J. v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch: Band 2, Teil 1 Recht der Schuldverhältnisse, Teil 1: §§ 241–580 [5./6. neubearbeitete Aufl. Reprint 2020] 9783112346808, 9783112346792


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German Pages 924 [980] Year 1910

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J. v. Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch: Band 2, Teil 1 Recht der Schuldverhältnisse, Teil 1: §§ 241–580 [5./6. neubearbeitete Aufl. Reprint 2020]
 9783112346808, 9783112346792

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). v. Staudingers Kommentor MM

Bürgerlichen Gesetzbuch und dem Linsührungsgesetze herausgegeben von

Dr. Theodor Loewenfeld,

Dr. Erwin Kiezler,

Uvtv.-Professor und RechtSarrwalt in München

Professor an der Universität Freiburg i. B.

Philipp Maqring t,

Dr. Ludwig Kuhlenbeck,

Ä. Oberlandesgerichtsrat in München

Recht-anwalt in Jena, Vorm. ord. Professor an der Universität Lausanne

Dr. Karl Kober,

Dr. Theodor Engelmann,

Ä. Oberlandesgerichtsrat in München

K. OberlandesgerichtSrat in München

Dr. Zelix Herzfelder,

Joseph Wagner,

Rechtsanwalt und Justizrat in München

Rat am K. Obersten Landesgericht München.

5./6.

neubearbeitete

Auflage.

1910. München nnd Berlin. I. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier).

I. i. Stiuiiingtrs Kommentar zm Mßttlicht» GesHllch md Hem Einfühmsszesetze 11.

Band.

Recht -er Schul-verhältnisse I. Teil, §§ 241-580. Erläutert von

Dr. zuLmig Kuhlenkeck, unb RechtSanwalk in Jena, Vorm. vrd. Professor an der Universität Lausanne.

Dr. Karl Kader, K. OberlandeSgerichtSrat in München.

5./6. neubearbeitete AuflNAe.

1910. München und Berlin. I. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier).

Inhaltsübersicht zum zweiten Bande (l. Teil.) Zweites Buch.

Recht der SchnldnerhLltnisse.

Allgemeiner Teil. (Borbemerkunaen, §§ 241—432, erläutert von Dr. L. Kuhlenbeck.) Seite

Literatur im allgemeinen.......................................................... VI Abkürzungen.......................................................................................................................................... VH Nachtrag .................................................................................................................................... VIII

Borbemerkuugen.................................................................................................................. Erster Abschnitt. Inhalt der Schuldverhältniffe.................................. Erster Titel: Verpflichtung zur Leistung.......................................... Zweiter Titel: Verzug des Gläubigers.......................................... Zweiter Abschnitt Schuldverhältniffe aus Verträgen......................... Erster Titel: Begründung Inhalt des Vertrags........................... Zweiter Titel: Gegenseitiger Vertrag ................................................ Dritter Titel: Versprechen der Leistung an einen Dritten . . . Vierter Titel: Draufgabe. Vertragsstrafe..................................... Fünfter Titel: Rücktritt .................................................................... Dritter Abschnitt. Erlösche« der Schnldverhältuiffe......................... Erster Titel: Erfüllung.......................................................................... Zweiter Titel: Hinterlegung................................................................ Dritter Titel: Aufrechnung..................................................................... Vierter Titel: Erlaß............................................................................... Vierter Abschnitt. Übertragung der Forderung................................... Fünfter Abschnitt. Schuldüberuahme...................................................... Sechster Abschnitt. Mehrheit von Schnldneru und Gläubigern . . .

1

241—304 241—292 293—304 305—361 305—319 320—327 328—335 336—345 346—361 362—397 362-371 372—386 387—396 397 398—413

14 14 188 203 206 235 275 293 313 336 347 373 393 416 418

414—419

456

420—432

480

Besonderer Teil. (Einleitung, §§ 433—580, erläutert von Dr. K. Kober.) §§

Siebenter Abschnitt. Einzelne Schuldverhältniffe.............................. 433—853 Einleitung.......................................................................................................................... Erster Titel: Kauf. Tausch ............................................................... 433—515 I. Allgemeine Vorschriften........................................................ 433—458 II. Gewährleistung wegen Mängel derSache..................... 459—493 HI. Besondere Arten des Kaufes................................................ 494—514 IV. Tausch..................... .................................................................... 515 Zweiter Titel: Schenkung..................................................................... 516—534 Dritter Titel: Miete. Pacht............................................................... 535—597 I. Miete.......................................................... ............................... 535-580

Seite

523 523 526 529 605 708 735 737 777 777

Der Schlnh des „Besonderen Teils" und das „Alphabetische Register" zum 2. Bande ist im 2. Teile enthalten.

Literatur im allgemeine«. Die Spezialliteratur ist in Fußnoten (*) bei den einzelnen Abschnitten, Titeln oder Paragraphen aufgeführt.

