J. v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Band 3., Teil 1 Sachenrecht: Teil 1: §§ 854–1017 [9., bearb. Aufl., Reprint 2020] 9783112359082, 9783112359075


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German Pages 795 [802] Year 1926

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J. v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Band 3., Teil 1 Sachenrecht: Teil 1: §§ 854–1017 [9., bearb. Aufl., Reprint 2020]
 9783112359082, 9783112359075

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3. o. 5taudingers Kommentar jum

Bürgerlichen Gesetzbuch und dem Einsührungsgesetz herausgegeben von

Dr. Theodor Locwenfeld f,

Dr. Erwt« Riezler,

UniversstätS-Professor,RechtSa»walt in München

Professor an der Untversstät Erlangen

Dr. Alfred Werner,

Dr. Karl Koder,

RechtSanwalt in München

Rat am Obersten LandeSgertcht in München

Dr. Hans Nipperdey, Professor au der Universität Köln a. Rd.

Dr. Karl Geiler, RechtSanwalt, Professor an der Untversstät Heidelberg

Dr. Theodor Engelmann t,

Dr. Felix Herzfelder,

Rat am Obersten Landesgericht tn München

Okö. Justizrat, Rechtsanwalt in München

Dr. Peter Klei»,

Fritz Keidel,

Professor an der Untversstät Königsberg t. Pr.

Rat am Obersten LandeSgertcht tn München

9. neubearbeitete Anflüge

1926 München, Berlin und Leipzig

3. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier).

I. ii. EtMiMS Smnniciitor zm Mzerlichk» Gesktzdiich mi> hm EinsiihmiizSgksktzk

lil. San». Sachenrecht. 1. Teil (88 854-1017) Erläutert von

Dr. Karl Kober, Rat am Oberste« LaudeSgericht in München.

9. neubearbeitete SfaffaßC.

192« München, Berlin «nd Leipzig. I. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier).

Druck von Dr, F P Dufterer & Cie Freisinq-München

Inhaltsübersicht zum dritten Bande. 1. Tell.

Drittes Buch.

Sachenrecht. Literatur im allgemeinen Abkürzungen Einleitung

Sette ...........................

Erster Abschnitt. Besitz 854-872 Zweiter Abschnitt. Allgemeine Borschrifteu über Rechte an Grundstücken...................................................... 873-902 Dritter Abschnitt. Eigentum 903—1011 Erster Titel: Inhalt des Eigentums 903—924 Zweiter Titel: Erwerb und Verlust des Eigentnms an Grund­ stücken 925—928 Dritter Titel: Erwerb und Verlust des Eigentums an beweg­ lichen Sachen 929-984 I. Übertragung ................................ 929—936 II Ersitzung 937-945 III. Verbindung. Vermischung. Verarbeitung .... 946—952 IV. Ei werb von Erzeugnissen und sonstigen Bestandteilen einer Sache............................................................................ 953—957 V. Aneignung ........................... 958 -964 VI. Fund 965—984 Vierter Titel: Ansprüche aus dem Eigentume 985—1007 Fünfter Titel: Miteigentum 1008—1011 Verordnung des Reichs-Arbeitsamts über das Erbbaurecht vom 1—89 15. Januar 1919 (RGBl S. 72 ff.) Vierter Abschnitt. Erbbaurecht 1012—1017

Notiz:

VI VII

1 13 83 285 285 388 434 437 491 501

522 534 546 576 639 651

779

Das alphabetische Sachregister ist dem 2. Tell beigegebe«.

Literatur im allgemeinen. Die Spez ialliteratur ist in Fußnote« (•) bei den einzelren AdlLnilien, Titeln oder Varogrophen aufgefü-rt.

Btermann-^J. Biermann, Das Sachenrecht des BGB., 3. Anst., Berlin 1914. Becher BLZR. = H. Becher, Das rechtsrheinisch-bayrische Landeszivilrccht und Landeszivil­ prozeßrecht, 2 Bde., München 1896. Becher, Mat. = H. Becher, Die gesamten Materialien zu den das BGB. und seine Neben­ gesetze betreffenden bayrischen Gesetzen und Verordnungen nebst den einschlägigen Ministerialerlassen, 8 Ableitungen, München 1896/1901. Böhm — I. Böhm, Tas materielle und formelle Grundbuchrecht, Hannover 1898. Buhl — H Buhl, Das Recht der beweglichen Sachen nach dem BGB., Berlin 1901. Cosack — K Cosack, Lehrbuch des deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. II, 1, Jena 1913, 6. Ausl Crome -- Crome, System des deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. III, Berlin 1905. Dernburg, Pand. = H. Dernburg, Pandekten, 1. Teil, 8. Ausl., bearbeitet von Prof. Dr. Paul Sokolowski, Berlin 1910. Dernburg, SR. = H Dernburg, Das Sachenrecht des Deutschen Reichs und Preußens, 4. Aufl., Halle 1908. Düringer-Hachenburg - Das Handelsgesetzbuch auf der Grundlage des BGB., 2 Aufl. bearbeitet von A. Düringer, M. Hachenburg, K. Geiler, V. Hoeniger und I. Breit. Ehrenberg — Ehrenberg, Bittor, Handbnch des gesamten Handelsrechts, Leipzig 1913 sf. Ende mann — F. Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, 8. u. 9. Aufl., 2. Bd., Berlin 1905. Fischer- Henle ■— Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896. Handausgabe, heraus­ gegeben von O. Fischer und W. v. Henle, München 1923. Fuchs — E. Fuchs, Kommentar zu den grundbuchrechtlichen Normen des BGB. und zur GBO, Berlin 1901—1903. Gierke — Gierke, Otto, Deutsches Privatrecht, Bd. II: Sachenrecht, Leipzig 1905. Goldmann-Lilienthal = E. Goldmann und F. Lilienthal, Tas Bürgerliche Gesetzbuch, 2. Aufl., Bd. II, Berlin 1912. Güthe = G. Gnthe, Die Grundbucbordnung für das Deutsche Reich und die preußischen Ausführungsbestimmungen. 4. Aufl. Herausgegeben von Triebe! 1923/25. Habicht - H. Habicht, Die Einwirkung des BGB. auf zuvor entstandene Rechtsverhältnisse, 3. Aufl. Jena 1901. Hachenburg, Vortr. — M. Hachenburg, Das BGB. für das Deutsche Reich, Vorträge, 2. Aufl, Mannheim 190u. Hachenburg, Beitr. — M. Hachenburg, Beiträge zum Hypotheken- und Gründschulbrecht des Entwurfs eines BGB. für das Deutsche Reich (zweite Lesung), Mannheim 1895. Hedemann — Hedemann, Sachenrecht des BGB., Berlin und Leipzig 1924. Jacubezky, Bem. - K. Jacubezky, Bemerkungen zu dem Entwürfe eines BGB. für das Deutsche Reich, München 1892. Korn — Korn, Handbuch des Zivilrechts. Berlin 1908. Kretzschmar, Einführung in das Grundbuchrecht, 1902 und 1903, und ferner, Das Sachen­ recht, Leipzig 1906. Kuhlenbeck — L. Kuhlenbeck, Das BGB. für das Deutsche Reich, 2. Bd., Berlin^l903. Maenner — K. Maenner, Sachenrecht, 2. Ausl., München 1906. Matthiaß — B. Matthiaß, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, 7. Aufl. Berlin 1914. Neumann — H. Neumann, Handausgabe des BGB. für das »Deutsche Reich, 6. Aufl. Berlin 1912. dieumann Jahrb. = Jahrbuch des Deutschen Rechtes. Overneck — H. Oberneck in Gruchot, Beitr. 1899 S. 151 ff., Tas '.formelle Reichsgrundbuchrecht. Oberneck RGR. — H Oberneck, Das Reichsgrundbuchrecht unter Berücksichtigung der Ausführungsbeftimmungen sämtlicher Bundesstaaten, insbes. derjenigen Preußens, 4. Aufl., Berlin 1909.

Literatur im allgemeinen. — Abkürzungen.

VII

Planck — G. Planck. Bürgerliches Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz, 3. Bd., Sachenrecht, 4. Ausl, Berlin 1920. Regelsberger - F Reaelsberger, Das bayr. Hypothekenrecht, 3. Aufl., unter Mitwirkung von W. Henle, Leipzig 1896. RGR.-Komm. — Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Recht­ sprechung des Reichsgerichts, erläutert von Reichsgerichtsräten, 2 Bde., Nürnberg 1923. Roth-Becher — P. Roth, Bayr. Zivilrecht, 2. Bo., Sachenrecht, bearbeitet von H. Becher, Tübingen 1881/1899. Sörgel Rlpr. = Rechtsprechung zum gesamten Zivil-, Handels- und Prozeßrecht, heraus­ gegeben von Dr Hans Th Sörgel (jährlich ein Band). Staub — Staub-Könige, Kommentar zum HGB. 10. Aufl. Stobbe-Lehmann = O. Stobbe, Handbuch des deutschen Privatrechts, 3. Aufl., II. Bd., 1. und 2. Abteilung, bearbe tet von H. O. Lehmann, Berlin 1896—1898. Strecker — O. Strecker, Rechte an Grundstücken, Berlin 1898. Turnau-Förster —W. Turnau und K. Förster, Das Liegenschaftsrecht nach den deutschen Reichsgesetzen und den preußischen Ausführungsbestimmungen, 2 Bde., 3. Ausl., Paderborn 1906. Warneyers Jahrb. — Warneyers Jahrbuch der Entscheidungen auf dem Gebiete des Zivil-, Handels- und Prozeß, echis. Warneyer ErgBd. — Warneyers Jahrbuch der Entscheidungen, Ergänzungsband enihaltend die Rechtivrechunq des Reichsgerichts auf dem Gebiete des Zivilrechts, soweit sie nicht in der amtl chen Sammlung der Entsch. d. RG. abgedruckt ist (erscheint seit 1908). Warneyer — Warneyer, Kommentar zum BGB. 1919 ff. Windscheid-Kipp — B. Windsche'd, Lehrbuch des Pandektenrechts, 9. Aufl., bearbeitet von Th. Kipp, Frankfurt a M. 1909. Wolff, SR. — Das Sachenrecht von Dr. Martin Wolff, 1923, 2. Bd. des Lehrbuchs des Bürgerlichen RechiS von L. Enneccerus, Th. Kipp und M. Wolff, 15 —19. Aufl.

Abkürzungen. AG. ---- Aussührungsgesetz zum BGB. AGO—Aussührungsgcsetz zur Grundbuch Ordnung und zu dem Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangs­ verwaltung. AnsG. —Gesetz betr. die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens. ArchBürgR. = Archiv für bürgerliches Recht (1888—1919). ArchZivPrax. = Archiv für die zivilistische Praxis. BadNotZ. = Badische Notariatszeitung. BadRpr. = Badische Rechtspraxis. BayObLG. Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen; — n.F.---Sammlung usw. neue Folge (von 1901 ab). BayZ.--- Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern. BayNotZ.--Zeitschrift für das bayerische Notariat und für die freiwillige Rechts­ pflege der Gerichte in Bayern. SeuffBl. — Dr. I. A. Seufferts Blätter für Rechtsanwendung.

Bl. f. R. i. Bez. d. KG. -= Blätter für Rechts pflege im Bezirke des Kammergerichts. BLR. = Bayrisches Landrecht. BGB. --- Bürgerliches Gesetzbuch. cod. civ. = code civil. D. --- Denkschrift (z. B. D. z. ZPO.); D.(ohne Beisatz)--Denkschrift zum Entwurf eines BGB. DIZ. — Deutsche Juristenzeitung. DNotB. — Zeitschrift des Deutschen Notar­ vereins. E. I, II, III Entwurf I, II, III d. BGB. EG. Einsührungsgesetz z. BGB. ElsLothNotZ. — Notariats - Zeitschrift für Elsaß-Lothringen. ElsLothZ. — Juristische Zeitschrift für das Reichsland Elsaß-Lothringen. FGG. = Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts, zusammengestellt im Reichs-Justizamte. FG. = Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. GBO. = Grundbuchordnung. GemR. -- Gemeines Recht.

Literatur im allgemeinen. — Abkürzungen.

VII

Planck — G. Planck. Bürgerliches Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz, 3. Bd., Sachenrecht, 4. Ausl, Berlin 1920. Regelsberger - F Reaelsberger, Das bayr. Hypothekenrecht, 3. Aufl., unter Mitwirkung von W. Henle, Leipzig 1896. RGR.-Komm. — Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Recht­ sprechung des Reichsgerichts, erläutert von Reichsgerichtsräten, 2 Bde., Nürnberg 1923. Roth-Becher — P. Roth, Bayr. Zivilrecht, 2. Bo., Sachenrecht, bearbeitet von H. Becher, Tübingen 1881/1899. Sörgel Rlpr. = Rechtsprechung zum gesamten Zivil-, Handels- und Prozeßrecht, heraus­ gegeben von Dr Hans Th Sörgel (jährlich ein Band). Staub — Staub-Könige, Kommentar zum HGB. 10. Aufl. Stobbe-Lehmann = O. Stobbe, Handbuch des deutschen Privatrechts, 3. Aufl., II. Bd., 1. und 2. Abteilung, bearbe tet von H. O. Lehmann, Berlin 1896—1898. Strecker — O. Strecker, Rechte an Grundstücken, Berlin 1898. Turnau-Förster —W. Turnau und K. Förster, Das Liegenschaftsrecht nach den deutschen Reichsgesetzen und den preußischen Ausführungsbestimmungen, 2 Bde., 3. Ausl., Paderborn 1906. Warneyers Jahrb. — Warneyers Jahrbuch der Entscheidungen auf dem Gebiete des Zivil-, Handels- und Prozeß, echis. Warneyer ErgBd. — Warneyers Jahrbuch der Entscheidungen, Ergänzungsband enihaltend die Rechtivrechunq des Reichsgerichts auf dem Gebiete des Zivilrechts, soweit sie nicht in der amtl chen Sammlung der Entsch. d. RG. abgedruckt ist (erscheint seit 1908). Warneyer — Warneyer, Kommentar zum BGB. 1919 ff. Windscheid-Kipp — B. Windsche'd, Lehrbuch des Pandektenrechts, 9. Aufl., bearbeitet von Th. Kipp, Frankfurt a M. 1909. Wolff, SR. — Das Sachenrecht von Dr. Martin Wolff, 1923, 2. Bd. des Lehrbuchs des Bürgerlichen RechiS von L. Enneccerus, Th. Kipp und M. Wolff, 15 —19. Aufl.

Abkürzungen. AG. ---- Aussührungsgesetz zum BGB. AGO—Aussührungsgcsetz zur Grundbuch Ordnung und zu dem Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangs­ verwaltung. AnsG. —Gesetz betr. die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Konkursverfahrens. ArchBürgR. = Archiv für bürgerliches Recht (1888—1919). ArchZivPrax. = Archiv für die zivilistische Praxis. BadNotZ. = Badische Notariatszeitung. BadRpr. = Badische Rechtspraxis. BayObLG. Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen; — n.F.---Sammlung usw. neue Folge (von 1901 ab). BayZ.--- Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern. BayNotZ.--Zeitschrift für das bayerische Notariat und für die freiwillige Rechts­ pflege der Gerichte in Bayern. SeuffBl. — Dr. I. A. Seufferts Blätter für Rechtsanwendung.

Bl. f. R. i. Bez. d. KG. -= Blätter für Rechts pflege im Bezirke des Kammergerichts. BLR. = Bayrisches Landrecht. BGB. --- Bürgerliches Gesetzbuch. cod. civ. = code civil. D. --- Denkschrift (z. B. D. z. ZPO.); D.(ohne Beisatz)--Denkschrift zum Entwurf eines BGB. DIZ. — Deutsche Juristenzeitung. DNotB. — Zeitschrift des Deutschen Notar­ vereins. E. I, II, III Entwurf I, II, III d. BGB. EG. Einsührungsgesetz z. BGB. ElsLothNotZ. — Notariats - Zeitschrift für Elsaß-Lothringen. ElsLothZ. — Juristische Zeitschrift für das Reichsland Elsaß-Lothringen. FGG. = Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts, zusammengestellt im Reichs-Justizamte. FG. = Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. GBO. = Grundbuchordnung. GemR. -- Gemeines Recht.

viri

Abkürzungen.

GruchotSBeitr.m Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, begründet von Gruchot. GrünhutsZ. Zeitschrift für privates und öffentliches Recht, herausgegeben von Grünhut. GBBl.— Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Bayern. GBG. = Gerichtsverfassungsgesetz. HGB. = Handelsgesetzbuch. HessRspr. = Hessische Rechtsprechung. HoldheimsMSchr. = Monatsschrift für Han­ delsrecht usw., herausg. von Holdheim. KGJ. —Jahrbuch für Entsch. d. Kammer­ gerichts in Sachen der freiwilligen Ge­ richtsbarkeit. JheringsJ. — Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts. IW. — Juristische Wochenschrift. KO. = Konkursordnung. Kreittmayr, Ann. — Kreittmayr, Annotati­ onen zum bayer. Landrecht. KrVJSchr.---Kritische Vierteljahrschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. LZ.— Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht M. 1,1 — Motive zum Entwürfe (I) eines BGB. Bd. I Seite 1. MecklZ. — Mecklenburgische Zeitschrift für Rechtspflege und Rechtswissenschaft. NotG. = Notariatsgesetz. Mot. z. EG. = Motive zum Einführungs gesetz z. BGB. P. 1,1---Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des BGB. Bd. I Seite I. PLR. ---- Preußisches Landrecht. PosMSchr.----Juristische Monatsschrift für Posen, Ost- u. Westpreußen u. Pommern. „Recht" —Das Recht, herausgegeben von Lindemann und Soergel. RG. ---- Reichsgesetz. RGBl. — Reichsgesetzblatt. ROHG. — Entscheidungen des Reichsober­ handelsgerichts.

RTK. 1 =- Bericht der Reichstagskommission Seite 1. RömR. Römischt s Recht. RGZ. Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen. RGSt. — Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen. RGRK. s. unter Literatur. RheinZ. — Rheinische Zeitschrift für Zivil­ und Prozeßrecht. RMG. Entscheidungen des Reichsmilitär­ gerichts. Rspr.d.OLG. —die Rechtsprechung der Ober­ landesgerichte auf dem Gebiete des Zivil­ rechts, herausgegeben von Mugdan und Faltmann. SR. = Sachenrecht. Sächs. GB.-^ Bürgerliches Gesetzbuch für das Königreich Sachsen. SächsArch. — Sächsisches Archiv für Rechts­ pflege. SächsOLG. — Annalen des K. Sächs. Ober­ landesgerichts in Dresden. SeuffA. = Seufferts Archiv. StB. 1 — Stenog aphische Berichte des Reichstags Seite 1. StGB.^ Strafgesetzbuch. WürttZ. ---- Zeitschrift für die freiwillige Ge­ richtsbarkeit und die Gemeindeverwaltung in Württemberg. StPO.--^ Strafprozeßordnung. ZBlFG. Zentralblatt für freiwillige Ge­ richtsbarkeit u. Notariat, sowie Zwangs­ versteigerung. Z. f. Arbeitsr. = Zeitschrift für Arbeitsrecht (seit 1921). ZG. 1,1 = Zusammenst. d. gutachtl. Äuße­ rungen zu dem Entw. eines BGB. Bd. 1 Seite 1. ZPO. = Zivilprozeßordnung. ZBG.--Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung.

Sämtliche Gesetzesmaterialien sind in der Ausgabe von I. Guttentag zitiert.

Drittes Such.

Sachenrecht. Einleitung. I. Sachenrecht und dingliche Rechte. 1. Terminologie: Der Ausdruck Sachenrecht hat eine mehrfache Bedeutung (vgl. Fuchs, Grund­ begriffe des Sachenrechts 1917 S. 14), nämlich: a) In der Überschrift des dritten Buches bedeutet er den Inbegriff der ob­ jektiven fachenrechtlichen Grundsätze. d) Seinem allgemeinen Wortsinne nach ist unter Sachenrecht jedes sub­ jektive Recht zu verstehen, das eine Sache zum Gegenstände hat; hierunter fallen auch persönliche Rechte aus Kauf, Miete, Leihe usw. auf Sacherwerb und Sachgebrauch. Den Gegensatz hiezu bilden Rechte, deren Gegenstand eine Handlung oder Unterlassung ist. c) In juristisch-technischem Sinne sind aber unter Sachenrechten nur jene bestimmten Rechte zu verstehen, die das BGB. in seinem 3. Buche regelt: Besitz, Eigentum und die sog. begrenzten Rechte: Erbbaurecht, Dienstbarkeit, Vorkaufsrecht, Reallast, Hypothek, Erundschuld, Rentenschuld, Pfandrecht, vgl. unten näher Bem. III, sowie das. über weitere Ausdehnung durch die neueste Reichsgesetzgebung. 2. Den Ausdruck „dingliche" und „absolute" Rechte vermeidet das BGB. hiefür. Das Gesetzbuch hatte, da es grundsätzliche allgemeine Vorschriften hier nicht aufstellt, auch keine besondere Veranlassung, einen allgemeinen Gesamtnamen aufzustellen (vgl. jedoch § 221 aus dem allgemeinen Teile, worin von einem „dinglichen Ansprüche" die Rede ist); es hat ja für jedes einzelne der hier einschlägigen Rechte (vgl. unten III, 2) einen besonderen Namen geprägt. Soll bei einem derartigen Rechte aber zugleich die Sache bezeichnet werden, auf die es sich bezieht, so verwendet das Gesetzbuch hiezu an vielen Stellen neben dem Namen des Rechtes das Verhältniswort „an", so z.B. „Eigentum an einem Grund­ stücke" (s. z. B. §§ 873, 925, 928 u. a.), „Nießbrauch an Sachen" (Überschrift vor § 1030) usw.; ebenso auch als Bezeichnung einzelner Kategorien vgl. z.B. § 954 (Recht „an einer fremden Sache") u. a. (Im Gegensatze zu diesem „an" stehtdas reichsrechtliche „in Ansehung" vgl. § 809 BGB. und § 777 ZPO., sowie Fuchs a.a.O. S. 15). a) Ihrem Wesen nach aber entsprechen die Rechte an Sachen nach dem BGB. den dinglichen Rechten im Sinne der gemeinrechtlichen Doktrin (s. Dernburg Pand. I S. 36, 319 und Windscheid-Kipp I § 38); es sind also die­ jenigen Rechte, welche einer Person eine bestimmte unmittelbare Herrschaft über eine Sache einräumen, ohne daß das Vorhandensein eines Verpflichteten erfordert wird, s. M. III, 2. (Wegen des wissen schaftStaudinger, BGB. III (Kober. Sachenrecht). 9. Anst.

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Drittes Such.

Sachenrecht. Einleitung. I. Sachenrecht und dingliche Rechte. 1. Terminologie: Der Ausdruck Sachenrecht hat eine mehrfache Bedeutung (vgl. Fuchs, Grund­ begriffe des Sachenrechts 1917 S. 14), nämlich: a) In der Überschrift des dritten Buches bedeutet er den Inbegriff der ob­ jektiven fachenrechtlichen Grundsätze. d) Seinem allgemeinen Wortsinne nach ist unter Sachenrecht jedes sub­ jektive Recht zu verstehen, das eine Sache zum Gegenstände hat; hierunter fallen auch persönliche Rechte aus Kauf, Miete, Leihe usw. auf Sacherwerb und Sachgebrauch. Den Gegensatz hiezu bilden Rechte, deren Gegenstand eine Handlung oder Unterlassung ist. c) In juristisch-technischem Sinne sind aber unter Sachenrechten nur jene bestimmten Rechte zu verstehen, die das BGB. in seinem 3. Buche regelt: Besitz, Eigentum und die sog. begrenzten Rechte: Erbbaurecht, Dienstbarkeit, Vorkaufsrecht, Reallast, Hypothek, Erundschuld, Rentenschuld, Pfandrecht, vgl. unten näher Bem. III, sowie das. über weitere Ausdehnung durch die neueste Reichsgesetzgebung. 2. Den Ausdruck „dingliche" und „absolute" Rechte vermeidet das BGB. hiefür. Das Gesetzbuch hatte, da es grundsätzliche allgemeine Vorschriften hier nicht aufstellt, auch keine besondere Veranlassung, einen allgemeinen Gesamtnamen aufzustellen (vgl. jedoch § 221 aus dem allgemeinen Teile, worin von einem „dinglichen Ansprüche" die Rede ist); es hat ja für jedes einzelne der hier einschlägigen Rechte (vgl. unten III, 2) einen besonderen Namen geprägt. Soll bei einem derartigen Rechte aber zugleich die Sache bezeichnet werden, auf die es sich bezieht, so verwendet das Gesetzbuch hiezu an vielen Stellen neben dem Namen des Rechtes das Verhältniswort „an", so z.B. „Eigentum an einem Grund­ stücke" (s. z. B. §§ 873, 925, 928 u. a.), „Nießbrauch an Sachen" (Überschrift vor § 1030) usw.; ebenso auch als Bezeichnung einzelner Kategorien vgl. z.B. § 954 (Recht „an einer fremden Sache") u. a. (Im Gegensatze zu diesem „an" stehtdas reichsrechtliche „in Ansehung" vgl. § 809 BGB. und § 777 ZPO., sowie Fuchs a.a.O. S. 15). a) Ihrem Wesen nach aber entsprechen die Rechte an Sachen nach dem BGB. den dinglichen Rechten im Sinne der gemeinrechtlichen Doktrin (s. Dernburg Pand. I S. 36, 319 und Windscheid-Kipp I § 38); es sind also die­ jenigen Rechte, welche einer Person eine bestimmte unmittelbare Herrschaft über eine Sache einräumen, ohne daß das Vorhandensein eines Verpflichteten erfordert wird, s. M. III, 2. (Wegen des wissen schaftStaudinger, BGB. III (Kober. Sachenrecht). 9. Anst.

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2 (12,3)

Drittes Buch.

Sachenrecht.

lichen Streites über das Wesen der Dinglichkeit vgl. insbes. WindscheidStipp I § 38 mit Anm. 3 und die dortigen Literaturangaben, ferner Fuchs, Grundbuchrecht S. 32 ff. und Grundbegriffe des Sachenrechts S. 18 ff., Wendt in IheringsI. Bd. 29 S. 34 ff., 79 ff., Eccius in GruchotsBeitr. Bd. 46 S. 572 ff., vgl. ferner RGZ. Bd. 53 S. 100, du Chesne, ZBlFG. Bd. 7 S. 195, Bd. 16 S. 570, SeuffBl. Bd. 73 S. 209, Siber, IheringsI. Bd. 50 S. 124 ff.). Im Einzelnen ist aber eine positiveLeistungspflicht mit dem Begriffe des dinglichen Rechtes nicht unverträglich; dies hat das Gesetz in Einzelnormen zum Ausdrucke gebracht, vgl. insbes. §§ 1021, 1022, 1105, 1108, 985, 1065, 1144, 1227 und dazu Fuchs, Grundbegriffe des Sachenrechts S. 26 ff. und die dort vermerkten gegenteiligen Auffassungen. d) Ob diese Macht von dem Berechtigten selbst ausgeübt wird oder nur mittels eines von den Organen der Rechtsordnung geleiteten Ver­ fahrens (wie z. B. bei der Hypothek nach § 1147), ist auf den Begriff ohne Einfluß; denn auch im letzteren Falle stellt die Sache selbst das Mittel dar, wodurch das Recht seine ausschließliche Verwirklichung findet. Bei den Real­ lasten, der Hypothek, sowie der Grund- und Rentenschuld liegt das Ent­ scheidende gerade darin, daß der Berechtigte die Leistung, die ihm gebührt, aus dem Grundstücke verlangen kann, d.h. daß er die Zwangsvollstreckung in dieses gegen den jeweiligen Eigentümer (gleichviel ob persönliche Gläubiger vorhanden sind oder nicht) betreiben kann. Auch beim dinglichen Vorkaufs­ rechte (88 1094ff.) liegt dieses Kriterium darin, daß der Erwerb des Grund­ stücks — wenn einmal das Recht in Wirksamkeit treten kann — gegen jedweden sichergestellt ist. Bei Durchführung eines obligatorischen Rechtes hingegen kann das Urteil stets nur auf eine Leistung einer bestimmten Person gehen. c) Dem dinglichen Rechte gegenüber besteht die allgemeine Pflicht, es nicht zu verletzen und überhaupt sich nicht in Widerspruch mit ihm zu setzen. Inso­ fern wohnt dem dinglichen Rechte auch in der Regel absolute Wirkung inne, indem es jede ihm widersprechende Einwirkung Dritter aus­ schließt. Das Gesetz kann freilich im Einzelfalle diese Wirkung ausdrücklich wieder beseitigen (vgl. z. B. die gesetzlichen Eigentumsbeschränkungen); durch einen derartigen Ausschluß wird aber der dingliche Charakter des davon be­ troffenen Rechtes an sich nicht berührt; denn die Begriffe dinglich und absolut decken sich nicht (vgl. M. a. a.O.). 6) Den dinglichen Rechten kommt auch durchweg volle Rechtswirkung im Konkurse zu. Vgl. 88 47ff. KO. e) Zu unterscheiden vom dinglichen Rechte als solchem bleibt der dingliche Anspruch im Einzelfalle; dieser ist nicht identisch mit dem zugrunde liegenden Rechte. Vgl. hierüber Bem. 3 zu 8 221 in Bd. I. f) Den dinglichen Rechten an Grundstücken und an den Rechten an Grundstücken kommt ferner die Eintragungsfähigkeit im Grundbuche zu. Vgl. hiezu näher Bem. A, IV zu 8 873. 3. Im direkten Gegensatze zu den dinglichen Rechten stehen die Schuldver­ hältnisse (Forderungsrechte), bei denen das Recht sich nur gegen eine bestimmte Person richtet. a) Den vermittelnden Begriff der sog. Rechte zur Sache (jus ad rem) im Sinne des PLR. und einer weitverbreiteten gemeinrechtlichen Doktrin und Praris, wonach jedes persönliche Recht unter gewissen Voraussetzungen „ver­ dinglicht" werden kann, kennt das BGB. nicht. Diese Ablehnung ergibt sich auch aus 8 241 BGB. (vgl. die Bem. hiezu). Ein derartiger Begriff ist nur zu sehr geeignet, die Grenzgebiete zwischen persönlichen und dinglichen Rechten

Einleitung.

(14,5,111) 3

zu verwischen und dadurch wieder Unklarheit zu schaffen. Der „Titel" zum Erwerbe eines dinglichen Rechtes, der das Bindeglied nach jener Lehre dar­ stellen sollte, ist eben im Grunde nichts anderes als der persönliche An­ spruch auf Einräumung eines dinglichen Rechtes (so zutreffend M. III, 1 und 3). In letzterem Sinne ist auch die Vormerkung (§§ 883ff.) zu ver­ stehen (vgl. die Bem. zu §§ 883 ff.). b) Die scharfe Abscheidung zwischen dinglichen Rechten und obligatorischen Rechts­ verhältnissen dem Begriffe nach soll im übrigen nicht ausschlietzen, daß auch im Sachenrechte, soweit nicht etwa eine völlig abschließende Regelung einer Einzelmaterie vorliegt, Vorschriften aus dem Rechte der Schuldverhältnisse aus­ hilfsweise herangezogen werden dürfen (s. P. I, 312). Die Vorschriften über Verträge aber können aus dem Gebiete des Rechtes der Schuldverhältnisse nur insoweit in Geltung treten, als im dritten Buche besonders auf sie Bezug genommen ist, s. RGZ. Bd. 66 S. 97 ff. und vgl. unten Bem. 4 und VII. c) Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf die moderne Theorie der Anwartschaften oder Warterechte, vgl. die Zusammenstellung der ein­ schlägigen Literatur bei Semeka, Das Warterecht, ArchBürgR. Bd. 35 S.121, der a. a.O. diese Theorie weiter ausgebaut hat, insbesondere auch eine Unter­ scheidung zwischen obligatorischen und dinglichgesichertenWarterechten aufstellt. Rur die letzteren gewähren sofortige Verfügungsmacht über ein zukünftiges Recht, durch Verfügung über das Warterecht wird zugleich mittelbar über das zukünftige Recht verfügt. Diese Warterechte bilden eine Verbindung zwischen obligatorischem und rein dinglichem Recht, ohne datz jedoch reine Dinglichkeit erreicht wird. 4. Die Vorschriften des Allgemeinen Teiles des BGB. finden nach ihrem Inhalt und ihrer Stellung im System auch im Sachenrecht Anwendung, soweit nicht ihre Nichtanwendbarkeit sich aus dessen Vorschriften ergibt; s. RGZ. Bd. 54 S. 366 und unten VII. Der § 133 über Auslegung der Erklärungen gilt auch hier, s. unten Bem. VII, A, 3. Aus dem Rechte der Schuldverhältnisse ist der allgemeine § 242 (Er­ füllung nach Treu und Glauben) und damit auch die allgemeine exceptio doli generalis auch auf dingliche Ansprüche anwendbar, insbes. wird hier der Tatbestand des § 826 von Wichtigkeit; vgl. hierzu insbes. Wendt, Die exceptio doli generalis im heutigen Recht, ArchZivPrar. Bd. 100 S. 379 ff., 387, auch RGZ. Bd. 74 S. 151, Bd. 71 S. 434, Bd. 86 S. 191. Auch die clausula rebus sic stantibus, soweit wegen veränderter Um­ stände unter Berücksichtigung von Treu und Glauben die Leistung nicht mehr zuge­ mutet werden kann, ist aus dingliche Verpflichtungen anzuwenden, s. RG. IW. 1922 S. 1513. 5. Über den von Schultz im ArchZivPrar. Bd. 105 S. lff. aufgestellten (aber de lege lata wohl abzuweisenden) Begriff des Eingriffserwerbs, der auf dem Gebiete des Sachenrechts auch einschlägig wäre, soweit hier Rechtsverletzungen ent­ stehen, vgl. näher Bem. 3 und 4 zu §. 281. n. Sachbegriff und Sachenrecht: 1. Der Begriff der Sache ist aus dem Allg. Teile §§ 90ff. (im E. I bildete dieser Abschnitt die Einleitung des Sachenrechts) zu entnehmen. a) Hiernach hätte sich das Sachenrecht im Prinzip aus die Rechte an körper­ lichen Gegenständen (reiner Sachbegriff im Sinne des Röm. R.) zu be­ schränken. Es regelt das BGB. aber gleichwohl im Sachenrecht auch den Nießbrauch an Rechten (§§ 1068ff.) und das Pfandrecht an Rech­ ten (88 1273ff.). Auch diese sind in ihrem Wesen Belastungen der Rechte, denn sie gewähren dem Berechtigten eine absolute, auch gegen Dritte wirksame Rechtsstellung (nicht bloß dem Inhaber des Rechtes gegen­ ix

4 (II 2-4)

Drittes Buch.

Sachenrecht.

über); vgl. hiezu auch Crome, System Bd. III S. 9. Dies rechtfertigt die Auf­ fassung, daß sich der Sachbegriff und der Sachenrechtsbegriff des BGB. nicht völlig decken, daß Sache im Sinne des Sachenrechts nicht bloß die körperliche Sache ist, sondern daß auch ein Recht als Wert­ objekt den Gegenstand eines Sachenrechts in diesem weiteren Sinne bilden kann (vgl. hiezu Bem. 2 b zu 8 1068 und Vordem. I von § 1273; Fuchs, Grundbuchrecht S. 33 ff. und S. 28 ff., Grundbegriffe des Sachenrechts S. 32 ff. und S. 48 ff., auch LZ. 1918 S. 351 ff.; Biermann, SR. Bem. 1 zu § 1068 und Turnau-Förster, Liegenschaftsrecht Bem. 1 zu 8 1273); über die abweichende Literatur s. in den angegebenen Bem. und bei Fuchs a.a.O. d) Über den Begriff des Gegenstandes und die hier einschlägige Frage, ob die Verfügbarkeit ein wesentliches Begriffsmerkmal des Gegenstandes ist, vgl. näher Vordem. 11,2 vor 88 90ff. im Bd. I. c) über den Rechtsbegriff des (gewerblichen oder kaufmännischen) Unterneh­ mens als eines Inbegriffs von Vermögensrechten vgl. Vordem. IV vor 88 90ff. in Bd. I und die dort angeführte Literatur. 6) Die Beziehungen von Personen zu GeistesgMern (das sog. Immaterial­ güterrecht; vgl. Stobbe-Lehmann 8 74) gehören im Grundsätze gleichfalls nicht zum Sachenrecht. e) Ebenso scheiden hier aus die sog. Familiengüterrechte.die im Familien­ recht ihre Sonderbehandlung erfahren. 2. Hervorzuheben ist, dah die Parteien die sachenrechtlichenEigenschaften des Gegenstandes als solche bei den dinglichen Rechtsgeschäften (vgl. unten) nicht be­ einflussen können; es kann hierbei also nicht ein Teil einer Sache oder ein unkörperlicher Gegenstand als Sache erklärt oder ein wesentlicher Bestandteil als unwesentlicher, Zubehör als Bestandteil oder umgekehrt usw. behandelt werden (vgl. in dieser Hin­ sicht 88 90—98, 1035, 1048, 588, 926, 1031, 1062, 1093, 1096, 1120—1122, 1135, 1265, und Ehrlich, Das zwingende und nicht zwingende Recht, S. 113). 3. Die Begründung eines einheitlichen dinglichen Rechtes an Sachgesamt­ heit en ist nach dem BGB. nicht möglich. Es entstehen vielmehr so viele dingliche Rechte als körperliche Gegenstände in Frage stehen — selbst wenn die Parteien dar Gegenteil wollten, da diese nicht nach ihrer Willkür Sachen zu sachenrechtlichen Ein­ heiten zusammenfassen können. Vgl. Vordem. III vor 8 90, Bem. I, 1, 4, a, zu 8 985, Bem. 1,1, a, a 3u 8 1204, Ehrlich a.a.O. S. 13, Gierke, Deutsches Privatrecht Bd. II S. 49 ff. Vgl. aber auch Fuchs, Grundbegriffe des Sachenrechts S. 41 ff. 4. Die Begründung besonderer dinglicher Rechte an wesentlichen Bestandteilen einer Sache, sowie die Begründung eines dinglichen Rechtes an einer Sache mit Ausschluß eines wesentlichen Bestandteils muß als unzulässig erscheinen. Das an einer Sache begründete dingliche Recht ergreift mit rechtlicher Notwendigkeit alle ihre wesentlichen Bestandteile. Vgl. Bem. 5 zu 8 93 und Ehrlich a.a.O. S. 114. Eine Ausnahme besteht nur beim Besitzerwerbe — soweit man diesen über­ haupt als Rechtserwerb gelten läßt —, insofern der Besitz an dem Teile einer Sache möglich ist (vgl. 8 865 mit Bem. und Strohal in IheringsI. Bd. 38 S. 31 ff.). Bei unbeweglichen Sachen ist weiter im Hinblick auf die Technik des Grund­ buchwesens eine besondere Schranke insofern gezogen, als beim Vorkaufsrecht, den Reallasten, der Hypothek, Grundschuld und Rentenschuld ausdrücklich bestimmt wird (vgl. 88 1095, 1106, 1114, 1192, 1200), daß ein Bruchteil eines Grundstücks damit nur belastet werden kann, wenn er in dem Anteil eines Miteigentümers besteht. Bei Dienstbarkeiten gilt dies nicht. Der Vertrag, womit das Eigentum des Be­ standteils eines Grundstücks übertragen wird, ist an sich gültig, er wird jedoch zunächst nur obligatorische Wirkung erzeugen können, vgl. Bem. 5, 6 zu 8 93 und auch die Bem. zu 8 956 (über die Frage einer Sicherung solcher Ansprüche im Grundbuche vgl. RGZ. Bd. 60 S. 317 ff.).

Einleitung.

(II 5, Hl 1) 5

5. Streitfrage ist, ob an unwesentlichen Bestandteilen dingliche Rechte schon vor der Trennung begründet werden können. Die herrschende Meinung bejaht die Frage (vgl. Bem. 6 zu § 93 in Bd. I, Rehbein I S. 83, Dernburg III § 5 III, 1, Lrome I S. 278 u. a., dagegen Endemann I § 42 Anm. 14—16). m. Geschlossenheit der Sachenrechte. Zwingendes Recht? 1. Die Zahl der Sachenrechte ist eine geschlossene (vgl. hierzu M. 111,3, RIA. Bd. 1 S. 25 ff., RGZ. Bd. 48 S. 63, Bd. 51 S. 86, Bd. 57 S. 333), d. h. der Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt für das Sachenrecht nicht. Die dinglichen Rechte des BGB. sind das Ergebnis einer besonderen historischen Entwicklung und ein Element der gesellschaftlichen Organisation, sie sind nicht Er­ zeugnis des Parteiwillens, sondern stehen dem Parteiwillen als etwas Gegebenes gegen­ über (f. M. III, 3). „Das obligatorische Recht hat dem individuellen Bedürfnisse zu dienen, des dinglichen Rechts hat sich das Individuum so zu bedienen, wie es durch das gesellschaftliche Kollettivbedürfnis zurecht gehämmert worden ist" (Ehrlich a.a.O. S. 105). Daraus ergeben sich wichtige Folgerungen: a) Dem Parteibelieben sind hier zunächst insofern Schranken gezogen, als neue dingliche Rechte, die weder im BGB. noch in dem vorbehaltenen Landes­ recht ihren Boden haben, nicht geschaffen werden können. Es kann insbes. nicht (wie schon oben unter I, 2 angedeutet wurde) etwa durch Eintragung im Grundbuch ein nicht zugelassenes Recht oder ein nur obligatorisches Recht (z.B. das Recht, von jemandem den Ausbau einer Straße oder die Herstellung der Kanalisation usw. fordern zu dürfen, oder das persönliche Mietrecht, vgl. RGZ. Bd. 54 S. 233) zu einem dinglichen Rechte umgeschaffen werden. Die Eintragung eines nicht zugelassenen Rechts als dingliche Belastung eines Grundstücks ist unstatthaft und müßte nach GBO. § 54 Abs. 1 Satz 2 von Amts wegen gelöscht werden. Ein Rechtsgeschäft, das auf die Begründung eines unmöglichen dinglichen Rechtes gerichtet wäre, müßte nichtig sein oder es würde nur obligatorische Folgen erzeugen, soweit anzunehmen ist, daß dies „bei Kenntnis der Nichtig­ keit gewollt sein würde" (vgl. § 140 und Ehrlich a.a.O. S. 124). d) Der begriffsmäßige Inhalt der dinglichen Rechte unterliegt im Grundsätze nicht der Parieivereinbarung. Dieser ist für das ein­ zelne Recht vom Gesetze selbst festgelegt; es können daher Sachenrechte nur mit dem Inhalte bestellt werden, welchen das BGB. für das einzelneRecht zuläßt. Der Rahmen ist jedoch mehrfach für das einzelne Recht weit gespannt. So können z. B. Grunddienstbarkeiten und Real­ lasten jeden mit ihrem Wesen vereinbaren Inhalt haben. Vgl. hierzu auch KGI. Bd. 20 A 91, 206, 308, Bd. 21 A 311, Bd. 22 A 152, Bd. 25 A290, Bd. 29 A 175. Eine besondere Ausnahme findet sich im Pfandrecht. Hier ist der privaten Vereinbarung hinsichtlich der Realisierung des Pfandrechts ein weiter Spielraum gelassen, vgl. §§ 1245, 1284. Die gesetzlichen Begriffsbestimmungen der dinglichen Rechte ordnen zu­ gleich auch in zwingender Weise die Rechtsfolgen der dinglichen Rechtsgeschäfte (vgl. unten Bem. VI): bei Begründung eines dinglichen Rechtes schlechthin gelten ohne weiteres alle zum Begriffe des dinglichen Rechtes gehörenden Befugnisse als dem Berechtigten eingeräumt; eine ausschließende Verein­ barung wäre nichtig und würde das ganze Rechtsgeschäft nichtig machen, soweit nicht etwa § 139 einschlägt (vgl. Ehrlich a.a.O. S. 124 und 125). c) Damit hängen auch die Fragen zusammen, welche Rechtssätze des Sachenrechtszwingender und welche nicht zwingender Natur sind Die Rechtssätze, welche zum Begriffe der dinglichen Rechte gehören, müssen naturgemäß nach obigem zwingender Art sein. Die Rechtsnormen über die Rechtsfolgen dinglicher Geschäfte hingegen, welche die Bestimmungen über

6 (III 2)

Drittes Buch.

Sachenrecht.

den nicht zum Begriffe der dinglichen Rechte gehörenden Inhalt ent­ halten, sind nur dann zwingend (ähnlich wie bei den obligatorischen Geschäften), soweit sie entweder die Interessen der Allgemeinheit wahrnehmen, oder den wirtschaftlich Schwächeren oder geschäftlich Unerfahrenen vor Ausbeutung und Übervorteilung schützen wollen. Soweit es sich um nichtzwingend bestimmte Wirkungen eines dinglichen Rechtsgeschäfts handelt, kann auch der Inhalt des dinglichen Rechtes von den Parteien beeinflußt werden, jedoch stets nur durch ausdrückliche Vereinbarung (vgl. Ehrlich a. a.O. S. 125). Hinsichtlich der Frage, wie weit der Einfluß der Parteien auf den Inhalt eines dinglichen Rechtes reicht, ist im allgemeinen zwischen dem Eigentum und den anderen dinglichen Rechten zu unterscheiden. Das Eigentum für sich er­ trägt weitergehende Einschränkungen verschiedener Art, durch die es sein be­ griffliches Wesen nicht einbüßt, durch die es nur gehemmt wird, aber nicht erlischt (vgl. Dernburg, Pand. S. 192); anders liegt die Sache bei den be­ grenzten dinglichen Rechten, insofern bei diesen der gesetzlich bestimmte Normal­ inhalt jeweils uneingeschränkt verbleiben muß. Das Eigentum kann hauptsächlich beschränkt werden (vgl. Ehrlich a.a.O. S. 127) durch alle reichsgesetzlich oder landesgesetzlich als zulässig anerkannten dinglichen Rechte, ferner durch Begründung des Miteigentums, durch Ge­ währung eines Anspruchs im gesetzlichen Rahmen einer Vormerkung nach §§ 883 ff., durch Bedingung und Befristung (nur nicht bei der Auflassung s. 8 925), durch Verzichte bei überbau und Notweg (s. §§ 912 ff.), durch nachbar­ rechtliche Benutzungs-Vereinbarungen im Sinne der §§ 921, 922, 746, 749, 751, sowie eine Vereinbarung über Kosten der Abmarkung im Sinne des § 919. Vgl. ferner insbes. Vordem. I u. II vor § 903 u. Bem. IV zu § 903. Wegen des Nießbrauchs vgl. im einzelnen Vordem. 5 vor §§ 1030 ff.; beim Vorkaufsrechte liegen weitgehende Zugeständnisse in den §§ 1094, 1097, 1098. Bei der Hypothek wird der Umfang der ding­ lichen Wirkung in erster Reihe durch die Forderung (s. § 1113 mit Bem.) bestimmt; auch bei Grund - und Rentenschulden gründet sich der Geld­ betrag, der aus dem Grundstücke zu zahlen ist, zunächst auf rechtsgeschäftliche Parteivereinbarung; vgl. ferner noch Vordem, vor §§ 1113ff. Hinsichtlich des Mobiliarpfandes s. Vordem. 4 vor §§ 1204ff. d) Auch die subjektiv-dinglichen Rechte werden vom Gesetz erschöpfend ge­ regelt. Es sind dies: Vorkaufsrecht, Reallasten und Grunddienstbarkeiten. Alle anderen dinglichen Rechte können nicht zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines Grundstücks bestellt werden, s. NIA. Bd. 4 S. 257 = KGI. Vd. 23 A S. 322. e) Nur die ausdrücklich zugelassenen Rechte an Sachen können ferner in das Grundbuch eingetragen werden. Die Eintragung nicht zugelassener Rechte in das Grundbuch ist selbst im Falle besonderer Einigung der Parteien und Bewilligung des Betroffenen unzulässig und unwirksam, vgl. OLE. (KG.) Bd. 10 S. 418, KGI. Bd. 20 A S. 95,309, RGZ. Bd. 48 S. 63, Bd. 55 S. 273. Beispiele nicht eintragungsfähiger Rechte s. in Bem. A,IV zu § 873. f) Ein nach neuem Rechte unzulässiges Recht kann auch dann nach dem Inkraft­ treten des BGB. nicht mehr bestellt werden, wenn ein Anspruch aus seine Bestellung bereits unter altem Recht entstanden und vorgemerkt war, vgl. RGZ. Bd. 55 S. 270 ff. 2. Die einzelnen Kategorien sind: das Eigentum als das Vollrecht der Sachenherrschaft und die beschränkten (nach den Mot. die „b e g r e n z t e n") S a ch e n r e ch t e (jura in re aliena), nämlich das Erbbaurecht (superficies; s. hierüber jetzt die VO. vom 15. Ian. 1919 an Stelle

Einleitung.

