Stöln (11. Nov. 1913, OLG. Bd. 28 S. 227 ff.) das Recht des Bürgen ab, in solchen Fällen auch dem Haupt­ schuldner gegenüber Befreiung von der Bürgschaft zu verlangen; diese Ansicht dürfte aber mit der besonderen Regelung, welche dieser Befreiungsanspruch durch 8 775 gefunden hat, nicht vereinbar sein (s. auch RGRK. Bem. 7 a. E. zu 8 765). 3. Selbstverständlich kann der Anspruch auf Befreiung von der Bürgschaft dem Bürgen durch Bereiubarung mit dem Hauptschuldner auch für den Fall gewährt werden, dah die Voraussetzungen des § 775 nicht gegeben sind (M. II, 677ff.), während anderseits Verzicht des Bürgen auf das ihm nach § 775 zustehende Recht nicht ausgeschlossen ist; ein derartiger Verzicht bedarf, da es sich hiebei nur um das Ver­ hältnis des Bürgen zum Hauptschuldner handelt, nicht der schriftlichen Form (Oertmann Bem. 4, Planck Bem. 7, RGRK. Bem. 2, Dürmger-Hachenburg HGB. 2. Ausl. Bd. 2 S. 404).

4. Ob der Bürge, der sich im Auftrage des Hauptschuldners verbürgt hat, gemätz 8 669 Vorschuß für die zur Erfüllung der Bürgschaftsverbindlichkeit erforderlichen Aufwendungen verlangen kann, hängt von der Auslegung des Auftragsvertrags ab. In der Regel wird diese Frage zu verneinen sein (vgl. P. VI, 385; ebenso Oertmann Bem. 3; nach Planck Bem. 6 steht dem Bürgen ein Recht auf Vorschuh überhaupt nicht zu; ebenso Fischer-Henle Note 4, RGRK. Bem. 1, Düringer-Hachenburg a. a. O. S. 404ff.). 5. Der dem Beauftragten als solchem zustehende Anspruch auf Befreiung von übernommenen Verbindlichkeiten (s. Bem. 4 zu 8 670) steht dem Bürgen nicht zu, da die §§ 670, 257 insoweit durch § 775 eine Modifikation erleiden (RG., 22. Sept. 1904, RGZ. Bd. 59 S. 12, RGRK. Bem. 1).

6. Über die kraft Gesetzes eintretend« Befreiung des Bürgen s. §§ 776, 777.

18. Titel. Bürgschaft.

776(1,2) 1517

§ 776.*) Gibt der Gläubiger ein mit der Forderung verbundenes Vorzugsrecht, eine für sie bestehende Hypothek, ein für sie bestehendes Pfandrecht oder das Recht gegen einen Mitbürgen auf, so wird der Bürge insoweit frei, als er aus dem

aufgegebenen Rechte nach § 774 hätte Ersatz erlangen können. dann, wenn das aufgegebene Recht

erst nach

Dies gilt auch

der Übernahme der Bürgschaft

entstanden ist. 6. 1, 679; II, 71t; III, 760.

1. Die §§ 776 und 777 enthalten besondere Beendigungsgründe der Bürgschaft: über weitere Beendigungsgründe s. Vordem. 9 und Dem. 6, b 311 § 765. Uber Kündigung der Bürgschaft s. Bem. 5 zu § 777. 2. Treu und Glauben erfordern, datz der Gläubiger die Rechtsstellung des Bürgen nicht willkürlich verschlechtere. Nach § 776 darf daher der Gläubiger ein mit seiner Forderung verbundenes Nebenrecht (Vorzugsrecht, Hypothek oder Grundschuld, Pfandrecht, Recht gegen einen Mitbürgen, Sicher­ heitsleistung: vgl. KO. 88 61 ff., BGB. 88 1113 ff., 1191 ff., 1204 ff., 769), auch wenn dieses Recht erst nach der Übernahme der Bürgschaft entstanden ist. nicht ohne Zustimmung des Bürgen aufgeben, widrigenfalls der Bürge insoweit frei wird, als er bei Befriedigung des Gläubigers und Übergang des aufgegebenen Rechtes auf ihn (Bem. 2, ä zu 8 774) aus diesem Rechte hätte Ersatz erlangen können (M. II, 679 ff., P. II, 480 ff.; vgl. PrALR. Tl. I Tit. 14 88 331—333). Das Eigentum ist kein Vorzugsrecht im Sinne des 8 776 (OLG. Hamburg, 21. Jan. 1910, OLG. Bd. 20 S. 242 ff.), ebensowenig derEigentumsoorbehalt (OLG. Colmar, 27. Sept. 1910, DIZ. 1911 S. 1099; and. M. aber DüringerHachenburg Bem. 32 zu 8 349 HGÄ.) oder der Pfandrechtstitel des 8 648 (RGRK. Bem. 2). Dem Pfandrechte wird die Sicherungsübereignung (vgl. Sem.VIII,2 zu 8 929) gleichzustellen sein, da sie wirtschaftlich dem gleichen Zwecke dient (so auch Hallbauer SächsArch. 1907 S. 458 und Staub-Könige Bem. 35 zu 8 349 HGÄ.; and. M. aber Planck in Bem. 4, a, 7). Auf das Zurückbehaltungsrecht bezieht sich 8 776 nicht, auch nicht auf das kaufmännische (ebenso Düringer-Hachenburg Bem. 32 zu 8 349 HGB. und Planck Bem. 4, a, d). Als Aufgeben eines Nebenrechts kann das blotze passive Verhalten des Gläubigers nicht erachtet werden (s. RG., 23. März 1907, RGZ. Bd. 65 S. 397 und das erwähnte Urt. d. OLG. Hamburg vom 21. Jan. 1910 sowie BayObLG., 24. Noo. 1911, BayObLGZ. Bd. 12 S. 724), ebensowenig die Umwandlung einer gewöhnlichen Bürgschaft in eine Ausfallbürgschaft (OLG. Hamburg, 31.Jan. 1910, OLG. Bd. 21 S. 209) oder die Unterlassung der Ausbietung einer für die verbürgte Forderung bestehenden Hypothek in der Zwangsversteigerung (RG., 28. Sept. 1916, RGZ. Bd. 88 S. 410ff.). Vgl. auch Staub-Könige Bem. 35 zu 8 349 HGB.. Düringer-Hachenburg Bem. 31 zu 8 349 HGB. a) Der Grundsatz des 8 776 gilt auch dann, wenn dem Bürgen die Einrede der Vorausklage nicht zusteht (88 771—773, P. II, 480ff.; vgl.SeuffA. Bd. 52 Nr. 154). d) Aus welchem Grunde die Aufgabe des Nebenrechts erfolgt» ist für die Anwendbarkeit des 8 776 unerheblich «fronte 8 298 Anm. 21). c) Wie sich aus dem Wortlaute des Gesetzes ergibt, hat der Bürge, der seine Befreiung auf Grund des 8 776 geltend macht, nicht nur zu beweisen, datz der Gläubiger das Nebenrecht aufgegeben hat, sondern auch, dah er (der Bürge) aus dem vom Gläubiger aufgegebenen Rechte hätte Ersatz erfanaen können und in welchem Umfange dies der Fall gewesen wäre (ebenso RGRK. *) Vgl. Marcus, Der Anspruch des Bürgen aus Diligenz des Gläubigers gegenüber dem Hauptschuldner nach dem BGB., „Recht" 1902 S. 456ff.; W. Kramer, Der Schutz des Bürgen bei schuldhafter Behandlung der Hauptforderung durch den Gläubiger, Erl. Jnaug.-Diss., Osnabrück 1907; S. Kaufmann, Die Diligenzpflicht des Gläubigers gegen­ über dem Bürgen nach heutigem Recht, Erl. Jnaug.-Diss., Borna-Leipzig 1909; Flad, Zur Anwendung des 8 776 BGB., LZ. 1918 Sp. 542 ss.

1518 776 (8)

VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse.

Bem. 3. Enneccerus § 415 Note 7, Goldmann-Lilienthal S. 823 Anm. 3, Fischer-Henle Note 6, Flad a. a. O. S. 545, OLG. Stuttgart 26. Ian. 1915, „Recht" 1915 Nr. 1995, und 27. März 1919, „Recht" 1919 Nr. 1411; nach Grame § 298 Anm. 23 soll dem Bürgen nur der Beweis der Aufgabe des Rechtes durch den Gläubiger obliegen, während diesem die Replik offenstehe, datz die aufgegebenen Sicherheiten wertlos waren; ebenso hinsichtlich des franzö­ sischen Rechtes RGZ. Sb. 3 S. 349). d) Hat der Bürge in Unkenntnis der Verfügung des Gläubigers geleistet, so ist er gegenüber dem Gläubiger gemätz §§ 812, 813 insoweit rückforderungsberechtigt, als er aus dem aufgegebenen Rechte nach 8 774 hätte Ersatz erlangen können (Crome § 298 Anm. 24, Luhlenbeck Note 1, Fischer-Henle Note 6, RG., 9. Juni 1903, erwähnt in RGRK. Bem. 3).

e) Aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (f. unten Bem. 3, c) ergibt sich die Verpflichtung des durch Bürgschaft und Pfand gesicherten Gläubigers, für die Erhaltung der Pfandsache Sorge zu tragen; s. RG., 12.Okt. 1905, IW. 1905 S. 720 ff., und 25. April 1907, „Recht" 1907 S. 698 Nr. 1434. f) Der Aufgabe eines Nebenrechts mutz die Minderung eines solchen ($. B. Rangrücktritt) gleichgestellt werden (Planck Bem. 4, b). g) Eine Haftung des Gläubigers dafür, datz das Nebenrecht rechtsbeständig sei, wird durch § 776 nicht begründet (OLG. Hamburg. 2. Okt. 1905, OLG. Bd. 12 S. 98 ff.). h) Auf das Verhältnis mehrerer Mitbürgen zueinander ist § 776 nicht anwendbar; ein Mitbürge ist daher, wenn sich nicht aus den zwischen ihm und den übrigen Mitbürgen bestehenden Rechtsverhältnissen das Gegenteil ergibt nicht gehindert, eine ihm vom Hauptschuldner bestellte Sicherheit auf­ zugeben (RG., 17. Juni 1905, IW. 1905 S. 486; s. aber auch Oertmann Bem. 4, b). i) Soweit nach § 776 der Hauptbürge nicht haftet gilt das gleiche für denNach bürgen (Bem. 9, a $u § 765). k) § 776 gilt auch für das Verhältnis des Hauptbürgen zum Rückbürgen (Sem. 9, b zu ß 765); der Rückbürge wird also, wenn der Hauptbürge ein Nebenrecht aufgrbt, insoweit frei, als er aus dem aufgegebenen Rechte nach § 774 hätte Ersatz erlangen können. l) Die entsprechende Anwendung des § 776 Satz 2 auf das Gewährleistungs­ versprechen hinsichtlich einer nach Abtretung der Forderung entstandenen Bürgschaft ist unzulässig (RG., 29. Okt. 1909, RGZ. Bd. 72 6. 142). Über die Anwendbarkeit des 8 776 auf das Garantieversprechen s. RG., 13. Juli 1907, SeuffBl. Bd. 73 S. 407; über die Anwendbarkeit auf die Delkrederehaftung s. OLG. Stuttgart, 12. Juni 1913, „Recht" 1913 Nr. 2066; hinsichtlich der Anwendbarkeit auf die kumulative Schuld Übernahme s. Oertmann Bem. 4, a und die dort erwähnten Schriftsteller. m) Auf die ihm gemäß 8.776 zustehende Befreiungswirkung kann der Bürge (auch stillschweigend) verzichten; ein solcher Verzicht wird insbesondere häufig an­ zunehmen sein, wenn der Bürge an der ihm bekannten und von ihm gebilligten Freigabe ein eigenes erhebliches Interesse hat (RG., 16. April 1917, WarnE. 1917 Nr. 290; s. auch Flad a. a. O. S. 545 ff.). n) Auf eine ohne Mitwirkung des Bürgen nachträglich getroffene Verein­ barung zwischen Gläubiger und Schuldner, datz das hypothekarisch zu sichernde Darlehen nur gegen Aushändigung des Hypothekenbriefes ausg^ahlt werden solle, kann sich der Bürge nicht berufen (RG. JurRundsch. 1926 Nr. 459). 3. Abgesehen von der Vorschrift des 8 776 (s. auch 8 777) und vorbehaltlich abweichender Vereinbarung (s. unten Bem. 4) ist dem Gläubiger eine Sorg­ faltspflicht gegenüber dem Bürgen nicht auferlegt, er haftet also nicht für sog. „culpa in exigendo“ () Nach E. I, 746 sollte auch in den Fällen der 88 274, 563 Abs. 2 und 655 Abs. 2 ZPO. (ä. F.) der Anspruch auf Herausgabe des Geleisteten be­ gründet und mit dem Zeitpunkte der Leistung als rechtshängig geworden anzusehen sein (M. II, 847ff., ZG. II, 430 ff., P. II, 717 ff.). Abweichend hievon gewähren die nunmehr an die Stelle dieser Bestimmungen getretenen 88 302 Abs. 4. 600 Abs. 2 und 717 Abs. 2 ZPO. Anspruch auf Schadens­ ersatz (vgl. Vordem. XII, 2 vor 8 823). Über den Fall des 8 717 Abs. 3 ZPO. s. Vordem. 9, b.

E) Wie in der II. Komm, bemerkt wurde, kommt der Wegfall des beim Emp­ fange vorhanden gewesenen Rechtsgrundes nicht nur bei Leistungen vor. So wird z. B. eine Verfügung, die der Vorerbe trifft, nachdem der Nacherbe die Nacherbschaft ausgeschlagen hat, infolge der Anfechtung der Ausschlagung nach Matzgabe der 88 2113 ff. unwirksam (P. II, 685 ff., 692). y Hinsichtlich des Umfangs des Herausgabeanspruchs s. 8 820 Abs. 1 Satz2 und Abs. 2. n) Der Beweis, daß der rechtliche Grund später weggefallen ist, obliegt dem Kläger. ») Hinsichtlich der entsprechenden Anwendbarkeit des 8 815 s. Bem. 1, b hiezu, d') Die Herausgabepflicht ist endlich auch dann begründet, wenn der mit einer Leistung nach dem Inhalte der Rechtsgeschäfts von beiden Teilen bezweckte (rechtliche oder tatsächliche) Erfolg nicht eintritt (E. l, 742: „wer unter der *; Vgl. E. Kimpen, Die Beweislast bei der Rückforderungsklage wegen Nichtein­ tritts des mit der Leistung bezweckten Erfolges, Leipziger Jnaug.-Diss., Borna-Leipzig 1903; Fr. Bors, Die Voraussetzungen der condictio causa data causa non secuta des gern. R. und derjenigen der ihr entsprechenden Klage des bürgerlichen Rechts, Erl. Jnaug.-Diss., Berl. 1904; P. Oertmann, Die Geschästsgrundlage, Leipzig und Erlangen 1921; E. Locher, Geschäftsgrundlage und Geschäftszweck, ArchZivPrax. Neue Folge Bd. 1 S. 1 ff., insbeson­ dere S. 33 ff.

1688 SIS (I 4)

yil. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse.

ausdrücklich oder stillschweigend erklärten Voraussetzung des Eintrittes oder Nichteintrittes eines künftigen Ereignisses oder eines rechtlichen Erfolges eine Leistung bewirkt hat, kann, wenn die Voraussetzung sich nicht erfüllt, von dem Empfänger das Geleistete zurückfordern"; M. II, 842 ff., ZG. II, 427 ff., VI, 523ff., P. II, 692ff.; über die gemeinrechtliche condictio causa data causa non secuta [condictio ob rem datorum, condictio ob causam datorum] s. Dernburg, Pand. Bd. 2 § 397, Windscheid-Lipp, Pand. Bd. 2 S. 903 ff.; vgl. PrALR. Tl. I Tit. 16 §§ 109 ff., DLR. Tl. IV cap. 13 § 7; über andere Rechte s. M. II, 842 Note 2). Vgl. hiezu insbesondere Mayr S. 526 ff. Über die „condictio ob finem“, die Stampe als besondere Gruppe der Londiktionen betrachtet wissen will, s. Vorbem. 2 letzter Absatz. Bem. 6. 178 ff., Locher a. a. O. 6. 88 ff., RERK. Bein. 10; s. auch Bem. 1, a $u § 815). Bgl. aber auch Bem. 2 $u § 821. d) Welche Bedeutung einer Leistung unter Dorbehalt (s.Bd.I 6.454) zukommt, kann nicht allgemein, sondern nur nach den Umständen des ein­ zelnen Falles beurteilt werden (vgl. Bem. 4 zu 8 362 und die dort er­ wähnten Schriftsteller, ferner Bem. 1, a. - zu § 814, Planck Bem. 3 zu § 362. Oertmann Bem. 6 zu 8 362, RGRK. Bem. 9, KMenbeck Rote 2 zu 8 814, Neumann Note 4 zu 8 814, Dernburg 8 376, II, Mayr 6.522 ff., Crome 8 318, III, RG., 18. Nov. 1907, LZ. 1908 6p. 313, RG., 8. Juli 1914, WarnE. 1914 Nr. 240, OLG. Dresden, 19. Jan. 1911, SeuffA. Bd. 66 Nr. 207). E) Di« Rückforderung wegen Nichteintritts des mit einer Leistung bezweckten Erfolges rst ausgeschlossen, wenn der Eintritt des Erfolges von Anfang an unmöglich war und der Leistende dies geraubt hat, oder wenn der Leistende den Einttitt des Erfolges wider Treu und Glauben vtrhindett hat (8 815 und Bem. hiezu). 6onst aber ist es unerheblich, ob der bezweckte Erfolg durch die Handlung eines Vertragsteiles oder eines Dritten oder durch ein von dem Willen einer Person unabhängiges Ereignis eingetreten ist (Enneccerus § 444, I, 3, Goldmann-Lilienthal § 222, 2, RGRK. Bem. 9, Planck a. a. O. Über die llnanwendbarkeit des § 814 auf die condictio causa data causa non secuta s. Sem. 1, a, 4 zu 8 814. t) Hinsichtlich des Umfangs des Herausgabeanspruchs f. § 820 Abs. 1 «Satz 1 und Abs. 2. n) Für die Frage, ob der mit einer Leistung nach dem Inhalte des Rechts­ geschäfts bezweckte Erfolg eintritt oder nicht, ist der Z eitpunkt der münd­ lichen Verhandlung maßgebend, auf welche das Urteil ergeht (RG., 18. Jan. 1923, LZ. 1923 6p. 388). fr) Nichtbenutzung eines enteigneten Grundstücks gibt dem Ent­ eigneten keinen Rückforderungsanspruch aus 8 812 Abs. 1 Satz 2, da die Enteignung als öffentlichrechtlicher Att den Vorschriften des Privattechts nicht untersteht (RG., 29. April 1927, RGZ. Bd. 117 6. 46). ») Der Beweis, daß ein bestimmter Erfolg nach dem Inhalte des Rechts­ geschäfts den Zweck der Leistung bildete, obliegt dem Kläger. Hinsichtlich der Frage, wem der Beweis obliege, daß der Erfolg nicht eingetreten sei, wurde von der II. Komm, eine Bestimmung um deswillen nicht getroffen, weil diese Frage durch einen allgemeinen, überall passenden Rechtssatz nicht beantwortet werden könne, sondern von dem Inhalte der oorläilligen causa, d. h. davon abhänge, in welchem 6inne die Leistung vor der Entscheidung über die Erreichung des Zweckes gemacht worden sei und was die Patteien für die Zeit des «Schwebezustandes beabsichtigt haben (P. II, 693, M. II, 843, ZG. II, 429, VI, 525; vgl. Dernburg, Pand. Bd. 2 8 397 a. E., Windscheid-Kipp, Pand. Bd. 2 6. 909, RGZ. Bd. 14 6. 225 ff.); f. über diese bestrittene Frage Planck Bem. II, Oertmann Vordem. 5, Enneccerus 8 444,11, Gierke 8 218 Anm. 77, RGRK. Bem. 11, Goldmann-Lilienthal 6. 870 Änm. 3, Kuhlenbeck Note 9, Fischer-Henle Note 14, Endemann I 8 198 bei Anm. 36, Mayr und c, st zu 8 812. g) Über die Anwendbarkeit des § 813 auf den Fall, datz eine Schuld an dieKon kursmasse gezahlt worden ist, der die Einrede der Arglist des Ge­ meinschuldners entgegenstand, s. 9t®., 8. Nov. 1909, RGZ. Bd. 72 S. 195 ff. h) über die Rückforderung einer entgegen der Borschrift des § 93 Abs.4 RAGebO. gezahlten Vergütung s. ft®.. 3. April 1913, OLG. Bd. 27 S. 238 ff. (s. jetzt § 93 Abs. 2 RAGebO. in der Fass, vom 5. Juli 1927, RGBl. I S. 162). 2. Ist eine betagte Verbindlichkeit (s. § 163 und Bem. hiezu) in Unkenntnis des Anfangstermins vor ihrer Fälligkeit erfüllt worden, so kann das Geleistete nach § 813 Abf. 2 nicht um deswillen zurückgefordert werden, weil die Verbindlichkeit zur Leistung noch nicht bestanden habe (M, II, 835; vgl. Dernburg, Pand. Bd. 2 §396 Anm. 11, Windscheid-Kipp, Pand. Bd. 2 S. 895 Anm. 8, Rümelin ArchZivPrar. Bd. 98 S. 244, BayObLGZa. Bd. 12 S. 443 ff., PrALR. Tl. I Tit. 16 §§ 168ff.; über andere Rechte s. M. II, 835 Note 2). a) Betagte Verbindlichkeit im Sinne des § 813 Abs. 2 ist diejenige Ver­ bindlichkeit, die sofort enHteht, deren Geltendmachung aber bis zu einem be­ stimmten Anfangstermin hinausgeschoben ist. Den Gegensatz hiezu bilden dielenigen Fälle, in denen durch den Anfangstermin die Wirkung des Rechts­ geschäfts selbst, nicht bloß die Geltendmachung des daraus abzuleitenden An­ spruchs, hmausgeschoben ist (s. Bem. 3 zu § 163 in Bd. I). Ob die Beifügung des Anfangstermins den einen oder anderen Sinn haben soll, darüber ent­ scheidet der Wille der Bertragsteile. Auf dem Gebiet der Schuldverhältnisse ist die betagte Verbindlichkeit tm angegebenen Sinne die Regel. Auf Verbindlrchkeiten aus wegen eines Anfangstermins noch nicht wirksamen Rechts­ geschäften kann die Vorschrift des § 813 Abs. 2 nicht erstreckt werden (ebenso RGRK. Bem. 2; anscheinend auch Bem. 3 Abs. 1 au § 163 in Bd. I dieses Komm.; and. Ans. Planck Bem. 2, b, i, Mayr S. 452). d) Die Vorschrift setzt eine freiwillige vorzeitige Leistung voraus (Planck Bem. 2, b, e; OLG. Hamburg HansGZ. 1904 Beil. Nr. 98 S. 165). c) Die Rückforderung ist nur ausgeschlossen» wenn der Leistende voll ge­ schäftsfähig war. Nach § 362 Abs. 1 erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Dabei soll es nach 8 813 Abs. 2 an sich sein Bewenden haben. War aber der Leistende in der Geschäftsfähigkeit beschränkt oder geschäftsunfähig, also nicht verfügungs­ fähig, so kann bis zur Fälligkeit die ganze Leistung zurückgefordert werden (Bem. 2, a und b zu § 362 in Bd. II, 1, Oertmann Bem. 1, b, Dernburg § 114, VIII, Goldmann-Lilienthal § 363, 2 Anm. 9, Planck Bem. 2, b, \ RGRK. Bem. 5). d) Auch das zur Erfüllung einer betagten Verbindlichkett (s. unter a) abgegebene Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis kann nicht kondiziert werden (Planck Bem. 2, b, ie Anwendung des § 815 keinen Unterschied. Die Rückforderung ist nicht schon dann ausgeschlossen, wenn der Leistende nur im Zweifel darüber war, ob der beabsichtigte Erfolg erreicht werden könne, wenn auch die Unmöglichkeit von Anfang an vorhanden war; denn der bloße Zweifel schließt die ernstliche Verfolgung des Zweckes nicht aus (ebenso Planck Bem. 2, a). Doch ist in diesem Falle wie auch dann, wenn der Leistende mit dem späteren Eintritt der Unmöglichkeit des Erfolges gerechnet hat, zu untersuchen, ob der Leistende nicht auf die Rückerstattung eventuell verzichten wollte (RGZ. Bd. 56 S. 354, Bd. 71 S. 317). Besteht der mit der Leistung bezweckte Erfolg in einer dem Empfänger auferlegten Leistung und wird diese ohne sein Verschulden unmöglich, so bleibt es bei dem Grundsätze des § 812 (M. II, 844; vgl. Windscheid-Kipp, Pand. Bd. 1 S. 517 ff., Bd. 3 S. 908, PrALR. II. I Tit. 16 § 202, BLR. II. IV cap. 13 § 7 Ziff. 3, sächs. GB. § 1536 Satz 3). Über den Umfang des Herausgabeanspruchs für den Fall, daß mit der Leistung ein Erfolg bezweckt war, dessen Eintritt nach dem Inhalte des Rechts­ geschäfts als ungewiß angesehen wurde, s. § 820 Abs.. 1 Satz 1, Abs. 2.

b) Die Rückforderung ist ferner ausgeschlossen, wenn der Leistende den Eintritt des mit der Leistung nach dem Inhalte des Rechtsgeschäfts bezweckte« Erfolges wider Iren und Glauben (s. §§ 157, 242 und Bem. hiezu) verhindert hat

(M. II, 844; vgl. sächs. GB. § 1537). Die Aufnahme dieser dem Grundsätze des § 162 entsprechenden Bestimmung erfolgte zu dem Zwecke» um eine Jnkongruenz zwischen den sich vielfach berührenden Bedingungen und Zweck­ bestimmungen zu vermeiden (P. II, 702; vgl. RGZ. Bd. 58 S. 409; s. auch Bem. 7 zu 8 162). Voraussetzung ist, wie nach § 162 (s. Bem. 2 hiezu), daß sich der Leistende nach dem Willen der Beteiligten jeder Einflußnahme oder doch einer bestimmten Einflußnahme auf den Eintritt des bezweckten Erfolges enthalten soll. Ob das der Fall ist, ist Äuslegungsfrage. Der Leistende verstößt gegen Iren und Glauben, wenn er trotz seines Wissens um diesen Geschäftsinhalt in Verfolgung seines einseitigen Interesses den Eintritt des Erfolgs vereitelt. Es ist nicht erforderlich, daß sein den Eintritt des Erfolgs vereitelndes Verhalten von der Absicht getragen ist, den Erfolg zu verhindern; es genügt, daß er ohne zwingenden Grund eine Handlung oornimmt, die objektiv geeignet ist, den Erfolg zu verhindern, und daß er sich dieser Wirkung seiner Handlung bewußt ist (Planck Bem. 2, b Abs. 3, RGRK. Bem. 3; s. auch RG., 22. Mai 1922 in GruchotsBeitr. Bd. 67 S.176 --- BayZ. 1923 S. 18). Die Weigerung, einen wegen Formmangel nichtigen Vertrag in binden­ der rechtsgültiger Form abzuschließen, kann als ein den Eintritt des Erfolgs wider Iren und Glauben verhinderndes Verhalten nicht aufgefaßt werden (RG., 9. Roo. 1909, IW. 1910 S. 17; s. auch RG., 7. Jan. 1910, RGZ. Bd. 72 S. 342, wo auf die Möglichkeit der Anwendung des § 826 hingewiesen ist; OLG. Karlsruhe, BadRpr. 1912 S. 240, Reichel ArchZivPrar. Bd. 104 S. 6); vgl. auch Bem. 1, d, 7 zu 8 814. Die Verhinderung eines Erfolgs verstößt auch dann nicht gegen Ireu und Glauben, wenn der bezweckte Erfolg eine unsittliche lat gewesen wäre (Abstehen von einem Bordellkauf; RG., 5. Dez. 1911, RGZ. Bd. 78 S.48).

24. Titel. Ungerechtfertigte Bereicherung.

815 (2,8); 816 1701

Das in § 1301 gewährte Recht zur Rückforderung von GefchenkenunterVerlobten wegen unterbleibender Ehefchliehung fällt nach § 815 weg, wenn der Schenker muhte, dah die Ehefchliehung unmöglich fei, oder wenn er die Eheschließung wider Treu und Glauben verhindert hat, also insbesondere, wenn er ohne wichtigen Grund vom Verlöbnis zurückgetreten ist oder den anderen Teil schuldhaft zum Rücktritt oeranlaht hat (s. das Nähere in Bem. 1 zu 8 1301). 2. Bewtiskaft: Während die Tatsache der Leistung, der mit ihr bezweckte Erfolg und der Nichteintritt dieses Erfolges von dem Rückfordernden zu beweisen ist (Bem. 1,4, d, i zu § 812; s. hiezu auch RGRK. Sem; 4 zu 8 815), obliegt der Beweis der dem 8 815 entnommenen Einwendungen gegen den Rückforderungsanspruch dem Empfänger der Leistung (ebenso Planck Bem. 2, a Abs. 3, 2, b Abs. 8, Oertmann Bem. 3. RGRK. Bem. 4, Enneccerus 8 444 Note 7, (fronte 8 319, II, v. Mayr S. 702; and. Ans. Cüppers DIZ. 1905 S. 214, F. Leonhard, Die Beweislast S. 407). Auch bei der Kondiktion eines Schuldversprechens hat der Empfänger des­ selben die Kenntnis des Zurückfordernden von der Unmöglichkeit des mit dem Schuld­ versprechen erstrebten Erfolgs zu beweisen (RG., 29. März 1927, RGZ. Bd. 116 S. 340). 3. Der in 8 815 zum Ausdruck gebrachte Grundsatz ist auch auf die con­ dictio ob causam finitam (Bem. 1,4, c zu 8812) anwendbar; die Rückforderung ist auch ausgeschlossen, wenn der Wegfall des Rechtsgrundes von Anfang an not­ wendig war und der Leistende das gewuht hat oder wenn er den Wegfall wider Treu und Glauben herbeigeführt hat (ebenso Planck Bem. 3, RGRK. Bem. 1, GoldmannLilienthal 8 226 Anm. 6; and. Ans. RG. in EruchotsBeitr. Bd. 51 S. 977 und die früheren Ausl, dieses Komm.).

§ 816.*) Trifft ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine Verfügung, die dem

Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist er dem Berechtigten zur Herausgabe

des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet.

Erfolgt die Verfügung unent­

geltlich, so trifft die gleiche Verpflichtung denjenigen, welcher auf Grund der

Verfügung unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt. Wird an einen Nichtberechtigten eine Leistung bewirkt, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, so ist der Nichtberechtigte dem Berechtigten zur Heraus­

gabe des Geleisteten verpflichtet. e. 1 88», 880; n, 818, 860, 8282; IH, 800.

*) Bgl. Freund, Der Eingriff in fremde Rechte, 1902; Schulz, System der Rechte auf den TingrifsSerwerb, ArchZivPrax. Bd. 105 S. 473ff.; Wendt, Erwerb von einem Nichtberechtigten, ArchZivPrax. Bd. 89 S. 22ff.; Locher, Geschäftsgrundlage und Ge­ schäftszweck, ArchZivPrax. Bd. 121 S. 100ff.; Reumann, Zwangsvollstreckung in be­ wegliche, dem Schuldner nicht gehörige Sachen, DIZ. 1901 S. 16ff.; Oertmann, Die Frage der Bereicherungshaftung des Bollstreckungsgläubigers bei Pfändung fremder Sachen, ArchZivPrax. Bd. 96 S. Iff.; derselbe, Ersitzung und Bereicherungshaftung, „Recht" 1910 S. 585ff.; derselbe, Verfügungen ohne RechtSgrund über fremde Sachen, „Recht" 1915 S. 510ff.; F. Grosfeld, Die Ansprüche des Dritteigentümers aus unrechtmäßiger Mobiliarvollstreckung vor und seit dem BGB., Rostocker Jnaug.-Diss., Münster 1901; R. Rieß, Der Anspruch des Berechtigten aus Rechtshandlungen eines Unberechtigten (8 816 BGB), Breslau 1902; O. O. Houtermans, Die Voraussetzungen und der Inhalt der Restitutionspflicht eines Nichtberechtigten, der eine dem Berechtigten gegenüber wirksame Leistung angenommen hat, nach der Lehre des BGB-, 8 816 Ms. 2 BGB., Leipz. Jnaug.Diss., Borna-Leipzig 1902; Stein, Der Rückerwerb des Nichtberechtigten, Diss. Greifswald 1920; M. Wolff, Die Zwangsvollstreckung in eine dem Schuldner nicht gehörige beweg­ liche Sache, Berlin 1905; Schöninger, Der Bereicherungsanspruch gegen dm Bollstrekkungsgläubiger bei Pfändung fremder Sachen, SeuffBl. Bd. 70 S. 685ff.; Kluckhohn, über die Verpflichtung zur Herausgabe des bei dem Verkaufe einer fremden Sache erzielten Gewinnes, ArchBürgR. Bd. 41 S. 271 ff.; Zernick, Wer ist durch die Mitversteigerung einer dem Schuldner nicht gehörigen Sache im Falle der mehreren Pfändungsgläubiger ungerechtfertigt bereichert? DIZ. 1913 S. 635ff.; s. auch Mayr S. 257ff., 272ff. sowie die in Note * zur Vordem, erwähnte Abhandlung von K. Freund S. 12ff.