Achilles — Bürgerliches Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz, nach dem Tode des ersten Herausgebers A. Achilles herausgegeben von M. Greiff, 6. Ausl, Berlin 1909. Cosack — K. Cosack, Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts auf der Grundlage des BGB. l. Bd , 4. Aufl. Jena 1903. Die 5. Aufl., 1910, konnte nur teilweise noch benützt werden. C r o m e — K. Crome, System des deutschen Bürgerlichen Rechts, 2. Bd., Recht der Schuldverhältnisse. Tübingen und Leipzig 1902. Dern bürg — H. Dernburg, Das Bürgerliche Recht des Deutschen Reichs und Preußens, 2. Bd. (Schuldverhältnisse), 2. Abteil. (Einzelne Obligationen). 3. Aufl. 1906. Dernburg, Pand. — H. Dernburg, Pandekten, 2. Bd. (Obligationenrecht), 7. Aufl. (unter Mitwirkung von I. Bierumnn), Berlin 1903. Eck-Leonhard — Borträge über das Recht des BGB. von E. Eck; nach des Verfassers Tod durch Feststellung des Wortlautes fortgeführt und mit Anmerkungen versehen von R. Leonhard, Bd. I, 1. und 2. Aufl, Berlilt 1903. Endemann — F. Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl., 1. Bd., Berlin 1903. Enneccerus — Ludw. Enneceerus, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts. 1. Bd. (Ein!., allgem Teil, Schuldverhältnisse) 4. u. 5. Aufl. Marburg 1910. Fisch er-Henle — Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896. Handausgabe, herausgegeben von O. Fischer und W. v. Henle, 8. Aufl., München 1909. Goldmann-Lilienthal — Das BGB. systematisch dargestellt von E. Goldmann und L. Lilienthal. 1. Bd. (Allg. Teil und Schuldverhältnisse) 2. Aufl. Berlin 1903. Habicht — H. Habicht, Die Einwirkung des BGB. auf zuvor entstandene Rechtsverhältnisse, 3. Aufl. Jena 1901. Hachenburg — M. Hachenburg, Das BGB. für das Deutsche Reich, Borträge, 2. Aufl., Mannheim 1900. Jacubezky, Bem. — K. Jacubezky, Bemerkungen zu dem Entwürfe eines BGB. für das Deutsche Reich, München 1892. Kohler — I. Kohler, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts. 2. Bd. (Vermögensrecht), 1. Teil (Schuldrecht). Berlin 1906. Kuh lendeck = L. Kuhlenbeck, Das BGB. für das Deutsche Reich nebst dem Einführungs­ gesetze (Handkommentar) 2. Aufl., 1. Bd. Berlin 1903. Ma tthiah — B. Matthiaß, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, 1. Bd., 4. Aufl., Berlin 1900. Meisner — I. Meisner, Das BGB. für das Deutsche Reich nebst dem Einführungs­ gesetze ; 2. Buch, Recht der Schuldverhältnisse. Breslau 1898. Neumann — H. Neumann, Handausgabe des BGB. für das Deutsche Reich, 1. Bd., 5. Aufl., Berlin 1909. Oertmann — Paul Oertmann, Das Recht der Schuldverhältnisse. 2. Aufl. Berlin 1906; die 3. Aufl, 1910, konnte nur ab §§ 433 ff. benützt werden. Planck — G. Planck, Bürgerliches Gesetzbuch nebst EinsührungSgesetz, 2. Bd. 3. Aufl. Berlin 1907 (7. Abschnitt, Til. 1—3 bearbeitet von Greiff, Til. 4-11 von Andrö, Til. 12—14 von Planck, Til. 15 — 18 von Unzner, Til. 19—21 von Strecker, Til. 22—25 von Planck). Scherer — M. Scherer, Recht der Schuldverhältnisse des BGB. für das Deutsche Reich. Erlangen 1899. Schollm eyer — Fr. Schollmeyer, Das Recht der einzelnen Schuldverhältnisse im BGB. 2. Aufl. Berlin 1904. Weyl — R. Weyl, Borträge über das BGB. für Praktiker, 1. Bd. München 1898. Windscheid-Kipp, Pand. — L. Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 9. Aufl., be­ arbeitet von Th. Kipp, 3. Bd., Frankfurt a. M. 1906.

Abkürzungen. AG. — Ausführungsgeseh zum BGB. AGO. — Ausführungsgesetz zur Grundbuch­ ordnung und zu dem Gesetz über die Zwangsversteigerung und die ZwangsVerwaltung Anf.Ges. = Gesetz betr. die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außer­ halb des Konkursverfahrens. Bayr. Oberst. LG. — Sammlung von Ent­ scheidungen des Bayrischen Obersten Landes­ gerichts in Zivilsachen; — n. F — Samm­ lung re. neue Folge (von 1901 ab). Bayr. Z f. R. — Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern. Bl. s. RA. Dr. I. A. Seufferts Blätter für Rechtsanwendung. BLR. — Bayrisches Landrecht. BGB. — Bürgerliches Gesetzbuch.

cod. civ. — code civil. D. = Denkschrift (z. B D. z. ZPO.); D. (ohne Beisatz) — Denkschrift zum Entwurf eines BGB. D. Jur.Z. Deutsche Juristenzeitnng. E. 1, II, HI = Entwurf I, II, III d. BGB. EG. — Einführungsgesetz z. BGB. Entsch. FG. = Entscheidungen in Angelegen­ heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechls, zusammengestellt im Reichs-Justizamte. FG. — Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. GBO. — Grundbuchordnung. Gem. R. — Gemeines Recht. Gruchot, Beitt. — Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, begründet von Gruchot. G. u. VBl. — Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Bayern. GBG. = Gerichtsverfassungsgesetz. HGB. — Handelsgesetzbuch. Jur. Wschr. Juristische Wochenschrift. KO. — Konkursordnung. Kreittmayr, Ann. — Kreittmayr, Annotattonen zum bayer. Landrecht.

LZ. — Leipziger Zeitschrift für Handels-, Konkurs- und Bersicherungsrecht. M. I, 1 — Motive zum Entwürfe (I) eines BGB. Bd I Seite 1. Mot. z. EG. — Motive zum Einführungsgesetz z. BGB. Not.Ges. — Notariatsgesetz. P. 1,1 — Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des BGB. Bd. I Seite 1. PLR. — Preußisches Landrecht. RG. = Reichsgesetz. RGBl. — Reichsgesetzblatt. ROHG. — Entscheidungen des Reichsober­ handelsgerichts. RTK. 1 — Bericht der Reichslagskommission Sette 1. Röm. R. = Römisches Recht. RGE. — Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen. RGE. in SIS. Entscheidungen des Reichs­ gerichts in Strafsachen RGR.-Komm. — Das BGB, erläutert von Reichsgerichtsrälen. Rspr. d. OLG. — die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts, herausgegeben von Mugdan und Falkmann. Sächs. GB. = Bürgerliches Gesetzbuch für dos Königreich Sachsen. Seuff. Arch. = Seufferts Archiv. StB. 1 — Stenographische Berichte des Reichs­ tags Sette 1. StGB. — Strafgesetzbuch. StPO. = Strafprozeßordnung. Zenlral-Bl. — Zentral-Blatt für freiwillige Gerichtsbarkett u. Notariat, sowie Zwangs­ versteigerung. ZG. I, 1 — Zusammenst. d. gutachtl. Aeuße­ rungen zu dem Entw. eines BGB. Bd. I Seite 1. ZPO. — Zivilprozeßordnung. ZwBG. — Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung.

Sämtliche Gesetzesmaterialien sind in der Ausgabe von I. Guttentag zittert.