(III 3) 7

der 88 1012—1017 BGB.), die Dienstbarkeiten (abgeteilt in Grunddienstbar­ keiten, Nießbrauch und beschränkte persönliche Dienstbarkeiten), das (dingliche) Vor­ kaufsrecht, die Reallasten, die Hypothek, die Grund- und Renten­ schuld, sowie das Pfandrecht an beweglichen Sachen und an Rechten. Diese begrenzten Sachenrechte gewähren eine Teilherrschaft über die Sache, indem sie teils den Gebrauch (Erbbaurecht, Dienstbarkeiten, Pfandrecht), teils die Verwertung (Reallast, Hypothek, Grund- und Rentenschuld) oder schlietzlich den Erwerb der Sache (Vorkaufsrecht) sichern (vgl. Fuchs, Grundbegriffe des Sachenrechts S. 85). Die Emphyteusis ist fallen gelassen, vgl. aber Art. 63 und 189 EG. Ein Besitz- und Nutzungspfand (Antichrese) an Grundstücken mit dinglicher Wirkung kennt das BGB. nicht; einen Ersatz kann hier die Bestellung eines Nießbrauchs bilden, vgl. hiezu Vorbem. VIII vor 88 1113ff. u. Bem. IV zu 8 1030. Die eigenartige Belastung der Miteigentumsanteile an einem Grund­ stück im Sinne des 8 1010 wird als dingliche Last aufgefaßt werden können; vgl. hiezu auch 8 2044 Abs. 1. Der Besitz, die wirtschaftliche Grundlage der Sachenherrschaft, wird dem Ganzen vorangestellt (über die Frage, ob dieser als ein Recht aufzufassen sei, s. aber Vor­ bem. VII vor 8 854). Neuerlich sind zu den dinglichen Rechten des BGB. als reichsrechtlich geregelte getreten: Die Wiederkaufsrechte nach 88 20, 21 Reichs-Siedlungs- Ges. vom 11. Aug. 1919 (RGBl. S. 1429) und das Wiederkaufs re cht der Gemeinde nach 88 19ff. d. RE. v. 27. April 1920 über Enteignungsrecht von Gemeinden bei Aufhebung oder Ermäßigung von Rayonbeschränkungen (RGBl. S. 697), die als Belastungen des Grundstücks im Grundbuch einzutragen sind; ferner das Vorkaufsrecht des gemeinnützigen Siedlungsunternehmens und des Landlieferungsverbandes nach 88 4ff., 14 des RSiedlEes., das der Eintragung im ErB. nicht bedarf, das Vorkaufsrecht des Heimstätten-Ausgebers und dessen Heimfallanspruch nach 88 11, 12 RHeimstätten Ges. vom 10. Mai 1920 (RGBl. S. 962), die der Eintragung nicht fähig sind, der Reichsnotzins nach 8 33 des Ges. ü. d. Reichsnotopfer vom 31.Dez. 1919 (RGBl. S.2189) in der Fassung vom 6. Iuli 1921 (RGBl. S. 838), der aber der Eintragung im Grundbuch nicht bedarf, obwohl er eine öffentliche Last ist (vgl. Bem. II, e zu 8 1104, auch Bem. IV, 3, b zu 8 879). Wegen der „Grund schuld" der D eu t s ch e n Ren­ te n b a n k s. näher Bem. VII zu 8 1191, auch Bem. IV, 3,1 zu 8 879. Auch die wert­ beständige Hypothek ist hieher als gesetzliche Neuart zu rechnen (vgl. hierüber näher Bem. 1,2,g zu 8 1115). Wegen der sog. Industriebelastung s. näher Bem. III,7 zu 8 1113; wegen der Gesamthypothek nach dem Reichsbahnges. s. Bem. III, 9 zu 8 1113. 3. Das Zurückbehaltungsrecht ist kein dingliches Recht (auch nicht das aus 8 273 Abs. 2 oder 8 1000 BGB. sich ergebende, so wenig wie das kauf­ männische, s. 88 369ff. HEB.); vgl. hiezu RGZ. Bd.51 S.86 und Bd.66 S.24ff., Bem. V, 4 zu 8 559, Neumann Vorbem. V vor 8 854 (irreführend sind freilich 88 772 Abs. 2, 773 Abs. 2, insofern darin von einem Zurückbehaltungsrecht „a n" einer Sache gesprochen wird, präziser 8777 ZPO., der von dem in Ansehung einer Sache bestehenden Zurückbehaltüngsrechte spricht). Ein weilergehender Schutz ist aber hier dadurch gewährt, daß der zurück­ behaltende Gläubiger oder Besitzer auch gegen den Anspruch des Rechtsnach­ folgers des über die zurückbehaltene Sache verfügenden Schuldners oder Eigen­ tümers durch 88 986 Abs. 2, 1032, 1065,1205 Abs. 2, 870, 1227 (vgl. auch 8 1249 und 8 369 Abs? 2) besonders gesichert wird; vgl. Neumann a. a.O. Über Zurückbehaltungsrecht im Konkurse vgl. 8 49 Nr. 4 KO.

8

(III 4, IV, V A)

Drittes Buch.

Sachenrecht.

4. Das BGB. kennt ferner — neben dem Eigentum — auch Rechte an eigener Sache unter Aufgabe des früheren Rechtssatzes, datz Rechte an fremder Sache er­ löschen, falls sich Berechtigung und Eigentum in einer Person vereinigt; es sollen sich vielmehr bei solcher Vereinigung die Rechte an fremder Sache in Rechte an eigener Sache verwandeln. So bestimmt allgemein § 889 für Rechte an Grundstücken, daß diese nicht dadurch erlöschen sollen, datz der Eigentümer des Grundstücks das Recht oder der Berechtigte das Eigentum an dem Grundstück erwirbt (vgl. die Bem. zu § 889). über das Institut der Eigentümerhypothek vgl. im besonderen §§ 1163 u. 1177 mit Bem. Im Rahmen des Mobiliarrechts wird jedoch beim Nießbrauch (s. § 1063) und beim Mobiliarpfande (s. § 1256) obige Rechtsfolge an die Voraussetzung geknüpft, daß der Eigentümer ein rechtliches Interesse am Fortbestehen des dinglichen Rechtes hat. Über die Frage der sog. Eigentümerdienstbarkeit vgl. Bem. I, f zu § 1018. IV. Die deutsch-rechtliche (im Gegensatz zum röm.R.) Unterscheidung zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen (= Grundstücken, vgl. §§ 94ff. und Vordem, vor §§ 873ff.) zieht sich durch das ganze Sachenrecht, wenn sie auch äußerlich nicht vollständig durchgeführt ist. Den Ausgangspunkt der Sachenrechte an Grundstücken bildet nunmehr das Grundbuch. Es ist der Urquell für die Entstehung aller Sachenrechte an Grundstücken, z. B. Grunddienstbarkeiten, Reallasten usw. (also nicht mehr bloß der Immobiliarpfandrechte allein, wie das bayr. Hyp.-Buch). Wegen dieser hohen Wichtig­ keit wird daher auch das materielle Grundbuchrecht in einem allgemeinen Abschnitt über Rechte an Grundstücken (8§ 873—902) vorangestellt. Gemeinschaft­ lich sind die Abschnitte I, III, §§ 903, 904, Abschn.III Tit. 4 und 5, Abschn. V Tit. 2. Im einzelnen vgl. über das materielle G r u n d b u ch r e ch t die orientierenden Vordem, vor §§ 873 ff. Hinsichtlich des formellen Grundbuchrechts vgl. im besonderen Vvrbem. III vor 88 873 ff. Als gemeinsames Moment ist ferner hervorzuheben, daß der rechtsgeschäft­ liche Eigentumserwerb an beweglichen und unbeweglichen Sachen nunmehr auf gleicher Grundlage aufgebaut ist, nämlich auf der Einigung über den Eigen­ tumsübergang (E. I: dinglicher Vertrag) als einem abstrakt gedachten Rechtsgeschäft, also unter Abweisung der Theorie vom titulus und modus adquirendi; s. hierüber Näheres unten Bem. VI. V. Der landesrechtlichen Gesetzgebung ist im Sachenrecht ein weitgehender Einfluß offen gelassen. A. Fürs erste bleiben (besonders mit Rücksicht auf die historisch und lokal ver­ schiedene Entwicklung) einzelne Rechtsmaterien dem Landesrechte gänzlich vorbehalten; hierher sind insbesondere zu zählen: 1. das Wasserrecht, s. Art. 65 und 66 EG.; 2. das Iagd- und Fischereirecht und privatrechtliche Teile des Forst rechts; s. Art. 69-72, 124 Satz 2 EG.; vgl. aber §§ 958 Abs.2, 835; 3. das Bergrecht, s. Art. 67, 68 EG.; 4. das sog. Agrarrecht: landesgesetzliche Vorschriften über die Zusammen­ legung (Arrondierung) von Grundstücken, Gemeinheitsteilung, Regulierung der Wege, Ordnung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse, Ablösung, Um­ wandlung und Einschränkung von Dienstbarkeiten und Reallasten, Art. 113, 114, 115, 116 EG.; 5. das Enteignungsrecht (Erpropriation) s. Art. 109 EG.; 6. der weitere Ausbau des Nachbarrechts, s. Art. 124 EG. mit 88 906ft., sowie die Eigentumsbeschränkungen im öffentlichen Interesse überhaupt, s. Art. 111 EG. und Bem. VII zu § 903;

Einleitung.

(V B, VI, VII A 1) 9

7. die Vorschriften über Familienfideikommisse, Lehen und Stamm­ güter Art. 59 (über Aufhebung derartiger Vorschriften vgl. aber die Bem. zu dies. Art.), ferner über Rentengüter und Erbpachtrecht, Art.62 und 63 EG.; 8. Die Vorschriften über Regalien, über Zwangs - und Bannrechte und Realgewerbeberechtigungen, Art. 73 und 74 EG.; 9. über die Behandlung der sog. Bahneinheiten, Art. 112 EG.; ferner 10. über Kirchen- und Schulbaulast, sowie das Recht an Kirchenstühlen und Begräbnisplätzen, s. Art. 132, 133 EG. B. Vereinzelte Vorbehalte sind auch bei den vom BGB. selbst be­ handelten Materien für das Landesrecht gemacht; vgl. z.B. § 907. Ins­ besondere ist in formaler Beziehung dem "Landesrecht ein bedeutender Einfluß ge­ lassen, z. B. auf.die innere Einrichtung der Grundbücher, die Form der Hypotheken­ briefe usw., vgl. insbes. § 83 GBO. Diese Vorbehalte werden bei den einzelnen Ab­ schnitten gesondert behandelt. Zu beachten bleibt in diesem Rahmen auch der landesgesetzliche Vorbehalt (wie in der RTK. S. 135 betont wurde) in bezug auf Rechtsbesitz, Ersitzung eines Rechtes oder der Freiheit von einer dinglichen Belastung, über das Erlöschen eines Rechtes durch Nichtgebrauch, über die unvordenkliche Verjährung und über possessorische Rechtsmittel. VT. Die Begründung, Übertragung, Veränderung oder Aufhebung dinglicher Rechte kann erfolgen: a) kraft Gesetzes, vgl. z. B. § 1922; b) auf Grund eines obrigkeitlichen Aktes, vgl. z. B. §§ 927, 1104, 1170 BGB., 88 803 ff. ZPO., 88 20 ff., 148 ZVG.; c) durch einseitige Rechtshandlung, z. B. 88 946ff.; d) durch einseitiges Rechtsgeschäft, z. B. 8 928; e) auf Grund einer Einigung (mit hinzutretender Eintragung im Grund­ buch bei Grundstücken und der Übergabe bei beweglichen Sachen): hierüber näheres in Bem. VII. VII. Die Rechtsgeschäfte des Sachenrechts, insbes. der dingliche Vertrag. A. Allgemeines. 1. Die sachenrechtlichen Geschäfte sind ihrer Grundnatur nach abstrakte Rechts­ geschäfte, d. h. die Zuwendung ist hier vom objektiven Bestände der causa, die an sich ja immer vorhanden ist, völlig unabhängig gemacht. Auch wenn der Zweck der Zu­ wendung sich nicht verwirklicht, bleibt das Rechtsgeschäft an sich bestehen, m. a. W.: es wird, soweit es sich um die Rechtswirksamkeit des Geschäfts handelt, von der Ver­ wirklichung der causa abgesehen. Vgl. Einleitung VI, F vor 88 104 ff. Der Ausgleich erfolgt hier dadurch, daß beim Mangel der causa regelmäßig der eine Teil in einer materiell nicht gerechtfertigten Weise bereichert ist und damit dem anderen Teile ein rein schuldrechtlicher Anspruch auf Rück­ forderung aus den 88 812 ff. erwächst. Vgl. Vordem. 3 vor 88 812 ff., Sem. 1,4, bß und c, ß zu 8 812, Bd. I Einleitg. VI, F vor 88 104 ff., Vorbem. II, A, 1 vor 88 241 ff. in Bd. II, a, Bem. B, VI, 2 zu 8 873, Bem. IV, 3 zu 8 929, sowie Vorbem. II vor 8 780, ferner M. II, 830. Diese Abstraktheit entspricht zugleich den Bedürfnissen des Verkehrs. Denn sie erleichtert für den ferneren Erwerb die Prüfung des rechtlichen Tatbestandes und überhebt die Beteiligten insbesondere der Notwendigkeit, auf die den Rechtsgrund betreffenden Beziehungen näher einzugehen. Vgl. hierüber Iacubezky, Bem. S. 16 und 17. Zu beachten bleibt, daß abstrakt und dinglich nicht gleichheitliche Be­ griffe sind, denn es kann auch ein schuldrechtlicher Vertrag abstrakt fein, s. 88 780, 781 und Vorbem. II vor § 780.

10 (VII A 2, 3, B 1)

Drittes Buch.

Sachenrecht.

2. Die sachenrechtlichen Geschäfte fallen ferner regelmäßig unter den allgemeinen Begriff der Verfügung, worunter solche Rechtsgeschäfte zu verstehen sind, deren Rechtswirkung auf eine Sache oder ein Recht unmittelbar gerichtet ist. Die Ver­ fügung führt die gewollte Rechtsänderung unmittelbar herbei dadurch, daß sie den Gegenstand selbst ergreift, an dem die Rechtsänderung eintreten soll. Vgl. Einleitung VIII, A vor §§ 104ff. 3. Der Grundsatz der Formfreiheit gilt für die meisten dinglichen Rechts­ geschäfte nicht. Die erforderlichen Willenserklärungen müssen hier regelmäßig in einer bestimmten Form abgegeben werden oder sie müssen doch wenigstens von einem ge­ wissen formalen Elemente begleitet sein, um dadurch erst die beabsichtigte sachenrechtliche Wirkung herbeizuführen. Ein derartiges Element ist bei beweglichen Sachen die Übergabe, bei unbeweglichen die Eintragung im Grundbuche, im Hypo­ thekenrechte kommt auch die Übergabe des Hypotheken- oder Grundschuldbriefs an den Erwerber in Betracht. Eine b e st i m m t e W o r t f a s s u n g ist für die Regel nicht vor­ geschrieben; § 133 über Auslegung von Erklärungen muß auch hier gelten, vgl. RGZ. Bd.52 S. 411 ff., Bd. 54 S. 378 ff., Bd.62 S. 375. B. Der dingliche Vertrag. 1. Das BGB. selbst enthält diese Bezeichnung nicht, vielmehr ist mit Rücksicht darauf, daß der beabsichtigte dingliche Erfolg, abgesehen von der Willenseinigung der Parteien, noch einen weiterenTatbestand (nämlich die Eintragung im Grund­ buche s. §§ 873, 925, oder die Übergabe der Sache s. §§ 929, 1032, 1205) erfordert, die Willenseinigung überhaupt nicht als Vertrag, sondern nur als „Einigung" be­ zeichnet (s. §§ 873, 878, 925, 929, 1205, 1260, vgl. ferner auch § 854 Abs. 2). Aus der Entstehungsgeschichte ist hier hervorzuheben: a) E. I hatte die hier gemeinte Willensübereinstimmung direkt als dinglichen Vertrag bezeichnet (vgl. E. I § 828 Abs. 1 und 2). Die Mot. sagen hierüber in Bd. III (5.172ff.: „Während nach denjenigen Gesetzen, welche für die Ein­ tragung und Erwerbung das Erfordernis des Rechtstitels aufstellen, der obli­ gatorische Vertrag der Titel ist, wird diesem (obligatorischen) Vertrage von dem Entwurf ein Einfluß auf den Bestand des dinglichen Rechtes über­ haupt nicht zugestanden. Der Vertrag, welchen § 828 (jetzt 873) erfordert, ist ein lediglich dinglicherVertrag,der seinen Inhalt aus dem Zwecke des G e s ch ä f t s empfangen muß, und ist an den Inhalt des einzelnen Geschäfts nur die Anforderung zu stellen, daß der auf den Zweck des Geschäfts ge­ richtete Wille der Beteiligten erklärt wird." ... Hienach verlangte E. I zur rechtlichen Wirksamkeit einer rechtsgeschäftlichen dinglichen Rechtsveränderung einen selbständigen, vom Kausalgeschäft abgetrennten Vertrag, dessen Inhalt in der Erklärung des Berechtigten, daß er die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch bewillige, und in der Annahme der Bewilligung seitens des anderen Teiles bestehe. Die dingliche Rechtsfolge sollte sich lediglich auf Grund dieses abstrakten Vertrags vollziehen. E.II und damit auch das BGB. haben den hierin liegenden Grundsatz vollständiggebilligt (besonders, da für den Grundbuchrichter durch diese Abtrennung eine rasche und glatte Erledigung der Eintragungen ermöglicht werde), nur wurde bei der Fassung der Ausdruck „dinglicher Vertrag" absichtlich vermieden, weil die theoretische Konstruktion der Wissenschaft überlassen bleiben sollte, vgl. P.III, 57. Das Gesetz spricht deshalb jetzt nur von einer Einigung der Beteiligten. b) Jedenfalls kommt dieser Einigung der Charakter eines abstraktenRechtsgeschäfts (vgl. oben A, 1) zu, auf das auch die allgemeinen Vorschriften über Verträge insoweit Anwendung finden müssen, als nicht durch beson­ dere Vorschriften (s. z.B. Abs.2 des §873) eine Änderung geschaffen

Einleitung.

(VII B 2)

11

wird, vgl. Jacubezky, Bem. S. 186; Dernburg, SR. §44 Ziff. II, 5; TurnauFörster S. 4 und Bem. III, B, 1 zu §873; Fuchs Abschn. I S. 38 ff.; Bendir in SeuffBl. Bd.68 S. 193 ff.; Förster, „Recht" 1903 S. 53 ff. und besonders eingehend Stöver im ArchBürgR. Bd. 26 S. 149 ff., sowie Siber, Das Buch­ rechtsgeschäft S. 115 u. a.; dagegen aber Bruck, Die Einigung im Sachenrechte 1900; Wolff in GruchotsBeitr. Bd.47 (5.26ff.; Eccius daselbst S. 51 ff. (einen besonderen Standpunkt nimmt ein Ortlieb, Einigung und dinglicher Vertrag, 1904; Pabst, Rechtsnatur der Einigung, 1909, erachtet die Einigung nur als rechtserheblichen Faktor eines Vertrags). Diese Anwendung wird insbesondere von Wichtigkeit hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit, der Anfechtung und Nichtigkeit wegen Willensmängel, sowie in Ansehung der Stellvertretung (s. ferner auch § 185). Vgl. zum Ganzen auch Kriegsmann, Der Rechtsgrund (causa) der Eigentumsübertragung nach dem Rechte des BGB., Berlin 1905, sowie die in Note * zu § 873 angegebene Literatur. Diese Einigung ist zugleich der Ausdruck des materiellen Konsens­ prinzips (s. Vordem. IV, 1 vor §§ 873ff.). Vgl. hiezu auch § 929 mit Bem.IV hinsichtlich beweglicher Sachen. c) Die Einigung ist auch materielle Verfügung (vgl. oben A, 2) und begrifflich verschieden von dem schuldrechtlichen Grundgeschäfte, wenn sie auch äußerlich damit zusammenfallen kann (z. B. bei Bestellung einer Grunddienstbarkeit). Die Einigung richtet sich — im Gegensatze zu dem schuldrechtlichen Grund­ geschäfte — unmittelbar auf den Gegenstand des Rechtes. Vgl. Bendir a. a.O. d) Freilich ist stets im Auge zu behalten, wie bereits oben betont wurde, daß die Einigung nicht ein in sich völlig abgeschlossenes Rechtsgeschäft bildet, was sonst regelmäßig bei einem Vertrage der Fall ist, sondern daß sie erst zusammen mit dem weiters erforderlichen Rechtsakte der Eintragung oder der Übergabe einen einheitlichen Tatbestand bilden soll (vgl. auch Neumann Vor­ dem. vor §§ 854ff.). e) Eine besondere Erleichterung schafft für den Grundbuchverkehr bei Grundstücken hier weiter § 19 GBO. (als Verkörperung des formellen Konsensprinzips!), insofern dem Grundbuchamte diese Einigung selbst regelmäßig nicht nachgewiesen zu werden braucht. Dem Grundbuchamte soll nämlich hiernach zum Vollzug im Grundbuche (wie auch sonst als Regel) die einseitige Eintragungsbewilligung seitens desjenigen genügen, dessen Rechte von der Eintragung unmittelbar betroffen werden, z. B. die einseitige Eintragungsbewilligung des A., daß sein Anwesen mit einer Hypo­ thek oder Grunddienstbarkeit für B. belastet werde. Festzuhalten bleibt hiebei aber stets, daß diese einseitige Eintragungsbewilligung nicht etwa auch ma­ teriellrechtlich die Einigung ersetzen soll, nur das Grundbuchamt soll dadurch der Aufgabe überhoben sein, nach dem Einverständnisse oder der Annahme des Begünstigten in irgendeiner Weise forschen zu müssen; vgl. näher Bem. IV, 1 zu § 873 (analog, wie z. B. nach früherem bayr. Rechte auch bei der Bestellung, Zession und Verpfändung von Hypotheken der ein­ seitige Antrag des Verfügungsberechtigten für den hypothekenamtlichen Voll­ zug genügte!). Für diese Eintragungsbewilligung ihrerseits wird aber durch § 29 GBO. eine bestimmte Form vorgeschrieben, wonach nämlich diese selbst und die sonstigen zur Eintragung erforderlichen Erklärungen entweder vor dem Grund­ buchamte zu Protokoll gegeben oder durch öffentliche Urkunden oder wenig­ stens öffentlich beglaubigte Urkunden (d. h. schriftliche Abfassung der Erklärung und Beglaubigung der Unterschrift, § 129 BGB.) nachgewiesen werden sollen. 2. Im übrigen nimmt der dingliche Vertrag ein verschiedenes Gepräge an, je nachdem zur Herbeiführung der vollen sachenrechtlichen Wirkung die Eintragung

12 (VII B 3,4, VIII, IX)

Drittes Buch.

Sachenrecht.

im Grundbuche (88 873, 925) oder die Übergabe (§§ 929, 1032, 1205) notwendig ist (vgl. in dieser Hinsicht insbes. Abs. 2 des § 873 und die Bem. hiezu). Infolaedessen war auch eine völlig übereinstimmende Regelung für Grundbuch- und Fahrnis­ recht nicht möglich. 3. Da der dingliche Vertrag abstrakt gedacht ist, d. h. die d i n g l i ch e R e ch 1 s folge unmittelbar zum Gegenstände nimmt — im Gegensatze zu dem blotz schuld­ rechtlichen Kausalgeschäfte —, die schuldrechtliche causa sohin nur das rechtliche Motiv der Willenserklärung darstellt, so mutz er auch bestehen bleiben, wenn sich herausstellt, datz dieses Motiv von vornherein fehlte und wenn es nachträglich weg­ fällt. Der materielleAusgleich erfolgt hier stets nach den Normen über unge­ rechtfertigte Bereicherung (vgl. oben A, 1). 4. Das dingliche Rechtsgeschäft kann an sich seinem Zwecke nach gültig nur errichtet werden, wenn dem Verfügenden die Sache eigentümlich gehört oder das Recht uneingeschränkt zusteht. Das Gesetz schafft hier aber im Verkehrsinteresse einen einschneidenden Schutz zugunsten des gutgläubigen Dritten einerseits bei Grundstücken durch den Grundsatz des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs (s. §§ 892, 893 mit Bem.), anderseits bei beweglichen Sachen durch das Prinzip .,H and w ah r e H a n d" (s. 88 932 ff., 1138, 1207). Vgl. ferner auch 88 185 und 816. Gutgläubiger Erwerb läht zudem auch nicht eingetragene oder dem Erwerber nicht bekannte Rechte Dritter oder Verfügungsbeschränkungen unter gewissen Voraussetzungen erlöschen, vgl. hierüber insbes. 88 892, 936 (wegen des Mobiliar­ pfandes s. aber 8 1208). VIII. Die wirtschaftliche Seite des heutigen deutschen Sachenrechts: Die sachenrechtlichen Vorschriften des BGB. selbst sind noch durchtränkt von einem etwas starren wirtschaftlichen Individualismus. Das Sachenrecht hat aber ein anderes wirtschaftliches Gepräge erhalten einerseits durch den weiteren Ausbau der Landesgesetzgebung auf dem weilen Gebiete der hier einschlägigen Vorbehalte (vgl. oben V), anderseits durch einschneidende Reichsverordnungen und Reichsgesetze insbes. seit dem Jahre 1914. Charakteristisch sind in dieser Hinsicht insbes. die Bindungen aller Art, die die früher so hervorgekehrte Freiheit des Eigen­ tums, insbes. an Grundstücken, immer mehr und mehr einschnüren. Es kommen hier vor allem in Betracht die vielen neuen öffentlichen Eigentumsbeschrän­ kungen und Belastungen sowie die Einführung neuer gesetzlicher Pflichten des Eigentümers, anderseits die neuen privaten Rechte zugunsten öffentlicher Körperschaften oder gemeinnütziger juristischer Personen (vgl. hiezu auch oben Bem. HI, 2 über die neueingeführten Sachenrechte). Die Gesetzgebung hat ferner das soziale Problem der Landbeschaffung in Angriff genommen; hier sind einschlägig insbes. die neue VO. über das Erbbaurecht vom 15.Ian. 1919 und die neue Gesetzgebung über Beschaffung von Siedlungsland (Reichssiedlungsges. vom 11.Aug. 1919) und über Heimstätten (Reichsheim­ stätteng es. vom 10. Mai 1920). Vgl. hiezu Vorbem. II und VI vor 8 903 und die Bem. zu 8 903 im Einzelnen, Vordem. I zu der Erläuterung der VO. über das Erbbaurecht (an Stelle der 88 1012 bis 1017 BGB.), auch Vorbem. vor 8 1098; s. ferner M. Wolff, SR. 8 1 und 88 90 ff. und Hedemann, SR. 88 2, 3, 6, 7. IX. Übergangsbestimmungen. Für einzelne, bereits bestehende Rechte trat sofort mit dem Inkrafttreten des BGB. der neue Recht sinh alt ein: so für ein Besitzverhältnis Art. 180 EG., für das Eigentum Art. 181 EG., für das Erbbaurecht und Grunddienstbarkeiten Art. 184 Satz 2 und vgl. Art. 187, 191 EG. (Hins, des Erbbaurechts s. aber auch 8 38 der ErbbRVO. mit Bem.); wegen laufender Er­ sitzungen (mit Ausnahme der Grunddienstbarkeiten, s. Vorbemerkungen vor § 1018) s. Art. 185 EG.

Einleitung. — Erster Abschnitt.

Besitz.

(X) Vordem, (l) 13

Im übrigen sollen aber nach der allgemeinen Regel des Art. 184 EG. die Sachenrechte den sich aus den bisherigen Gesetzen ergebenden Inhalt und Rang behalten, soweit sich nicht aus den weiteren Art. 192 —195 EG. ein anderes ergibt. Näheres in den Vorbemerkungen der einzelnen Abschnitte und Titel. Hin­ sichtlich der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zu den hier einschlägigen Über­ gangsfragen vgl. auch Neumann, Rspr. d. RG. in ZS. Bd. II S. 1—3. X. Wegen des internationalen Rechtes ist hervorzuheben, daß die Voraus­ setzungen, unter welchen ein sachenrechtliches Verhältnis nach ausländischem Rechte zu beurteilen ist, aus dem ersten Abschnitte des EG. zu schöpfen sind. Von besonderer Wichtigkeit wird hier Art. 11 Abs. 2 hinsichtlich der Form der Rechts­ geschäfte und Art. 7 Abs. 3 Satz 2 in Ansehung der Geschäftsfähigkeit.

Erster Abschnitt.

Besitz.

Borbemerkuugen.*) I. Die Besitzlehre war in den meisten der früheren Rechtssysteme infolge der ver­ schiedenen Theorien und mannigfachen Streitpunkte ein dornenvolles Gebiet. Auch das Besitzrecht des E. I, ein doktrinäres Gebilde, aufgebaut auf einer künstlichen Unterscheidung zwischen Besitz und Jnhabung, brachte in dieser Hinsicht noch keinen Fortschritt. Erst der in das BGB. nahezu unverändert aufgenommene E. II schuf auf Anregung der fast einhelligen Kritik, die der E. I in dieser Richtung gefunden hatte, ein neues Besitzrecht ohne direkte Anlehnung an eines der bisherigen Rechtssy st e m e. Es schließt sich in seinen Grundlagen mehr an die Auffassung des gewöhnlichen Lebens und des Verkehrs an, was für die Praxis eine wesentliche Vereinfachung der früher so verwickelten Materie bedeutet (vgl. P. III, 26 ff.: die Mot. sind hier nur mit Vorsicht zu verwerten), über die geschichtlichen Grundlagen dieses Besitzrechts vgl. insbes. Wolff, SR. § 4, sowie die in der Literatucnote angegebenen Abhandlungen von Gierke, Sokolowski, Krückmann und Stintzing. Die germanistischen Gedanken (altgermanischer Gewerebegriff) überwiegen jedenfalls, insbes. beim Begriffe des Besitzes, dessen Wesen in die tatsächliche Sachherrschaft gelegt ist (s. auch Hedemann, Sachen­ recht § 43). *) Besondere Literatur z u r Besitz lehre: Bartels, Ausführungen zur Besitzlehre des BGB. in GruchotsBeitr. Bd. 42 S. 645ff.; Gierke, Die Bedeutung des Fahrnisbesitzes für streitiges Recht nach dem BGB., 1897; derselbe, Gutachten für den 24. Deutschen Juristentag, Verh. III S. 29; Leonhard Franz, Vertretung beim Fahrnis­ erwerb 1899: Wendt, Der mittelbare Besitz des BGB., ArchZivPrax. Bd. 87 S. 40; Str oh al, Der Sachbesitz nach dem BGB., Sonderabdruck aus JheringsJ. Bd. 38 S. 1 ff.; Bekker, Das Besitzrecht des E. II in JheringsJ. Bd. 34 S. 11 ff.; derselbe, Aphorismen zur Besitzlehre, Beiträge zur Auslegung des BGB., herausgegeben von Bernhöft und Binder Bd. 1 S. 15; Frank, Der Besitzwille nach dem BGB., 1898; Lobe, Über den Einfluß des BGB. auf das Strafrecht, unter besonderer Berücksichtigung de Besitzes, 1898; Affolter im ArchBürgR. Bd. 17 S. 1 ff. „Das Willensmoment beim Besitzerwerbe"; Bend ix. Die Besitzlehre, Sonderabdruck aus „Das Recht" 1900; Kniep, Besitz des BGB., gegenübergest. d. röm. R. u. d. gern. R., 1900; Gärtner, Der gerichtliche Schutz gegen Besitzverlust nach römischem und neuerem deutschen Recht, 1901; Buhl, Das Recht der beweglichen Sachen, 1901; Josef, ArchBürgR. Bd. 15 S. 265ff.; Regelsberger, Stellvertretung im Besitz, JheringsJ. Bd. 44 S. 427 ff.; Riedinger, Besitz an ge­ pfändeten Sachen, 1903; Wolff Martin, Das Recht zum Besitze, 1903; Araventinos, Die Anfechtbarkeit der Besitzübertragung, JheringsJ. Bd. 48 S. 101 ff.; Bunsen, Arch. BürgR. Bd. 23 S. 69 ff., Besitzschutz, und Rotering daselbst Bd. 27 S. 55 ff., Aus der Lehre vom Besitz; Berg, Erwerb und Verlust des Besitzes (Diss.), 1905; Trendelen­ burg, Besitzerwerb durch Stellvertreter, Diss. 1904; Auerbach, Merkmale und Be-

Einleitung. — Erster Abschnitt.

Besitz.

(X) Vordem, (l) 13

Im übrigen sollen aber nach der allgemeinen Regel des Art. 184 EG. die Sachenrechte den sich aus den bisherigen Gesetzen ergebenden Inhalt und Rang behalten, soweit sich nicht aus den weiteren Art. 192 —195 EG. ein anderes ergibt. Näheres in den Vorbemerkungen der einzelnen Abschnitte und Titel. Hin­ sichtlich der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zu den hier einschlägigen Über­ gangsfragen vgl. auch Neumann, Rspr. d. RG. in ZS. Bd. II S. 1—3. X. Wegen des internationalen Rechtes ist hervorzuheben, daß die Voraus­ setzungen, unter welchen ein sachenrechtliches Verhältnis nach ausländischem Rechte zu beurteilen ist, aus dem ersten Abschnitte des EG. zu schöpfen sind. Von besonderer Wichtigkeit wird hier Art. 11 Abs. 2 hinsichtlich der Form der Rechts­ geschäfte und Art. 7 Abs. 3 Satz 2 in Ansehung der Geschäftsfähigkeit.

Erster Abschnitt.

Besitz.

Borbemerkuugen.*) I. Die Besitzlehre war in den meisten der früheren Rechtssysteme infolge der ver­ schiedenen Theorien und mannigfachen Streitpunkte ein dornenvolles Gebiet. Auch das Besitzrecht des E. I, ein doktrinäres Gebilde, aufgebaut auf einer künstlichen Unterscheidung zwischen Besitz und Jnhabung, brachte in dieser Hinsicht noch keinen Fortschritt. Erst der in das BGB. nahezu unverändert aufgenommene E. II schuf auf Anregung der fast einhelligen Kritik, die der E. I in dieser Richtung gefunden hatte, ein neues Besitzrecht ohne direkte Anlehnung an eines der bisherigen Rechtssy st e m e. Es schließt sich in seinen Grundlagen mehr an die Auffassung des gewöhnlichen Lebens und des Verkehrs an, was für die Praxis eine wesentliche Vereinfachung der früher so verwickelten Materie bedeutet (vgl. P. III, 26 ff.: die Mot. sind hier nur mit Vorsicht zu verwerten), über die geschichtlichen Grundlagen dieses Besitzrechts vgl. insbes. Wolff, SR. § 4, sowie die in der Literatucnote angegebenen Abhandlungen von Gierke, Sokolowski, Krückmann und Stintzing. Die germanistischen Gedanken (altgermanischer Gewerebegriff) überwiegen jedenfalls, insbes. beim Begriffe des Besitzes, dessen Wesen in die tatsächliche Sachherrschaft gelegt ist (s. auch Hedemann, Sachen­ recht § 43). *) Besondere Literatur z u r Besitz lehre: Bartels, Ausführungen zur Besitzlehre des BGB. in GruchotsBeitr. Bd. 42 S. 645ff.; Gierke, Die Bedeutung des Fahrnisbesitzes für streitiges Recht nach dem BGB., 1897; derselbe, Gutachten für den 24. Deutschen Juristentag, Verh. III S. 29; Leonhard Franz, Vertretung beim Fahrnis­ erwerb 1899: Wendt, Der mittelbare Besitz des BGB., ArchZivPrax. Bd. 87 S. 40; Str oh al, Der Sachbesitz nach dem BGB., Sonderabdruck aus JheringsJ. Bd. 38 S. 1 ff.; Bekker, Das Besitzrecht des E. II in JheringsJ. Bd. 34 S. 11 ff.; derselbe, Aphorismen zur Besitzlehre, Beiträge zur Auslegung des BGB., herausgegeben von Bernhöft und Binder Bd. 1 S. 15; Frank, Der Besitzwille nach dem BGB., 1898; Lobe, Über den Einfluß des BGB. auf das Strafrecht, unter besonderer Berücksichtigung de Besitzes, 1898; Affolter im ArchBürgR. Bd. 17 S. 1 ff. „Das Willensmoment beim Besitzerwerbe"; Bend ix. Die Besitzlehre, Sonderabdruck aus „Das Recht" 1900; Kniep, Besitz des BGB., gegenübergest. d. röm. R. u. d. gern. R., 1900; Gärtner, Der gerichtliche Schutz gegen Besitzverlust nach römischem und neuerem deutschen Recht, 1901; Buhl, Das Recht der beweglichen Sachen, 1901; Josef, ArchBürgR. Bd. 15 S. 265ff.; Regelsberger, Stellvertretung im Besitz, JheringsJ. Bd. 44 S. 427 ff.; Riedinger, Besitz an ge­ pfändeten Sachen, 1903; Wolff Martin, Das Recht zum Besitze, 1903; Araventinos, Die Anfechtbarkeit der Besitzübertragung, JheringsJ. Bd. 48 S. 101 ff.; Bunsen, Arch. BürgR. Bd. 23 S. 69 ff., Besitzschutz, und Rotering daselbst Bd. 27 S. 55 ff., Aus der Lehre vom Besitz; Berg, Erwerb und Verlust des Besitzes (Diss.), 1905; Trendelen­ burg, Besitzerwerb durch Stellvertreter, Diss. 1904; Auerbach, Merkmale und Be-

14 Dorvern. (II1)

Drittes Buch.

Sachenrecht.

II. Den Ausgangspunkt für den im BGB. selbst nicht definierten Besitzbegriff (vgl. § 854 Bem. V) bildet der Besitzschutz, da dies der Hauptfaktor ist, durch den der zunächst auf tatsächlicher Gestaltung beruhende Besitz in die rechtliche Erscheinung tritt. Daher bezieht sich der ganze Abschnitt von §854 bis § 871 (mit Ausnahme des eine Sonderstellung ein» nehmenden § 872) zunächst nuraufdenBesitzschutz und dessenVoraussetzungen. Mit anderen Worten: das BGB. regelt in dem nachfolgenden Abschnitt über den Besitz nur das jus possessionis, d. h. das (aus dem rechtlich anerkannten Besitz entstehende) Recht auf Schutz gegen unrechtmäßige Entziehung und Störung, nicht aber das jus possidendi, d. h. das Recht auf Erlangung des Besitzes. Letzteres ist aus den verschiedenen anderen Teilen des BGB. zu entnehmen, z. B. aus dem Begriffe des Eigentums, s. Bem. I zu § 903. Ein Recht zum Besitz einer fremden Sache wird im BGB. ausdrücklich ein­ geräumt: dem Nießbraucher nach § 1036, dem Pfandgläubiger nach Maßgabe der §§ 1205, 1206, 1274, 1278 (für das Schisfspfandrecht aber nicht, vgl. 1260, 1266, 1272), dem Ehemann im Rahmen der ehelichen Güterrechte (vgl. §§ 1373, 1443, 1519, 1549), dem überlebenden Ehegatten bei fortgesetzter Gütergemeinschaft (s. § 1487), sowie dem Nachlaßverwalter (vgl. § 1985) und dem Testamentsvollstrecker (s. § 2205). Über das Besitzrecht des Gewalthabers s. Vorbem. 3, d vor § 1638 und Bem. 4 zu § 1652. Aus anderen Reichsgesetzen ist hier noch hinzuweisen auf ein derartiges Recht des gericht­ lichen Verwalters bei der Zw an g s v erw al tun g (§§ 150 ff. ZBG.) und des Konkurs­ verwalters (§ 117 KO.). 1. Der Grund für den Besitzschutz wird aus der Idee des allgemeinen Rechtsfriedens hergeleitet. Dieser verlangt im Interesse eines geordneten Zusammen­ lebens der Menschen eine strikte Aufrechterhaltung der jeweils bestehenden äußeren, tat­ sächlichen Ordnung der Verhältnisse der Personen zu den Sachen (tatsächliche Gesellschafts­ ordnung). Jede willkürliche Änderung oder Störung dieser einzelnen tatsächlichen Verhält­ nisse ist verpönt und sofort abzustellen. (Dernburg, Pand. I § 170 a. E.). Vgl. hiezu auch Oertmann, Staatliche und gesellschaftliche Rechtsbildung, ArchBürgR. Bd. 40 S. 70 ff. deutung des Eigenbesitzes, Rostocker rechtswissenschaftliche Studien, III, Heft 3, Leipzig 1905; Manigk, Die Voraussetzungen des Eigenbesitzes nach § 872 BGB., ArchBürgR. Bd. 25 S. 361 ff.; Przibilla, Erwerb und Verlust des mittelbaren Besitzes, Bonn 1905 (Diss.) und IW. 1908 S. 395ff.; Haase, Besitz und Eigentumsrecht im Falle der Ver­ sendung, Berlin 1905; Florey, Die Verwendungsansprüche des Besitzers nach dem deutschen BGB., Leipzig 1904; Rotering, Inkongruenz des zivil- und strafrechtlichen Besitzes, HirthsAnn. Bd. 38 S. 295ff.; Sokolowski, Der Besitz im klassischen Recht und dem deutschen BGB., Halle 1907; R. Saleilles, De la possession des meubles, Paris 1907 (befaßt sich eingehend mit dem Besitze des BGB.); Regelsberger, Der gerichtliche Besitzschutz nach römischem Recht, nach gemeinem Recht und nach dem BGB.; Wendt, Besitz und Besitzwille; beides Beiträge zur Festschrift für die juristische Fakultät in Gießen zum Universitätsjubiläum, Gießen 1907; Kämmerer, Die Zulässigkeit der Stellver? tretung im Besitzerwerb nach dem BGB., Halle 1908; Bender, Können juristische Per­ sonen strafrechtlichen Besitz (Gewahrsam) haben, Karlsruhe 1908; Colberg, Beitrag zur Lehre vom Besitzbegriffe nach dem BGB., Bonn 1908; Rohde, Studien im Besitzrecht, Düsseldorf und Marburg 1907, 1908, 1909, 1911, 1913 (Abschnitte I, II, VII—IX, X—XV, XXII, XXIII); Kreß, Besitz und Recht, Nürnberg 1909; Pabst, Die Rechtsnatur der Eini­ gung im Sachenrecht, Jnaug.-Diss., Dresden 1909; Lenz, Der Rechtsbesitz außerhalb des BGB., ArchBürgR. Bd. 33 S. 343; Eccius, Schuldhafte Verletzung des Besitzes, GruchotsBeitr. Bd. 53 S. 8ff.; Kleinrath, Besitzschutz und Selbsthilfe, GruchotsBeitr. Bd. 54 S. 481; Bruns, Besitzerwerb durch Jnteressenvertreter, Tübingen 1910; Last, Fragen der Besitzlehre, JheringsJ. Bd. 62 S. Isf. (röm. R.) u. Bd.63 S. 71 ff. (BGB.); Rote­ ring, Zur Lehre vom Besitze, Tiergarten und Hegewald, ArchBürgR. Bd. 38 S. 145; Ebbecke, Besitzstand, Recht 1913 S. 261; Krückmann, Besitz, Recht 1913 S. 651; der­ selbe, Sachbesitz, Rechtsbesitz, Rechtsschein in der Theorie des Gemeinen Rechts, Arch. ZivPrax. Bd. 108 S. 179; derselbe, ArchBürgR. Bd. 41 S. 293ff., Rechtsbesitz und qualitative Teilung (gegen Stintzing); Draganesko, Die Lehre vom Besitzerwerbe durch Stellvertreter, Berlin 1916; Stintzing, Besitz, Gewere und Rechtsschein, ArchZivPrax. Bd. 109 S. 347; Müller Alfons, Besitz- und Eigentumserwerb bei versendeten Sachen nach geltendem Rechte, Berlin 1920.

Erster Abschnitt. Besitz. Vordem. (II 2,3,1111-10) 15

2. Der hierin begründete Besitzschutz schließt sich also seinem Grundsätze nach an nur äußerliche Momente an, an ein äußeres Herrschaftsverhältnis der Person zur Sache. Hieraus ergeben sich zwei wichtige, zusammenhängende Folgerungen: a) Die den einzelnen Besitzverhältnissen zugrunde liegende Rechtsbasis wird bei diesem Besitzschutze für die Regel gar nicht untersucht, so wenig man im täglichen Leben darnach fragt, auf welchem Rechtstitel der tatsächliche Besitz des einzelnen beruht. Eine Hereinziehung des materiellen Rechtes in den Besitzprozeß ist also regelmäßig ausgeschlossen. Sie würde ohnedies die erwünschte rasche Abhilfe gegen Störungen illusorisch machen. Wer gegenüber dem derzeit Besitzenden ein im materiellen Rechte begründetes Recht aus den Besitz verfolgen will, ist auf die Geltendmachung im ordentlichen Rechtswege verwiesen. b) Ebenso aber muß hiebei im Interesse einer gleichmäßigen Regelung des Besitz­ schutzes die Aufstellung eines bestimmten Willensmomentes unter­ bleiben (vgl. Bem. 1,2 zu § 854), z. B. ob der Besitzer für sich oder einen andern besitzen will. Es genießt daher auch z. B. der Mieter oder Depositar denselben Besitzschutz, wie ein zu Eigentum Besitzender. 3. Hinsichtlich des possessorischen Schutzes bei Grunddienstbarkeiten und beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten s. §§ 1029, 1090. Über die Möglichkeit besonderen possessorischen Schutzes bei selbständigen Ge­ rechtigkeiten auf Grund Landesrechts vgl. oben Einleitung V,B.

m. Arten des Besitzes: 1. Soweit es sich um den Besitzschutz (§§ 854—871) handelt, kann es nach den Aus­ führungen zu II nur eine Art von Besitz geben, nämlich den aus einer äußerlichen Grundlage, d. h. der tatsächlichen Gewalt über eine Sache zu erkennenden Besitz, ohne spezielle Erforschung des zugrundeliegenden animus des Besitzers (s. § 854 und Bem.). Diese Art von Besitz tritt zugleich an die Stelle des juristischen Besitzes des Gem. N. Über die weitere Verwertung dieses Besitzgriffs s. § 854 Bem. V. Diesen Besitz kann man mit Kreß a. a. O. §33 in Gewahrsamsbesitz (meistens bei beweglichen Sachen) und offenen Besitz (z. B. bei Grundstücken) scheiden. 2. Wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache nur nach den Weisungen eines Besitz­ herrn auszuüben hat, wie z. B. das Hausgesinde usw. (sog. prokuratorische Detentoren oder Besitzdiener), gilt nach dem BGB. nicht als Besitzer, vielmehr nur dessen Besitz­ herr (s. § 855). 3. Der fehlerhafte Besitz d. h. der durch verbotene Eigenmacht erlangte (§ 858 Abs. 2). 4. Der Teilbesitz an abgesonderten Teilen einer Sache, s. §865. 5. Der Mitbesitz, s. § 866. 6. Festzuhalten ist ferner die Zweiteilung des Besitzes in einen unmittelbaren (z. B. Mieter) und mittelbaren (z. B. Vermieter) in allen jenen Fällen, in denen jemand die Sache eines andern nur auf die Dauer eines zeitlich begrenzten Rechtsverhältnisses besitzt, § 868. 7. Der Eigenbesitzer, der eine Sache als ihm gehörig in Besitz hat, §872; diese Besitzart ist besonders wichtig für den Rechtserwerb, z. B. Okkupation, Ersitzung. Als Gegenstück zum Eigenbesitz hat sich der Ausdruck Fremdbesitz nach dem Vorschläge Dernburgs (SR. § 13) eingebürgert. 8. Einen Sonderbegriff für das Erbrecht bildet der Erbschaftsb esitzer nach §2018. 9. Eine allgemeine Unterscheidung zwischen redlichem und unredlichem Be­ sitzer wird vom BGB. in dem Abschnitt über den Besitz selbst nicht gemacht. Dagegen wird ein solcher Unterschied beim Erwerbe der einzelnen dinglichen Rechte gesondert aufgestellt (vgl. z. B. §§ V32, 937, 955 u. a.). Beim Eigentum au beweglichen Sachen besteht aber eine allgemeine Vermutung für die Redlichkeit des Besitzers; s. §932. 19. Einen besonderen Usukapionsbesitz kennt das BGB. nicht: bei beweglichen Sachen fällt dieser mit dem gutgläubigen Eigenbesitze zusammen, § 937, hinsichtlich un­ beweglicher Sachen vgl. §§ 900 und 927.