1702 816 (1,2)

VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse.

Inhaltsübersicht. Arrestvollziehung 2, a, b; Aufwertung, Bereicherungsanspruch statt A. 2, a, fr; Berechtigter 2, a, y; Beweislast 5; Ersitzung 2, a, y Abs. 4; Gegenstand 2, a, a; Genehmigung der Verfügung 2, a, y Abs. 3; Geschäftssührung ohne Auftrag 4; Gläubiger des Bereicherungsanspruchs2, a, t; Gutgläubiger Erwerb 2, a, y Abs. 2; Hypothekgläubiger, Bereicherungsanspruch 2, a, fr; Klagänderung 4; Leistung an Nichtberechtigten 2, b;

Nachträgliche Genehmigung 2, a, y Abs. 3; Öffentlicher Glaube des Grundbuchs, Erb­ scheins 2, a, Y Ms. 2; Pfändung 2, a, b; Rangverlust 2, a, y Abs. 6; Schuldner des Bereicherungsanspruchs 2,a,n; Umfang des Herausgabeanspruchs 3; Unentgeltliche Verfügung 2, a, u Abs. 2; Unerlaubte Handlung 4; Verfügung 2, a, ß; Vermietung sremder Sachen 2, a, ß; Versteigerung 2, a, d; Vorzugsrecht des Vermieters 2, a, e; Wirksamkeit gegenüber b. Berechtigten 2, a, y: Zwangsverfügungen 2, a, d.

1. Entstehungsgeschichte. E. I enthielt in den §§ 839 und 880 Bestimmungen zum Schutze desjenigen, welcher nach den Vorschriften über den öffentlichen Glauben des Grundbuchs oder nach dem Grundsätze „Hand wahre Hand" einen Rechtrverlust erleidet. Eine weitere derartige Bestimmung enthielt E. II § 2232 zugunsten des Erben, der auf Grund der Vorschriften über den öffentlichen Glauben des Erbscheins durch eine unentgeltliche Verfügung zu Schaden kommt (M. III, 224ff., 350, ZG. III, 101, 168ff., P. III, 87 ff., 215 ff., V, 677, 685 ff.; vgl. M. II, 853, V. 572). Zum Ersätze dieser Bestimmungen und zur Ergänzung der Vorschriften über die ungerecht­ fertigte Bereicherung wurde von der II. Komm, die Aufnahme des nunmehrigen § 816 beschlossen, weil es richtiger sei, anstatt mehrerer gleichartiger, unter die verschiedensten Materien zerstreuter Bestimmungen eine allgemerne Vorschrift da einzustellen. wo die ungerechtfertigte Bereicherung im Zusammenhang« behandelt werde (P. VI, 199 ff.). Durch § 816 sollen insbesondere Fälle getroffen werden, in welchen die im § 812 vorausgesetzte Unmittelbarkeit der Dermögensverschiebung (s. Vordem. 4 und Bem. 1,2 zu § 812) nicht oorliegt (vgl. RG., 22. Noo. 1910 und 23. Sept. 1911, IW. 1911 S. 152, 942, 22. Dez. 1927, RGZ. Sb. 119 S. 337). 2. 8 816 ist von außerordentlich grober praktischer Bedeutung; er dient zum gerechten Ausgleich in den zahlreichen Fällen, in denen mit Rücksicht auf die Sicherheit des Rechtsverkehrs und zugunsten des gut­ gläubigen Erwerbers Verfügungen eines Nichtberechtigten (wozu auch die Annahme als Erfüllung gehört, Abs. 2) vom Gesetz als gültig an­ gesehen werden. Die Vorschrift enthält zwei Rechtssätze, den einen zum Schutze dessen, der durch eine ihm gegenüber rechtswirksame Verfügung eines Nichtberechtigten einen Gegenstand einbüßt (Abs.l, folgende Bem. a) — ihm steht der Bereicherungsanspruch grundsätzlich gegen den Verfügenden (Satz 1), im Falle unentgeltlicher Ver­ fügung gegen den Empfänger (Satz 2) zu —, den anderen zum Schutze des wirklich Berechtigten, der durch Leistung seines Schuldners an einen Nichtberechtigten den Anspruch auf die Leistung verliert (Abs.2, folgende Bem. b) — ihm steht der Bereicherungs­ anspruch gegen den nichtberechtigten Empfänger der Leistung zu. a) Ein Bereicherungsanspruch erwächst nach Abs. 1 dem Geschädigten aus der Verfügung eines Nichtberechtigten über einen Gegenstand, sofern die Ver­ fügung dem Berechtigten gegenüber wirksam ist. ») Über den Begriff „Gegenstand" s. 'Dorbem. II, 2 vor § 90 in Bd. I; er umfaßt Sachen, Energien (z. B. Wasserkräfte), Jmmaterial-Güter und Rechte. ß) Zum Begriff „Verfügung" s. Vordem. VIII, A vor § 104 in Bd. I. Auch im Sinne des § 816 Abs. 1 versteht man unter Verfügungen solche Rechtsgeschäfte (nicht bloße tatsächliche Vorgänge), deren Rechtswirkung auf einen Gegenstand (s. unter «) unmittelbar gerichtet ist und die Rechts läge dieses Gegenstandes unmittelbar ändert. Aus dem Begriff der Verfügung scheiden also Rechtsgeschäfte aus. die nur eine schuldrechtliche Ver­ pflichtung zur Vornahme einer Rechtsänderung begründen. Über die haupt­ sächlich in Betracht kommenden Fälle siehe unter y. Keine Verfügung ist,

24. Titel. Ungerechtfertigte Bereicherung.

816 (2) 1703

weil sie nur schuldrechtliche Rechte und Verbindlichkeiten begründet, die Ver­ mietung einer fremden Sache: ein Anspruch auf Herausgabe des Mietzinses kann deshalb auf § 816 Aos. 1 nicht gestützt werden (f. RE., 1. Dez. 1922, 22. Dez. 1922, RGZ. Bd. 105 S. 409, Bd. 106 S. Ulf.; s. auch oben Bem. 3, d $u -§ 812). Über Zwangsverfügungen s. folgende Bem. d. t) Die Verfügung des Nichtberechtigten mutz dem Berechtigten gegen­ über wirksam sein. § 816 Abs. 1 Satz 1 umfatzt insbesondere die Fälle der rechtswirk­ samen Übertragung von Eigentum an Grundstücken (und ihnen gleichstehen­ den Rechten), der Bestellung und Übertragung anderer dinglicher Rechte durch einen Nichtberechtigten, aber buchmätzrg Legitimierten nach den Vor­ schriften über den öffentlichen Glauben des Grundbuchs (s. 88 892—894, 1138, 1155ff., 1192, 1200), der Übertragung von beweglichen Sachen und Rechten daran an einen gut­ gläubigen Erwerber (s. 88 932ff., 1032, 1207, 1208, 1262, 1272), der rechtswirksamen Verfügung über Nachlatzgegenstände nach den Vorschriften über den öffentlichen Glauben des Erbscheins und anderer vom Nachlatzgericht ausgestellter Zeugnisse durch den durch diese Urkunden Legitimierten (88 2353 ff., 2366, 2368, 2370, 1507). S. auch 88 135 Abs. 2, 136, 161 Abs. 3, 163, 405, 956, 957, 1242, 1244, 1257, 2113 Abs. 3, 2114 Satz 3, 2129 Abs. 2 Satz 1, 2211 Abs. 2, auch HGB. 88 366ff., WO. Art. 36, KO. 8 7, ZPO. 88 325 Abs. 2, 898. S. RG., 11. Juli 1903, 28. Juni 1910 und 23. März 1912, IW. 1903 Beil. S. 115, 1910 S. 810, 1912 S. 584 ff., OLG. Bamberg, 29. Okt. 1904, SeuffA. Bd. 60 Nr. 88, OLG. Rostock, 17. Nov. 1911, OLG. Bd. 26 S. 275 ff. 8 816 Abs. 1 Satz 1 ist auch dann anwendbar, wenn die Verfügung des Nichtberechtigten dem Berechtigten gegenüber zunächst unwirksam war, aber nachträglich durch Genehmigung wirksam geworden ist. Das ist z. B. der Fall, wenn eine gestohlene Sache verkauft ist, der Erwerber also nach 8 935 Eigentum nicht erwerben kann, und der Eigentümer auf Herausgabe des Erlöses aus dem Verkauf klagt. Nach 8 185 Abs. 2 wird die Verfügung des Nichtberechtigten über einen Gegenstand wirksam, wenn der Berechtigte sie (auch formlos, durch konkludente Handlungen) genehmigt. Die Genehmigung hat nach 8 184 rückwirkende Kraft, es ist so anzusehen, als ob die Verfügung schonzur Zeit der Vornahme wirksam gewesen wäre. Damit ist also durch Genehmigung die Voraussetzung des 8 816 Abs. 1, datz es sich um eine dem Berechtigten gegenüber wirksame Versüßung zugunsten eines Dritten handeln mutz, hergestellt. Trotz der nachträglichen Genehmi­ gung bleibt die Verfügung eine solche eines Nichtberechtigten; denn an der Tatsache, datz der Verfügende im Zeitpunkt der Vornahme zu der Ver­ fügung nicht berechtigt war, wird durch die Genehmigung nichts geändert, es wird nur infolge der Genehmigung rechtlich so angesehen, als ob die Verfügung von Anfang an wirksam gewesen wäre (RG., 12. März 1923 und 28. Okt. 1926, RGZ. Bd. 106 S. 44 ff., Bd. 115 S. 34 f.; ebenso Planck Bem. 3, RGRK. Bem. 1, b; and. Ans. OLG. Hamburg, 11. Nov. 1924, LZ. 1925 Sp. 609). Darüber, datz 8 816 Abs. 1 auch anwendbar ist, wenn die anfänglich unwirksame Verfügung des Nichtberechtigten durch nachfolgende Er­ sitzung wirksam wird, s. Oertmann Bem. 1, a und im „Recht" 1915 S. 515; zustimmend Planck Bem. 3. Aus der allgemeinen Fassung des 8 816 Abs. 1 Satz 1 ergibt sich, datz die Vorschrift in allen Fällen anwendbar ist, in denen jemand über einen fremden Gegenstand eine dem Berechtigten gegenüber wirksame Verfügung getroffen hat, also auch dann, wenn der Empfänger den Gegenstand nicht unmittelbar aus dem Machtbereiche des Berechtigten, sondern durch Hand­ lungen Dritter erhalten hat (OLG. Hamburg, 6. März 1922, OLG. Bd. 43 S. 90 f.). Mindestens entsprechend ist 8 816 Abs. 1 anwendbar, wenn ein Gläu­ biger die Wiedereintragung seines Rechts oder den alten Rang infolge der Vorschriften über den öffentlichen Glauben das Grundbuch nicht mehr er­ langen kann (8 20 des AufwG. vom 16. Juli 1925, RGBl. I S. 117ff.; s. Mügel, Das gesamte Aufwertungsrecht, 5. Aufl. Bem. IV zu 8 20 AufwG.

1704 816 (8)

VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse.

S. 765 f., und ihm folgend RG., 21. Dez. 1927, IW. 1928 S. 480 -■= RGZ. Bd. 119 S. 308ff., zustimmend Planck Bem. 2; and. Ans. Schlegelberger-Harmening, AuswG. 5. Ausl. Bem. 6 zu 8 20, Quassowski 5. Ausl. Bem. II, H ju § 20 S. 308f.). b) Während das BGB. an anderer Stelle Verfügungen im Wege der Zwangsvollstreckung und Ärrestvollziehung den rechtsgeschästlichen Verfügungen ausdrücklich gleichstellt (f. §§ 135, 161, 184, 353, 499, 883, 2115), enthält § 816 Aos. 1 eine derartige Vorschrift nicht. Gleichwohl ist überwiegend anerkannt, dah die Vorschrift des § 816 Aos. 1 Satz 1 auch .Anwendung findet, wenn dem Schuldner nicht gehöriges Geld durch den Gerichtsvollzieher gepfändet und dem Gläubiger behändigt worden ist, oder Gegenstände, die dem Schuldner nicht gehören, gepfändet und versteigert wurden und der Erlös dem Gläubiger behändigt worden ist, ob also in solchen Fällen der Gläubiger dem (Eigentümer jener Gegenstände, der die Widerspruchsklage nach § 771 ZPO. zu stellen unterlassen hat, zur HerausSbe des Erlöses verpflichtet ist. Die Frage ist zu bejahen: Die Vor­ rist des § 819 ZPO. wonach die Empfangnahme des Erlöses versteigerter Sachen als Zahlung seitens des Schuldners gilt, setzt ein Pfändungspfand­ recht im Sinne des § 804 ZPO. voraus; ein dem (Eigentümer gegenüber wirksames Pfändungspfandrecht wird aber bei Pfändung von Sachen, die dem Schuldner nicht gehören, auch für den gutgläubigen Gläubiger nicht begründet, so dah dieser zur Verfügung über die Sache durch Versteige­ rung nicht berechtigt ist; gemäh 88 1244, 1233 Abs. 2 erwirbt jedoch der gutgläubige Einsteigerer Eigentum an der versteigerten Sache, das auch dem früheren Eigentümer gegenüber wirksam ist; der Erlös der Versteigerung erscheint hiebei als „das durch die Verfügung Erlangte"; der Gläubiger seinerseits kann gemäh 8 812 vom Schuldner Herausgabe der vollstreck­ baren Ausfertigung verlangen (so insbesondere Neumann Note II, 1, a, o und Note IV, sowie in DIZ. 1901 S. 16 ff., Landsberg in DIZ. 1898 S. 143, Planck Bem. 2 Abs. 1 und 7, b, Goldmann-Lilienthal S. 871 Änm. 3, Crome U S. 995, Enneccerus 8 445 Note 2, Gierke 8 218, VI, 1, Mayr S. 286 ff., Staub-Könige HGB. Anm. 75 zu 8 366, Brückner im „Recht" 1905 S. 180 ff., Schöninger in SeuffBl. Bd. 70 S. 685 ff., von Thur in der Festschrift für Bekker S. 310, Löwenwarter in IW. 1920 S. 695, OLG. Stuttgart, 22. März 1901, OLG. Bd. 2 S. 353, OLG. Naumburg, 4. März 1902, SeuffA. Bd. 57 Nr. 143, OLG. Dresden. 22. Mai 1903, „Recht" 1904 S. 503, OLG. Frankfurt, 27. Mai 1909, OLG. Bd. 19 S. 155, OLG. Colmar. 20. April 1915, OLG. Bd. 31 S. 99, OLG. Königsberg, IW. 1919 S. 517, 1920 S. 399, RG.. 20. Nov. 1905, GruchotsBettr. Bd. 50 S. 962 ff. --- IW. 1906 S. 15, 28. Juni 1916, RGZ. Bd. 88 S. 356. Abweichend Stein-Jonas ZPO. 8 771 Anm. VII, 4, der den Anspruch aus 8 816 ablehnt, weil der Pfandverkauf keine Verfügung, sondern ein Staatsatt sei. dagegen aus 8 812 gewährt; ferner Wolff in der Festgabe für Hübler S. 14, 63 ff. und RERK. Bem. 3. aus 8 1247 Satz 2 ergebe sich, dah der Erlös traft dinglicher Surrogation dem früheren Sach­ eigentümer zufalle, erst dadurch, dah der Gläubiger das Geld mit dem femigen vermenge [88 947, 948, 951] oder dah er es ausgebe, erlösche das Eigentum des Dritten und trete die Bereicherungshaftung des Gläubigers ins Leben. Freund a. a. O. S. 29ff. und Oertmann Bem. 1, ,d r» zu 8 816 und im ArchZivPrar. Bd. 96 S. 1 ff. verneinen eine Bereicherung über­ haupt. weil der Gläubiger durch den Pfandverkauf nach 8 815 Abs. 3, 8 819 ZPO. seinen Anspruch gegen den Schuldner verliere [ebenso OLG. Celle, 6. März 1895, SeuffA. Bd. 50 Nr. 172]; allein die Befriedigung des Gläubigers war von vornherein eine unvollkommene, da er kein Recht hatte, das aus dem Vermögen des Dritten Erlangte zu behalten; er hat demnach seine Forderung nicht endgültig verloren und diese tritt wieder in Kraft, soweit er das zur Befriedigung Erlangte aufgeben muh; so mtt Recht Ebbecke a.a. O. S. 659. Gegen Oertmann auch Wolf a. a. O. sowie Schöninger SeuffBl. Bd. 70 S. 685ff.; s. auch Fr. Schulz in ArchZivPrar. Bd. 105 S. 409 ff. Über die frühere schwankende Rechtsprechung des Reichsgerichts, s. RGZ. Bd. 13 S. 180 ff., Bd. 40 S. 288 ff., Bd. 42 S. 90, Bd. 43 S. 149 ff.; vgl. auch BayObLG. Bd. 2 S. 196 ff., 199 ff.). Die hier ver­ tretene Ansicht wird insbesondere auch geteilt vom Reichsgericht; vgl. das angeführte Art. in IW. 1906 S. 15 ff.: „In der Tat liegt sowohl der allgemeine Tatbestand des 8 812 BGB. vor, dah der Gläubiger, der nur

24. Titel. Ungerechtfertigte Bereicherung.

816(2) 1705

ein Recht auf Befriedigung aus dem Vermögen seines Schuldners hat, auf Kosten des Eigentümers der Pfandstücke etwas ohne rechtlichen Grund er­ langt, als auch der besondere des § 816 BGB., indem der Gläubiger, der durch den Genchtsvollzieher dem Schuldner nicht gehörige Gegenstände zum Zwecke seiner Befriedigung nehmen und versteigern lätzt, als Nichtberech­ tigter über diese Gegenstände eine Verfügung trifft, die mit Rücksicht auf bte Rechte des gutgläubigen Erwerbers dem Eigentümer gegenüber wirksam ist" (vgl. auch RG., 28. Mai 1909 und 23. Sept. 1911, IW. 1909 S. 424, 1911 S. 941 ff. und OLE. Rostock, 17. Nov. 1911, OLG. Bd. 26 S. 279, RG., 25. Okt. 1919, RGZ. Bd. 97 S. 42 f.). Datz der Eigentümer infolge unrichtiger Rechtsauffassung zunächst der Zwangsvollstreckung nicht entgegen­ trat, begründet, wie das Reichsgericht in dieser Entscheidung zutreffend aus­ führt, nicht die Einrede der Arglist. Der Bereicherungsanspruch geht auf den ganzen Erlös, auch soweit er den Wert der versteigerten Sache übersteigt (RG., 28. Juni 1916, RGZ. Bd. 88 S. 359 f., OLG. Königsberg, 10. Ä>ril 1919 und 11. April 1919, IW. 1919 S. 517, 1920 S. 399; OLG. Rostock. 17. Nov. 1911, SeuffA. Bd. 67 Nr. 80, Enneccerus § 445 Note 2, Planck Bem. 7, b). S. im übrigen über den Umfang des Anspruchs unten Bem. 3. Auch der Gläubiger, der die dem Schuldner nicht gehörige Sache selbst eingesteigert hat, ist zur Herausgabe des ganzen Erlöses ohne Rücksicht auf den Mehr- oder Minderwert der Sache verpflichtet (OLG. Stuttgart, 27. Dez. 1912, „Recht" 1913 Nr. 343). Der Bereicherungsanspruch besteht auch, wenn bei der Zwangsverstei­ gerung eines Grundstücks fremde bewegliche Sachen mitversteigert wurden, gegen den Empfänger des Versteigerungserlöses auf den wertentsprechenden Teil desselben (RG., 28. Juni 1916, RGZ. Bd. 88 S. 351 ff.; s. auch Hellwig-Oertmann, System Bd. II § 341, Zernik DIZ. 1913 S. 635). Über die Zuständigkeit des Gerichts» in dessen Bezirk die Zwangsoollftreckung erfolgt ist (§ 771 ZPO.), für die Geltendmachung des Bereicherungsanspruchs trotz Beendigung der Zwangsvollstreckung s. OLG. Königs­ berg in IW. 1919 S. 517, 1920 S. 399. Gegenüber dem schlechtgläubigen Gläubiger stehen dem früheren Eigentümer der versteigerten Sache autzer dem Anspruch aus § 816 unter Umständen auch die Ansprüche aus § 687 Abs. 2 oder § 823 zu (s. unten Bem. 4). Ist dem Einsteigerer bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt» datz das Pfändungspfandrecht des Gläubigers mcht zu Recht besteht, so wird er nicht Eigentümer (88 1244,932) und der bisherige Eigen­ tümer kann von ihm die Herausgabe der Sache verlangen (8 985); ob er selbst vom Gläubiger Herausgabe des Erlöses und dieser von ihm Schadens­ ersatz verlangen kann, benützt sich nach 88 812 und 823 (s. Neumann a.a.O.). Datz der Einfteigerer schlechtgläubig war, hat der vom Eigentümer auf Her­ ausgabe des Erlöses belangte Gläubiger zu b « w e i s e n (Neumann Note 11,3 und DIZ. 1901 S. 17). e) Auch der Vermieter, der seinen Anspruch aus 8 805 ZPO. im Doll­ streckungsverfahren nicht geltend gemacht hat, kann den Bereicherungsanspruch aus 8 816 Abs. 1 Satz 1 geltend machen; s. Bem. l, 3 zu 8 563 und die dort angeführten Schriften und Entscheidungen, ferner RG., 15. Dez. 1927, RGZ. Bd. 119 S. 265 ff., 269, RGRK. Bem. 3, b, Planck Bem. 7, e. , 5. Nov. 1917, IW. 1918 S. 132). ßß) Abzugsfähig sind auch alle auf die Ziehung von Nutzungen und Früchten erwachsenen kosten; die beschränkende Vorschrift des § 102, wonach der zur Herausgabe von Früchten Verpflichtete nur die einer ordnungsmäßigen Wirtschaft entsprechenden und den Wert der Frucht nicht übersteigenden Kosten ersetzt verlangen kann, findet nicht Anwendung (vgl. E. I, 740 Abs. 3, M. II, 839 ff., ZG. II, 437, VI, 523, P. II, 710 ff., Iacubezko Bem. S. 178, RG., 21. Nov. 1910, „Recht" 1911 Nr. 320, 18. Juni 1919, WarnE. 1919 Nr. 196, Stieve S. 87, Planck Bem. 5, b,«). Die auf Hauptsache und auf Nutzungen gemachten Verwendungen bilden einen einheitlichen Abzugsposten und sind nicht getrennt zu berechnen (abweich. Oertmann Bem. 3, a, zu § 812) fällt unter § 820, wenn sich nicht bloh der Leistende einseitig die Rückforderung vor­ behalten hat, sondern beide Vertragsteile bei der Leistung und ihrer An­ nahme darüber einig waren, dah der Bestand der Schuld nicht endgültig fest­ stehe und die Leistung deshalb nur eine vorläufige sein solle. Es ergibt sich in diesem Falle aus dem Inhalt des Erfüllungsgeschäfts, dah die beiden Teile mit dem Wegfall des Rechtsgrundes der Leistung gerechnet haben. d) Hat der gesetzliche Vertreter aus einem der vormundschaftsgerichtlichen Ge­ nehmigung bedürftigen Rechtsgeschäft den Kaufpreis vor dieser Genehmigung eingezogen, so haftet das vertretene Kind nach Verweigerung der Genehmigung nicht ohne weiteres nach § 820 auf Rückzahlung, sondern nur, soweft der Kauf­ preis tatsächlich in sein Vermögen gelaimt und noch eine Bereicherung vor­ handen ist (RG., 1. Febr. 1913, RGZ. Bd. 81 S. 261 ff.). 3. Der Beweis, dah nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts der Eintritt des Erfolgs als ungewih und der Wegfall des Rechtsgrundes als möglich angesehen wurde, obliegt dem die strengere Haftung des Empfängers in Anspruch nehmenden Kläger (Planck Bem. 6). Während in den Fällen zu 2, a der Nachweis der subjektiven Auffassung der Beteiligten nicht auf Schwierigkeiten stohen, der Beweis sich gewöhnlich dem Inhalt des Rechtsgeschäfts entnehmen lassen wird, sind in den Fällen zu 2, b und c jeweils die besonderen Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen die llngewihheit der beiden Beteiligten über den künftigen Rechrsbestand der Leistung zu entnehmen ist. 4. Art der Haftung: Liegen die Voraussetzungen des Abs. 1 vor (s. Bem. 2), so haftet der Empfänger in Ansehung des empfangenen Gegenstandes so, als ob der Anspmch auf Herausgabe schon zur Zeit des Empfanges rechtshängig ge­ worden wäre (f. Bem. 6 zu 8 818). Für zufälligen Schaden haftet jedoch hier (anders als nach § 819, s. Bem. II daselbst) der Empfänger nicht, da ihn beim Einverständnis des Gegners ein Verschulden an dem Behalten der Leistung nicht trifft (§ 285; ebenso RGRK. Bem. 2, Planck Bem. 5). Besonderheiten gelten nach Abs. 2 für Nebenleistungen. a) Zur Entrichtung von Zinsen ist der Empfänger (abweichend von dem Grund­ sätze des § 291) erst von dem Zeitpunft ab verpflichtet, in welchem er Kenntnis davon erhalten hat, dah der Erfolg nicht eingetreten oder der Rechtsyrund weggefallen ist (vgl. RG., 15. Mai 1911, „Recht" 1911 Nr. 3310; über ine Höhe der zu entrichtenden Zinsen s. § 246). b) Gezogene Nutzungen (§ 100) braucht er nur herauszWeben, insoweit er in dem unter a bezeichneten Zeitpunkte noch bereichert ist. Bis dahin hastet er nach der Regel des § 818. Für Nutzungen, die er bis zu jenem Zeitpunft hätte ziehen können, hastet er nicht (f. auch RG., 15. Mai 1911, BayZ. 1911 S. 424). Der Beweis, dah der Empfänger vom Nichteintritte des Erfolgs oder vom Wegfalle des Rechtsgrundes Kenntnis erhalten habe, obliegt dem Kläger, wogegen der die Herausgabe von Nutzungen ablehnende Empfänger darzutun hat, dah er im entscheidenden Zeitpuntte nicht mehr bereichert war (vgl. Bem. 5, s zu 8 818). Wegen des Einwands, dah die Bereicherung weggefallen sei, s. Bem. 5,«zu 8 818.

1740 821 (1—3)

VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse.

§ 821.*) Wer ohne rechtlichen Grund eine Verbindlichkeit eingeht, kann die Erfüllung auch dann verweigern, wenn der Anspruch auf Befreiung von der Verbindlichkeit

verjährt ist. E. 1, 684 Abs. 1; II, 745; III, 805.

1. Grundgedanke. Als Leistung im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 ist auch die Eingehung einer Verbindlichkeit anzusehen (vgl. § 817 Satz 2). Daher kann, wer ohne rechtlichen Grund eine Verbindlichkeit eingegangen ist, gemäß § 812 Heraus­ gabe verlangen. Der Anspruch auf Herausgabe nimmt in diesem Falle die Gestalt eines Anspruchs auf Befreiung von der eingegangenen Verbindlichkeit an (s. Bem. 1 zu 8 818). Daneben steht dem Herausgabeberechtigten gegenüber dem An­ spruch aus der von ihm ohne rechtlichen Grund eingegangenen Verbindlichkeit eine Einrede zu; er kann die Erfüllung von Ansprüchen verweigern, durch deren Bestehen der Kläger ohne Rechtsgrund auf Kosten des Beklagten bereichert ist. Diese Einrede steht jedem zu, gegen den ein Anspruch auf eine Leistung erhoben wird, durch die der Empfänger ungerechtfertigt bereichert würde. Nach E. I sollte nur für den Fall, daß die Leistung in der Erteilung eines ab­ strakten Schuldversprechens oder Schuldanerkenntnisses bestand, diese Einrede eine selbständige, d. h. unverjährbare sein (M. II, 693, ZG. VI, 498); der nunmehrige § 821 beruht auf Beschluß der II. Komm. (P. I, 121 ff., 236 ff., II, 510 ff., 713 ff., VI, 200; vgl. Jacubezky Bem. S. 39 ff., Strohal in JheringsJ. Bd. 34 S. 366ff.). Nach der jetzigen Fassung steht demjenigen, gegen den jemand ohne rechtlichen Grund eine Forderung erlangt hat, neben dem aus den Kondiktionsgrundsätzen folgenden Anspruch auf Wiederaufhebung der Forderung und neben der aus diesem Ansprüche sich ergebenden unselbständigen Einrede eine von der Verjährung des Anspruchs unabhängige Einrede gegen die Forderung zu (P. II, 175; „Perpetuierung" der Einrede: es handelt sich hiebei um eine „Schuld ohne persönliche Haftung"; vgl. Bd. I Bem. 6, e zu 8 222, Regelsberger in JheringsJ. Bd. 41 S. 334ff., Oertmann Bem. 1 Abs. 2). Die Verjährung des Anspruchs auf Befreiung unterliegt den allgemeinen Vor­ schriften (88 195 ff.; vgl. Vordem. 7). 2. Von praktischer Bedeutung ist die Vorschrift des 8 821 dann, wenn der Anspruch auf Befreiung verjährt, aber die Verjährung des Anspruchs aus dem Schuldversprechen unterbrochen oder gehemmt ist. Sie setzt denjenigen, der die Ver­ bindlichkeit eingegangen hat, auch in die Lage, den Berechtigten an der Ausübung der Befugnis aus 8 223 Abs. 1, sich nach Verjährung des Anspruchs an ein Pfand zu halten, zu verhindern (s. Schreiber GruchotsBeitr. Bd. 53 S. 306ff.). Die Bereicherungseinrede steht aktiv außer demjenigen, der die Verbindlichkeit eingegangen hat, auch dem Schuldübernehmer (8 417), dem Bürgen (8 768 Abs. 1 Satz 1), dem Pfandschuldner (88 1137, 1211) und dem unmittelbaren Besitzer (8 986 Abs. 1 Satz 1) zu; passiv kann sie gegenüber dem Zessionar des Bereicherten geltend gemacht werden (8 404; RGZ. Bd. 86 S. 301, Bd. 108 S. 412, RG. im „Recht" 1916 Nr. 56). Aus 8 818 Abs. 3 ist abzuleiten, daß die Erfüllungsweigerung dann ausgeschlossen ist, wenn der Empfänger des Schuldversprechens nicht mehr bereichert ist (s. Planck Bem. 6, RGRK. Bem. 1). 3. Macht bei einem gegenseitigen Vertrage (88 320ff.) der eine Teil von dem Rechte Gebrauch, die Erfüllung zu verweigern, so kann auch der andere Teil das seinerseits schon Geleistete zurückfordern. Der in der II. Komm, gestellte Antrag, dies ausdrücklich auszusprechen, wurde wegen der Entbehrlichkeit einer der­ artigen Vorschrift abgelehnt. Wenn bei einem gegenseitigen Vertrage der eine Teil berechtigt sei, die ihm obliegende Leistung zu verweigern, und von diesem Rechte Ge­ brauch mache, so werde vermöge des im Wesen des gegenseitigen Vertrags begründeten Abhängigkeitsverhältnisses zwischen der Verpflichtung und Berechtigung eines jeden Vertragsteils auch sein Recht auf die Gegenleistung hinfikllig; soweit er die Gegen-

*) Schreiber, Anfechtung und Wiederherstellungsanspruch (zur Auslegung der 88 853 und 821 BGB.), GruchotsBeitr. Bd. 53 S. 298 ff.; Eccius, Schadensersatz durch erzwungene Vertragsaufhebung, ebenda S. 309ff.; Ortelt, Zwei Fragen zum Bereiche­ rungsrecht, SeuffBl. Bd. 78 S. 540 ff.

24. Titel. Ungerechtfertigte Bereicherung. 821 (4—6); 822 (1,8) 1741 leistung schon ganz oder teilweise empfangen habe, falle mit der Erklärung, datz er von der ihm zustehenden Einrede Gebrauch macke, der Rechtsgrund für den Empfang der Gegenleistung fort, so datz der andere Teil diese mit der condictio ob causam finitam zurückfordern könne (P. I, 236 ff., II, 717, Bem. I, 4, c zu 8 812; vgl. RG., 15. März 1905, RGZ. Bd. 60 S. 295 ff., sowie Bd. 26 S. 187; s. auch Mayr S. 50ff., Planck Bem. 2). Vgl. auch Bem. I, 4, d, y $u § 812. 4. Die Bereicherungseinrede istnichtoonAmtswegenzu berücksichtigen (vgl. Rümelin im ArchZivPrar. Bd. 97 S. 344 ff., Bd. 98 S. 229 ff., Oertmann Bem. 3, RGRK. Bem. 1, Planck Bem. 4). 5. Neben oder an Stelle der Einrede aus § 821 steht dem Schuldner die allge­ meine Einrede der Arglist nicht zu (ebenso RGRK. Bem. 2; and. Ans. Planck Bem. 7). 6. Eine dem § 821 entsprechende Vorschrift für den Fall, datz eine For­ derung durch eine unerlaubte Handlung erlangt ist, enthält § 853 (s. auch 88 478, 490, 639, 651, 2083, 2345, KO. 8 41 Abs. 2).