Nachtrag zu § 24» Bem. 4 (S. 57). Der in Abs. 2 dieser Bemerkung stehende Satz, daß bei anfechtbaren Verträgen, ins­

besondere bei

Anfechtung

wegen arglistiger Täuschung „zunächst der durch

trag bezweckte Zustand anzustreben" ist bedarf der Berichtigung.

den Ver­

Gewichtige Gründe (vgl.

vor allem Bem. VI zu § 123, Bem. 3, e und 8 zu 8 463 und Vorbem. III, d ju § 823)

sprechen gegen diese vomReichsgericht in den angeführten Entscheidungen vertretene Ansicht; der Schadensersatz beschränkt sich im Falle der Anfechtung vielmehr

auf Herstellung deS Zustandes überhaupt, wie er ohne die arglistige Täuschung (oder Drohung

bestehen würde, also auf das negative Vertragsinteresse.

Allgemeiner Teil. 88 241-432 erläutert

von

Dr. K«-mig Knhlenlreck.

Zweites Kuch.

Kecht der SchnldvertzLltniffe?

Vorbemerkungen. Das „Recht der Schuldverhältnisse" entspricht dem Obligationsrechte des gemeinen Rechtes. Die Bezeichnung „Recht der Schuldverhättnisse" wurde zwecks Vermeidung des Fremd­ worts nach dem Vorgänge des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuches für Bayern und des Dresdener Entwurfs als eine daS gesamte obligatorische Verhältnis, Forderungsrecht und ent­ sprechende Verbindlichkeit, möglichst deckende Bezeichnung gewählt. M. II, 1. Die Stellung im System als Buch II vor dem Sachenrechte (Buch III) weicht von der früher im gemeinen Rechle üblichen Reihenfolge ab, sie ist entsprechend der Reihenfolge des bayerischen Entwurfs von 1861/4 von der ersten Kommission für das BGB. beschlossen worden

*) Aeltere Literatur: Unterholzner, Quellenmäßige Zusammenstellung der Lehre des röm. Rechts von den Schuldverhältnissen, 2 Bde. 1840; v. Savigny, Das Obli­ gationenrecht als Teil des heutigen röm. Rechts Bd. 1 und 2 (1851, 1853); Mommsen, Beitr. z. Obligationenrecht2. Teil 1855. Windscheid-Kipp, Lehrbuch des PandektenrechtsII; Koch, Das Recht der Forderungen nach gern, und Preuß. Recht mit Rücksicht auf neuere Gesetzgebungen 3 Bde; Ryk, Die Lehre von den Schuldverhältnissen nach gern, deutschem Recht, 3Lieferungen 1883, 1887, 1889: Molitor, les obligations en droit romain avec indication des rapports entre la legislation romaine et le droit frangais, 3 Tomes 1851—1853; Hase nöhrl, Das österr. Obligationenrecht 1 Bd. 1878, 1881; 2. Bd. 1886. Zu den Entwürfen: Baron, Jahrbuch f. Nationalökonomie Bd. 19; Bähr, Krit. Vierteljahrsschrift Bd. 32 S. 196 ff.; Bekker (Bekker und Fischer, Beitr. Heft 2); Bernhöft (Bekker und Fischer, Beitr. Heft 12); Boyens (Gutachten aus dem Anwallstande, Heft 9); Endemann, Lehrbuch Teil II; Gebhard, Gutachten aus dem Anwallst., Heft 9; Gierke, Verhandl. des 20. deutsch. Juristenlags Bd. 4; Lab and, Archiv f. d. zivilist. Praxis Bd. 73 S. 161 ff.; Hanausek, Verhandl. d. 20. deutsch. Juristentags Bd. 1; Heusler, Krit. Vierteljahrsschrist Bd. 32 S. 177 ff.; Jacoby, Hirths Ann. 1890 S. 34 ff.; Klöppel, Gruchot, Beitr. Bd. 32 S. 611 ff.; Stroh al, Zur Beurteilung des Rechts der Schuldverhättnisse tJherings Jahrb. Bd. 33 Nr. 5); Seuffert, Bekker und Fischer, Erl. z. Entw. Heft 11. Vgl. ferner Ryck, Die Lehre von den Schuldverhältnissen 1889. Zum BGB.: Meisner, Das Recht der Schuldverhättnisse, Kommentar zum zweiten Buche des BGB., Breslau 1898; Stobbe (Lehmann), Handbuch des Deutschen Privatrechts Bd. HI (1898); Dernburg, Das BGB. Bd. H, 1,3. Aust. 1904; Cosack, Bürger!. Recht Bd. 1, 4. Aufl.; Landsberg, Das BGB. 1904; Rehbein, Das BGB. mit Er­ läuterungen Bd. II (1903); Goldmann und Lilienthal, Das BGB. 1903; Ende­ mann, Lehrbuchl S. 570 ff., 8. Aufl. 1903; Enneccerus, Das Bürgert. Recht Band II (3. Aufl.); Oerlmann, Das Recht der Schuldverhättnisse, Kommentar, Berlin, Karl Hey­ mann, 2. Auflage 1906; Stammler, Das Recht der Schuldverhättnisse in seinen allgemeinen Lehren, Berlin 1897; Kuhlenbeck, Bon den Pand. z. BGB. II; Crome, SystemII; Müller und Meikel I §§ 73—109; Planck, Komm. II; Schollmeyer, Recht der Schuldverhättnisse, 2. Aufl. 1904; Schäffer, Grundriß des Obligationenrechts, Berlin 1906; Kohler, Lehrbuch II; Heilfron, Lehrbuch, Bd. II. Staudinger, BGB. Ila (Kuhlenbeck, Recht der Schuldverhältnlsse). 5./6. Ausl.