16 Vordem. (III11—13, IV—VI) Drittes Buch. Sachenrecht.

11. Ein fingierter Besitz in dem Sinne, daß jemand als Besitzer gilt, obwohl er sich nicht im (wenigstens mittelbaren) Besitze der Sache befindet, ist dem BGB. zufolge feines natürlichen Standpunktes unbekannt (vgl. aber § 857 mit Bem ), über die Fälle der ficta possessio im Sinne des Gem. R. vgl. Bem. zu §985. 12. Eine Unterscheidung zwischen civilis und naturalis possessio int Sinne dem Gem. R. und des BLR. kennt das Gesetz nicht. Ebensowenig unterscheidet es recht­ mäßigen und unrechtmäßigen Besitz (nach der Begründung) im Sinne des PLN 13. Über den Besitz der gesetzlichen Vertreter s. Bem. IV,3 zu § 854. IV. Schutzmittel des Besitzers: Man muß hier unterscheiden den Besitzschutz im engereu Sinne, der im nachjolgenden Abschnitte geregelt wird, und den mittelbaren Schutz, den der Besitzer aus anderen Rechtsinstituten schöpft. A. Der unmittelbare Besitzschutz kann sich in zweifacher Weise geltend machen, nämlich durch Selbsthilfe und durch Rechtshilfe. 1. Das BGB. räumt dem Besitzer in § 859 ein besonderes, weitreichendes Selbsthilfe­ recht ein, das sich abteilt in ein Recht auf Abwehr und ein Recht auf Wieder bemäch tigung. Vgl. hieher auch das durch Art. 89 EG. aufrecht erhaltene landesrecht­ liche Privatpsändungsrecht. 2. Als Rechtshilfe gewährt das Gesetz dem Besitzer drei Ansprüche: a) den Anspruch auf Wieder ei nräumung eittzogenen Besitzes, § 861; b) den Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung von Besitz st ö r u n gen § 862. Beide Ansprüche sind nunmehr nach gleichmäßigen Normen geregelt. Näheres s. Bem. I und II zu §§ 861, 862; c) den Anspruch auf Gestattung der Aufsitchung und Wegschasfung einer abhanden gekommenen Sache, § 867. B. Eilt mittelbarer Schutz des Besitzes besteht in mannigfacher Beziehung. So kann z. B. ungerechtfertigt erlangter Besitz als ungerechtfertigte Bereicherung (condictio possessionis) herausverlangt werden, s. §§ 812 ff. und insbes. Vordem. 5 vor §§ 812 ff. Auch kann sich eine Besitzentziehung oder Besitzstörung als unerlaubte Handlung im Sinne der §§ 823, 826 qualifizieren (s. insbes. RGZ. Bd. 59 S. 327, dagegen aber Eecius in GruchotsBeitr. Bd.53 S. 8ff.). Vgl. hieher auch den Titel über Vorlegung von Sachen §§ 809 ff. Ferner enthalten die Ansprüche aus dinglichen Rechten überhaupt für die Regel auch einen indirekten Schutz des Besitzes. Vgl. z. B. §§ 985, 1004, 1065, 1227. Besonders wichtig ist hier der Anspruch aus § 1007, der geradezu als eine petitorische Besitzklagei gelten kann. In § 268 Abs. 1 Satz 2 wird dem Besitzer auch ein Ablösungsrecht gewährt. Die weiteren sog. commoda possessionis (wie z. B. insbes. die Beklagtenstellung im Prozesse, das Zurückbehaltungsrecht des Besitzers) gehören an sich nicht in diesen Zu­ sammenhang. V. Das BGB. kennt (im Gegensatze zum gem. R.) eine Nachfolge in den Besitz und zwar in folgenden Fällen: 1. § 854 Abs. 2 enthält eine Art Einzelnachfolge in den Besitz; vgl. Bem. 2 zu § 854. 2* Der mittelbare Besitz kann durch bloße Abtretung des Herausgabeanspruchs über­ tragen werden; § 870. 3. Der Besitz geht auf den Erben über; § 857. Der hiedurch ausgesprochene Grundsatz der Vererblichkeit des Besitzes bedeutet eiue wichtige Neuerung. Vgl. hiezu auch § 2169 Abs. 2 (Vermächtnis des bloßen Besitzes). VI. Das Gesetz knüpft außerdem: a) eine Reihe wichtiger Rechtsvermutungen an den Besitz. Im einzelnen sei hier hingewiesen auf: § 1006 (allgemeine Eigentumsvermutung für den Besitzer beweg­ licher Sachen); §920 (Eigentumsvermutung bei der Grenzscheidungsklage); § 1117

I. Abschnitt.

Besitz.

»otbem. (VII, VIII) 17

Abs.3 (Vermutung einer erfolgten Übergabe bei Besitz des Hypothekenbriefs auf Seite des Gläubigers); § 1253 (Vermutung der Pfanderlöschung bei Wiederbesitz des Schuldners); §1362 Abs. 1 (Eigentumsvermutung für den Ehemann zugunsten seiner Gläubiger, Abs. 2 zugunsten der Ehefrau). S. ferner oben III Ziff. 9, vgl. ferner noch § 851 und § 1205, sowie § 7 LitUrhG. vom 19. Juni 1901, § 9 KunstfUrhG. vom 9. Jan. 1907, § 13 MustG. vom 11. Jan. 1876, s. auch preuß. Fischerei­ gesetz v. 11. Mai 1916 § 8 Abs. 2 u. Wolff, SR. § 4 Anm. 15. d) Über Passivlegitimation bei Schadensersatzansprüchen vgl. §§ 836, 837. c) Über Aktivlegitimation beim Eigentumsanspruch s. §§ 1006, 1007. 6) In vielfacher Hinsicht wird dem Besitzer überhaupt die Legitimation eines Eigentümers dem gutgläubigen Dritten gegenüber verliehen, vgl. §§ 793, 851, 932, 969, 1248, s. ferner auch § 31 des G. vom 30. Juni 1900 betr. die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten (RGBl. S. 306). e) Der Besitzerwerb bildet ferner ein gewichtiges Mittel des Rechtserwerbs an beweglichen Sachen nach Maßgabe der §§ 929ff., zur Bestellung des Nieß­ brauchs (s. § 1032) sowie des Pfandrechts (s. § 1205).

VII. Die alte Streitfrage, ob der Besitz eine bloße Tatsache oder ein Recht sei, wird vom BGB. nicht direkt entschieden. Auch nach dem BGB. beruht der Besitz auf einer tatsächlichen Grundlage. Allein er verschafft dem Besitzer eine äußerst wichtige Rechts­ stellung (Rechtsposition): diese bildet die Voraussetzung für viele Arten des Rechts­ erwerbs, an sie knüpfen sich wichtige Rechtsvermutungen usw. (s. oben VI), sie ist über­ tragbar (s. oben V), sie wird, was die Hauptsache ist, vom Rechte geschützt (§§ 859, 861, 862) und kann unter Umständen sogar mit einer petitorischen Besitzklage (§ 1007) verfolgt werden; der Besitz kann auch eine ungerechtfertigte Bereicherung bilden (vgl. Vordem. 5 vor §§ 812 ff.), er kann sogar Gegenstand eines Vermächtnisses sein (§ 2169). Im Hinblick darauf kann man den Besitz füglich kurzweg als ein Recht bezeichnen, zwar nicht als ein dingliches, aber jedenfalls im Sinne des § 823 (vgl. Bem. zu §823, auch oben Bem. IV,6). Hiedurch lösen sich auch viele Schwierigkeiten am einfachsten, übrigens ist dieses Recht, das die Besitz­ tatsache verleiht, wohl zu unterscheiden von dem Rechte auf den Besitz nach Maßgabe des materiellen Rechts (vgl. oben unter I). Über die verschiedenen Meinungen vgl. M. III, 78, 109; Bekker in JheringsJ. Bd. 34 S. 26, 27 und Aphorismen S. 18; Jacubezky, Bem. S. 195; Stobbe-Lehmann § 84; Strohal S. 63; Dernburg, SR. S. 42; Maenner S. 90; Planck S. 29; Bartels S. 649; Windscheid-Kipp Bd. I S. 696; Gierke, SR. § 114; Crome III § 342; Bunsen a. a. O. S. 69 ff.; Sohm, Der Gegenstand S. 26 und Kreß, Besitz und Recht S. 173ff.; Eccius, in Gruchots Beitr. Bd. 53 S. 8ff.; Krückmann, ArchBürgR. Bd. 41 S. 293ff.; Wolfs SR. §3; Rosenberg Vordem. 5 vor §854; Hedemann SR. § 44, V. Vgl. ferner Bem. V zu §854. Dieses Recht aus Innehaltung der betr. Sache, das der Besitz unter gewissen Voraus­ setzungen gewährt (vgl. §§ 858ff., 986), läßt sich auch als Recht am Gegenstände der Zwangsvollstreckung oder als Recht im Sinne des § 43 KO. bezeichnen, was besonders für Widerspruchsklagen (§ 771 ZPO.) von Wichtigkeit wird, vgl. hiezu OLG. Bd. 4 S. 380 ff.; Seuffert, Komm.z. ZPO. Bem. 2, e zu § 771 und die dortigen Zitate, sowie auch RGZ. Bd. 34 S. 422. Auch eine Feststellungsklage nach § 280 ZPO. muß zulässig erscheinen, vgl. Bunsen ArchBürgR. Bd. 23 S. 69 ff. Der Besitz kann ferner den Gegenstand einer Rechtsgemeinschaft im Sinne der§§ 741 ff. bilden (so RGRK.

Bem. 1 zu § 741 und OLG. Hamburg) Bd. 43 S. 208). vm. Die neue Terminologie der Besitzverhältnisse ist im BGB. selbst und in den damit zusammenhängenden Reichsgesetzen im allgemeinen streng durchgeführt. Bei den Schuld­ verschreibungen auf den Inhaber aber (§§ 793ff.) wurde hauptsächlich wegen des eingebürgerten Sprachgebrauchs der „Inhaber" beibehalten; dies hat aber zugleich besondere praktische Folgen, s. hierüber Bem. IV, a zu § 793. Vgl. auch bayr. AG.BGB. Art. 58 („Inhaber der Sache"), (über den Begriff „Inhaber der Sache" im Sinne letzterer Vor-

Staudinger. BGB. III (Kober, Sachenrecht). 9. Aufl.

2

18 Stottern. (VIII)

Drittes Buch.

Sachenrecht.

schrift s. BayOLG. Bd. 21 A S. 237; BayZ. 1907 S. 292, 1908 S. 447; Henle-Schneider S. 101; Reindl in Egers EisenbEntsch. Bd. 23 S. 427). In der neuen Fassung der Zivilprozetzorvurrng wurde der Ausdruck „Gewahrsam", den das BGB. selbst im Rahmen des Besitzrechts nicht mehr kennt (vgl. Bem. 1,1 zu § 854), in den §§ 808, 809, 886 unverändert beibehalten (vgl. auch § 616 Abs. 3 HGB.), da man bei der Revision der ZPO. redaktionelle Änderungen möglichst vermied. Man ist aber nun­ mehr in der zivilprozessualen Literatur überwiegend der Meinung, daß unter Gewahrsam im Sinne jener Vorschriften doch der unmittelbare Besitz des BGB. (aber nicht der mittelbare) zu verstehen ist (vgl. insbes. Stein Bem. II zu §808; Falkmann, Zwangsvoll­ streckung S. 700; Hein, Zwangsvollstreckung S. 299; Neumiller zu § 808; dagegen aber Wolff SR. § 6, V und die dortigen Anführungen); vgl. auch Bem. III, 2,g zu § 868 und RGZ. Bd. 61 S. 92). Fraglich ist ferner, ob die Besitzlehre des BGB. auch auf das strafrechtliche Gebiet, insbesondere bei den Deliktsarten Diebstahl und Unterschlagung einen Einfluß übe. Die Mehrzahl der Schriftsteller verneint dies mit Recht, weil bei jenen Delikten schon dem seinerzeitigen Willen des Gesetzgebers nach die Begriffe „Besitz" oder „Gewahrsam" über­ haupt nicht vom zivilistischen Gesichtspunkte, sondern mehr vom rein natürlichen und äußerlichen aus erfaßt werden sollen. (Ein Antrag, hier mit Rücksicht auf das BGB. eine Abänderung vorzunehmen, wurde in der Reichstagskommission ausdrücklich ab­ gelehnt, s. RTK. 330 ff.). Auch das R e i ch s g e r i ch t hat sich dieser Auffassung angeschlossen, vgl. RGSt. Bd. 37 S. 198, auch Bd. 29 S. 209, Bd. 30 S. 88, Bd. 50 S. 183, ferner insbes. Bd. 52 S. 143, Bd. 58 S. 143; GoltdArch. Bd. 54 S. 78; LZ. 1919 S. 161; BayZ. 1920 S. 54. Es ist also z. B. str a fr ech tl i ch gleichgültig, wer im Sinne des bürgerlichen Rechtes Besitzer oder Besitz di en er ist; maßgebend für den Begriff der Wegnahme ist vielmehr, ob der „Gewahrsam" eines anderen, also die rein tatsächliche Jnnehabung und Ver­ fügungsgewalt verletzt wird. Den „Gewahrsam" aber kann je nach den tatsächlichen Um­ ständen der Besitzdiener ausschließlich ausüben, obgleich er den Weisungen des Besitzers unterworfen ist. Umgekehrt kann aber auch der Besitzer unter Umständen neben dem Besitz­ diener eigenen Gewahrsam behalten haben und diesen neben und mit dem Besitz­ diener ausüben; in diesem Falle kann der Mitgewahrsam durch den Besihdiener gleichfalls durch „Wegnahme" verletzt werden. Hinsichtlich »Besitz' im Sinne des SprengstG. vgl. RGSt. Bd. 13 S. 37, 48, hinsichtlich des Waffenbesitzes (VO. vom 13.Jan. 1919 §3) vgl. RG. in LZ. 1920 Sp.293 N.2 (jeder Gewahrsamsinhaber, also auch z. B. der Entleiher), s. auch § 368 Nr. 10 StGB, mit Rspr. Bd. 3 S. 354, Bd. 7 S. 596 und § 136 Nr. 5 V e r e i n s z ollG. mit RGSt. Bd.5 S. 72; vgl. auch OLG. Braunschweig in DIZ. 1904 S.872, s. aber auch Przibilla in JheringsJ. Bd. 50 S. 347ff.; Rotering in HirthsAnn. 1905 S. 295ff.; Schröder im ArchZivPrax. Bd. 97 S. 374 ff. Auch der §857, wonach der Besitz auf den Erben übergehen soll, kann aus jenem Grunde hinsichtlich einer strafbaren Handlung an Nachlaß­ such en gegenüber der bisherigen strafrechtlichen Auffassung der Verhältnisse keine Änderung herbeiführen (vgl. hierüber auch Rotering im ArchBürgR. Bd. 27 S. 95 ff. undjn HirthsAnn. 1905 S. 299, ferner RGSt. Bd. 34 S. 252). Änderungen können sich auf strafrecht­ lichem Gebiete nur hinsichtlich des mehrfach maßgebenden Begriffes derWiderrechtlichk e i t ergeben, soweit dieser schon früher aus dem Zivilrechte zu schöpfen war. Vgl. hiezu die Schrift Lobes, Einfluß des BGB. auf das Strafrecht (1898), insbes. S. 16 ff. einerseits und S. 33 ff. anderseits, sowie Olshausen in Bem. 15 und 17, c zu § 242 und Bem. 9 zu § 246 StGB, und insbes. Ebermayer Bem. 1,2 ff. zu § 242 StGB., vgl. ferner Rotering a. a. O. S. 70, denselben in HirthsAnn. 1905 S. 295 ff., Inkongruenz des zivil- und strafrechtlichen Be­ sitzes, sowie auch Schröder a. a. O. und Bender a.a. O. (s. Literatur *). Bei der neueren Steuergesetzgebung muß jeweils gemäß § 4 RAbgO. der Zweck und die wirtschaftliche Bedeutung des einschlägigen Steuergesetzes den Ausschlag geben für die Wertung des Besitzbegrifses. So ist z. B. unangefochtener Eigenbesitz steuerrechtlich dem Eigentum gleichzuachten (§ 81 RAbgO.). Der Begriff des unmittelbaren Be­ sitzes im Sinne von §7 des Umsatzsteuergesetzes ist gegenüber dem §854 Abs. 2

I. Abschnitt. Besitz.

»orbem. (lX-Xlll) 854 19

einschränkend auszulegen, s. Entsch. d. RFH. Bd. 7 S. 85, sowie auch Bd. 10 S. 88. Vgl. auch Vordem.8 vor §903 über wirtschaftliches Eigentum und hinsichtlich der Grunderw erb steuer. EX. Grundbuch und Besitz sind an sich getrennte Welten, der Besitz kommt im Grund­ buch in keiner Weise zur Darstellung. Beide haben aber doch in gewissem Sinne gleiche Aufgaben zu erfüllen, insbes. darf der Verkehr vertrauensvoll anknüpfen an die sinnfälligen Tatsachen, daß der oder jener besitzt (vgl. §§ 932 ff.) und der oder jener im Grundbuch eingetragen ist (s. insbes. § 891, aber auch § 920 Abs. 1 Satz 1 und verschiedene landesrechtliche Vorschriften z. B. Bay. Flurbereinigungsges. v. 5. August 1922 Art. 6 Abs. 1), vgl. Hedemann, Sachenrecht S. 37 a und S. 436, 437 und Wolff, SR. § 4 Anm. 15. X. Über Besitzschutz und Enteignung s. OLG. (.Hamburg) Bd. 43 S. 208. XI. Im einzelnen handeln die nachstehenden Vorschriften: § 854 im allgemeinen über den Besitzerwerb, § 855 über die sog. Besitzdiener, § 856 Verlust, § 857 Übergang des Besitzes auf den Erben, §§ 858—867 Besitzschutz, §§ 868—871 über mittelbaren und unmittelbaren Besitz, § 872 schließlich betrifft den sogenannten E i g e n b e s i tz. XII. Übergangsbestimmungen s. in Act. 180 u. 191 EG. und vgl. RGZ. Bd. 54 S. 133 ff. Xin. Internationales Privatrecht. Die Beurteilung des Besitzerwerbs und Besitz­ verlustes hat nach der lex rei sitae zu erfolgen nach Maßgabe des Tatbestandes, wie er den Erwerb und Verlust begründet, vgl. Neumann Vordem. 7 vor § 854 und auch RGZ. Bd. 11 S. 55; s. ferner Wolff SR. § 25.

§ 854. Der Besitz einer Sache wird durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache erworben. Die Einigung des bisherigen Besitzers und des Erwerbers genügt zum Erwerbe, wenn der Erwerber

in

der Lage ist,

die Gewalt

über

die Sache

auszuüben. I, 797, 803 Ass. 2; 11, 777; NI, 838.

Übersicht. Anfechtung II, 2, e; Auflassung II, 3; Begriffsbestimmung I u. V; Besitzdiener IV, 1; Besitzmittler IV, 2; Besitzveränderungsabgabe VII; Bedingung II, 2, b; Buchbesitz III, 3;

constit. poss. IV, 4; Einigung I, 2; Enteignung Vordem. X; Form der Besitzübertragung I, 1 u. II, 1, a; Gegenstand des Besitzes III; Geschäftsfähigkeit I, 2, c u. II, 2, b; Gesetzliche Vertreter IV, 2; Guter Glaube I, 4; Internationales PrR. Vorbem. XIII;

Kinder I, 2, c; II, 2, b; Mitbesitz II, 1, e; Bflichten des Besitzers IX; Recht (der Besitz?) Vorbem. VII; Rechtsbesitz III, 2 u. V; Singularsukzession II, 4; Steuerrechtliches Vorbem. VIII; Strafrechtliches Vorbem. VIII ; Tatsächliche Gewalt I, 1 u. II, 1; Teilbesitz III, 1, c; Übergangsbest. Vorbem. XII; Vertrag zugunsten Dritter II, 2, c; Vertretung und Vertreter IV; Willensmoment I, 2; Willenserklärung I, 2 c und II, b; Zeitbestimmungen II, 2, b. Zivilprozessuales Vorbem. VIII.

Das BGB. gibt keine Begriffsbestimmung des Besitzes (vgl. unten Bem.V), beantwortet vielmehr in § 854 nur die Frage: Wie wird Besitz erworben? für bewegliche und unbewegliche Sachen: a) Abs. 1 stellt das allgemeine Prinzip auf. b) Abs. 2 enthält eine besondere Erleichterung für den Besitzerwerb, der sich unter Mitwirkung des bisherigen Besitzers vollzieht. c) Der Erwerb und die Übertragung des mittelbaren Besitzes (vgl. Vor­ bem. III, 6) richten sich nach den §§ 868 und 870.

20 854(11,2)

Drittes Buch.

Sachenrecht.

I. Das Gesetz knüpft in sozusagen realistischer Auffassung den Besitzerwerb allgemein an die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über eine Sache (Abs. 1), also an das äutzere Moment (corpus). 1. Der Begriff der tatsächlichen Gewalt wird vom Gesetze nicht näher erläutert. Das maßgebende Kriterium soll darin liegen, ob der Besitzer imstande ist, Dritte von seinem Machtbereich auszuschlietzen (vgl. P. III, 29). Dies ist aber nicht eng körper­ lich ^u verstehen, weshalb die Ausdrücke »Innehabung' und »Gewahrsam' absichtlich vermieden wurden. Vielmehr ist er aufzufassen im weiteren Sinne nach den An­ schauungen des Lebens und des Verkehrs unter freier Würdigung der verschiedenen Tatbestände. Der Begriff dieser Sachherrschaft (die auch als B e s i tz st a n d bezeichnet wird, vgl. hiezu Ebbecke, „Recht^ 1913 S. 261) ist sohin ein gesellschaftlicher, aus dem Tatbestände des menschlichen Zu­ sammenlebens unmittelbar geschöpft, er ist an sich elementarer Art (vgl. insbes. L. Goldschmidt, Grundlagen der Besitzlehre S.71ff.). Der Begriff ist zugleich flüssig und wandelbar. Ie weiter unsere Kultur und insbesondere unsere Verkehrsmittel fortschreiten, um so mehr wird das früher engere Band zwischen Be­ sitzer und Sache gelockert und gewissermaßen vergeistigt. Der Natur der Sache nach ist der Begriff bei beweglichen Sachen enger zu nehmen als bei Grundstücken; ander­ seits ist der Maßstab verschieden zu legen, je nach dem es sich darum handelt, ob Besitz begründet wird, oder ob begründeter Besitz noch fortbesteht (vgl. unten und Wolff SR. § 5). Im übrigen ist hierbei allgemein nicht blotz die Betrachtung des Raumverhältmsses von Einfluß, sondern auch die Betrachtung des Rechtsverhältnisses, aber nicht etwa des wahren Rechtsverhältnisses, sondern dessen, was als Rechtslage nach den Umständen des Falles erscheint und (von der Allgemeinheit) geachtet wird (so zutreffend Wolff a. a. £>.). Man kann daher hier auch von einem „idealisierten" Gemaltbegriffe sprechen (vgl. ferner Oertmann, ArchBürgR. Bd. 20 S. 220ff.; Rotering, daselbst Bd. 27 S. 55 ff., sowie in HirthsAnn. 1905 S. 295 ff.; Planck Bem. 2 zu 8 854; Berg a.a.O. S. 10 ff.; Iosef, „Recht" 1904 S. 498 ff.; s. ferner auch Manigk, Willenserklärung und Willensgeschäft S. 654ff., 691 ff.; Sokolowski a.a.O. S. 243ff.; Kretz a a.O. S. 133ff.; Hedemann, Sachenrecht 8 44). Es genügt also z. B. bei beweglichen Sachen nach Umständen die Übergabe der Schlüssel zu dem Behältnis, in dem sich die betreffende Sache befindet, die Erlaubnis, die Sache von der zugänglichen Lagerstelle abzuholen, die Markierung, das Nieder­ legen der Sache in und vor dem Hause, Hinlegen des Geldes vor unseren Augen (vgl. Erome III S. 48); häufig treffen solche und ähnliche Momente mit der Einigung im Sinne des Abs. 2 zusammen oder bilden überhaupt jene Einigung (vgl. darüber näher unter Bem. II). Die Besitzergreifung als solche aber mutz sich immer in einem äutzerlicherkennbaren Vorgänge kundmachen (vgl. RGZ. Bd. 72 S. 310, Bd.74 S. 146, Bd. 77 S. 208; LZ. 1923 S. 311; so genügt z. B. das blotze Fällen von Holz auf einem Grundstück, das man nicht besitzt, nicht; der Dieb, der Finder, der Schatz­ gräber haben noch keinen Besitz an der gestohlenen oder gefundenen Sache, wenn sie diese an dem Orte des Diebstahls oder Fundes zurücklassen, fei es auch in der Absicht, sie demnächst abzuholen). Soweit Besitzerwerb von dem bisherigen Besitzer her in Frage steht, mutz zugleich ersichtlich gemacht werden, datz das Besitzverhältnis des früheren Besitzers erloschen ist und der neue Besitzer die Gewalt erlangt hat, vgl. RGZ. Bd. 66 S. 262 ff., Bd. 74 S. 146 und näher unten II. Dagegen gilt z. B. der Dieb, der den Schlüssel zu einem Behältnis gestohlen hat, wohl als Besitzer des Schlüssels, aber nicht jygleid) als Besitzer des Behältnisses (vgl. oben über den Einflutz der Rechtslage und Wolff a.a.O.). Immer mutz es sich aber um die Einräumung der tatsächlichen Gewalt handeln, es mutz damit ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis des Erwerbers über die Sache hergestellt werden, die Einräumung einer rechtlichen Befugnis allein genügt nicht, vgl. WarnE. 1917 Nr. 55, ebensowenig genügt natürlich die blotze Er­ klärung des Besitzers, er räume dem andern den Besitz ein, vgl. IW. 1902 S. 37 und WarnE. 1919 Nr. 39. Der Iagdpächter hat keinen „Besitz" an den Ländereien seines Iagdbezirks, RGZ. Bd. 70 S. 72, Bd. 98 S. 102, Bd. 107 S. 291; vgl. aber auch Leo Raape IheringsI. Bd. 74 S. 214 ff., 235 ff. Aus der Praris vgl. ferner OLG. Bd.7 S.42 (Besitzerwerb durch Bestellung eines Aufsehers) und weiter in Bem. II, 1. Über Besitz an gepfändeten Sachen vgl. Bem.III,2 zu § 868. 2. Ein bestimmtes inneres Willensmoment (Besitzwille, animus) wird vom BGB. als Erfordernis des Besitzerwerbs nicht mehr aufgestellt (im Gegensatz zum gem. R., BLR. u. PLR.; vgl. zu dieser Materie auch Affolter im ArchBürgR. Bd. 17 C. 1 ff.).

L Abschnitt.

Besitz.

854(12) 21

a) Dies geschah zunächst im Interesse eines einheitlichen, gleich­ mäßigen Besitzschutzes, der ja das treibende Grundelement für das ganz neue Besitzrecht bildet (vgl. Sortiern. II, 1). Anderseits wird dadurch zugleich die für viele Fälle des praktischen Lebens oft schwierige Konstruktion eines speziellen und direkten Besitzwillens vermieden. Beispiele: Ich besitze im Sinne des BGB. bereits den Brief, der noch ohne mein Wissen in meinem Briefkasten steckt, oder das Wild, das sich noch ohne meine Kenntnis in der von mir gestellten Schlinge gefangen hat,- ich besitze die Sache, die während meiner Abwesenheit in meiner Wohnung für mich abgegeben wurde, wenn auch unbestellt usw. Auch der bloße Detentor des gem. R., wie der Mieter und Pächter usw. (vgl. § 868), gilt hienach ebenso als Besitzer, wie derjenige, welcher die Sache zu Eigentum besitzen will.

b) Man würde jedoch zu weit gehen, wenn man, dem bloßen Wortlaute des Abs. 1 folgend, zu dem Schlüsse käme, der Wille des Erwerbers sei nunmehr beim Besitze völlig gleichgültig. Denn dies würde im einzelnen zu Er­ gebnissen führen, die gerade widersinnig wären. Es würde z. B. im Einzelfall ein Besitz vom Gesetz aufgezwungen, den der Betreffende gar nicht haben will! Der Standpunkt des Gesetzes ist vielmehr folgender (vgl. P. III, 30): Wo eine tatsächliche Gewalt über eine Sache besteht, ist nach der Erfahrung des täglichen Lebens für die Regel auch ein Besitzwille vorhanden, von dem das tatsächliche Verhältnis getragen wird. Dies trifft z.B. auch beim Detentor des gem. R. zu: jeder Mieter z. B. will zunächst für sich besitzen. Es ist gar nicht nötig, wie die tägliche Erfahrung zeigt, daß dieser Wille im Einzelfall immer zu besonderem Ausdrucke gelangt. Er kann z.B. dem äußerlichen Momente der Gewalterlangung auch vorangehen oder nachfolgen usw. und deshalb soll, wo ein schutzbedürftiges Interesse in Frage kommt, gar nicht weiter nach einem spe­ ziellen Willens Momente geforscht werden. Wenn ich z.B. einen Briefkasten vor meiner Wohnung befestigte, habe ich damit stillschweigend ein für allemal den Willen, den Besitz an jedem einzelnen eingeworfenen Briefe zu erwerben. Es braucht und soll nicht darnach geforscht werden, ob ich auch einen speziellen Besitzwillen hatte hinsichtlich des einzelnen Briefes, der an einem bestimmten Tage in den Kasten gelegt und mir daraus entwendet wurde. M. a. W.: Das Gesetz unterstellt jedem schutzbedürftigen äußeren Machtverhältnis über eine Sache einen dement­ sprechenden Besitzwillen als etwas Selbstverständliches. Es erscheint ihm daneben als eine vereinzelte irrelevante Ausnahme, wenn etwa trotz eines bestehenden Gewaltverhältnisses kein Besitzwille — auch nicht nach­ folgend oder auf Seite eines Vertreters — vorhanden wäre, die schon um des­ willen keiner besonderen Erwähnung im Gesetze bedarf, da in solchen Aus­ nahmefällen voraussichtlich überhaupt keinBesitzschutz angesprochen werden wird: Z.B. eine mir fremde Person hat in meinem Hause eine Sache liegen lassen, trotz meines äußeren Gewaltverhältnisses kümmere ich mich nicht weiter darum, ich will sie gar nicht besitzen: infolgedessen spreche ich a-uch keinen Besitzschutz an. (Übereinstimmend RGRK. Bem. 3). Ähnlich will ich, wenn ich einen Briefkasten vor meiner Wohnung anbringe, damit nur den Besitz an Briefschaften und ähnlichen Gegenständen ansprechen, keinesfalls aber an axv deren Sachen, die in diesen gesteckt werden, vgl. Ebbecke, Recht 1913 S. 261. Das Gesetz schließt also einen Besitzerwerb ohne Willen keines­ wegs aus (wie es anderseits auch einen Besitzerwerb durch Geschäftsunfähige kennt, vgl. näheres unten c): inwieweit ein solcher anzunehmen ist, ist gleich­ falls aus der Verkehrsanschauung (vgl. oben 1,1) zu entnehmen (über­ einstimmend Strohal S. 66ff., 71 ff.; Gierke, SR. § 115; Crome III § 345; Bartels S. 654ff.; Planck zu § 854; Maenner S. 95; Dernburg S. 55; Kretzschmar zu § 854; Kniep S. 69; Bunsen a.a.O. S. 81; Eltzbacher, Hand­ lungsfähigkeit Bd. I S. 210, 213; Colberg a.a.O.); Affolter a.a.O. versucht nachzuweisen, daß in allen Fällen, in denen scheinbar ein Erwerbswillen man­ gele, dieser in Wirklichkeit nachträglich und in rückwirkender Kraft eintrete, vgl. auch Rotering a.a.O. S. 90ff.; s. dagegen Kreß a.a.O. S. 146ff.; s.ferner Wendt, Besitz und Besitzwille, sowie Mamgk, Willenserklärung und Willens­ geschäft S. 655. Auch Angehörige des Hausstandes können Gegen­ stände, die ohne Wissen des Wohnungsinhabers abgegeben werden, für diesen in Besitz nehmen, vgl. aber auch RGZ. Bd. 106 S. 135.

22 854(18,4,111)

Drittes Buch.

Sachenrecht.

Zn der Praris kommt in dieser Beziehung hauptsächlich der Besitzerwerb an unbestellt zugesandten Sachen in Frage; es wird hier regelmäßig nach Maßgabe der Verkehrsanschauung Besitzerwerb anzunehmen sein (über­ einstimmend Planck Bem. 2 zu § 854); über die rechtliche Behandlung der­ artiger Waren vgl. Bem. 4 zu 8 146. c) Der vom Gesetz als selbstverständlich unterstellte Besitzwille wird in ganz natürlichem Sinne aufzufassen sein o. h. ohne Rücksicht auf die recht­ lichen Unterscheidungen der Willensfähigkeit. So wird z. B. ein Geisteskranker unter Umständen ganz gut diesen natürlichen Besitzwillen haben können, ebenso ein Kind unter 7 Jahren, ein völlig Willensunfähiger dagegen, wie z. B. ein Säugling, aber nicht. Ob eine solche völlige Willensunfähigkeit vor­ liegt, muß jeweils Talfrage sein. (§ 800 Äbs. 1 des E. I, der besagte, daß eine geschäftsunfähige Person nicht durch eigene Handlungen ..Besitz" erwerben könne, wurde in der II. Kommission gestrichen, weil diese Vorschrift sich auf den Besitz im Sinne des E. II nicht allgemein anwenden lasse, vgl. P. a. a. £).). Übereinstimmend Strohal, Dernburg, Planck usw., ebenso auch Wendt a.a.O. S. 102ff., Sokolowski a.a.O. S. 298, RGZ. Bd. 64 S. 386; and. Ans. Endemann Bd. II § 37; vgl. ferner auch Dittenberger, Schutz des Kindes S. 91 ff., Breit, Geschäftsfähigkeit S. 239 ff. (Wegen des Eigenbesitzes aber vgl. Bem. 1 zu 8 872.) Die Besitz begründung als solche ist auch keine Willenserklärung im technischen Sinne, vielmehr eine Rechtshandlung und zwar eine rein äußere; es sind daher hierauf die Vorschriften über Willens­ mängel nicht anwendbar, s. Wolfs SR. 8 10, IV, und Manigk, Willens­ erklärung und Willensgeschäft S. 652. Im übrigen handeln ja für Kinder und Geisteskranke in der Regel Ver­ treter (vgl. unten Bem. IV), so daß diese Fragen praktisch geringe Be­ deutung haben. Soweit es sich freilich um rechtsgeschäftliche Besitzübertragung oder um ein Rechtsgeschäft, wie z.B. Schenkung, handelt, also um Willens­ erklärungen, müssen die allgemeinen Normen eintreten. Hier versagt das BGB. bei den Personen im Sinne der 88 104, 105 jede rechtliche Wirkung, während jene im Rahmen des 8 114 nicht bloß selbständig in eigener Person ohne den gesetzlichen Vertreter Besitz erwerben können, sondern auch bei Willenserklärungen, durch die sie lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangen, also z. B. bei einer Schenkung, der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters gar nicht bedürfen (8 107). Bei juristischen Personen muß die Vermögensfähigkeil als solche auch die Besitzfähigkeit in sich schließen; hier müssen aber stets die ge­ setzlichen Vertreter handelnd auftreten. Vgl. hiezu Bartels a. a. O. S. 653 und näheres unten Bem. IV. d) Wo immer aber ein solcher Ausnahmefall zum Vorschein kommt, daß trotz eines äußerlichen Gewaltverhältnisses einBesitzwillegänzlichmangelt, also auch nicht nachfolgt, wird man auch nicht mehr von einem Besitz sprechen dürfen. Denn ein tatsächliches Verhältnis, das dem Willen der Per­ son nicht entspricht, kann nicht mehr als ein Gewaltverhältnis im Sinne des Abs. 1 gelten. Vgl. Bunsen, Eins, in d. BGB. Bd. 2 S. 15. 3. Die dem Besitze des einzelnen zugrunde liegende Rechtsbasis muß im Rahmen des bloßen Besitzschutzes außer Betracht bleiben. Die Prüfung des materiellen Rechtes gehört in den petitorischen Prozeß (Ausnahme 8 863). Vgl. hiezu Vordem. 11,2, a. 4. Der gute Glaube kann beim Besitzerwerb (anders beim Eigentums­ erwerb!) keine entscheidende Rolle spielen. Dadurch, daß also z.B. jemand gutgläubig annimmt, sein Vormann sei Besitzer, kann er nicht Besitzer werden, wenn er nicht wirklich die tatsächliche Gewalt über die Sache erlangt, was hier allein von Bedeutung ist; s. RGZ. Bd. 105 S. 414. H. Abs. 2 (vgl. E. I 8 803 Abs. 2; M. III, 93 ff.) schafft eine besondere Er­ leichterung für den Besitzerwerb (an beweglichen Sachen oder an Grundstücken), der sich unter Mitwirkung des bisherigen Besitzers vollzieht. Sind nämlich der bisherige Besitzer und der neue Erwerber über den Besitzübergang einig, so soll es zum Besitzerwerbe genügen, wenn der Erwerber in der Lage ist, die Ge­ walt über die Sache auszuüben. I. Das Moment, daß der Erwerber in der Lage ist, die Gewalt über die Sache auszuüben, bedeutet die ungehinderte Möglichkeit für den Erwerber, sich die

I. Abschnitt. Besitz.

854 (II1) 23

tatsächliche Gewalt über die Sache unmittelbar verschaffen zu können. Diese Möglich­ keit ist weniger als die wirkliche Erlangung der tatsächlichen Gewalt. Ob sie vorhanden ist bzw. beim Erwerbe vorhanden war, ist jeweils eine Tatfrage, welche, analog wie das Moment der tatsächlichen Gewalt überhaupt (vgl. oben I, 1), in erster Linie nach der Anschauung des täglichen Lebens und der Auffassung des Verkehrs zu entscheiden sein wird. (Der Erwerber hat dies darzutun, vgl. GruchotsBeitr. Bd.49 S. 127 und RGRL. Bem. 4.) 3m allgemeinen aber läßt sich sagen, daß sie immer dann vorhanden sein wird, wenn dem Erwerber zur Zeit der Einigung kein tat­ sächliches Hindernis für die unmittelbare wirkliche Ausübung der tat­ sächlichen Gewalt im Wege steht, wenn also insbesondere kein Dritter in der Zwischenzeit sich den Besitz angeeignet hat. 3m besonderen wird diese Möglichkeit der Natur der Sache nach bei beweglichen Sachen enger, bei Grundstücken in viel weiterem Sinne auszulegen sein. Folgerungen:

a)Es bedarf also, wenn jene Möglichkeit für den Erwerber vorhanden ist, keinerlei äußerer Form mehr für die Besitzübertragung (keiner körper­ lichen Übergabe, keiner longa manu traditio, keiner symbolischen oder fingierten Tradition). Es genügt vielmehr in diesem Falle zum Besitzerwerbe die bloße Einigung über den Besitzübergang. Dies ist von besonderer Wichtigkeit für die Besitzübergabe als Grundlage des Eigen­ tumserwerbs und der Pfandbestellung an beweglichen Sach en (§§ 929, 1205, hinsichtlich der Auflassung s. unten 3). Beispiele: A kann in München den Besitz an seinem in Augsburg ge­ legenen Hause auf B übertragen, wenn A zur Zeit der Einigung noch Besitzer ist. Unter der gleichen Voraussetzung kann auch der Besitz an dem im Walde lagernden Holze im Dorfwirtshaus übertragen werden. Aus der Praris: Über Verkauf von Holz in einem eingefriedeten, dem Läufer noch nicht jederzeit zugänglichen Holzlagerplatze vgl. OLG. Bd. 5 S. 150, s. auch RGZ. Bd. 74 S. 146 ff., sowie RGZ. Bd. 72 S. 311 (bei Gestattung des Abhiebs des aufdemStamme verkauften Holzes kann nach dem Willen der Vertragschließenden unter Umständen gemeint sein, daß das Schlagen der Bäume zunächst nur zur Vorbereitung späterer Besitz- und Eigentumsübertragung erfolgen und daß daher Besitz und Eigentum erst mit der nach Begleichung des Laufpreises gestatteten Abfuhr übergehen sollen), vgl. übrigens auch Bem. III, 1, e unten; die Abgabe der Holzabfuhrzettel seitens der Forftverwaltung genügt für die Regel zum Besitzübergang hlns. des im Staatswaloe gefällten, dem Ansteigerer überwiesenen Holzes (vgl. RGRL. Bem. 4 a.E., ferner Lreß, Bl. f. bayr. Finanzen 1916 S. 241 ff., 1917 S. I ff., abw. Schneider BayZ. 1916 S. 383 u. Bl. f. bayr. Finanzen 1917 S. 81 ff., SeuffA. Bd. 57 Nr. 220 über Schenkung an einen Dienstboten (ohne jegliche Änderung der bisherigen tatsächlichen Verhältnisse?). Der bloßen Einwilligung des Eigentümers zum Brechen von Lies aus seinem Grundstück ist nicht notwendig die Bedeutung beizumessen, daß damit auch der Besitz an dem den Lies enthaltenden Grundstück oder an Teilen desselben eingeräumt werden wollte (s. RG. vom 29. 3an. 1902, Recht 1902 S. 125 = 3W. 1902 Beil. S.201); s. ferner OLG. Königsberg Bd. 7 S. 42 (Besitzübergang durch Übertragung der A u f s i ch t über einen H o l z b e st a n d); s. ferner WarnE. 1912 Nr. 433 (Besitzübertragung an H o lzb est änd en auf einem Holzplatze); Bay. OLG. Recht 1906 S. 51 (Übergabe eines Eastwirtschaftsgrundstücks), RGZ. Bd. 64 S. 182 (durch Abtretung der Ansprüche gegen die Mieter auf Rück­ gabe der Wohnungen wird kein Besitz übertragen), OLG. (Hamburg) Bd. 14 S. 60 (Besitz des Werftinhabers am Schiff, auf dem der Eigner wohnen bleibt); s. auch RGSt. Bd. 30 S. 88, RMIG. Bd. 1 S. 267 (der Besitz einer Räumlichkeit deckt die darin enthaltenen Gegenstände); auch RG. Recht 1908 Nr. 3419, RG. Recht 1910 Nr. 1585, RG., Recht 1911 Nr. 2341 (Besitz­ übergang an Türen bei einem Neubau). d) Äußere Umstände, wie die Übergabe von Schlüsseln oder Urkunden, Signieren usw., können keine weitere Bedeutung als die haben, daß sie eben den Erwerber (nach der Verkehrsanschauung) in die Lage versetzen, die Gewalt über die Sache auszuüben. (Die Schlüsselübergabe an einen Handwerker zur Vornahme von Reparaturen verschafft diesem keinen Besitz, vgl. SeuffA. Bd. 46 Nr. 169). Wegen Behaltens eines zweiten oder eines sog. Nach­ schlüssels auf Seite des Übergebenden vgl. auch 3W. 1907 S. 141, OLG. Bd. 8 S. 195, GruchotsBeitr. Bd. 48 Beil. S. 957, RGZ. Bd. 103 S. 100

24 854 (II 2)

Drittes Buch.

Sachenrecht.