§ 828. Wendet der Empfänger das Erlangte unentgeltlich einem Dritten zu, so ist, soweit infolgedessen die Verpflichtung des Empfängers zur Herausgabe der Bereicherung ausgeschlossen ist, der Dritte zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn er die Zuwendung von dem Gläubiger ohne rechtlichen Grund erhalten hätte.

«. UI, 806.

1. Der Anspruch auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung ist ein persönlicher Anspruch, besteht also grundsätzlich nur gegenüber dem un­ mittelbar Bereicherten (s. Vordem. 4). Wendet derjenige, der etwas auf Kosten eines anderen ohne rechtlichen Grund erlangt hat, das Erlangte einem Dritten zu, so hat der andere gegen den Dritten regelmätzig keinen Anspruch. Eine Ausnahme hievon macht der von der II. Komm, bei der zweiten Lesung beschlossene 8 .822: Ist die Zuwendung an den Dritten unentgeltlich erfolgt und infolgedessen die Derpflrchtung des ersten Empfängers zur Herausgabe der Be­ reicherung ausgeschlossen, so ist der Dritte zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn er die Zuwendung unmittelbar von dem Gläubiger erhalten hätte (P. VI, 211 ff.; vgl. Iarubezky Bem. S. 178). Mit der Vorschrift des 8 822 ist diejenige des 8 816 Abs. 1 Satz 2 infoferne verwandt, als nach beiden Vorschriften derjenige, der sein Recht verloren hat, gegen­ über dem unentgeltlichen, aber gutgläubigen Erwerber geschützt ist. Die Vorschriften unterscheiden sich aber dadurch, datz nach 8 816 Abs. 1 Satz 2 der Empfänger einer durch eilten Ricktberechtigten bewirkten unentgeltlichen Zuwendung unmittelbar als Kondiktionsschuldner haftet, während im Falle des 8 822, wo zunächst ein anderer durch Erwerb ohne Rechtsgrund bereichert war, die Haftung des unentgeltlichen Emp­ fängers erst eintritt, nachdem di« Haftung jenes anderen durch Wegfall der Be­ reicherung erloschen tst. Der Kondiktionsanspruch erhält durch die Vorschrift des 8 822 in gewissem Um­ fange dinglichen Charakter. Wenn der Anspruch gegen den unentgeltlichen Er­ werber auch nicht in die Gruppe der Anfechtungsklagen einzureihen ist (so Hachenburg S. 157), so zeigt er doch gewisse Beziehungen zu dem Anfechtungsrecht des Gläubigers nach 8 32 KO. und 8 3 Nr. 3 und 4 AnfG. gegen den Erwerber einer unentgeltlichen Zuwendung (f. Oertmann Bem. 1, Co sack, Anfechtungsrecht S. 26 f., Planck Bem. 1, RGRK. Bem. 1). Der innere Grund der Haftung des unentgeltlichen Erwerbers ist, datz sein Erwerb nach Wegfall der Haftung des ersten Empfängers der Leistung m Wahrheit noch auf Kosten dessen, der ohne rechtlichen Grund geleistet hat, erfolgt. 2. Die Voraussetzungen der Herausgabepflicht des Dritten sind folgende: a) Der Dritte mutz das von dem ursprünglichen Empfänger Erlangte von diesem unentgeltlich zugewendet erhalten haben. ») Ms unentgeltliche Zuwendungen kommen Schenkung (s. Bem.I zu 8 516) und Vermächtnis in Betracht. Es ist unerheblich, ob es sich um

1742 822 (2)

VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse.

sofort vollzogene Schenkung oder Erfüllung eines Schenkungsversprechens handelt (Planck Bem. 2, b, ß, RGRK. Bem. 2). Bei der sog. gemischtem Schenkung (negotium mixtum cum donatione) haftet der Dritte, wenn man dieselbe als teilweise entgeltliche, teilweise unentgeltliche' Zuwendung auffatzt, nur insoweit, als für ihn un­ entgeltlicher Erwerb in Frage kommt (Oertmann Bem. 2, b, Lrome § 317 Anm. 47, v. Mayr S. 331, RGRK. Bem. 2, Planck Bem. 2, b, ß). Nach der in diesem Kommentar vertretenen Anschauung ist die gemischte Schenkung als ein einheitlicher Rechtsakt aufzufassen (Bem. I, 3, ä, ß zu 8 516; ebenso Enneccerus § 347); auch wenn man dieser Auffassung folgt, haftet der Dritte nur insoweit, als sich der Erwerb für ihn wirtschaftlich als ein unentgeltlicher darstellt; denn soweit der ursprüngliche Empfänger der Leistung von dem Dritten eine Gegenleistung erhalten hat, bleibt er bereichert und dauert seine Haftung fort (s. auch folgende Bem. b, ß; Enneccerus § 448 Note 2).

Kein unentgeltlicher Erwerb im Sinne des § 822 ist der Erwerb durch Ersitzung, ferner der Erwerb des Nacherben, weil derselbe seinen Erwerb nicht vom Vorerben ableitet (ebenso RGRK. Bem. 2, Planck Bem. 2, b, ß).

ß) Erlangt im Sinne des § 822 ist,

acr) was der erste Empfänger ursprünglich nach § 812 durch die Leistung des anderen erlangt hat, aber auch ßß) was nach § 816 erlangt ist, also was ein Nichtberechtigter durch eine dem Berechtigten gegenüber wirksame Verfügung erlangt hat (Abs. 1 Satz 1), was der vom Nichtberechtigten unentgeltlich Erwerbende erlangt (und seinerseits unentgeltlich weitergegeben) hat (Abs. 1 Satz 2) und was an einen Nichtberechtigten in einer dem Berechtigten gegenüber wirksamen Weise geleistet wurde (Abs. 2; RGRK. Bem. 2), endlich yy)

die Nutzungen und Surrogate nach § 818. Auszunehmen ist aber, was der ursprüngliche Empfänger durch Verfügung über den erlangten Gegenstand erworben hat. So braucht der Dritte eine von dem erlangten Gelde gekaufte und ihm zugewendete Sache, den ihm zugewendeten Erlös aus dem Verkauf der erlangten Sache nicht herauszugeben (ebenso Cosack § 168, II, 2, Oertmann Bem. 3, WarnKomm. Bem. zu § 822, Sturm, Form des Rechts S. 135, OLG. Naumburg im „Recht" 1902 Nr. 1998; and. Ans. über den Wortlaut des § 622 hinaus Planck Bem. 2, b, », RENK. Bem. 2, Crome § 317 Note 45, Dernburg II, 2 S. 743 Note 18, Enneccerus § 448, II Note 4, Gierke § 218 Anm. 100, Goldmann-Lilienthal § 229, V, 1).

Liegt eine Zuwendung seitens des ursprünglichen Empfängers nicht vor (z. B. wenn der Dritte den Gegenstand dem Empfänger gestohlen hat), so kann der Dritte auf Grund des § 822 nicht in Anspruch genommen werden; es ist vielmehr nach § 818 der ursprüngliche Erwerber zur Herausgabe der ihm gegen den Dritten zustehenden Ansprüche verpflichtet (ebenso Planck Bem. 2, b, d, RGRK. Bem. 2, Oertmann Bem. 2, a, Matthiatz S. 405, Dernburg § 381 Anm. 19, Mayr S. 333, Crome § 317 Anm. 48, Enneccerus § 4.48 Anm. 5; and. Ans. Cosack I § 168, II, 2, b).

b) Die Herausgabepflicht des ursprünglichen Empfängers mutz ausgeschlossen sein, und zwar infolge der Zuwendung an den Dritten. Die Haftung des ursprünglichen Empfängers erlischt durch die un­ entgeltliche Zuwendung an den Dritten, soferne nicht «) die Zuwendung erst erfolgt, nachdem der Bereicherungsanspruch gegen ihn schon rechtshängig gemacht ist (§ 818 Abs. 2) oder ß) die Voraussetzungen des § 819 (Bösgläubigkeit, Verstotz des Empfängers gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten durch Annahme der Leistung) oder des § 820 für die verschärfte Haftung vorliegen (vgl. RG., 7. Dez. 1912, „Recht" 1913 Nr. 344, KG., 17. April 1912, OLG. Bd. 26 S. 61).

Es genügt nicht, datz der gegen den ursprünglichen Empfänger rechtlich fortbestehende Anspruch aus tatsächlichen Gründen, z. B. wegen Zahlungs­ unfähigkeit, undurchführbar ist (Oertmann Bem. 1, Enneccerus § 448, II, 3

24. Titel. Ungerechtfertigte Bereicherung.

888 (8—6) 1743

Note 5, Goldmann-Lilienthal § 229, 2, Planck Bem. 4, RGRK. Bem. 2; and. Ans. Kohler, Lehrbuch des bürgerl. Rechts 2 S. 467, Collatz, Ungerecht­ fertigte Vermögensverschiebung S. 38). Die Haftung des ersten Empfängers muß vielmehr gerade dadurch ausgeschlossen sein, dah er eben in­ folge der unentgeltlichen Zuwendung an den Dritten nicht mehr bereichert ist. Deshalb entsteht auch die Haftung des Dritten nur» so wetz der ursprüngliche Empfänger nach der Zuwendung an ihn nicht mehr bereichert ist und deshalb nicht mehr hastet; erlischt seine Haftung infolge der Zuwendung nur teilweise, sei es dah nicht der ganze Gegenstand zugewendet wurde oder dah aus sonstigen Gründen die Bereicherung teilweise fortdauerte ft. oben unter a, a), so entsteht die Haftung des Dritten nur zu dem entsprechenden anderen Teil.

Der Dritte haftet — abgesehen von den unter « und ß aufgeführten Fällen der Fortdauer der Haftung des ursprünglichen Empfängers — auch dann nicht, wenn die Haftung des ursprünglichen Empfängers schon vor der Zuwendung an ihn weggefallen war, so wenn der Empfänger Aufwendungen mit Rücksicht auf den Empfang gemacht hatte und dadurch die Bereicherung weggefallen war oder wenn der Herausgabeanspruch zur Zeit der Zuwendung ogi den Dritten schon verjährt war (Planck Bem. 5, RGRK. Bem. 3). 3. Der Umfang der Herausgabepflicht des Dritten bemiht sich nach den §§ 818 bis 820; der Dritte hastet, wenn die unter 2 angeführten Voraussetzungen gegeben sind, wie wenn er die Zuwendung vom Gläubiger selbst ohne rechtlichen Grund erhalten hätte, nur mit der Mahgabe, datz Ermätzigungen der Haftung, die schon in der Person seines Rechtsoorgängers eingetreten waren (z. B. infolge Aufwendungen) ihm zugute kommen; er haftet keinesfalls höher, als der ursprüngliche Empfänger ge­ haftet hätte; s. auch Bem. 2 a. E. (ebenso Oertmann Bem. 4, v. Mayr S. 644, Planck Bem. 5; and. Ans. hinsichtlich der §§ 819, 820 RGRK. Bem. 4).

4. Der Beweis für alle Voraussetzungen des Eintritts der Haftung des Dritten nach § 822 obliegt dem gegen den Dritten oorgehenden Gläubiger (Oertmann Bem. 5, Crivme § 317 Anm. 52, Planck Bem. 7; teilweise abw. RGRK. Bem. 4, wonach der Ktläger nur die Unentgeltlichkett der Zuwendung zu beweisen habe, während der Dritte seiine etwaige Behauptung, dah die Haftung des ursprünglichen Empfängers fortdauere older schon vor der Zuwendung erloschen sei, zu beweisen habe; diese An­ schauung ist,nicht zu büligen).

Den Wegfall der Bereicherung in seiner Person hat der Beklagte zu be­ weisen (Oerttmann Bem. 5, Planck Bem. 7, RGRK. Bem. 7). 5. Für die Verjährung des dem Gläubiger nach § 822 gegen den Dritten zustehenden Anspruchs sind die allgemeinen Vorschriften (§§ 195 ff.) maßgebend. Die Verjährung (beginnt also erst mit der Zuwendung an den Dritten (§ 198; vgl. P. VI, 212, v. May« S. 629, Oertmann Bem. 5, Planck Bem. 8).

6. Hat der Dritte das Erlangte wiederum einem anderen unentgeltlich zugewendet, so findet § 822 entsprechende Anwendung; der letzte Erwerber haftet daher immer nur, wenn und soweit die Herausgabepflicht seiner sämtlichen Vormänner ausgeschlossem ist (Goldmann-Lilienthal § 229 Anm. 30, v. Mayr S. 331, Planck Bem. 6, RVRK. Bem. 3).

1744 Borbem.

VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse.

Fünfundzwanzigster Titel.

Unerlaubte Handlungen.*) (Erläutert von Dr. Th. Engelmann

herausgegeben von F. Keidel.)

Vorbemerkungen.

Inhaltsübersicht. Aktiengesellschaft IV Abs. 3; Anfechtung III, d; A. auf Grund des AnfG. und der KO. XII, 3; XVI, 1, y; Anwendbarkeit der §§ 823 ff. auf andere Rechtsverhältnisse XI; Aufrechnung X, 2; Aufrechterhaltung von Reichs- und Landes­ gesetzen XVI; Ausländer XIV Abs. 3; Ausschluß der Haftung durch Vereinbarung VII, C; Bayrisches Landrecht II, 1 Abs. 3; Berechtigtes Interesse VII, E, 3; Bereicherung, ungerechtfertigte III, g; Beseitigungsklage VII, E, 7; Besitzrecht, Verletzung des B. III, e Abs. 2; Bestätigung anfechtbarer Rechtsgeschäfte III, d Abs. 5; Bevollmächtigter Vertreter IV Abs. 4; Beweislast III, a; VI, E, 4, d; Buße XVI, 1, a; Deliktsfähigkeit juristischer Personen IV; Dritter, Verletzung des Vertragsverhältnis­ ses durch einen D. III, c; Haftung für un­ erlaubte Handlungen dritter Personen V; Drohung III, d; Entwurf I und II, 2, II, 3 Abs. 3; Errungenschaftsgemeinschaft IX, 3; Ersatz s. Schadensersatz Ersatzberechtigte Personen VI; Fahrnisgemeinschaft IX, 4; Familienrechtliche Pflichten, Verletzung f. Pfl. III, b Abs. 5; Fiskus IV Abs. 1; Forderungsrecht, Verletzung des F. III, c; Früheres Recht II, 1; Gefährdungshaftung II, 3 Abs. 2; Gemeines Recht II, 1 Abs. 1; Gerichtsstand XIII; Gesellschaft IV Abs. 3; Grundsätzliche Regelung II; Gütergemeinschaft, allgemeine IX, 2;

Güterrechtliche Besonderheiten IX; Güterstand, gesetzlicher IX, 1; Haftpflichtgesetz XII, 4; XII, 1, p; Handelsgesellschaft, offene IV Abs. 3; Inhalt des Schadensersatzanspruchs VII; Interesse, berechtigtes VII, E, 3; Internationales Privatrecht XIV; Juristische Personen IV; Klageänderung III, a; VII, E, 7; XII, 3; Landesrecht XVI, 2; Luftschiffahrt II, 3 Abs. 2; Mitwirkendes Verschulden des Verletzten VII, A; Offentlichrechtliche Körperschaften, Stiftun­ gen und Anstalten IV Abs. 1; Operation, ärztliche VII, A Abs. 3; Ort der Begehung XIV Abs. 2; Preßdelikte, Zuständigkeit für P. XIII; Preußisches Landrecht II, 1 Abs. 2; Privatrecht, internationales XIV; Prozeßbevollmächtigter IV Abs. 4; Quasideliktsorganisationen II, 1 Abs. 1; II, 3 Abs. 2; Rechtliche Natur anderer Schadensersatzan­ sprüche XII; Rechtsanwalt IV Abs. 4; Redakteur, Haftung des verantwortlichen R. V Abs. 2; Reichsrechtliche Vorschriften, Aufrechterhal­ tung r. V. XVI, 1; Rente VII Abs. 1; Römisches Recht II Abs. 1; Sächsisches Gesetzbuch II, 1 Abs. 4; Schadensersatz VII, A Abs. 3; Scbeingeschäft III, d Abs. 6; Sprachgebrauch II, 4; Statutenkollision XIV; Stiftungen IV Abs. 1; Täuschung, arglistige III, d; Testamentsvollstrecker IV Abs. 2; Tierhalter III, e; Übergangsvorschrift XV;

*) Schrifttum: M. Rümelin, Die Gründe der Schadenszurechnung und die Stellung des deutschen BGB. zur objektiven Schadensersatzpflicht, Freiburg und Leipzig 1896; E. Jung, Delikt und Schadensverursachung, Heidelberg 1897; v. Liszt, Die Deliktsobligationen im System des BGB., Berlin 1898; Henriei, über die Voraus­ setzungen des Anspruchs auf Ersatz eines durch unerlaubte Handlungen verursachten Schadens nach gem. R. und dem Rechte des BGB., GruchotsBeitr. Bd. 42 S. 625ff.; G. Müller, Der Begriff der unerlaubten Handlung im Sinne des BGB., SeuffBl. Bd. 65 S. 373ff.; Settel, Zum Begriff der unerlaubten Handlungen im BGB., DIZ. 1897 S. 409ff.; R.Weyl, System der Verschuldensbegriffe im BGB-, München 1905 S.257ff.; K. Linckelmann, Die Schadensersatzpflicht aus unerlaubten Handlungen nach dem BGB. f.d. Deutsche

25. Titel. Unerlaubte Handlungen. Übersicht I; Übertragbarkeit des Anspruchs VIII Abs. 2; Umfang des Schadensersatzanspruchs VII; Unerlaubte Handlungen im Sinne des BGB. und anderer Gesetze II, 4; XII Abs. 1; Ungerechtfertigte Bereicherung III, g; Unmittelbare Beschädigung VI; Unterlassungsklage VII, E; U. bei strafbaren Handlungen VII, E, 5; Verein IV Abs. 1; Vererblichkeit des Anspruchs VIII Abs. 1; Verhältnis der Verbindlichkeiten aus unerl. Handl, zu solchen aus anderen Rechts­ gründen III; B. der §§ 823 ff. zur Ge­ währleistungspflicht des Verkäufers III, f; B. des § 823 zu K 539 III, k; zu 8 618 III, f; zu 88 812ff. III, g; zu 88 987ff. III, i;

vordem. (I) 1745

Verjährung VIII Abs. 2; XV Abs. 2; Verletzter, Ersatzberechtigung des B. VI; Verschuldungsgrundsatz II, 3 Abs. 2; Vertragsinteresse, negatives III, d Abs. 2; Bertragspflicht, Verletzung einer V. III, b; Verletzung des Vertragsverhältnisses durch einen Dritten III, c; Vertreter, Haftung für unerl. Handl, des B. IV; Vollmacht IV Abs. 4; Vorsätzlich begangene unerl. H. X; Vorteilsausgleichung VII, B; Widerruf, Recht auf W. VII, F; Wiederholungsgefahr VII, E, 4; Zivilprozeßordnung 88 89, 302, 600, 717, 945 XII, 2; Zurückbehaltungsrecht X, 1; X, 3; Zuständigkeit XIII.

I. Übersicht. Die 88 823—853 befassen sich mit den unerlaubten Handlungen. 8 823 regelt die Ersatzpflicht bei Rechtsverletzungen und dem Verstoße gegen Schutzgesetze, 8 824 die Ersatzpflicht für gewisse Arten von Ehrverletzungen, 8 825 die Ersatzpflicht für Angriffe auf die weibliche Geschlechtsehre, 8 826 die Ersatzpflicht für sog. illoyale Handlungen. In den 88 827—829 wird die Deliktsfähigkeit, in den 88 830, 840 und 841 die Haftung mehrerer an einer unerlaubten Handlung beteiligter Personen im Verhältnisse zum Ge­ schädigten und zueinander, in den 88 831 und 832 die Haftung des Geschäftsherrn und der aufsichtspflichtigen Personen normiert. Die 88 833 und 834 behandeln die Schadensstiftung durch Tiere, 8 835 den Wildschaden, die 88 836—838 den durch Einsturz eines Gebäudes und ähnliche Ereignisse eintretenden Schaden, 8 839 die Haftung der Beamten für Ver­ letzung von Amtspflichten. Inhalt und Umfang des Schadensersatzanspruchs wird in den 88 842—850 näher begrenzt. 8 851 enthält eine Sonderbestimmung zugunsten desjenigen, der Ersatz an eine nicht ersatzberechtigte Person leistet, 8 852 regelt die Verjährung des Ersatzanspruchs, 8 853 endlich gewährt dem infolge einer unerlaubten Handlung Ver­ pflichteten eine selbständige Einrede. Reich 1898; derselbe. Die Bedeutung gesetzlicher Zwangspflichten für das Schadensersatz­ recht, ArchBürgR. Bd. 13 S. 79ff.; C. Mittweg,. Die unerlaubten Handlungen nach BGB., Erl. Jnaug.-Diss., Trier 1899; A. Lühl, Gründe und Arten der Deliktshaftung nach dem neuen BGB. f. d. D. Reich, Erl. Jnaug.-Diss.; W. Müller, Der Begriff der unerlaubten Handlung nach dem BGB. f. d. D. Reich, Hallesche Jnaug.-Diss., Halle 1900; L. Träger, Der Kausalbegriff im Straf- und Zivilrecht, Marburg 1904 S. 193ff.; Riedel, Gesetzeshaftung bei unerlaubten Handlungen, „Recht" 1907 S. 1172ff.; P. Eltzb ach er, Die Handlungsfähigkeit nach deutschem bürgerlichen Recht, 1. Bd. Berlin 1903 S. 274ff.; Otto, Unerlaubte Handlungen, SächsArch. Bd. 9 S. 8ff.; du Chesne, Der Schadensersatz bei Verletzung absoluter Rechte, ebenda Bd. 12 S. 16ff.; I. Mauczka, Der Rechtsgrund des Schadensersatzes außerhalb bestehender Schuldverhältnisse, Leipzig und Wien 1904; Rotering, Schadensersatzverbindlichkeit und Strafe, ArchBürgR. Bd.33 S. 45ff.; A. Lobe, Die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, Bd. I: Der unlautere Wettbewerb als Rechtsverletzung nach dem BGB. und den Nebengesetzen, Leipzig 1907; H. A. Fischer, Die Rechtswidrigkeit mit besonderer Berücksichtigung des Privatrechts (Bd. 21 Heft 2 der von Otto Fischer herausgeg. Abhandl. z. Privatrecht und Zivilpr.), München 1911; de Boor, Das Zusammentreffen der einzelnen Tatbestände unerlaubter Handlungen nach dem BGB., GruchotsBeitr. Bd. 61 S. 758ff.; P. Fromherz, Haft­ pflichtrecht, München-Berlin 1913; M. Saling er, Die fortgesetzte unerlaubte Handlung im bürgerlichen Recht, LZ. 1919 Sp. 126ff., 174ff.; E. Jung, Rechtswidrige Schädigung fremden Vermögens und rechtloser Erwerb aus fremdem Vermögen (Schadensersatz und Be­ reicherung), JheringsJ. Bd. 69 S. 119ff.; Deetz, Der Haftungsgrund bei den unerlaubten Handlungen des BGB., insbesondere bei 8 831, GruchotsBeitr. Bd. 64 S. 161 ff.; Ebbecke, Verpflichtungen aus unerlaubten Handlungen im Unterschiede von rechtsgeschäftlichen und gesetzlichen Verpflichtungen, JheringsJ. Bd. 71 S. 346ff.; Petri, Haftung des nicht rechts­ fähigen Vereins aus Quasidelikten, JheringsJ. Bd. 73 S. 119 ff. Staudinger, BGB. II (Kober, Schuldverhältnisse). 3. Teil. 9. Aufl.

110

1746 vsrdem. (II1,2)

VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse.

IL Grundsätzliche Regelung nach früherem Rechte und nach BGB.-, Sprachgebrauch. 1. Früheres R echt. Die Deliktsklagen desrömischenRechtes verfolgten zum Teil strafrechtliche Zweeke, zum Teil waren sie zugleich auf Entschädigung des Verletzten gerichtet.

Im gemeinen

Rechte wurde der Gesichtspunkt der Entschädigung ausschließlich maßgebend (Dernburg, Pand. Bd. £ § 386). Die wichtigsten Deliktsklagen waren die actio furti (Dernburg, Pand. Bd. 2 § 38^, Windscheid-Kipp, Pand. Bd. 2 S. 963 ff ), die actio vi bonorum raptorum

(Dernburg § 386 Anm. 2, Windscheid-Kipp S. 968 ff.), die actio legis Aquiliae (Dernburg 8 388, Windscheid-Kipp S. 972 ff.), die actio de pauperie (Dernburg § 389, Windscheid-Kipp

S. 985 ff.), die actio de dejectis et effusis (Dernburg § 390, Windscheid-Kipp S. 984), die

actio doli (Dernburg § 391, Windscheid-Kipp S. 959 ff., 1001 ff.) und die actio injuriarum (Dernburg § 392, Windscheid-Kipp S. 1054 ff.). Hinsichtlich eines Teiles dieser Klagen war übrigens die fortdauernde Geltung bestritten, über die sog. Quasideliktsobligationen s.

Dernburg, Pand. Bd. 2 § 262 Anm. 6, Windscheid-Kipp Bd. 2 S. 238 Anm. 1. DaS PLR. bestimmt allgemein, daß, wer einen anderen aus Borsatz oder grobem Versehen beleidigt (d. h. ihm ohne Recht Schaden zufügt, Tl. I Tit. 6 § 8) ihm vollständige

Genugtuung leisten (d. h. ihm den gesamten Schaden und den entgangenen Gewinn ersetzen) muß (88 10, 7). Die gleiche Haftung wird dem auferlegt, der eine dem anderen schuldige Pflicht aus Vorsatz oder grobem Versehen unterläßt und dadurch demselben Schaden ver­

ursacht (8 11). Wer dagegen nur aus mäßigem Versehen einen anderen durch eine Hand­ lung oder Unterlassung beleidigt, haftet nur für den daraus entstandenen wirklichen Schaden

(8 12, s. auch 88 13—15). Der aus einer Handlung entstehende zufällige Schaden muß nur

dann vergütet werden, wenn die Handlung selbst einem Verbot-gesetze zuwiderläuft, oder wenn der Handelnde durch ein solches gesetzwidriges Verhalten in die Umstände, wodurch er zu der Handlung veranlaßt worden, sich selbst versetzt hat (8 16). Auch bei den Vorschriften über einzelne zum Schadensersätze verpflichtende Handlungen (Tl. I Tit. 12 88 82 ff.) ist der Grad des Verschnürens des Täters von maßgebender Bedeutung (vgl.Förster-Eecius,

PPrR. 7. Ausl. Bd. 1 88 89, 90, Bd. 2 88 151, 162). DaS BLR. handelt im 16. Kapitel des 4. Teiles „von Verbrechen und der daraus entspringenden Verbindlichkeit"" und erklärt als Verbrechen „Alles, was man gegen Gesetz und Verbot aus freiem Willen tut oder unterläßt (8 1). Wer ein Verbrechen begeht, ver­ bindet sich gemäß 8 2 stillschweigend gegenüber dem Beschädigten zum Schadensersatz. Be­

sonders erwähnt werden die actio legis Aquiliae (8 6), die actio de pauperie (8 7) und die actio de effuso vel dejecto, posito vel suspenso (8 8). Deliktsartigen Charakter haben auch

die im Anschluß an das römische Recht geregelten Fälle der operis novi nuntiatio, cautio damni infecti und actio aquae pluviae arcendae (88 9—11).

DaS sächs. GB. stellt den Grundsatz auf, daß, wer widerrechtlich das Recht eines anderen verletzt, im Falle des Verschuldens schadensersatzpflichtig ist (88 U6ff., 773 ff ), enthält aber daneben (88 1483 ff.) eingehende Vorschriften über einzelne Delikte (wider­ rechtliche Schadenszufügung, Beraubung der persönlichen Freiheit, Entwendung, verletzende Nachrede, Gewalt und Drohung, Betrug und Arglist, Verletzung besonderer Berufspflichten,

Veräußerungen zur Benachteiligung der Gläubiger). über andere Rechte s. M. II, 725.

2. E. I gab im 1. Titel des Abschnittes über Schuldverhältnisse aus unerlaubten Handlungen zunächst „allgemeine Vorschriften", während der 2. Titel besondere Bestim­ mungen für einzelne unerlaubte Handlungen (Tötung, Körperverletzung, Freiheitsberau­

bung, Verbrechen wider die Sittlichkeit," Beschädigung durch Ausgießen, Auswerfen, Herab­

fallen von Gegenständen, durch Tiere und durch Einsturz, Pflichtverletzung von Beamten) enthielt.

Die grundlegenden Bestimmungen enthielt 8 704, wonach schadensersatzpflichtig

sein sollte.

25. Titel. Unerlaubte Handlungen.

Borde«. (II 8) 1747

a) wer durch eine aus Borsatz oder Fahrlässigkeit begangene widerrechtliche Handlung einem anderen einen Schaden zugefügt hat, dessen Entstehung er vörauSgesehen hat

oder voraussehen mußte;

b) wer auS Borsatz oder Fahrlässigkeit durch eine widerrechtliche Handlung das Recht

eines onderen verletzt hat, auch wenn die Entstehung eines Schadens nicht vorauszufeher war. c) Als widerrechtlich sollte nach § 705 auch die kraft der allgemeinen Freiheit an sich

erlaubte Handlung gelten, wenn sie einem anderen zum Schaden gereicht und ihre Bornahme gegen die guten Sitten verstößt.

Die Schadensersatzpflicht wurde hienach nicht an einzelne bestimmte Tatbestände ge­ knüpft, sondern allgemein als die mögliche Folge einer jeden unerlaubten Handlung hin­

gestellt. „Unerlaubt" sollte eine Handlung sein, wenn sie widerrechtlich ist, d. h. wenn sie

einem absoluter Gebots- oder Berbotsgesetz, insbesondere einem Strafgesetze, zuwiderläuft (§ 704 Abs. 1) oder die Verletzung des einem anderen zustehenden absoluten Rechtes enthält (§ 704 Abs. 2), oder, ohne durch ein subjektives Recht gestattet zu sein, gegen die guten

Sitten verstößt (§ 705; M. II, 725 ff., ZG. II, 394 ff., VI, 510 ff ).

In der II. Komm, wurde gegenüber dem § 704 Abs. 1 des E. I eingewendet, es gehe zu weit, jedem Beschädigten ein Recht auf Entschädigung zu gewähren, ohne Rücksicht darauf,

ob das verletzte Gesetz zum Schutze der geschädigten Interessen bestimmt sei.

Anderseits

verkümmere der Entwurf das Recht des unmittelbar Betroffenen, indem er dessen Anspruch davon abhängig mache, daß der Urheber des Schadens dessen Entstehung habe voraussehen können (P. II, 571 ff.; vgl. Jacubezky Bem. S. 161). Demgemäß bestimmte E. II § 746 Abs. 1 Satz 1:

„Wer vorsätzlich oder fahrlässig ein Recht eines Anderen widerrechtlich ver­ letzt oder wer gegen ein den Schutz eines Anderen bezweckendes Gesetz verstößt, ist

dem Anderen zum Ersätze des dadurch verursachten Schadens verpflichtet." Bon der Reichstagskomm. wurde die Schadensersatzpflicht wegen sog. illoyaler Hand­

lungen auf Handlungen ausgedehnt, die in Ausübung eines subjektiven Rechtes vorge­ nommen werden (RTK. 99). 3. In seiner nunmehrige« Gestalt knüpft das Gesetz die Schadensersatzpflicht wegen

unerlaubter Handlung im allgemeinen an die Voraussetzung, daß jemand a) vorsätzlich oder fahrlässig das Recht eines anderen widerrechtlich verletzt

(§ 823 Abs. 1) oder d) schuldhaft gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstoßen (§ 823 Abs. 2) oder c) in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zugefügt hat (§ 826). Daneben enthalten die §§ 824, 825, 831, 832, 833 Satz 2, 834, 836—839 den Tat­

bestand einiger besonders geregelter unerlaubter Handlungen; auch sie setzen ein Ver­ schulden des Ersatzpflichtigen voraus, doch ist die Beweislast in einzelnen Fällen (§§ 831, 832, 833 Satz 2, 834, 836—838) zugunsten des Verletzten geregelt. Unter gewissen Voraus­ setzungen endlich tritt die Ersatzpflicht unabhängig von jedem Verschulden des

Ersatzpflichtigen ein (§§ 829, 833 Satz 1, 835; dem E. I waren solche „Quasidelikte" un­

bekannt, s. M. II, 774ff.).*) über die weitere Ausgestaltung der „Gefährdungshaf­ tung" s. de lege ferenda die beachtenswerten Bemerkungen von Riedel a. a. O.; vgl. auch Bem. II, 6 zu 8 823, Planck Vordem. 1, Enneccerus § 199, II, 449, Gierke § 212, III, 3,

RGRK. Vordem. 1, ferner §§ I sf. des HastpflG. vom 7. Juni 1871 und §§ 7 ff. KraftfG. vom 3. Mai 1909 sowie RG., 12. Dez. 1918 und 6. Mai 1920, RGZ. Bd. 95 S. 271, Bd. 99 *) Vgl. hiezu insbesondere R. Müller-Erzbach, Gefährdungshaftung und Gefahr­ tragung, ArchZivPrax. Bd. 106 S. 309ff., Bd. 109 S. 1 ff.; Christian Meisner, Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zur Gefährdungshaftung (Explosion u. a.), IW. 1922 S. 766ff.; gegen ihn zutreffend Franz Seligsohn ebenda S. 1511 ff.