1

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Recht der SchuldverhäHnisse.

und verdient insofern Billigung, als einerseits der allgemeine Teil dieses Buches sich natur­ gemäß an die allgemeinen Begriffe und Normen des I. Buches anschließt und anderseits das gesamte übrige Rechtsgebiet, insbesondere die sachenrechtlichen, familienrechtlichen und erbrecht­ lichen Verhältnisse selten ohne obligatorische Bestandteile sind, während umgekehrt zahlreiche Schuldverhältnisse ohne Beziehungen zu jenen Rechtsgebieten Vorkommen. Vgl. Kuhlenbeck, Bon den Pand. z. BGB. II S. 2, Schwartz im Arch. f. bürgerl. R. Bd. 1 S. 125, 176. I Begriff deS Schttldverhäitniffes. *) Eine Legaldefinition des Schuldverhältniffes gibt das BGB. in §§ 241, 242. Zur Vorbereitung und Ergänzung der bei diesen Paragraphen folgenden besonderen Bemerkungen heben wir hervor: 1. Das römisch-rechtliche Wort obligatio und das deutsch-rechtliche „Schuld­ verhältnis" bezeichnet zwei begrifflich durchaus verschiedene Seilen der rechtlichen Auffassung, Unterschiede, auf die bereits Brinz, Pand. H § 206 hingewiesen hat; vgl. auch Puntschart, Die moderne Theorie des Privatrechts und ihre begrifflichen Mängel (1893) S. 125—264, ferner den Aufsatz von Jsay, Schuldverhältnis und Haftungsverhältnis im heutigen Recht, Jherings Jahrb. Bd. 48 S. 187 ff. Während obligatio sich am angemessensten durch wiedergeben läßt (Brinz a. a. £).), bedeutet .Schuld" ein Sollen und zwar vom passiven Standpunkte aus (Schuldnerseite) ein Leistens olle n, vom aktiven Stand­ punkte aus (Gläubigerseite) ein „Bekommensollen". Die Haftung dagegen bezeichnet das Ein stehen müssen für dieses Sollen, für die Leistungspflicht. Beide Begriffe sind zunächst völlig unabhängig von einander; man kann z. B. haften, bevor man schuldet, (der Depositar Haftel schon, bevor der Deponent die Sache von ihm zürückfordert); man kann haften, ohne jemals zu schulden (Beispiel: der Bürge für eine erst zu begründende und tatsächlich nicht existent gewordene Schuld), man kann endlich schulden, ohne zu haften (Beispiel: die Naturalobligation unter I, 9 dieser Vordem.). Schulden kann nur eine Person, haften sowohl eine Person als auch eine Sache. Haftung ist Ein­ stehen, Einsatz, rechtliche Belangbarkeil wegen einer bestimmten Schuld, d. h. für den Fall, daß eine bestimmte Schuld nicht erfüllt wird. Haftung und Schuld stehen nicht im Verhältnis von Mittel und Zweck. Die Schuld ist vielmehr der Beweggrund, aus welchem das objektive Recht einen freien Menschen oder eine Sache haftbar macht, zugleich aber auch condicio Juris für die Wirksamkeit einer Haftung. Vgl. Stobbe-Lehmann HI S. 104. Art und Maß der Haftung ist der verschiedensten Gestaltungen und Abstufungen fähig. Während die älteren Rechte die Personenhaftung als Einstehen mit dem ganzen rechtlichen Dasein der Person, mit „Gut und Blut" kannten (Personalexekution, körperliche Haftung), beschränkt sich im modernen Recht, abgesehen von der durch Haft (Freiheitsbeschränkung) erzwingbaren Manifestationspflichl, dem Personalarrest und der Zwangshaft (ZPO. §§ 918, 888), auch die Personenhaftung im allgemeinen auf eine Haftung mit dem Bermö gen. Auch diese Bermögenshastung kann wieder beschränkt sein auf einen bestimmten Bermögenskomplex (z. B. die Erbschaft, das Gemeinschaftsgut bei der ehelichen Gütergemeinschaft, das Gesellschaftsvermögen). Bon dieser beschränkten Personalhaftung ist die reine Sachhaftung wohl zu unterscheiden, bei der das Zugriffsrecht des Gläubigers von vorn» herein auf einen bestimmten Gegenstand beschränkt ist, wie z. B. beim Pfandrecht, der Reallast, Rentenschuld, Grundschuld, Hypothek. Vgl. L. v. Seuffert im Jahresbericht der Jurist. Gesellschaft zu München 1902 S. 236 ff., auch Schwind, Wesen und Inhalt des Pfand­ rechts S. 1 ff.; Hartmann-Meikel, Anfechtungsgesetz S. 31 Note 1. Anderseits kann auch die Haftung auf einen gewissen Höchstbetrag beschränkt sein, so z. B. gesetzlich die Haftung des Kommanditisten, der Mitglieder von Gesellschaften mit beschränkter Haftpflicht. Vgl. Ehren­ berg, Beschränkte Haftung 1886; Dernburg, Bürgerl. Recht II § 12; EnnecceruS, Bürgerl. Recht II § 227; Nothnagel, Beschränkte Haftung 1900. Der Ausdruck .Schuld" bezeichnete ursprünglich und bedeutet auch heute noch im weitesten Sinne jedes Verhalten, das eine Haftung begründet, vorzugsweise den subjektiven

♦) Literatur: Vgl. Siber, Zur Theorie von Schuld und Haftung nach Reichsrecht in Jherings Jahrb. Bd. 50 S. 372—419.