= IW. 1922 S. 219 u. Bem. 1, a, x, 8 $u § 1206, aber auch RGZ. Bd. 37 S. 33, sowie RGZ. Bd. 66 S. 263 und RGRK. Bem. 3. Dgl. hiezu ferner Kohler in GrünhutsZ. Bd. 12 S. lff. und Kretz a. a. O. S. 155; abw. zum Teil Rosenberg Bem. 1,1 zu 8 854 u. Nachw. zu IW. 1922 S. 219. c) Wegen der Übergabe handelsrechtlicher Verfügungspapiere s. Bem. III, 2, b zu 8 929 und vgl. 8 870 mit 868. d) Für die Anwendung des Abs. 2 ist aber stets dann kein Raum mehr, wenn der bisherige Besitzer die tatsächliche Gewalt über die Sache nicht auf­ gibt, sondern behält; aufdierechtlicheVerfügungsmacht kommt es hier im Rahmen des Besitzes überhaupt nicht an. Vgl.RG., Recht 1907 Nr. 880. e) über Einräumung des Mitbesitzes vgl. OLG. (Hamburg) Bd. 26 S. 3 sowie 8 866 mit Bem. f) Über die Besitzverhältnisse bei der Stahlkammerfachmiete vgl. näher Bem. 1, a, d zu 8 866. 2. Die Einigung = Willensübereinstimmung beider Teile über oenBesitzübergang (vgl. 88 873,929,1205 und Einleitung zum SR. Bem. VII) ist a) an keine bestimmte Form gebunden. Hingabe und Entgegennahme des Besitzes brauchen also nicht ausdrücklich und auch nicht gleichzeitig erklärt zu werden, wie ja überhaupt im Leben und Verkehre die vermittelnde Bedeutung der Besitzübertragung garnicht hervortritt. Deshalb der Ausdruck „Einigung . Vgl. hiezu auch 8 673. b) Der rechtlichen Qualifikation nach wird man diese Einigung als ein Rechtsgeschäft auffassen dürfen, zumal wenn man an der Rechtsnatur des Besitzes (f. Vordem. VII) festhält, entgegen M. III, 91; wie hier die herr­ schende Meinung, and. Ans. Fischer-Henle zu 8 854, Manigk, Willenserklärung und Willensgeschäft S. 661, Kretz, Besitz und Recht S. 316, s. ferner Pabst, Rechtsnatur der Einigung S. 121 ff., Sohm, Der Gegenstand 8 7. Dieser Ver­ trag bleibt freilich stets besonderer Art insbes. insoferne er ausschlietzlich auf die Gestaltung des Besitzstandes gerichtet ist und kein Schuldvertrag im en­ geren Sinne sein kann (so mit Recht Planck S. 40). Es wird daher auf beiden Seiten Geschäftsfähigkeit vorausgesetzt, also nicht blotz Geschäftsfähigkeit auf Seite dessen, der den Besitz übergibt (so z. B. Last, IheringsI. Bd. 63 S. 74); bei Be itzübertragung durch einen be­ schränkt Geschäftsfähigen (8 108) ist die Wirksamkeit in der Schwebe, vgl. Wolff SR. 8 11. Stellvertreter können für beide Personen nur dann auftreten, wenn sie entsprechende Vertretungsmacht haben, (übereinstimmend die herrschende Meinung: Strohal S. 81, Planck, Biermann und TurnauFörster zu 8 854, Breit, Geschäftsfähigkeit S. 214, 249 ff., Bruck, Bedingungs­ feindliche Rechtsgeschäfte S. 119 ff., Crome III 8 347, Endemann II 8 35, Kniep S. 93, RGRK. Bem. 4, Wolff SR. 8 11; dagegen Maenner S. 97 und teilweise auch Dittenberger, Schutz des Kindes S. 100 ff.; s. ferner insbes. Stöver im ArchBürgR. Bd. 26 S. 165 ff. Autzerdem s. wegen der Stellvertretungsfrage insbes. Manigk, Willenserklärung und Willensgeschäft S.517ff., 584 ff., 589 ff., Kretz, Besitz und Recht S. 225 ff., vgl. ferner die eingehenden Untersuchungen bei Bruns, Besitzerwerb durch Stellvertreter S. 65 ff. und 91 ff.). Hiedurch ist dann auch die praktisch notwendige Zulassung einer Be­ dingung und Zeitbestimmung unmittelbar ermöglicht, ohne datz es des künstlichen Umwegs einer analogen Anwendung bedarf (übereinstim­ mend Wolff SR. 8 11). Matzgebend bleibt jedoch immer, datz im Zeitpunkte, in dem die Bedingung erfüllt wird usw., die tatsächliche Möglichkeit, die Gewalt über die Sache ausüben zu können, noch fortbesteht. Auch das blotze Über­ tragungsanerbieten ist demgemätz bindend (vgl. 88 145 ff.). Durch An­ nahme desselben wird der Besitz erworben (vgl. Iacubezky, Bem. S. 198, 199; übereinstimmend Strohal S. 81, Cosack Bd. II S. 74, Endemann a.a.O.; and. Ans. Planck S. 40, Biermann Bem. 7). Das Vorhandensein einer Verpflichtung zur Besitzübertrag ung wird nicht notwendig vorausgesetzt, vgl. RGRK. Bem. 4 (das daselbst bei­ gefügte Zitat RGZ. Bd. 68 S. 101 stimmt aber nicht). e) S t r i t t i g ist, ob es eine wirksame Einigung im Sinne des 8 854 Abs. 2 auch zugunsten eines Dritten (also zwischen dem bisherigen Besitzer und einem anderen zugunsten des neuen Erwerbers) gibt mit Wirkung wie im Recht der Schuldverhältnisse (88 328ff.). Die Frage wird zu verneinen sein. Es steht der Wortlaut des 8 654 Abs. 2 entgegen und autzerdem mutz es in der

I. Abschnitt. Besitz.

854(118—5,1111) 25

Natur der sachenrechtlichen Einigung liegen, daß, wer hier ein Recht erwerben will, sich auch an der Einigung beteiligen muß, vgl. Bruck, Die Einigung im Sachenrechte S. 31, Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte S. 53, TurnauFörster, Liegenschaftsrecht Bem. III, L, 2 zu 8 873, Planck Bem. 3, a 311 § 854, RGZ. Bd. 66 S. 99; and. Ans. Strohal a.a.O. S. 86 und in eingehenden, sehr beachtlichen Ausführungen Bruns, Besitzerwerb durch Interessenvertreter S. 116 ff., s. ferner Ro enberg DIZ. 1912 S. 546 und Kluckhohn, Die Ver­ fügungen zugunsten Dritter, Fischers Abh. Bd. 27 S. 174 ff. d) Über den Besitzerwerb am Hypotheken- und Grundschuldbriefe vgl. 88 1117 Abs.2 und 1192 mit Bem. e) Wenn eine Willenseinigung fehlt, kann zugleich das Grundgeschäft und die dingliche Einigung nichtig sein, vgl. IW. 1907 S. 541 Nr. 11, RGRK. Bem. 4, Wolff SR. 8 11. Bei Willensmängeln besteht Anfechtbarkeit: vgl. hierüber ein­ gehend Araventinos in IheringsI. Bd. 48 S. 101 ff. über die Frage, ob die Verwandlung des bisherigen unmittelbaren Besitzes in mittelbaren Besitz auf Grund des 8 3 Nr. 1 RAnfG. angefochten werden kann, vgl. RG. in GruchotsBeitr. Bd. 53 S. 103.

3. Die Frage, ob bei Grundstücken zum Besitzübergange die Auflassung (8 925) genügt, wird dahin zu beantworten sein: Auflassung und Besitzübertragung sind zwar an sich verschiedene Begriffe, es wird jedoch regelmäßig in der Auflassung stillschweigend auch die Willenseinigung über den Besitzübergang liegen, so daß also die Auflassung für die Regel ohne weiteres auch den Besitzübergang nach sich zieht, sofernr nur der Erwerber auch in der Lage ist, die Gewalt über das Grundstück auszuüben (f. oben 1; ZG. III S. 44, 45, vgl. hieher auch 8 926; zweifelnd Planck S. 41). Allgemein ist aber freilich davon auszugehen, daß die Einigung nach 8 854 Abs. 2 an sich rechtlich verschieden ist von der Einigung über den E i g e n t u m s Übergang; diese Verschiedenheit wird insbes. praktisch im Falle einer Bedingung, vgl. RG. IW. 1912 S. 129. 4. Abs. 2 rechtfertigt es auch, nunmehr von einer Singularsukression in den Besitz zu sprechen, womit zugleich mit dem Satze des gem. R. gebrochen ist, als ob jeder Besitz­ erwerb originär sein müsse, s. Vordem. V und vgl. Iacubezky Bem. S. 197. Freilich ist diese Nachfolge in den Besitz nach Abs. 2 stets eine bedingte, denn es darf kein tat­ sächliches Hindernis für die Fortsetzung des Besitzes durch den Erwerber zur Zeit der Einigung bestehen, vgl. 88 857, 870. (Übereinstimmend Strohal S. 59 ff.; Lessing, Die Rechtsnachfolge nach bürgerlichem Recht 1903 S. 64; dagegen Planck Bem. 3 und Windscheid-Kipp Bd. 1 S. 697); s. ferner ftrefo, Besitz und Recht S. 308 ff. 5. Den prozessualen Entscheidungen (Urteil, einstweilige Verfügung, Zuschlagsbeschluß, Enteignungsbeschluß usw.) kommt bei der Frage des VerkehrsbesitzErwerbes keine Bedeutung zu, vgl. Rrefe a. a. O. S. 155. Hl. Gegenstand des Besitzes: 1. Das BGB. kennt nur einen Besitz und damit auch nur einen Besitzschutz an Sachen (beweglichen wie unbeweglichen) als körperlichen Gegenständen (s. 8 90 mit Beni, und vgl. Einleitung z. SR. II); diese müssen zudem individuell bestimmt sein (es genügt also eine Bestimmung nach Menge oder Anzahl nicht), s. RGZ. Bd. 52 S. 388 wegen des Besitzes an einer Sachgesamtheit oder an Teilen einer Sach­ gesamtheit (Warenlager) und vgl. näher Vordem. III und VI vor 8 90 in Bd. I nebst der dort angeführten Literatur u. RIpr. (Abweichend insbes. Krückmann, „Recht" 1913 S. 651, der praktischen Bedürfnissen folgend Besitz auch an einem Geschäft, einem Unternehmen, einem geschäftlichen oder gewerblichen Geheimnis usw. anerkennen will.) a) Eine Ausscheidung verkehrsunfähiger Sachen (res extra commercium) trifft das BGB. nicht (vgl. Staudinger, Vorträge S. 313). Der Besitzschutz mutz allen von einem Besitz umfangenen Sachen zuteil werden, also auch z. B. jenen im Besitze der Kirche, der Gemeinde, des Staates. (Auch an den sog. res sacrae und sanctae, sowie den dem öffentlichen Gebrauche gewidmeten Sachen wird ja jetzt regelmäßig Eigentum und Besitz angenommen, ügl. Staudinger a. a. O., Bem. III zu 8 903, Tretzel, Kirchliche Sachen, SeuffBl. Bd. 72 S. 704 ff., Moll, Zur Lehre von den öffentlichen Sachen, Gruchots Beitr. Bd. 54 S. 313 ff. und Vordem. VII vor 8 90 in Bd. I. b) Da das Gesetz nur einen Sachbesitz hier kennt und eine analoge Ausdehnung nicht statthaft erscheint, kann im Rahmen dieses Abschnitts auch kein Besitz an

26 854 (III8,8, IV)

Drittes Buch.

Sachenrecht.

der Arbeitskraft eines anderen zugelassen werden (es gibt jedoch sonst Falle, in welchen an die rein tatsächliche Verwendung der Arbeitskraft eines anderen ohne Rücksicht auf das Bestehen eines die Nutzung der Arbeitskraft begründenden Rechtsverhältnisses Rechtsfolgen geknüpft werden; namentlich im Gebiete der Arbeiterversicherungsgesetze bestehen derartige rein an das tatsächliche Beschäftigungsverhältnis, also an den bloßen..Besitz der Arbeits­ kraft" geknüpfte Rechtsfolgen, vgl. Riezler im ArchBürgR. Bd. 27 S. 234 ff. und Rosin, Das Recht der Arbeiterversicherung Bd. 1S. 175 ff., Bd.2S.49 ff.). c) über den Besitz an Teilen einer Sache und die sich hieran knüpfenden Fragen s. 8 865 mit Bem. d) An Gebäuden auf fremdem Grundstücke wird ein gesonderter Besitz möglich sein; vgl. Windscheid-Kipp Bd. 1 6. 693 und Planck Bem. 4. e) Auch an ungetrennten Früchten wird Besitz erworben werden können, sofern dem Erwerber wirklich auch die Verfügungsgewalt hierüber beschafft wird, z. B. beim Verkaufe stehender Bäume zum Abholzen in einem offenen Walde durch Anschlägen mit dem Forsthammer (so zutreffend Dernburg § 15 Nr. 3 und Planck a. a. O.; übereinstimmend Crome III § 346 und Landsberg, Kauf von Holz auf dem Stamme S. 11), vgl. hiezu oben in Bem. II, 1, a, ferner § 865 mit Bem.; wegen des Eigentumsübergangs vgl. §§ 956, 957 mit Bem. f) An Forderungsrechten gibt es keinen Besitz (vgl. OLG. Bd.5 S. 125), ebensowenig an einem Kinde (vgl. SeuffA. Bd. 59 Nr. 38). g) Im übrigen kann die tatsächliche Gewalt über eine Sache einer Person allein (Alleinbesitzer) oder mehreren gemeinschaftlich zustehen, s. § 866 mit Bem. 2. Ein Rechtsbesitz (juris quasi possessio) als besonderer Begriff (z. B. bei Real­ lasten) wird vom BGB. im Gegensatze zum gem.R., BLN. und PLR. nicht mehr anerkannt. Vgl. M. III, 119 ff. Soweit mit den Sachenrechten ein Sachbesitz ver­ bunden ist (wie z. B. beim Erbbaurecht [§ 1012 und § 1 der ErbRVO. vom 15. Jan. 1919] und Nießbrauch § 1030), genügt der Schutz dieses Sachbesitzes. Außerdem wirkt auch das Institut des mittelbaren Besitzes (§ 868 z. B. Vermieter), der gleichfalls Besitzschutz genießt (§ 869), als Ersatz des bisherigen Rechtsbesitzes. Vgl. hiezu Lenz, Der Rechtsbesitz außerhalb des BGB., ArchBürgR. Bd. 33 S. 345; f. aber auch Krückmann, ArchZivPr. Bd. 108 S. 179 ff. und dazu unten Bem. V a. A. Ausnahmsweise wird unter bestimmter Voraussetzung bei Grunddienst­ barkeiten (§ 1029) und beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten (8 1090 Abs. 2) ein besonderer Besitzschutz gewährt (Übergangsbestimmung für ältere, nicht oder noch nicht eingetragene Grunddienstbarkeiten oder beschränkte persönliche Dienstbar­ keiten in Art. 191 EG.; für Bayern vgl. hieher Art. 45 übergG.). Ferner kann die Landesgesetzgebung bei den ihrer Regelung vorbehaltenen Rechtsverhältnissen und bei sog. selbständigen Gerechtigkeiten (vgl. Einl. z. SR. V, z. B. im Wasserrecht und Bergrechte) einen quasipossessorischen Schutz bestimmen. M. III, 120, 121. Vgl. Einl. z. SR. V und Wolff, SR. 8 24. Über die Frage, ob im Rahmen des landesrechtlich aufrechterhaltenen Rechts­ besitzes zur Ergänzung das Landesrecht oder das Reichsrecht heranzuziehen sei, vgl. näher Lenz a. a. O., der den Zwiespalt im letzteren Sinne lösen will; vgl. hiezu übrigens auch Einl. V, 4 in Bd. I S. 14 ff. 3. Der bloße Buchbesitz eines Rechtes gewährt Verfügungs- und Ver­ tretungsbefugnis zugunsten gutgläubiger Dritter, vgl. 88 892, 893. IV. Besitzerwerb und Besitzerhaltung durch Stellvertreter? Im röm. und gem. Rechte war hier der Begriff der Detentoren als Repräsen­ tanten bei bereits erworbenem Besitz, als Besitzer im fremden Namen (alieno nomine) von Einfluß. Soweit es jedoch aus erst zu erwerbenden Besitz ankam, galt der Satz: Possessionem adquirimus et animo et corpore, animo utique nostro, corpore vel nostro vel alieno. Gerade in letzterer Beziehung waren die Fragen, wann und unter welchen Umständen juristischer Besitz auf den Vertretenen übergegangen sei, von besonderer Schwierigkeit. Dadurch, daß das BGB. den animus als unmittelbares Erfordernis des Besitzes und damit auch des Besitzerwerbs beseitigte und insbesondere kein Besitzen im fremden Namen mehr kennt, mußte es die Materie der Stellvertretung auf ganz neuer Basis aufbauen. Die zwei Grundsäulen in dieser Hinsicht bilden in der Haupt­ sache die 88 855 und 868 (vgl. hieher Bartels a. a. O. S. 665 und außerdem auch Vordem, vor 8 164 sowie die zu 8 164 angeführte Literatur).

I. Abschnitt. Besitz.

854 (IV 1—3) 27

1. Liegt ein Verhältnis des 8 855 vor, also eine Besitzdienerschaft (s.Bem. zu § 855), wie z. B. im Haushalt und in Geschäften, so begründen die geschäftlichen Erwerbshandlungen, wie die geschäftlichen Veräutzerungshandlungen der Besitzdiener Besitzerwerb und Besitzverlust ausschlietzlich für oen Herrn, wenn auch die tatsächliche Gewalt von dem Besihdiener geübt wird. Das Gesetz gewährt keine An­ haltspunkte dafür, datz es hiebei auf näheres Wissen oder Kunde des Besitzherrn anzu­ kommen hat. Letzterer kann daher hier Besitz erwerben, ohne daß er und ehe er von dem Erwerbe usw. Kunde erlangt. Vgl. auch Sokolowski a. a. O. S. 320, sowie RGSt. Bd. 39 S. 179 ff. Über die Frage, welche Bedeutung es für den Besitz des Auftrag­ gebers hat, wenn der beauftragte Besitzdiener den ihm über die Ausübung des Be­ sitzes erteilten Weisungen zuwiderhandelt, vgl. RGZ. Bd. 66 S. 259ff. Vgl. hiezu auch die Ausführungen bei Last, IheringsI. Bd. 63 S. 120 ff. Soweit dabei wirkliche Rechtsgeschäfte in Frage stehen (z.B. Einkauf oder Verkauf im Auftrage), werden freilich die allgemeinen Normen in bezug auf Geschäfts­ fähigkeit, Willenserklärung, Verträge, Vertretung und Vollmacht in Anwendung kommen müssen, vgl. P. III, 33. Wer im Gegensatze zu obigen allgemeinen Regeln einen Besitzerwerb zugunsten des Besitzdieners behauptet, dem ist der Beweis hierüber aufzuerlegen, vgl. Sokolowski a. a. O. 2. Liegt ein Verhältnis des 8 868, also des mittelbaren und unmittel­ baren Besitzes vor (s. Bem. zu § 868), so können auch hier die schwierigen Fragen im Einzelfalle, wie im röm. und gern. Rechte (s. oben), nicht mehr auftauchen, denn dem anderen, nämlich dem mittelbaren Besitzer, wird von vorneherein auch Besitz zugeschrieben. Die glückliche Lösung der früher bestandenen Schwierigkeiten liegt gerade darin, datz hier beide als Besitzer gellen und keiner als Stellvertreter des anderen. Dies erstreckt sich sowohl auf bereits erworbenen, wie auf den erst in Zukunft zu erwerbenden Besitz, z. B. beim General- und Spezial-Mandat. Vgl. die einzelnen Be­ merkungen zu § 868. 3. Hieher schlägt auch die Frage ein, wie sich die B e s i tz v e r h ä l t n i s s e bei den sog. gesetzlichen Vertretern gestalten? In dieser Hinsicht sind die Meinungen sehr verschieden: So spricht z. B. Dernburg a. a. O. § 14 91.6 dem Vormund und Pfleger unmittelbaren Besitz zu, während er den Vorstand eines rechtsfähigen Vereins usw. als Besitzdiener betrachtet wissen will; Planck erachtet als Regel, dah sowohl dem Vormund als dem Vereinsvorstand un­ mittelbarer Besitz, den vertretenen Rechtssubjekten jeweils mittelbarer Besitz zukomme. Eine besondere Auffassung wird von Förtsch in GruchotsBeitr. 1899 S.545ff. vertreten: es müsse als sozusagen stillschweigend gewollter Paragraph im BGB. ange­ nommen werden, dah alle gesetzlichen Vertreter der Regel nach weder selbst Besitzer noch Besitzdiener sind, vielmehr den Besitz der vertretenen Personen, welche allein die Besitzer sind, lediglich betätigen. Vgl. zu dieser Streitfrage ferner: Kniep, Besitz S. 19; Wendt im ArchZivPrar. Bd. 87 S. 61 ff.; Isay in Fischers Ab­ handlungen Bd.6 S. 284; Turnau-Förster, Liegenschaftsrecht Bem. 3 zu § 855; Ullmann im ArchZivPrar. Bd. 92 S. 315, 316; Regelsberger, Stellvertretung im Besitz, IheringsI. Bd. 44 S. 427ff.; Gierke, SR. § 115; Biermann Bem. 4 zu § 868; Eosack § 185; Strohal a. a. O. S. 16, 21; Planck Bem. 5; Lehmann § 19; Maenner § 14 Anm. 7; Endemann § 31; Leonhard S. 62; Bendir S. 45 Anm. 3; Iaeger, KO. Anm. 5 zu § 117; eingehend Kretz S. 180 ff. und S. 218 ff.; Kämmerer, Die Zulässig­ keit der Stellvertretung im Besitzerwerb nach dem BGB.; Bruns, Besitzerwerb durch Interessenvertreter; Wolff § 5; RGRK. Bem. 5; Hedemann SR. § 44, IV; vgl. auch RGZ. Bd. 55 S. 163ff. (wegen des Dienstpferdes eines Gendarmen). a) Bei näherer Betrachtung dieser Fragen werden zwei Momente hervortreten: Fürs erste wird i.A. davon auszugehen sein, datz wir mit dem nunmehrigen Systeme des Gesetzbuchs in dieser Hinsicht auszukommen trachten müssen, solange es irgendwie angeht, d.h. die Herein­ ziehung eines besonderen Rechtssatzes für die gesetzlichen Vertreter ist, soweit irgend möglich, zu vermeiden (übereinstimmend Kämmerer a. a. O.). Fürs zweite aber ergibt sich aus einer Betrachtung der hier möglichen Fälle, dah sich allgemeine Regeln nur mit gröberer Einschränkung aufstellen lassen, viel­ mehr der Schwerpunkt auf der Gestaltung der Verhältnisse im Einzelfalle ruht: Der Vormund und Pfleger wird hinsichtlich dessen, was er von dem Mündelgute zur Verwahrung und Verwaltung persönlich übernahm, regel-

28 854 (IV 3)

Drittes Buch.

Sachenrecht.

mäßig als unmittelbarer Besitzer gelten dürfen, der Mündel als mittelbarer; hinsichtlich der dem Mündel allein Angewiesenen Sachen aber kann dieser ganz gut als alleiniger Besitzer gelten je nach Lage des Falles. § 76 der ZPO. steht ersterer Auffassung (im Gegensatze zu Förtsch a.a.O.) nicht entgegen, denn der Vormund, der nicht als Vormund, sondern als Privatperson hin­ sichtlich der für den Mündel verwahrten Sachen belangt würde, wird sich wohl ohne Pflichtwidrigkeit auf jenen Paragraphen beziehen dürfen; regelmäßig aber wird er ohnehin stets bloß als Vormund belangt werden, d. h. der Anspruch wird gegen den Mündel als Besitzer (sei es als mittelbaren oder unmittelbaren) gerichtet werden wollen. Auch die Vererblichkeit des unmittel­ baren Besitzes wird nicht im Wege stehen — im Gegensatze zu Förtsch —, da ja der Besitzübergang den Erben des Vormundes z. B. dem praktischen Ergeb­ nisse nach keine besonderen Rechte etwa zuungunsten des Mündels verschaffen kann. Ähnlich wird von den gerichtlich bestellten Verwaltern (vgl. 88 1052, 1054, 1070 Abs. 2, 1217 Abs. 1 BGB., 8 150 Abs. 2 ZVG. IZwangsverwalter) und 8 117 SW. lKonkursverwalterj regel­ mäßig anzunehmen sem, daß sie unmittelbaren Besitz der von ihrer Verwaltung umfaßten Sachen erlangen. Wegen des Testamentsvoll­ streckers s. Bem. zu 8 2205, hinsichtlich des Nachlaßverwalters s. Bem. II zu 8 1984. Vgl. auch 8 31 des HypBankG. hinsichtlich des Treu­ händers. Wegen des Besitzes des Pfandhalters im Sinne des 8 1206 vgl. RGZ. Bd. 66 S. 261. b) Was die juristischen Personen (rechtsfähige Vereine usw.) anlangt, so spricht diesen die Verkehrsauffassung unbedingt Besihfähigkeit zu (vgl. in dieser Hinsicht auch 88 978, 983). Die juristische Person übt den Besitz unmittelbar aus durch ihre satzungsmäßigen Organe. Besitzhandlungen, die die Organe der juristischen Person als solche ausüben, werden letzterer regelmäßig als eigene Handlungen zugerechnet; Besitz, den jemand alsOrgan einer juristischen Person erlangt, wird unmittelbar der juristischen Person erworben (s. RGZ. Bd. 44 S. 303, KG. in OLG. Bd. 5 S. 148, RGRK. Bem. 5, Crome 8 344, Gierke 8 114 Anm. 31 u. 46, Förtsch a. a.O., Wolff a.a.O., Rosenberg Bem. V zu 8 854, Bem. IV,2 zu 8 655, Warneyer Bem. IV zu 8 854, Hedemann SR. 8 44, IV). Die Organe sind sohin richtig weder unmittelbare Besitzer im engeren Sinne des 8 668 (so die früheren Aufl., Isay, Geschäftsführung S. 265 ff. u. andere) noch aber Besitzdiener i. S. des 8 655 (das Organ „weist" nämlich selbst an, es folgt daher nicht den „Wei­ sungen" eines anderen; gleichwohl für Besitzdienerschaft aber Dernburg u. Cosack a.a.O.); dies ist insbes. wichtig bei Handhabung der Besihklagen, die der Vorstand lediglich als Organ erhebt (vgl. Hedemann a. a. O.). Die gewöhnlichen Mitglieder nehmen normalerweise an den Besitzverhält­ nissen überhaupt nicht teil. Wenn aber Dritte sich unbefugte Eingriffe in die von der juristischen Person besessenen Sachen erlauben, so wird gegebenenfalls auch einem einfachen Mitglieds die Wahrnehmung der Selbsthilfe nach 8 859 zuzusprechen sein, besonders wenn es sich um Sachen handelt, die allen Mitgliedern schlechthin zur Benutzung freistehen; sie handeln dabei in organähnlicher, nicht in selbständiger Besitzstellung (so zutreffend Hedemann a.a.O.). Bei Streit mehrerer Vorstandsmitglieder wird 8 866 rechtsähnlich anzuwenden sein (Hedemann a.a.O.). Dies alles gilt aber nur, soweit die Organe im Rahmen ihrer satzungsgemäßen Stellung tätig sind; bei Veruntreuungen z.B. handelt das Organ der juristischen Person gegenüber als Fremder, so daß hier auch ein Abhandenkommen i. S. des 8 935 vorliegt. Vgl. auch Vordem. IV, B, 3 vor 8 21 in Bd. I. c) Bei der Ausübung der elterlichen Gewalt sind die jeweils einschlägigen Verhältnisse von Belang. Das Kind kann sowohl Besitzdiener sein als auch Alleinbesitzer (z.B. ein auswärts studierender Sohn). Bei dem sog. freien Vermögen der Minder (88 1650, 1651), kann, wenn der Vater einzelne Sachen in seine besondere Verwahrung nimmt, dieser unmittelbarer Besitzer werden, während das Kind mittelbarer Besitzer bleibt. (Vgl. Vordem. 3, d vor 8 1638, Bem. 4 zu 8 1652, aber auch OLE. Bd. 4 S. 148, worin das Verhältnis des mittelbaren und unmittelbaren Besitzes hier allgemeiner angewendet wird.) ä) Bei der Nutznießung des Ehemanns am eingebrachten Gute wird dieser regelmäßig unmittelbarer Besitzer sein, soweit er natürlich auf Grund des 8 1373 hievon wirklich Besitz ergriffen hat; liegt diese Voraussetzung vor, so

I. Abschnitt. Besitz.

854 (IV 4-7, V-VIII) 29

ist die Frau mittelbare Besitzerin (Bem. 4 zu 8 1373 und die in Note * zu § 1373 angegebene Literatur). Bei Gütertrennung hat der Ehemann für die Regel keinen Besitz an den eingebrachten Sachen der Ehefrau, s. IW. 1914 S. 146 und 1922 S. 93 Nr. 6 mit Nackw., SeuffA. Bd. 77 S. 144; über Getrenntleben der Ehegatten vgl. OLG. Hamburg SeuffA. Bd. 76 S. 82, LZ. 1921 S. 725. e) Wegen des Gesellschaftsvermögens vgl. Kaufmann, Eigentum am Gesellschaftsvermögen S. 87 ff. 4. Ein Besitzerwerb durch constitutum possessorium wird im BGB. nicht erwähnt. Würde ein Besitzer erklären, nur für einen anderen besitzen zu wollen, so wäre dies — mangels weiterer rechtlicher Momente, vgl. § 930 — ohne jede recht­ liche Bedeutung. Der Ersatz liegt in der Lehre vom mittelbaren und unmittelbaren Besitz (§ 868). Für das Pfandrecht s. dagegen § 1205. Ebensowenig kennt das BGB. einen Besitzerwerb durch brevi manu traditio als eine besondere Art des Besitz­ erwerbs. In den Fällen, in denen man bisher davon sprach, ist der Erwerber im Sinne des BGB. bereits unmittelbarer Besitzer, vgl. § 868 mit Bem. Hinsichtlich des E i g e n t u m s e r w e r b s s. für beide Arten die 88 929 Satz 2 u. 930. 5. Für den Fall der Übersendung einer Sache ist für den Zeitpunkt des Besitzübergangs in erster Reihe die Tatfrage maßgebend, ob die mit dem Transporte der Sache betraute Mittelsperson als Vertreter in des einen oder andern Teiles $u gellen habe. Vgl. hieher 88 855, 868 Bem. VI, 2, c, ferner 8929 Sem. III, 1, f, M. III, 93. 6. Aus den obigen Auseinandersetzungen ergibt sich, daß das BGB. eine eigent­ liche Stellvertretung im Besitz im Sinne des früheren Rechtes überhaupt n i ch t m e h r kennt. Nach der Auffassung des Gesetzes und den Materialien mutz dabei angenommen werden, daß auch nicht durch besondere Vereinbarung der Parteien eine derartige Stellvertretung im Besitz ermöglicht werden kann (vgl. hiezu besonders Leonhard S. 66). 7. Daß auch eine Behörde Besitz haben kann, ist aus 8 983 zu folgern.

V. Begriffsbestimmung: Im Sinne des 8 854 ist also der Besitz auf zu fassen als das von der Rechtsordnung geschützte äußere Gewaltverhältnis einer Per­ son über eine Sache auf der als selbstverständlich geltenden Grund­ lage eines damit übereinstimmenden Willens (vgl. oben die Ausfüh­ rungen in Bem. I über den Begriff der tatsächlichen Gewalt und über die Bedeutung des Willensmoments; neuerlich hat Krückmann ArchZivPrar. Bd. 108 S. 179 ff. versucht, im Gegensatze zur herrschenden Meinung jeden Besitz wiederum für R e ch 1 s b e s i tz zu erklären, da der Besitz stets die rechtlich anerkannte Möglichkeit sei, das betreffende Recht irgendwie auszuüben. Dies verträgt sich aber keineswegs mit den oben Bem. I geschöpften Grundlagen des Besitzrechts des BGB. Zum Teil gegen ihn auch Stintzing ArchBürgR. Bd. 109 S. 347 ff., s. ferner Vordem. V). Dieser Begriff tritt nunmehr auch an die Stelle des juristischen Besitzes des gem. R. Die Bedeutung dieses Besitzbegriffs reicht aber über den Rahmen des Besitzschutzes (88 854—871) hinaus. Denn a) er bildet die notwendige tatsächliche Unterlage einer Reihe von Rechten, z. B. zur Übertragung des Eigentums, zur Bestellung eines Nieß­ brauchs, eines Pfandrechts an Mobilien, s. 88 929, 1032, 1205; b) er hat in allen Fällen als gemeint zu gellen, in welchen dasBGB. von „Besitz" schlechthin spricht, vgl. z.B. die 88 221, 851, 1006, 1362 Abs. 1; c) über sonstige Wichtigkeit des Besitzes für Rechtsvermutungen,Aktivund Passivlegitimation, Beweiswirkung und Eigentumslegitimation gegenüber gutgläubigen Dritten vgl. im einzelnen Vordem. VI und auch IV; ä) über Einfluß auf das strafrechtliche Gebiet s. Vordem. VIII. e) Wegen der Steuergesetzgebung s. Vordem. VIII u. Bem. VII. VI. Hinsichtlich der Streitfrage, ob der Besitz eine bloße Tatsache oder ein Recht ist s. Vordem. VII. VH. über den Begriff des Besitzes für die Erhebung der nunmehr durch 8 37 Reichsgrunderwerbsteuerges. aufgehobenen örtlichen Besitzveränderungsab­ gabe in Bayern s. BayObLG. Bd. 6 S. 717 und 724. Vm. über die Bedeutung des Ausdrucks Besitz in 86 ZPO. vgl. RGE. Bd. 61 S. 92.

30 854 (IX-XI) 855 I, II 1,2) Drittes Buch. Sachenrecht.

IX. über Pflichten aus dem Besitze (mangelhafte Beschaffenheit eines Baumes) vgl. RGZ. Bd. 52 S. 337 und auch Bem. I, h gu g 903. X. Im Bereiche des Landesrechts (z.B. im Enteignungs- und Zusammen­ legungsverfahren) kann Besitz auch durch eine bloße behördliche Aneignung erworben werden, vgl. RGRK. Bem. 6. XI. Wegen der Übergangsbestimmungen und des internationalen Privatrechts vgl. Vordem. XII und XIII. § 855. übt Jemand die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen Anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft aus,

vermöge

dessen

er

den

sich

auf

oder

in

die Sache

einem ähnlichen Verhältnis

beziehenden Weisungen des

Anderen Folge zu leisten hat, so ist nur der Andere Besitzer. (5-. II, 778; III, 839.

Um Besitz zu erwerben, zu erhalten und zu übertragen, können wir nicht immer für uns selbst und allein handeln. Wir bedürfen vielmehr hiezu einer Reihe von Hilfs­ personen, sog. Besitzhelfer, die uns hiebei auf die verschiedenste Weise unterstützen müssen. Das BGB. kennt zwei verschiedene Klassen solcher Gehilfen im Besitze: a) Hilfspersonen im Sine des 8 355; b) die unmittelbaren Besitzer, auch Besitzmittler genannt, im Rahmen des § 868. Über letztere s. näheres zu jenem Paragraphen. Vgl. hieher auch die allgemeinen Bemerkungen über Stellvertretung beim Besitzerwerb und der Besitzerhaltung in Bem. IV zu § 854.

I. Sprachgebrauch: Einen besonderen technischen Namen für die Hilfspersonen im Sinne des § 855 hat das Gesetz selbst nicht aufgestellt. Der von Bekkera. a.O. zuerst in Vor­ schlag gebrachte Ausdruck „Besitz di en er" trifft das Wesen der Sache wohl am besten und hat auch bisher die meiste Anwendung gefunden. Strohal (und ähnlich auch Cosack) haben für das Verhältnis den Begriff „unselbständigeInhabung" ausgestellt; allein dieser Begriff reicht im Grunde weiter und klingt an die Inhabung im Sinne des E. I an, die das Gesetzbuch gänzlich ausmerzen wollte, vgl. Vordem. I. Ähnlich könnte auch der von Dernburg a.a.O. § 14 gebrauchte Ausdruck „Gewahr­ sam" irreführen, vgl. Vordem. VIII. Endemann spricht von „BesitzHaltern".

II. Wesen der Besitzdlenerschaft: 1. Der bloße Besitzdiener (prokuratorischer Detentor im Sinne des Röm. R., ;.B. Hausgesinde, Handlungsgehilfe, vgl. hiezu Last, IheringsI. Bd. 63 S. 103 ff.) ist nach dem BGB. in Übereinstimmung mit der Anschauung des gewöhnlichen Lebens kein Besitzer der Sachen, die seiner Obhut anvertraut sind, sondern es ist und bleibt bei einem derartigen Verhältnisse der Besitzherr allein der eigentliche Be­ sitzer. Er wird von jenen Personen nur „in der Ausübung der tatsächlichen Gewalt" bald mehr, bald weniger unterstützt. Deshalb bildet auch § 855 an sich keine Ausnahme von dem Grundsätze des § 854, vgl. unten Bem. 4 und P. III, 32, sowie Wendt a.a.O. S. 95ff. 2. Das Gesetz führt für dieses Verhältnis zunächst zweiBeispielean, nämlich: Haushalt und Erwerbsgeschäft und verweist im übrigen auf ähnliche Ver­ hältnisse (s. näheres unten 3). a) Zu den Besitzdienern im Haushalte gehört vor allem das Hausgesinde (Hausangestellte). Haushalt ist dabei nicht identisch mit Hausstand (vgl. §§ 1618, 1619); denn es ist nicht nötig, daß die im Haushalte tätigen Per­ sonen dem Hausstand als solchem angehören, z. B. Zugeherinnen, Aufwärte­ rinnen, Wäscherinnen, Lohndiener usw. Auf die sog. Haushaltsgegenstände (vgl. z. B. § 1382) ist das Verhältnis nicht beschränkt (vgl. Planck zu § 855). Auf Sachen, die der Dienstherr sich zur eigenen besonderen Verfügung vor­ behalten hat, wird sich hingegen das Besitzdienerverhältnis für die Regel für nicht erstrecken (OLG. Bd.2 S. 150). Der Dienstbote wird regelmäßig auch Besitzdiener hinsichtlich der Sachen bleiben, die er allein in Gewahrsam hat, z. B. der ihm in seinem Schlafzimmer angewiesenen Kommode, vgl. Leonhard a.a.O. S. 281. (Dies gilt auch hinsichtlich der ihm vom Dienstherrn zugewiesenen Wohn- und Schlaf-

I. Abschnitt. Besitz.

85» (II 8) 31

räume vgl. DIZ. 1907 S. 593, s. aber auch unten Bem. II, 7, c.) Auf eine Beschäftigung unmittelbar in den Räumen des Haushaltungsvorstandes be­ schränkt sich die hier gemeinte Tätigkeit im Haushalte nicht (übereinstimmend Planck Bem. 2 und Rotering, ArchBürgR. Bd. 27 S. 66 ff.; a. M. Kniep S. 241 ff.). b) Unter Erroerbsgeschäft wird jede regelmäßige auf selbständigen Erwerb gerichtete Tätigkeit zu verstehen sein. Es besteht also keine Beschränkung auf das Gebiet des Handels allein, sondern es gehört hieher auch der Handwerks-, Industrie- und Landwirtschafts-Betrieb, sowie auch wissenschaftlicher oder künstlerischer Beruf (s. M. I, 142; vgl. auch Bem. 3, a au § 1367). Auf die Geschäftsräume beschränkt sich der Begriff des Besitzdieners dabei auch nicht (der Reisende ist z. B. bezüglich der Muster, Musterkoffer usw. seines Prinzi­ pals nur dessen Besitzdiener, vgl. D. z. HGB. S. 60, Rotering a. a. O. (5.66 ff. und RGZ. Bd. 71 S. 251). Der Umstand, daß der Gehilfe zugleich zur Stell­ vertretung ermächtigt ist, schließt dabei ein Besitzdienerverhältnis nicht aus; vgl. unten Bem. 3, a. 3. Dem Haushalt und Erwerbsgeschäfte sind gleichgestellt ähnliche Ver­ hältnisse, vermöge deren jemand den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des andern Folge zu leisten hat. (Die ursprüngliche Fassung des E. II lautete auf »Abhängigkeitsverhältnis'; um Mißverständnisse zu vermeiden, setzte man ähnliches .Verhältnis' schlechthin ein, ohne indes eine prinzipielle Änderung zu beabsichtigen.) a) Das Gesetz will im übrigen der Auslegung überlassen, wie weit der Kreis dieser Besitzdiener reicht. Richt notwendig ist, daß die analogen Fälle diesen zwei Beispielen in den äußeren Verhältnissen ähnlich erscheinen (äußerlich unähnlich ist z.B. das Verhältnis der Soldaten zu den ihnen übergebenen Waffen), sondern es liegt das gemeinsame Merkmal für die Fälle der Besitzdienerschaft in einem inneren Momente: der Besitzdiener erscheint sozusagen nur als Werkzeug des Besitzers für die Ausübung der tatsäch­ lichen Gewalt über die Sache, d.h. er selbst hat keinen eigenen Willen über die Sache, vielmehr nur den WillendesBesitzherrnzurAusfübrung zu bringen, wie er auch keinerlei Anspruch auf das Behalten des Besitzes, insbesondere kein Zurückbehaltungsrecht (vgl. §§ 273 ff.) dem Besitzer gegen­ über hat (vgl. aber auch unten Bem. 7, b). Maßgebend ist auch nicht etwa die ununterbrochene Möglichkeit der unmittelbaren tatsäch­ lichen (räumlichen) Einwirkung auf die Sache von feiten des Besitzherrn, sondern nur das hier bezeichnete soziale Abhängigkeilsver­ hältnis, kraft dessen der Besitzherr die tatsächliche Gewalt über die Sache durch den Besitzdiener als sein Werkzeug ausübt, vgl. RGZ. Bd. 71 S. 251 (abweichend Last, IheringsI. Bd. 63 S. 106 ff., der eine derartige Abhängig­ keit und Folgepflicht heutzutage nicht mehr gelten lassen will). Beispiele: Ich bleibe Besitzer eines Reisekoffers, den mir ein Dienst­ mann zur Bahn schafft, oder des Pakets, das mir mein Freund mit nach Hause trägt, oder der Aus wähl fachen, die mein Angestellter an einem an­ deren Orte auftragsgemäß vorzeigt usw. Auch die Kinder erscheinen hin­ sichtlich ihrer Kleider, Bücher usw. vielfach als Äesitzdiener ihrer Eltern; auch die Haustochter, die im Geschäfte der Eltern mittätig ist, gehört hieher. (Vgl. Bem. IV, 3 zu 8 854.) Wegen der Ehefrau (Empfangnahme von Sen­ dungen an den Ehemann usw.), vgl. RGZ. Bd. 72 S. 196, auch Bd. 51 S. 23; s. ferner Bem. IV, 3, ä zu 8 854. Viele Beispiele gibt ferner der ö f f e n t l i ch e Dienst ab, z. B. erscheinen die Beamten regelmäßig als Besitzdiener der Gegenstände in öffentlichen Dienstgebäuden usw. Weitere Beispiele s. bei Sokolowski, Der Besitz im klassischen Recht und dem BGB. S. 241, 243, 431 Anm. 450. Der Begriff des Abhängigkeitsverhältnisses erfordert nicht ein dau­ erndes Dienstverhältnis. Auch der nur für einen Tag oder für eine bestimmte Verrichtung angenommene Taglöhner erscheint als Besitzdiener der ihm anvertrauten Geräte, s. OLG. Posen in SeuffA. Bd. 57 Nr. 35, ebenso RG. in IW. 1908 S. 527. Hinsichtlich eines sog. Ziegelmeisters vgl. OLG. (Kiel) Bd.8 S.99. Hinsichtlich eines Aufsehers über Holzbe st ändevgl.OLG. (Königsberg) Bd.7 S.42, wegen eines Försters hinsichtlich der im Walde liegenden Hölzer vßl. RGSt. 23t).5 S. 181, 23t). 14 S.305, wegen eines Ladenmädchens hmsichtlich des vereinnahmten Geldes vgl. RGSt. Bd.2 S. 2; wegen Ange-

32 855 (II 4)

Drittes Buch.

Sachenrecht.

stelltet (Packer und Bodenmeister) IW. 1909 S. 105; s. ferner OLG. Hamburg Recht 1913 Nr. 1743 (Besitzdienerverhältnis wegen der Möbel, wenn ein Mieter bei seiner Abreise einem anderen Mieter die Wohnungsschlüssel übergibt); der Werksunternehmer, der gelieferte Sachen zur Nachbesse­ rung zurückerhält, ist nicht Besitzdiener, s. WarnE. 1922 Nr. 70 und OLG. Karlsruhe BadRspr. 1921 S. 67. Wegen eines Gutsverwalters vgl. OLG. (KG.) Bd. 42 S. 272. Das Abhängigkeitsverhältnis des Besitzdieners zum Besitzberrn wird ferner dadurch nicht ausgeschlossen, datz neben dem Dienstverhältnisse noch ein Vollmachtsverhältnis (Prokura, Handlungsvollmacht) besteht,Neu­ mann Bem. 1, b. Auch bei der sog. Bitt leihe (vgl. hierüber Vorbem. 3 vor §§ 598 ff.) ist Besitzdienerschaft anzunehmen (z. B. der Theaternachbar, dem ich mein Opernglas für eine Welle gebe, der Mitreisende, der sich mein Kursbuch er­ bittet usw.), vgl. hiezu auch Last, IheringsI. Bd. 63 S. 112 ff., sowie unten Bem. b. Über die Besitzausübung beim Warenlombardverkehr durch Treuhänder vgl. v. Obstfelder in ZHR. Bd. 56 S. 126ff. Besonders wichtig sind für die Beurteilung der Frage, ob ein Befehls­ verhältnis im Sinne des § 855 vorliegt, die sozialen Anschauungen des täglichen Lebens, vgl. Endemann II § 33 und Leonhard S. 63, 94. Im Einzelfalle wird öfters die Abgrenzung Schwierigkeiten bereiten, ob Besitzdienerschaft oder unmittelbarer Besitz im Sinne des § 868 vorliegt. Hierüber näheres in Bem. VI zu § 868. Über die Abscheidung gegenüber der Pfandverwahrung vgl. RGZ. Bd. 66 S. 262, Bd. 67 S. 422 und die Bem. zu §§ 1205, 1206. Die Ehefrau oder die sonstige Vertrauensperson eines Kriegsteil­ nehmers mutz hinsichtlich des ihr anvertrauten, während seiner Abwesenheit von ihr fortgeführten Gewerbebetriebs nicht als blotze Besitzdienerin, sondern als Besitzerin gelten, vgl. v. Eulen, IW. 1914 S. 1116 ff. Aus der Rechtsprechung vgl. auch OLG. (KG.) Bd. 6 S. 256: Wenn jemand ein Pferd einem Kaufsliebhaber übersendet und nach Scheitern der Kaufsverhandlungen mit diesem übereinkommt, es noch einige Tage bei ihm stehen zu lassen, so wird der Kaufliebhaber nicht Besitzdiener, sondern unmittelbarer Besitzer, s. auch WarnE. 1921 Nr. 2 (Verkauf eines Pferdes durch den Soldatenrat an eine Privatperson). b) Ob das zugrunde liegende Verhältnis dem Privat recht oder dem öffent­ lichen Rechte angehört, mutz gleichgültig bleiben. Es braucht auch nicht immer auf ein wirklich bestehendes Rechtsverhältnis abgestellt zu sein, z. B. der betreffende Dienstvertrag ist rechtlich (mangels Zustimmung des ge­ setzlichen Vertreters) unwirksam, das Besitzdienerverhältnis besteht aber doch (vgl. Planck hieher im Gegensatze zu P. III, 32, woselbst, sicherlich unzutreffend, das Abstellen auf ein Rechtsverhältnis als Voraussetzung des §855 ange­ nommen wird). Auch Vorgänge des gesellschaftlichen Verkehrs können das Ver­ hältnis begründen, z.B. bei Einladungen wird der Gast als Besitzdiener der Teller, Messer, Gabeln usw. erscheinen (dagegen wird der Gast im Wirtshaus in dieser Richtung als unmittelbarer Besitzer [§ 868] erscheinen); vgl. hiezu Bem. VI zu § 868; and. Ans. Strohal S. 11, Biermann Bem. 2, a, RGRK. Bem. 3 und nunmehr auch Planck in Bem. 2, s. auch Last a. a. O. Erforderlich erscheint also nur das objektive Bestehen eines Abhängig­ keitsverhältnisses der hier vermeinten Art (übereinstimmend Planck a. a. O.). Auch blotze Gefälligkeitsakte können ein derartiges Verhältnis schaffen (vgl. oben in Bem. a über Bittleihe). 4. Bestritten ist die Bedeutung der Worte ,für einen Anderen'. Diese werden sich nicht auf eine bestimmte Willensrichtung beziehen können, zumal ja das Willensmoment beim Besitze nunmehr ganz zurückgedrängt ist und hier am wenigsten von Erheblichkeit wäre, ebensowenig kann die Ausübung der Gewalt im Interesse eines anderen gemeint sein; es kann vielmehr nach vorstehenden Ausführungen der Sinn dieser Worte kein anderer sein, als dah eben der Besitzdiener nicht eine ihm selbst zustehende Gewalt ausübt, vielmehr lediglich die Gewalt eines andern. Insofern ist auch §855 keine Ausnahme von §854, sondern lediglich eine Ergänzung (über­ einstimmend Planck Bem. 1; Endemann § 33; Gärtner S. 139; Crome III § 314; a. M. Biermann Bem. 1; Windscheid-Kipp Bd. I S. 691; vgl. ferner Sokolowski

I. Abschnitt. Besitz.

855 (II 5—10, III—V) 33

a. a.O. S. 241, 243, 431 Anm. 450, sowie Bruns, Besitzerwerb durch Interessenver­ treter S. 149 ff. und Last, IheringsI. Bd. 63 S. 117 ff.).