1748 Vordem. (II 4, III)

VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse.

S. 98ff., RG., 13.. Juli 1920, SeufsA. Bd. 76 Nr. 18 und RG., 15. Dez. 1920, RGZ. Bd. 101 S. 102 ff. hinsichtlich der Haftung des Besitzers einer Spreugstoffabrik. Daß die Vorschriften des BGB. über Schadensersatz ohne Verschulden auf die Verhältnisse der Luftschiffahrt auch nicht entsprechend angewendet werden konnten, ist vom Reichsgericht ausdrücklich anerkannt worden (Urt. vom 11. Jan. 1912, RGZ. Bd. 78 S. 171 ff. betr. den Unfall bei Echterdingen; s. auch OLG. Stuttgart, 4. Nov. 1910, „Recht" 1911 Nr. 54; vgl. aber auch RG., 1. Juli 1920, RGZ. Bd. 100 S. 69 ff. über den Anspruch auf Ersatz des durch Absturz eines Flugzeugs zugesügten Schadens gemäß § 905; de lege ferenda s. die Gutachten svon Sperl und Niemeyers und Verhandlungen des 31. Deutschen Juristentags, F. Meili in DIZ. 1912 S. 1053 ff-, A. Meyer in IW. 1913 S. 971 ff., C. Andrea und E. Tauber in IW. 1914 S. 275 ff., 277 ff., V. Niemeyer in DIZ. 1914 S. 466 ff. süber den Entwurf des Lustverkehrgesetzes^, Brückner, Die außervertragliche Haftung für die beim Betrieb der Luftschiffahrt angerichteten Schäden auf der .Erde, „Recht" 1913 S. 701 ff.); Bodenheim, Zur Haftung des Lustfahrers, DIZ. 1922 S. 434ff.; vgl. auch Bem. 1, h und i zu § 905, VO. betr. die vorläufige Regelung der Luftfahrt vom 26. Nov. 1918 und VO. betr. die vorläufige Regelung des Luftfahrtrechts vom 7. Dez. 1918, RGBl. 1918 S. 1337, 1407 ff., Ges. betr. die vorläufige Regelung der Luftfahrt vom 3. Jan. 1920, RGBl. 1920 S. 14, VO. betr. vorläufige Regelung des Luftverkehrs vom 31. März 1920, RGBl. 1920 S. 455 ff., VO. betr. vorläufige Regelung der Luftfahrt vom 30. April 1920, RGBl. 1920 S. 857; nunmehr sind maßgebend die §§ 19 bis 29 Luftverkehrsges. vom 1. Aug. 1922, RGBl. 1922 I S. 687 ff., VO. vom 6. Febr. 1924, RGBl. 1924 I S. 42, VO. vom 5. Febr. 1924, RGBl. 1924 I S. 43. Über die Gründe, aus welchen das Gesetz einzelne besondere Delikte des frühern Rechtes nicht selbständig geregelt hat, s. M. II, 746 ff. Die der gemeinrechtlichen actio de dejectis et effusis und actio de posito vel suspenso nachgebildeten Bestimmungen der §§ 729 bis 733 des E. I hat die II. Komm, als entbehrlich beseitigt (M. II, 803 ff., ZG. II, 414 ff., VI, 517, P. II, 641 ff.). In der Reichstagskomm. wurde die Wiederherstellung dieser Vor­ schriften vergeblich beantragt (RTK. 107). Ob der Täter vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, ist für seine Haftung (auch hinsichtlich des Umfangs), von der Ausnahme des § 827 Satz 2 abgesehen, unerheblich (M. II, 17 ff.; and. Ans. de lege ferenda Oertmann in IW. 1923 S. 901 ff.). 4. Sprachgebrauch. „Unerlaubte Handlungen" im Sinne des BGB. (vgl. z. B. § 1415 Nr. 1) sind alle in nachstehendem Titel geregelten Tatbestände, also insbesondere auch die kein Verschulden voraussetzenden Fälle der §§ 829, 833 Satz 1, 835 (vgl. RG., 13. Febr. 1902, RGZ. Bd. 50 S. 408ff.). In welchem Sinne andere Gesetze (z. B. ZPO. 8 32; s. unten Ziff. XIII) den Begriff der „unerlaubten Handlung" verstehen, muß aus diesen Gesetzen selbst entnommen werden (vgl. Planck Vordem. 6, Goldmann-Lilien­ thal S. 881 Anm. 2; s. ferner Bem. 9 zu 8 833, Bem. 13 zu 8 835 und hinsichtlich des HaftpflG. Bem. 1 zu 8 840). über die rechtliche Natur anderweitiger Schadensersatz­ ansprüche s. unten Ziff. XII.

III. Verhältnis der Verbindlichkeiten aus unerlaubten Handlungen zu denjenigen aus anderen Rechlsgründen *). Die Schuldverhältnisse aus unerlaubtenHandlungen *) Vgl. hiezu insbesondere: O. Chr. Fischer, Die Verletzung des Gläubigerrechts als unerlaubte Handlung nach dem BGB. f. d. Deutsche Reich, Jena 1905 (Bd. 12 H. 3 der von O. Fischer herausg. Abhandl. z. Privatr. und Zivilpr.); Werner, Die Schadensersatz­ pflicht wegen Verschuldens bei Erfüllung einer Verbindlichkeit, „Recht" 1903 S. 308 ff.; W. v. Blume, Vertragshaftung und Deliktshaftung, Tiergefahr und Vertragsgefahr, „Recht" 1905 S. 481 ff.; M. Golde, Das Verhältnis der Haftung aus unerlaubten Hand­ lungen zur Haftung für die vom Schuldner zu vertretende nachträgliche Unmöglichkeit der Leistung, Bernhöft und Binders Beitr. z. Ausl. d. BGB. 6. Heft S. 394ff.; Oertmann, Der Schadensersatzanspruch des obligatorisch Berechtigten, 1900 (Sonderabdruck aus der Festgabe für Dernburg); Crome, Der Anspruch aus unerlaubten Handlungen in Kon­ kurrenz mit anderen Ansprüchen aus demselben Tatbestände, DIZ. 1904 S. 14ff.; L.Gold-

25. Titel. Unerlaubte Handlungen.

Vordem. (111) 1749

stehen in begrifflichem Gegensatze zu den aus Rechtsgeschäften, insbesondere Verträgen, und aus anderen unabhängig vom Willen des Schuldners ein­ tretenden Schuldverhältnissen. Hinsichtlich des Verhältnisses verschiedener der­ artiger Verbindlichkeiten zueinander ist folgendes hervorzuheben. a) Ein Tatbestand, der nach dem Gesetz auch ohne das Vorliegen einer unerlaubten Handlung eine Verbindlichkeit begründet, kann daneben sämtliche Tatbestandsmerkmale einer unerlaub­ ten Handlung enthalten. So wird häufig die unechte Geschäftsführung im Falle des § 687 Abs. 2 oder die Verarbeitung eines gestohlenen Rohstoffes (§ 950) als unerlaubte Handlung im Sinne des § 823 oder § 826 erscheinen. Ist dies der Fall, so ist der Gläubiger befugt, nach seiner Wahl entweder den Anspruch aus dem in Frage stehenden besonderen Rechtsverhältnisse geltend zu machen oder Schadens­ ersatz nach Maßgabe der §§ 823 ff. zu verlangen, gleichviel, ob das Gesetz dies aus­ drücklich hervorhebt (wie im Falle des § 951 Abs. 2 Satz 1) oder nicht (vgl. § 687 und Bem. 3, d hiezu). Daß jede auf einen der Ansprüche erfolgende Leistung wegen der hiemit verbundenen Schadensminderung auch der Erfüllung des an­ deren Anspruchs dient, ist selbstverständlich (Neumann Vordem. F, I, 2; über die Anwendbarkeit der §§ 421, 426 auf ein derartiges Gesamtschuldverhältnis s. RG., 3. Mai 1913, IW. 1913 S. 860 und die dort erwähnten früheren Entsch.). über die Bedeutung der Bertragshaftung neben der Deliktshastung hinsichtlich der Bewe isla st s. RG., 13. Febr. 1908, SeuffA. Bd. 63 Nr. 201, RG., 27. April 1922, IW. 1923 S. 286ff. über die Frage der Klageänderung s. RG., 5. Nov. 1914, RGZ. Bd. 85 S. 426 ff. b) Die Verletzung einer Bertragspflicht, also die Nichterfüllung einer Verbindlichkeit durch den Schuldner, ist, auch wenn sie auf Ver­ schulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) beruht, an sich keine unerlaubteHandlung im Sinne des 25. Titels (M. II, 727, III, 392, ZG. II, 396, P. II, 572, Fischer a. a. O. S. 91, Kiß in DIZ. 1908 S. 685, OLG. Dresden, 21. März 1902,

mann. Zur Frage der Verletzbarkeit obligatorischer Rechte durch Dritte, GruchotSBeitr. Bd. 54 S. 56ff.; M. Dörinkel, Steht dem Käufer, wenn die Kaufsache vor der Übergabe fahrlässig vernichtet oder beschädigt wird, ein Anspruch auf Schadensersatz nach Maßgabe der Vorschriften über die unerlaubten Handlungen zu? GreifSw. Jnaug.-Diss., Greifswald 1900; H. Behrend, Die Konkurrenz der Kontraktsklage mit der Deliktsklage, Greifsw. Jnaug^Diss., Greifswald 1900; H. Stipenski, Konkurrenz der Kontraktsklage mit der Deliktsklage, Greifsw. Jnaug.-Diss., Greifswald 1901; Alfr. Burkhardt, Der Schadens­ ersatzanspruch des Forderungsberechtigten bei Beschädigung des Gegenstandes der Leistung durch einen Dritten, Jnäüg.-Diss., Tübingen 1901; E. Prym, Die Konkurrenz des An­ spruchs aus dem Vertrage mit dem Ansprüche aus unerlaubter Handlung nach dem Rechte des BGB. f. d. Deutsche Reich, Bonner Jnaug.-Diss., Naumburg 1905; H. Bürgner, DaS Verhältnis des Anspruchs aus unerlaubter Handlung zum Bertragsanspruihe, Heidelb. Jnaug.-Diss., Berlin 1909; Linkelmann, über die Rechtslage bei arglistiger Täuschung, IW. 1905 S. 226ff.; A. Westrum, über die Rechtslage bei arglistiger Täuschung, IW. 1907 S. 39ff.; H. Waldmüller, Verletzung von Schuldnerpflicht und unerlaubter Hand­ lung, Tübinger Diss., Tübingen 1907; L. Cohn, Schadensersatz wegen Betrugs beim Kauf, IW. 1911 S. 137fs.; O. Hagen, Arglistige Täuschung und Schadensersatz, ebenda S. 348 ff.; E. Josef, Kann der Käufer, nachdem er den Vertrag auf Grund des § 123 BGB. an­ gefochten hat, wegen der arglistigen Täuschung Schadensersatz aus § 826 verlangen? JW. 1912 S. 113ff.; Ebbecke, Verletzung des Forderungsrechts durch Dritte, „Recht"" 1912 S. 252ff.; derselbe, Schadensersatzpflicht aus Verletzung des Forderungsrechts durch Dritte, ebenda S. 333ff.; Fr. Lent, Die Gesetzeskonkurrenz im bürgerlichen R«ht und Zivilprozeß, 1. Bd. Leipzig 1912, insbes. S. 275ff.; A. Fuchs, Zusammentreffen be® Haftung aus unerlaubter Handlung mit der Haftung aus Vertrag, „Recht"" 1917 S. 151 ff., 214ff.; Grimm, Wann ist eine Verletzung einer Bertragspflicht zugleich als Verstoß gegen ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. anzusehen? „Recht"" 1919 S. 383 ff. S. ferner RGRK. Borbem. 4, Neumann Vordem. F, Oertmann Vordem. 5, Dernburg § 383, IV, 2, Schollmeyer S. 220ff., Crome S. 1014ff., Endemann I § 200 Ziff. 1.

1750

Borbem. (III)

VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse.

„Recht" 1903 S. 237 Nr. 1250, OLG. Gelle, 12. Juli 1904, „Recht" 1904 S. 447 Nr. 1811, RG., 19. Dez. 1902, RGZ. Bd. 53 S. 201, und 4. Nov. 1911, IW. 1912 S. 136, OLG. Frankfurt a. M., 13. Juni 1906, „Recht" 1906 S. 1375 ff. Nr. 3290). Die Verletzung einer Vertragspflicht kann aber zugleich den Tatbestand einer unerlaubten Handlung erfüllen (vgl. Fischer S. 92 ff., RG., 4. Febr. 1904 und 13. Febr. 1908, IW. 1904 S. 166 ff., 1908 S. 237, 28. April 1908, WarnE. 1908 Nr. 499, 4. Jan. 1912, IW. 1912 S. 339, 2. Febr. 1915, IW. 1915 S. 398; and. Ans., wie es scheint, OLG. Stettin, 26. Jan. 1909, OLG. Bd. 20 S. 122 ff.). Der Arzt, der durch einen Kunstfehler den Tod des Kranken herbeiführt, handelt nicht nur vertragswidrig, sondern verletzt auch fahr­ lässig und widerrechtlich das Leben eines anderen (§ 823 Abs. 1; RG., 14. März 1911, IW. 1911 S. 449 ff., 19. Juni 1914, RGZ. Bd. 85 S. 184); der Juwelier, der dem Kunden arglistigerweise einen vergoldeten Ring als massiv golden verkauft, verstößt nicht nur gegen feine Bertragspflicht, sondern auch gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz, nämlich gegen § 263 StGB. (§ 823 Abs. 2); der Schuldner, der nicht leistet, um den für diesen Fall unausbleiblichen Konkurs des Gläubigers herbeizuführen, fügt durch sein vertragswidriges Verhalten in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zu (§ 826). In all diesen Fällen kann der Gläubiger (wie in den Fällen unter a) nach feiner Wahl entweder den Anspruchaus dem Bertragsver­ hältnis oder den Anspruch auf Schadensersatz nach Maßgabe der § § 823ff. geltend machen (vgl. Windscheid-Kipp, Pand. Bd. 2 S. 950, Liszt, Deliktsobligationen S. 11 ff., Oertmann Vordem. 5, Goldmann-Lilienthal S. 882, Müller in SeuffBl. Bd. 65 S. 374 ff., Grimm a. a. O.; and. Ans. ohne über­ zeugende Begründung Endemann a. a. O.; s. auch Cosack I § 164, VI, 1). Die all­ gemeine Rechtspflicht, niemanden körperlich zu verletzen, besteht immer und gegen­ über jeder Person, gleichviel ob diese mittels Vertrags oder ohne Vertrag in den Handlungsbereich des Verletzenden gekommen ist. Diese allgemeine Rechtspflicht kann nicht dadurch beseitigt werden, daß die Möglichkeit der Einwirkung durch einen Vertrag gegeben wurde. Auch der Vertragsgegner bleibt immer der durch § 823 Geschützte, er wird es in noch stärkerem Grade, wenn der Vertrag den Ver­ letzer noch besonders zur Fürsorge verpflichtet. „Das allgemeine Verbot wider­ rechtlicher Körperverletzung wird dadurch nur individualisiert und verstärkt, daß der Vertrag dem anderen sogar noch ein vereinbartes Recht auf Fürsorge, also auf das Gegenteil jeder Körperverletzung gibt" (so mit überzeugender Begründung RG., 13. Okt. 1916, RGZ. Bd. 88 S. 433 ff., 435 im Gegensatze zu früheren, eine engere Auffassung vertretenden Entscheidungen; ebenso RG., 6. Febr. und 20. März 1917, RGZ. Bd. 89 S. 385, Bd. 90 S. 68; s. auch RG., 23. April 1917, LZ. 1917 Sp. 1069ff.: „jede vorsätzliche oder fahrlässige Vertragsverletzung, die eine wider­ rechtliche Verletzung eines der im § 823 Abs. 1 BGB. geschützten Rechtsgüter zur Folge hat, stellt gleichzeitig eine unerlaubte Handlung im Sinne dieser Vorschrift dar"; die Bedenken von A. Fuchs a. a. O. gegen diese Anschauung dürften nicht begründet sein; s. auch RG., 11. Nov. 1919, IW. 1920 S. 284 ff. sder Ausschluß der vertraglichen Haftung gemäß § 539 schließt die Haftung aus §§ 823 ff. nicht ausj und hiezu Oertmann ebenda Anm. zu Ziff. 6, RG., 6. Mai 1920, RGZ. Bd. 99 S. 96 ff., insbes. S. 103 über Haftung einer Stadtgemeinde für Nachteile durch gesundheitsschädliches Wasserleitungswasser, RG., 23. März 1921, RGZ. Bd. 102 S. 42 ff. über Sorgfaltspflicht eines Gewerbetreibenden, der sich mit der Ver­ wahrung oder Beförderung fremder Gegenstände befaßt, RG., 4. Okt. 1923, LZ. 1924 Sp. 84 ff. über Haftung für Gesundheitsschädigung aus dem Verkauf giftigen Branntweins, RG., 14. Nov. 1923, „Recht" 1924 Nr. 161 betr. Schadensersatzpflicht des Schiffseigners gegenüber einem Passagier). Vgl. hiezu auch Ebbecke a. a. O.

Vordem. (III)

25. Titel. Unerlaubte Handlungen.

1751

über außervertragliche Obhutpflicht eines Transportunternehmers s. RG., 23. Febr.

1927, IW. 1927 S. 1248, 12. Mai 1928, HRR. 1928 Nr. 1802. Bon diesem Grundsätze soll nach Liszt (a. a. O. S. 13 ff.) eine doppelte Aus­

nahme gelten: a) Soweit durch besondere gesetzliche Bestimmung die vertragsmäßige Haftung aus schwerere Schuldarten beschränkt ist, ergreife diese Einschränkung auch den De­

likt-anspruch. Habe also der Schenker (der nach § 521 für gewöhnliche Fahr­

lässigkeit nicht haftet) durch die von ihm einem anderen geschenkte Sache diesem fahrlässig Schaden zugefügt, so könne er auch nicht aus § 823 Abs. 1 in Anspruch

genommen werden.

9) Wenn der Gläubiger dem Schuldner die Haftung für Fahrlässigkeit erlassen habe

(8 278), könne der Gläubiger nicht nach § 823 Abs. 1 wegen fahrlässiger Ver­ letzung seine- Rechtes Schadensersatz beanspruchen. Mein wirkliche Ausnahmen von dem erwähnten Grundsätze dürften hierin nicht gelegen sein, weil die Handlungsweise des SHuldners mit Rücksicht aus den

ihm nach Gesetz oder Vertrag obliegenden Grad der Sorgfalt in beiden Fällen nicht als „widerrechtlich" im Sinne des § 823 erscheint (vgl. Bem. II, B, 1 zu § 823;

ebenso Neumann Vordem. F, II, RGRK. Vordem. 4, a, RG., 11. Okt. 1910, „Recht" 1910 Nr. 3916; s. auch Oertmann Bem. 5, a zu 8 276 und Vordem. 5, a, d vor 8 823, Cnneccerus 8 449 A, II, Gierke 8 211, III, Fischer S. 114 ff., WindscheidKipp, Pand. Bd. 2 S. 950, Planck Vordem. 5, Allseld in KrBJSchr. Bd. 43 S. 60 ff., RG., 28. Jan. 1913, IW. 1913 S. 376, 19. Juni 1916, 19. Jan. 1917,

RGZ. Bd. 88 S. 317 ff., Bd. 89 S. 338 ff. (Haftung der Eisenbahn aus unerlaubter Handlung neben der Haftung aus dem Beförderungsvertrag], RG., 13. Okt. 1916, RGZ. Bd. 88 S. 436 ff., 6. Febr. und 20. März 1917, RGZ. Bd. 89 S. 384 ff., Bd. 90 S. 65 ff. (Haftung des Vermieters aus 8 823 neben der Haftung aus dem

Mietvertrages, RG., 18. Sept. 1917, RGZ. Bd. 90 S. 408 ff. (Haftung des Haus­ eigentümers gegenüber dem Bezirksschornsteinfeger], OLG. Kassel, 19. Jan. 1910, OLG. Bd. 20 S. 279ff.; im Ergebnisse nicht wesentlich abweichend, aber mit anderer

Begründung, Crome a. a. O.).

Die gleichen Grundsätze gelten für das Verhältnis der Ansprücheausder Verletzung

familienrechtlicher

Pflichten

zu

den

Ansprüchen

auS

88

823ff.: „Wie die Verletzung von Bertragspflichten zugleich den Tatbestand einer unerlaubten Handlung erfüllen und die Verpflichtung zum Schadensersätze aus

dieser für den geschädigten Bertragsteil begründen kann, so auch die Verletzung fämilienrechtlicher Fürsorgepflichten, wenn sie gleichzeitig eine Verletzung der all­

gemeinen Rechtspflichten enthält, die jedermann gegen jeden obliegen" (so mit Recht RG., 22. Dez. 1910, RGZ. Bd. 75 S. 253 ff. hinsichtlich der Ersatzpflicht des

Vaters, durch dessen Unachtsamkeit sein Kind verletzt worden ist; s. auch RG., 27. Nov. 1911, IW. 1912 S. 190, RG., 5. Okt. 1914, RGZ. Bd. 85 S. 335 ff. (Schädigung der Ehefrau

durch

ehewidriges Verhalten], RG., 28. Febr. 1921,

GruchotSBeitr. Bd. 65 S. 477 ff. (Verletzung der dem Vater gegenüber dem Kinde

obliegenden Aufsichtspflicht], OLG. Nürnberg, 23. Mai 1914, OLG. Bd. 30 S. 68 ff.,

K. Strupp in SeuffBl. Bd. 76 S. 227 ff., sowie Bd. IV Bem. 7 zu 8 1664 und Bem. IV Abs. 4 zu 8 1833; and. Ans., wie es scheint, Dernburg 8 383, IV, 2).

o) Durch

einen

Dritten

kann das Vertragsverhältnis selbst

(das

vinculum

obligationis) nicht verletzt werden (Oertmann Bem. 3,6, ß zu 8 823), wohl aber der Gegenstand der Leistung. Zerstört C eine dem A gehörende Sache, die dieser auf

Grund Vertrags an B herauszugeben hat, so ist verletzt und daher schadensersatz­ berechtigt an sich nur A, nicht auch B (ein Recht „zur Sache"" [jus ad rem] erkennt das BGB. nicht an; vgl. Bd. II1 S. 9, s. auch unten Bem. V).

1752 Vordem. (III>

VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse.

Ob der schuldrechtlich Berechtigte wegen Verletzung seines Besitzrechts gegen den Dritten gemäß § 823 Abs. 1 vorgehen kann, hängt von der Entscheidung der Frage ab, ob der Besitz als ein „sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 betrachtet werden kann; vgl. hierüber Bem. II, A, 2, e, a, ßß zu § 823. Außerdem kann, wie in der II. Komm, hervorgehoben wurde, die Verletzung eines Forderungsrechts durch einen Dritten sich als Beschädigung eines Vermögens­ stücks darstellen und daher, wenn die verletzende Handlung gegen ein den Schutz des Interesses des Beschädigten an diesem Vermögensstücke bezweckendes Gesetz ver­ stößt, unter 8 823 Abs. 2 fallen (P. II, 572; s. auch M. II, 727, Jacubezky Bem. S. 161). Endlich kann die Handlungsweise des Dritten möglicherweise als ein den Gläubiger gemäß § 826 zum Anspruch auf Schadensersatz berechtigendes Ver­ halten zu erachten sein. Ein Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 ist das For derun gs recht nicht (Bem. II, A, 2,6, d zu 8 823). Vgl. hiezu Fischer a. a. O. S. 76 ff., 132 ff., Planck Vordem. 4 und Bem. II, 1, k, e zu 8 823, Crome S. 1020 ff., Windscheid-Kipp, Pand. Bd. 2 S. 948, Gold­ mann-Lilienthal S. 892 Anm. 59, Dernburg 8 383, IV, 2, Schollmeyer S. 220 ff., Neumann Note B, V, 2 zu 8 823, Kipp, Berliner Festgabe für Gierke Bd. 2 S. 13 ff., Ebbecke a. a. O., L. Wenger, Das „sonstige Recht" in 8 823 BGB. und der Mün­ chener Papyrus 102, ArchRPhilos. Bd. 6 S. 169 ff. d) Der Tatbestand einer unerlaubten Handlung kann auch dann vorliegen, wenn jemand durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt worden ist. In diesem Falle kann der Verletzte nach feiner Wahl entweder von feinem Anfechtungsrechte (8 123) Gebrauch machen oder mit der Klage auf Schadensersatz Wiederaufhebung der Rechtswirkungen seiner Willenserklärung (8 249) und Ersatz des sonstigen Schadens (vgl. OLG. Braunschweig, 30. Okt. 1902, SeuffA. Bd. 59 Nr. 147) be­ anspruchen, was insbesondere wegen der Ausschlußfristen des Anfechtungsrechts (8 124) von Bedeutung ist (vgl. M. II, 756 ff., Lent a. a. O. S. 364 ff., ferner Bd. I dieses Kommentars Bem. V zu 8 123, s. auch 8 853 und Bem. hiezu). Macht der Getäuschte oder Bedrohte von seinem Anfechtungsrechte Gebrauch, so muß jeder Beteiligte das von dem anderen Empfangene zurückgewähren, da der gleiche Zustand herzustellen ist, als wenn der Vertrag nicht geschloffen wäre (8 142); der Anfechtende kann nicht das Erfüllungsinteresse, sondern nur Ersatz des sog. negativen Vertragsinteresses (z. B. Ersatz unnütz aufgewen­ deter Kosten) verlangen. Wird Schadensersatz nach 88 823 ff. begehrt, so ist der Zustand herzustellen, der mangels Verübung der unerlaubten Handlung bestehen würde. Nach der früher vom Reichsgericht vertretenen Ansicht sollen in diesem Falle für den Schadensersatz die vertragsmäßigen Festsetzungen, soweit sie nicht durch den Betrug betroffen werden, maßgebend sein; habe z. B. der Getäuschte infolge des Betrugs sich zur Bewilligung eines höheren Kaufpreises verstanden, so könne er Ermäßigung oder Ersatz bis zu dem Betrage verlangen, den er ver­ tragsgemäß ohne den Betrug gegeben hätte, ohne Rücksicht darauf, ob der Be­ trüger zu diesem Preise verkauft hätte (RG., 12. Nov. 1904, RGZ. Bd. 59 S. 155 ff. und die dort S. 158 Note 1 erwähnten weiteren Entscheidungen, ferner 28. März 1906, RGZ. Bd. 63 S. 110 ff., 2. Okt. 1907, RGZ. Bd. 66 S. 335 ff. [unter Bezug­ nahme auf 8 473], 23. Jan. 1904 und 7. Dez. 1904, IW. 1904 S. 141, 1905 S. 77, 1. April 1909, IW. 1909 S. 309, 3. Juni 1905, „Recht" 1905 S. 563 Nr. 2264, 16. Nov. 1909, „Recht" 1910 Nr. 71, OLG. Kassel, 6. Dez. 1906, „Recht" 1907 S. 53ff. Nr. 9, OLG. München, 21. Okt. 1912, OLG. Bd. 28 S. 28; and. Ans. Linckelmann in IW. 1905 S. 226 ff., Westrum in IW. 1907 S. 39 ff., Matthießen

25 Titel. Unerlaubte Handlungen.

Stotfrem. (III) 1753

in IW. 1908 S. 60ff. und im „Recht" 1908 S. 670ff.; gegen letzteren Modestus Lipsiensis, „Recht" 1908 S. 500ff., 739ff.), über die Un Haltbarkeit dieser Ansicht s. Bd.I dieses Kommentars Bem. VI, 3 zu §123 (vgl. auch Bem. 3,c zu §463, RGRK. Bem. 5, a zu § 123, Riehl in DIZ. 1913 S. 377 ff , OLG. Dresden, 30. März 1909, SeuffA. Bd. 65 Rr. 144, ferner RG., 1. Okt. 1910, WarnE. 1910 Nr. 383, das die entsprechende Anwendung des § 463 nur für den Fall der Vorspiegelung von Eigenschaften der Kaufsache, nicht aber bei Täuschung über den Selbstkostenpreis für zulässig erachtet, L Cohn in IW. 1911 S. 137 ff., O. Hagen- ebenda S. 348 ff.. Matthießen in IW. 1913 S. 516 ff., L. Cohn ebenda S. 1010 ff., E. Fuchs in DIZ. 1914 S. 913 ff., Goldscheider in SeuffBl. Bd. 78 S. 273 ff., Jeß im „Recht" 1914 S. 81 ff., Matthießen ebenda S. 227ff., Riehl ebenda S. 469ff.; s. auch RG., 27. Febr. 1911, SeuffA. Bd. 66 Nr. 201, 26. Okt. 1911, WarnE 1912 Nr. 60, 14. Dez. 1911, IW. 1912 S. 237, 24. April und 23. Mai 1912, WarnE. 1912 Nr. 292, 333, 6. Juli 1912, „Recht" 1912 Nr 2659, 23. Nov. 1912, IW. 1912 S. 197 ff., 26. Febr. 1913, WarnE. 1913 Nr 282, 28. Okt. 1914, IW. 1915 S. 88, 3. Febr. 1915, WarnE. 1915 Nr. 109, 1. Mai 1915, „Recht" 1915 Nr. 2236,24. Mai 1916, WarnE. 1916 Nr. 274, 20. Dez. 1916, WarnE. 1917 Nr^ 100, OLG. Rostock, 28. Juni 1918, OLG. Bd. 39 S. 147, RG., 15. Juni 1921, „Recht" 1921 Nr. 2378 sowie Bem. 8 zu § 463). In einem Urteil vom 10. Nov. 1921, RGZ. Bd. 103 S. 157 ff. erkennt das Reichsgericht nunmehr an, daß auch der deliktische Schadens­ anspruch des Getäuschten sich grundsätzlich auf das negative Bertragsinteresse be­ schränkt; es hält aber daran fest, daß das (positive) Erfüllungsinteresse verlangt werden kann, wenn die arglistige Täuschung bei einem Kauf vom Verkäufer selbst verübt ist und die Eigenschaften einer körperlichen Sache betraf, und dehnt diese erweiterte Haftung auch auf dritte Personen aus, die an der arglistigen Täuschung als Mittäter oder Gehilfen des Verkäufers teilgenommen haben. Daß nach Umfluß der Ausschlußfrist des § 124 auf Grund der §§ 823 ff., 249 Aufhebung des Rechtsgeschäfts und Rückgängigmachung seiner Wirkungen verlangt werden könne, hat da- Reichsgericht früher verneint (Urt. vom 2. Mai 1906, RGZ. Bd. 63 S. 268 ff.), weil außerdem J 124 gegenstandslos sei und durch die

besondere Vorschrift des § 124 die Geltung der §§ 249, 826 eingeschränkt werde; vgl. dagegen Bd- I dieses Kommentars Bem. VI, 2 zu § 123, RGRK. Vor­ dem. 4, e, Lent a. a. O. S. 367 ff., Starck int „Recht" 1916 S. 98 ff., RG., 29. März 1912 und 6. Febr. 1914, RGZ. Bd. 79 S. 197, Bd. 84 S. 133 ff., worin anerkannt wird, daß ein Wiederherstellungsanspruch aus unrechter Tat auch nach Ablauf der Anfechtungsfrist zulässig ist; ebenso RG., 26. Sept. 1918, IW. 1918 S. 815; vgl. auch RG., 16. Jan. 1919, RGZ. Bd. 70 S. 193 ff. Hat der Käufer den Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten, so hat er hiedurch zwar nicht unbedingt das Recht zur Verfolgung von Ansprüchen ver­ loren, die den Bestand des Rechtes voräussetzen; denn nur die berechtigte An­ fechtung beseitigt den Vertrag; er kann aber nicht mehr, unter Aufrechterhaltung der die Anfechtbarkeit begründenden Behauptungen, statt die Anfechtung weiter zu verfolgen, Ansprüche aus dem Vertrage geltend machen (RG., 22. April 1910, RGZ. Bd. 74 S. 4ff.; die von Josef in IW. 1912 S. 113ff. gegen die Richtigkeit dieser Entscheidung erhobenen Bedenken dürften nicht begründet sein), über die Begrenzung des Schadensersatzanspruchs aus § 826 neben der die Nichtigkeit des Vertrag- herbeiführenden Anfechtung s. auch RG., 22. Juni 1918, LZ. 1918 Sp. 1328 ff. Durch die Bestätigung (§ 144) eines anfechtbaren Rechtsgeschäfts wird zwar die Anfechtung, nicht aber die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen (sei es auf Grund des § 826 oder des § 463) ausgeschlossen (RG., 20. Febr. 1911, IW. 1911 S. 398ff.; and. Ans. RG., 12. Mai 1917, „Recht" 1917 Nr. 1372).