Tatbestand eines Delikts (culpa). Das älteste Recht kannte nur diese Bedeutung der Schuld und beurteilte das sich daraus ergebende Forderungsrecht des Verletzten aus dem Gesichts­ punkte der Privatrache. Vgl. für das röm. Recht v. Jhering, Geist des röm. Rechts I § Ila; Enneccerus, Bürger!. Recht II S. 570 Note 1. Erst allmählich hat sich hieraus der Begriff der Schuld als einer privatrechtlichen LeistungsPflicht abgezweigt und bezeichnet nunmehr im engeren privatrechtlichen Sinne den Leistungs g eg e nstan d oder Leistung sinh alt selbst (Leistensollen bzw. Bekommensollen). Als Haftungs gründ wird dann die Schuld mit der Haftung selbst identifiziert; sie bindet wie eine Feffel, kann durch Tilgung „gelöst" werden (debitum solvere), und so wird jenes „lösen" der Schuld in der römischen Rechtssprache als solutio ebenso wie in der älteren germanischen Rechtssprache geradezu Name der Leistung im weitesten Sinne (solvere = zahlen). Das Wort „SchnldVerhältuiS^ umfaßt nunmehr im Privatrecht wie der Ausdruck ^Obligation" die Gesamtheit der auf Grund einerSchuld zwischen Gläubiger und Schuldner bestehenden Beziehungen, also sowohl die Schuld, daS Leisten­ sollen, als auch das „Bekommensollen", demnach sowohl den Anspruch als auch die Haftung für die Schuld. Daß die im vorstehenden hervorgehobene Unterscheidung zwischen Schuld (der passiven Seite) bzw. Anspruch (der aktiven Seite) einerseits und der Haftung in der deutsch-rechtlichen Auffassung des Obligationenrechls begründet ist, pflegt nicht mehr bestritten zu werden. Vgl. z. B. Dernburg, Bürger!. R. II S. 2. Nur einzelne Romanisten stellen die Erheblichkeit der Unterscheidung für das röm. Recht und unter Bezugnahme darauf auch für das BGB. in Abrede. So Dernburg a. a. O., wenngleich auch dieser einige Nachwirkungen der alten deutsch-rechtlichen Vorstellung einräumt. Dagegen wendet sich bemerkenswerter Weise Bekker, Sprachliches und Sachliches zum BGB. in IHerings Jahrb. Bd. 49 (1905) S. 64 ff. („Der Gegensatz von Schuld und Haftung in dem angegebenen Sinne beherrscht geradezu das röm. Recht und ist wohl in keinem anderen zu feineren Konsequenzen verarbeitet^). Vgl. beispielsweise 1. 14 § 10 D. de furtis 47, 2. (Die actio furti kann nur derjenige anstellen, der für die gestohlene Sache haftet, nicht jeder, der sie unter Umständen fordern kann, z. B., nicht der Hausvater, wenn deffen Haussohne eine diesem geliehene Sache gestohlen worden). Die von Siber, Rechtszwang S. 1 ff., 258 f., ferner in Jherings Jahrb. 1906 S. 55 ff. neuerdings mit großer Ausführlichkeit geltend gemachten Einwendungen können m. E. die hier vertretene Auffassung nicht widerlegen. Unsere Unterscheidung würde, selbst wenn die römischen Juristen sie nicht erkannt hätten, für jedes Schuldrecht logisch un­ abweisbar sein. So hat sich neuerdings auch Oertmann, Das Recht der Schuldverhältniffe, 2. Aufl. S. 3 für ihre Verwertung in günstigem Sinne geäußert. M. E. ist sie nicht nur für das Verständnis der sog. natürlichen Verbindlichkeiten, für die richtige Unterscheidung von Schuldverhältnissen und Ansprüchen, sondern auch (siehe unten, Vordem, zum 6. Abschnitt) vor allem für eine Klärung der Begriffe über Gesamtschuldverhältnisse von grund­ legender Bedeutung.

2. Das Schuldverhältnis bildet eine Unterart des relativen Rechte-, es ist ein rein Persönliches Beziehungsverhältnis, begründet Rechte und Verbindlichkeiten nur zwischen den Personen, welche durch dasselbe in eine rechtliche Beziehung zueinander getreten sind und begründet keinerlei unmittelbare Herrschaft über eine Sache. Insbesondere kennt das BGB, sich im Obligationenrecht streng an die römisch-recht­ liche Begriffsentwicklung anschließend, nicht das dem Preuß. ALR. bekannte sog. Recht zur Sacht, jus ad rem, d. h. eine relativ dingliche Wirkung der Obligation, derzusolge (vgl. PLR. Tl. I Tit. 10 § 25; Tl. I Til. 19 § 5) der spätere Erwerber, der einen obligatorischen Anspruch auf die Sache, das sogenannte Recht „zur Sache" des früheren Erwerbers, kannte diesem selbst dann weichen mußte, wenn ihm die Sache tradiert war, obgleich er also un­ zweifelhaft Eigentum an derselben erworben hatte. Vgl. auch EG. zu Art. 179, Bem. 2. Siehe auch Langheinecken, Anspruch und Einrede S. 14; Crome, System B § 138 Anm. 8 a. E.; Dernburg, BR. III § 63 (3) S. 186.

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Recht der Schuldverhältnisse.

Als Ersatz eines solchen jus ad rem [tann heutzutage nur die Anfechtungsschuld (aus Grund der Paulianischen Bestimmungen der KO. und des Anfechtungsges. vom 21. Juli 1879 bzw. 20. Mai 1898) in Frage kommen, die von Hartmann-Meikel, Anfechtungsgesetz S. 31, Linsmeyer, Grund und Umfang der Haftung wegen Benachteiligung der Gläubiger S. 58 ff., L. v. Seufsert a. a. O. aus dem Gesichtspunkte der beschränkten Haftung erklärt wird. An sich sind alle Forderungsrechle „unter einander gleich stark; hier gilt kein Vorzug der ftüheren Begründung, allein das Zuvorkommen in der Ausübung und Durchführung entscheidet". Vgl. Endemann I § 95 S. 572 Nr. 11. Eine Wirkung -eS Schuldverhältnisses gegenüber dritten Personen (beschränkte Haftung Dritter) findet nur ausnahmsweise statt: a) in den Fällen des §571 (Kauf bricht nicht Miete), § 556 Abs. 3 (Vermieter gegen Untermieter), § 604 Abs. 4 (Verleiher gegen Unterleiher), § 822 (Be­ reicherungsanspruch gegen den unentgeltlichen Erwerber); b) § 809 (Vorlegungsanspruch gegen jeden Besitzer der Sache); c) durch das Anfechtungsrecht im Konkurse nach KO. § 29 und außerhalb des Konkurses nach dem RG. vom 21. Juli 1879 bzw. 20 Mai 1898; d) im Falle des § 851 (Leistung des Ersatzes an den Besitzer). Die in diesen Fällen gesetzlich anerkannte Rückwirkung eines Schuldverhältnisses gegen dritte Personen beruht aber auf besonderen Gründen, ist durchausmittelbarer und sekundärer Natur und keineswegs geeignet, den begrifflich strengen Charakter des Forderungs­ rechts als eines relativen Rechts zu verwischen. Insbesondere ist daher (mit Oertmann, 2. Aufl. S. 1) die neuerdings vielfach aufgestellte Lehre zu verwerfen, daß durch ein Forderungsrecht ein Unterlaffungsanspruch gegen jedermann oder ein zu seiner Sicherung dienendes Aus­ schließungsrecht begründet werde (Neuner, Privatrechtsverhältnisse 1866 S. 70 ff.; Eltzbacher, Das rechtswirksanle Verhalten 1903 S. 286 ff.). Vgl. dazu § 823 Bem. 2, e, cF. Nur die Anwendung des § 826 und des § 823 Abs. 2 kann, wie auch Oertmann a. a. O. zugibt, in Fällen, in denen das Preuß. ALR. ein sog. jus ad rem annahm, in Frage kommen. Vgl. Bem. 3, a zu § 826.