5. Gleichgültig ist, ob die Besitzdiener nur einen Teil der tatsächlichen Gewalt ausüben (z. B. der Kutscher, der die Pferde lenkt) oder ob sie jene vollständig und allein ausüben.

6. Ein Besitzdiener kann auch wieder unter einem andernBesitzdiener stehen, wenn dieser sich z. B. zum Transport einen Gehilfen nimmt, vgl. Bekker a. a. O. S. 47. 7. Aus der Natur dieses Sachverhaltes ergibt sich, datz a) der Besitzherr den Besitzdiener jederzeit nach Belieben in der Ausübung der tatsächlichen Gewalt beschränken oder ihm diese gänzlich be­ nehmen kann (auch durch direktes tatsächliches Eingreifen). Dies mutz sich der Besitzdiener gefallen lassen. Ein Widerstand seinerseits mützte als ver­ botene Eigenmacht im Sinne des § 858 erscheinen. b) Der Besitzdiener hat mangels eines ihm zustehenden zivilrechtlichen Anspruchs gegen den Besitzherrn auf Fortdauer des Besitzdienerverhältnisses für die Regel auch kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1, es kann ihm aber wegen Verwendungen auf die Sache oder wegen eines ihm durch die Sache zugefügten Schadens ein solches aus Abs. 2 des § 273 erwachsen (vgl. Neumann Bem. 2). c) Dernburg (Bd. III § 21) leitet aus § 855 die Folge ab, datz je nach Beschaffen­ heit des Verhältnisses unter Umständen der Haus- oder Gutseigentümer oder sonstige Arbeitgeber den Portier, den Gärtner, den Arbeiter aus der ihnen eingeräumten Dienstwohnung eigenmächtig entsetzen kann, ohne Rück­ sicht auf den diesen zustehenden obligatorischen Anspruch, noch länger in der Dienstwohnung zu bleiben, da ja diese Angestellten lediglich Besitzdiener seien. Diese Frage ist aber nicht aus § 855 jeweils zu entscheiden, sondern hängt mit der Frage zusammen, ob und inwieweit Naturalleistungen trotz Kündi­ gung noch fortzuentrichten sind oder nicht, vgl. hierüber näher Bem. IV, b zu § 628 in Bd. II und die dort angegebene Literatur. In vielen Fällen wird hier übrigens auch § 868 einschlagen und wirklicher Besitz vorliegen (z. B. Försterhaus usw.). d) Das Verhältnis des Besitzdieners zur Sache geht nicht auf dessen Erben über nach § 857 (vgl. Bem. III zu § 857). 8. Dadurch, datz jemand zu einem anderen im Verhältnisse des § 855 als Besitz­ diener steht, ist nicht ausgeschlossen, datz ihm Gegenstände, auf die sich seine Verfügungs­ gewalt an sich nicht erstreckt, besonders anvertraut werden (§ 868 oder sonstige Rechtsverhältnisse). OLG. Bd.2 S. 149. 9. Über den Beauftragten als Besitzdiener vgl. RGZ. Bd. 66 S. 258 ff. und Bd. 71 S. 248 (Die Vollmacht, über die Sachen im Namen des Geschäftsherrn rechtlich zu verfügen, schlietzt ein Besitzdienerverhältnis nicht aus). 10. Was für die Verwandlung unmittelbaren Eigenbesitzes in un­ mittelbaren Fremdbesitz auf der Grundlage der § § 930, 868 im Gesetz aus­ gesprochen ist, das mutz auch für die Umwandlung unmittelbaren Eigen­ besitzes in Besitzdienerschaft entsprechend gelten. Es kann daher der bis­ herige Eigentümer und unmittelbare Besitzer einer Sache einen Vertrag mit sich selbst als dem Vertreter und künftigenBesitzdiener einer anderen Person dahin schlietzen, datz das Eigentum an diese übergehen soll; dieser Besitzwechsel muh aber irgendwie (sei es auch nur für einen mit den Verhältnissen Vertrauten) in die äutzere Erscheinung treten, vgl. RGZ. Bd. 99 S. 208, 210. III. Trotzdem der Besitzdiener kein Besitzer ist, wird ihm doch aus­ nahmsweise in § 860 aus Zweckmätzigkeitsgründen ein persönliches Verteidigungs­ recht des Besitzes seines Besitzherrn nach Matzgabe des § 859 eingeräumt. Er hat dagegen kein eigenes Klagerecht, für Besitzklagen ist er weder aktiv noch passiv legi­ timiert; auch stehen ihm weder die Vermutung aus § 1006 noch der Anspruch des § 1007 zur Seite. IV. über die besonderen Fragen des Besitzerwerbs durch Besitzdiener als Stellvertreter s.die Bem. IV zu §854; ebenda auch hinsichtlich der Eingliederung der gesetzlichen Vertreter. Wegen des Eigentumserwerbs vgl. auch Bem. IV, 2, b zu § 929. Über Besitzverlust durch Besitzdiener s. Bem. IV zu § 956. V. über Einflutz des Begriffs auf das Strafrecht s. Vordem. VIII. Staudinger, BGB. III (Kober, Sachenrecht). 9. Aust.

3

34

855 (VI—IX) 856 (I, II 1)

Drittes Buch.

Sachenrecht.

VI. über Befreiung des Finders durch Herausgabe der gefundenen Sache an den Besitzdiener als Verlierer vgl. § 969 mit Bem. VH. Beweislast. Da § 855 immerhin insofern eine Ausnahme darstellt, als sonst regelmatzig derjenige, welcher die tatsächliche Gewalt über eine Sache ausübt, auch Wirtlich Besitzer der letzteren ist, so werden die Voraussetzungen des § 855 von dem­ jenigen zu beweisen sein, der sich auf ihn beruft (übereinstimmend Neumann Bem. 3). Dgl. aber auch Bem. IV, 1 zu 8 854. vm. Das in § 855 aufgestellte Besitzdienerverhältnis wird auch zur ent­ sprechenden Anwendung bei anderen ähnlichen Verhältnissen heran­ gezogen werden können, z. B. §§ 904, 950 usw. (s. Neumann Bem. 4 und vgl. Rotering a. a.O.). IX. über Steuerrechtliches s. Vordem. VIII a. E.

§ 856. Der Besitz wird dadurch beendet, daß der Besitzer die tatsächliche Gewalt

über die Sache aufgibt oder in anderer Weise verliert.

Durch eine ihrer Natur nach vorübergehende Verhinderung in der Aus­ übung der Gewalt wird der Besitz nicht beendigt. E. I, 808, 810: II, 779; III, 840.

I. Wie beim Vesitzerwerb (s. § 854) ist auch hinsichtlich des Besitzverlustes das tatsächliche Moment in den Vordergrund gestellt. Der Begriff der tatsächlichen Gewalt ist hier ebenso wie bei § 854 aufzufafsen (vgl. Bem. 1,1 hiezu), d. h. es werden auch hinsichtlich der Beendigung dieser Gewalt keine strikten Anhaltspunkte ausgestellt, sondern es ist auch hier in erster Reihe nach der Anschauung des gewöhnlichen Lebens, insbesondere der Auffassung des Verkehrs zu entscheiden, von wann ab für den einzelnen Besitzer diese Gewalt als aufgehoben gelten mutz. Aus der Betonung des tatsächlichen Momentes ergeben sich im allgemeinen drei Folgerungen: 1. Da der Besitzwille kein notwendiges Erfordernis des Besitzes mehr bildet (vgl. 8 854 mit Bem. 1,2), so kann auch der Besitz insolange nicht als verloren gelten, als die tatsächliche Gewalt noch nicht aufgehört hat; er dauert also z.B. noch fort, wenn der Besitzer nicht weitz, wo innerhalb seines Gewaltbereiches die Sache sich befindet oder wenn er vergibt, dab er sie noch in der tatsächlichen Gewalt hat, vgl. Bartels a. a. O. S. 661. Unter den gleichen Voraussetzungen mub auch geistige Erkrankung des Besitzers ohne Einflub bleiben (s. aber unten II, 1, b). Es gibt daher auch keinen Verzicht im engeren Sinne auf den Besitz; beim unmittelbaren Besitz ist Aufhebung des tatsächlichen Gewaltverhältnisses, beim mittelbaren Beseitigung des Besitzmittlerverhältnisses erforderlich, s. Walsmann, Verzicht S. 85, 251 ff. 2. Anderseits ist aus gleichen Gründen ein Festhalten des Besitzes durch den blobenWillenallein (animus retinendi, vgl. BLR. Tl. II cap. 5 8 9) nicht mehr möglich, sobald die tatsächliche Gewalt über die Sache als verloren gelten mub. 3. Aus den allgemeinen Grundlagen der Normen über den Besitz mub ferner die Folge gezogen werden, dab das blobe Erlöschen des Rechtes zum Besitze noch keine Endigung des Besitzes selbst herbeiführen kann, vgl. „Recht" 1902 S. 149 (OLG. Dresden). II. Das Gesetz gliedert im einzelnen die Fälle des Besitzverlustes in zwei Arten, je nachdem der bisherige Besitzer die tatsächliche Gewalt freiwillig auf gibt oder in anderer Weise verliert: 1. Eine freiwillige Besitzaufgabe liegt a) in der Besitzübertragung auf eine andere Person gemäb 8 854 Abs. 2 (vgl. die Bem. II zu 8 854 im einzelnen); geschieht die Besitzeinräumung aber an eine andere Person in dem Sinne, dab diese „auch" den unmittelbaren Besitz haben soll, so entsteht Mitbesitz, 8 866, s. RGZ. Bd. 66 S. 259; b) in einem absichtlichen Preisgeben (Dereliktion) der Sache. Hier mub unter Umständen, wenn kein engeres Band zwischen Besitzer und Sache besteht, auch eine ernstlich abgegebene Willenserklärung, den Besitz nicht mehr haben zu wollen, zur Aufgabe der tatsächlichen Gewalt genügen (P. III, 34). Vgl. hiezu auch OLG. Bd. 8 S. 99. Die blobe Unterlassung einzelner Besitzhand­ lungen oder der Anstellung von Klagen usw. wird für die Regel noch keine

I. Abschnitt. Besitz.

856 (II 2, III, IV 1) 35

Preisgabe in sich schließen, wohl aber eine fortgesetzte gänzliche Vernach­ lässigung des Besitzes (Dernburg, Pand. Bd. I § 182). Aus der scheinbaren Wertlosigkeit darf nicht ohne weiteres der Wille einer absoluten Preisgabe an jedermann gefolgert werden, vgl. hiezu Hede­ mann, Herrenlose Briefe, Recht 1907 S. 942 ff. Auch Geisteskranke und Kinder unter 7 Iahren werden den Besitz durch Wegwerfen oder Weggeben verlieren können, denn sie sind zwar un­ fähig, ein Recht aufzugeben, wohl aber fähig, der tatsächlichen Gewalt, die sie selbst über eine Sache üben, ein tatsächliches Ende zu bereiten, vgl. Bartels a.a.O. S. 661 und Bem. 1,2, c zu § 854. (Übereinstimmend Gierke, Fahrnis­ besitz S. 4 Anm. 4 und SR. § 115, VI, 1, a; Cosack § 193, II; Biermann Bem. 2; Kretz S. 162 und nunmehr auch Planck, Bem. 2; a. M. Dernburg § 21 Anm. 8; Endemann § 36). Eine derartige Besitzaufgabe wird daher auch nicht als Rechts­ geschäft aufzufassen sein, vielmehr nur den den Umständen entsprechenden tatsächlichen Willensinhalt fordern (übereinstimmend Gierke a.a.O.). Über die Voraussetzungen des Eigentumsverlustes an Grund­ stücken durch Dereliktion s. § 928; vgl. auch §959 hinsichtlich beweglicher Sachen. 2. Das Verlieren in anderer Weise d. h. ohne Willen des Besitzers tritt ein, sobald die tatsächliche Gewalt nicht mehr als fortbestehend gelten kann, s. Bem. I; vgl. hierüber auch § 965 mit Bem. Einen wichtigen Anhaltspunkt für die Auslegung gibt hier Abs.2 an die Hand, wonach eine ihrerNaturnachnurvorübergehendeVerhinderung (E. I, II, III: „Behinderung") in der Ausübung der Gewalt (z.B. bloßes Verlegen der Sache, zeitweise Abwesenheit svgl. RGZ. Bd.51 S. 23] oder Krankheit des Be­ sitzers, Einschneien der Alpe im Winter, zeitweises Abstellen von Arbeils- oder Fahr­ geräten usw.) den Besitz nicht verloren gehen lätzt, wohl aber z. B. eine lange ver­ tretungslose Abwesenheit. Über Liegenlassen im Eisenbahnwagen vgl. RGSt. Bd. 38 S. 444, hinsichtlich eines gestrandetenSchiffes vgl. RGSt. Bd. 10 S. 85 und RGZ. Bd.57 S. 23; s. auch RGSt. Bd.3 S. 204 und Bd. 39 S. 28 (der Besitz ist nicht verloren, solange sich die Sache noch auf dem Grundstücke des Besitzers befindet). Datz durch den Tod des Besitzers der Besitz nicht erlischt, wird durch §857 aus­ drücklich ausgesprochen. Über Besitzverlust an Tieren s. § 960 mit Bem. (vgl. auch GoltdArch. Bd. 48 S. 311), insonderheit anBienen § 961 (Planck hält dafür, datz diese Bestimmungen nicht ohne weiteres hier anwendbar sind); wegen Besitzverlustes an entflogenen Tauben vgl. RGSt. Bd. 48 S. 384. Der Eintritt eines Endtermins oder einer auflösenden Bedingung, die den Besitz beenden sollen, lätzt ohne weiteres den Besitz nicht erlöschen. Bei beweglichen Sachen gebraucht das Gesetz für den Begriff des Besitzverlustes wider Willen die Wendung: „gestohlen, verloren oder sonst abhanden gekommen", vgl. insbes. §§ 935, 1006, 1007 und Bem. zu § 935. UL Den Besitzverlust an Grundstücken will das Gesetz (im Gegensatze zu E. I) nicht als Sonderfall aufgefaßt wissen. Hieraus ergibt sich, datz im Gegensatze zu früheren Rechtsauffassungen (vgl. Windscheid-Kipp § 156 Ziff. 1 und Anm. 8) weder die Kenntnis des bisherigen Besitzers von der Okkupation von Einfluß ist, noch die Unmöglichkeit der Wiedererlangung des Besitzes den Ausschlag gibt. Vielmehr ist auch der Besitzverlust an Grundstücken nach den allgemeinen Grundsätzen (Bem. I) zu ent­ scheiden, denn die tatsächliche Inbesitznahme des Grundstücks durch einen anderen wird dem bisherigen Besitzer den Besitz ohne weiteres benehmen. Freilich mutz diese Inbesitznahme einen andauernden Charakter haben; ein bloß vorübergehendes Ein­ dringen kann nicht genügen. IV. Für die Frage des Besitzverlustes durch Stellvertreter im Besitze sind, wie beim Besitzerwerbe (s. § 854 Bem. IV), die Fälle des § 855 und des § 868 aus­ einander zu halten: 1. Ein Besitzdiener (§ 855) kann uns den Besitz nur durch Handlungen entziehen, die uns nach allgemeinen Grundsätzen die tatsächliche Gewalt dauernd benehmen, z. B. er hat eine unserer Sachen verkauft; eine blotz innere Entschließung des Besitzdieners, den Besitz für sich ausüben zu wollen, ist daher rechtlich belanglos; eine nur vorübergehende Benutzung der Sache durch den Besitzdiener in eigenem Interesse benimmt gleichfalls den Besitz nicht, vgl. RGZ. Bd. 52 S. 118; wie hier auch Ebbeke, „Recht" 1913 S. 266, dagegen abweichend Rohde, Studien im Besitzrecht 3*

36 856 (IV 2,3, V, VI) 857 (11) Drittes Buch. Sachenrecht. Abschn. XX. Hiebei ist hervorzuheben, daß der Besitzdiener regelmäßig selbst keinen Besitz übertragen kann, da er keinen Besitz hat. Er kann vielmehr nur dem Dritten Gelegenheit geben, die tatsächliche Gewalt über die Sache zu erlangen, vgl. Bekker a. a. O. S. 63 und s. hieher auch § 935 Bem. I, 2, b a. E. Vgl. auch RGZ. Bd. 66 S. 259 (welche Bedeutung hat es für den Besitz des Auftraggebers, wenn der beauf­ tragte Besitzdiener den ihm bezüglich der Ausübung des Besitzes erteilten Weisungen nicht folgt?), sowie ferner Rotering, HirthsAnn. 1905 S. 295ff. 2. Hinsichtlich des Besitzverlustes im Falle des mittelbaren und un­ mittelbaren Besitzes s. Bem. V zu § 868. 3. Wegen der juristischen Personen vgl. Bem. IV, 3,b zu 8 854. V. Da das BGB. keinen Rechtsbesitz anerkennt (§ 854 Bem. III,2), gibt es auch keinen Verlust des Rechtsbesitzes mehr, wie im PLR. Soweit der Rechtsbesitz aber nach früherem Rechte fortbesteht, bleibt für seinen Verlust das frühere Recht bestehen (vgl. Gierke, SR. § 115, VII). über landes­ rechtlichen Rechtsbesitz vgl. Bem. III, 2 zu § 854. VI. Über die Frage, ob durch Beseitigung der Pfändungszeichen der Besitz des Gerichtsvollziehers verloren geht, vgl.RGZ. Bd.57 S.323und §808ZPO.

§ 857.*) Der Besitz geht auf den Erben über. E. I, 2052—2054; II, 779 a; III, 841.

Das röm. Recht kannte die Vererblichkeit des Besitzes nicht, zumal es die Besitz­ fortdauer an den fortgesetzten Willen der Herrschaft über die Sache knüpfte, vgl. Windscheid-Kipp I § 156 Anm. 12. Die deutsch-rechtliche Auffassung war vom Anfang an für die Vererblichkeit des Besitzes, vgl. Stobbe-Lehmann Bd. II § 86 und Gierke, SR. § 115 und § 113. E. I ging noch vom Prinzipe der Unvererblichkeit des Besitzes aus, sah sich aber gleichwohl gezwungen, zum Schutze des Erben besondere erbrechtliche Bestimmungen in den 88 2052—2054 zu treffen. Erst E. II ging radikaler vor durch positive Auf­ stellung des gegenteiligen Grundsatzes: ,der Besitz geht auf den Erben über'. Die ein­ schlägigen Verhandlungen finden sich in P. V, 650 ff. I. Wesen der Vorschrift: 1. Strittig ist, was hier unter Besitz im Sinne des 8 857 zu verstehen sei. Daß darunter nicht die tatsächliche Gewalt für sich allein verstanden werden kann, ist von vorneherein klar. Die Prot. a. a. O. S. 651 legen die Vorschrift dahin aus, daß unter Besitz die Rechtsposition zu verstehen sei, welche der Besitzer bei seinem Tode gehabt habe, diese gehe auf den Erben über, sofern nicht ein anderer den Besitz er­ worben habe. Von anderer Seite dagegen wird der Vorschrift der Gedanke einer bloßen Fiktion oder einer bloß entsprechenden Anwendung der Besitz­ schutzmittel unterlegt. Da der Gesetzgeber sich einerseits so apodiktisch ausspricht, anderseits auch sonst den Rechtsgedanken einer unmittelbaren Nachfolge in den Besitz verfolgt (s. 8 854 Abs. 2 mit Bem. II, 4), so wird es wohl — insbesondere auch im Hinblick auf obige Begründung in den Prot. — angängig sein, die vollen Konsequenzen des aufgestellten Satzes zu ziehen, nämlich einesteils, daß das Gesetz auch hier eine unmittelbare Nachfolge des Erben in den Besitz anerkennt und daß andernteils unter Besitz hier der Inbegriff der gesamten Rechtsstellung des Erblassers als Be­ sitzer zu verstehen ist, die füglich in ihrer Gesamtheit schlechthin als Recht bezeichnet werden kann, vgl. Vordem. VII (übereinstimmend Gierke, SR. 8 115; Crome III 8 342 usw.; Biermann Bem. 2; auch Bekker, Aphorismen S. 17; s. ferner Strohak a. a. O. S. 63 ff.; 96 ff.; Wolff SR. 8 12,1,4; Rosenberg Bem. I). (Im übrigen gehen die Ansichten hier sehr auseinander: Binder a. a. O. S. 47 hält dafür, daß 8 857 den Besitz als eine an die tatsächliche Gewalt geknüpfte rechtliche Stellung von dem zugrundeliegenden Tatbestände loslöse: Turnau-Förster halten den Besitz des Erben nach wie vor nur für eine Fiktion des Besitzes, ähnlich auch Böthke in GruchotsBeitr. Bd. 46 S. 151; nach Planck in Bem. 2 sollen durch 8 857 die Vor­ schriften über die Rechtsfolgen des Besitzes auf den tatsächlichen Zustand zwischen dem *) Vgl. Binder, Die Rechtsstellung des Erben nach dem Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch 1901; Crull, Der Besitz des Erben unter besonderer Berücksichtigung des Besitz­ begriffs überhaupt nach dem BGB., Schwerin 1906 (Diss.).

I. Abschnitt. Besitz.

857(12,111-3) 37

Tode des Besitzers und der Besitzergreifung durch den Erben oder einen anderen ent­ sprechende Anwendung finden, so daß eine im Besitze des Erblassers befindlich gewesene Sache im Sinne des Gesetzes als durch Rechtsnachfolge in den Besitz des Erben gelangt anzusehen sei; ähnlich versucht Kniep S. 168 ff. darzulegen, daß §857 dem nicht zur tatsächlichen Gewalt gelangten Erben nur einen Anspruch auf Erlangung des -Besitzes verleihe; vgl. ferner Kreß a. a. O. § 38.) 2. Dem praktischen Resultate nach ergibt sich aus § 857, daß der Erbe den Erblasser unmittelbar als Besitzsubjekt ersetzt, vgl. Endemann II 8 35. Strohal vergleicht treffend a. a. O. S. 63 den Besitzerwerb des Erben mit dem Falle, daß jemand auf Reisen geht und bei der Rückkehr seinen gesamten Besitzstand wieder auf nimmt; die Zugehörigkeit ist auch hier die gleiche geblieben, es hat nur inzwischen die Person gewechselt, jedoch ohne Einfluß auf die gesamten Besitzverhältnisse.

II. Folgerungen aus dem neuen Grundsatz: 1. a) Es bedarf zum Besitzübergang auf den Erben keinerbesonderenBesitzergreifung des letzteren mehr. Auch seine vorläufige Unkenntnis des Erbanfalls kann dem Besitzübergange nicht hinderlich sein. Vgl. hiezu auch OLG. Bd. 4 S. 289 und IW. 1906 S. 452 Nr. 1. b) Es sind (im Gegensatze zum gern. R.) keine besonderen Vorschriften mehr nötig, um den Nachlaß in der Zwischenzeit gegen Eingriffe Dritter zu schützen (D. 110). Der Erbe genießt ohne weiteres den Besitzschutz der §8 861, 862. Eignet sich ein Dritter vor der selbständigen Besitzergreifung des Erben den Besitz an einer Nachlaßsache an, so muß für den Erben der Besitz allerdings als verloren gelten, soweit hiebei die allgemeinen Grundsätze über Besitz­ verlust zutreffen, vgl. § 856 mit Bem. Es besteht also nicht etwa an einer solchen Sache zweierlei Besitz fort. Iedes derartige (Eingreifen eines Nicht­ erben in den Rücklaß stellt sich aber unter allen Umständen (also auch, wenn dieser redlich wäre) als (objektive) verbotene Eigenmacht dar (s. §858), wogegen dem Erben die Schutzmittel des Besitzers zustehen (s. z. B. § 862). Hinsichtlich des Schadensersatzes s. hiezu § 2025 und auch § 2027 Abs. 2 mit Bem. Einer derartig weggenommenen Nachlaßsache klebt ferner ein Makel im Sinne des § 935 Abs. 1 an hinsichtlich des Eigentumserwerbs, s. näheres in Bem. 1,2, b, e au § 935, aber auch Abs. 2 des § 935. c) Die für und gegen den Erblasser bereitsbestehendenpossessorischen Ansprüche bleiben aufrecht. Daher muß auch der Erbe eine Fehlerhaftigkeit des Besitzes unbedingt gegen sich gelten lassen (§ 858 Abs. 2 und vgl. auch 88 861 Abs. 2, 862 Abs. 2; wegen der Ersitzung s. 88 943, 937). d) Auch der mittelbare Besitz vererbt sich in gleicher Weise, vgl. unten Bem. 3 und III, sowie Kreß a. a. O. S. 217 ff. e) Eine strafrechtliche Wirkung hat § 857 nicht, was insbes. im Rahmen der 88 242, 246 StGB, von Wichtigkeit ist, vgl. RGSt. Bd. 10 S. 257, Bd. 34 S. 252, Bd. 47 S. 210; Ebermayer Bem. I, 2 zu § 242 StGB.; vgl. auch Vordem. VIII und IW. 1901 S. 611. 2. Da die Vorschrift zugleich erbrechtlicher Natur ist, so werden auch die allgemeinen erbrechtlichen Vorschriften hieher Anwendung finden müssen. So vollzieht sich selbstverständlich der Übergang, wie bei den sonstigen zum Nachlasse gehörenden Rechten und Verbindlichkeiten, mit dem Augenblicke des Todes des Erb­ lassers (vgl. 88 1922, 1942); es wird ferner z. B. der Besitz als nicht übergegangen gelten, wenn der Erbe später die Erbschaft ausschlägt (8 1953), oder die Verfügung von Todes wegen mit Erfolg angefochten wird oder Erbunwürdigkeit vor­ liegt usw. Vgl. hiezu die eingehende Darstellung bei Strohal S. 100 ff. Hinsichtlich der Nacherbfolge vgl. unten Bem.IV,2,ä. Sind es mehrere Erben, so entsteht für diese zusammen ein Mitbesitz (s. §866) (vgl. auch § 2032). Die dadurch begründeten Ansprüche kann aber jeder Miterbe selb­ ständig gellend machen (§ 2038 Abs. 1). Mit dem Zeitpunkte, in dem der Nachlaßpfleger den Besitz der Nachlaß­ gegenstände ergreift, bemißt sich das Besitzverhältnis nach § 868, wobei der Nachlaß­ pfleger unmittelbarer, der Erbe mittelbarer Besitzer wird, vgl. Hörle, ZBlFG. Bd. 9 S. 756.

3. Die in § 857 ausgeprägten Grundsätze müssen ferner Anwendung finden auf alle anerkannten Besitzverhältnisse, also ebenso für den mittelbaren Besitz (vgl. weiter in Bem. III unten) wie für den unmittelbaren (nicht aber natürlich

38 857 (III, IV 1, 2)

Drittes Buch.

Sachenrecht.

auf die Besitzdienerschaft, vgl. hierüber unten Bem. III). Auch der Besitz einer juri­ stischen Person (vgl. aber auch Bem. IV zu § 854) mutz in entsprechender Weise mit ihrer Hinterlassenschaft auf den Gesamtnachfolger übergehen. Ebenso wird in sonstigen Fällen einer Gesamtnachfolge in ein Gesamtvermögen oder ein Sondervermögen — vgl. insbes. § 1438 Abs. 2 (Eintritt der ehelichen Gütergemein­ schaft), § 1483 (der fortgesetzten Gütergemeinschaft) und die Anwachsung von Anteilen in einer Gemeinschaft zur gesamten Hand nach § 738 (vgl. hiezu auch Przibilla, Er­ werb und Verlust des mittelbaren Besitzes S. 66 ff.) und § 1490 — ein Besitzübergang im Sinne des § 857 anzunehmen sein (s. auch § 304 Abs. 5 HGB.). So mit Recht Gierke, SR. § 115, V und Crome III § 342 Nr. 7. Hinsichtlich des Nacherben vgl. § 2111 mit Bem. und unten Bem. IV, 2, d. HI. Voraussetzung für die Anwendung des Paragraphen ist selbstverständlich, das; der Besitz des Erblassers zur Zeit des Todes desselben noch vor­ handen war. Ob dieser Besitz ein mittelbarer oder ein unmittelbarer war, mutz gleichgültig bleiben. Die Vorschrift soll auch den Erben des Detentors und Manda­ tars usw. (auch z.B. des Beauftragten [§ 673], des Konkurs- und Zwangsver­ walters, des Testamentsvollstreckers) zustatten kommen, zumal diese Erben die Pflicht haben, für die Erhaltung der Sache zu sorgen, für die Herausgabe verant­ wortlich sind und anderseits eben zur Wahrnehmung dieser Pflicht Besitz und Besitz­ schutz benötigen: P. V, 652. (Soweit die betr. Personen z. B. der Testamentsvoll­ strecker oder Konkursverwalter den Besitz tatsächlich noch nicht ergriffen hatten, fallen die Sachen nicht in den Besitz der Erben, sondern an die sonstberechtigte Person, z° B. den nachfolgenden Testamentsvollstrecker oder Konkursverwalter, vgl. Wolff SR. § 12 a.E.). Bestand zwischen dem Erben und dem Erblasser selbst das Verhältnis eines mittelbaren Besitzes, so wird hier durchweg der unmittelbare Besitz beim Erben zu verbleiben haben, gleichviel ob dieser vorher schon den umnittelbaren oder nur den mittelbaren Besitz hatte (wie hier RGRK. Bem. 1). Ebenso ist ohne Bedeutung, ob der Erblasser ein materielles Recht auf seinen Besitz hatte oder nicht. Von § 857 wird aber nicht getroffen ein Verhältnis im Sinne des § 855 (Be­ sitzdienerschaft), da die Ausübung der tatsächlichen Gewalt durch den Besitzdiener kein Besitz ist, vgl. die Bem. zu § 855; der Besitz des Besitzherrn dauert trotz Todes des Besitzdieners regelmäßig fort, sofern nicht etwa § 856 in Geltung tritt. Vgl. Strohal S. 99. IV. Eine besondere Frage ist, ob das Gesetz Ausnahmen von der Regel des § 857 kennt? 1. Derschiedenfach (vgl. z. B. Endemann II § 35 Anm. 6) wird behauptet, daß nach allgemeinen Rechtsregeln eine Vererbung des Besitzes dann nicht eintreten könne, wenn das zur Besitzherrschaft legitimierende Recht nicht vererblich ist z. B. bei persönlich anvertrautem Besitz oder bei Nießbrauch usw. Dies trifft jedoch nicht zu, denn, wie in den Prot. ausdrücklich betont wird (s. oben III), soll gerade für die Erben der unmittelbaren Besitzer die Vorschrift des § 857 anwendbar und notwendig sein, da diese ja auch für die Erhaltung der Sache zunächst weiter einzustehen haben und deshalb wohl in dem Besitz einstweilen zu schützen sind; vgl. auch RG. IW. 1918 S. 368. 2. Von Strohal (S. 97 ff.) werden verschiedene besondere Ausnahmen aufgeführt: a) Zunächst soll eine Ausnahme vorliegen im Falle des § 736, wenn nämlich nach der Bestimmung des Gesellschaftsvertrags beim Ableben eines Gesellschafters die Gesellschaft unter den übrigen fortbestehen soll. Hierin ist aber im Grunde keine gesetzliche Ausnahme von § 857 gegeben, weil ja hier der Erblasser, nämlich der verstorbene Gesellschafter, selbst vertragsmäßig bestimmt hat, daß sein Anteil am Gesellschaftsvermögen und damit sein Mit­ besitz auf die übrigen Gesellschafter übergehen soll (s. § 854 Abs. 2). b) Die Ansicht Strohals, daß der Besitz des Test am ent svo llstreckers und auch des Konkursverwalters nicht übergehen könne, findet ihre Wider­ legung durch das in Bem. 1 Gesagte. c) Die weitere Annahme Strohals, daß § 857 in gewissen Fällen darum keine Anwendung finden könne, weil der Besitz des Erblassers, wenn er auch bis zum Tode bestand, gleichwohl als beendigt angesehen werden müsse (z. B. hin­ sichtlich der persönlichen Effekten, wenn der Erblasser im Meer ertrank, ohne daß die Leiche wieder aufgefunden werden konnte), ist gleichfalls zurückzuweisen. Auch hier geht der Besitz an sich auf den Erben über, der Rechtssatz bleibt aber

I. Abschnitt. Besitz.

857 (V-VII) 858 (11, 2) 39

ohne praktischen Erfolg, weil der Erbe den Besitz nicht weiter ausüben kann; hierin liegt jedoch keine gesetzliche Ausnahme von dem Prinzip vor, sondern lediglich eine tatsächliche Unmöglichkeit, die sonst auch im Rechtsleben ein­ treten kann. d) Auch § 2139 (Nacherbfolge) bedeutet im Grunde keine Ausnahme von § 857. Soweit der Vorerbe mittelbaren Besitz hatte, geht solcher mit dem Tode des Vorerben auf den Nacherben ohne weiteres nach § 857 über. So­ weit freilich der Vorerbe unmittelbaren Besitz an den zum Nachlasse gehörenden Sachen bereits inne hatte, kann dieser Besitz beim Tode des Vorerben nicht ohne besonderen Übertragungsakt auf den Nacherben übergehen, vielmehr mutz er und damit auch der Besitzschutz zunächst auf die Erben des Vorerben übergehen. Soweit aber der Vorerbe den unmittelbaren Besitz tatsächlich noch nicht ergriffen hatte, geht auch unmittelbarer Besitz nach Maßgabe des § 857 ohne weiteres auf den Nacherben über (vgl. Bem. 1 zu 8 2139; ähnlich Planck und Biermann, s. ferner Binder S. 60; Gierke SR. a. a. O.; Kreß, Besitz und Recht S. 188; Rosenberg Bem. II, 2, d). Nach den gleichen Grundsätzen, wie hier bei der Nacherbfolge, sind die Besitzfragen auch bei den Fällen der Gesamtnachfolge in ein Sonder­ vermögen (Lehnsfolge, Fideikommißfolge) zu lösen (vgl. hiezu auch Wolff SR. § 12, II). V. Beweislast: Wer sich auf Besitz, nach § 857 erworben, beruft, mutz im Bestreitungsfalle sowohl den Beweis des bisherigen Besitzes des Erblassers führen, als auch den Beweis des behaupteten Erbrechts. In letzterer Beziehung wird hauptsächlich der Erb­ schein (8s 2353ff.) dienlich sein. Vgl. hiezu Strohal S. 103. Ein gewisses Risiko entsteht für den lediglich auf Grund des 8 857 besitzenden Erben im Falle der Ausübung der in 8 859 gewährten Selbstschutzrechte, da deren Zulässigkeit zugleich von dem Bestehen des Erbrechts abhängt (vgl. M. V, 532, P. V, 653). Dieses ist aber insofern von geringerer Bedeutung, als regelmätzig der das Selbsthilferecht ausübende Erbe bereits tatsächliche Gewalt über die Sache haben wird und dann der wirkliche Bestand des Erbrechts insoweit gleichgültig ist, vgl. Planck ZU 8 857. VI. Gegenüber der Besitzklage des Erben des Besitzers wegen verbotener Eigen­ macht ist der Einwand eines Rechtes auf den Nachlaß nicht zulässig, so OLG. (Dresden) Bd. 4 S. 289, vgl. aber auch 8 863 mit Bem. VII. Über Zuwendung des Besitzes durch Vermächtnis s. 8 2169 Abs.2.

Wer

dem Besitzer

§ 858. ohne dessen Willen den Besitz

entzieht

oder

ihn

im

Besitze stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung

gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht). Der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz ist fehlerhaft.

Die Fehler­

haftigkeit muß der Nachfolger im Besitze gegen sich gelten lassen, wenn er Erbe des Besitzers ist oder die Fehlerhaftigkeit des Besitzes seines Vorgängers bei dem Erwerbe kennt. E. I, 814, 818; II, 870; III, 84.

1. Im allgemeinen: 1 Die positive GrundlagedesBesitzschutzesistdie Aufrechterhaltung der tatsächlichen Rechtsordnung (s. Vordem. II, 1); jeder Besitzer darf besitzen, d.h. sein Besitz wird vom Rechte objektiv geschützt, gleichviel, ob er redlich oder unredlich, gerecht­ fertigt oder ungerechtfertigt ist. 2. Als negative Seite dieses Schutzes ergibt sich daher von selbst das Verbot jeder eigenmächtigen Störung dieser Ordnung. Wer einem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitze stört, handelt regelmäßig wider­ rechtlich (ne vim facias possidenti). Sein Tun wird zur verbotenen Eigenmacht, gleichviel, ob er ein Recht auf den Besitz hat oder nicht. Eine Ausnahme ist nur dann zulässig, wenn sie das Gesetz ausdrücklich erlaubt (s. unten III und vgl. auch RGZ. Bd. 55 S. 57, Bd. 107 S. 258; WarnE. 1925 Nr. 24). Auch eine Besitzentziehung gegenüber einem Betrunkenen fällt hierunter (WarnE. 1925

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Drittes Buch.

Sachenrecht.

Nr.24). Der Begriff der verbotenen Eigenmacht ist für den ganzen Besitzschutz als entscheidendes Moment festzuhalten, s. §§ 859ff., vgl. ferner §§ 992, 2025. a) Eine bestimmte Willensrichtung des Eigenmächters wird nicht verlangt. «) Es ist daher gleichgültig, ob die Störung vorsätzlich oder fahrlässig geschieht, ja es genügt sogar, wenn eine nur objektive Beeinträchtigung des Besitzes stattgefunden hat, vgl. P. III, 36; WarnE. 1925 Nr. 24. Es ist deshalb z.B. auch eine Besitzstörung durch Tiere möglich (im Gegensatze zur früheren bayrischen Praris, vgl. BayObLGZa. Bd. 3 S. 153, SeuffBl. Bd. 38 S. 107; vgl. hiezu übrigens auch das bayr. FeldschadenG. vom 6. März 1902, GVBl. 1902 S. 99 ff.). ß) Auch juristische Personen können durch ihre Vertreter sich einer Besitz­ störung schuldig machen; Besitzstörungsklage gegen eine Gemeinde, SeuffBl. Bd. 45 S. 88 = SeuffA. Bd. 35 Nr. 181, SeuffBl. Bd. 58 S. 297; vgl. hiezu auch §§ 26 und 31 mit Bem., sowie ferner RG. „Recht" 1907 Nr. 587, OLG. München, SeuffBl. Bd. 72 S. 553 (verbotene Eigenmacht eines Stadt Magistrats, der auf Grund ortspolizeilicher Vorschrift Trottoir­ anlagen anordnet und durchführt, ohne den privaten Grund und Boden er­ worben zu haben) und RGZ. Bd. 55 S. 55 (Militärfiskus). y) Eigenmächtig handelt daher auch, wer sich nur aus Irrtum an fremder Sache vergreift oder überhaupt in gutem Glauben handelt; also auch der, der in der Annahme handelte, datz der andere Teil, dem er gegen dessen Willen den Besitz entzog, zum Besitze nicht berechtigt gewesen sei, s. RG., GruchotsBeitr. Bd. 50 S. 676, IW. 1904 S. 361, RGZ. Bd. 67 S. 387. d) Nicht erforderlich ist ferner, datz die Handlung einem besonderen Ver­ botsgesetze zuwiderläuft, vgl. hierüber RGZ. Bd. 55 S. 55 ff. b) Das Gesetz meint deshalb hier widerrechtlich nur in dem Sinne, datz gegen den, der solche (auch nur objektive) Eigenmacht übt, eintretendenfalles die Besitzklagen zu Gebote stehen, namentlich also der Anspruch auf Wiedereinräu­ mung des Besitzes. «) „Widerrechtlich" besagt hier also keineswegs, datz eine unerlaubte zu Schadensersatz verpflichtende Handlung vorliege. Eine solche ist viel­ mehr nur dann gegeben, wenn schuldhafterweise (also vorsätzlich oder fahrlässig) dem Verbote zuwidergehandelt wird. In diesem Falle kann dann Schadensersatz nach §823 verlangt werden; dieser Anspruch steht aber als petitorischer an sich autzerhalb des Rahmens des Besitzprozesses (s. näher Bem. I, 5 und II, 4 zu 8 861, Bem. II, A, 2, e, ßß und III, A, 2, c,« zu 8 623, RGZ. Bd.55 S. 55 ff., Bd. 59 S. 326, Bd. 91 S. 65 ff., IW. 1905 S. 494 Nr. 20, WarnE. 1925 Nr. 24). Vgl. auch Bartels a. a. O. S. 675, OLG. (KG.) Bd.6S.256, Bd. 43 (Hamburg) S. 209, RG. „Recht" 1907 Nr. 586, sowie auch unten Bem. VI und SächsArch. Bd. 1 S. 39 (gegen den bösgläubigen Nachfolger im Besitz). ß) Auch die Einwendung, daß die Absicht der Besitzentziehung oder Besitz­ störung gefehlt habe, erscheint nicht zulässig (so zutreffend Planck in Bem. 1,5, s. ferner RGZ. Bd. 55 S. 55 ff., a.M. Bendir S. 70). c) Der Erbschaftsbesitzer, der nicht wirklicher Erbe ist, begeht, wenn er sich einer Erbschaftssache bemächtigt, gegen den wahren Erben, der von Rechts wegen auf Grund des 8 657 Besitzer der Nachlatzsachen geworden ist, regelmäßig verbotene Eigenmacht, gleichviel, ob er in gutem oder bösem Glauben ist, und es steht daher dem wahren Erben in jedem Falle die Besitz­ klage auf Wiedereinräumung des entzogenen Besitzes zu. Vgl. hieher Bem. II b, zu 8 657 und Bartels a. a. O., ferner 82025 mit Bem. und oben Bem.2,a,vu.b. d) Auch die Bezugnahme auf ein an dem entzogenen Gegenstände zustehendes Eigentumsrecht reicht für sich allein zur Abwendung des Schutzanspruchs des 8 861 nicht aus, es müssen vielmehr daneben noch besondere Umstände vorhanden sein, die (wie z.B. Fälle der erlaubten Selbsthilfe oder eines Not­ standes nach 8§ 229, 859, 904 BGB.) die eigenmächtig herbeigeführte Ver­ änderung des Besitzstandes kraft gesetzlicher Anordnung als zulässig erscheinen lassen. OLG. Dresden, SächsArch. Bd. 1 S. 434. 3. Die Besitzesbeeinträchtigung mutz ohne den Willen des Besitzers, sei es unter seinem Widerspruch oder überhaupt ohne seine Zustimmung erfolgt sein. Wer sich auf Eigenmacht beruft, hat diese notwendige Voraussetzung zu beweisen.

I. Abschnitt. Besitz.

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a) Maßgebend ist in dieser Hinsicht immer der Wille des unmittelbaren Besitzers (vgl. hiezu auch §869 mit Bem.), im Falle der Besitzdienerschaft (§ 855) der Wille des Besitzherrn (über Iagdausübung mit Er­ laubnis des Iagdpächters vgl. aber OLG. (Rostock! Bd.6 S. 254 und die Ausführungen bei Raape, Aneignungsüberlassung, IheringsI. Bd. 74 S. 206 ff.). Der gegen die Anordnungen des Besitzherrn handelnde Besitz­ diener begeht Eigenmacht, ebenso, wenn er die tatsächliche Gewalt ersterem völlig benimmt. d) Eine ausdrückliche (vertragliche) oder aus schlüssigen Tatsachen sich er­ gebende stillschweigende Zustimmung des Besitzers zu der Störung oder Entziehung des Besitzes muß selbstverständlich den Begriff der Eigenmacht ausschließen. Vgl. Bartels a. a.O. und Planck zu § 858. Eine derartige Zu­ stimmung kann natürlich auch im voraus erteilt werden (dies geschieht z. B. häufig bei formularmäßigen Mietverträgen, worin dem Vermieter der jederzeitige Zutritt zur Mietwohnung eingeräumt wird; auch im Abzahlungs­ handel behält sich der Verkäufer oft das Recht vor, unter gewissen Voraus­ setzungen die auf Raten gekaufte Ware eigenmächtig zurückzunehmen, s. Wolff SR. § 17,1,4). Vgl. hiezu RG. in IW. 1904 S. 361 und Bunsen a. a. O. S. 71 ff., 76, 77. Wenn bei der Wegnahme jedoch der Wille des Besitzers, sie zu gestatten, nicht mehr vorhanden ist, liegt trotz vorheriger vertragsmäßiger Zusage verbotene Eigenmacht vor, s. die erwähnte RGE. und vgl. ferner auch SeuffA. Bd. 60 Nr. 9 (es wird aber Willensfortdauer in dieser Hinsicht ver­ mutet, vgl. SeuffA. a. a. O., Wolff SR. § 17 Anm. 12). War die Zustim­ mung unter einer Bedingung gegeben, so muß auch die Bedingung bereits eingetreten sein, s. RG. in IW. 1907 S. 388 Nr. 4. Die hier vermeinte Zu­ stimmung ist kein Rechtsgeschäft, wohl aber eine Rechtshandlung, auf die die Vorschriften über Rechtsgeschäfte zwar entsprechend, aber nur mit Vor­ sicht angewendet werden dürfen (so mit Recht Planck Bem. 1, a). Geschäfts­ fähigkeit ist hier nicht notwendige Voraussetzung, aber die zur Aufgabe des Besitzes erforderliche Willensreife muß vorhanden sein (ebenso Planck a. a. O., Wolff SR. § 17,1, 4, abw. Biermann Bem. 1 a). c) Der maßgebende Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob die Besitz­ entziehung oder Besitzstörung „ohne den Willen" des Besitzers erfolgt ist, ist der der Handlung, d. h. die Einwilligung des Besitzers muß zu dieser Zeit gegeben sein oder wenigstens noch fortdauern, vgl. Zitelmann, Ausschluß der Widerrechtlichkeit S. 38 und oben b. 4. War der Besitz dem bisherigen Besitzer schon vorher abhanden gekommen, so ist begrifflich eine Eigenmacht ausgeschlossen, so z. B. beim Funde und im Falle des § 911 Satz 1. 5. Keine verbotene Eigenmacht liegt vor, wenn der Besitzherr auf die in der Innehabung seines Besitzdieners befindliche Sache einwirkt (vgl. hierüber Bem. 7, c zu § 855). Ebensowenig, wenn bei der Leihe die empfangene Sache nach Widerruf des Verleihers seitens des Entleihers nicht herausgegeben wird; hier handelt es sich ledig­ lich um eine Vertragsverletzung. Vgl. § 598 mit Bem. 4. Hinsichtlich der sog. Bitt­ leihes. dagegen Vordem. 3 vor §§ 598 ff. (hier begeht der nicht sofort zurückgebende Inhaber regelmäßig verbotene Eigenmacht, abweichend Neumann Bem. 2, d). 6. Über verbotene Eigenmacht beim mittelbaren Besitze vgl. §869 mit Bem. 7. Über verbotene Eigenmacht eines fremden Staates vgl. PosMSchr. 1906 S. 128, aber auch SächsArch. Bd. 1 S. 434. II. Ie nach dem Grade der Einwirkung auf den Besitz des anderen ist diese ver­ botene Eigenmacht eine Besitzentziehung oder eine Besitzstörung. Beide Begriffe fließen übrigens öfters ineinander. (Vgl. Bem. 11,3 zu §§ 861, 862). 1. Eine Besitzentziehung liegt dann vor, wenn dem Besitzer die tatsächliche Gewalt über eine Sache vollständig und andauernd benommen wird: Vertreibung aus dem Besitze, Fortbenutzung der Pachtsache trotz Ablaufs des Pachtvertrags usw. (Vgl. § 856 und Bem.) 2. Die richtige Umgrenzung des Begriffs der Besitzstörung ist schwieriger: a) Im allgemeinen ist davon auszugehen, daß nicht jede Beeinträchtigung im Besitze schon als eine Besitzstörung gelten kann. Vielmehr wird auch hier ein gewisses Moment der And au er verlangt werden müssen, sei es nun in Form einer körperlichen Fortdauer (z.B. durch Anlagen, welche in die Besitz­ sphäre des andern hinüberwirken oder hineinragen) oder in Form einer psy-

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Drittes Buch.