1754 Vordem. (IV) VIL Mschnitt.

Einzelne Schuldverhältnisse.

über das Scheingeschäft als unerlaubte Handlung s. Kiehl in Gruchots Beitr. Bd. 63 S. 575 ff.

e) über das Verhältnis der Haftung des Tierhalters aus § 833 zur Haftung aus

vertragsmäßiger Übernahme der Tiergefahr s. Bem. 10 zu § 833; hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 836 bei Bertragsverhältnissen s. Bem. 10 zu § 836. f) über das Verhältnis der §§ 823ff. zur Gewährleistungspflicht des Ver­ käufers s. Vordem. 8 vor § 459. über das Verhältnis des § 823 zu § 618 s. Bem. I, 7 zu 8 618, OLG. Bamberg, 20. April 1907, OLG. Braunschweig, 17. Jan. 1908, OLG. Celle, 17. Juni 1908, und OLG. Dresden, 22. Febr. 1907, OLG. Bd. 17 S. 409 ff.,

RG., 29. März 1912, WarnE. 1912 Nr. 250 sowie unten Ziff. XI, 5. über das Verhältnis des § 823 zu § 539 s. OLG. Kalmar, 7. März

1911, „Recht" 1911 Nr. 1526, und RG., 12, April 1911, IW. 1911 S. 540.

g) Reben dem Schadensersatzanspruch aus §•§ 823 ff. kann auch der Anspruch auf Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung (88 812ff.) begründet sein (s. auch § 852 Abs. 2). Vgl. Lent a. a. O. S. 330 ff.

h) Hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 847 s. Bem. 3, a hiezu.

i) über das Verhältnis der 88 823ff. zu den §§ 987ff. s. Bem. 8 zu §987,

Lent a. a. O. S. 256 ff., W. Schulze in GruchotsBeitr. Bd. 64 S. 400 ff., RG., 17. Jan. 1921, RGZ. Bd. 101 S. 309 ff. sowie H. A. Fischer a. a. O. S. 265 Anm.9 und die dort erwähnten weiteren Schriftsteller, über daS Verhältnis des § 823 Abs. 1 zu 8 992 s. Bem. II, A, 2, d Abs. 2 zu 8 823. IV. DettktSfähigkett juristischer Personen*); Haftung deS Vertretenen für unerlaubte

Handlungen des gesetzlichen nnd bevollmächtigten Vertreters. Juristische Personen sind insoweit nicht deliktsfähig, als die unerlaubte Handlung ein Verschulden voraussetzt (s. oben Ziff. II, 3; ebenso RG., 23. März 1903, IW. 1903 Beil. S. 65). Nach 8 31 ist aber ein Verein für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des

Vorstandes oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Aus­ führung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersätze verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt (vgl. Bd. I Bem. zu 8 31s. auch ebenda S. 160 Vordem. VI).

Nach 8 86 findet diese Bestimmung aus Stiftungen, nach § 89 Abs. 1 auf den FiSkuS, sowie auf die Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffent­

lichen Rechtes entsprechende Anwendung (vgl. RG., 6. März 1913 und 13. Febr. 1917,

IW. 1913 S. 587 ff., 1917 S. 594 ff. über die Haftung einer Gemeinde für betrügerische BermögenSbeschädigung durch den Bürgermeister). „Eine von der Haftung nach 88 31,89

unabhängige und unmittelbare Haftung der juristischen Person aus unerlaubter Handlung

besteht nicht" (RG., 15. Okt. 1917, LZ. 1918 Sp, 369).

Im Falle der Gesamtver­

tretung genügt die unerlaubte Handlung auch nur ein^S Mitglieds dieser Bertrrtung (s. daS erwähnte Urt. des Reichsger. und die dort aufgeführten früheren Entsch.). Die

Haftung nicht rechtsfähiger Vereine aus unerlaubten Handlungen ihrer Borstrnnds-

personen und sonstigen Angestellten ist nach § 831 zu beurteilen (RG., 25. Sept. 1913,

WarnE. 1913 Nr. 499 Hinsichtlich der Vorstände einer studentischen Korporation^, 22. Nov. 1915, LZ. 1916 S. 303ff., 24. April 1922, LZ. 1922 Sp. 585ff.); über die Haftung nicht rechtsfähiger Vereine aus sogen. Quasidelikten (§§ 833—836) s. insbes. Petri a. a O.;

nach ihm haftet aus dem Gebiete der Quasidelikte stets der nicht rechtsfähige Verein mit)

zwar unter Ausschluß einer Gesamthaftung seiner Mitglieder in Beschränkung aus das

Bereinsvermögen; dieser Auffassung dürfte beizutreten sein. Im übrigen ist dem Gesetz eine Haftung des Vertretenen für unerlaubte Handlungen des gesetzlichen Vertreters unbekannt (M. II 737, RG., 8. Juli 1905 und *) Vgl. hiezu die Note * zu § 31 (Bd. I S. 211 f.) sowie Bd. I S. 160 Note • erwähnten Schriftsteller; Petri, Haftung des nicht rechtsfähigen Vereins aus Quasidelikten, Jherings Jahrb. Bd 73 S. 119 ff.

25. Titel. Unerlaubte Handlungen. Vordem. (V, VI)

1755

2. Dez. 1907, RGZ. Bd. 61 S. 212 ff., Bd. 67 S. 153 ff., 24. Sept. 1908 und 16. Febr. 1910, IW. 1908 S. 678 ff., 1910 S. 280; vgl. auch unten Ziff. V, ferner §§ 278, 831 und Bem. hiezu, sowie Bem. 7 zu § 828). Dies gilt insbesondere auch hin­ sichtlich der Anwendbarkeit des § 836 (RG., 4. März 1915, IW. 1915 S. 580) und des 8 833 Satz 2 (RG., 25. Sept. 1916, WarnE. 1916 Nr. 278). Über die Frage, ob für Schaden aus unerlaubten Handlungen des Testamentsvollstreckers dritten Personen der Nachlaß hafte, s. Bd. V Bem. 1 zu 8 2216. Hinsichtlich des Bormundes s. auch E. Josef im ArchZivPrax. Bd. 114 S. 382 ff. über die Haftung der Gesellschaft für unerlaubte Handlungen des geschäfts­ führenden Gesellschafters s. Bem. VI, 3 zu 8 714; über die Haftung der Aktiengesell­ schaft für Fahrlässigkeit des Vorstandes s. BayObLG., 5. Febr. 1906, „Recht" 1906 S. 369 Nr. 895; über die Haftung einer Aktiengesellschaft für schuldhafte Unterlassung des Sand­ streuens bei Glatteis seitens eines Filiatteiters (Prokuristen) s. RG., 21. Sept. 1914, LZ. 1915 Sp. 129. Die offene Handelsgesellschaft wird durch die unerlaubte Hand­ lung eines vertretungsberechtigten Gesellschafters, die er im inneren Zusammenhänge mit dem Geschäftsbetriebe begangen hat, verpflichtet, auch wenn diese Handlung nicht gerade rechtsgeschäftlicher Natur war (RG., 22. April 1907, GruchotsBeitr. Bd. 51 S. 1023,25. Nov. 1910, WarnE. 1911 Nr. 78, 13. Febr. 1911, RGZ. Bd. 76 S. 48; s. auch RG., 23. Juni 1913, LZ. 1914 Sp. 383 ff. betr. die Streupflicht einer offenen Handelsgesellschaft). Der auf Grund rechtsgeschäftlich erteilter Bertretungsmacht (Voll­ macht) Vertretene haftet für den Schaden, den der Bevollmächtigte in Ausübung der ihm verliehenen Bertretungsmacht einem Dritten durch Vorsatz oder Fahrlässigkeit zufügt, nur nach Maßgabe des 8 831, also unter Vorbehalt des dort zugelassenen Gegenbeweises (s. RG., 21. Juni 1919, RGZ. Bd. 96 S. 179 und die dort erwähnten früheren Entscheidungen des Reichsgerichts; vgl. Bd. I Bem. 5, a zu 8 164). Dies gilt (trotz 8 85 ZPO.) auch hinsichtlich der Haftung der Partei für Handlungen ihres Pro-eßbevollmächtigten; daher wird dadurch, daß es sich um eine auf Grund einer Prozeßvollmacht vorgenommenen Handlung des Rechtsanwalts handelt, der Entlastungsbeweis des 8 831 nicht ausgeschlossen (RG. a. a. O. S. 180 ff.). V. Eine Haftung für unerlaubte Handlungen dritter Personen greift nur in den Fällen der 8§ 831, 832 Platz (vgl. die Bem. hiezu, Mj. I, 228, RG., 8. Juki 1905, RGZ. Bd. 61 S. 212 ff., 7. Juni 1910, RGZ. Bd. 73 S. 437, 1. Mai 1915, WarnE. 1915 Nr. 166; s. auch oben Ziff. IV). über die Deliktshaftung mehrerer Personen s. 88 830, 835 Abs. 3, 840 und Bem. hiezu. Die Zeichnung als verantwortlicher Redakteur begründet an sich keine zivil­ rechtliche Haftung für den Inhalt der Zeitung oder Zeitschrift, sondern nur eine gewisse tatsächliche Vermutung dafür, daß der Redakteur von den in sein Blatt aufgenommenen Artikeln Kenntnis erlangt und genommen hat, so daß ihm der Gegenbeweis obliegt, daß diese Kenntnis nicht vorhanden war (RG., 19. April 1917, IW. 1917 S. 714; zustimmend Liszt ebenda Note zu Ziff. 10; hinsichtlich des Anspruchs auf Buße s. die zutreffenden Bemerkungen von Liszt a. a. O.). VI. *) Ersatzberechttgt ist (im Gegensatze zum E. I) grundsätzlich nur, wer durch die unerlaubte Handlung unmittelbar beschädigt ist, der „Verletzte" (ebenso Planck Bem. V zu 8 823, Oertmann Bem. 5 zu 8 823, Matthiaß S. 422, Endemann I S. 1267, OLG. Hamburg, 20. Mai 1903, OLG. Dresden, 25. April 1911, SeuffA. Bd. 60 Nr. 54, Bd. 67 Nr. 36, OLG. Hamburg, 8. März 1904, „Recht" 1904 S. 529 Nr. 2237, LG. Pforz­ heim, 14. Dez. 1900, „Recht" 1901 S. 435 Nr. 1717, RG., 4. Nov. 1919, RGZ. Bd. 97 S. 89, RG., 12. April 1920, IW. 1920 S. 639; and. Ans. Cosack I 8 164,1,2, Ortelt und Kluckhohn a. a. O.). Daher kann der Dienstherr, der seinem durch einen Messerstich arbeits-

*) Vgl. Ortelt, Der Schadensersatzanspruch des mittelbar Geschädigten, DIZ. 1913 S. 800ff.; Kluckhohn, Der außervertragliche Schadensersatzanspruch des sog. „mittelbar Geschädigten", ArchZivPrax. Bd. 111 S. 394 ff.

1756 Bertolte (VIIA) VII. Abschnitt.

Einzelne Schuldverhältnisse.

unfähig gewordenen Angestellten gemäß § 63 HGB. auf sechs Wochen Gehalt und Unter­ halt gewährt hat, nicht von dem Urheber der Körperverletzung Ersatz beanspruchen (OLG.

Köln, 26. Mai 1904, „Rechts 1904 S. 481 Nr. 1988); ebensowenig hat der Staat bei Ver­

letzung eines Beamten gegen den Täter Anspruch auf Erstattung der Pensionsgelder (RG.,

23. Aprll 1913, RGZ. Bd. 82 S. 189 ff.). Nach Josef (ArchZivPrax. Bd. 104 S. 438 ff ,

GruchotsBeitr. Bd. 56 S. 86 ff.) soll, wenn der Hofbesitzer den Leibgedinger vorsätzlich

oder fahrlässig getötet hat, dem Erben des Leibgedingers gegen den Hofbesitzer gemäß 88 812, 818 Abs. 3 der Anspruch auf ein Kapital zustehen, das in dem Jahreswerte des

Altenteils für die voraussichtliche Lebensdauer des Leibgedingers besteht; allein von einer

Bereicherung „auf Kosten" des Leibgedingers kann hier doch wohl kaum gesprochen werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz enthalten die 88 844, 845 zugunsten dritter Personen, denen gegenüber der Verletzte zur Gewährung von Unterhalt oder Leistung von

Diensten verpflichtet war (vgl. Bem. IV, a zu 8 823, Bem. 4 zu 8 826, Bem. II zu 8 844,

Bem. 1 zu 8 845). Werden durch eine unerlaubte Handlung mehrere Personen (unmittelbar) verletzt,

so kann jeder von ihnen Ersatz des vollen ihm zugegangenen Schadens beanspruchen.

VIL Inhalt und Umfang des Anspruchs auf Ersatz des durch eine unerlaubte Hand­ lung erwachsene« Schadens bemißt sich im allgemeinen nach den Grundsätzen der

88 249ff., gleichviel, ob eine vorsätzlich oder fahrlässig begangene Handlung oder em ohne Verschulden zum Ersätze verpflichtender Tatbestand in Frage steht (M. II, 729 ff., 738 ff.; s. auch ZPO. 8 287). Demgemäß kann (von den Fällen der 88 843—845

abgesehen) Entschädigung regelmäßig nur in der Form der Gewährung eines Kapitals beansprucht werden; die Verpflichtung zur Zahlung einer Rente ist allerdings nicht auf

die Fälle der 88 843—845 beschränkt, setzt aber voraus, daß die Folgen der schädigenden

Handlung dauernde und fortlaufende sind (so mit Recht RG., 19. April 1917, IW. 1917 S. 715; s. auch RG., 27. Mai 1908, RGZ. Bd. 68 S. 431, Bem. 3, ä zu 8 829, Bem. 1 zü 8 843).

A. Anwendbar ist insbesondere 8 254 (vgl. 8 846 und Bem. hiezu, Bem. II, C, 1 Abs. 4 zu 8 823, sowie L. Cohn in Gruchot-Beitr. Bd. 43 S. 386 ff.).

Der Einwand mitwirkenden eigenen Verschuldens de- Verletzten ist hauptsächlich bei Fahrlässigkeit von Bedeutung, aber auch bei vorsätzlichen unerlaubten Handlungen nicht ausgeschlossen; freilich wird gegenüber einer Arglist des Beklagten eine bloße Fahrlässigkeit deS Klägers regelmäßig nicht ins Gewicht fallen (RG., 17. Okt. 1908

und 27. Mai 1911, RGZ. Bd. 69 S. 281, Bd. 76 S. 323, 22. Rov. 1910 und 9. Jari. 1919>

WarnE. 1911 Nr. 64, 1919 Nr. 53, OLG. Kolmar, 11. Juni 1912, LZ. 1912 Sp. 251).

Über die Frage, inwieweit hinsichtlich der Anwendbarkeit des 8 254derBerletzte für ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters oder der für ihn handelnden HilsSpersonen einzustehen hat, s.Bem.2,ezu8254, Bem.6,ä zu 8 831 und die dort erwähnten Schriftsteller und Entscheidungen, ferner I. Kahn, Kulpa-

kompensation und Gehilfenhaftung, ArchBürgR. Bd. 34 S. 350 ff. über die Frage, inwieweit die Erfüllung einer sittlichen Pflicht ein Verschulden

im Sinne deS 8 254 auSschließt, s. RG., 16. Sept. 1907, IW. 1907 S. 673ff.; über die Umkehrung der Beweislast, falls der Verletzte sich weigert, sich ärztlicher Behandlung in einer geschlossenen Anstalt zu unterziehen, s. RG., 13. Febr. 1905, RGZ. Bd. 60S. 147ff.; über Verschulden bei Verweigerung eines operativen Eingriffs seitens des

Verletzten s. Bem. 2, ä, st zu 8 254, Borbem. V, 1, c, vor 8 611 und die dort er­ wähnten Schriftsteller und Entscheidungen, RG., 20. Nov. 1911, WarnE. 1912 Nr. 63 (ob der Verletzte verpflichtet ist, sich einer Operation zu unterziehen, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab; maßgebend ist insbesondere die Art des Leidens, die Schwere und

Gefährlichkeit der Operation und die mehr oder minder sichere Aussicht auf Erfolg), RG.,

27. Juni 1913, RGZ..Bd.83 S. 15 ff. (das freie Selbstbestimmungsrecht des Verletzten über seinen Körper muß seine Grenze finden, wo sich seine Ausübung lediglich als Eigensinn oder

25. Titel. Unerlaubte Handlungen. Vordem. (VIIB, C, D1—4, E1,2)

1757

als rücksichtslose, selbstsüchtige Ausnutzung der Haftung des Schadensersatzpflichtigen dar­ stellt; soll dem Verletzten die Verweigerung der Zulassung der Operation als Verschulden angerechnet werden, so muß die Operation gefahrlos und nicht mit nennenswerten Schmerzen verbunden sein; sie muß ferner mit Sicherheit eine beträchtliche Besserung der Leistungs­ fähigkeit des Verletzten erwarten lassen; der Ersatzpflichtige muß sich endlich bereit erklärt haben, die Operation auf seine Kosten ausführen zu lassen, oder die Kosten hiefür vorzu­ schießen), KG-, 12. Juni 1914, RIA. Bd. 14 S, 95 ff. (Verpflichtung des Vaters, sein Kind

operieren zu lassen)*). Über das Verhältnis der §§ 927—829 zu § 254 s. Vordem. 4 vor § 827.

B. über den Grundsatz der Borteilsausgleichung (compensatio lucri cum damno) s. Vordem.III, 3 vor §§ 249ff., Sb.II1 S. 121 ff. und die dort erwähnten Schriftsteller, Bem. 3 zu § 843, Bem. V, 3, d, st zu 8 844. über Berechnung des Schadens, wenn der Käufer eines Grundstücks von einem Dritten arglistig getäuscht worden ist, s. RG.,20. Sept. 1905, RGZ. Bd. 61 S. 250 ff. über Borteilsausgleichung bei Ausfall einer Hypothek in Verbin­ dung mit dem Erwerb des Grundstücks s. RG., 28. Okt. 1912, IW. 1913 @.25ff.; hinsichtlich beweglicher Sachen s. RG., 13. Jan. 1916, IW. 1916 S. 400 ff., hinsichtlich Forderungen s. RG., 18. Mai 1917, IW. 1917 S. 812 ff. C. Die Haftung für eine unerlaubte Handlung, die der eine Teil dem anderen zufügen könnte, kann durch (ausdrückliche oder stillschweigende) Vereinbarung ausgeschlossen werden, gleichviel, ob es sich um die Haftung für ein schuldhaftes Verhalten oder um eine bloße Gefährdungshaftung handelt, soweit nicht anderweitige gesetzliche Bestimmungen (s. z. B. 8 276 Abs. 2) entgegenstehen (RG., 13. Okt. 1910, GruchotSBeitr. Bd. 55 S. 344, und 10. Juni 1911, IW. 1911 S. 714). Bon besonderer Bedeutung ist dies für die Haftung des Tierhalters (f. Bem. 10, d zu 8 833).

D. Besondere Bestimmungen enthalten:

1. 8 842 hinsichtlich aller gegen die Person gerichteten unerlaubten Handlungen; 2. die §§ 843—847 hinsichtlich gewisser gegen die Person gerichteter unerlaubter Handlungen (Verletzung deS Körpers oder der Gesundheit, Tötung, Freiheitsentziehung); 3. die 88 848—851 hinsichtlich der durch eine unerlaubte Handlung erfolgten Ent­ ziehung oder Beschädigung einer Sache.

4. S. auch 88 829 und 836 Abs. 1 Satz 2. E. Die Klage auf Unterlassung **).

1. über den Anspruch auf Unterlassung im allgemeinen s.Bd.IIBem.5 zu 8 241 und Bem. 2, a und c, a zu 8 249; hinsichtlich der Klage auf Unterlassung auf Ärund deS 8 1004 s. Bd. IIP Bem. l,e und 2,g zu 8 1004. 2. An dieser Stelle ist nur die Frage zu behandeln, ob und unter welchen Voraus­ setzungen aus einer unerlaubten Handlung eine Klage auf Unterlassung erwächst. Das Gesetz selbst erwähnt in diesem Titel den Anspruch auf Unterlassung nicht. *) Vgl. auch Wilhelm, Operationsrecht des Arztes und EinwMgung des Patienten in der Rechtspflege, Berlin (Adler-Verlag), 1912. **) Vgl. hiezu Oertmann, Vordem. 4 vor 8 823, Planck Bem. IV, 2 zu K 823, RGRK. Vordem. 6 vor 8 823, Enneccerus 8 465, Dernburg II, 2 8 388, a, Gierke 8 215, III, Staub, HGB. Anhang zu 8 346 Sinnt. 13ff„ JonaS, ZPO. Anm. 97ff. vor 8 253; an Einzelschriften s. insbes. Mannhardt, Der Unterlassungs­ anspruch bei den absoluten Rechten, DIZ. 1903 S. 416ff.; Oertmann, Unterlassungs­ ansprüche aus unerlaubten Handlungen, ebenda 1904 S. 616ff.; Lau, Der Unterlassungs­ anspruch aus den 88 823ff. BGB., GruchotSBeitr. 1903 S. 497ff.; P. Eltzbacher, Die Unterlassungsklage, Berlin 1906; H. Lehmann, Die Unterlassungspflicht im bürgerl. Recht, München 1906; A. Stephan, Die Unterlassunasklage, München 1908 S. 138ff.; Fuld, Unterlassungsklage und Schadensersatzklage, SächsArch.Bd. 12S.257ff.; A.Rosen­ thal, Die Wiederholungsgefahr als Voraussetzung der Unterlassungsklage, LZ. 1910 Sp. 588ff.; derselbe. Das Anwendungsgebiet der Unterlassungsklage, ebenda 1912 Sp. 608ff.; M. Lesser, Die Unterlassungsklage bei unerlaubter Handlung, ArchBürgR.

1768 »ertem. (VII E 2) VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse. DaS Reichsgericht (Urt. vom 11. April 1901, RGZ. Bd. 48 S. 114ff.) will eine solche Klage „wenigstens" da gewahren, wo ein unerlaubtes Verhalten bereits verwirklicht wurde, aber weitere Eingriffe zu besorgen sind, wo mit der Klage die Fortsetzung oder Voll­

endung der verübten bzw. begonnenen Schädigung verhütet werden soll; s. auch RG,

11. Nov. 1902, IW. 1903 Beil. S. 11 ff., 10. Juli 1902, IW. 1902 Beil. S. 264 ff., 20. Juli 1902, „Recht" 1903 S. 79 Nr. 327, 14. Dez. 1902, RGZ. Bd. 56 S. 271 ff., 21. Okt. 1904, 18. Jan. upd 3. März 1905, IW. 1905 S. 20, 174, 239, 2. Jan. 1905, RGZ. Bd. 60 S. 2,

und 5. Jan. 1905, RGZ. Bd. 60 S. 7 ff. Die letzterwähnte Entscheidung will sogar in ent­ sprechender Anwendung der §§ 12, 862, 1004 auch bei lediglich objektiv wider­

rechtlichen Eingriffen in gesetzlich geschützte Rechte (ohne subjektives Verschulden)

eine Klage auf Unterlassung als actio quasi negatoria zulassen, wenn weitere Eingriffe zu besorgen find (s. auch RG., 16. Okt. 1905, RGZ. Bd. 61 S. 369, 29. Nov. 1906 und 9. Juli

1907, IW. 1907 S. 48, 505, 14. Jan. 1908, IW. 1908 S. 133 ff., 22. April 1909, „Recht"

1909 Nr. 1773, 25. Okt. 1913, SeuffA. Bd. 69 Nr. 105, 23. Okt. 1914, IW. 1915 S. 29 ff.). Nach RG., 15. März 1913, RGZ. Bd. 82 S. 59 ff. (S. 62) kann sich die Erweiterung der abwehrenden Eigentumsklage auf die in den Vorschriften über die unerlaubten Handlungen

geschützten Rechtsgüter und rechtlichen Interessen nicht auf die in §§ 823 Abs. 1 und 824 Bd. 38 S. 102ff.; H. Jakobsohn, Die Unterlassungsllage, Berlin 1910 (s. hierüber H. Lehmann in ZHR. Bd. 76 S. 309ff.); W. v. Blume, Unterlassungsanspruch und Unterlassungsklage (Festgabe für K. Güterbock, Berlin 1910 S. 383ff.); A. Rosenthal, Die Unterlassungsklage, München, Berlin und Leipzig 1916 (s. hiezu H. Lehmann,in IW. 1916 S. 1453ff.); Delius, Gibt eS eine Klage auf Unterlassung, wenn die zu unter­ sagende Handlung durch ein Strafgesetz unter Strafe gestellt ist? IW. 1913 S. 6ff.; Fr. Schmitt, Unterlassungsklage und Strafverfolgung bei unlauterem Wettbewerb, ebenda S. 669ff.; H. Teich, Zur Frage der Klage auf Unterlassung unerlaubter Hand­ lungen, IW. 1914 S. 612ff.; A. Weinmann, Unzulässigkeit der Klage auf Unterlassung einer unter öffentliche Strafe gestellten Handlung?, ebenda S. 1007ff.; A. Rosenthal, Unterlassungsllage, öffentliche Strafandrohung und Wiederholungsgefahr, IW. 1915 S. 113ff.; A. Weinmann, Unterlassungsklage trotz öffentticher Strafandrohung?, ebenda S. 212ff.; Recken, Unterlassungsklage und öffentliche Strafandrohung, ebenda S.271 ff.; A. Rosenthal, Unterlassungsllage, öffentliche Strafandrohung und Wiederholungs­ gefahr, ebenda S. 299ff.; derselbe, Unterlassungsllage und öffentliche Strafandrohung, LZ. 1913 Sp. 899ff.; derselbe, Die Wiederholungsgefahr als Voraussetzung für die Unterlassungsklage, LZ. 1916 Sp. 456ff.; derselbe, Wahrung berechtigter Interessen und Unterlassungsklage, ebenda S. 997ff.; derselbe, Die Behandlung der Unterlafsungsllage in der Rechtsprechung des VI. ZS. des RG., LZ. 1918 Sp. 431 ff.; derselbe, Wann schließt eine öffentliche Strafandrohung die Unterlassungsllage aus? M. u. W. Bd. 14 S. 104ff.; R. Ulrich, Der Unterlassungsanspruch aus obligatorischen Rechtsverhältnissen nach geltendem Recht, JheringsJ. Bd. 64 S. 161 ff., insbes. S. 224ff.; Neukamp, Ist eine Unterlassungsllage zwecks Abwehr drohender strafbarer Handlungen zulässig? (Fest­ schrift für Zitelmann), München und Leipzig 1913; G. Meikel, Die Klage auf Unter­ lassung künftiger Beeinträchtigungen nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts, DRichtZ. 1915 S. 318 ff.; Finger, Die Unterlassungsklage gegenüber strafrechtlich verbotenen Hand­ lungen, IW. 1919 S. 564ff.; A. Rosenthal, Bestebt eine Notwendigkeit, fortan die Unterlassungsklage trotz öffentticher Strafandrohung (uno Wahrung berechtigter Interessen) zu gewähren? IW. 1920 S. 245ff.; derselbe, Einstweilige Verfügungen gegen "das Ver­ breiten eines beleidigenden Flugblatts? LZ. 1920 Sp. 673ff.; M. Salinger, DieUnterlassungsklage nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts, GruchotsBeitr. Bd. 64 (5. 263 ff.; derselbe, LZ. 1919 Sp. 1153, 1206; Flad, Bon der Unterlassungsklage, insbesondere im Gebiet der unerlaubten Handlungen, JheringsJ. Bd. 70 S. 336ff.; A. Rosenthal, Die sog. „wiederherstellende" Unterlassungsklage, LZ. 1921 S. 741 ff.; derselbe, IW. 1922 S. 591 ff. zu Nr. 3 und S. 595ff. zu Nr. 8; Riezler, Ersatz immateriellen Schadens auf Grund der §§ 823 Abs. 2 und 826 BGB., „Recht" 1922 S. 166ff.; Mayer, Bon der Unterlassungsklage, „Recht" 1924 S. 433; Fuchs, Die Verstümmelung der Unterlassungs­ llage, IW. 1925 S. 30; Rosenthal, Die Unterlassungsllage und der 6. Zivilsenat des Reichsgerichts, IW. 1925 S. 575; Schramm, Unterlassungsklage und Rechtsschutzinteresse,. DIZ. 1925 S. 1630; du Chesne, Negatorium-, Eigentumsfeststellungs- und Unter­ lassungsklage, LZ. 1927 Sp. 1328s.; Bartelt, Die zivilrechtliche Behandlung der ehrund kreditverletzenden Mitteilungen, die zur Wahrnehmung berechtigter Interessen dienen, GruchotsBeitr. Bd 69 S. 437 ff., 458 ff.