3. Von dem SchuldverhättmS im Weiterm Sinne ist der aus demselben entspringende einzelne Forderungsanlpruch des Gläubigers zu unterscheiden; ein Schuldverhältnis im weiteren Sinne z. B. ein auf die Dauer abgestellter Berpfiichtungszustand, Miete, Arbeits­ vertrag, Gesellschaftsverhältnis, erzeugt außer dem obligatorischen Grundverhältnis (Haftung) verschiedenartige obligatorische Einzelrechte und Pflichten. Das Schuldverhältnis ist die „lebende Kraft", der Anspruch nur eine seiner „Lebensäußerungen" (P. Klein, Untergang der Obligation durch Zweckerreichung 1905 S. 82, s. auch dessen Aufsatz in der „Oesterr. Richterzeilung" 1904 S. 158 ff.; Crome I § 29 Nr. 4; Windscheid § 252 a. E.; Mitteis, Individualisierung der Obligation 1886; Oertmann a. a. O. S. 2). Zu unterscheiden ist SchuldverhättmS und Anspruch (§ 194 Abs. 1) nach dem Sprach­ gebrauch des BGB. auf alle Fälle. Der Anspruchsbegriff reicht weiter als das Gebiet der Schuldverhältnisse: „Geht der Anspruch aus anderen relativen oder absoluten (z. B. Familien-, dinglichen) Rechten hervor, so deckt er sich weder mit dem subjektiven Recht, noch konzentriert letzteres sich auf eine ein für allemal bestimmte Leistung, sondern es erzeugt Ansprüche ver­ schiedener Art nach Lage der Sache, z. B. auf Herbeiführung eines dem dinglichen Rechte entsprechenden Zustandes, Herstellung des ehelichen Lebens u. dgl. Das schließt nicht aus, daß auf den einzelnen entstandenen Anspruch vielfach die Regeln der Schuldverhältnisse entsprechende Anwendung finden, z. B. über das Maß der Haftung des Verpflichteten, Abtretung des Anspruchs u. dgl., so daß sich das allgemeine Schuldrecht vielfach tatsächlich zu einem allgemeinen Anspruchsrecht ausweiten läßt". Vgl. Crome II S. 5; ferner Planck II S. 4; Enneccerus § 147 Nr. II. Die nach dem Vorgänge Windscheids von vielen angenommene Identifizierung des modernen „Anspruchs" mit der römischen actio (dem „Recht zu klagen", jus proponendi in judicio quod sibi debetur) erhält, wie Bekker, Jherings Jahrb. Bd. 49 S. 57 treffend

bemerkt, durch die Unterscheidung zwischen Schuld(Forderung) und Haftung den Todesstoß. Nach richtiger Anschauung (vgl. auch Oertmann a. a. O. S. 3) ist der Anspruch keines­ wegs identisch mit dem (materiellen) Klagrecht; er ist ein Ausfluß des subjektiven Privatrechts, während letzteres ein publizistisches Gebilde, eine Aeußerungsform des gegen den Staat (das Gericht) gerichteten sog. Rechtsschutzanspruchs im Sinne Waches, ein Recht auf obsiegliches Urteil darstellt. Vgl. Hellwig, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts I Bd. 1903; Friedrich Stein, Ueber die Voraussetzungen des Rechtsschutzes, insbesondere bei der Berurteilungsklage 1903; dagegen Hölder, Arch. f. d. zivilist. Praxis Bd. 93 S. 1 ff.; Jherings Jahrb. Bd. 46 (1904) S. 265 ff. Das Klagrecht erschöpft jedenfalls den Begriff des Anspruchs nicht. Denn ein An­ spruch kann auch auf andere Weise z. B. durch berechtigte Selbsthilfe verwirklicht werden, Anspruch im weitesten Sinne ist „bte von der Rechtsordnung verliehene Macht, die Vor­ bedingung für den Eintritt der Imperative zu setzen, welche bestimmten staatlichen Organen (zumeist den Gerichten) die Gewähr von Rechtshilfe befehlen^ (Thon, Rechtsnorm und sub­ jektives Recht S. 22r Ber-

1. Titel: Verpflichtung zur Leistung. § 248. Vorbemerkungen zu den §§ 249—255.

37

Schaden im weitesten Sinne ist jede Vernichtung oder Minderung eines Rechts­ guls, nicht bloß eines wirtschaftlichen (am wenigsten im Sinne reiner Geldwirtschast). „Schaden ist Verminderung der Lebensbedingungen, Schwächung, Beeinträchtigung der Daseinskraft eines Rechtssubjekts" (Kuhlenbeck, Von den Pand. z. BGB. II S. 114). Lebensbedingung, Existenzbedingung ist nicht nur eine Bedingung der nackten Existenz, sondern umfaßt jedes von der Rechtsordnung anerkannte (geschützte) Interesse. Auf keinen Fall hat das BGB. mit dem an die Spitze gestellten Grundsatz der sog. Naturalrestitution eine Minderung der Schadens­ ersatzpflicht bezweckt, vielmehr wesentlich nur, unter Voraussetzung freilich des Kausalzusammen­ hangs (vgl. III), die grundsätzliche Anerkennung der Rechtspflicht eines möglichst vollkommenenAusgleichs jeglicher als Schaden zu bezeichnenden Minderung der Lebens­ stellung eines Rechtssubjekts (der Minderung von Werten im weitesten Sinne) als Leitgrundfth. an die Spitze stellen wollen. Im einzelnen vgl. Bem. 2 zu § 249. Bon Bedeutung wird dieser Leitgrundsatz der Naturalherstellung gegenüber der früher vorherrschenden Identifizierung des Schadensbegriffes mit demjenigen des Interesses als des rein vermögensrechtlichen Interesses d. h. des Unterschiedes, der Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Vermögen der von dem schädigenden Ereignis betroffenen Person vor und nach diesem Ereignis. Dieses Interesse ist eine rechnerische Größe, „gleich dem Betrage, um den die Gesamtsumme des betroffenen Vermögens infolge des Ereignisses geringer ist, als sie ohnedies zurzeit sein würde" (Oertmann, Recht der Schuldverh., 2. Aufl. S. 21). Vgl. Kipp-Windscheid, Pand. II § 257, Degenkolb im Arch. f. d. zivilist. Praxis Bd. 76 S. 1 ff. Wenn die Verpflichtung zum Schadensersatz nur auf Ersatz des Interesses in diesem ökonomischen Sinne beschränkt wäre, so würde sich für das Rechtsgefühl eine empfindliche Lücke ergeben in solchen Fällen, in denen eine Naturalherstellung möglich, eine Reduktion des Schadens auf Geldintereffe aber unmöglich ist. Unmöglich z. B. ist die Reduktion des Schadens im weitesten Sinne auf eine Geldsumme bei Verletzung sog. idealer Rechtsgüter, z. B. der Ehre, der körperlichen Integrität, soweit die Verletzung dieser Lebensgüter sich nicht auch wirtschaftlich fühlbar macht. Das Geld kann in solchen Fällen lediglich in seiner sog. Satisfaktionsfunktion, zum Zwecke der Genugtuung, nach Analogie der Buße (Privatstrafe) in Frage kommen, nicht in seiner Aequivalentfunktion. Das BGB. hat nun leider, abweichend von manchen ausländischen Rechten, z. B. dem französischen (dommage moral) und englischen, die Berechtigung, Geld­ entschädigung bei diesem sog. ideale« Schaden zu fordern, in § 253 auf die durch das Gesetz bestimmten Fälle eingeschränkt (§§ 847, 1300 ff.; unberührt bleiben jedoch die Vorschriften des StGB, bei Körperverletzungen, Beleidigungen, ferner des Urheberrechts). Darnach kann denn fteilich keine Geldentschädigung gefordert werden wegen Ehrverletzung, sofern nicht etwa mit dieser ein ökonomischer Schaden verbunden ist (§ 188 StGB ). Soweit jedoch eine Wieder­