Sachenrecht.

chischen Fortwirkung der Störung, dadurch, daß nämlich beim Gestörten eine begründete Besorgnis vor weiteren Störungen erregt und damit für jenen ein andauerndes Gefühl der Unsicherheit im Besitze geschaffen wird; s. M. III, 125, 126 (abweichend dagegen Planck Bem. 2 a zu 8 858); vgl. auch RGZ. Bd. 55 S. 57. Beispiele: einseitige Vermessung und Abmarkung (Bay. ObLGZ. Bd. 5 S. 22, Bd. 7 S. 14, 316, SeuffA. Bd. 34 Nr. 273), bedroh­ liche Vorbereitungen zu einem Baue auf dem im Besitz eines anderen befind­ lichen Grundstücke (BayObLGZ. Bd. 2 S. 430). Androhung der Wegnahme einer Grenzmauer, OLG. Bd. 4 S. 290, schädigende Einwirkung auf Pflanzen, die der Besitzer auf dem Grundstücke zieht, RGZ. Bd. 105 S. 215. Dagegen ist einmaliges Fahren an sich noch keine Besitzstörung, kann aber durch die näheren Umstände (Besorgnis weiteren Fahrens) dazu werden. Vgl. ferner hieher § 1004 mit Bem. Fehlt das Moment der Andauer, wie z. B. bei einer lediglich in der Vergangenheit liegenden Handlung verbotener Eigenmacht, so liegt keine Besitzstörung im eigentlichen Sinne vor. Es kann daraus nur ein Schadens­ ersatzanspruch außerhalb des Besitzprozesses geltend gemacht werden, sofern ein Verschulden vorliegt, s. D. 112 und Bem. II, 4 zu §§ 861, 862, sowie oben Bem. 1,2,b. über Besitzstörung durch Iagdausübung trotz Erlaubnis des Iagdpächters s. OLG. (Rostock) Bd. 6 S. 254 und IW. 1908 S. 653 Nr. 2 (Störung des Besitzes der Iagd durch den Förster des angrenzenden Jagd­ gebiets); vgl. hiezu auch Bem. IV, 2, a zu § 581 über Besitzschutz des Iagdund Fischerei berechtigten, auch Leo Raape in IheringsI. Bd. 74 S. 214 ff. und S. 235 ff., OLG. Iena IW. 1922 S. 233. Auch Immissionen (z.B. übermäßige Belästigung durch Geräusche usw.) im Sinne des § 906 können eine Besitzstörung veranlassen, vgl. hierüber auch die Bem. zu § 906. Soweit derartige Immissionen zugleich als Störungen des Mieters oder P ä ch t e r s in deren Besitz aufgefaßt werden können, wird die Besitzstörungsklage auch dem Mieter oder Pächter zu gewähren sein (unter Umständen sogar gegen einen anderen Mieter); vgl. hierüber Bem. 8,11,3,6 zu § 536, Bem. IV, 2,bu.e zu 8 906, DIZ. 1901 S. 382, OLG. (KG.) Bd.9 S. 295, SeuffBl. Bd. 70 S. 128, RGZ. Bd. 59 S. 326 ff. Über Besitz­ störung des Mieters hinsichtlich seines Besitzes zu Reklamezwecken an Außen­ flächen durch andere Mieter vgl. RGZ. Bd. 80 S. 281. Über Schadensersatzanspruch des Mieters vgl. in dieser Hinsicht RGZ. Bd. 59 S. 326 ff. Über Besitzstörung durch den Verpächter vgl. OLG. (Stettin) Bd.2 S. 40. Hinsichtlich Besitzstörung durch überfliegende Kugeln aus einem Mili­ tär-Schießplatz vgl. RGZ. Bd. 55 S. 55 ff. Über Besitzstörung durch unbefugtes Landen von Luftfahrzeu­ ge n s. Bem. 2, d zu 8 905 u. Bem. 1,1 zu 8 904. Über Besitzstörung durch Zwangsvollstreckungshandlungen vgl. OLG. Bd. 4 S. 148, Bd. 10 S. 104, sowie auch EruchotsBeitr. Bd. 50 S. 375, IW. 1893 S. 350 und 1902 Beil. S. 192 (Verhältnis der 88 858ff. zu 8766 ZPO.). In einer Klage st ellung, auch wenn sie unbegründet ist, wird dagegen eine Besitzstörung nicht erblickt werden können (so mit Recht Neumann in Bem. I, 1 gegen OLG. Bd. 3 S. 27), ebensowenig in der Erwirkung einer unberechtigten einstweiligen Verfügung (vgl. OLG. Kiel bei Neumann Iahrb. Bd.X 6. 337); wegen einer Strafanzeige vgl. aber auch SeuffA. Bd.21 Nr. 124. b) Ob durch bloße Worte oder Drohungen eine Besitzstörung verübt werden kann, wird in M. III, 126 der Wissenschaft und Praris überlassen. Nach der früheren fast übereinstimmenden gemeinrechtlichen Praris wurde in diesen Fällen eine Besitzstörung nur dann angenommen, wenn die wörtliche Bestreitung des Besitzes mit einem förmlichen Verbote fernererBesitzhandlungen oder mit Androhung tätlicher Verhinderung der Besitzausübung verbunden ist. (BayObLGZ. Bd.3 S. 351,Bd.8 S. 286, Bd. 13 S. 101, SeuffA. Bd. 12 Nr. 33, Bd. 34 Nr. 93, Bd. 42 Nr. 282, SeuffBl. Bd. 26 S. 222, Bd. 28 S. 313). Letzteres wird auch für das neue Recht anzunehmen sein (so auch das Reichsgericht, vgl. IW. 1908 S. 274 und 378, WarnE. 1908 Nr. 378, Endemann II 8 91 N. 24, 8 45 bei 2, b, Cosack II 8 190 Ziff. 6, 8 214 bei Nr. 2, Biermann, SR. Bem. 2 zu 8 862, Turnau-Förster Bem. 1 zu 8 862, OLG. Bd. 4 S. 290 ff. = SeuffA.

I.

Abschnitt. Besitz.

858 (III, IV 1, 2) 43

Bd. 57 Nr. 122, Bd. 63 INGE.) Nr. 205, Crome § 352,1,2). Dagegen ver­ langen Einwirkung auf die Sache selbst Planck in Bem. 1, a ju § 862, Dernburg, SR. S. 79 und 359, Hellwig, Anspruch und Klagerecht S. 28 Nr. 11, Strohal in IheringsI. Bd. 38 S. 133 ff., Wolff, SR. § 17; vgl. ferner Urt. d. BayObLG. vom 11. Iuni 1902 (Recht 1902 S. 372). Im übrigen kann bei bloß wörtlicher Bestreitung des Besitzes unter Umständen auch eine Fest­ stellungsklage dienlich sein (ebenso Hellwig a. a. O. S. 28 Nr. 11, Wolff, SR. § 17 Nr. 2). Wegen Rechtsschutzes gegen Ehrenkränkungen in der Presse vgl. auch Asch, DIZ. 1909 S. 313, dagegen Ebner ebenda S. 594. HL Die durch das Gesetz (im Sinne des Art. 2 EG., d. h. also irgendeine Rechts­ norm, vgl. die Bem. zu jenem Art.) erlaubten Fälle der Besitzentziehung sind zahl­ reich: Eine Entziehung und Störung ist gestattet bei der Selbstverteidigung und Selbst­ hilfe nach den allgemeinen 88 227—230, ferner bei Ausübung des besonderen Selbst­ hilferechts des Besitzers nach 8 859; s. auch die 88 561, 904 ff., 910, 962. Aus der ZPO. vgl. die 88 758, 808, 836, 883, 885, 892, ferner 8 150 Abs.2 ZVG. (zu be­ achten bleibt hier aber, datz nur der Vollstreckungsschuldner die Zwangs­ vollstreckungshandlung zu dulden hat, nicht aber ein Dritter); aus der Praxis vgl. hiezu OLG. Bd.4 S. 148 ff., Bd. 10 S. 104; SeuffA. Bd. 35 Nr. 3 (keine Besitz­ störung durch bloße Erwirkung eines Arrestbeschlusses), ferner Stein Bem. III zu 8 809 ZPO. und oben in Bem. II, 2, a a. E.; s. auch Art. 89 EG. (Privatpfändungs­ recht usw.). Besonders häufig treten die Fälle der erlaubten Beeinträchtigung des Besitzers auf dem Gebiete des öffentlichen Rechtes auf, z.B. für die Polizei usw. Es bleibt jedoch jeweils zu prüfen, ob die betr. Rechtsnorm wirklich die Entziehung oder Störung als solche und unmittelbar erlauben will. Ob ein Beamter (z. B. ein Förster bei Ausübung des Jagdschutzes) im Rahmen seiner Amtsbefugnisse gehandelt hat, kann hier der ordentliche Richter selbst prüfen, vgl. RGRK. Bem. 7. Der durch eine strafbare Handlung Verletzte darf überführungs stücke an sich nehmen, um diese der Polizei auszuliefern, ohne durch deren Wegnahme eine ver­ botene Eigenmacht zu verüben, s. RGZ. Bd. 64 S. 385 (Wegnahme eines Kinder? balles; es wird diese Folgerung aus 8 127 StPO, entnommen). Der Gestattung durch das Gesetz wird es nicht gleich stehen, wenn jemand nur vermöge eines ihm zustehenden Rechtes an der Sache zum Erwerbe des Besitzes oder zur Vornahme der störenden Handlung befugt ist. Ebensowenig kann hier ein bloß schuldrechtlicher Anspruch auf Gestaltung der Entziehung genügen, hierin liegt nur ein Recht, die Zustimmung des Besitzers zu verlangen (übereinstimmend Planck Bem. l,c). Hinsichtlich des Ehemanns und des Testamentsvollstreckers f. 8 1373 und Bem. 2 hiezu, 8 2205, ferner Buhl a. a.O. S. 33 ff.; Crome III 8 350 Anm. 11 und Buhl a. a. O. S. 72. Aus der Praxis vgl. OLG. Hamburg LZ. 1921 S. 725 (die von ihrem Manne getrennt lebende Frau hat unmittelbaren Besitz an den in ihrer Wohnung befindlichen Sachen; dringt der Mann gewaltsam in die Wohnung ein und nimmt darin befindliche Sachen in Besitz, so ist dieser Besitz fehlerhaft, auch wenn die Sachen ihm gehören). IV. Abs. 2: Iede verbotene Eigenmacht im Sinne des Abs. 1 klebt dem dadurch erlangten Besitze einen besonderen Makel auf. Er wird dadurch fehlerhaft (nicht zu verwechseln mit unredlichem oder ungerechtfertigtem Besitz; vgl. Vorbem. III, 9,12 und auch 8 935 mit Bem.). 1. Der Begriff des fehlerhaften Besitzes entspricht i.a. der injusta (vitiosa) possessio des gem. R. (Dernburg, Pand. I 8 186 Ziff. 4), vi aut clam erlangt. (Das »precario« ist weggefallen, da das heutige Precarium nichts anderes als eine frei wider­ rufliche Gebrauchsleihe ist, aus der Ansprüche mit der Vertragsklage verfolgbar sind). Er ist für den ganzen Besitzprozetz festzuhalten und schafft insbesondere eine gewich­ tige Einrede (s. 88 861, 862, sowie auch 8 659 Abs. 4). 2. Der Makel der Fehlerhaftigkeit geht, um eine Vereitelung und Umgehung des Verbots der Eigenmacht zu verhüten (D. HO), auch auf den Nachfolger im Be­ sitz über (analog im gem. R.). Es sind jedoch Erbfolge und Sondernachfolge dabei auseinanderzuhalten: a) Bei ersterer ist es gleichgültig, ob der Erbe die Fehlerhaftigkeit des Besitzes seines Erblassers kennt oder nicht. Er mutz diese Fehlerhaftigkeit durchweg gegen sich gellen lassen. Es muh sich aber selbstverständlich hiebei immer um einen Besitz handeln, den der Erbe als solcher erlangt hat; trifft dies nicht zu (z.B. die Sache

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858 (IV 3, V, VI) 859

Drittes Buch.

Sachenrecht.

wurde ihm bereits zu Lebzeiten des Erblassers von diesem übergeben), so ist seine Stellung genau die gleiche, die für sonstige Nachfolger im Besitze gilt. Dgl. Planck zu 8 858. b) Der Sondernachfolger dagegen besitzt nur dann fehlerhaft weiter,wenn er seinerseits im Zeitpunkte des Erwerbs die Fehlerhaftigkeit gekannt hat. Eine auf grober Nachlässigkeit beruhende Unkenntnis schadet ihm also nicht, ebensowenig eine später erlangte Kenntnis . Hat der Vormann bereits die Sache gutgläubig als fehlerfrei besessen, d.h. also von der Fehlerhaftigkeit des Besitzes seines Vormannes beim Erwerbe keine Kenntnis gehabt, so kann beim Nachfolger die Fehlerhaftigkeit überhaupt nicht mehr aufleben bzw. fort­ wirken, P. III, 38. (Damit ist eine gemeinrechtliche Kontroverse lvgl. Bruns, Besitzklagen S. 248] entschieden.) Unter Sondernachfolge wird hier im übrigen nicht bloß der auf Rechtsnachfolge im engern Sinne beruhende Besitzübergang zu verstehen sein, sondern als Besitznachfolger mutz jeder gelten, der unmittelbar nach dem fehlerhaften Besitzer den Besitz erlangt hat, sei es mit oder ohne dessen Willen (übereinstimmend Planck Bem. 3). Dies ergibt sich insbesondere auch aus Abs. 4 des §859, der den Abs. 2 des §858 in diesem Sinne heranzieht; z. B. der verfolgte Dieb lätzt die gestohlene Sache auf der Strahe fallen, ein Helfershelfer greift sie auf und sucht gleichfalls damit das Weite. Nach der engern Auffassung würde Abs. 4 des § 859 auf diesen Fall gar nicht zutreffen. 3. Der durch Eigenmacht erlangte Besitz ist aber stets nur relativ fehlerhaft d. h. nur gegenüber dem bisherigen Besitzer und dessen Rechtsnachfolgern. Allen andern gegenüber ist der Eigenmächter vollberechtigter Besitzer. Vgl. Bekker a. a. O. S. 48. V. Die Beweislast darüber, daß der Eingriff ohne den Willen des Besitzers erfolgte, trifft denjenigen, welcher Rechte aus dem Eingriff ableitet. Wegen der Voraussetzungen des fehlerhaften Besitzes in der Person des Besitznachfolgers obliegt die Beweislast gleichfalls demjenigen, der Rechte daraus für sich in Anspruch nimmt. Vgl. Neumann Bem. I, 3 und II, 2, ä zu § 859 und auch RGZ. Bd. 30 S. 110. VI. Hinsichtlich des Schadensersatzes bei verbotener Eigenmacht vgl. — neben den allgemeinen Bem. oben unter 1,2, b und II, 2, a — auch die besonderen Bestim­ mungen des BEB. in §§ 992, 1017, 1065, 2025.

§ 859. Der Besitzer darf sich verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren. Wird eine bewegliche Sache dem Besitzer mittelst verbotener Eigenmacht weggenommen, so darf er sie dem auf frischer Tat betroffenen oder verfolgten Täter mit Gewalt wieder abnehmen.

Wird dem Besitzer eines Grundstücks der Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen, so darf er sofort nach der Entziehung sich des Besitzes durch Entsetzung

des Täters wiederbemächtigen. Die gleichen Rechte stehen dem Besitzer gegen denjenigen zu, welcher nach § 858 Abs. 1 die Fehlerhaftigkeit des Besitzes gegen sich gelten lassen muß. E. I, 815 Abs. 1—3; II, 781; III, 843.

Der Paragraph verleiht dem Besitzer (s. § 854 und Vordem. II, 2, auch dem Besitzdiener §860, dem Teilbesitzer §865, Mitbesitzer §866, unmittel­ baren Besitzer § 868, hinsichtlich des mittelbaren Besitzers s. Bem. 1 zu § 869, wegen der Organe und der Mitglieder juristischer Personen vgl. Bem. IV,3,b zu § 854) im Verhältnisse zum früheren Rechte einen viel weiter reichenden Selbstschutz und sanktioniert damit ein Stück Faust recht, wie es dem deutschen Rechtsbewuhtsein entspricht. (Vgl. hiezu auch Art. 89 EE., wonach das landesrechtliche Privatpfän­ dungsrecht aufrechterhalten bleibt). Dieses Selbsthilferecht gliedert sich a) in ein Recht auf unmittelbare Abwehr der verbotenen Eigenmacht nach Abs. 1; b) in ein zeitlich beschranktes Recht auf Wiederbemächtigung bereits entzogenen Besitzes nach Abs. 2 und 3.

I.

Abschnitt. Besitz-

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Im allgemeinen ist auch hier hervorzuheben, dah der Besitzer diese Rechte ausüben darf, ohne dah es auf sein Recht zum Besitz ankommt (Bem. 1,3 zu 8 854). Ferner ist es gleichgültig, ob für ihn ein bedeutender Verlust auf dem Spiele steht oder nicht (im Gegensatze z. B. zu § 904). Das Bewußtsein des Störers von der Rechtswidrigkeit seines Eingriffs braucht der Be­ sitzer nicht vorher festzustellen (Bem. 1,2, a und b zu § 858). Da die verbotene Eigenmacht auch eine Besitz st örung (vgl. Bem. II, 2 zu § 858) in sich begreift, mutz sich der Besitzer natürlich gegen eine Besitzstörung im Wege der Selbsthilfe in denselben Grenzen wehren und diese beseitigen dürfen, in welchen er sich einer Besitzentziehung erwehren darf. I. Das Recht auf unmittelbare Abwehr (Abs. 1): 1. Dieses Recht mutz als besonderes Vorrecht des Besitzers aufgefaht werden, d. h. es kann nicht an alle die beschränkenden Voraussetzungen der allge­ meinen 88 227 ff. über Selbstverteidigung und Selbsthilfe im einzelnen gebunden sein, sondern es ruht der Schwerpunkt der Auslegung hier darin, datz, soweit überhaupt eine verbotene Eigenmacht im Sinne des 8 858 Abs. 1 (vgl. Bem. zu 8 858) vorliegt, auch eine unmittelbare Abwehr derselben erlaubt sein mutz, wie ver­ schieden auch immer im Einzelfalle der Tatbestand der verbotenen Eigenmacht sich ge­ stalten mag. a) Man würde daher dieses Recht viel zu enge fassen, wollte man es z. B. mit dem Rotwehrrecht völlig identifizieren. Denn gerade der Begriff der ver­ botenen Eigenmacht bringt es mit sich, daß die Abwehr im konkreten Falle weiter reichen darf. Ich mutz z. B. das fremde Vieh vertreiben dürfen, das auf meinen Grund und Boden geraten ist, auch wenn es dort gerade keinen Schaden anrichtet, oder ich muh den Zaun ausreihen dürfen, den mein Nach­ bar, wenn auch gutgläubig, in meinen Besitzstand hineinreichend gesteckt hat, denn es genügt ja zur Besitzstörung die objektive Störung (s. 8 658 Bem. I, 2, a und b), und anderseits unterscheidet das Gesetz hier nicht zwischen einer Gewaltanwendung gegen Personen oder Sachen. Auch muh die Abwehr er­ laubt sein, solange überhaupt der durch die verbotene Eigenmacht geschaffene Zustand währt. b) Ob obrigkeitliche Hilfe rechtzeitig erlangt werden kann, ist im Gegen­ satze zu 8 229 hier völlig gleichgültig. Es kann anderseits auch aus der Unterlassung der Anrufung polizeilicher Hilfe nicht eine Zustimmung zu dem gegnerischen Eingriff abgeleitet werden, soferne nur ernstlich Widerspruch erhoben wurde, vgl. WarnC. 1914 Nr. 335. c) Im übrigen ist die Selbsthilfe nach 8 859 ein Recht, keine Pflicht des Be­ sitzers d.h. die Übung der hierin liegenden Befugnis bildet keinesfalls eine Voraussetzung des Besitzschutzanspruchs und aus der Unterlassung gewaltsamen Widerstandes, die auf anderen Gründen, z.B. auf Erkenntnis der Aussichts­ losigkeit beruhen kann, ist nicht ohne weiteres eine Zustimmung zur Besitz­ ergreifung zu folgern, vgl. WarnE. 1914 Nr. 335. 2. Was die einzelnen anwendbaren Gewaltmittel anbelangt, so trifft das Gesetz (wie bei den 88 227 ff.) keine Ausscheidung, so dah an sich alle zulässig sein müssen. Es besteht jedoch auch hier (vgl. 88 227ff.) als selbstverständlich die all­ gemeine Beschränkung, dah das jeweils angewandte Mittel zur Abwehr im konkreten Falle erforderlich sein muh und dah es nicht weiter angewendet werden darf, als zu diesem Zwecke notwendig ist. Ich darf z.B. die in meine Wiese geratene Kuh nicht erschießen, wenn ich sie mit einem Stocke vertreiben kann. Vgl. auch RGSt. Bd. 34 S. 250 ff. Ein Widerstand, den der Störer leistet, ist keine Notwehr (auher bei einem Erzesse des Besitzers). Über Selbsthilfe gegenüber Bindern vgl. RGE. vom 22. Okt. 1903 in DIZ. 1903 S. 574 (s. auch Bem. 5 zu 8 679 u. Bem. 1,5 d a. E. zu 8 1631). Im Hinblick auf 8 127 StPO, ist es ferner zulässig, dem Fest­ genommenen Überführungsgegenstände abzunehmen, um diese der Polizeibehörde zu übergeben oder auch nur sie ohne Festnahme der Person zu beschlagnahmen, s. RGZ. Bd. 64 S. 385 ff. und RGRK. Bem. 2. 3. Der vom Besitzer in den Schranken des Gesetzes angerichtete Schaden (körperlich oder sachlich) braucht von diesem nicht ersetzt zu werden (vgl. hieher 8 858 Abs.2 mit Bem. IV). Auch darf er hiewegen nicht strafrechtlich verfolgt werden, da die Widerrechtlichkeit mangelt. Dies ist insbesondere von Wichtigkeit für die Tat­ bestände der 88 123, 239, 240 und 303 RStEB. Soweit aber der Besitzer über die Schranken (s. vorher Bem. 2) hinausgeht, wird sein Handeln widerrechtlich und er wird, sofern ihm in dieser Hinsicht

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Drittes Buch.

Sachenrecht.

ein Verschulden zur Last fällt, schadenersatzpflichtig und strafbar. (Vgl. Better a.a.O. S. 11, 12, Planck zu § 859, Biermann Bem. 2; and. Ans. Dernburg, SR. § 23 N. 1, 2). II. Das dem Besitzer gewährte Recht auf Wiederbemächtigung entzogenen Be­ sitzes wird für bewegliche (Abs. 2) und unbewegliche Sachen (Abs. 3) unter­ schieden. Es steht an sich (analog wie bei Abs. 1) als besonderes Recht des Besitzers außerhalb der Schranken der allgemein zulässigen Selbsthilfe nach § 229; z. B. ist auch hier ganz gleichgültig, ob obrigkeitliche Hilfe rechtzeitig erlangt werden kann oder nicht. Dagegen wird dieses Recht durch das Gesetz in beiden Fällen zeitlich sehr einge­ schränkt. 1. Abs. 2: Beim Verluste beweglicher Sachen ist die Wiederbemächtigung auf das Recht der sog. Nacheile beschränkt. Nur bei Verfolgung auf frischer Tat darf dem Täter die weggenommene Sache wieder abgenommen werden. Nicht notwendig ist, datz der Täter unmittelbar bei der Tat selbst betroffen wurde. Es genügt auch, wenn die Tat sofort nach der Verübung entdeckt und der Täter noch auf frischer Spur verfolgt wird (vgl. Loewe-Rosenberg, StPO. Anm.2zu8104 und RG. vom 16. Febr. 1904 in GoltdArch. Bd. 51 S. 191, ferner auch RG. in SeuffBl. Bd. 68 S. 145). Dabei braucht der Verfolger nicht vor der Behausung des Täters Halt zu machen, er darf ihm die Sache auch noch in dessen Behausung abnehmen. P. III, 39. (Bekker a. a.O. S. 11 hält dafür, daß die Abnahme in der Behausung des Verfolgten nur zulässig sei, wenn der verfolgende Besitzer zugleich mit dem Verfolgten daselbst ein­ gedrungen sei. Jedenfalls ergibt sich aus dem allgemeinen Charakter dieses Nacheile­ rechts, datz die Verfolgung auch insofern eine zeitlich unmittelbar nachfolgende sein muh.) 2. Abs. 3: Beim Besitzverlustevon Grundstücken ist in analoger Weise eine Wiederbemächtigung durch Entsetzung des Täters ausnahmslos nur dann erlaubt, wenn sich diese zeitlich sofort an die Besitzentziehung anschlietzt. Dies gilt also auch für den Fall, wenn der frühere Besitzer erst später von der Besitzentziehung Kenntnis erlangt oder ihm aus irgendwelchen anderen Hinderungsgründen eine sofortige Ent­ setzung nicht möglich ist. Dabei darf freilich das „sofort" zeitlich nicht zu eng aus­ gelegt werden, z. B. wird dem des Besitzes Entsetzten immerhin einige Zeit gelassen werden müssen, wenn er, bevor er zur Selbsthilfe schreitet, gewisse Vorbereitungsmatzregeln treffen mutz. P. III, 40. 3. Hinsichtlich der zulässigen Gewaltmittel gilt auch hier das zu 1,2 Ge­ sagte. Nur ist hier der maßgebende Zweck der zulässigen Gewaltanwendung die Wieder­ bemächtigung. Bem. I, 3 ist auch hier einschlägig. 4. Ist die in Abs. 2 und 3 gemeinte Zeitspanne verstrichen, so ist eine Wieder­ bemächtigung im Wege der Selbsthilfe nicht mehr zulässig, nutzer es liegen die Voraus­ setzungen für die allgemeine Selbsthilfe nach § 229 vor. (Z. B. ich treffe einige Tage nach der Entwendung den Dieb meines Überziehers auf dem Bahnhöfe, wie er eben abreisen will, ein Schutzmann ist gerade nicht zur Stelle.) Vgl. hieher auch OLG. Bd. 4 S. 292. Freilich verliert durch Zulassung der Einrede des fehlerhaften Besitzes im Besitzprozetz auch eine Überschreitung der Selbsthilfe ihren fehlerhaften Charakter; s. Bem. III, 3, d zu §§ 861, 862.

HI. Was die Beteiligung Dritter bei diesem Selbsthilferechte des Besitzers anbelangt, so handelt es sich zwar im Prinzip um Sonderrechte des Besitzers. Allein, wie bei der allgemeinen Selbsthilfe (§ 229), mutz es auch hier zulässig sein, andere Per­ sonen auf unser Geheitz handeln zu lassen bzw. als Gehilfen beizuziehen, denn sonst wäre der praktische Wert dieser Rechte unter Umständen nur ein sehr geringer. P. III, 41. Wegen der Besitzdiener s. im besonderen § 860. Die gesetzlichen Vertreter werden regelmätzig entweder alleinige Besitzer oder unmittelbare oder wenigstens Besitzdiener sein (vgl. Bem. IV, 3 zu 8 854, sowie 8 860) und genietzen daher gleichfalls das Recht aus 8 859. IV. Abs. 4: Die Erstreckung dieser Rechte des Besitzers (Abs. 1—3) in der Richtung gegen die Nachfolger im fehlerhaften Besitze nach 8 858 Abs. 2 ist durch den Zweck gerechtfertigt, eine Vereitelung und Umgehung des Verbots der Eigen­ macht möglichst zu verhindern. Z. B. der verfolgte Dieb übermittelt die Sache rasch einem Helfershelfer, oder mein Nachbar, der den Zaun in meinen Besitzstand hinein­ geschlagen hat, ist kurz darauf gestorben. (Planck will den Abs. 1 in Abs. 4 nicht ent­ halten wissen; ein genügender Grund zu dieser Einengung scheint jedoch nicht vorzu­ liegen.) Über den Begriff der Besitznachfolge s. Bem. IV, 2, d zu 8 658. V. Über die Frage der Selbsthilfe im Rahmen des mittelbaren Besitzes vgl. im einzelnen die Bem. zu 8 869.

I. Abschnitt. Besitz.

860(1-4); 861; 862 47

§ 860. Zur Ausübung der dem Besitzer nach § 859 zustehenden Rechte ist auch derjenige befugt, welcher die tatsächliche Gewalt nach § 855 für den Besitzer

ausübt. 6. I, 815 Abs. 4; II, 782; III, 814.

1. Der Besitzdiener (§855) hat die gleichen Rechte des Selbstschutzes aus § 859 wie der Besitzherr selbst. Diese Ausnahme vom Prinzipe des § 855 war aus prak­ tischen Erwägungen veranlaßt (vgl. PLR. Tl. I Tit. 7, §§ 144, 145, sächs. GB. § 181, D. 111), da gerade die Besitzdiener häufig in die Lage kommen, Sachen ihres Besitzherrn gegen verbotene Eigenmacht auch ohne direktes Geheitz oder Wissen des letzteren beschirnen zu müssen, z. B. in dessen Abwesenheit. a) Gegen den Besitzherrn selbst darf der Besitzdiener selbstverständlich keine Selbsthilfe im Besitz üben, wohl aber umgekehrt, vgl. P. VI, 219. b) Die

Besitzklagen (§§ 861, 862, 867) stehen dem Besitzdiener nicht zu.

2. Durch die Sonderbestimmung des § 860 wird übrigens der Besitzdiener keineswegs .Besitzer', vgl. Bem. II, 1 zu 8 855. Die von dem Besitzdiener im Rahmen dieses Paragraphen geübte selbständige Befugnis stellt sich ihrem Wesen nach auch nicht als ein .Besitzrecht' dar, sondern lediglich als Ausübung des dem Besitzherrn zu­ stehenden Selbsthilferechts. Der Besitzherr kann dem Besitzdiener auch jederzeit die Ausübung des Selbsthilferechts verbieten. Vgl. Planck zu § 860. 3. Über die sonstige Beteiligung Dritter vgl. Bem. III zu § 859. In jenem Sinne werden auch Besitzdiener Gehilfen zuziehen können.

4. An sich erstreckt sich die durch § 860 gewährte Befugnis nur auf jene Sachen, über die der Besitzdiener die tatsächliche Gewalt ausübt. Windscheid-Kipp Bd. I S. 695 befürwortet eine Ausdehnung auf solche Sachen, über die ein and er er Besitz­ diener die tatsächliche Gewalt ausübt. Dem wird insoweit beizustimmen sein, als innerhalb desselben Streifes (z. B. desselben Haushalts) wohl auch die Besitzdiener in dieser Hinsicht gegenseitig für einander bei Abwesenheit oder Verhinderung eines andern eintreten können, auherdem können sie ja auch Gehilfen zuziehen, s. Bem. 3 (gänzlich ablehnend Planck zu § 860).

§ 861.*) Wird der Besitz durch verbotene Eigenmacht dem Besitzer entzogen, so kann dieser die Wiedereinraumung des Besitzes von demjenigen verlangen, welcher ihm

gegenüber fehlerhaft besitzt. Der Anspruch

ist ausgeschlossen,

wenn

der entzogene Besitz dem gegen­

wärtigen Besitzer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft war und in dem letzten Jahre vor der Entziehung erlangt worden ist.

§ 862. Wird der Besitzer durch verbotene Eigenmacht im Besitze gestört,

er von dem

Störer die Beseitigung der Störung

verlangen.

Sind

so

kann

weitere

Störungen zu besorgen, so kann der Besitzer auf Unterlassung klagen. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer dem Störer oder dessen

Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft besitzt und der Besitz in dem letzten Jahre

von der Störung erlangt worden ist. E. I, 819, 820, 824; II, 783, 784; III, 845, 846.

*) Regelsberger, Der gerichtliche Besitzschutz nach römischem Rechte, nach ge­ meinem Rechte und nach dem BGB. Festschrift für die juristische Fakultät in Gießen zum Universitätsjubiläum, Gießen 1907 S. 233—272.

48 862(11-5)

Drittes Buch.

Sachenrecht.

I. Allgemeines: 1. Der Gerichtsschutz (der freilich nunmehr durch die weite Zulassung der Selbst­ hilfe [§ 859] an Bedeutung wesentlich eingebüßt hat) kann bei einer Besihverletzung mit zwei Klagen angerufen werden, die im Gegensatze zum gem. R. nach gleichmäßigen Normen geregelt sind, nämlich a) bei Besitzentziehung mit der Klage auf Wiedereinräumung des Besitzes (8 861) und b) bei Besitzstörung mit der Klage auf Beseitigung der Störung (§ 862); vgl. ferner hieher die Klage aus § 867. 2. Über indirekten Schutz, den der Besitzer in anderen Rechtsinstituten findet, s. Vordem. IV, B vor §§ 854ff. a) Besonders hervorzuheben ist, daß bei der Besitzentziehung von beweglichen Sachen die petitorische Besitzklage aus § 1007 (Anspruch aus besserem Besitz) mit ihren leichten Voraussetzungen die reine Besitzklage vielfach ersetzt und zugleich in vieler Beziehung praktischer ist (vgl. die Bem. zu § 1007 und s. auch Lent, Gesetzeskonkurrenz S. 217). b) Auch eine Feststellungsklage muh für den Besitz als zulässig erscheinen, die insbesondere von Wichtigkeit wird bei blotz mündlicher Bestreitung; vgl. hierüber aber Bem. II, 2, b zu § 858 (freilich wird das Erhallen eines ruhigen Besitzes durch Hintanhaltung weiterer Störungen im Wege der Fest­ stellungsklage allein nicht zu erreichen sein). Auch diese Feststellungsklage auf Anerkennung des Besitzes (§ 256 ZPO.) trägt übrigens den Charakter einer Besitz klage. Es ist daher Besitz des Klägers notwendig: hinsichtlich der Zuständigkeit ist § 24 ZPO. maßgebend, außerdem muß die Einwen­ dung des fehlerhaften Besitzes aus § 862 Abs.2 auch hieher statt­ haben, sowie auch § 863 (vgl. Bem. 6 zu 8 863, Neumann Bem. 5, a vor § 861 und Crome, SR. § 353, I). Eine Verbindung dieser Klage mit andern Besitz- oder petitorischen Klagen ist statthaft, soweit solche nicht etwa über den Rahmen des Feststellungsstreits hinausgreift (vgl. hierüber Crome a. a. O.); auch die gleichzeitige Erhebung einer possessorischen und petitorischen Fest­ stellungsklage wird nicht zu beanstanden sein (übereinstimmend Crome a. a.O.). c) Die Rückforderung des Besitzes als einer ungerechtfertigten Berei­ cherung (vgl. Vordem. 5 vor §§ 812ff.) ist gleichfalls zulässig (condictio possessionis).

3. Die beiden Ansprüche aus §§ 861, 862 ersetzen die

interdicta recuperandae et retinendae possessionis, sowie Spolienklage und das possessorium ordinarium. Auch ein besonderes possessorium summariissimum (vgl. Dernburg, Pand. I § 187)

kennt das BGB. nicht. Besitzklagen auf Einräumung eines Besitzes, den man bisher noch nicht hatte (interd. adipisc. poss.) sind dem BGB. fremd (materiellrechtliche Klage!). Ebensowenig gibt es eine besondere Besitzklage wegen Vorenthaltung des Besitzes innerhalb eines schuldrechtlichen Verhältnisses, z. B. Klage auf sofortige Räumung nach Ablauf der Miete (auch hiefür Vertragsklage event, einstweilige Ver­ fügung). Vgl. hieher übrigens auch § 257 ZPO. (Klage auf künftige Räumung). 4. Das Reichsgericht verwendet § 862 mit 8 1004 zu dem Analogie­ schlüsse dahin, daß jeder auch nur objektive Eingriff in ein vom Gesetze geschütztesRecht,z. B. auch in einen bereits eingerichteten und ausgeübten Betrieb eines selbständigen Gewerbes geeignet sei, eine Klage auf Unterlassung zu begründen, falls weitere Eingriffe zu befürchten sind; vgl. hierüber näher in Bem. 2, § zu 8 1004, s. aber auch Bem. 5 a. E. zu 8 241 und Vordem. VII vor 8 823. Über dieallgemeineUnterlassungsklage, falls dem Besitzer die wieder­ holte Besitzentziehung droht, vgl. Bem. 5 a. E. zu 8 241, Eltzbacher, Unterlassungsklage S. 140 und Neumann, Iahrb. Bd. 5 S. 66 ff. 5. Strittig ist, ob der Besitzer im Falle der Besitzentziehung oder im Falle der Besitzstörung auch die Klage auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung im Sinne des 8 823 erheben kann, wenn der Gegner widerrecht­ lich und schuldhaft gehandelt hat. Diese Frage ist zu bejahen, da ja der Besitz einesteils als „ein sonstiges Recht" im Sinne des 8 823 Abs. 1 zu gelten hat, andernteils aber auch 8 858 als ein Schutzgesetz nach Maßgabe des 8 823 Abs. 2 zu erachten ist; vgl. näher Bem. II, A, 2, e, «, ßß und Bem. III, A, 2, c, « 3u 8 823 und die dort ver­ merkte Literatur und Praris, insbes. RGZ. Bd. 55 S. 55, Bd. 59 S. 326, Bd. 91 S. 65, IW. 1905 S. 494 Nr. 20, WarnE. 1925 Nr. 24, sowie auch Bem. I, 2, b,« zu 8 858. Es bleibt aber stets zu beachten, daß die Tatbestände der §§ 861, 862

I. Abschnitt. Besitz.

862 (I 6, II1-5) 49

und der Tatbestand des §823 verschiedenartig gelagert sind; es findet daher auch z. B. die Ausschlubfrist des § 864 auf die deliktsmäßige Ersatz­ pflicht keine Anwendung. Es handelt sich hier eben um den Fall eines gesetzlichen Zu­ sammentreffens mehrerer zulässiger Ansprüche, wie er allenthalben im bürgerlichen Rechte sonst auch vorkommt, ohne daß sich die Notwendigkeit ergibt, hier etwa ein gegenseitiges Ausschlietzen in dem Sinne anzunehmen, daß die Schadensersatzklage durch die Besitzklagen schlechthin verdrängt sei (in letzterem Sinne Eccius, GruchotsBeitr. Bd. 53 S. 8 ff.; wie hier dagegen der Standpunkt des Reichsgerichts, vgl. RGZ. 59 S. 326, IW. 1906 S. 738, auch RGZ. Bd. 51 S. 411, RGRK. Bem. 7, s. ferner OLG. Dresden, SächsArch. 1906 S. 39, OLG. Braunschweig, Recht 1909 Nr. 1683. 6. Auf Grund eines Zurückbehaltungsvertrags kann auf Wiederein­ räumung des Zurückbehaltungsrechts auch dann geklagt werden, wenn derjenige, dem dieses Recht vertragsmäßig eingeräumt wurde, den Besitz ohne seinen Willen, jedoch fehlerfrei an den anderen Teil verloren hat, vgl. RGZ. Bd. 68 S. 386. n. Gemeinsames der beiden Ansprüche aus den 88 861, 862:

1. Für beide Besitzklagen ist der rein possessorische Charakter gewahrt. Es dürfen also wederKlagenochEinredendirektaufdasmaterielleRecht gestützt werden. Wie der Besitzbegriff selbst (§ 854) auf einem äußerlichen Tatbestand aufgebaut ist, so liegt auch im Besitzprozesse der Schwerpunkt nur in einem äußer­ lichen Momente, nämlich darin, ob verbotene Eigenmacht im Sinne des 8858imVerhältnissezwischendenbeidenParteien geübt wurde. Denn der ganze Besitzschutz geht von dem Prinzipe der Aufrechterhaltung der äußern Rechts­ ordnung aus. Welches materielle Recht und welcher bestimmte Besihwille im einzelnen dem Besitze des Klägers zugrunde liegt, darauf kommt im Besitzstreite grundsätzlich so wenig an, wie darauf, welches Recht auf den Besitz der Beklagte für sich in Anspruch nimmt (Ausnahme s. § 863); vgl. hiezu die Bem. zu § 858 sowie auch „Recht" 1907 Nr. 588 und WarnE. 1924 Nr. 123; ferner aber unten Bem. 6, b. 2. Die Anstellung der Besitzklage hindert n i ch t die Erhebung der Klage aus dem Rechte, so wenig wie umgekehrt (D. 113). Beide Arten von Klagen laufen vielmehr völlig unabhängig voneinander (im Gegensatze zum früheren Art. 82 des bayr. AG. z. ZPO.). Es ist aber der rechtskräftigen Entscheidung im materiellrechtlichen Prozeß ein bestimmter Einfluß auf den Besitzstreit durch § 864 Abs. 2 eingeräumt. Im übrigen ist auch eine unmittelbare prozessuale Verbindung beider Besihklagen mit Ansprüchen aus dem Rechte selbst in einer Klage gemäß § 260 ZPO. statthaft, wenn für sämtliche Ansprüche dasselbe Prozeßgericht zuständig und die­ selbe Prozeßart zulässig ist. Durch eine derartige Verbindung wird jedoch an der grundsätzlichen Unwirksamkeit petitorischer Einreden gegenüber den Be­ sitzklagen selbst nichts geändert. Vgl. hiezu Stein Bem. III, a zu 8 260 ZPO. (Der ursprünglich beabsichtigte neue Abs. 2 zu 8 232 ZPO. [f. Anlage II zur Denkschrift .). Vgl. im übrigen Bem. e zu § 580. Wegen der Postschließfächer vgl. H. Müller, Verträge der Post S. 84, RGZ. Bd. 63 S. 337 und Scholz, Postrecht, in EhrenbergsHdb. d. ges. HR. Bd. V, 2 S. 622. Hinsichtlich des Erwerbes und des Verlustes des Mitbesitzes müssen die allgemeinen Vorschriften der §§ 854—856 gelten, vgl. hiezu ferner Kreß, Besitz und Recht S. 265, s. daselbst auch wegen Übertragung des gemein­ schaftlichen Besitzes. Eine besondere Art des Mitbesitzes ist durch § 868 (Spaltung des Besitzes in unmittelbaren und mittelbaren) eingeführt worden. § 866 ist hierauf nicht anwendbar. Das sozusagen äußere Verhältnis des Mitbesitzes ist in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung im gem. R. (Windscheid-Kipp § 152 Ziff.3; RGZ. Bd. 13 S. 179) dahin aufzufassen, daß es an ein und derselben Sache nur einen Besitz geben kann (kernen in ideelle Anteile zerlegten Besitz!). Ieder von den Mitbesitzern besitzt also die ganze Sache, ist jedoch in seinem Besitze durch den gleichen Besitz der übrigen Mitbesitzer beschränkt. Im einzelnen kann das Besitzverhältnis entweder derart gestaltet sein, daß die Sache jedem einzelnen Mitbesitzer unbehindert zugänglich ist, wobei seine Herr­ schaft durch die gleiche Befugnis der anderen Mitbesitzer beschränkt ist, oder aber in der Weise, daß die Sache dem Einzelnen überhaupt nur in Gemein­ schaft mit den anderen Mitbesitzern zugänglich ist. Das Begriffsmerkmal des gemeinschaftlichen Besitzes trifft aber für beide Fälle zu (ebenso RGRK. Bem. 1). Wegen der Besitzdienerschaft beim gemeinschaftlichen Besitz vgl. Wolff a. a. O. S. 161, aber auch Kreß, Besitz und Recht S. 267. Über den Mitbesitz als sachenrechtlichen Hilfsbegriff vgl. Kreß a. a.O. S. 272ff., s. auch §§ 1205, 1207.

62 866 (8) 867

Drittes Buch.

Sachenrecht.

2. Was den Besitzschutz des Mitbesitzers anbelangt, so ist zu unterscheiden, ob dieser dritten Personen oder dem Mitbesitzer gegenüber in Frage kommt: a) Dritten gegenüber genießt der einzelne Mitbesitzer denselben Besitzschutz (88 859, 861, 862, 867) wie ein Einzelbesitzer, ohne auf die Mitwirkung oes anderen Mitbesitzers angewiesen zu sein. b) Im Verhältnisse zu dem Mitbesitzer dagegen ist auseinander zu halten, a) ob dem einzelnen Mitbesitzer der von ihm bereits geübte Mitbesitz ü b e r Haupt entzogen ist (also Eigenmacht im Sinne des § 858 und eine Ver­ drängung aus dem Mitbesitz überhaupt vorliegt) oder ß) ob sein Mitbesitz als solcher von dem anderen Mitbesitzer zwar anerkannt wird, indes über die Verteilung des Gebrauchs zwischen beiden gestritten wird. Ersterenfalls hat der einzelne Mitbesitzer den vollen Besitzschutz auch in der Richtung gegen den eigenen Mitbesitzer. Im letzteren Falle aber bleibt ihm der Besitzschutz versagt, weil bei einem solchen Streite das zwischen beiden obwaltende innere Rechtsverhältnis, also ein rein petitorisches Element, notwendig in die Besitzklage hineingetragen werden mühte. Es ist hier vielmehr auf den petitorischen Rechtsweg allein verwiesen, z. B. hin­ sichtlich der Frage, ob ein Teilhaber durch Überschreitung der ihm nach § 743 Abs. 2 zustehenden Gebrauchsbefugnis den anderen Teilhaber in dessen Ge­ brauchsbefugnis hindert; ebensowenig ist es zulässig, eine durch Majoritäts­ beschluß ungeordnete und durchgeführte Gebrauchsverteilung (vgl. § 745) im Wege der Besitzklage zu beseitigen. (P. III, 42 und 43.) In den Prot. wird zum ersteren Falle auch die Besitz st örung durch den oder die Miteigentümer gezogen, allein eine derartige Besitzstörung wird regelmäßig in den Rahmen eines Streites über die Verteilung des Gebrauchs fallen und daher zur zweiten Kategorie (ß) gehören, woselbst ein Besitzschutz im Sinne dieses Abschnitts also nicht statthaft ist (übereinstimmend Biermann Bem. 2 und Planck Bem. 2, b, Windscheid-Kipp S. 696). Andere Auffassungen vertreten dagegen: Dernburg II, 2 § 369, der die Besitzschutz­ mittel nur insoweit versagen will, als Streit über unsichere Grenzen des Gebrauchs entsteht, sie jedoch zulassen will, falls der Gebrauch der gemein­ samen Sache herkömmlicherweise geteilt ist und vom Mitbesitzer gestört wird; Wolff a. a. O. S. 168 ff. versagt den Besitzschutz nur dann, wenn unter den Mitbesitzern Streit über die Grenzen des ihnen zustehenden Ge­ brauchs besteht, erkennt ihn aber zu, wenn die Grenzen unstreitig sind; v. Seeler a. a. O. S. 16, 30 erkennt einen Besitzschutz unter Mitbesitzern zu­ gunsten der „reinen Besitzhandlungen", sowie zugunsten des Verbietungsrechts eines Mitbesitzers an. Vgl. ferner Gierke, Sachenrecht S. 225; So­ kolowski a. a. O. S. 290 ff.; Kreß, Besitz und Recht S. 260 ff. und Etzel a.a.O. S. 55 ff. (Aus früherer gemeinrechtlicher Praris, die im Grundsätze mit dem in § 866 zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken übereinstimmte, vgl. noch SeuffA. Bd. 29 Nr. 217, Bd. 46 Nr. 85.) § 867. Ist eine Sache

aus

der Gewalt des Besitzers

auf ein

im Besitz eines

Anderen befindliches Grundstück gelangt, so hat ihm der Besitzer des Grundstücks

die Aufsuchung und die Wegschaffung zu gestatten,

zwischen in Besitz genommen worden ist.

sofern nicht die Sache in­

Der Besitzer des Grundstücks kann

Ersatz des durch die Aufsuchung und die Wegschaffung entstehenden Schadens

verlangen.