25. Titel. Unerlaubte Handlungen.

Boede«. (VII E 2)

1759

aufgeführten Rechtsgüter beschränken; „sie muß an sich auch Platz greifen, wo es sich um den durch ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. vermittelten Schutz eines Rechts­ guts handelt"; daher sei auch die Ehre der Person, soweit sie durch die Schutzgesetze der 88 185 ff. StGB, rechtlich geschützt sei, als ein geschütztes Rechtsgüt im Sinne der früheren Entscheidungen cm-usehen; das güt insbesondere im Falle des § 192 StGB, auch für die Behauptung und Verbreitung wahrer Tatsachen (abweichend von RG., 3. Okt. 1912, IW. 1913 S. 35). Während die Anschauung des Reichsgerichts mehrfach Billigung gefunden hat (vgl. Mannhardt a. a. O., Planck Bem. IV, 2zu § 823, RGRK. Vordem. 6, Enneccerus § 465,1, Mar­ kus im „Recht" 1901 S. 426, E. Jung in JheringsJ. Bd. 69 S. 140 Anm. 1, Flad a. a. O., OLG. Dresden, 19. Okt. 1900, OLG. Bd. 2 S. 482 ff., OLG. Celle, 5. Mai 1902 und 19. Jan. 1907, OLG. Bd. 5 S. 239 ff., Bd. 14 S. 430 ff., OLG. Hamburg, 21. Juni 1902 und 18. März 1904, „Recht" 1903 S. 79 Nr. 321,1904 S. 447 Nr. 1814, OLG. Dresden, 18. Mai 1906, „Recht" 1906 S. 1260 Nr. 3029, und 15. Juni 1906, DIZ. 1907 S. 1091 ff., OLG. Karlsruhe, 23. Dez. 1905, „Recht" 1906 S. 802 Nr. 1925, OLG. Köln, 13. Sept. 1906, „Recht" 1906 S. 1194 ff. Nr. 2830, OLG. Frankfurt a. M., 23. Febr. 1906 und 9. März 1906, „Recht" 1906 S. 1195 Nr. 2831-2833, KG., 15. Jan. 1907, „Recht" 1907 S. 378 ff. Nr. 757, OLG. Hamburg, 8. Febr. 1910, OLG. Bd. 20 S. 258, OLG. Jena, 4. Jan. 1909, SeuffA. Bd. 65 Nr. 167, OLG. Breslau, 8. Febr. 1912, OLG. Bd. 28 S. 272, OLG. Braun­ schweig, 13. März 1914, OLG. Bd. 28 S. 274 ff., OLG. Hamburg, 6. Juli 1915, OLG. Bd. 32 S. 244; s. auch Fuld in GruchotsBeitr. Bd. 47 S. 373, Kohler in GoltdArch. Bd. 47 S. 154), wird sie von andererSeite,so von Lau a. a. O., Salinger a. a. O. und insbesondere von Oertmann a. a. O. und Vordem. 4 als zu weitgehend bekämpft (s. auch Biberfeld in GruchotsBeitr. Bd. 42 S. 372, 378, 387, RGRK. Vordem. 6, III, a, Blume a. a. O. ©.383 ff., Ulrich a.a.O. S.227ff., OLG. Stuttgart, 30. Nov. 1912, OLG. Bd.27 @.181 ff.). Lesser a. a. O. schließt sich im allgemeinen Oertmann an, will aber schon die Androhung einer unerlaubten Handlung als Verletzung eines rechtlich geschützten Interesses betrachtet wissen. Mit Recht führt Oertmann aus, daß unterschieden werden muß, ob die unerlaubte Handlung der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft angehört. Liegt die unerlaubte Handlung bereits abgeschlossen vor, ohne daß eine Wiederholung zu be­ fürchten ist, so ist für eine Unterlassungsklage kein Raum; ist die unerlaubte Handlung erst für die Z u k u n f t zu befürchten, so ist eine Unterlassungsklage nur insoweit begründet, als sie das Gesetz bei drohenden Angriffen gegen absolute Rechte ausdrücklich für zu­ lässig erklärt (vgl. §§ 12, 862, 1004, 1017, 1029, 1053, 1065, 1068, 1090, 1134, 1227). Gehört dagegen die unerlaubte Handlung der Gegenwart an (so insbesondere bei Dauer­ delikten), so kann allerdings Unterlassung der schädigenden Handlung begehrt werden, jedoch lediglich insofern, als hiemit Wiederherstellung (8 249) begehrt wird (ebenso OLG. Stuttgart, 30. Nov. 1912 und 7. Okt. 1913, OLG. Bd. 27 S. 181 ff., Bd.28 S. 271). Es kann daher (beim Borliegen einer unerlaubten Handlung; vgl. Bem. II, A, 2, d ju § 823, Bem. 3, e, d zu § 826) geklagt werden auf Unterlassung des Bordellbetriebs im Nachbaranwesen (RG., 9. April 1904, RGZ. Bd. 57 S. 242, OLG. Karlsruhe, 26. April 1901, SeuffA. Bd.56 Nr. 199, und 25. Febr. 1903, „Recht" 1903 S. 527 Nr. 2655, OLG. Kolmar, 28. Juni 1901, DIZ. 1903 S. 348, und 10. Okt. 1902, OLG. Bd. 5 S. 387 ff., OLG. Celle, 27. Mai 1903, SeuffA. Bd. 60 Nr. 11, OLG. Dresden, 2. März und 18. Okt. 1905, „Recht" 1906 S. 1195 Nr. 2837), auf Unterlassung der Ausstellung einer beleidigenden Photographie (vgl. Blume im „Recht" 1903 S. 117, OLG. Hamburg, 20. Nov. 1900, OLG. Bd. 2 S. 313 ff.), auf Unter­ lassung kreditschädigenden Verhaltens (OLG. Dresden, 19. Okt. 1900, OLG. Bd. 2 S. 482 ff.), auf Unterlassung der Störung der Nachtruhe durch Hundegebell oder Klavierspiel u. dgl., aber nur um deswillen, weil die Unterlassung der Störung in solchen Fällen als geeignetes Mittel erscheint, den bereits eingetretenen schädi­ genden Zustand der Beunruhigung oder Berwertungsbeschränkun g zu beseitigen und den früheren Zustand wieder herzustellen (Oertmann

1760 BorWtm. (VII ES, 4) VII. Abschnitt. Einzelne SchuldverhSltnisse. a. a. O. S. 622 ff.; nach Blume a. a. O. S. 392 ff. soll Wiederherstellung durch Unterlassung überhaupt unmöglich sein; ähnlich Rosenthal, Unterlassungsllage S. 46,. weil sich die Unter-

lassungSklage begriffsnotwendig gegen

zukünftige Beeinträchtigungen wende,

und Flad

o. a. O. S. 340: „eine Klage auf Unterlassung wird stets nur künftiges Verhalten ver­ langen und erzielen können"). Eine nicht unwesentliche Einschränkung gegenüber dem früher vom Reichsgericht ein­

genommenen Standpunkte enthält übrigens das Urteil vom 28. Sept. 1911, RGZ. Bd. 77 S. 219; hienach ist Voraussetzung bet Unterlafsungsklage, daß durch eine vorausgegangene unerlaubte Handlung des Beklagten ein den Kläger dauernd schädigender Zustand geschaffen

wurde, daß eine Wiederholung des Eingriffs ernstlich zu befürchten ist und daß in dem Eingriffe der volle objektive und subjektive Tatbestand derunerlaubten

Handlung erfüllt ist.

Nach RG., 8. März 1916, IW. 1916 S. 739 jtomme allerdings

diesem Urteile nicht die ihm hier beigelegte Bedeutung zu, da der VI. Senat in früheren und späteren Urtellen weniger strenge Erfordernisse aufgestellt und die Unterlassungsllage auch beim Borliegen nur objektiv rechtswidriger Eingriffe zugelassen habe; nach RG., 25. Okt.

1913, SeuffA. Bd. 69 Nr. 105 habe das Urteil vom 28. Sept. 1911 nicht die vorbeugende (quasinegatorische), sondern die auf Wiederherstellung gerichtete Unterlassungsllage im Auge:

vgl. auch Neukamp in IW. 1915 S. 115 ff. und gegen ihn Rosenthal ebenda S. 300. Nach RG., 17. Febr. 1921, RGZ. Bd. 101 S. 339 ff. soll ferner zur Unterlassungsllage nicht erforderlich sein, daß der drohende widerrechtliche Eingriff „vollständig verwirklicht" ist,

die Klage sei vielmehr schon dem drohenden erstmaligen Eingriff gegenüber zu gewähren; ob und unter welchen Umständen schon gegenüber dem Drohenden ersten Eingriff in ein ge­ schützte- RechtSgut die vorbeugende Unterlassungsklage statthaft sei, müsse „nach den Um­

ständen deS Einzelfalles" beurteilt werden, über da- Erfordernis der Gefahr vermögens­ rechtlicher Schädigung f. OLG. Dresden, 28. Mai 1909, OLG. Bd. 20 S. 259 ff.

3. In den Fällen des 8 824 Abs. 2 kann mangel- Borli^gens einer unerlaubten Handlung ebensowenig wie aus Schadensersatz auf Unterlassung geklagt werden, (and. Ans. da- Reichsgericht; vgl. Bem. 7, d zu 8 824 und die dort erwähnten Schriftsteller und Ent­

scheidungen).

4. Wiederholungsgefahr. Voraussetzung der Unterlassungsllage auf Grund meiner unerlaubten Handlung ist die Wiederholung-gefahr, d. h. die Wahrscheinlichkeit, daß der verletzende Eingriff wiederholt werde, da andernfalls keine Besorgnis künftiger Störung,

keine Beunruhigung, folglich auch keine Fortdauer des schädigenden Zustandes vorliegt (für die Fälle, in welchen die UnterlassuingSllage wegen Verletzung absoluter Rechte gewährt ist,

-wird die „Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen" oder „Störungen" vom Gesetz ausdrück­

lich gefordert; s. § 12 Satz 2, § 862 tos. 1 Satz 2, 8 1004 tos. 1 Satz 2). Darüber herrscht im Schrifttum und in der Rechtsprechung wohl allseitige- Einverständnis (vgl. Rosenthal,

Unterlassungsllage S. 46 ff. und die dort erwähnten Schriftsteller und Entscheidungen, Ulrich a. a. O. S. 254 ff., RGRK. Vordem. 6, H, RG., 1. Mai 1911, SeuffBl. Bd. 76

S. 665 ff., 21. Dez. 1911, IW. 1912 S. 293, 29. Jan. 1912, RGZ. Bd. 78 S. 212 ff., 15. März

1913, RGZ. Bd. 82 S. 63, 21. Juni 1913, WarnE. 1913 Nr. 416, 15. Jan. 1920, RGZ. Bd. 98 S. 40, OLG. Hamburg, 6. Juli 1915, und OLG. Hamm, 10. März 1916, OLG. Bd. 32 ) zu 8 852.

8 828.*)

Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines Anderen widerrechtlich verletzt, ist dem Anderen zum Ersätze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines Anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalte des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein. E. I. 704; II, 746 Abs. 1, 747; III, 807.

♦) Th. Kipp, über den Begriff der Rechtsverletzung (Bd. II S. 3ff. der Berliner Festgabe für O. Gierke, Breslau 1910); W. Schaufuß. Die Verletzung des Eigentums oder eines sonstigen Privatrechts eines anderen nach 8 823 BGB., Bonner Jnaug.-Diss., Köln 1899; L. Schönfeld, Zum 8 823 BGB., Münchner Jnaug.-Diss., München 1899; W. Ide, Der Begriff des „sonstigen Rechts"" im 8 823 Abs. 1 d. BGB. f. d. Deutsche Reich, Greifswalder Jnaug.-Diss., Greifswald 1900; M. Göring, Ist die fahrlässige Täuschung eine unerlaubte Handlung im Sinne des BGB. 8 823 Abs. 1? Freib. Jnaug.-Diss., München 1900; M. Luthardt, Die Grundlagen der Haftpflicht aus 8 823 BGB., Jnaug.-Diss., Saalfeld 1900; H. Boß, Der Schadensersatzanspruch aus 8 823 Abs. 2 des BGB., Freib. Jnaug.-Diss., Berlin 1901; G. Beling, Erläuterung des 8 823 Abs. 2 des BGB. f. d. Teutsche Reich, Jen. Jnaug-Diss., Jena 1904; G. Detmold, Der Begriff des Schutzgesetzes, Festschrift der Göttinger Jur. Fak. für Regelsberger, Leipzig 1901 S. 317 ff.;

25. Titel. Unerlaubte Handlungen.

823 1769

Inhaltsübersicht.

„Andere", Rechte oder Rechtsgüter eines A. n, A; Ansteckung durch Geschlechtsverkehr II, A, 2, b; II, B, 5 Abs. 6; Arbeitskraft II, A, 2, e, ß; II, A, 2, f; Arzt II, C, 1 Abs. 12; s. auch Operation; Automobil II, C, 1 Abs. 10; Bedingte Rechte II, A, 2, k; Befehl, bindender II, B, 6; Beleidigung, §§ 185 ff. StGB. Schutzgesetze III, A, 2, c, a; Berechtigte Personen IV, a; Bbfitz II, A, 2, e, a, ßß; Beweis der Notwehr II, B, 2, f; B. des Not­ standes II, B, 3, c; B. der Widerrechtlich­ keit II, B, 5 Abs. 4; B. des Verschuldens II, C, 2; III, C Abs. 6; B. deS ursächlichen Zusammenhangs II, D, e; III, D Abs. 2: Primafaciebeweis II, C, 2 Abs. 1; Bewußtsein der Rechtswidrigkeit II, C Abs. 2; Bild, Recht am eigenen Bild II, A, 2, g; Bindender Befehl II, B, 6; Bordellbetrieb II, A, 2, d Abs. 1; II, B Abs. 1; Briefe, Recht an B. II, A, 2, h; Diebstahl II, A, 2, d Abs. 1; Dienstbarkeiten II, A, 2, e, a, aa; Ehebruch II, A, 2, e, a, N; Ehre II, A, 2, e, y; Eigentum II, A, 2, d; geistige- E. II, A, 2, e, o, 88; Einwilligung des Verletzten II, B, 6; Einwirkung auf die Sache II, A, 2, d Abs. 1; Elektrische Anlagen II, C, 1; Elterliche Gewalt II, A, 2, e, a, N; Entstehungsgeschichte II, A, 2; Erbbaurecht II, A, 2, e, a, aa; Ersatzberechtigter IV, a; Fahrlässigkeit II, C; HI, C; Familienrechte II, A, 2, e, a, N;

Familienstandsrechte II, A, 2, e, a, yy; Firmenrecht II, A, 2, e, a, yy; Fischereirecht II, A, 2, e, a, ee; Forderungsrechte II, A, 2, e, 8; Freiheit II, A, 2, c; Gegenstand der Verletzung II, A, 2; Geheimsphäre II, A, 2, i; Geistige Gesundheit II, A, 2, b; Gemeingebrauch öffentlicher Sachen II, A, 2, e, a, ee; Geschäftsfähigkeit bei der Einwilligung des Verletzten II, B, 5 Abs. 4; Geschäftsführung ohne Auftrag II, B, 7; Geschlechtsverkehr, Ansteckung durch G. II, A, 2, b; II, B, 5 Abs. 6; Gesundheit II, A, 2, b; Gewalt, elterliche II, A, 2, e, a, N; Gewerbebetrieb II, A, 2, e, ß Abs. 1, 2; Glatteis, Sandstreuen bei G. II, C, 1 Abs. 7; Grundsätzliche Regelung I; Grundschuld II, A, 2, e, a, aa; Handeln, positives II, A, 1; III, A, 1; Hausbesitzer, Haftung des H. II, C, 1 Abs. 6; Inhalt des Schadensersatzanspruchs V; Internationales Privatrecht VIII; Irrenanstalt, Unterbringung in einer I. II, A 2 c• Irrtum II, C, 4; HI, C Abs. 4; Jagd, Fahrlässigkeit bei Ausübung der I. II, C, 1 Abs. 12; Jagdpolizeiliche Vorschriften II, B, 1; Jagdrecht II, A, 2, e, a, ee; Kausalzusammenhang II, D; III, D; adäqua­ ter K. II, D, b; Kinematograph II, A, 2, g Abs. 3; Körperverletzung II, A, 2, b; K. mit Todes­ folge II, A, 2, a; Kraftfahrzeug II, C Abs. 10; Kurpfuscher II, C, 1 Abs. 12; Landesrecht VIII;

Fr. Wündisch, Die Schutzgesetzbestimmung in § 823 Abs. 2 BGB., Straßb. Jnaug.-Diss., Straßburg 1905; R. Bauer, Der Begriff des Schutzgesetzes in § 823 Abs. 2 BGB., Frankfurt a.M. 1907; Schmölder, Die Haftung der Wirte für Unfälle ihrer Gäste, DIZ. 1905 S. 829ff.; Brückner, Die Haftung derjenigen, welche die ihrer Beifügung unterstehenden Räume dem öffentlichen Verkehr gewidmet haben, für die ordnungsmäßige und verkehrssichere Beschaffenheit dieser Räume, „Recht" 1905 S. 329 ff., 353 ff.; E.Riezler, Arbeitskraft und Arbeitsfreiheit in ihrer privatrechtlichen Bedeutung, ArchBürgR. Bd. 27 S. 219ff.; E. Josef, Bemerkungen zur Lehre von der Haftung für die Verkehrssicherheit von privaten und Berufsräumen, GruchotsBeitr. Bd. 52 S. 525 ff.; R. S ch u l z - S ch ä f f e r. Das subjektive Recht im Gebiet der unerlaubten Handlung, 1. Bd., Marburg 1915, insbes. S. 109ff.; M. Salinger, Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebe, GruchotsBeitr. Bd. 62 S. 289ff.; A. Rosenthal, Das Recht am eingerichteten und auSgeübten Gewerbebetriebe, ebenda Bd. 63 S. 715 ff.; Diem ah r. Formungültiger Lehr­ vertrag und § 823, BayZ. 1927 S. 226 f.; Zeiler, Sport und Körperverletzung, DIZ. 1926 Sp. 1603ff.; Hofacker, Sport und Körperverletzung, DIZ. 1927 Sp. 454f.; Bartelt, Die zivilrechtliche Behandlung der ehr- und kreditverletzenden Mitteilungen, die zur Wahrnehmung berechtigter Interessen dienen, GruchotsBeitr. Bd.69 S. 437,458 ff.; Lehmann, Formungültiger Lehrvertrag und § 823 BGB., BayZ. 1926 S. 226; Schaudt, 8 21 PreßG. ein Schutzgesetz i. S. des § 823 Abs. 2 BGB., LZ. 28 Sp. 949. Vgl. auch die in Note ♦ zur Vorbemerkung dieses Titels erwähnten Schriftsteller, insbesondere A. Lobe, Der unlautere Wettbewerb als Rechtsverletzung nach dem BGB. und den Nebengesetzen, Leipzig 1907 S. 140 ff.

1770 888 (I, il A 1)

VII. Abschnitt. Einzelne SchuldverhSltnisse.

Leben, Verletzung des L. II, A, 2, a; Leibesfrucht II, A; Luftschiffahrt II, C, 1 Abs. 11; Mieter II, C, 1 tos. 6; Militärhoheitsrecht II, A, 2, e, ß Abs. 3; Mitwirkendes Verschulden des Verletzten II, B, 5 Abs. 4, 6; II, C, 1 Abs. 4; II, C, 6; II, D, d; HI, C Abs. 5; Namensrechte II, A, 2, e, a, yy; Nötigung II, B, 6; Notstand II, B, 3; Beweis des N. II, B, 3, c; Notwehr II, B, 2; Überschreitung der N. II, B, 2, d; Putativnotwehr II, B, 2, e; Be­ weis der N. II, B, 2, f; Öffentliche Sachen, Gemeingebrauch an ö. S. II, A, 2, e, a, ee; Operation II, B, 7; s. auch Arzt; Pächter H, C, 1 Abs. 6; Persönlichkeitsrechte II, A, 2, e Abs. 3; Pfandrecht II, A, 2, e, a, aa; Pfändung nicht dem Schuldner gehöriger Sachen II, A, 2, d Abs. 3; Primafacie-Beweis n, C, 2; Privatrecht, internationales VIII; Prozeßneurose II, D, b tos. 2; Radfahrer II, C, 1 Abs. 9; Reallasten II, A, 2, e, a, aa; Recht, „sonstiges" II, A, 2, e; eigenes R. n, B, 1; absolute Rechte II, A, 2, e, a; dingliche Rechte II, A, 2, e, a, aa; bedingte Rechte II, A, 2, k; R. am eigenen Bm>e II, A, 2, g; R. an Briefen II, A, 2, h; Rechtsgüter H, A, 2, e Abs. 3; Rechtsirrtum II, C, 4; Rechtswidrigkeit II, B; III, B; Bewußtsein der R. II, C Abs. 2; Rentenschuld II, A, 2, e, a, aa; Sachbeschädigung II, A, 2, d Abs. 1; Sandstreuen bei Glatteis II, C, 1 Abs. 7; Schutzgesetz III, A, 2; Seelische Einwirkung II, A, 2, b; Selbsthilfe II, B, 4; „Sonstiges" Recht II, A, 2, e; Spiel, Verletzung beim Sp. II, B, 5 Abs. 6;

Sport, Verletzung beim Sp. II, B, 5 Abs. 6; StatuSrechte II, A, 2, e, a, yy; Totschlag II, A, 2, a; Tötung II, A, 2, a; Treppenbeleuchtung II, C, 1 Abs. 8; Übergangsfragen VIII; Umfang des Schadens II, D, c; U. des Scha­ densersatzanspruchs V; Unmittelbar Verletzter IV, a; Unterlassung, Verletzung durch U. II, A, 1; III, A, 1; Unterschlagung II, A, 2, d tos. 1; Urheberrecht II, A, 2, e, a, bb; Ursächlicher Zusammenhang n, D; m, D; BeranlassungSprinzip II, C tos. 1; Verhältnis des Abs. 1 zu Abs. 2 VI; B. des Anspruchs aus § 823 zu Ansprüchen aus anderem Rechtsgrund und zu § 839 VH; Verkehr, Sicherheit des B. n, C, 1 Abs. 2,3; Verletzter, Einwilligung des B. s. mitwir­ kendes Verschulden; Verletzung von Rechten oder Recht-gütern II, A; Vermögen II, A, 2, e, e; Verschulden II, C; III, C; s. auch mitwirkendeS B.; BerschuldungSgrundsatz II, C Abs. 1; Versteigerung nicht dem Schuldner gehöriger Sachen n, A, 2, d Abs. 3; Verstoß gegen ein Schutzgesetz III, A; Verursachung II, v; III, v; adäquate B. n, D, b; Voraussehbarkeit des Schadens II, C, 1 Abs. 2; Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs nach § 823 Abs. 1 II; nach Abs. 2 HI; Vorkaufsrecht II, A, 2, e, a, aa; Vorsatz II, C; III, C; Wassergebrauchsrecht II, A, 2, e, a, ee; Widerruflichkeit II, B; m, B; Züchtigung-recht n, B, 1; Zurückbehaltungsrecht II, A, 2, e, a, ßß; Zusammenhang, ursächlicher II, D; III, D; adäquater Z. II, D, b; Zweikampf II, B, 6 Abs. 5.

I. Grundsätzliche Regelung. § 823 Abs. 1 knüpft die Verpflichtung zum Schadens­ ersatz an die schuldhafte widerrechtliche Verletzung gewisser Rechts­ güter und Rechte eines anderen, § 823 Abs. 2 an den schuldhaften Derstotz gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz. § 823 Abs. 1 entspricht im wesentlichen dem zweiten, § 823 Abs. 2 dem ersten Absätze des § 704 C. I (vgl. Vordem. II, 2). Wer das Verhältnis des Abs. 1 zu Abs. 2 s. unten Bem. VI. Wer die Entstehungsgeschichte des 8 823 s. Vor­ dem. II, 2 sowie unten Bem. II, A, 2 und III, A, 2. II. Voraussetzungen der Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 1. A. Verletzung gewisser Rechtsgvter oder Rechte eines anderen. Der »andere" kann nur eine natürliche oder juristische Person sein, nicht dagegen eine Leibesfrucht (OLG. München, 23. Roo. 1911, OLG. Bd. 24 S. 43). 1.*) Die Verletzung kann nicht nur durch positives Handeln, sondern auch durch Unterlassung begangen werden, was insbesondere für die Fälle der fahrlässigen Rechtsverletzung (s. unten unter 0,1) von Bedeutung ist (SR. 11,727); eine Unterlassung ist aber nur widerrechtlich (s. unten unter B), wenn die Vornahme der unterlassenen *) Pgl. L. Träger, Das Problem der Unterlassungsdelikte im Straf- und Zivil­ recht (Festgabe der Marburger Jur. Fak. für L. Enneccerus), Marburg 1913 S. 5 ff., 113 ff.

26. Titel. Unerlaubte Handlungen.

838 (II A 2) 1771

Handlung durch Rechtspflicht geboten war; vgl. RGRK. Bem. 10, Dernburg § 383, VII, Planck Bem. II, 2, Hellbach im „Recht" 1904 S. 100 ff., Nissen ebenda S. 162, RG., 30. Okt. 1902, RGZ. Bd. 52 S. 373 ff. (Schadensersatzpflicht des Besitzers eines morschen Baumes), RG., 24. Ott. 1919, RGZ. Bd. 97 S. 11 ff. (Schädigung des Mieters durch Unterlassungen des Zwangsverwalters), RG., 19. Sept. 1921, RGZ. Bd. 102 6.42 ff. (Rechtspflichten gegenüber Dritten auf Grund eines Gewerbebetriebs), S. 372 ff. (Haftung des Tierarztes wegen unterlassener Desinfektion); vgl. auch RG.. 26. März 1914, IW. 1914 S. 757 ff., und 25. Ott. 1917, WarnE. 1918 Nr. 11, RG., 20. Noo. 1916, RGZ. Bd. 89 S. 120 ff. (Verletzung durch ein Eisengitter), OLG. München, 20. Ium 1914, OLG. Bd. 34 S. 104, OLG. Hamburg, 13. Nov. 1919, SeuffA. Bd. 75 Nr. 97 (Haftung für Schaden infolge Platzens des Rohres einer Wasserleitung). 2. Als Gegenstand der Verletzung erwähnt das Gesetz Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum and sonstig« Rechte einer andere«. Für di« Auslegung dieser vielumstrittenen Bestimmung (insbesondere der Wotte „sonstiges Recht'', s. unten unter e) ist ihre Entstehungsgeschichte von erheblicher Bedeutung. 6.1 enthielt im § 704 Abs. 2 Satz 2 die Bestimmung: „Als Verletzung eines Rechtes im Sinne der vorstehenden Dorschrrst ist auch die Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesund­ heit, der Freiheit und der Ehre anzusehen". Don den Mot. wird als zweifellos be­ zeichnet, dah zu den absoluten Rechten im Sinne des § 704 Abs. 2 (6.1) das Eigentum und die anderen Rechte an Sachen gehören. Dagegen sei die besondere Erwähnung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit und der Ehre notwendig, weil mit Grund bezweifelt werden könne, ob diese höheren Güter als Rechte bezeichnet werden könnten, aber gerade sie auch des Schutzes bedürften, der ihnen bei einer engeren Auffassung der SchadenszuMung oft gefehlt habe (M. II, 728). Don der II. Komm, wurde der Anttag, auch den Besitz als ein Recht im Sinne dieser Vorschrift zu erklären, abgelehnt, weil der Besitz durch das Derbotsgesetz des § 814 (E. I, nun § 858), welches die Anwendung des 8 704 Abs. 1 (6. I, nun § 823 Abs. 2) ermögliche, genügend geschützt sei und die wissenschaftliche Frage über das Wesen des Besitzes nicht entschieden werden solle. Sodann wurde der ganze Satz gestrichen, weil die besondere Erwähnung des Lebens, des Körpers und der Gesundheit als unnötig erscheine, während es be­ denklich sei, die fahrlässige Verletzung von Freiheit und Ehre unter besonderen privat­ rechtlichen Schutz zu stellen (P. II, 572 ff.). Im Gegensatze hiezu wurde bei der Be­ ratung des § 727 E. I der Ansicht Ausdruck gegeben, dah die Freiheit ein Recht absoluter Natur im Sinne des 8 704 6.1 sei, dessen Verletzung zum Schadensersatz verpflichte, gleichviel, ob die Verletzung auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit beruhe (P. II, 630 ff.). Die Redaktionskomm. trug dieser Auffassung Rechnung durch Beifügung des § 747 6. II: „Wer widerrechtlich einem anderen die Freiheit entzieht, hat demselben den dadurch verursachten Schaden auch dann zu ersetzen, wenn ihm nur Fahrlässigkeit zur Last fällt." Bei der zweiten Lesung wurde von "bet II. Komm, die nunmehrige Fassung des 8 823 Abs. 1 beschlossen. Der Antragsteller fühtte aus, dah sein Vorschlag in der Hauptsache redattioneller Natur sei. Bei der früheren Beratung habe man den Schluß des 8 704 6.1 mit Recht gestrichen, da die heutige Wissenschaft ein persönliches Recht im wetteren Sinne annehme; damach aber finde sich im E. II nirgends unmittel­ bar ausgesprochen, datz die Verletzung dieser Güter sich zivilrechtlich als Delitt dar­ stelle. Dem Anttage wurde entgegengehallen, dah es nach seiner Fassung ftaglich er­ scheine, ob alle Rechtsgüter gedeckt feien; die Schluhklausel „oder ein sonstiges Recht" schliehe sich an „Eigentum" an und könne daher enger verstanden werden (P. VI, 200 ff.). Ob vom Antragsteller oder von anderer Sette dieser Auffassung entgegengetreten wurde, ist aus den Prot. nicht ersichtlich; jedenfalls aber wurde sie von der Mehrheit der Kommission nicht geteilt. Im einzelnen ist folgendes heroorzuheben: a) Als Verletzung des Lebens erscheint die Tötung, also Mord (StGB. 8 211), Totschlag (StGB. 88 212 ff.) und fahrlässige Tötung (StGB. 8 222). Dgl. über diese Begttffe die Kommentare zum StGB. Hinsichtlich der Körper­ verletzung mit Todesfolge (StGB. 8 226) und anderer Straftaten, bei denen der Tod des Verletzten einen Straferhöhungsgmnd bildet, s. Bem. IV zu 8 844. Über den Umfang des Schadensersatzes und die Person des Ersatzberechttgten s. 8 844 und Bem. hiezu. b) Der Begriff der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit deckt sich mit dem strafrechtlichen Begriffe der „Körperverletzung" (StGB. 88 223 ff.; vgl. die Kommentare hiezu; ebenso RG., 26. Jan. 1909, „Recht" 1909 Nr. 1125). Dah unter 8 823 Abs. 1 auch die Verletzung der geistigen Ge­ sundheit fällt und dah die körperliche Gesundheit auch durch seelische

1772 888 (II A 2)

VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse.

Eindrücke (z. B. Schrecken) verletzt werden kann, steht autzer Zweifel; s. Crome S. 1018, Kuhlenbeck Note 5, Planck Bem. II, 1, c, Oertmann Bem. 2, c, RGRK. Bem. 5, Fischer-Henle Note 4 und 5: s. auch Lörbroks in DIZ. 1912 S. 1237 ff. und das dort erwähnte litt d. OLG. Hamm vom 24. Mai 1912 (Körperverletzung durch Zeitungsartikel), RG., 11. Febr. 1913, „Recht" 1913 Nr. 1133 (ehrenkränkende Behandlung eines nervösen Untergebenen), RG., 5. Okt. 1914, RGZ. Bd. 85 S. 337 (Verletzung der Gesundheit ist auch durch teilt seelische Einwirkungen möglich), OLG. Braunschweig, 13. Mälz' 1914, OLG. Bd. 28 S. 275 (Schädigung der Gesundheit durch beleidigende Briefe), RG., 24. Ian. 1918, „Recht" 1918 Nr. 516 (fahrlässige Gesundheitsbeschädigung durch bewußt unwahre Prozehbehauptungen). RG., 2. Mai 1921, GruchotsBeitr. Bd. 65 S. 602 ff. (fahrlässige Gesundheitsbeschädigung durch Beleidigungen); OLG. München, BayZ. 1928 S.258 (Geschlechtsverkehr mit einem unbescholtenen Mädchen stellt eine Körperverletzung dar). Wer Ansteckung durch Geschlechtsverkehr s. OLG. Stuttgart, 22. Febr. 1918, „Recht^l918 Nr. 518 (nicht unbedenklich), RG., 12. Juli 1909, RGZ. Bd. 96 S. 225, 26. März 1924 und 19. Okt. 1925, WarnE. 1924 Nr. 114 und 1926 Nr. 90 (Haftung des Mannes, der mit Ansteckung aus einem anderen Geschlechtsverkehr rechnen muhte); vgl. unten Bem. II, 5 Abs. 6. Hinsichtlich derjenigen Straftaten, bei welchen die Körperverletzung einen Straferhühungsgrund bildet (s.z.B. StGB. 88 229 Abs.2,239Abs.2), gilt das gleiche wie im Falle der Tötung (s. Bem. IV zu § 844).