herstellung (Rehabilitation) z. B durch Widerruf möglich erscheint, ergibt sich aus § 249 Satz 1, dast eine Klage aus 8 823 möglich ist. Vgl. Dernburg, Jur. Wschr. 1905 S. 161 ff., Kuhlenbeck, Recht 1907 S. 482—486. Ferner wird der Satz 1 des § 249 erheblich in allen Fällen, in denen ein bloßes Affektionsintereffe verletzt ist und durch Naturalherstellung wieder ausgeglichen werden kann. Vgl. v. Thur, in der Rezension zu Fischer, Krit. Bierteljschr. 1906 S. 66 f. Beispiel: A hat eine Sache des B, die bisher grüne Farbe trug, rot angestrichen. Dertmann. Recht d. Schuldverh., 2. Aufl. S. 21 f. bezeichnet den rechnerischen, ökonomischen Schaden als abftratten im Gegensatz zum koutreteu Schaden, worunter er den Schaden im weitesten Sinne mit Einschluß >des nicht ökonomischen versteht; er selbst gibt zu, daß diese Bezeich-

hältnis der Herstellung zum Geldersatz im BGB. 1901; v. Thur, Naturalherstellung und Geldersatz in Jherings Jahrb Bd 46 S. 39 ff.; Rümelin, Die Verwendung der Kausal­ begriffe im Straf- und Zivilrecht, Archiv f. d. zivilist. Praxis Bd. 90S. 171 ff.; Oertmann, Der Schadenserfatzanspruch des odligatorifch ^Berechtigten 1900; v. Thur, Besprechung von Fischer, Der Schaden nach dem BGB. in Krit. Bierteljschr. 1906 S. 63—96, Ehrenberg, Versicherungswert und Schadensersatz in Ztschr. f. Bers Wissensch. Bd. 6 S. 369 ff.; Mat­ thiessen, Zur Rechtsprechung des RG. über Schadensersatz bei arglistiger Täuschung, Jur. Wschr. 1908 S. 60—64; Stephan, Die Unterlassungsklage S. 154 ff.; Fuld, Schadensersatzpflicht ohne Verschulden in Puchelts Ztschr. 1905 S. 616—623.

38

I. Abschnitt: Inhalt der Schuldverhältnisse.

nung ungenau sei; Enneccerus II S. 588 Anrn. 5 schlägt vor, den Schaden im weitesten Sinne als realen Schaden vom rein rechnerischen zu unterscheiden. Uebrigens wird das Prinzip der Naturalrestitution im BGB. selber durch folgende Bestimmungen so erheblich dnrchbroche«, daß allerdings praktisch in den meisten Fällen der Schadensersatz nur durch die Aequivalentfunktion des Geldes zu leisten ist. Zu unter­ scheiden sind hier 1. solche Fälle, in denen dies die Natur der Sache erfordert, 2. solche, in denen der Gläubiger (Verletzte) die Naturalrestitution ablehnen, 3. solche, in denen der Schuldner (der Ersatzpflichttge) sich durch Geldentschädigung befreien und die Naturalrestttutton ab­ lehnen kann.

1. Nach der Natur der Sache fällt der Schadensersatz mit dem Geldinteresse zusammen a) in allen Fällen, in denen der Schaden unmittelbar in der Entziehung eines Geldbetrages oder Vereitelung des Gewinnes eines solchen besteht; b) in der Regel, wenn der Schaden durch Nichterfüllung einer Verbindlichkeit entstanden ist (§§ 179 Abs. 1, 280, 281 Abs. 2, 283, 286 Abs. 2, 325, 326, 340 Abs. 2, 341 Abs. 2, 440 Abs. 2, 463, 480 Abs 2, 523 Abs. 2, 524 Abs. 2, 538, 571 Abs. 2, 618 Abs. 3, 635). Dasselbe gilt von dem Schadensersatz wegen Unmöglichkeit der Herausgabe (§§ 347, 498 Abs. 2, 989). Zwar ist es in letzterem Falle, z. B. wenn der Verkäufer die Sache statt dem Käufer einem Dritten übereignet hat und daher nicht zu liefern vermag, nicht un­ bestritten, ob die Klage des Käufers immer noch auf Lieferung oder sofort auf Schadensersatz zu richten sei. Vgl Kisch, Unmöglichkeit S. 221. „Wenn aber der Käufer auf Lieferung der Sache klagt, so ist das eben die Erfüllungsklage, während die Schadensersatzklage, um nicht identisch mit der Erfüllungsklage zu sein, auf Geld gerichtet sein mußte." v. Thur in der Rezension zu Fischer, Krit. Bierteljschr. 1906 S. 77. Vgl. auch Kipp in Berh. des deutschen Juristen­ tags 27 Bd. 1 S. 255. Des Näheren siehe Bem. 6 zu 8 249, Vorbem. zu 88 323—327, insbesondere Bem. 1, a zu 8 325, 3 zu 8 326.