Er kann, wenn die Entstehung eines Schadens zu besorgen ist, die

Gestattung verweigern, bis ihm Sicherheit geleistet wird;

die Verweigerung ist

unzulässig, wenn mit dem Aufschübe Gefahr verbunden ist. E. I, 867; II, 789; III, 851.

§ 867 regelt den Anspruch aus Gestattung der Aufsuchung und Wegschaffung (etwas Analoges bildete im gem. R. die actio ad exhibendum; im PLR. s. Tl. I Tit.9 88 122, 178, 293—296; vgl. hiezu auch den Titel über Vorlegung von Sachen 88 809 ff.; ferner 88 985, 1007).

I. Abschnitt. Besitz.

867 (1) 63

§ 867 will eine notwendige Ergänzungsnorm der allgemeinen Besitzschuh­ mittel sein: Die Besitzklagen richten sich nämlich einerseits nur gegen den Besitzer (der Grundstücksbesitzer ist aber im Regelfälle des § 867 noch nicht Besitzer geworden, s. Bem. 1, a), anderseits ist der Besitzer der Sache nicht berechtigt, ohne den Willen des Grundstücksbesitzers das Grundstück zum Zwecke der Abholung der Sache zu be­ treten, was sich aus § 858 ergibt. 1. Es soll dadurch kein unbeschränktes Verfolgungsrecht (vgl. unten Bem.4) im Sinne einer allgemeinen Eigentumsbeschränkung eingeführt werden, so daß nunmehr jedermann ohne weiteres befugt wäre, ein fremdes Grund­ stück zur Aufsuchung des Verlorenen zu betreten. Vielmehr ist der nach § 867 vorge­ schriebene Weg folgender: Der Besitzer der Sache hat den Besitzer des Grundstücks um die Erlaubnis der Aufsuchung anzugehen: dieser hat für die Regel die Aufsuchung zu gestatten, im Weigerungsfall aber ist Klage zu stellen (a.M. Crome, vgl. unten Bem. e). a) Voraussetzung ist, datz eine Sache aus irgendeinem Grunde (z.B. durch den Wind oder ein entlaufenes oder entflogenes Tier usw.) auf ein fremdes Grundstück gelangt ist: ob mit oder ohne Schuld des Besitzers, ist gleichgültig. Auch bei unbestellten Sachen, die in die Wohnung eines Mieters gelangt sind, kann § 867 praktisch werden, vgl. Bem. 4 zu § 146. Keinen Unterschied kann ferner begründen, ob der Sachbesitzer dadurch die tatsächliche Gewalt verloren hat oder nicht, wie aus dem Wortlaute des Gesetzes erhellt (so auch die herrschende Meinung, vgl. z. B. Planck Bem. 2, a; Neumann Bem. 1; Strohal S. 54; Cosack § 192,111; Crome III § 386; da­ gegen aber Biermann in Bem. 1, b, der den B e s i tz v e r l u st als eine unmittel­ bare notwendige Voraussetzung des Anspruchs aus § 867 erachtet). Dagegen wird dieser Anspruch auszuschlietzen sein (vgl. § 1007 Abs. 3), falls der Be­ sitzer den Besitz wirklich aufgegeben hat und aufgeben wollte (so zutreffend Planck a. a. £).). b) Der Anspruch aus § 867 steht ») aktiv jedem Besitzer der Sache im Sinne des § 854 zu (wegen des mittelbaren Besitzers s. § 869 mit Bem.), durch § 1005 speziell auch dem Eigentümer der Sache. Dem Besitzdiener kann er dagegen nicht zustehen (dies ergibt der Wortlaut des Gesetzes und die notwendige Analogie der übrigen Besitzschutzmittel, vgl. Bem. III, 1, a zu §§ 861, 862, für den Bereich des § 859 ist eine ausdrückliche Ausdehnung durch § 860 erfolgt; abweichend aus rein praktischen Erwägungen Biermann in Bem. 2). ß) Auf der passiven Seite ist der Anspruch aus Zweckmähigkeitsgründen nicht gegen den Eigentümer des fremden Grundstücks (so E. I § 867) ge­ richtet, sondern gegen jeden Besitzer (im Sinne dieses Abschnitts), in dessen unmittelbarem Machtkreis sich die Sache derzeit befindet, also z.B. auch gegen »den Pächter des Grundstücks (vgl. P. III, 165) oder gegen den Mieter einer Wohnung (vgl. oben Bem. a wegen unbestellter Sachen). Es erscheint ferner nicht ausgeschlossen, dab der Anspruch gegen den mittelbaren Besitzer gerichtet wird, z.B. auf fraglichem Grundstücke ist eben nur der mittelbare Besitzer (z. B. Verpächter) anwesend oder der un­ mittelbare Besitzer verweigert die Gestattung nur deshalb, weil er besorgt, er werde sich seinem mittelbaren Besitzer gegenüber verantwortlich machen. Vgl. Strohal S. 47; Gierke, Fahrnisbesitz S. 56 Anm. 29; and. Ans. Planck Bem. 3; RGRKomm. Bem. 3; vermittelnd Crome III § 386. c) Die Klage aus § 867 trägt, wie die beiden Besitzklagen aus §§ 861 und 862, rein possessorischen Charakter, vgl. Bem. II, 1 und 2 zu §§ 861, 862 (übereinstimmend Gierke, Sachenrecht S. 254 Anm. 37; abweichend Crome Bd. III S. 238 Anm. 2). Es ist daher auch eine Einrede aus dem Rechte an der Sache nicht statthaft. d) Wegen der Zwangsvollstreckung vgl. §§ 890, 892, 893 ZPO. e) Ein besonderer praktischer Wert kommt dem § 867 nichtzu (vgl.Strohal S. 55), weil einerseits der Grundstücksbesitzer die Erlaubnis zur Abholung meistens ohnedies geben wird, anderseits der Abholungsberechtigte sehr häufig, ohne den Besitzer des Grundstücks zu fragen, die Aufsuchung und Wegschaffung bewerkstelligen wird, besonders wenn die abzuholende Sache auf ein offenes Grundstück gelangt ist. Wenn ihm diese Abholung gelingt, ohne auf Wider­ stand zu stoben, so wird er deswegen — abgesehen von der Ersatzfrage wegen

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2. a)

d)

c)

Drittes Buch.

Sachenrecht.

des angerichteten Schadens, s. Bem. 3 — regelmäßig nicht weiter verant­ wortlich gemacht werden können. Leistet der Grundstücksbesitzer aber Wider­ stand, so hat der Abholungsberechtigte regelmäßig insoweit kein Selbsthilfe­ recht, denn § 867 gewährt an sich nur ein nötigenfalls durch Gerichtshilfe zu erwirkendes Recht auf Gestaltung der Aufsuchung und Wegschaffung,' s. aber unten Bem. 2, a und 4. (Erome a. a. O. faßt dagegen den Anspruch aus § 867 allgemein dahin auf, daß der Abholende überhaupt nicht auf Duldung klagen müsse, vielmehr bestehe dieser Anspruch auch ohne Anrufen des Gerichts.) Das Verfolgungsrecht fällt fort: sofern die Sache inzwischen in Besitz genommen wurde, sei es von dem Grundstücksbesitzer selbst oder von einer dritten Person. Diese Einwendung hat im Prozesse der Grundstücksbesitzer zu beweisen. Das Ver­ wehren des Abholens seitens des Grundstücksbesitzers wird regelmäßig eine Inbesitznahme durch diesen bedeuten. Fraglich erscheint, ob und inwieweit dem bisherigen Besitzer in diesem Falle nochpossessorischerSchutz gewährt ist. Man wird zu unterscheiden haben (vgl. Strohal S. 53 und 54), ob der Besitz an der Sache nach den allgemeinen Regeln (vgl. § 856) für den bisherigen Besitzer bereits als ver­ loren zu gelten hat oder nicht. So wird z. B. der Besitz an einem durch einen Windstoß in den Nachbarhof gewehten Wäschestück hiedurch noch nicht als ver­ loren gellen können, wohl aber z. B. bei einer weit weggeschwemmten Sache. Sofern nun aber der Besitz noch nicht als verloren gelten kann, wird sich auch die Besitzergreifung des andern als verbotene Eigenmacht (§ 858) darstellen, gegen welche dem bisherigen Besitzer der allgemeine Besitzschutz (88 859, 860, 861) zustehen muß. Über die verschiedenen Ansichten vgl. Strohal a. a. O., Planck Bem. 2, a, Fischer-Henle, Turnau-Förster, Biermann, Neumann zu § 867. Auf jeden Fall aber sind bei derartiger Sachlage die petitorischen Rechtsmittel gegen den derzeitigen Besitzer begründet, nämlich die Magen aus dem dinglichen Rechte an der Sache (s. §§ 985, 1065, 1227), sowie insbes. die Mage aus dem früheren Besitze nach § 1007. Stellt sich im Laufe des Prozesses heraus, daß der Beklagte die Sache unterdessen in Besitz genommen hat, so wird der Mäger die Mage ent­ sprechend (in die normale Besitzklage) umändern können im Sinne des § 268 Nr. 2 ZPO. (Biermann in Bem. 2). Bei den auf das Nachbargrundstück hinübergefallenen Früchten nach Maßgabe des § 911. Es können ferner triftige Weigerungsgründe des Grundstücksbesitzers vorliegen (vgl. Bekker a. a. O. S. 20), z. B. um Fabrikationsgeheimnisse nicht zu gefährden oder weil das Betreten des Grundstücks mit Gefahr für den Betretenden verbunden ist; and. Ans. Planck Dem. 4.

3. Die Ersatzfrage hinsichtlich des durch die Aufsuchung und Wegschaffung ent­ stehenden Schadens ist in folgender Weise geregelt: a) Der Grundstücksbesitzer kann von vorneherein seine Erlaubnis von einer Sicherheitsleistung für den wahrscheinlichen Schaden abhängig machen (88 232ff.). Um jedoch den Aufsucher gegen schikanöse Behinderung zu schützen, wurde der Beisatz gemacht (E. III), daß die vorherige Kautionsstellung keine Bedingung der Erlaubnis sein darf, wenn mit dem Aufschübe Gefahr für die Sache verbunden ist. Der Besitzer kann ferner auch nachträglich den entstandenen Schaden ersetzt verlangen (vgl. 88 252 ff.). Wenn der Grundstücksbesitzer grundlos Sicherheitsleistung verlangt, so haftet er für den durch die Verzögerung entstehenden Schaden (Biermann Bem. 2). b) Von einem Verschulden des Aufsuchenden ist der Ersatzanspruch hier nicht abhängig gemacht, vgl. Weyl, System der Verschuldensbegriffe im BGB. S. 557. c) Wegen des durch die Sache selbst (die auf das Grundstück gelangte) etwa angerichteten Schadens vgl. 88 823ff., wegen entlaufener Tiere können insbes. 88 833, 834 praktisch werden; wegen des Luftfahrzeugverkehrs vgl. Bem. 2, b u. b zu 8 905, Bem. 1, k zu 8 904. d) über ein Zurückbehaltungsrecht an der in Besitz genommenen Sache s. 8 273 Abs. 2.

I. Abschnitt. Besitz.

867(4-7); 868 65

4. Ein weniger beschranktes Verfolgnngsrecht besteht: a) für den Eigentümer des ausgezogenen Bienenschwarms nach Maßgabe des § 962; b) wenn die Voraussetzungen der allgemein zulässigen Selbsthilfe ent­ weder nach § 229 vorliegen oder nach § 904 zutreffen (letzterenfalls also dann, wenn das eigenmächtige Betreten des Grundstücks zur Abwendung einer gegen­ wärtigen Gefahr notwendig und der anzurichtende Schaden nicht unverhältnismätzig hoch ist); c) ein allgemeines Betretungsrecht, d.h. ohne vorher den Grundstücks­ besitzer fragen zu müssen, wird man auch dann annehmen müssen, wenn das Angehen desselben mit unverhältnismätzigen Weitläufigkeiten verbunden wäre, z. B. das betr. Grundstück ist von dessen Wohnung sehr weit entfernt, vgl. Stobbe-Lehmann § 101 Anm. 7; Bekker a. a.O. S. 20; ähnlich auch Dernburg § 26, nach dem eine besondere Genehmigung des Grundstücks­ besitzers nur dann einzuholen ist, wenn es sich um ein befriedetes Grundstück handelt, auf dem dessen Besitzer zu finden ist; gegen diese Ausnahme aber Biermann in Bem. 2. Häufig werden solche Fälle ohnedies unter b fallen. Wegen offener Grundstücke vgl. Bem. 1, e. 5. Wenn die Sache auf oder in eine andere bewegliche Sache (z. B. auf ein Gefährt oder ein Schiff usw.) gelangt ist, wird § 867 entsprechend anwendbar sein (so zutreffend Neumann in Bem. 6). 6. Über das landesrechtlich zulässige Ersatzgeld oder Pfandgeld bei der sog. Privatpfändung (z.B. von Tieren) zum Schutze der Grundstücke und ihrer Erzeugnisse s. Art. 89 EG. mit Bem. (für Bayern ist hier auf das sog. Feld­ schadengesetz vom 6. März 1902 zu verweisen). 7. Die sog. Iagdf olge richtet sich nach Landesrecht, vgl. Art.69 EG. mit Bem.

§ 868.*)

Besitzt Jemand eine Sache als Nießbraucher, Pfandgläubiger, Pächter, Mieter, Verwahrer oder in einem ähnlichen Verhältnisse, vermöge dessen er einem Anderen gegenüber auf Zeit zum Besitze berechtigt oder verpflichtet ist, so ist auch der Andere Besitzer (mittelbarer Besitz). 9. II, 790 Abs. 1; III, 862.

Übersicht. Ähnliche Verhältnisse I, 2 u. III, 2; Juristische Personen HI, 2, f a. E.; Ladeschein, Lagerhalter, Leihe HI, 2, a; Auftrag und Einkaufskommission IH, 2, a; Mehrfacher mittelbarer Besitz H, 1, d; IH, 2, g; Begriff des mittelbaren Besitzes i. A., Unter­ Pfändung HI, 2, g; schied zwischen mittelbarem Besitz und Besitzdiener I, IV, VI; Prozessuales VII; Putativverhältnis II, 2; Besitzvermittlungsverhältnis im Einzelnen II, 1 u. 2; Strafrechtliches V, 2, c u. HI, 2, k; Eigentumsvermutung VIII; Testamentsvollstrecker III, 2, e; Unternehmer HI, 2, a; Eigentumsvorbehalt III, 2, h; Verlust des mittelbaren Besitzes V; Einstweilige Verfügung HL 2, g; Einzelfälle III; Versendung (Frachtvertrag) HI, 2, i; Erbbaurecht III, 2, c; Vertrag zugunsten Dritter II, 1, c; Vertreter und Verwalter III, 2, f; Familienrechtliches HI, 2, d (Ehemann usw.); Verwaltungsauftrag HI, 2, a; Fiduciarische Verhältnisse (Treuhand, Siche­ rungsübereignung) IE, 2, a; Vormund HI, 2, d; Finder III, 2, b; Warenlager I, 7; Geschäftsführung ohne Auftrag HI, 2, a; Wesen des mittelbaren Besitzes IV mit I; Guter Glaube II, 2; Zukünftiges Besitzkonstitut I, 7. Hinterlegung HI, 2, a; *) Besondere Literatur: Wendt im ArchZivPrax. Bd. 87 S. 40ff.: Ist nach den Vorschriften des BGB. die Verfolgung des dinglichen Rechtes auch gegen den mittel­ baren Besitzer zulässig? Vgl. hiezu auch Verh. d. 24. Deutschen Juristentags Bd. 3 S. 1 ff. und Gierke daselbst S. 29; ferner v. Bähr in KrBJSchr. Bd. 30 S. 483; Weide­ mann, Der mittelbare Besitz des BGB. 1902; Przibilla, Erwerb und Verlust des mittelbaren Besitzes, Bonn 1905 (Diss.) und zur Lehre vom mittelbaren Besitz, IW. 1908 Standinger, BGB. Ill (Kober, Sachenrecht). 9. Aufl.

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66 868 (11, 2)

Drittes Buch.

Sachenrecht.

I. Begriff des mittelbaren und unmittelbaren Besitzes im allgemeinen. 1. Es gibt viele Fälle im Rechtsverkehr, in denen jemand zwar die Ausübung

der tatsächlichen Gewalt über eine Sache einem anderen direkt und in selbständiger Weise überlassen hat (im Gegensatze zum bloßen Besitzdiener § 855, vgl. unten), trotz­ dem aber selbst noch in gewissen Beziehungen zur Sache geblieben ist, so daß auch für ihn noch ein praktisches Bedürfnis nach Besitzschutz besteht. Bei solchen Verhältnissen nimmt das BGB. eine Zweiteilung des Besitzes in der Weise an, daß jener, der die tatsächliche Gewalt über die Sache unmittelbar ausübt (z.B. der Mieter oder Pächter), als unmittelbarer Besitzer gilt, wer dagegen den Besitz in solcher Weise überlassen hat (z.B. der Vermieter oder Verpächter), wenigstens mittelbarerBesitzer bleibt. (Ähnlich der vollständige und unvollständige Besitz im PLR.; im gem. R. und BLR. ähnelt dem unmittelbaren Besitzer der detentor und auch der sog. abgeleitete Besitz.) a) Das gemeinsame Merkmal aller dieser Fälle liegt aber nicht in der bestimmten Willensrichtung des unmittelbaren Besitzers, nur für den anderen besitzen zu wollen (so die Unterscheidung des Detentors vom Besitzer im gem. R.), sondern es ist die Übereinstimmung in den zugrunde liegen­ den Rechtsverhältnissen zu suchen, wie sie § 868 schildern will. Vgl. hierüber im einzelnen Bem. 2, sowie Bem. III. b) Eine allgemeine Stellvertretung im engeren Sinne liegt hierbei nicht vor, weil die Besitzhandlungen des unmittelbaren Besitzers nicht notwendig Wirkungen für den mittelbaren Besitzer in sich schließen müssen, es bildet aber immerhin das Rechtsverhältnis des mittelbaren Besitzes ein gewisses Ersatz­ mittel für die vom Gesetz beim Besitze an sich nicht anerkannte Stellver­ tretung, vgl. näher Bem. IV zu § 854, sowie ferner unten Bem. II, 3, b, V, 2 und VI. c) Was den Sprachgebrauch anlangt, so hat sich auch die Bezeichnung „Be­ sitzmittler" für den unmittelbaren Besitzer eingebürgert (so auch Bekker a. a. O. S. 26, Endemann § 32, Biermann zu § 868 „vermittelnder Besitzer"; andere Bezeichnungen sind hier „Ober- und Unterbesitzer", Dem* bürg § 13: „Eigen- und Fremdbesitzer", so auch Crome III § 345). d) über den Unterschied des Besitzmittlers vom Besitzdiener vgl. im be­ sonderen Bem. VI. 2. Hinsichtlich dieser Grundverhältnisse führt das Gesetz zunächst als spezielle Fälle an: den Nießbrauch, das Pfandrecht, die Pacht, Miete und Verwahrung und verweist schließlich auf ähnliche Verhältnisse, vermöge deren jemand einem anderen gegenüber auf Zeit zum Besitze be­ rechtigt oder verpflichtet ist. a) Das Gemeinsame dieser „ähnlichen Verhältnisse" liegt zunächst in der zeitlichenBeschränkung: das „ähnliche Verhältnis" im Sinne des §868 muß in der Vorstellung der Parteien als eines Tages zu Ende gehend gedacht sein. Damit soll aber nicht gesagt sein, daß es stets gerade durch Heraus­ gabe an den bisherigen mittelbaren Besitzer endigen müsse. So kann z. B. das Verhältnis beim Pächter recht gut damit enden, daß dieser — wie vielleicht von vorneherein in Aussicht genommen wurde — die Pacht­ sache schließlich kauft und dadurch zum Eigenbesitzer wird, oder daß der Pfand­ schuldner seine Schuld nicht zahlt und demnächst der Pfandgläubiger (der un­ mittelbare Besitzer) die Pfandsache dem Schuldner endgültig entzieht; so endet auch z. B. beim Eigentumsvorbehalte (vgl. unten Bem. III, 2, h) durch Zahlung des gesamten Hausgeldes das Verhältnis damit, daß der Käufer, der bisherige unmittelbare Besitzer, Eigentümer der Sache wird. Vgl. WarnE. 1912 Nr. 421 und 1913 Nr. 200, IW. 1912 S. 144, 1913 S. 432, dagegen aber Heckelmann, LZ. 1915 S. 1429. b) Fraglich erscheint aber und bestritten ist, ob die gemeinsame typische Ähnlichkeit der sämtlichen Änwendungsfälle lediglich in dem Sinne des Relativsatzes zu finden ist d.h. in der Berechtigung und Verpflich­ tung zum Besitze auf Zeit, also einschränkend, oder ob ein weiteres S. 395; Derselbe, Erwerb des mittelbaren Besitzes durch Stellvertreter, JheringsJ. Bd. 50 S. 323ff.; Rhode, Studien im Besitzrechte; der mittelbare Besitz, Düsseldorf 1907; Heckelm ann, § 868 und die Rechtsprechung des Reichsgerichts über Sicherungsüber­ eignungen, LZ. 1915 S. 1429.

I. Abschnitt. Besitz.

868(12) 67

gemeinsames Merkmal aufzustellen ist, das aus den vom Gesetz an­ geführten besonderen Fällen mittelbar abzuleiten ist. Letzteres wird das richtige sein. Diese Folge ergibt sich zunächst aus der Wortfassung des Gesetzes, sowohl hier als auch an anderen Stellen, an welchen das Gesetz den mittelbaren Besitz berührt, so z. B. in den §§ 941, 986, 991. Dort spricht nämlich das Gesetz allenthalben in dem Sinne, daß der unmittelbare Besitzer seinen Besitz ableite von dem mittelbaren Besitzer — also ein engerer Begriff, als er in jenem Relativsatz allein be­ trachtet, enthalten ist. Auch die Entstehungsgeschichte und der Zweck des § 868 (vgl. insbes. P. III, 218ff.) legen klar, daß der Gesetzgeber diese Beschrän­ kung der Fälle des mittelbaren Besitzes offenbar anstrebte. Die gemeinsame Voraussetzung liegt demnach darin, daß der Besitz von dem mittelbaren Besitzer, also mindestens mit dessen Willen, an den unmittelbaren Besitzer als Besitzmrttler ge­ kommen sein mutz, (übereinstimmend Crome III § 345, Last, Fragen der Besitzlehre IheringsI. Bd. 63 S. 84ff., RGZ. Bd. 49 S. 173 svgl. unten]; Endemann § 32 spricht von „anvertrautem" Besitze, dies dürfte aber, wie Biermann a. a. O. mit Recht hervorhebt, zu eng gefaßt sein; Thiesing im ArchBürgR. S. 240 ff. will das Kriterium lediglich auf den zeitlich begrenzten Besitz abstellen.) Würde der Mieter usw. den Vertragsgegenstand dem Ver­ mieter usw. ohne dessen Willen entziehen, so läge eigenmächtige Besitzentziehung vor (and. M. Wolff, SR. § 8). Freilich darf diese Auffassung nicht darauf beschränkt werden, daß auch jede einzelne (z. B. nachgeschaffte) Sache zuerst im Besitze des mittelbaren Besitzers gestanden haben müsse, denn dies würde zu einer erheblichen, vom Gesetzgeber offenbar nicht gewollten Einschränkung des Begriffes führen (bei­ spielsweise soll der Verpächter doch wohl auch hinsichtlich der nachgeschafften Sachen seitens des Pächters ohne weiteres mittelbaren Besitz erlangen). Ge­ nügen mutz vielmehr, daß das Besitz-Grundverhältnis als Ganzes und allgemein gedacht von dem mittelbaren Besitzer sich ab­ leitet. Man kann dies auch auf folgende Art ausdrücken: Der Besitz und der Erwerb des unmittelbaren Besitzers stellt sich für die Regel sozusagen als ein Vermögens stück des mittelbaren Besitzers dar. Der unmittelbare Besitzer erwirbt immer auf 51 o st e n des V e r m ö g e n s des mittelbaren Besitzers, sei es eben den Besitz selbst oder daß eine andere Vermögensminderung für den mittelbaren Besitzer eintritt, z. B. er ver­ liert eine Forderung, wenn der Bevollmächtigte eine Sache im Namen des Vollmachtgebers kauft und sich übergeben läßt. So Leonhard, Vertretung beim Fahrniserwerb S. 61 und 62. Über die verschiedenen Ansichten vgl. Strohal S. 22, Endemann II § 32, Planck und Biermann zu § 868, Bartels a. a. O., Crome und Dernburg a. a. £)., Gärtner, Der gerichtliche Schutz gegen Besitzverlust S. 149, Przibilla, Zur Lehre vom mittelbaren Besitz, IW. 1908 S. 395, Rhode, Studien im Besitzrechte, Abschn. XXI, Sokolowski, Der Besitz S. 317, Wendt, Besitz und Besitzwille S. 101, Wolff, SR. § 8, Rosenberg Bem. II, b, RGRK. Bem. 2, Warneyer Bem. II. Das Reichsgericht hat zu dieser Frage in der in Bd. 49 S. 170 ff. abgedruckten Entscheidung Stellung genommen und sich dahin ausgesprochen, daß ein abstraktes constitutum possessorium (wobei das Versprechen, die Sache herauszugeben, ohne Beziehung auf einen bestimmten Verpflichtungs­ grund gegeben wurde), auch wenn es (wie in dem gegebenen Falle) zugunsten des veräußernden Besitzers bis zur Zahlung des Kaufpreises zeitlich beschränkt ist, als ein solches ähnliches Verhältnis nicht beurteilt werden dürfe, daß vielmehr zur Annahme dieses Begriffes weiter erfordert werde, daß durch ein konkret bestimmtes (wenn auch nicht genau unter einen der sog. benannten Verträge fallendes) schuldrechtliches oder infolge von Be­ stellung eines dinglichen Rechtes an der Sache entstandenes dingliches Rechtsverhältnis ein Nutzungsrecht oder eine Verwaltungs ­ pflicht des sein Recht zum Besitze von dem anderen ableitenden unmittelbaren Besitzers begründet sei (übereinstimmend auch RGZ. Bd. 54 S. 396 = IW. 1903 Beil. S. 801, OLG. Rostock SeuffA. Bd. 66 Nr. 51, „Recht" 1913 Nr. 1998). c) Über einzelne Fälle des Näheren unten in Bem. III.

68 868 (I 3-8, II)

Drittes Buch.

Sachenrecht.

3. Die Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Besitzer ist von wesentlicher Bedeutung und insbesondere für das ganze Sachenrecht festzuhalten. a) Hervorzuheben ist, daß, wenn das BGB. von „Besitz" schlechthin spricht, auch der mittelbare Besitz mitinbegriffen ist, soweit nicht seine Ausschließung im Einzelfalle besonders bestimmt oder aus dem Zusammenhänge durch Auslegung zu entnehmen ist, s. z.B. 86 872, 1253 Abs. 2, 1205, 1206. (Übereinstimmend Planck Bem. 4; aus dem Familienrechte vgl. z.B. § 1362 und Bem. 2, a, ß hiezu; and. Ans. Wendt im ArchZivPrar. Bd. 87 S. 48.) b) Was anderseits die Anwendung der speziellen Vorschriften dieses Ab­ schnitts auf den mittelbaren Besitz anbelangt, so ist klar, daß °) die §§ 854—856 sich nur auf den unmittelbaren Besitz beziehen, § 857 (Vererblichkeit) dagegen ist auch auf den mittelbaren Besitz zu erstrecken (vgl. hierüber Bem. III, b, sowie IV, 2, ä zu 8 857); ß) hinsichtlich der Anwendung der 88 858—864, 867 in Fällen des mittel­ baren Besitzes ist auf die Bem. zu 8 869 hinzuweisen, t) die 88 665, 866 sind auf die unmittelbare Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die Sache durch denjenigen anwendbar, der trotz des Bestehens eines Verhältnisses im Sinne des 8 868 sich den Besitz oder Mitbesitz ge­ wisser Teile der Sache vorbehalten hat, z. B. Mitbesitz der zur Miet­ wohnung führenden Treppe, Besitz der Zimmereinrichtung durch den Ver­ mieter einer möblierten Wohnung, vgl. Neumann Bem. 1,2, c zu 8868; 8666 kommt im besonderen hier auch dann zur Anwendung, wenn mehrere nebeneinander (also nicht nacheinander, wie im Falle des 8 871) zu dem unmittelbaren Besitzer in einem mittelbaren Besitz begründenden Ver­ hältnisse stehen, z. B. mehrere Vermieter (mittelbarer gemeinsamer Besitz). Die mittelbaren Mitbesitzer können zueinander im Verhältnis von Gesamt­ gläubigern (8 428) stehen oder im Verhältnis mehrerer Gläubiger im Sinne des 8 432; letzteres wird für die Regel zutreffen. Vgl. Wolff, IheringsI. Bd. 44 S. 148 Anm. 12, Planck Bem. 5; vgl. übrigens auch 8 871 mit Bem. c) Eine Sonderregelung enthält das BGB. für den mittelbaren Besitz hinsichtlich «) des Besitzschutzes in 8 869, ß) des Besitzerwerbs (Übertragung des mittelbaren Besitzes) in 8670, y) des sog. weiteren mittelbaren Besitzes, d.h. in mehreren Graden nach­ einander; s. 8 871 mit Bem., vgl. aber auch unten Bem. II, 1, d. 4. Der mittelbare Besitzer braucht nicht notwendig Eigenbesitzer im Sinne des 8 872 zu sein, z. B. der redliche Finder hinterlegt die Sache bei jemand anderem und wird dadurch mittelbarer Besitzer (Strohal S. 28). 5. Hinsichtlich der Bedeutung des mittelbaren Besitzes für die Übertragung des Eigentums bei beweglichen Sachen s. 88 929ff. 6. Über die Frage, ob die Eigentumsklage auch gegen den mittelbaren Besitzer zulässig ist, s. Bem. II, 2, e zu 8 985. 7. Auch im Rahmen des 8 868 ist an der allgemeinen Norm dieses Abschnittes dahin festzuhalten, daß nämlich auch der mittelbare Besitz nur an individuell be­ st immtenSachen statthaben kann, also z. B. nicht an unausgeschiedenen Teilen einer Sachgesamtheit, die sich lediglich nach Menge oder Anzahl usw. im Verkehr bemessen (vgl. Bem. III, 1 zu 8 654 und RGZ. Bd. 52 S. 390); ein Besitzverhältnis nach 8 868 kann hier erst wirksam werden in dem Zeitpunkte, in dem eine Sonderung aus der Menge vollzogen ist, vgl. WarnE. 1912 Nr. 309 (= SeuffA. Bd. 68 Nr. 173 u. IW. 1912 S. 797), s. auch Bem. VIII,e zu 8929 über Warenlager. Die Vereinbarung eines erst in Zukunft wirksam werdenden Besitz­ konstituts im Sinne des 8 868 ist aber an sich zulässig, wenn auch die Wirksamkeit erst später eintritt, vgl. die vorangegebene RGE. bei Warneyer, sowie Sörgel Rspr. 1912 S. 294. 8. Schließlich ist hier noch allgemein darauf hinzuweisen, daß der unmittel­ bare Besitzer (z.B. der Mieter) denSchutzdes 8 823 Abs. 1 genießt, vgl. hierüber Bem. II, A, 2, e, ßß zu 8 623, Bem. I, 5 zu 8 861 und RGZ. Bd. 59 S. 326 ff. U. Erwerb des mittelbaren Besitzes: Nach dem Vorgesagten setzt der Erwerb des mittelbaren Besitzes ein D o p p e l 1 e s voraus:

I. Abschnitt. Besitz.

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a) Es mutz ein anderer an der Sache Besitzer im Sinne des § 854 ge­ worden sein und b) es mutz zugleich zwischen diesem und dem mittelbaren Besitzer ein Rechts­ verhältnis der unter! bezeichneten Art bestehen (Besitzver­ mittlungsverhältnis). 1. Im einzelnen kann diese Folge auf verschiedene Art eintreten: a) Es kann der bisherige tatsächliche Besitzer ein Rechtsgeschäft jener Art mit jemand abschlietzen, z.B. A vermietet seine Sache an B oder auch umgekehrt: A verkauft seine Sache an B, behält jedoch selbst den Besitz der Sache als Mieter derselben (constitutum possessorium im Sinne des BGB. s. § 930); ersterenfalls wird A mittelbarer Besitzer, letzterenfalls B. b) Derjenige, der bereits in einem solchen Rechtsverhältnisse zu einem anderen steht, erwirbt Sachen für diesen auf Grund jenes Rechts­ verhältnisses, z. B. mein Bankier kauft neue Wertpapiere für mein Depot, vgl. näher unten Bem. 3, ferner Bem. IV zu § 854 und Bem. 4 zu 8 930. c) Möglich ist auch Übertragung des bereits bestehenden mittel­ baren Besitzes, entweder durch Übertragung des Besitzvermittlungsver­ hältnisses (vgl. unten Bem. 2), an das der mittelbare Besitz geknüpft ist (z.B. A verkauft sein an B vermietetes Haus an C) oder durch Übertragung des blotzen Herausgabeanspruchs, der aus diesem Rechte flietzt, gemäß § 870 oder durch sonstigen Übergang des Herausgabeanspruchs. In diesen Fällen geht der mittelbare Besitz ohne weiteres auf den Erwerber des Rechtes oder des Anspruchs über. (Unmittelbare Nachfolge in den Besitz, vgl. Vordem. V und § 870 mit Bem.). Das gilt daher auch bei Verträgen auf Leistung an Dritte, falls jemand einem Andern eine Sache zur Verwahrung übergab und mit diesem ausmachte, datz die Sache an einen Dritten herausgegeben werden soll; hier erwirbt der Dritte mittelbaren Besitz (ebenso Bier­ mann Bem. 2, Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte S. 344 ff., abw. aber Kretz S. 240; vgl. ferner WarnE. 1921 Nr. 123, auch M. Wolff in IheringsI. Bd. 44 S. 188). Das Gesetz kennt ferner d) einen mehrfachen abgestuften mittelbaren Besitz an derselben Sache, wenn der unmittelbare Besitzer die Sache selbst in einem derartigen Rechtsverhältnisse weitergibt (§ 871). Es ist aber auch möglich, mittelbaren gemeinschaftlichen Mit­ besitz ohne Abstufung i. S. des § 871, also dadurch zu schaffen, datz ein Gesamtgläubigerverhältnis (§ 428 oder § 432) hergestellt wird, vgl. hiezu Kretz a.a.O. S. 287 ff., Wolff, IheringsI. Bd. 44 S. 165 u. S. 148 Anm. 12; Rosenberg Bem. 1,8; dies wird auch dadurch erreicht, datz der mittelbare Eigenbesitzer einem Dritten Mitbesitz im Wege des § 868 ein­ räumt, s. RG. „Recht" 1922 Nr. 60. Ein gleichstufiger Mitbesitz wird ferner anzunehmen sein, wenn ein unmittelbarer Besitzer Besitzmittler verschie­ dener Personen aus verschiedenen Verhältnissen ist, Wolff, SR. § 8, II. v) Durch einen Geschäftsunfähigen kann der mittelbare Besitz nicht erworben werden, s. RGZ. Bd. 98 S. 131 und unten in Bem. 2. 2. Das Besitzvermittlungsverhältnis (d. h. das den unmittelbaren und mittel­ baren Besitz vermittelnde kausale Rechtsverhältnis) kann sowohl auf einem Schuldverhältnis, wie auf dinglicher Grundlage beruhen, es kann ferner nicht blotz durch Vertrag entstehen, sondern auch durch das Gesetz (auf Grund einer gesetz­ lichen Ermächtigung, vgl. RGZ. Bd. 59 S. 201, Bd. 94 S. 341, Bd. 98 S. 134) in Anknüpfung an eine Tatsache, z.B. die Ehe wegen des eingebrachten Gutes der Frau, elterliche Gewalt wegen des Vermögens der Kinder (88 1627, 1649), gesetzliche Pfandrechte usw. oder auf Grund eines Amtes (Konkursverwalter, Gerichtsvollzieher svgl. auch unten III, 2, g], Nachlatz- und Zwangsverwalter) und anlätzlich eines Erbfalls, vgl. Bartels S. 660, unten Bem. III, 2, Przibilla, Erwerb und Verlust des mittelbaren Besitzes S. 11 ff., 58 ff., 72 ff., 83 ff. und IheringsI. Bd.50 S. 323ff., s. auch RGZ. Bd. 59 S. 201 hinsichtlich gerichtlicher Verwahrung (vgl. hiezu aber unten Bem. III, 2, k). Ein rechtsgültiges braucht es gerade nicht zu sein (dagegen Rabel, RheinZ. 1915 S. 513); auch ein vermeintliches Verhältnis der im 8 668 bezeichneten Art mutz zur Begründung mittelbaren Besitzes ausreichen, vgl. P. III, 198; in dieser Hinsicht wurde in P. IV, 608 ferner ausdrücklich bemerkt, datz z.B. nach richtiger Auffassung ein objektives obligatorisches Rechtsverhältnis zwischen Besteller

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und Nietzbraucher nicht erfordert werde, es vielmehr genüge, wenn der Nietzbraucher anerkenne, für den Besteller zu besitzen; wenn also z. B. ein Nichteigentümer den Nieß­ brauch bestellt, so ist dieser mittelbarer Besitzer und nicht etwa der Eigentümer; 887.0 steht dieser Auffassung nicht im Wege; übereinstimmend Planck Bem. 3 und Biermann Bem. 2, d; abw. Grützmann, KrVISchr. Bd. 41 S. 506, Kretz, Besitz und Recht S. 202 mit Anm. 591, Bruns, Besitzerwerb durch Interessenvertreter S. 157 ff., s. auch Last, IheringsI. Bd. 63 S. 134 ff., Windscheid-Kipp Bd. I S. 796 ff. (diese nehmen zwar auch an, datz das zur Grundlage des mittelbaren Besitzes dienende Rechtsverhältnis nicht rechtsgültig zu sein brauche, Hallen aber dafür, datz irgend ein Herausgabeanspruch bestehen müsse); vgl. auch Wolff, SR. § 8 Nr. 2, Rosenberg Bem. II, c, Y, RGRK. Bem. 2. Das Reichsgericht (s. insbes. Bd. 105 S. 414, vgl. auch Bd. 89 S. 349) steht neuerlich auf dem Standpunkt, datz das vermittelnde Rechts­ verhältnis objektiv rechtswirksam bestehen mutz und datz insbesondere der gute Glaube an das Bestehen für den Besitzerwerb ohne Bedeutung sei. Wenn die Ver­ einbarung freilich wegen Willensmängel, insbes. wegen Willensunfähig­ keit, der Wirksamkeit von vorneherein entbehrt, so kann keine genügende Grundlage für ein Verhältnis des § 868 vorliegen, s. RGZ. Bd. 98 S. 133. Ein abstraktes constitutum possessorium (vgl. hierüber oben I, 2, a a.E.) genügt aber hier nicht. Im übrigen kann nur ein solches Verhältnis hier matzgebend sein, das eine Be­ sitzbeziehung zwischen den Parteien begründet; d.h. die Berechtigung oder Verpflichtung des Mittlers mutz gerade auf den Besitz der Sache gerichtet sein. Es scheiden daher alle jene Fälle aus, in denen jemand zwar zur Aufbewahrung einer Sache für einen anderen, aber nicht zum Besitze verpflichtet ist, z.B. der Verkäufer und der Schenker in der Zeit bis zur Übergabe der gekauften oder geschenkten Sache (vgl. Leonhard S. 73 und Strohal S. 19 Anm. 26). 3. Zeitpunkt des Eintritts des Besitzvermittlungsverhältnisses: a) Wo es sich um bereits erworbenen Besitz handelt, ist die Sache meistens einfach gelagert, z.B. bei der Miete ist der matzgebende Zeitpunkt der des Einzugs des Mieters. b) Schwieriger werden die Fragen, wenn es sich um erst zu erwerbenden Besitz handelt: a) Wenn der Erwerber hiebei im Namen des Auftraggebers auftritt, so wird letzterer auf Grund des vorliegenden Besitzvermittlungsverhältnisses ohne weiteres mittelbarer Besitzer werden können mit der Erledigung des betr. Rechtsgeschäfts. (Hinsichtlich der Besitzdiener vgl. unten VI und Bem. IV, 1 zu 8 854). ß) Handelt der Erwerber aber nicht im Namen des Auftraggebers, was insbesondere bei der sog. Einkaufskommission zutrifft, so begründet die Er­ füllung des Auftrags für sich allein noch nicht die Entstehung des mittel­ baren Besitzes für den Auftraggeber, sondern es müssen weitere äuhere Momente hinzukommen, aus denen erhellt, datz der Auftraggeber nun­ mehr die Macht über die Sache erhalten soll, also z. B. spezialisierte Ein­ kaufsanzeige und Buchung auf jenes Namen (Handlungen, die den Mittler selbst noch nicht binden, genügen nicht), vgl. Bem. 4 zu 8 930 und Leonhard a. a.O. S. 98; vgl. aber auch die Ausführungen bei Bruns a.a.O. S. 164 ff. c) Bei den gesetzlichen Pfandrechten, die nicht ohne weiteres mit dem Besitze der Sache verbunden sind (z.B. das Pfandrecht des Vermieters), wird das eigentliche Besitzvermittlungsverhältnis und damit ein unmittelbarer Besitz des Gläubigers erst eintreten, sofern und sobald der Gläubiger in den Besitz der Sache gelangt ist, womit er dann dem Pfandgläubiger des 8 1205 gleichstehl (8 1257), also beispielsweise beim Vermieter, wenn er recht­ lich statthafterweise sich in den Besitz der vom Mieter eingebrachten Sachen gesetzt hat (88 559—561), vgl. Bem. IV, 1, a zu 8 559 und Bartels S. 660. Vorher ist also nicht etwa ein unmittelbarer Besitz des Gläubigers anzunehmen (wohl aber natürlich bei der Miete hinsichtlich der Mietsache selbst, vgl. die obige Bemerkung zu 8 559). 4. Liegt kein derartiges Kausalverhältnis vor, z.B. es gelangt eine Sache durch die Gewalt des Windes, durch Anschwemmung, Anlandung usw. auf das Grundstück eines anderen, so kann auch kein mittelbarer Besitz im Sinne des 8 868 entstehen. So erlangt auch beispielsweise der W i l d d i e b an dem erlegten Wild Besitz, ohne datz für den Geschädigten ein mittelbarer Besitz entsteht (vgl. Bem. II, 2, c zu 8 958 und s. daselbst auch wegen der Eigentumsfrage).