Über den Umfang der Schadensersatzpflicht s. 88 842, 843, 845—847 und Bem. hiezu; über die Buhe s. Dorbem. XVI, 1, a. c) Als Verletzung der Freiheit im Sinne des 8 823 Abs. 1 erscheinen nicht nur die Derbrechen und Dergehen wider die persönlich« Freiheit (StGB. 88 234—241), sondern alle Eingriffe in die ungestörte Willens­ betätigung, also z. B. auch Zwang zur Ausübung oder Nichtausübung des Stimmrechts, zur Niederlegung oder Aufnahme der Arbeit bei Streiks u. dgl. (ebenso Liszt S. 24 ff., Planck Bem. B, II, 1, d, Kuhlenbeck Note 6, Erome S. 1018, Dernburg 8 390, II, Kober in SeuffBl. Bd. 64 S. 220; eine engere Auffassung vertreten Neumann Note B, III, Oertmann Bem. 2, d, RGRK. Bem. 7, Goldmann-Lilienthal S. 890 Anm. 48, Gnneccerus 8 451, I, 2, d, RG., 11. April 1901, RGZ. Bd. 48 S. 114 ff.; s. auch Schutz-Schäffer a. a. O. S. 150 ff., Riezler a. a. O. S. 246, RG., 27. Febr. 1904, RGZ. Bd. 58 S. 28, 17. Sept. 1908, IW. 1908 S. 679, OLG. München, 20. Juni 1914, OLG. Bd. 34 S. 104). Wer Haftung des Arztes wegen angeblich wider­ rechtlicher Unterbringung oder Festhaltung in einer Irrenanstalt s. RG., 30. Mai 1910, WarnE. 1910 Nr. 279. Inwieweit eine unkörperliche Ein­ wirkung auf die freie Willensbetätigung unter den Begriff der Freiheits­ verletzung fällt, ist nach den Umständen des einzelnen Falles zu beurteilen; die Bedrohung mit Freiheitsberaubung ist regelmähig al« Verletzung der Freiheit zu erachten (RG., 12. Jan. 1920, RGZ. Bd. 97 S. 343 ff.). Wer das Recht auf Vereinsbildung f. Bd.I Dorbem. V,2 vor 821, S. 175. Hinsichtlich des Umfangs der Schadensersatzpflicht s. 88 845—847 und Bem. hi^u. d) Der Begriff des Eigentums ergibt sich aus 8 903 (s. die Bem. hiezu in Bd. 111). Eine Verletzung des Eigentums wird nicht nur durch völlige Zer­ störung oder Entziehung einer Sache (Sachbeschädigung, Diebstahl, Unter­ schlagung; vgl. StGB. 88 303, 242, 246 und die Kommentare hiezu), sondern auch durch Beschädigung (Sachbeschädigung, s. StGB. 8 303 und die Komm, hiezu) oder Verunstaltung (Verringerung des Derkehrswerts, f. RG., 15. März 1909, IW. 1909 S. 275) begangen (vgl. RG.. 9. Febr. 1905, RGZ. Bd. 60 S. 138 ff. hinsichtlich der Beschädigung eines Grundstücks durch hinübergewehten Sand, sowie OLG. Frankfurt a. M., 14. März 1907, „Recht" 1908 Nr. 744); die blohe Gefährdung genügt nicht (RGRK. Bem. 8). Vorausgesetzt wird stets eine (unmittelbare oder mittelbare) Einwirkung auf die Sache selbst; wird ohne solche Einwirkung die einem anderen gehörige Sache lediglich in ihrem Werte gemindert, so liegt zwar eine Vermögensbeschädigung (s. unten unter e, -), nicht aber eine Eigentumsverletzung vor (vgl. RG., 1. Noo. 1906, RGZ. Bd. 64 S. 251 ff.), ebenso bei Veranlassung zum Verkauf einer Sache (RG., 20. Mai 1912, „Recht" 1912 Nr. 2229). Nur beim Vorhandensein einer derartigen Einwirkung (z. B. Belästigung durch Geschrei, unanständige

823 (I1A 2) 1773

25. Titel. Unerlaubte Handlungen.

Lieder u. dgl.) kann daher der Betrieb eines Bordells als eine gemäss § 823 Abs. 1 zum Schadensersätze verpflichtende Derletzung des Eigentums am Nachbaranwesen erachtet werden (so mit Recht RG., 9. April 1904, RGZ. Bd. 57 S. 239ff. und Kiefer im „Recht" 1901 S. 490ff.; vgl. aber auch § 826 und Bem. 3, c, d hiezu; hinsichtlich der Klage auf Unterlassung des Dordellbetriebs f. Vordem. VII Abs. 7 und die dort erwähnten Entscheidungen; s. auch § 906 und Bem. hiezu im Bd. III). Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus § 992, wonach der Be­ sitzer dem Eigentümer nur dann nach den Borschristen über den Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen hastet, wenn er sich den Besitz durch verbotene Eigenmacht oder durch eine strafbare Handlung verschafft hat, während andern­ falls hinsichtlich seiner Haftung die Bestimmungen der 88 989, 990, 993 matz­ gebend sind. Mit Recht wird hieraus vom Reichsgerichte der Satz abgeleitet, datz § 823 Abs. 1 insoweit unanwendbar ist, als die Verletzung des Eigentums­ anspruchs im ÄGD. besonders geregelt ist (SR®., 15. San. 1904, RGZ. Bd. 56 S. 313 ff., 22. Dez. 1921, LZ. 1922 Sp. 289; s. auch OLG. Kiel, 22. Dez. 1910, SeufsA. Bd. 66 Nr. 119 und hinsichtlich Entziehutm des Eigentums an einem Sparbuch SR®., 15. März 1920, WarnE. 1920 Nr. 200; vgl. Bd.III Bem. 8 zu § 987 und Bem. I, b zu 8 992). Über die erforderliche Einschränkung dieses Grundsatzes gegenüber dem Fremdbesitzer s. RG.» 17. San. 1921, RGZ. Bd. 101 S. 309 ff. Uber das Zusammentreffen der dinglichen Älqge mit dem Anspruch auf Schadensersatz gemätz 88 823 ff. s. auch Planck Vordem. 5, Oertmann Bem. 5, d und (eingehend) Fr. Lent, Die Gesetzeskonkurrenz im bürgerlichen Recht und Zivilprozeh, Leipzig 1912 S. 256 ff. Über Derletzung des Eigentums durch Pfändung oder Versteige­ rung nicht dem Schuldner gehöriger Sachen Kraus im „Recht" 1907 S. 439 ff., Weitzler in DSZ. 1904 S. 635, SeuffA. Bd. 56 Nr. 198 (OLG. Posen), BayZ. 1905 S. 135 (OLG. Augsburg), RG., 7. Nov. 1905, SR®£ Bd. 61 S. 432, 30. Sevt- 1911, SeuffBl. Bd. 77 S. 121 ff., und 26. Okt. 1914, WarnE. 1915 Nr. 6, OLG. Köln, 24. Noo. 1910, „Recht" 1911 Nr. 327 (Haftung des Rechtsanwalts), OLG. München. 28. Sunt 1912, SeuffA. Bd. 68 Nr. 138 (Unterlassung des Eintrags aus Einstellung der Zwangsvollstreckung als mitwirkendes Verschulden des Verletzten). Über Pfän­ dung von Zubehör entgegen der Vorschrift des 8 865 ZPO. f. RG., 7. Sum 1905, SeuffA. Bd. 60 Nr. 249; über Derletzung des Eigentums durch gesetz­ widrige Veräußerung der Pfandstücke s. R®., 24. Sum 1911, RGZ. Bd. 77 S. 201 ff.; über Eigentumsverletzung durch Ansichbringen und Verarbeitung gestohlenerWarens. OLG. Dresden, 7. Sult 1910, SeuffA. Bd. 66 Nr. 52; über Verletzung des Eigentums durchZwangsvollstreckung s. auch RG., 23. Okt. 1923, „Recht'? 1923 Nr. 163.

's.

Über fahrlässige Eigentumsverletzung und den Ausschluß des Ersatz­ anspruchs nach 88 692, 893 s. RG., 7.Sult 1917, RGZ. 8b.90 S.395ff.; über Derletzung des Eigentums durch Aufhebung der Verfügungs­ gewalt (8 903) s. RG., 5. Okt. 1917, LZ. 1918 Sp. 258 ff. Darüber, datz auf die Verletzung des Eigentumsanspruchs 8 823 keine Anwendung finden kann, s. RG., 16. April 1926, SW. 1926 S. 1811. Eine allgemeine Rechtspflicht, fremdes Eigentum vor Beschädigungen zu schützen, besteht nicht, vielmehr wird «ine solche Pflicht nur durch ein be­ sonderes Nechtsverhältnis begründet (RG., 4.Febr.l928, HRN.1928 Nr. 830).

e) Außerordentlich bestritten und in hohem Grade zweifelhaft ist die Bedeutung der Worte „sonstiges Recht". Zu weit geht jedenfalls die Behauptung von Liszt (Deliktsobl. S. 26), daß jedes rechtlich geschützte Snteresse unter I 823 Abs. 1 falle, weil hienach (wie Liszt allerdmgs selbst annimmt) der Tatbestand des 8 823 Abs. 2 in objektiver Beziehung mit dem des Abs. 1 vollständig zusammenfallen würde, was der Gesetzgeber unmöglich gewollt haben kann (gegen diese Ansicht auch Allfeld in KrDSSchr. Bd. 43 S. 62ff.). Die Fassung des Gesetzes läßt Zweifel darüber, ob lediglich das Eigen­ tum oder auch die vorher erwähnten Rechtsgüter als Rechte bezeichnet werden sollten. Aus der Entstehungsgeschichte des 8 823 Abs. 2 (s. oben) dürste sich aber ergeben, daß die Worte „oder ein sonstiges Recht" sich nicht auf das unmittelbar vorhergehende „Eigentum" beziehen, daß also auch die Rechtsgüter des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit, der Gesundhett und der Freiheit

1774 838 (II A 3)

VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse.

für den Geltungsbereich des § 823 Abs. 1 vom Gesetzgeber als »Rechte" (Persönlichkeitsrechte) anerkannt sind (and. Ans. Planck Bem. II, 1, f, ß, Oertmann Bem. 1, Gnneccetus § 450, RGRK. Bem. 9, RG., 29. Mai 1902 und 27. Febr. 1904, RGZ. Bd. 51 S. 373, Bd. 58 S. 28ff.). Inwieweit noch andere als die erwähnten Rechts8fiter als Rechte im Sinne des § 823 Abs. 1 zu gelten haben, Lnqt von der weiteren Entwicklung der Lehre von den Perkönlrchkeitsrechten ab (vgl. hiezu die Ausführungen inBd.I BorbemII, 4, 5 vor § 1, S. 45 ff. dieses Komm, und die dort erwähnten Schriftsteller, ferner Staudinger, Vorträge für Verwaltungsbeamte S. 60 ff., Matthiah S. 415, 560 ff., Kohler S. 515 ff., Lobe a. a. O. S. 145 ff., Gierke § 211, II, 2, Kober in SeuffBl. Bd. 64 S. 221, Müller ebenda Bd. 65 S. 378, v. Lipvmann ebenda Bd. 77 S. 304 ff., Schollmeyer S. 219 ff., Riezler a. a. O. S. 241 ff., L. Kunkel in BayZ. 1907 S. 286 ff., 314 ff. und Neumann Note B, V; nach Schulz-Schäffer a. a. O. S. 113 ff. ist das Recht eines anderen im § 823 Abs. 1 zu verstehen als „Jmperativpotenz" = schleÄhin für schutz­ würdig erllärtes Interesse); s. auch Allfeld in DIZ. 1922 S. 584ff. Die Lehre von den Persönlichkeitsrechten wird (als „noch nicht zur Abklärung und Anerkennung gelangt") vom Reichsgericht (litt, vom 29. Mai 1902, RGZ. Bd. 51 S. 369 ff.) grundsätzlich abgelehnr, int praktischen Ergebnis aber mehr­ fach angenommen (s. unten unter ß). Dgl. insbesondere RG„ 7. Roo. 1908, RGZ. Bd. 69 S. 403 (Bete, die Veröffentlichung von Nietzsches Briefen): „ein allgemein subjektives Persönlichkeitsrecht ist dem geltenden bürgerlichen Rechte fremd. Es gibt nur besondere, gesetzlich geregelte Persönlichkeitsrechte, wie das Namensrecht, das Waremeichenrecht, das Recht am eigenen Bilde, die persönlichkeitsrechtlichen Bestandteile des Urheberrecht"; zustimmend SchulzSchäffer a. a. O. S. 138, Salinger a. a. O. S. 289ff.; ebenso RG., 8. Juni 1912, IW. 1912 S. 867; s. auch unten unter g und h. “) Rechte im Sinne des § 823 Abs. 1 sind zweifellos die sog. absoluten (gegen jedermann geschützten) Rechte (vgl. RG.» 29. Febr. 1904, RGZ. Bd. 57 S. 353 ff.). Hiezu gehören: ) die dinglichen Rechte außer dem ausdrücklich genannten Eigentum, also das Erbbaurecht, die Dienstbarkeiten (RG., 1. Mai 1911, SeuffBl. Bd. 76 S. 662), das (dingliche) Vorkaufsrecht, die Reallaft, die Hypothek S. über Wegschaffung eingebauter Materialien RG., 7. Mai 1910, RGZ. d. 73 S. 335 und die dort erwähnten weiteren Entscheidungen; vgl. ferner RG., 24. Ott. 1910,1. Mär, 1911, 28. Mai 1914, 7. Dez. 1914, 20. Jan. 1915, WarnE. 1910 Nr. 403, 1911 Nr. 268, 1914 Nr. 287, 1915 Nr. 52, 118, RG., 6. Mai und 7. Dez. 1916, „Recht" 1916 Nr. 1295, 1917 Nr. 198), OLG. Hamburg, 8. März 1919. LZ. 1919 Sp. 1149 ff.), die Grund- und die Rentenschuld, das Pfandrecht (vgl. RG., 1. Juli 1910, SeuffA. Bd. 66 Nr. 98 über Haftung des Notars für die von ihm verschuldete Rangverschlechterung einer verpfändeten Hypothek und hinsichtlich des Pfändungspfandrechts KG., 24. Juni 1914, OLG. Bd. 29 S. 208ff., RG., 14. Mai 1918, SeuffA. Bd. 74 Nr. 106, RG., 19. Juni 1919, WarnE. 1919 Nr. 167 über Schädigung des Pfand­ gläubigers infolge freihändigen Verkaufs der Pfandsache durch den Kon­ kursverwalter, RG., 22. April 1920, RGZ. Bd. 98 S. 346), ein durch Übergabe dinglich gewordenes Mietrecht (RG., 15. März 1915, „Recht" 1915 Nr. 2457); ßß) derBesitz (s.Bd. III, 1 Vordem.IV,B und VII vor §854, Bem.I,2,b,a zu § 858 und die dort erwähnten Schriftsteller); ebenso RG., 7. März 1906, GruchotsBeitr. Bd. 50 S. 968, RG., 27. Mai 1911, „Recht" 1911 Nr. 2879 (bett, den Pachtbesitz an einem Teich), RG., 25. Ott. 1917, RGZ. Bd. 91 S. 65 ff. (Entziehung des Besitzes an einer Telegramm­ urkunde durch deren Wiederabholung), RG., 25. Jan. 1922, WarnE. 1922 Nr. 41 (güterrechtlicher Besitz des Ehemanns), OLG. Kalmar, 13. Noo. 1903, „Rechst 1903 S. 576 Nr. 2926, OLG. Posen, 17. Ott. 1904, „Recht" 1905 S. 134 Nr. 572, OLG. Breslau, 24. Ott. 1905, „Recht" 1905 S. 646 Nr. 2669, OLG. Braunschweig, 4. Juni 1915, OLG. Bd. 34 S. 100, OLG. Stuttgart, 27. April 1917, „Recht" 1917 Nr. 1277 (güterrechtlicher Besitz des Ehemanns); vgl. Jacubezky Bem. S. 161, Liszt S. 21, Oertmann Bem. 3, d, Goldmann-Lilienthal S. 890, Neumann Note B, V, 1, a, ß, Eck-Leonhard S. 601 Sinnt. 1, Kuhlenbeck

25. Titel. Unerlaubte Handlungen.

838 (II A 2) 1775

Note 8, b, RGRK. Bem. 9, Enneccerus § 451,1,1, c, Gierke § 211, II, 2, b, Josef LZ. 1925 6p. 929 ff.; and. Ans. Planck Bem. II, 1, f, d; s. auch Sohm, Der Gegenstand S. 28. Demgemäb steht der Schutz des 8 823 Abs. 1 insbesondere dem in den Besitz der Sache gesetzten Mieter zu (SR®., 28. Dez. 1904, RGZ. Bd. 59 6. 326ff.); es rann also der Mieter eines Ladens von demjenigen, der die Scheibe eines Ladenfenfters eingeworfen hat, Schadensersatz beanspruchen (LG. München I, 24. Dez. 1904, SeuffBl. Bd. 70 S. 128 ff.); s. auch OLG. Hamburg, 7. Jan. 1910, OLG. Bd. 20 S. 280 (hinsichtlich des Pfandbesitzes des Ver­ mieters). Über Verletzung des Zurückbehaltungsrechts durch uner­ laubte Handlung s. Reichhelm in DIZ. 1913 S. 861 ff.; tt) das Namensrecht (§ 12; vgl.OLE.Dresden, 13.Juli 1907, SeuffBl. Bd. 72 S. 1009), das Firmenrecht (HGB. 88 17 ff., 37 Abs. 2), die Familienstandsrechte (vgl. StGB. 8 169, s. auch OLG. Dres­ den, 19. Okt. 1900, OLG. Bd. 2 S. 482); dd) das sog. „geistige Eigentum" soweit es in den Gesetzen zum Schutze des Urheberrechts (s. Vordem. XVI, 1) zur Anerkennung gelangt ist.

Ee) Unter 8 823 fällt auch das dem Jagdrecht entspringende ausschlietzliche Aneignungsrecht (RG., 5. Febr. 1907, RGSt. Bd. 39 S. 429 ff.; vgl. Bd. III, 1, Bem. II, 2, 6, st zu 8 958 und die dort erwähnten Schriftsteller, sowie Bem. I, l,v zu 8 581; s. auch Josef im „Recht" 1922 S. 92 ff., der die Ersatzpflicht des Wilderers aus 8 687 Abs. 2 ableiten will), das Fischereirecht (OLG. Karlsruhe, 30. Okt. 1918, OLG. Bd. 38 S. 133) und das Wassergebrauchsrecht des Ufereigen­ tümers (BayObLG., 5. Febr. 1906, SeuffBl. Bd. 71 S. 530ff.; s. auch RG., 30. Sept. 1916, „Recht" 1916 Nr. 2092 und hinsichtlich des Fischereipachtrechts RG., 19. Mai 1919, LZ. 1920 S. 159). Wer das Recht auf den Gemeingebrauch an öffentlichen Sachen s. Oertmann Bem. 3, i (der zutreffend das Landesrecht für matzgebend erachtet; nach RGRK. Bem. 9 fällt dieses Recht nicht unter 8 823 Abs. 1; ebenso hinsichtlich des Gemeingebrauchs an öffentlichen Wegen RG., 10. Juni 1920, SeuffA. Bd. 76 Nr. 14); über das Beu ter echt des Staates f. OLG. Königsberg. 30. Sept. 1919, SeuffA. Bd. 75 Nr. 63. Unter 8 823 Abs. 1 fällt auch der Geschäftsanteil an einer G.m.b.H. (RG., 26. Nov. 1920, „Recht" 1921 Nr. 80; s. auch OLG. Jena, 14. April 1920, DIZ. 1921 S. 500). tt) Datz zu den durch 8 823 Abs. 1 geschützten absoluten Rechten auch Familienrechte, z. B. das Recht der Ehegatten auf den Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft, gezählt werden können, bürste nicht zu beweiseln sein (so auch RG.» 5. Jan. 1922, Warn®. 1922 Nr. 41 hin­ sichtlich des eheherrlichen Verwaltungs- und Rutznietzungsrechts). Mit Recht hat aber das Reichsgericht (litt, vom 26. Okt. 1909, RGZ. Bd. 72 S. 130 ff.) dem wegen Ehebruchs geschiedenen Ehemanne den Anspruch gegen den Ehebrecher auf Ersatz der durch die Scheidung herbeigeführten Dermögensnachteile abgesprochen (s. auch unten unter III, A, 2, c, a und d, t); die höhnische Kritik dieses Urteils durch E. Fuchs (IW. 1910 S. 268) ist ganz ungerechtfertigt. Dgl. hiezu auch K. Strupp, Schadens­ ersatz wegen Ehebruchs. Eheoerlassung und in ähnlichen Fällen, Gotha 1910 S. 34 ff., derselbe, Schadensersatzpflicht bei Verletzung der aus den persönlichen Beziehungen zwischen Eltem und Kindern sich ergebenden Pflichten, SeuffBl. Bd. 76 S. 223 ff. sowie Oertmann Bem. 3, d, i. Über die Unzulässigkeit der Klage auf Unterlassung des Ehebruchs s. Dorbem. VII a.E. 8 823 Abs. 1 ist auch anwendbar auf die dem Ge­ walthaber nach 88 1627, 1631 zustehenden Rechte; s. RG., 23. Mai 1910, WarnE. 1910 Nr. 286, und KG., 6. Okt. 1911, OLG. Bd. 24 S. 23, das aus 8 823 Abs. 1 das Recht des Gewalthabers ableitet. Dritten den Verkehr mit dem Kinde zu untersagen; s. auch RG., 14. Nov. 1912, WarnE. 1913 Nr. 53: „zu diesen sonstigen Rechten ist auch das als absolutes Recht dem Eigentum gleichstehende Recht der elterlichen Gewalt zu zählen"; ebenso RG., 2. Apnl 1928, HRR. 1928 Nr. 1413; Schadens­ ersatz ist bei widerrechtlicher Dorenthaltung des Kindes durch Heraus­ gabe des Kindes zu leisten (vgl. Bem. 3 a. E. zu 8 1632); f. ferner KG.,

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VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse.

24. Mai 1924, IW. 1925 S. 377 und dazu Friedmann-Braun in DIZ. 1926 Sp. 729 f. Das Recht der Angehörigen eines Berstorbenen hinsichtlich seines Leichnams rft ein Recht i. S. des § 823 Abs. 1, das durch Sektion ohne ihre Einwilligung verletzt wird (LG. Bonn, 16. Mai 1928, IW. 1928 S. 2294); vgl. übrigens auch Bem. IV, 2, ä zu 8 1922 in Sb. V. Hinsichtlich des Verhältnisses der Ansprüche aus der Verletzung familienrechtllcher Pflichten zu den An­ sprüchen aus § 823 s. Vordem. III, b. S. auch Bem. 9, a,« Abs. 2 zu 8 1353. ß) Als „Recht" im Sinne des 8 823 Abs. 1 kann (mangels jeder festen Um« grenzung) nicht erachtet werden die Befugnis zur Ausübung eines Gewerbes (vgl. GewO. 8 1; and. Ans. Lobe a. a.O. S. 183 ff. hinsichtlich der ge­ werblichen Betätigung; s. insbesondere S. 193 ff. sowie RG., 6. Mai 1915, „Recht" 1915 Nr. 2270; s. aber auch Lobe in ZBlFG. Bd. 13 S. 807; hienach ist die tatsächliche Ausübung des Gewerbes durch ein Ausschluhrecht geschützt und, weil sie Betätigung der Persönlichkeit sei, insofern ein Per­ sönlichkeitsrecht; vgl. auch Lobe in M.U.W. Bd.6 S. 164 ff., Bd.9 S. 327 ff., Rosenthal, Unterlassungsklage S. 34 ff.), zur Verwertung der Arbeitskraft (vgl. RG., 29. Mar 1902 und 27. Febr. 1904, RGZ. Bd. 51 S. 369 ff., Bo. 58 S. 24 ff.; and. Ans. Riezler a.a. O. S. 243 ff.; s. aber auch unten unter f) sowie die blotze Aussicht auf Erwerb oder Kundschaft (vgl. Trome 8 325 Anm. 19, RG. 22. Febr. 1907, RGZ. Bd. 65 S. 213, RG., 2. Juni 1921, RGZ. Bd. 102 S. 225). Dagegen hat das Reichsgericht trotz seiner grundsätzlichen Ablehnung der Persönlichkeitsrechte (s.o.) mit Recht den (rechtswidrigen) Eingriff in den bereits eingerichteten und ausgeübten Gewerbe­ betrieb eines anderen als unter 8 823 Abs. 1 fallend erklärt'). Das Merkmal des rechtswidrigen Eingriffs liegt nicht in der nachteiligen Ein­ wirkung auf den Ertrag des Geschäfts durch Entziehung von Kundschaft u. dgl., sondern in der Belastung des Gewerbebetriebs als solchen, in der unmittelbaren Hinderung oder Hemmung von Betriebshandlungen der Gewerbetteibenden (vgl. tin. vom 14. Dez. 1902, RGZ. Bd. 56 S. 271 ff. vom 27.Jfe6r. 1904, RGZ. Bd. 58 S. 24 ff. vom 19. Dez. 1918, RGZ. Bd. 94 S. 249, vom 15. Roo. 1920, „Rechtt' 1921 Nr. 79, 19. Jan. 1928, HRR. 1928 Nr. 829; f. ferner RG. 6. März 1902, IW. 1902 Beil. S.227 ff. [Betrieb einer Privatkrankenanstalt]. 21. Okt. 1904, 27. Mai 1905 und 9. Juli 1907, IW. 1905 S. 20, 431,1907 S. 505, 26. Jan. 1915, WarnE. 1915 Nr. 82, und 2. Jan. 1917, IW. 1917 S. 712 ff. [(Eingriff in den Gewerbebetrieb durch unberechtigten Widerspruch gegen die Benutzung eines Zeichens), RG. 26. Ian. 1916, BayZ. 1916 S. 181 [Verbot des Zutritts zu einem [tädttschen Schlachthofs; OLG. Hamburg, 27. Ott. 1906, und OLG. Bamberg, 7. Dez. 1906, OLG. Bd. 14 S. 40 ff. 56 ff.; vgl. aber auch RG. 12. Juli 1906 RGZ. Bd. 64 S. 55ff. [Koalitionen gewerblicher Arbeiter zur Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen sind nicht schon deshalb rechtswidrig, weil durch sie bestehende selbständige Gewerbe­ betriebe geschädigt werden; and. Ans. OLG. Hamburg. 27. Ott. 1906, OLG. Bd. 14 S. 40 ff.], 4. Ott. 1906, RGZ. Bd. 64 S. 155 ff. und 2. Jan. 1912, WarnE. 1912 Nr. 108 [die Ausübung des ärztlichen Berufs ohne gleichzeittgen Betrieb eines gewerblichen Unternehmens, z. B. einer Privatkrankenanstalt, fällt nicht unter 8 823 Abs. 1], 22. Febr. 1907, RGZ. Bd. 65 S. 210 ff. [unlauterer Betrieb des eigenen Gewerbes fällt nicht unter 8 823 Abs. 1, weil die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der Aussicht eines an­ deren Gewerbetteibenden auf Gewinn keinen Eingriff in dessen Gewerbe­ betrieb enthält], 13. Juli 1909, IW. 1909 S. 493 ff. [nur unmittelbar gegen die Betätigung des Erwerbswillens im Rahmen des eingerichteten Gewerbe­ betriebs gerichtete Störungen kommen in Betracht, Eingriffe in die mate*) Vgl. A. Rosenthal, Der Standpunkt des Reichsgerichts gegenüber Beein­ flussungen des Abnehmerkreises eines Gewerbetreibenden, LZ. 1910 Sp. 107ff.; R. Jsay, DaS Recht am Unternehmen, Berkin 1910 S. 7ff.; Lobe, Der unlautere Wettbewerb als Rechtsverletzung nach der neueren Rechtsprechung des Reichsgerichts, M.u.W. Bd.9S.327ff. (s. auch Lobe ebenda Bd.6 S.164 ff., Solinger und A. Rosenthal in den in Rote * zu 8 823 erwähnten Abhandlungen).

25. Titel. Unerlaubte Handlungen.

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Hellen Grundlagen des Gewerbebetriebs dagegen nur dann, wenn hiedurch ein an diesen Grundlagen selbst bestehendes subjektives Recht widerrechtlich verletzt ist], 3. Febr. 1910, RGZ. Bd. 73 S. Ulfs. [§ 823 Abs. 1 ist nicht anwendbar auf einen Rabatt- und Handelsschutzoerein, der selbst keinen Gewerbebetrieb ausübt], 28. Sept. 1911, RGZ. Bd. 77 S. 217 [bet un­ befugte Verkauf von Waren, die nur in Apotheken verkauft werden dürfen, fällt nicht unter § 823 Abs. 1], 13. April 1912, RGZ. Bd. 79 S. 226, und 19. Okt. 1914, LZ. 1915 Sp. 130 ff. [rechtliche Stellung einer Über­ landzentrale], 12. Juni 1911, IW. 1911 S. 712 ff. [amtliche Warnung vor dem Kauf einer Ware], 21. Dez. 1911, IW. 1912 S. 292 [Warnung vor dem Abonnement einer Zeitung durch Geistliche], 13. Febr. 1911, RGZ. Bd. 76 S. 46 [Abhaltung des Publikums vom Betreten einer Wirtschaft kann unter § 823 Abs. 1 fallen], 26. Sept. 1912, „Recht" 1912 Nr. 3191 [Fernhaltung der Kundschaft durch Bekanntmachung in Zeitungen und Flug­ blättern], 25. Ott. 1913, „Recht" 1914 Nr. 38 [Beeinträchtigunader Aus­ sicht auf lohnenden Absatz fällt nicht unter § 823 Abs. 1], 6. Mai 1915, IW. 1915 S. 915 [Beeinträchtigung eines Zeitschriftenunternehmens], 3. Juli 1916, LZ. 1916 Sp. 1486 ff. [Eingriff in einen Gewerbebetrieb durch Geltendmachung eines zu Unrecht eingetragenen Gebrauchsmusters], RG« 4. Ott. 1923, LZ. 1924 S. 34 ff. [Einwirkung auf Kunden, gewisse Derlagsartikel nicht zu kaufen, ist kein Eingriff in den Gewerbebetrieb], OLG^Zweibrücken, 16. Jan. 1907, „Recht" 1907 S. 251 Nr. 450 [Ausschlutz der Wider­ rechtlichkeit durch dienstliche Interessen], OLG. Hamburg, 23. Ott. 1924, HansGZ. 1924 Beibl. S. 247 [Ausschlutz der Widerrechtlichkeit bei Bau­ arbeiten], OLG. Frankfurt, 26. Jan. 1911, OLG. Bd. 28 S. 237 ff. [Stö­ rung eines Gewerbebetriebs infolge Ausbruchs einer ansteckenden Krankheit], KG., 1. Nov. 1919, IW. 1920 S. 443 [Klage auf Unterlassung von Stö­ rungen des Geschäftsbetriebs], OLG. Stuttgart, 1. Dez. 1922, OLG. Bd. 43 S. 101 ff. [Störung Des Gewerbebetriebs durch Aufstellung von Streikposten]; gegen die Anschauung des Reichsgerichts erklären sich ohne überzeugende Begründung Planck Bem. II, 1, f, y und Solinger a. a. O.; vgl. auch Schulz-Schäffer a.a.O. S. 209 ff. und A. Rosenthal in GruchotsBeitr. Bd. 63 S. 715 ff.; wegen der Voraussetzungen der llnterlassungsklage bei Störung des Gewerbebetriebs f. auch RG.< 10. Dez. 1925, IurRundsch. 1928 Är. 462). über Erlaubtheit eines Eingriffs in den Betrieb eines Mit­ bewerbers int freien Wettbewerb f. OLG. Hamburg, 14. Jan. 1925, Hans. GZ 1925 S. 69, 77; [. auch OLG. Karlsruhe, 30. Mai 1924, BadRpr. 1924 S. 105 (Niederlassung eines Zahnarztes im nämlichen Haus wie ein Zahntechniker). Über die llnanwendbarkeit des § 823 bei Schädigung eines Gewerbe­ betriebs durch einen Att des Militärhoheitsrechts (Sperrung der ZugSngezu einer Mühle wegen militärischer Schiebübungen) s. RG.,5.Febr. 1906, IW. 1906 S. 163 ff. y) Nicht unter § 823 Abs. 1 fällt, wie nach der Entstehungsgeschichte des 8 824 (s. Bem. 1 hiezu) nicht zweifelhaft fein kann, die Verletzung der Eh r e (ebenso 5. Rietschel im ArchZivPrar. Sb. 94 6.147 Note 11, Stand Sem. II, 1, f, ß, Goldmann-Lilienthal S. 890 Anm. 48, Oertmann Sem. 1, Crome § 327, II, Neumann Note 1 zu 8 824, Fischer-Henle Rote 8, Achilles Note 2, c, RG., 29. Mai 1902 und 2. Jan. 1905, RGZ. Bd. 51 S. 369 ff., Bd. 60 S. 4 ff., 26. Jan. 1909, WarnE. 1909 Nr. 296,3. Okt. 1912, IW. 1913 S. 35, KG., 28. Okt. 1903, „Recht" 1904 S. 139 Nr. 628, OLG. Hamm, 31. Ott. 1903, OLG. Bd. 8 S. 16, OLG. Kalmar, 2. Dez. 1904, OLG. Bd. 10 S. 135 ff., KG., 25. Ott. 1905, OLG. Bd. 13 S. 395; and. Ans. Dernburg § 383, IV, 1, 390, III und in IW. 1905 S. 161 ff., Gierke § 211, II, 2, a, SchulzSchäffer a. a. O. S. 158 ff., Endemann I 8 200 Anm. 28). Das gleiche gilt von der weiblichen Geschlechtsehre im beson­ deren (s. Sem. 1 und 2 zu 8 825). Dem privatrechtlichen Schutze dieser Rechtsgüter dienen 88 823 Abs. 2, 824, 825, 826; s. unten Sem. III, A, 2, c, -> sowie die Bem. zu 88 824—826. Auch eine Verletzung des religiösen Gefühls fällt nicht unter Abs. 1 (Planck Sem. B, II, 1, e, ß S. 1719). d) Keine Rechte im Sinne des 8 823 Abs. 1 sind ferner Forderungs­ rechte; vgl. hiezu Vordem. III und die dort erwähnten Schriftsteller und Entscheidungen, Planck Sem. B, II, 1, f, Enneccerus 8 451,1,1, d, Gierke Steubingcr, BGB. II (Kober, Schuldverhältuisse). 3. Teil. 0. Ausl. U2

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Vü. Abschnitt. Einzelne Schnldverhältnisse.

§ 211, II, 2, b, H. A. Fischer, Die Rechtswidrigkeit, München 1911 S. 155, L. Goldmann in GruchotsBeitr. Bd. 54 S. 56 ff. (der § 823 Abs. 1 für anwendbar erachtet, wenn ein Nichtberechtigter dem Gläubiger gegenüber wirksam über dessen Forderung verfügt), Oertmann Bem. 3, d, GoldmannLilienthal S. 891 ff., Achilles Note 2, c, Eck-Leonhard S. 601, Brückner in GruchotsBeitr. Bd. 50 S. 788; ebenso RG., 29. Febr. 1904 (mit reichen Schrifttumangaben), 1. Dez. 1904, 19. und 28. Dez. 1904, NEZ. Bd. 57 S. 353 ff., Bd. 59 S. 236 ff., 327, 357, 27. April 1905, IW. 1905 S. 367 ff., 4. und 5. April 1906, „Recht" 1906 S. 561 Nr. 1272, S. 1319 Nr. 3201, 4. Nov. 1911, IW. 1912 S. 13L OLG. Posen, 17. Ott. 1904, „Recht" 1905 S. 134 Nr. 572, OLG. Hamburg, 16. Febr. 1906, SeuffA. Bd. 63 Nr. 138, KG., 24. Juni 1914, OLG. Bd. 29 S. 208 ff. (das Pfändungs­ pfandrecht an einer Forderung dagegen fällt unter § 823 Abs. 1); and. Ans. Matthias S. 416, ferner für den Fall widerrechtlicher Pfändungsbenachnckttgung OLG. Kalmar, 2. Febr. 1904, OLG. Bd. 9 S. 39 ff.; unent­ schieden RG., 25. Febr. 1904, RGZ. Bd. 57 S. 138 ff. Noch weniger kann demgemäß die blotze Befugnis, durch die Annahme eines Derttagsantrags einen Anwruch zu erwerben, als Recht int Sinne des § 823 Abs. 1 erachtet werden (so mit Recht Staub in DIZ. 1902 S. 427 und Goldmann-Liltenthal S. 891 Anm. 15 gegen RG.. 8. Febr. 1902, RGZ. Bd. 50 S. 195), ebensowenig die blohe Anwartschaft auf den dereinstiaen Bezug einer In­ validenrente (so mit Recht Brückner in GruchotsBeitr. Bd. 50 S. 787 gegen Appelius im ArchBürgR. Bd. 21 S. 20; s. auch KG., 11. April 1905, „Recht" 1906 S. 802 Nr. 1922). Bedenklich erscheint auch die Annahme des OLG. Hamburg (5. Juli 1905, SeuffA. Bd. 61 Nr. 32), das dem Bau­ unternehmer zuftehende Recht zur Entfernung eingebauter Teile sei ein Recht int Sinne des § 823 Abs. 1. Als „sonstiges Recht" ist auch nicht zu erachten das der Unfallversicherungsgesetzgebung entspringende Recht des Verletzten auf die Leistungen dieser Versicherung, deren Gegenstand der Ersatz des durch Körperverletzung oder Tötung entstandenen Schadens ist (RG., 28. April 1919, RGZ. Bd. 95 S. 284ff.). «) Nicht unter § 823 Abs. 1 fällt endlich die Beschädigung des Dermögens eines anderen, wenn sie sich nicht als Verletzung eines durch § 823 Abs. 1 geschützten Rechtsguts oder Rechtes darstellt (ebenso Oertmann Bem. 3, g, Neumann Note B, V, 3, RGRK. Bem. 1, Planck Bem. B, II, 1, g S. 1721, RG., 15. März 1902, 27. Febr. 1904, 4. Okt. 1904 und 22. Jan. 1906, RGZ, Bd. 51 S. 92 ff., Bd. 58 S. 24 ff., Bd. 59 S. 49 ff., Bd. 62 S. 317, 27. April 1905 und 29. Sept. 1909, IW. 1905 S. 367 ff., 1909 S. 684, 7. März 1906, GruchotsBeitr. Bd. 50 S. 966 ff. 6. Mai 1915, „Recht" 1915 Nr. 2271,10. Mai 1916, „Recht" 1916 Nr. 1871, 2. Juni 1921, RGZ. Bd. 102 S. 225, OLG. Königsberg, 14. Febr. 1902, SeuffA. Bd. 57 Nr. 186, OLG. Hamm, 31. Okt. 1903, OLG. Bd. 8 S. 16, OLG. Posen, 17. Ott. 1904, „Recht" 1905 S. 134 Nr. 572). Zur Ergänzung wird viel­ fach die Vorschrift des Abs. 2 dienlich sein (s. unten Bem. VI). y Die in zahlreichen Kriegsverordnungen vorgesehenen Beschlagnahmen begründen kein sonstiges Recht i. S. des § 823 Abs. 1 (9t®., 6. Dez. 1924, JurRundsch. 1925 Nr. 249). f) Der in der Reichstagskommission gestellte Antrag, auch die Arbeitskraft als geschütztes Rechtsgut besonders zu erwähnen, wurde zurückgezogen, nachdem ttargestesit war, daß die Verletzung der Arbeitsttast stets eine Verletzung der Gesundheit voraussetze (RTK. 97 ff., vgl. ZG. II, 400, VI, 511; s. auch oben unter c und e, ß, ferner Planck Bem. II, 1, f, i, Oertmann Bem. 3, b, SchulzSchäffer a. a. O. S. 205 ff., Riezler a. a. O. S. 229). Ohne eigentlich positiven Inhalt ist Art. 157 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. Aug. 1919 (RGBl. 1919 S. 1418): „Die Arbeitskraft steht unter dem besonderen Schutz des Reichs." Dgl. hiezu Endemann DIZ. 1919 S. 773 ff. g) Über das sog. „Recht am eigenen Bilde" s. Bd. I S. 128 Ziff. VIII und die dort erwähnten Schriftsteller sowie OLG. Hamburg, 20. Nov. 1900, OLG. Bd. 2 S. 313 ff., das ein solches Recht am Bilde nicht anerkennt, ebenso das in SeuffBI. Bd. 70 S. 271 ff. erwähnte litt, des OLG. München vom 4. 9Rät$ 1905; vgl. dagegen RG., 7. Nov. 1908, RGZ. Bd. 69 S. 402; s. auch KG., 20. Dez. 1911, OLG. Bd. 25 S. 168. Matzgebend ist nunmehr § 22 des KunstUrhG. vom 9. Jan. 1907. Hienach dürfen Bildnisse grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten

25. Titel. Unerlaubte Handlungen.

; 823 (11 B) 1779

verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, dab er sich abbilden lieb, eine Entlohnung erhielt. Nach dem Tode des Abgebildeten ist bis zum Ablaufe von 10 Jahren die Einwilligung seiner Angehörigen (Ehegatte. Kinder, eventuell Eltern) erforderlich (vgl. hiezu RG., 21. Dez. 1921, DIZ. 1922 S. 384 ff. betr. Reklamepostiarten). Ausnahmen von diesem Grundsätze enthalten die 88 23, 24 des Gesetzes (vgl. zu 8 23 RG.. 3. Mai 1913, OLG. Sb. 30 S. 302 betr. die unberechtigte Verwendung des Bildes von Caruso bei Ankündigung von Schallplatten). Über Verletzung des Rechtes am eigenen Bilde durch den Kinemato­ graphen s. Bruno May, Das Recht des Kinematographen, Berlin 1912 S. 124ff., Allfeld in DIZ. 1922 S. 584ff. Mer das Verhältnis des Urheberrechts des Künstlers zum Eigentumsrechte des Be­ stellers eines Bildes s. das interessante Urteil des RG. vom 8. Juni 1912, RGZ. Bd. 79 S. 397 ff., das eine eigenmächtige Veränderung des Bildes durch den Eigentümer für unzulässig erklärt. h) Hinsichtlich des Rechtes an eigenen Briefen äubert sich ein Urteil des RG. vom 7. Nov. 1908 (betr. bte Veröffentlichung der Briefe von Friedrich Nietzsche, RGZ. Bd. 69 S. 404 ff.) zutreffend wie folgt: „(Ein Persönlichkeits­ recht an den eigenen Briefen — abgesehen von deren urheberrechtlichem Schutze — ist bisher mcht durchgedrungen. Ein Rechtsschutz der Persönlichkeit ist daher auf diesem Gebiete nur gegen unerlaubte Handlungen gegeben, und zwar gegen begangene im Wege der Schadensersatz- und Wiederherstellungsklage, gegen in Aussicht stehende im Wege der Unterlafsungsklage." Als einschlägige Vorschriften kommen daher hier nur die 88 823 Abs. 2 (vgl. 8 299 StGB.), 824 und 826 in Bettacht (ebenso OLG. Dresden, 22. Febr. 1911, LZ. 1911 S. 792 ff.). Dgl. v. Ltppmann, Dom Recht an Briefen, SeuffBl. Bd. 77 S. 299 ff., insbes. S. 304 ff. und die von ihm erwähnten Schriftsteller, Brantl, Veröffentlichung von Briefen, LZ. 1915 S. 601 ff., Schulz-Schäffer a. a. O. S. 233 ff., Allfeld in DIZ. 1922 S. 588. Mer Öffnung und Verwertung versehentlich zugegangener Briese s. OLG. Hamm, 10. März 1916, OLG. Bd. 32 S. 263 ff. Hinsichtlich der Unterlassungsklage vgl. übrigens auch Vor­ dem. VII. S. auch OLG. Stuttgart, 16. AprU 1920, OLG. Bd. 40 S. 235 ff. (betr. Briefe des Kaisers Wilhelm II. und seines Vaters an Bismarck) und hiezu Schulz in DIZ. 1920 S. 449 ff. i) Mer das Recht an der „Geheimsphäre der Person" s. Schulz-Schäffer a. a. O. S. 223 ff. k) 8 823 Abs. 1 ist auch anwendbar aus den Schuh bedingterRechte: s. Oertmann Bem. 3, h.

B.*) Die Verletzung des Rechtes eines anderen mutz, um die Verpflichtung zum Schadensersätze zu begründen, widerrechtlich erfolgt sein: „es liegt in dem Begriffe eines solchen subiekttoen Rechtes, dab jeder Drttte dasselbe achten muh und nicht ver­ letzen darf" (M. II, 726, RG.. 18. Jan. 1913, RGZ. Bd. 81 S. 221, RG., 21. Jan. 1918, RGZ. Bd. 92 S. 137). Die Widerrechtlichkeit einer Rechtsverletzung wird da­ durch, dab sie sich auf polizeiliche Ermächtigung zu stützen vermag, nicht aus­ geschlossen (s. OLG. Karlsruhe, 26. April 1901, OLG. Bd. 2 S. 457 ff. hinsichtlich des Bordellbettiebs: s. auch OLG. Kalmar, 21. Febr. 1906, „Recht" 1906 S. 560 Nr. 1269); anderseits erscheint eine Handlungsweise noch nicht um deswillen als wider­ rechtlich, weil sie fremde Rechtsgüter zu gefährden geeignet ist (s. BayObLE., 4. Dez. 1902, „Recht" 1903 S. 79 Nr. 324 entgegen der früheren Rechtsprechung dieses Gerichtshofs; s. auch OLG. Kalmar, 25. Ott. 1901, OLG. Bd. 4 S. 55 ff.). Mer die Frage, inwiewett DrohungmiteinerStrafanzeige widerrechtlich sein kann, s. OLG. Kalmar, 2. Dez. 1904, OLG. Bd. 10 S. 135 ff. Die in 8 823 Abs. 1 vorausgesetzte Widerrechtlichkeit ist übrigens ein rein ob­ jektiver Begriff (ebenso Weyl, Verschuldensbegriffe S. 365, Oertmann Bem. 7, Goldmann-Littenthal S. 884 Anm. 13, RG.. 30. Dez. 1901, RGZ. Bd. 50 S. 66); über den subjektiven Begriff des Verschuldens s. unten unter C. *) Vgl. E. Zitelmann, Ausschluß der Widerrechtlichkeit, ArchZivPrax. Bd. 99 S. Iss.; Kipp, Der Begriff der Rechtsverletzung in der Festgabe für Gierke, 1910, II, 1; H. A. Fischer, Die Rechtswidrigkeit mit besonderer Berücksichtigung des Privatrechts, München 1911; Nagler, Der heutige Stand der Lehre von der Rechtswidrigkeit in der Festgabe für Binding, 1911; Heinitz, Materielle Rechtswidrigkeit, 1926.

1780 823 (II B 1,2)

VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse.

Don dem Grundsätze, daß jede Verletzung eines der im § 823 Abs. 1 erwähnten Rechtsgüter oder Rechte widerrechtlich ist, bestehen wichtige Ausnahmen: 1. Durch ein dem Handelnden zustehendes eigenes Recht, die Handlung oder Unterlassung oorzunehmen, wird die Widerrechtlichkeit ausgeschlossen, weil das Recht eines anderen stets als Beschränkung des eigenen Rechtes zu verstehen ist (M. II, 726). Die Befugnis zur Verletzung fremder Rechte kann sowohl auf privatrechtlicher als auf öffentlichrechtlicher Grundlage beruhen: in ersterer Hinsicht sei z. B. auf § 906 oder 8 859 (vgl. RG., 22. Okt. 1903, DIZ. 1903 S. 574), in letzterer auf das dem Lehrer zustehende Züchtigungsrecht verwiesen. Hinsichtlich des abgeleiteten Züchtiflungsrechts gegenüber fremden Kindern f. Bem. 5 zu 8 679 und Bem. , 5, d Abs. 3 zu 8 1631. Über die Anwendbarkeit des 8 823 Abs. 1 bei Überschrei­ tung des Züchtigungsrechts f. RG., 14. Dez. 1905, IW. 1906 S. 85ff. (vgl. hinsichtlich des Züchtigungsrechts des Lehrers die in RGRK. Bem. 10 er­ wähnten Entsch. des Reichsger. in StS., ferner für Bayern Stenger SeuffBl. Bd. 76 S. 647 ff., 690 ff., für die bayerische Pfalz RG., 17. Okt. 1910, RGSt. Bd. 49 S. 127 ff., für Preußen RG., 2. Febr. 1912, WarnE. 1912 Nr. 163, PIum in IW. 1916 S. 189 Note zu Ziff. 7). Über Fahrlässigkeit des Lehrers bei Ausübung des Züchtigungsrechts s. RG., 16. Nov. 1915, IW. 1916 S. 189 ff. Über Ausschluß der Diderrechrlichkeit durch Dienstvorschriften über den Waffengebrauch s. RG., 16. Okt. 1906, IW. 1906 S. 745; über den Umfang des Rechtes des Pfandschuldners zum Verkaufe von Zubehörstücken s. RG., 20. April 1907, IW. 1907 S.332. Über Ausschluß der Widerrechtlichkeit durch jagdpolizeiliche Vorschriften (Be­ fugnis des Iagdberechtigten zur Tötung revierender Hunde nach bayer. Recht) f. OLG. München, 30. Ian. 1911, SeuffA. Bd. 67 Nr. 38, und v. Balta in BayZ. 1912 S. 232 ff. 2. Nach 8 227 ist eine durch Notwehr gebotene Handlung nicht widerrechtlich. Notwehr ist dreienige Verteidigung, welche erforderlich ist. um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden (M. II, 728ff., 769ff.; vgl. die Bem. zu 8 227 sowie 8 53 StGB, und die Kommentare hiezu, ferner H. A. Fischer a. a. O. S. 201 ff.; hinsichtlich des früheren Rechtes s. BayObLGZa. Bd. 16 S. 60 ff.). a) Über die einzelnen Elemente des Notwehrbegriffs s. Bd. I Bem. 2, a—e zu 8 227. b) Der Ausschluß der Schadensersatzpflicht greift nur Platz, soweit es sich um eine Schädigung des Angreifers, nicht auch, soweit es sich um eine Schädigung dritter Personen handelt; vgl. Bem. 3, a zu 8 227. c) Notwehr gegen Notwehr ist ausgeschlossen; vgl. Bem. 3, o zu 8 227. ck) Nach 8 53 Ms. 3 StGB, ist die Überschreitung der Notwehr (Notweh reiz eß) nicht strafbar, wenn der Täter in Bestürzung, Furcht oder Schrecken über die Grenzen der Verteidigung hinausgegangen ist. Dem BGB. ist eine solche Vorschrift unbekannt; bei Überschreitung der Notwehr wird daher die Widerrechtlichkeit der Handlung im Sinne des 8 823 Abs. 1 nicht beseitigt und die Verpflichtung zum Schadensersatz« bleibt bestehen; freilich wird die Ersatzpflicht in solchen Fällen häufig mangels des erforderlichen Verschuldens (f. unten unter C) zu verneinen sein, so insbesondere, wenn die betätigte Mwehrhandlung ohne Fahrlässigkeit für erforderlich erachtet werden konnte (RG., 13. Febr. 1902, IW. 1902 Seil. S. 192, OLG. Karlsruhe, 2. Okt. 1903, OLG. Bd. 9 S. 39); auch kann die Vorschrift des 8 254 eingreifen (so insbesondere auch RG., 27. März 1911, WarnE. 1911 Nr. 261, und 27. April 1911, 2W. 1911 'S. 578 ff.; vgl. Bem. 4 zu 8 227, M. I, 349. II, 728 ff.. Iacub^ky Bem. S. 165 und hinsichtlich des früheren Rechtes RGZ. Bd. 21 S. 295 ff.). e) Auch die irrtümliche Annahme der Notwehr (Putativnotwehr) fällt nicht unter 8 227 und schließt daher die Widerrechtlichkeit der Handlung nicht aus. Auch hier (f. oben unter d) wird aber häufig das zur Begründung der Ersatzpflicht erforderliche Verschulden fehlen oder die Vorschrift des 8 254 anwendbar sein (Bem. 5 zu 8 227, M. II, 728 ff., OLG. Karlsruhe, 2. Okt. 1903, und OLG. Rostock, 24. Okt. 1907, OLG. Bd. 9 S. 39, Bd. 18 , Francke, Tierhalterhaftung S. 38, OLG. Kassel, 12. Nov. 1908, SeuffA. Bd. 65 Nr. 72; s. auch RG.. 9. Nov. 1914, IW. 1915 S. 91 ff. e) Da das Halten eines Tieres kein Rechtsgeschäft, sondern ein rein tatsäch­ liches Verhältnis ist, kann auch eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne Rücksicht auf die Ein­ willigung ihres gesetzlichen Vertreters Tierhalter und daher nach Maßgabe des 8 833 haftbar sein (ebenso Kohler S. 496ff.; and. Ans. Planck Bem. 8, weil das Halten eines Tieres eine Rechtshandlung sei); gleichgültig ist daher auch, ob das Tier auf Grund eines rechtswirksamen oder nichtigen Rechtsgeschäfts erworben worden ist (ebenso Kohler S. 492; and. Ans. Oert­ mann Sem. 3, d, Goldmann-Lilienthal S. 913 Anm. 8). Aber die llnanwendbarkeit der §§ 827—829 auf die Haftung des Tierhalters f. unten Bem. 9, a. f) Ersatzpflichtig ist grundsätzlich, wer in dem Zeitpunkt, in dem die Schadens­ stiftung erfolgte, das Tier gehalten hat (RGZ. Bd. 52 S. 117). Zweifel ergeben sich für die Fälle, in denen ein Tier Schaden stiftet, nachdem es sich der Verfügungsgewalt des bisherigen Halters entzogen hat. Daß die Haf­ tung des Tierhalters nicht schon in diesem Augenblick endigt, dürste unbestreit­ bar sein; die Beendigung der Haftung wird vielmehr erst Platz greifen, wenn das Tier entweder von einem anderen ausgenommen ist oder seine natürliche Freiheit wiedererlangt hat (ebenso OLG. Oldenburg, 22. Okt. 1919, SeuffA. Bd. 75 Nr. 21). Demgemäß haftet aus 8 833 der Besitzer eines entlaufenen Bären, falls dieser auf der Flucht einen seiner Verfolger zerreißt, nicht aber, wenn der Bär in einem benachbarten Walde Unterschlupf findet und von dort aus Raubzüge unternimmt; selbstverständlich kann aber die Haftung des ftüheren Halters aus anderem Rechtsgrunde (z. B. wegen nachlässtger Ver­ wahrung; s. insbes. § 823 Abs. 2 in Verbindung mit § 367 Abs. 1 Nr. 11 StGB.) begründet sein (ähnlich Neumann Note 3, b, Crome § 336 Anm. 14, Dernburg § 396, IV, 1, Francke, Tierhalterhaftung S. 42, v. Rottenburg a. a. O.; and. Ans. Jsay in IheringsI. Bd. 39 S. 317 ffj). Die gleichen Grundsätze gelten, wenn das Tier durch die Handlung eines Menschen (z.B. durch Diebstahl) dem bisherigen Halter entzogen wird (s. Planck Bem. 6). Dgl.

1894 888(6)

VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhältnisse.

übrigens auch 8 960 mit Bem. Die Tierhaltereigenschaft des Besitzers endigt, wenn ihm (z. B. durch Konfiskation eines tollwutverdächtigen Hundes) die Verfügungsgewalt vollständig entzogen wird, nicht aber schon dadurch» daß eine BehSrde das Tier aus polizeilichen Gründen in Verwahrung nimmt (91®., 23. Jan. 1913, IW. 1913 S. 431ff.). g) Kein „Halten" im Sinne des 8 833 ist das Behaftetsein mit Tieren (z.B. Ungeziefer): ebenso Oertmann Bem. 4, a, r>, Kuhlenbeck Note 3, Litten S. 112. h) Halten mehrere ein Tier gemeinschaftlich, so hasten sie sämtlich nach Matzgabe des 8 833, und zwar als Gesamtschuldner (88 830, 840 Abs.l; s. auch 8 840 Abs. 3; vgl. M. II, 814, süchs. GB. § 1564; ebenso Planck Bem. 7, Fischer-Henle Note 8, Oertmann Bem. 4, c. Litten S. 138 ff., (fronte S. 1064, Achilles Note 2, c, Neumann Note 5, RG., 23. März 1905, RGZ. Bd. 60 S. 315, OLG. Teste, 10. Juni 1902, OLG. Sb. 5 S. 250 ff.; and. Ans. Jsay a. a. O. S. 319). Über Benutzung von Pferden für den Wirtschastsbetrieb verschiedener Personen s. 9M5„ 5. Jan. 1911, IW. 1911 S. 279. Hinsichtlich des Anspruchs auf Ausgleichung zwischen mehreren Tierhaltem entscheidet der Grundsatz des 8 840 Abs. 3 (Bem. 2, b, y iu 8 840; vgl. 9t®„ 24. Nov. 1902, R®Z. Bd. 53 S. 123, Neumann Note 3, a). Ist der Schaden durch das Zusammenwirken mehrerer Tiere herbeigeführt worden, so hasten ebenfalls dem Verletzten sämtliche Tierhalter als Gesamtschuldner; für ihr Verhältnis zueinander ist 8 426 matzgebend, wobei die Zahl der von jedem Tierhalter gehaltenen Tiere ent­ scheidend sein dürste (vgl. das interessante Urt. d. OLG. Stuttgart vom 28. Sept. 1906, OLG. Bd. 14 S. 45 ff. und hiezu Krückmami in JheringsJ. Sb. 55 S. 186 ff., ferner RG., 5. Mär, 1906, GruchotsBeitr. Bd. 50 S. 973 ff.. OLG. Rostock, 18. Der. 1908, OLG. Bd. 18 S. 83 ff., OLG. Kiel, 17. Juli 1920, SeuffA. Bd. 76 Nr. 115). i) Daß auch eine juristische Person Tierhalter sein kann, steht autzerZweifel; hinsichtlich der Gesellschaft s. Bem. VI,3a.E. zu 8 714. Über denMilitärstsrus als Halter militärischer Dienstpferde s. RG., 27. April 1911, RGZ. Bd. 76 S. 225 ff., über eine Niederlassung von Ordensschwestern als Tier­ halterin s. RG., 29. Dez. 1910, IW. 1911 E. 218ff., über die Gemeinde als Halterin eines Zuchtstiers s. RG., 8. Jan. 1917, IW. 1917 S. 287. Hinsichtlich der Anwendbarkeit des 8 833 Satz 2 auf eine juristische Person s. unten Sem. 7, b, ß, TY. k) Ist ein Tier Bestandteil des Gesamtguts, so ist als Tierhalter regelmätzig nur der Mann, nicht auch die Frau anzusehen (ebenso RGRK. Bem. 4; vgl. OLG. Köln, 23. Jan. 1908, „Recht" 1908 Nr. 977; and. Ans. Oert­ mann Sem. 4, a, d). Das gleiche gilt, wenn das Tier beim Güterstande der eheherrlichen Verwaltung und Nutznietzung rum eingebrachten Gute ge­ hört (ebenso Oertmann und RGRK. a. a. £).). 6. Inhalt und Umfang d« Ersatzanspruchs. Zu ersetzen ist gemätz 8 833 nur derjenige Schaden, der aus der Tötung eines Menschen, der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit eines Menschen oder der Beschädigung einer Sache entsteht; im übrigen sind für den Jichalt und Umfang des Ersatzanspruchs die allgemeinen Vorschriften der 88 249 ff. matzgebend. a) Über Schadensersatz bei Tötung oder Verletzung des Körpers oder der Gesundheit eines Menschen s. Sem. II, A, 2, b $u § 823, sowie 88842 bis 847 und Bem. hiezu (die Anwendbarkeit der 88 844 und 845 wird mit Unrecht bestritten von Liszt S. 108; vgl. dagegen Litten S. 139; s. aber auch unten Bem. 10, b, sowie Bem. VI zu 8 844, Bem. 5 zu 8 845). Datz ohne Rück­ sicht auf Verschulden des Tierhalters auch Schmerzensgeld (8 847) be­ ansprucht werden kann, ist zweifestos; vgl. Bem. 3, a zu 8 847; s. auch unten Bem. 9. b) Als Beschädigung einer Sache im Sinne des 8 833 ist wohl auch deren vollständige Vernichtung oder Entziehung zu erachten (ein Pferd fritzt stemden Hafer auf; ein Rabe stiehlt einen Ring und lädt ihn ins Wasser fallen; ein Hund verjagt einen Bogel, der nicht mehr zurückkehrt): ebenso Planck Bem. 2, c, Oertmann Bem. 3, b, Gierke 8 214 Änm. 43, RGRK. Bem. 3, Goldmann-Lilienthal S. 913 Anm. 4, Liszt S. 108, Litten S. 22 ff., Neu­ mann Note 1, b, Kuhlenbeck Note 5, Fischer-Henle Note 3; s. auch die Kom­ mentare zu 8 303 StGB.

25. Titel. Unerlaubte Handlungen.

888(6) 1895

Hinsichtlich des Umfangs der Ersatzpflicht finden die Vorschriften der 88 848—851 Anwendung (s. unten Bem. 9). Die Behauptung von Jsay (S. 306), datz unter Sachen nur bewegliche Sachen zu verstehen seien, ist offen­ bar unrichtig (Litten S. 23 Sinnt. 11). c) Für anderen als den im 8 833 genannten Schaden (z.B. Auf­ wendungen zur Abwendung einer Gefährdung durch das Tier) haftet der Tier­ halter nicht auf Grund des 8 833, möglicherweise aber nach 88 823, 826 (Planck Bem. 5, Gierke 8 214 Anm. 43, Neumann Note 1, b, Schollmeyer S. 237, Oertmann Bem. 3, b, Dernburg 8 396 Anm. 2, Goldmann-Lilienthal S. 913, Litten S. 20 ff.). ä) Ein Anspmch auf Unterlassung (Beseitigung der durch ein Tier drohenden Gefährdung) oder auf Vornahme der zur Abwehr einer Schädigung erforderlichen Matznahmen ist aus 8 833 nicht abzuleiten (ebenso Goldmann-Lilienthal S. 913 Anm. 6, RGRK. Bem. 5 a. E„ Oertmann Bem. 8, Flad in JheringsJ. Bd. 70 S. 375; and. Ans. Dernburg 8 396, VII; vgl. Vordem. VII vor 8 823). e) Aus der Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschriften über Schadensersatz (88 249ff.) ergibt sich insbesondere die entsprechende Anwendbarkeit des 8 254 bei eigenem Verschulden des Verletzten, und zwar auch auf die Fälle des 8 833 Satz 1; denn ein Verschulden des Ersatzpflichtigen wird im 8 254 nicht vorausgesetzt (Bem. 2, a au 8 254; s. M. II, 813, P. II, 647 ff.; bei der dritten Lesung des Gesetzes im Reichstagsplenum wurde diese Bestimmung insbesondere für den Fall als anwendbar bezeichnet, datz jemand beim unbefugten Betreten eines fremden Grundstücks von einem als Wache gehaltenen Hunde gebissen werde, falls er wutzte oder den Umständen nach wissen mutzte, datz er dieses Grundstück nicht betteten dürfe; StG. 834 ff.; so auch RG., 20. Febr. 1902 und 5. Mai 1902, RGZ. Bd. 50 S. 219 ff., 93b. 51 S. 275 ff., 26. Jan. 1903, 12. März 1903, 11. April 1906, 11. Ott. 1906, 29. Ott. 1906, 25. März 1907, IW. 1903 Beil. S. 42 ff., 66, 1906 S. 350, 739, 740, 1907 S. 307 ff.). ») Ist das Verschulden des Beschädigten die ausschli«bliche Ursache der Verletzung, so kann schon nach den allgemeinen Grundsätzen über ursächlichen Zusammenhang von einer Haftung des Tierhalters nicht die Rede sein (RGZ. Bd. 51 S. 277 ff., RG., 26. Ian. 1903, IW. 1903 Beil. S. 42 ff.), ß) Liegt (in den Fällen des 8 833 Satz 1) ein Verschulden des Tierhalters nicht vor, so könnte allerdings eine Abwägung von beiderseitigem Verschulden im Sinne des 8 254 nur m dem Sinne stattfinden, datz geprüft würde, ob der Schaden vorwiegend durch die Tatsache des Tier­ haltens oder durch das Verschulden des Verletzten verursacht worden sei. Allein auch wenn diese entsprechende Anwendung des 8 254 nicht für zulässig erachtet werden sollte, so kann doch jedenfalls das Matz der Verschuldung auf Seite des Verletzten von Bedeutung sein (RGZ. Bd. 51 S. 278, OLG. Bamberg, 23. Juni 1906, BayZ. 1907 S. 70, RG., 20. Febr. 1908, „Recht" 1908 Nr. 1195, und 7. Ian. 1909, IW. 1909 S. 136 ff.; noch weitergehend hält Oertmann Bem. 5, a den 8 254 schon dann für anwend­ bar, wenn der Verletzt« die Gefährdung durch das Tier überwiegend herbei­ geführt hat). y) § 254 ist auf die Haftung des Tierhalters auch insoweit anwendbar, als der Umfang des zu leistenden Ersatzes, also namentlich die Zulässigkeit einer Teilung des Schadens, in Frage'steht (RGZ. Bd. 51 S. 279, RG., 12. Nov. 1906 und 20. Febr. 1908, IW. 1906 S. 808 ff., 1908 S. 235 ff., OLG. Hamburg, 5. Nov. 1906, OLG. Bd. 14 S. 48). Über die Anwend­ barkeit des 8 254 bei unvorsichtigem Eingreifen in den Kampf von Hunden f. RG., 13. Ott. 1913, „Recht" 1914 Nr. 624, und 16. Febr. 1914, IW. 1914 S. 472. Zur völligen Abweisung der Klage kann das eigene Ver­ schulden des Verletzten (in den Fällen des 8 833 Satz 1) nur führen, wenn es in dem Matze die Ursache des Schadens gewesen ist datz ihm gegenüber die durch das Halten des Tieres hervorgerufene Gefahr vollständig zurückttitt (RG., 24. Sept. 1903, IW. 1903 Beil. S. 143,2. März 1908, WarnE. 1908 Nr. 290, und 24. Sept. 1908, IW. 1908 S. 680ff.). Über die Be­ deutung einer Vernachlässigung der Wunde durch den Verletzten s. RG., 9. D«. 1909, IW. 1910 S. 65 ff. d) Bei Prüfung der Frage, ob ein Verschulden des Beschädigten vorliegt sind die Vorschriften der 88 827, 828 zu beachren (s. Bem. 2, e

1896 888(7)

VII. Abschnitt. Einzelne Schuldverhültnisse.

zu § 254, Vordem. 3 vor § 827 und die dortigen Anführungen). Daher rann, wenn ein Kind unter 7 Jahren durch ein Tier verletzt wird, die Anwendung des § 254 überhaupt nicht in Frage kommen (RG., 11. Mai 1903, RGZ. Bd. 54 S. 410 ff.). Ein mitwirkendes Verschulden der Eltern des Kindes (z.B. Mangel der erforderlichen Aufsicht) kommt gegenüber dem Ersatzansprüche des beschädigten Kindes nicht in Betracht (OLG. Hamm, 14. Okt. 1902, „Recht" 1902 S. 588 Nr. 2679). e) Von einem Verschulden im Sinne des § 254 kann nicht gesprochen werden, wenn jemand in Erfüllung einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht eingreift und hiebei verletzt wird, z. B. scheu gewordenen Pferden sich entgegenstellt, um dre Beschädigung anderer zu verhindern, es sei denn, datz er hiebei in einer Weise unvorsichtig und kopflos gehandelt hat, die mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht vereinbar ist (RG., 20. Febr. 1902, RGZ. Bd. 50 S. 219 ff., 5. Mai 1904 und 30. Jan. 1905, IW. 1904 S. 356, 1905 S. 170 ff., 9. Nov. 1908 und 13. Okt. 1910, „Recht" 1909 Nr. 2263, 1910 Nr. 4087, KG., 4./11. Okt. 1901, OLG. Bd. 3 S. 290 ff.). Dagegen wird ein Verschulden des Verletzten regelmätzig vorliegen, wenn er das Tier gereizt hat, wenn die beschädigte Sache mangelhaft beaufsichtigt worden ist, unter Umständen auch dann, wenn von dem Rechte der Notwehr oder des Notstandes kein Gebrauch gemacht worden ist (L. Lohn in GruchotsBeitr. 1899 S. 398, Kuhlenbeck Note 6).