I. Abschnitt. Besitz.

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HL Einzelne Falle des § 868: 1. Die vom Gesetze selbst genannten Fälle: a) Beim Nießbrauch ist mittelbarer Besitzer derjenige, welchem gegenüber der Nießbraucher ,auf Zeit zum Besitze berechtigt ist'. Dies ist regelmäßig der Eigentümer der Sache, es kann aber auch der Nichteigentümer als Besteller sein, vgl. § 1032 und auch oben II, 2 sowie § 1036. b) Der Pfandgläubiger vermittelt dem Verpfänder (s. §§ 1205ff., 1223 Abs. 1 und ferner §§ 1253, 1274, 1278), der Pächter oder Mieter dem Verpächter oder Vermieter (88 536, 581), der Verwahrer dem Hinterleger § 688) den mittelbaren Besitz; ebenso der gerichtlich bestellte Ver­ wahrer (§§ 432, 1217, 1281, 2039) demjenigen, zu dessen Sicherung er die Verwahrung bekam. Hinsichtlich des Schiffspfandrechts s. aber §§ 1260, 1266, 1272. 2. Die ähnlichen Verhältnisse (vgl. zunächst über das maßgebende Kriterium im allgemeinen oben Bem. I, 2): a) Ein ähnliches Verhältnis entsteht beispielsweise bei der Leihe (§ 604, vgl. RGZ. Bd. 57 S. 179 und IW. 1910 S. 706 Nr. 7; über ein derLeihe ähnliches Rechtsverhältnis vgl. REE. IW. 1915 S. 656), beim Auf­ trage (§§ 662ff.), beim Kommissionär (vgl. § 397 HGB.), beim Lagerhalter(8421HGB.), beim Frachtführer (8440HGB.), vgl.auch unten Bem. VI, 2, o, auch bei einer Geschäftsbesorgung oder Di en st lei­ st ungimSinnedes § 354 HGB. (WarnE. 1916 Nr. 83); wer über eine Sache durch Konnossement, Ladeschein oder Lagerschein verfügen kann, ist mittelbarer Besitzer (vgl. hiezu 88 369 Abs. 1, 397, 410, 421, 440 Abs. 2 HGB.), ferner kommt in Betracht das Treuhandverhältnis (auch Sicherungsübereignung, vgl. Bem. VIII zu § 929; aber nicht not­ wendig liegt bei jedem fiduziarischen Rechtverhältnis ein Verhältnis der in § 868 gemeinten Art vor, s. WarnE. 1913 Nr. 200, IW. 1912 S. 144, s. dagegen aber Heckelmann LZ. 1915 S. 1429. Aus der Praxis vgl. auch OLG. Stuttgart SeuffBl. 1913 S. 582, Recht 1914 Nr. 1109 lWarenlagerj) und der Verwaltungsauftrag (vgl. RGRK. Bem. 3); über Besitzaus­ übung durch Treuhänder beim Warenlombardverkehr vgl. Obstfelder in ZHR. Bd. 56 S. 126. über Hinterlegung bei einem Bankhaus vgl. auch IW. 1910 S. 814 Nr. 34. Ebenso zählt hieher der Unternehmer eines Werkes hinsichtlich des vom Besteller gelieferten Stoffes oder auszubessernder beweg­ licher Sachen des Bestellers (vgl. 88 645, 647), vgl. auch Ebbeke Recht 1913 S. 267; übereinstimmend WarnE. 1922 Nr. 70. Bei Auftrag und Einkaufskommission ist wesentlich, ob der Er­ werber im Namen des Auftraggebers handelte oder nicht, sowie ob etwa sonstige äußere Momente hinzugekommen sind, vgl. hierüber näher oben Bem. II, 3, b. Bei der Geschäftsführung ohne Auftrag liegt regelmäßig zunächst kein Verhältnis nach 8 868 vor, es kann sich aber hier ein Rechtsverhältnis im Sinne des 8 668 entwickeln, insbes. wenn und soweit z. B. der Geschäftsführer Besitz und Eigentum im Namen des 'Geschäftsherrn erwirbt (ebenso Planck Bem. 2, b, ß, Biermann Bem. 6, Wolff SR. 8 3,1, b, s. auch Last IheringsI. Bd. 63 S. 95, Kreß, Besitz und Recht S. 199, sowie RGZ. Bd. 98 S. 134). Wegen VerträgeaufLeistunganDritte vgl. oben Bem. II, 1, c. b) Streitig ist der Besitz des Finders. Behält man die allgemeine Grundlage des 8 868 (s. oben Bem. 1,2) im Auge, wonach die Überlassung vom mittel­ baren Besitzer ausgegangen sein muß oder doch mit dessen Willen stattgefunden haben muß, so kann kein Zweifel bestehen, daß diese Basis hier nicht gegeben ist. Der Finder ist zwar nach 8 966 zur Verwahrung der Sache verpflichtet, aber er ist hiernach nicht Verwahrer im Sinne des 8 688, anderseits ist er nach 8 967 berechtigt und auf Anordnung der Polizeibehörde sogar verpflichtet, den Fundgegenstand andre Polizei abzuliefern (vgl. hiezu auch Bem. 3 zu 8967 u. 975). Überdies ist auch die Vorschrift des 8 940 Abs. 2 hierher zu beachten (vgl. Planck in Sem.2,b,ß). Es liegt demgemäß beim Funde regelmäßig kein Ver­ hältnis des 8 668 vor, vielmehr ist der Finder alleiniger Besitzer (8 654). Übereinstimmend Planck und Biermann zu 8 668, Strohal 6. 24, Leonhard S. 71, Przibilla a. a. O., Endemann S. 126, RGRK. Bem. 3,

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Wolff, SR. § 8, Kreß, Besitz und Recht S. 192, Gierke, DPR. Bd. II S. 219 Note 39 und Fahrnisbesitz S. 7 Anm. 15, Last in IheringsI. Bd. 63 S. 97 (von dem Gedanken ausgehend, dab der bisherige Besitzer mit dem Verluste der Sache den unmittelbaren Besitz verloren und ihm zum neuerlichen Besitz­ erwerbe, nämlich zum Erwerbe des mittelbaren Besitzes, der Besitzerwerbs­ willen abgehe), ferner nunmehr auch Windscheid-Lipp Bd. I S. 795, sowie Rosenberg II, c, n; and. Ans. Wendt a. a. O. S. 62, Bartels S. 66, Lniep a. a. O. S. 152, Straub, Das Fundrecht S. 29 ff. und OLG. Hamburg in SeuffA. Bd. 59 Nr. 104; s. auch Dernburg, SR. § 20, III, c a. E.). Eine Ausnahme wird aber zu machen sein, wenn der Finder den Verlierer kennt und die Sache für ihn in Besitz nimmt (übereinstimmend Buhl S.29ff., Crome § 345 Anm. 37, Lreß, Besitz und Recht S. 231 Anm. 673, Rosen­ berg II, aa S. 136; dagegen Planck a. a. O. und Andere, s. aber auch Last a. a. O.). c) Der Erbbauberechtigte fällt dagegen unter 8 668, da die Basis hier vorliegt, obwohl freilich die Zeitspanne hiebei eine sehr ausgedehnte ist (s. näher Bem. 1,5 zu 8 1 der ErbbaurechtsVO.; a. M. Wendt a. a. O. S. 61, übereinstimmend Planck zu 8 668); gleiches gilt für den Erbpächter (s. Art. 63 EG.). d) Aus dem Familienrechte kommt insbesondere in Betracht der Besitz des Ehe­ manns an denjenigen Sachen der Ehefrau, welche zum eingebrachten Gute gehören und die, zum Vorbehaltsgut gehörend, ihm zur Verwalturm über­ lassen wurden (vgl. in dieser Hinsicht 8 1373 mit Bem., sowie auch Bem. IV zu 8 854, ferner 88 1371, 1430; gleiches gilt auch hinsichtlich erst zukünftiger Eheleute, s. IW. 1906 S. 162), auberdem der Besitz des Inhabers der elter­ lichen Gewalt an den Sachen des Lindes (vgl. 88 1638, 1649ff., 1686) und des Vormundes oder Pflegers an den seiner Verwaltung unter­ liegenden Sachen (vgl. hierüber Bem. IV zu 8 854 und 88 1793, 1890, 1897, 1915). e) Aus dem Erbrecht ist hinzuweisen hauptsächlich auf den Besitz des Testa­ mentsvollstreckers (s. 88 2205 mit Bem. 3 und 88 2217, 2218), des Nachlabpflegers (88 1960, 1961), sowie des Nachlaßverwalters (s. 88 1975, 1985, 1986). f) Hinsichtlich der gerichtlich bestellten Verwalter s. Bem. IV zu 8 654; wegen des Verwalters bei der Immobiliarzwangsvollstreckung s. im besonderen 88 150, 154 ZVG.; der Konkursverwalter vermittelt, wenn er Sachen des Gemeinschuldners in Besitz nimmt ([. 8 117 KO.), letzterem den mittelbaren Besitz (übereinstimmend Planck in Bem. 2, b, ß; Jaeger Bem. 5 zu 8 117 KO., Dernburg SR. 8 14, Biermann Bem. 4, Petersen-Lleinfeller Bem. 1 zu 8117 KO., Endemann I 8 35; a. M. dagegen Lniep a. a.O. S. 147). Auch das Grundbuchami wird als Besitzmittel gelten können Hins, der ihm zu einer Umschreibung (vgl. 88 42, 62 GBO.) übergebenen Hypotheken­ briefe (vgl. Wolff, SR. 8 8,1,2, c). Wegen der Vertreter der juristischen Personen, Stiftungen usw. s. näher Bem. IV, 3, b zu 8 854. g) Bei der Pfändung vermittelt die Besitznahme der gepfändeten Sachen seitens des Gerichtsvollziehers dem Pfändungsgläubiger mittelbaren Besitz, während der Pfandschuldner den Besitz als solchen gänzlich einbübt. Daß der Gläubiger hier sein Besitzrecht nur durch den Gerichtsvollzieher aus­ üben darf, ist eine Besonderheit, die auf öffentlichrechtlichem Gebiete nicht selten ist und keine veränderte Auffassung für sich begründen kann (überein­ stimmend Stein Bem. IV zu 8 808 ZPO. und die meisten Komm. z. ZPO., sowie Planck Bem. 2, b, . Der Heimfallanspruch erweist sich nach dieser Gestattung als eine bedingte dingliche Erwerbs-

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berechtigung (nach Art eines dinglichen Wiederkaufsrechts, das das BGB. selbst nicht kennt). Vgl. ferner unten Bem. d. b) Die VO. gibt im allgemeinen keine besonderen Vorschriften, an welche Voraussetzungen dieses Recht gebunden werden kann, überlätzt dies viel­ mehr im allgemeinen der freien Vereinbarung der Beteiligten. Es können also z. B. mit dieser Rechtsfolge verbunden werden alle Verletzungen der Vertragspflichten über Errichtung, Instandhaltung und Verwendung (Mietpreise usw.) des Bauwerkes, über Versicherung des Bauwerkes und seinen Wiederaufbau im Falle der Zerstörung, über Tragung von Lasten und Ab­ gaben usw.; auch sonstige Voraussetzungen sind denkbar und zulässig, z. B. datz der Heimfall eintreten soll, wenn der Grundstückseigentümer das Grundstück zu eigenen oder sonstigen besonderen Zwecken in der Folge selbst nötig hat oder im Falle des Konkurses des Erbbauberechtigten usw. Gegen allzu drückende Bedingungen ist der Erbbauberechtigte aber durch zwei Ausnahmevorschriften geschützt: a)Rach86Abs. 2 kann der Grundstückseigentümer den Heimfall nicht des­ halb beanspruchen, weil der Erbbauberechtigte einer Vereinbarung zuwider­ handelte, die ihn hinsichtlich der Veräußerung oder Belastung des Erbbaurechts an die Zustimmung des Eigentümers band (vgl. Bem. 1,3 zu §§ 5-7). ß) Im allgemeinen kann auch an eine Nichtzahlung des Erbbauzinses (vgl. § 9 mit Bem.) der Heimfall geknüpft werden. Hier schreibt aber § 9 Abs. 3 einschränkend vor, datz ein Zahlungsverzug des Erbbauberechtigten den Heimfallanspruch nur dann begründen kann, wenn der Erbbauberechtigte mit dem Erbbauzins mindestens in Höhe zweier Iahresbeträge im Rückstand ist (vgl. Bem. 6 zu 8 9). c) Die Ausübung dieses Rechtes kann unter Umständen, besonders wenn es mit an sich geringfügigen Anlässen verknüpft ist, einen starken Eingriff in die Rechtssphäre des Erbbauberechtigten bedeuten. Die VO. hat davon abgesehen, hier zugunsten des Erbbauberechtigten nach dem Muster der HypSchutzVO. vom 8. Juni 1916 (RGBl. S. 451) ein richterliches Prüfungs- und Milderungsrecht einzuführen. Die Begründung verweist darauf, datz als Erbbaurechtsbesteller in der Hauptsache die öffentlichen Körperschaften in Frage kommen werden, und datz bei diesen eine allzu starre Handhabung der Heim­ fallklausel nicht zu befürchten sein dürfte. Dagegen ist freilich einzuwenden (vgl. Dittrich, DRichtZ. 1918 S. 205, 206), datz doch auch nicht selten Privat­ personen oder Körperschaften privatrechtlicher Art als Erbbaurechtsbesteller in Betracht kommen werden. Es wird sich aber insofern eine gewisse Ausgleichung ergeben, weil ja mit Ausübung des Heimfallrechts auch für den Grundeigen­ tümer schwerwiegende Folgen, wie insbesondere für den Regelfall die Ent­ schädigung des Erbbauberechtigten, die Fortdauer der Belastungen und die Schuldübernahme bei Hypotheken (vgl. 88 32, 33) verbunden sind, so datz er jeweils wohl aus eigenem Interesse davon abstehen wird, auch bei kleineren Anlässen von dem Heimfallrechte Gebrauch zu machen, wenngleich es nach dem Vertrag an sich zulässig wäre. d) Der Anspruch ist gerichtet auf die Übertragung des Erbbaurechts an den Eigentümer. Der Eigentümer kann aber nach 8 3 Halb satz 2 bei Eintritt des Heimfallrechts auch verlangen, datz das Erbbaurecht — ohne daß es auf ihn selbst übergeht — gleich einem von ihm zu bezeichnenden Dritten übertragen wird. a) Wenn die Voraussetzungen für den Heimfall vorliegen, so geht das Erbbau­ recht nicht etwa ohne weiteres auf den Grundstückseigentümer oder den von ihm bestimmten Dritten über, wie z. B. bei der Eigentümerhypothek oder Eigentümergrundschuld, der Erbbauberechtigte ist vielmehr nurverpflichtet, es zu übertragen, auf Verlangen des Grundstückseigentümers. Die Übertragung geschieht durch dingliche Einigung der Be­ teiligten und durch Eintragung im Erundbuche (vgl. näher Bem. II,2 zu 8 11). ß) Wird das Erbbaurecht auf den Eigentümer übertragen, so besteht es als selbständiges Recht in der Hand des Eigentümers fort. Der Eigentümer erwirbt damit, was nach dem allgemeinen 8 889 BGB. zulässig ist, ein Recht an eigener Sache, es entsteht ein EigentümerErbbaurecht, also ein ähnliches Rechtsverhältnis, wie wenn der Eigen-

IV. Abschnitt. . Erbbaurecht.

e)

f)

g)

h) i) k)

l)

2 (II 4) 687

tümer an seinem eigenen Grundstück eine Eigentümerhypothek oder Eigen­ tümergrundschuld erlangt (vgl. z. B. §§ 1163, 1177 BGB. sowie Wolff, SR. § 2 Nr. VI, 3). Der Eigentümer hat dann an dem gleichen Grund­ stück Eigentum und Erbbaurecht, seine Rechtslage ist also verschieden von der eines Grundstückseigentümers, dem gegenüber das Erbbaurecht des Be­ rechtigten einfach erlischt,- der Unterschied ist besonders praktisch hinsichtlich der Belastungen des Erbbaurechts (vgl. § 33 mit Bem.). Der Eigentümer wird auch als Erbbauberechtigter im Erbbaugrundbuche einzutragen sein (zweifelnd Hallbauer in LZ. 1918 S. 743). Hat der Grund st ückseigentümer das Erbbaurecht sohin selbst erworben, so stehen ihm zwei Wege offen: aa) Er kann das Heimfallrecht aufheben und im Grundbuche löschen lassen (s. § 875 BGB.), so daß Grundstück und Bauwerk wieder zu einer einheitlichen Sache werden. Wenn das Erbbaurecht belastet ist, so kann dies freilich nur mit Zustimmung der Berechtigten geschehen (s. § 876 BGB.). (Bedenken gegen diese Folgerung macht Hallbauer a. a. O. geltend.) ßß) Er kann das Erbbaurecht nach dem Erwerb durch sich (vgl. aber auch unten Bem. x) an einen Dritten weiter übertragen (wegen der Form s. § 11 mit Bem. II, 2). Bei solcher Weitervergebung darf aber ein dem Erbbaurecht auf dem belasteten Grundstück nachstehendes Recht nicht beeinträchtigt werden, z. B. eine nachstehende Hypothek; es darf das Erbbaurecht rechtlich nicht erweitert werden, z. B. durch Erhöhung des Erbbauzinses usw., denn sonst würde die nachstehende Hypothek dadurch verschlechtert (vgl. Pesl, Hirths Ann. 1915 S. 269). x) Verlangt der Grundstückseigentümer bei (Eintritt des Heimfallrechts von vornherein, datz das Erbbaurecht auf einen von ihm zu bezeichnenden Dritten übertragen wird (§ 3 Halbsatz 2), so wird bei solcher Übertragung der Dritte nicht Rechtsnachfolger des Eigentümers, sondern unmittelbarer Rechtsnachfolger des bisherigen Erbbauberechtigten. Der Eigentümer kommt solchen Falles im Erbbaugrundbuche gar nicht weiter zur Erscheinung (vgl. Hallbauer a. a. £).). Vgl. auch Bem. I, c, & zu § 33 wegen der persönlichen Haftung für eine bestehenbleibende Hypothek. Macht der Eigentümer von seinem Heimfallrechte Gebrauch, so hat er dem Erbbauberechtigten eine angemessene Vergütung für das Erbbau­ recht zu gewähren (§ 32 Abs. 1 Satz 1). Die Höhe dieser Vergütung und die Art ihrer Zahlung kann mit dinglicher Wirkung von vorneherein fest­ gesetzt werden, ebenso der Ausschluß der Vergütung (§ 32 Abs. 1 Satz 2). Für den Fall, daß das Erbbaurecht zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses minder bemittelter Bevölkerungskreise bestellt wurde, sind aber besondere Bestimmungen in Abs. 2 des § 32 aufgestellt. Der Erbbauberechtigte darf beim Heimfall nicht das Bauwerk weg­ nehmen oder sich Bestandteile des Erbbaurechts aneignen (§ 34). Über dieFortdauerderBelastungens. die besondere Regelung im § 33 mit Bem. Wegen der Miet- und Pachtverträge vgl. Bem. III zu § 33. Über Verjährung des Heimfallanspruchs f. § 4 mit Bem. In diesem Zusammenhänge ist auch darauf hinzuweisen, daß dem Grund­ stückseigentümer auch ein Vorkaufsrecht durch Vertrag mit dem Erbbauberechtigten eingeräumt werden kann (vgl. §§ 504—514, sowie §§ 1094—1104 BEB., Pesl, Belastung des Erbbaurechts S. 55, ferner unten Bem. II, 7, f sowie Bem. 1,2, c und § 11) für den Fall, daß der Erbbau­ berechtigte das Erbbaurecht an einen Dritten verkauft; Verdinglichung setzt Eintragung im Grundbuche voraus. Erwirbt der Grundstückseigentümer auf diesem Wege das Erbbaurecht, so entsteht, wie beim Heimfallrecht, ein Eigentümer-Erbbaurecht (§ 889 BGB.). Im übrigen sind natürlich Heimfall­ recht und Vorkaufsrecht wesensverschieden. Auch das Reichsheim st ättengesetz vom 10. Mai 1920 (RGBl. S. 962) (vgl. Vordem. A, 1,2,d) kennt einen Heimfallanspruch des Ausgebers, falls der Heimstätter die dauernde Bewohnung oder Bewirtschaftung der Heimstätte aufgibt oder grobe Mißwirtschaft treibt (§§ 12ff. des Ges.). Dieser

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Drittes Buch.

Sachenrecht.

Heimfallanspruch zeigt aber eine andere rechtliche Natur als der beim Erbbau­ recht, der Ausgeber kann hier nämlich verlangen, daß die Heimstätte ihm rückübertragen wird; die Erfüllung des Anspruchs schafft hier also kein „Recht an eigener Sache"; vgl. Nußbaum, Das neue deutsche Wirtschaftsrecht S. 50 mit Anm. 2. Der Ausgeber, an den die Heimstätte gefallen ist, kann aber die Eigenschaft als Heimstätte nicht ohne Zustimmung der obersten Landes­ behörden durch Löschung beseitigen und, wenn er die Heimstätte nicht innerhalb eines Iahres wieder ausgibt, kann das Land, soferne nicht das Reich oder ein Land der Ausgeber ist, die Übertragung an sich selbst oder einen Dritten ver­ langen (§ 21 Abs. 4); vgl. § 26 Abs. 3 RHeimstG. und Michaelis IW. 1923 S. 272. 5. Nr. 5. Vereinbarungen über eine Verpflichtung des Erbbauberechtigten zur Zahlung von Vertragsstrafen: Derartige Vereinbarungen werden sich hauptsächlich für geringere Vertrags­ verletzungen empfehlen, bei welchen die Vereinbarung des Heimfallrechts (Nr. 4) als eine zu schwere Folge erscheinen würde. Im übrigen besteht hier an sich keine allgemeine Einschränkung, Vertragsstrafen können also auch für die Erfüllung solcher Verbindlich­ keiten vereinbart werden, die nicht zum Inhalte des Erbbaurechts gehören, auch für Überschreitung der Rechte des Erbbauberechtigten. Da Nr. 5 nur von „Zahlung" von Vertragsstrafen spricht, kann eine nicht in Geld bestehende Strafe nicht vereinbart werden (vgl. Günther Bem. 13 zu § 2). Über Vereinbarung von Vertragsstrafen hinsichtlich des Erbbauzinses s. Bem. 4, g und 6, d zu 8 9. Für Vertragsstrafen gelten ferner allg em ein die 88 339ff. BGB.; hinzuweisen ist dabei auch vom sozialen Standpunkt aus auf das richterliche Ermäßigungsrecht bei unverhältnismäßig hoher Vertragsstrafe nach Maßgabe des 8 343. Der Anspruch auf eine Vertragsstrafe ist einer besonderen Verjährung nach § 4 unterworfen. Für den Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe haftet aber, da die Wirkung einer Hypothek oder Reallast den Vereinbarungen nach 8 2 nicht besonders beigelegt ist (vgl. oben in Bem. I, 1, b) nicht das Erbbaurecht selbst i. S. der 88 1113, 1147, sondern nur derjenige Erbbauberechtigte persönlich, der durch seine Hand­ lungen oder Unterlassungen die Vertragsstrafe verwirkt hat. Für Vereinbarungen von Vertragsstrafen des Eigentümers zugunsten des Erbbauberechtigten gilt 8 2 Nr. 5 nicht. 6. Nr. 6. Vereinbarungen dahin, daß dem Erbbauberechtigten nach Ablauf des Erbbaurechts ein Vorrecht auf Erneuerung des Erbbaurechts eingeräumt wird. a) Dadurch wird dem bisherigen Erbbauberechtigten die Rechtsmöglichkeit eröff­ net, ohne weiteres als Berechtigter in den Bestellungsvertrag einzutreten, dem­ zufolge der Grundstückseigentümer einem Dritten ein Erbbaurecht hin­ sichtlich des gleichen Grundstücks eingeräumt hat. Von dem bisherigen Erb­ bauberechtigten wird dadurch im Grunde das bisherige Erbbaurecht trotz seiner Beendigung fortgesetzt; juristisch aber stellt dies eine Erneuerung des Erbbau­ rechts dar; vgl. näher Bem. I zu 8 31. b) Die Einräumung eines derartigen Vorrechts wird in sozialer Hinsicht einen besonderen Ansporn zur guten Erbauung und Erhaltung des Erbbauhauses bedeuten. Dadurch wird zugleich der dem Erbbaurecht oft gemachte Vorwurf entkräftet, daß es Bodenständigkeit und Heimatsgefühl ausrotte; denn wenn eine Familie für eine ganze Erbbauperiode sich ansiedelt mit der rechtlich ge­ sicherten Aussicht auf eine folgende zweite Periode, so bewirkt dies eine ent­ sprechende Seßhaftigkeit (vgl. Erman, Handwörterbuch der Staatswissen­ schaften S. 1009 und Amtl. Erläut. z. Entw. zu 88 25—33). c) Die näheren Rechtsgrundsätze über dieses Erneuerungsrecht nach Art eines dinglichen Vorkaufsrechts werden in 8 31 aufgestellt, s. Bem. hiezu. Über ein dem Erbbauberechtigten hinsichtlich des Grundstücks ein­ geräumtes Vorkaufsrecht im eigentlichen Sinne vgl. unten Bem. 7, e. d) Über die Frage, ob dieses Vorrecht auch auf dem Grundbuchblatte des Grund­ stücks einzutragen ist, vgl. Bem. III zu 8 14. e) Wegen der Erleichterung hinsichtlich Gebühren, Stempel und Um­ satzsteuer vgl. 8 39.

IV. Abschnitt.

Erbbaurecht.

2 (II 7) 689

7. Nr. 7. Eine Verpflichtung des Grundstückseigentümers, das mit dem Erbbaurechte belastete Grundstück an den jeweiligen Erbbau­ berechtigten zu verkaufen. a) Bei einer derartigen Vereinbarung hat der Erbbauberechtigte während der ganzen Dauer des Erbbaurechts das Recht, das mit dem Erbbaurechte belastete Grundstück zu kaufen. Eine derartige Verpflichtung kann schlechthin festgesetzt werden oder aber auch unter bestimmten Bedingungen. Datz der Eigentümer das Grundstück anderweitig verkauft oder zu verkaufen beabsichtigt, ist keine gesetzliche Voraus­ setzung solcher Kaufsberechtigung; es bestimmt sich vielmehr nach dem näheren Inhalt der Vereinbarung, unter welchen Voraussetzungen, innerhalb welcher Frist usw. der Erbbauberechtigte von seiner Berechtigung Gebrauch machen darf (s. Kretzschmar Bem. 7 und vgl. unten Bem. e). Die Parteien können hier den Kaufpreis späteren Vereinbarungen vorbehalten, sie können ihn aber auch von vornherein festlegen. Letzteres gilt z. B. beim sog. Halber st ädter Erbbaurecht, bei dem als Kaufpreis der bei der Begründung des Erbbaurechts bestehende Marktwert des Grundstücks gilt; vgl. hierüber Pesl, HirthsAnn. 1915 S. 285, 286 und in „Um Grund und Boden" Bd. 2 (1914/15) S. 110 ff.; in diesem Falle liegt eine besondere Begünstigung für den Erbbauberechtigten darin, daß ihm bei späterem Kaufe der inzwischen gestiegene Bodenwert zugute kommt. Wurde kein Kaufvreis vereinbart, so gilt der angemessene Preis (vgl. RGZ. Bd. 57 S. 49). Auf Grund solchen Kaufsrechts kann der Erbbauberechtigte verlangen, datz ihm das Grundstück aufgelassen wird (wegen der Form der Auflassung s. § 925 BGB.). b) Solange die Auflassung noch nicht vollzogen ist, mutz die zum Inhalte des Erbbaurechts gemachte und im Grundbuch eingetragene Vereinbarung wie eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Auflassung wirken; Ver­ fügungen, die nach der Eintragung über das Grundstück getroffen werden, sind daher insoweit unwirksam, als sie diesen Anspruch vereiteln oder be­ einträchtigen würden (§ 883 BGB ). Die VO. schweigt zwar über die Rechts­ wirkung solcher Vereinbarung, es mutz aber diese Rechtsfolge wohl angenommen werden (vgl. auch § 31 Abs. 4, sowie § 1098 Abs. 2 BGB.; übereinstimmend von der Pfordten a. a. O. S. 278, Kretzschmar Bem. 6, Samoje Bem. 13, abw. aber Planck Bem. 9, f). Über die Frage, ob dieses Recht auch auf dem Grundbuchblatte des Grundstücks vermerkt werden mutz, vgl. Bem. IV zu § 14. c) Auch der Hypothekengläubiger des Erbbaurechts ist hier besonders ge­ sichert, da er, falls der Erbbauberechtigte diesem gegenüber seinen Pflichten nicht nachkommt, das Erbbaurecht schlimmsten Falles selbst erwerben kann und damit zugleich das Recht erhält, das Grundstück selbst zu kaufen. Vgl. Pesl a. a. O. d) Wegen der Erleichterung hinsichtlich Gebühren, Stempel und Um­ satzsteuern vgl. 8 39. e) Der Anspruch des Erbbauberechtigten auf den Erwerb des Grundstücks kann auch auf den Fall beschränkt werden, datz der Eigentümer das Grundstück an einen Dritten verkauft. In solchem Falle liegt dann, die Eintragung im Grundbuche vorausgesetzt, ein dingliches Vorkaufsrecht vor, das ausgeübt werden kann, sobald der Eigentümer einen Kaufvertrag mit einem Dritten über das Grundstück abschlietzt; der Kauf kommt dann zwischen dem Erbbau­ berechtigten und dem Grundstückseigentümer zustande, unter den Bestim­ mungen, die der Eigentümer mit dem Dritten vereinbart hat, vgl. §§ 504 bis 514, sowie 88 1094—1104 BGB.; ein gesetzliches Vorkaufsrecht wurde dem Erbbauberechtigten mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der örtlichen Ver­ hältnisse nicht eingeräumt, s. Begr. zu 8 2 a. E., vgl. aber 88 4ff., 14 des Reichssiedlungsges. vom 11. Aug. 1919 und 8 11 des Reichsheimstättenges. vom 10. Mai 1920. Auf diesen Fall bezieht sich auch 8 39 hinsichtlich der Gebührenerleich­ terung. f) Wenn das Grundstück dem Erbbauberechtigten aufgelassen wird, so geht das Erbbaurecht nicht unter, es bleibt vielmehr als Recht an der eige­ nen Sache nach Maßgabe des 8 889 BGB. bestehen. Es entsteht sohin das gleiche Rechtsverhältnis, wie wenn beim Heimfalle der Eigentümer das ErbStaudinger, BGB. III (Kober, Sachenrecht). 9. Auft.

44

690 3; 4; 5

Drittes Buch.

Sachenrecht.

baurecht erwirbt (vgl. oben in Bem. II, 4). Der Erbbauberechtigte kann es sodann weiter belasten. Er kann es aber auch gesondert veräußern oder mit Zustimmung der daran dinglich Berechtigten ganz aufheben. g) Gemeinden bedürfen je nach dem Werte des Grundstücks unter Umständen der staatsaufsichtlichen Genehmigung, wenn sie dem Erbbauberech­ tigten ein Kaufrecht einräumen wollen; für Bayern vgl. Art. 15 SelbstverwG. und von der Pfordten a. a. O. S. 279.

§ 3. Der Heimfallanspruch des Grundstückseigentümers

kann

nicht

von

dem

Eigentum an dem Grundstück getrennt werden; der Eigentümer kann verlangen, daß das Erbbaurecht einem von ihm zu bezeichnenden Dritten übertragen wird. Vgl. die Bem. II, 4, a—d und ä zu 8 2.

§ 4 Der Heimfallanspruch sowie der Anspruch auf eine Vertragsstrafe (§ 2 Nr. 4

und 5) verjährt in sechs Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Grund­ stückseigentümer von dem Vorhandensein der Voraussetzungen Kenntnis erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in zwei Jahren vom Eintreten der Voraus­ setzungen an.

Der Heimfallanspruch (§ 2 Nr. 4) und der Anspruch auf eine Vertrags­ strafe (82Nr.5) werden einer kurzen Verjährung (vgl.8194 BGB.) unterstellt. a) Sie verjähren der Regel nach, soweit es sich um den einzelnen Anwendungs­ fall handelt, in zwei Iahren vom Eintritte der Voraussetzungen an gerechnet. b) Hat der Grundstückseigentümer aber von dem Vorhandensein der Voraus­ setzungen Kenntnis erlangt, so verjährt der Anspruch bereits in sechs Mo­ naten, gerechnet von dem Zeitpunkt an, in welchem diese Kenntnis erlangt wurde. Die Beweis la st hinsichtlich der Kenntnis trifft den Erbbauberechtigten. Die Kenntnis als solche ist Tatfrage, vgl. hiezu RGZ. Bd. 61 S.248, Bd. 74 S. 120, Bd. 88 S. 6. c) Auch hier besteht die Wirkung der Verjährung nach der allgemeinen Vor­ schrift des § 222 BGB. nicht darin, daß der Anspruch völlig erlischt, dem Erb­ bauberechtigten erwächst nur das Recht, die Übertragung des Erbbaurechts zu verweigern. d) Die abgekürzte Verjährung des 8 4 muß auch für Strafzinsen gellen, die in einer Erhöhung des Erbbauzinses bestehen (vgl. Bem. 4, g und 6, b zu 8 9), übereinstimmend Sieskind Bem. II. e) Es kann auch der Fall eintreten, daß die Ansprüche des Eigentümers (insbes. Heimfallsansprüche) schon vor Ablauf der Verjährung als verwirkt zu gellen haben, insoferne und insoweit nämlich ein untätiges Verhalten des Eigentümers nach Lage der Umstände nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte im Sinne eines Verzichts auszulegen ist; insbes. im Rahmen des Heimfallrechtes darf der Eigentümer den Erbbauberechtigten nicht ungebührlich lange im Zweifel darüber lassen, ob er von solchem Rechte Ge­ brauch machen will oder nicht, s. Wittmaack S. 110, Sieskind S. 30, RGZ. Bd. 88 S. 263, Planck Bem. 2.

§ 5. Als Inhalt des Erbbaurechts kann auch vereinbart werden, daß der Erb­ bauberechtigte zur Veräußerung des Erbbaurechts der Zustimmung des Grund­ stückseigentümers bedarf.

Als Inhalt des Erbbaurechts kann ferner vereinbart werden, daß der Erb­ bauberechtigte zur Belastung des Erbbaurechts mit einer Hypothek, Grund- oder

IV. Abschnitt.' Erbbaurecht.

6; 7(11) 691

Rentenschuld oder einer Reallast der Zustimmung des Grundstückseigentümers bedarf.

Ist eine solche Vereinbarung getroffen, so kann auch eine Änderung

des Inhalts der Hypothek, Grund- oder Rentenschuld oder der Reallast, die eine weitere Belastung des Erbbaurechts enthält, nicht ohne die Zustimmung des

Grundstückseigentümers erfolgen.

8 6. Ist eine Vereinbarung gemäß § 5 getroffen, so ist eine Verfügung des

Erbbauberechtigten über das Erbbaurecht und ein Vertrag, durch den er sich zu einer solchen Verfügung verpflichtet, unwirksam, solange nicht der Grundstücks­ eigentümer die erforderliche Zustimmung erteilt hat.

Auf eine Vereinbarung, daß ein Zuwiderhandeln des Erbbauberechtigten

gegen eine nach § 5 übernommene Beschränkung einen Heimfallanspruch begründen soll, kann sich der Grundstückseigentümer nicht berufen.

§ 7. Ist anzunehmen,

daß

durch

die Veräußerung (§ 5 Abs. 1) der mit der

Bestellung des Erbbaurechts verfolgte Zweck nicht wesentlich beeinträchtigt oder gefährdet [ttnrb, und daß die Persönlichkeit des Erwerbers Gewähr für eine ordnungsmäßige Erfüllung der sich aus dem Erbbaurechtsinhalt ergebenden Ver­ pflichtungen bietet, so kann der Erbbauberechtigte verlangen, daß der Grundstücks­

eigentümer die Zustimmung zur Veräußerung erteilt. Dem Erbbauberechtigten kann auch für weitere Fälle ein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung ein­

geräumt werden. Ist eine Belastung (§ 5 Abs. 2) mit den Regeln einer ordnungsmäßigen

Wirtschaft vereinbar, und wird der mit der Bestellung des Erbbaurechts verfolgte Zweck nicht wesentlich beeinträchtigt oder gefährdet, so kann der Erbbauberechtigte verlangen, daß der Grundstückseigentümer die Zustimmung zu der Belastung erteilt.

Wird die Zustimmung des Grundstückseigentümers ohne ausreichenden Grund verweigert, so kann sie auf Antrag des Erbbauberechtigten durch das Amtsgericht ersetzt werden, in dessen Bezirk das Grundstück belegen ist.

Die Vorschriften des

§ 53 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und des § 60 Abs. 1 Nr. 6 des Reichsgesetzes über

die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten entsprechend. Übersicht.

Änderung des Inhalts I, 1, b; Arrestvollziehung II, d, «; Belastung I, 1; Dingliche Wirkung I, 1, d; II, a; Ersatz der Zustimmung III; Grundbuchamt II, b und d, ß; Heimfalt I, 3; Konkursverwalter II, d, a;

Rechtswirkung derartiger Vereinbarungen II; Schuldrechtlicher Vertrag II, c; Schutz derartiger Vereinbarungen II; Veräußerung I, 1, 2; Vermietung, Verpachtung I, 1, d; Zustimmung des Eigentümers I, I; II, b; Zwangsvollstreckung II, b, a.

I. Allgemeines: 1. Der Grundstückseigentümer wird vielfach verhindern wollen, daß der Erbbau­ berechtigte sein Recht zu Spekulationszwecken verkauft. Außerdem hat dieser aber auch meistens ein lebhaftes Interesse daran, daß das Erbbaurecht nicht über Gebühr belastet wird, zumal bei einem vorzeitigen Heimfalle des Erbbau44*

692 7(18)

Drittes Buch.

Sachenrecht.

rechts die Belastungen des Erbbaurechts der Regel nach nicht erlöschen, sondern auf den Grundstückseigentümer mit übergehen (§ 33). a) Es kann daher nach § 5 der Inhalt des Erbbaurechts selbst (also mit dinglicher Wirkung, vgl. unten d) noch erweitert werden durch eine Ver­ einbarung dahin, daß der Erbbauberechtigte der Zustimmung des Grundstücks­ eigentümers bedarf: a) zur Veräußerung des Erbbaurechts (§ 5 Abs. 1; unter Veräußerung ist dabei die Übertragung des Erbbaurechts durch Rechtsgeschäft unter Lebenden zu verstehen); ß) zur Belastung des Erbbaurechts mit einer Hypothek-, Grund- oder Renten­ schuld oder einer Reallast (8 5 A b s. 2 Satz 1). b) Im Falle letzterer Vereinbarung kann auch eine Änderung des Inhalts der Hypothek-, Grund - oder Rentenschuld oder der Reallast, die eine weitere Belastung des Erbbaurechts enthält, nicht ohne die Zustimmung des Grundstückseigentümers erfolgen (8 5 Abs. 2 Satz 2), ohne daß diese Rechts­ folge noch einer besonderen Abmachung und Eintragung bedürfte. Eine In­ haltsänderung solcher Art (vgl. 8 877 BGB. mit Bem.) liegt jeweils dann vor, wenn durch die neue Abmachung das Erbbaurecht stärker belastet würde; z. B. wenn das Hypothekenkapital selbst oder der Zinsfuß erhöht wird oder wenn die Kündigungsbestimmungen zum Nachteile des Erb­ bauberechtigten geändert werden sollen oder wenn die Zinszuschläge zur Ra= pitalsabtragung (Amortisationsquoten, vgl. Bem. II, 2 zu 8 19) nachträglich erhöht werden sollen (vgl. auch von der Pfordten a. a. O. S. 280). Die Umwandlung der verschiedenen Hypothekformen unter sich oder in eine Grundschuld usw., die Auswechslung der Forderung bei der Hypothek und ähnliche Maßnahmen enthalten keine Erweiterung der Belastung in diesem Sinne; auch die nachträgliche Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvoll­ streckung (8 800 ZPO.) wird nicht hierunter zu rechnen sein; vgl. Glaß-Scheidt S. 53ff., Samoje Bem. 6, Planck Bem. 2 zu 8 5; abw. in letzterer Hinsicht aber Kretzschmar Bem. 2, Günther Bem. 14. c) Eine derartige Beschränkung der Veräußerung kann sowohl für jeden Veräußerungsfall als auch nur für bestimmte Veräußerungsfälle (z. B. innerhalb einer bestimmten Frist oder nicht an andere als bestimmte Kreise oder nicht an Ausländer usw.) vereinbart werden. d) Eine im Sinne des 8 5 getroffene Vereinbarung hat dingliche Wirkung (s. Bem. II, a). Die Beteiligten können sich aber auch im Einzelfall auf eine bloß schuldrechtliche Abrede gleichen Inhalts beschränken, deren Wirkung dann aber über die Beziehungen der b e i d e n Vertragsteile und deren Erben nicht hinausreicht; vgl. auch unten e. e) Für die Belastung mit a n d e r e n R e ch t e n als den in 8 5 Abs. 2 angeführten, z.B. mit persönlichen Dienstbarkeiten (z. B. Nießbrauch usw.) oder hinsichtlich Vermietung oder Verpachtung kann eine Beschränkung des Erbbauberechtigten durch Bindung an die Zustimmung des Grundstückseigen­ tümers im Wege des 8 5, also mit dinglicher Wirkung nicht erfolgen (vom sozialen Gesichtspunkt aus ist dies zu beklagen, vgl. Michaelis, BayZ. 1919 S. 170. Es verbleibt sonach für solche Fälle bei der allgemeinen Regel des 8 137 BGB., d. h. es kann eine derartige Beschränkung des Erbbauberechtigten durch Bindung an die Zustimmung des Grundstückseigentümers oder einer anderen Person zwar vertragsmäßig erfolgen, eine derartige Vereinbarung äußert aber nur schuldrechtliche Wirkung; eine gegenteilige Verfügung ist also trotz der entgegenstehenden rechtsgeschäftlichen Bindung nach außen hin an sich wirksam, der Verfügende kann nur persönlich von dem in Anspruch ge­ nommen werden, dem gegenüber er sich verpflichtet hat, eine derartige Ver­ fügung nicht vorzunehmen. 2. Bisher wurde mehrfach angenommen, daß die Bindung der Veräußerung an die Zustimmung des Grundstückseigentümers mit dem Grundsätze der Veräußerlichkeit des Erbbaurechts nicht vereinbar sei (vgl. z.B. Dietzsch, Praris des Erbbaurechts S. 25, Wittmaack a. a. O. S. 45 Anm. 1). Es ist aber darauf hinzu­ weisen, daß es sich hiebei jeweils nicht um einen vollen Ausschluß der Veräußerlichkeit handelt, sondern nur um eine Beschränkung der Veräußerung, die an sich zulässig ist (s. auch Bem. IV, 1, a und d zu 8 1); außerdem ist ja die Rechtslage nach der VO. auch nicht die, daß der Grundstückseigentümer jede Veräußerung schlechthin nach seinem Belieben unmöglich machen kann, vielmehr hat der Gesetzgeber gegien eine r e i n w i l l -

IV. Abschnitt.

Erbbaurecht.

7(13,4,11) 693

kürliche oder schikanöse Ausübung der Rechte des Grundstückseigentümers ent­ sprechend vorgesorgt. Vgl. näher § 7 mit Bem. III unten. Immerhin aber liegt freilich in § 6, rvornach der Erbbauberechtigte rechts­ geschäftlich in der Befugnis über sein grundsätzlich veränderliches Recht nunmehr mit dinglicher Wirkung beschränkt werden kann, eine Durchbrechung des in § 137 Abs. 1 Satz 1 aufgestellten Grundsatzes, wonach die Verding­ lichung eines rechtsgeschäftlichen Veräußerungsverbots bisher ausgeschlossen war und auch durch Eintragung im Grundbuche nicht herbeigeführt werden konnte, vgl. Dannenbaum, Erbbaurecht S. 18, Zeitler, BayNotZ. 1919 S. 135 Anm. 3 sowie oben Bem. 1, d und vgl. auch Bem. 2, a 311 § 137 BGB. und Bem. IV, 2, a, y zu § 892 BGB. Ferner steht auch im § 8 im Gegensatze zu § 1136 BGB. (Eine Verein­ barung, durch die sich der Eigentümer dem Gläubiger gegenüber verpflichtet, das Grundstück nicht zu veräußern oder nicht weiter zu belasten, ist nichtig),- vgl. Rosenberg, DIZ. 1918 S. 479 und auch Erman, Iahrb. f. Bodenreform Bd.IV (1908) S. 292 ff. Über wirtschaftliche Mißstände durch § 8 vgl. Bem. 3 hiezu. 3. Ein Heimfallanspruch des Grundstückseigentümers (vgl. § 2 Nr. 4 mit Bem. II,4 zu § 2) kann aber mit einer Zuwiderhandlung gegen derartige Vereinbarungen nicht erzwingbar verbunden werden. Die VO. drückt dies in 8 6 Ab s. 2 — ähnlich wie in § 1 Abs. 4 — dahin aus: „Auf eine Vereinbarung, daß ein Zuwiderhandeln des Erbbauberechtigten gegen eine nach § 5 übernommene Beschränkung einen Heimfallanspruch begründen soll, kann sich derGrundstückseigentümer nicht berufen." Über die Tragweite dieser Vorschrift s. näher Bem. VII, 2, b zu § 1. 4. Mit Recht weist aber Pesl in „Um Grund und Boden" Bd. 6 S. 275, 276 darauf hin, daß die Bestimmungen der §§ 5—7 die Bewegungsfreiheit des Erbbauberechtigten sehr stark einschränken und unter Umständen dem Zwecke der Neuregelung zuwiderlaufen, die das Erbbaurecht anziehender machen und seine Beleihungsfähigkeit mitsteigern will. Bei ihrer Festsetzung soll daher mit Vorsicht verfahren werden. Die hier zugelassenen Einschränkungen sind zweifellos ganz am Platze, wenn z. B. eine Gemeinde oder eine gemeinnützige Körperschaft Erbbaurechte zugunsten bestimmter Personenkreise, z.B. für Arbeiter oder Beamte, schafft; sie hindern dann, daß andere Personen in den Kreis der Berechtigten eintreten oder daß der Erbbauberechtigte sein Recht infolge leichtfertiger Wirtschaft zu stark belastet und schließlich verliert. In den Fällen aber, in denen die Grundstückseigentümer rein privat­ wirtschaftlich handeln, können solche Fesseln das Erbbaurecht leicht unbeliebt machen und vielfach zur Willkür führen. Vgl. aber auch § 7 mit Bem. III unten. II. Rechtswirkung und Schutz derartiger Vereinbarungen:

a) Mit der Eintragung derartiger Vereinbarungen im Grundbuche des Erb­ baurechts — wegen der Streitfrage, ob diese ihrem ganzen Inhalte nach einge­ tragen werden müssen oder ob nach § 874 BGB. auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden darf, s. Bem. II, 2 zu 8 14 — tritt unmittelbar ihre dingliche Wirkung ein, so daß solche Vereinbarungen nunmehr auch dritten Personen gegenüber unmittelbar wirksam sind, ohne daß es also der besonderen Sicherung durch eine Vormerkung (88 883 ff. BGB.) bedarf; dies ergibt sich aus dem öffentlichen Glauben des Erbbaugrundbuchs (§ 892 BGB ); vgl. auch Bem. III, 2 zu 8 14 und unten Bem. b. b) Ist der Erbbauberechtigte in der Verfügung durch eine Vereinbarung nach 8 5 beschränkt, so ist eine Veräußerung oder Belastung des Erbbaurechts im Sinne jener Vorschrift unwirksam, solange nicht der Grundstücks­ eigentümer die erforderliche Zustimmung erteilt hat — § 6 Abs. 1 — (vgl. auch 88 182ff. BGB.; der Unterschied des rechtlich unwirk­ samen Rechtsgeschäfts im Verhältnis zum nichtigen Rechtsgeschäft liegt darin, daß bei letzterem die Nichtigkeit grundsätzlich unheilbar ist). Die Zustimmung des Grundstückseigentümers bedarf an sich nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form (8 182 BGB). Da sie aber dem Grundbuchamte zum Zwecke einer Eintragung vorzulegen ist (vgl. § 15), so muß sie entweder vor dem Grundbuchamte zu Protokoll gegeben oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden (§ 29 GBO.; s. auch 8 5 Abs. II der Bay. Bek. vom 10. Iuli 1920 IMBl. S. 174). Da auch öffentliche Urkunden zugelassen sind (vgl. auch § 415 ZPO ), können z. B. Behörden, Gemeinden usw. die Zustimmung selbst in einer Urkunde er-

694 7 (III)

Drittes Buch.

Sachenrecht.

klären, die von der vertretungsberechtigten Behörde usw. in der sonst für Willenserklärungen vorgeschriebenen Form hergestellt ist (s. auch Bem. II, 1, a, Bei Vereinbarungen über Beschränkung der Belastung des Erb­ baurechts: «) Die Belastung muß mit den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirt­ schaft vereinbar sein, also nach Maßgabe der wirtschaftlichen Verhältnisse im Rahmen des Erbbaurechts (vgl. auch 8§ 1039, 1122 BGB.). ß) Auch hier (vgl. oben Bem. a, Nähere Anweisungen für Abschätzung können nach §22 die Landesgesetze geben. Einstweilen vgl. für Preußen das Schätzungsamts-Gesetz vom8.Iuni 1918 (GS. S. 83) und dazu Vollmer, IW. 1918 S. 471 ff. Für Bayern vgl. IMBek. vom 14. Iuli 1909 IMBl. S. 307. b) Es ist ferner durch sorgfältige Ermittlung festzulegen der jährliche Mietremertrag, den das Bauwerk nebst Bestandteilen des Erbbaurechts unter Berücksichtigung seiner Beschaffenheit bei ordnungs­ mäßiger WirtschaftjedemBesitzernachhaltig gewähren kann. Damit ist also die sogenannte Netto miete gemeint (vgl. auch Dietzsch, Die Praris des Erbbaurechts S. 189 ff.). «) Um diese zu finden, ist zunächst die Brutto miete zu berechnen aus der Summe der Mielerträgnisse für ein Iahr. Von dieser Summe ist abzuziehen ein ortsüblicher Satz für Kosten der Verwaltung und In­ standhaltung der Baulichkeit (dieser ist sehr verschieden je nach Ort und Art der Baulichkeiten; in Großstädten stellt er sich bei Häusern auf 15—25%, wobei als kostensteigernd namentlich Warmwasser- und Zentralheizungsein­ richtungen in Betracht kommen; vgl. Nußbaum, Hypothekenwesen S. 125 ff.). Der hiernach ermittelte Mietsertrag ist sodann zu kapitalisieren. Der Entwurf hatte in dieser Hinsicht den zwanzigfachen Betrag der Nettorente als Norm aufgestellt. Die VO. hat aber davon abgesehen, hier eine Bindung aufzu st eilen, wohl weil die übliche Kapitali­ sierung mit 5% des Nettobetrags, die dessen zwanzigfachem Betrag ent­ spricht, nicht unter allen Umständen zutreffend und in den Zeiten wandelbar ist (vgl. Nußbaum a. a. O. und Lützeler in SchmollersI. 1902 S. 119 ff., aus der Praris vgl. auch KGI. Bd. 25 A S. 14); der Zinsfuß bestimmt sich, wie bei Grundstücken, nach der jeweiligen Verkehrsübung. (Dannenbaum, Erbbaurecht S. 24 macht darauf aufmerksam, daß die übliche Kapitalisierung mit 5% vom Häuser kauf ausgeht, weil nämlich ein Haus­ eigentümer von seinem Kapital zurzeit regelmäßig eine fünsprozentige Ver­ zinsung erwartet; auf das Erbbaurecht angewendet, werde man aber sagen müssen, daß, wer ein Erbbaurecht kauft, von vorneherein eine höhere Verzinsung seines Eigenkavitals erwarte, als der Käufer eines Eigengrund­ stücks, da letzterer in der Möglichkeit der Wertsteigerung einen gewissen Aus­ gleich zu finden hofft; aus diesem Grunde werde der Kapitalisierungszins für das Erbbaurecht wohl regelmäßig etwas höher als 5% anzusetzen sein). Bei der Frage der Kapitalisierung wird noch ein weiteres Moment zu berücksichtigen sein, nämlich der Unterschied zwischen sog. ewigen und zeitlich begrenzten Erbbaurechten. Während nämlich die Kapitali­ sierung von Nutzungen unbeschränkter Dauer unter Zugrundelegung des jeweils üblichen Zinsfußes erfolgen kann, würde ein solches Verfahren bei Nutzungen, deren zeitliche Begrenzung von vorneherein festStaubingcr, B