2.

Der Gläubrger kann: a) nach Ablauf einer von ihm bestimmten angemeffene» Frist die Natural­ herstellung ablehnen (8 25 O). Er verliert alsdann selbst den Anspruch auf Naturalherstellung, an dessen Stelle jetzt auch zugunsten des Schuldners der Anspruch auf Geldersatz tritt; letzteres ist allerdings nicht ganz unbestritten (vgl. Bem. zu 8 250). Insofern ist der Anspruch auf Geldersatz zunächst als subsidiärer (fakultativer) neben demjenigen auf Naturalrestitution vorhanden und kann also von einer facultas alternativa gesprochen werden. Dagegen lehne ich diesen Gesichtspunkt der facultas alternativa ab in den folgenden Fällen, in denen von vornherein (principaliter) statt Naturalrestitution Geldersatz gefordert werden kann. b) nach 8 249 Satz 2 statt der Herstellung der Sache den dazu erforder­ lichen Geldbetrag verlangen, wenn Schadensersatz wegen Verletzung einer Person oder Sache zu leisten ist. Dem Gläubiger ist damit weder eine sog. facultas alternativa eingeräumt, noch auch eine eigentliche Alternattvschuld, so daß also die 88 262—265 nicht maßgebend sind, sondern aussckließlich 8 250 in Betracht kommt. Es handelt sich vielmehr um elekttv - konkurrierende Ansprüche (vgl. Vordem, zu 88 262—265). Der Gläubiger soll nicht genötigt werden können, dem Schuldner zwecks Wiederherstellung des früheren Zustandes zur Heilung bzw. Ausbesserung die Einwirkung auf seinen Körper bzw. seine Sache zu ge­ statten. Wohl regelmäßig wird der Gläubiger diesen Geldersatz der Naturalrestitution vorziehen; eine Klage auf Naturalherstellung würde noch in der Exekutionsinstanz zu Weiterungen führen können, insbesondere, wie Crome

1. Titel: Verpflichtung zur Leistung.

Vorbemerkungen zu den §§ 249— 255.

39

richtig bemerkt, den Gläubiger unter Umständen noch zu einem weiteren Ver­ fahren nach § 283 nötigen. c) Der Gläubiger kann nach § 251 Geldentschädigung verlangen, soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung nicht genügend ist. Zu beachten ist vor allem, daß die eigentliche Naturalrestitution den Schaden immer nur zeitlich begrenzen kann, seine Weilerverwicklung hemmt und den bis dahin entstandenen Schaden unberührt läßt. Vgl. Degenkolb, Archiv f. d. zivilist. Praxis Bd. 76 S. 21 ff. Richtig bemerkt Planck, Komm. II (3) S. 21 Erl. d: „Nur für die Zukunft muß ein gleicher Zustand hergestellt werden, wie er bestanden haben würde, wenn der zum Schadensersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten^ wäre. Für die Nachteile, welche der Gläubiger dadurch erlitten hat, daß der fraglicheZustand inderZwischenzeit nicht bestand, ist immer Ersatz in Geld zu leisten." Im übrigen ist es Talfrage, inwieweit eine Wiederherstellung, beispielsweise Heilung körperlicher Verletzung oder Reparatur einer Sache, als möglich oder ge­ nügend zu erachten ist. Planck, Komm. II (3) S. 22 d meint, daß durch Lieferung einer anderen Sache, mag dieselbe auch genau von derselben Art und Güte sein, wie die entzogene, niemals der Herstellungspflicht genügt werde, vgl. dagegen Oertmann Erl. 2 zu § 249, ferner, daß eine ausgebesserte Sache streng genommen niemals denselben Wert habe, wie^eine unbeschädigte. Diese Behauptung dürste zu weit gehen, wenngleich sie in den meisten Fällen zu­ treffen wird. Aber vgl. in ersterer Hinsicht 1. 9 pr. 1. 60 pr. D. locat. 19, 2. Die Frage ist nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Berkehrssitte zu prüfen. Vgl. Windscheid-Kipp II S. 60.

8. Der Ersatzpflichtige kann die Naturalrestitution ablehnen und sich durch Geldentschädigung befreien, wenn „die Herstellung nur mit unverhaltmsmLtzige« Auswendungen möglich tft* (§ 251 Satz 2). Beispiel: Die Reparatur einer Maschine älteren Systems kann unverhältnismäßig mehr tosten, als Zahlung des Geldbetrags, der zur An­ schaffung einer möglicherweise weit besseren Masckine neuen Systems genügt. In diesem Fall würde das Verlangen des Gläubigers nach Naturalherstellung eine unbillige an Schikane streifende Belastung des Ersatzpflichtigen darstellen. Vgl. Bem. 5, d zu § 251.

II. Umsaug deS Schadensersatzes. Eigenes und sremdeS Jntereffe bei Schadensersatz aus vertragen: 1. Der Umsang des Schadensersatzes kann in doppelter Weise bemessen werden, ent­ weder objektiv oder absolut, d. h. rein nach dem objektiven Geldwert des geschuldeten, beschädigten, vernichteten Objekts, so daß also die rein individuellen Momente dieses bestimmten Forderungsverhältnisses gar nicht mit in Rechnung kommen (objekttve Aestimation); oder aber relativ oder subjektiv, so daß der relative Wert einer Leistung von diesem Be­ klagten an jenen Kläger, die nachteilige Einwirkung der unterbliebenen Leistung oder des begangenen Delikts auf dieses bestimmte Vermögen ermittelt werden muß (relative Aestimatiou). Die objektive Aestimation gelangt stets zu demselben Resultat, möge der Gläubiger dieser oder jener sein; sie beschränkt sich lediglich auf den zunächst betroffenen Punkt: die Sache; die Rückwirkung dieses Punktes auf das ganze Vermögen — gerade der Umstand, der eine Verschiedenheit des Schadens in den einzelnen Fällen begründen könnte — ist für sie völlig gleichgültig. Die relative Aestimation hingegen verfolgt die Schwingungen der in Frage stehenden Tatsache innerhalb dieses bestimmten Vermögens, und je nach den besonderen Voraussetzungen reichen diese oft weiter, oft weniger weit. Vgl. v. Jhering, Geist des röm. Rechts II S. 111 ff., wo die besonderen legislativen und praktischen Vorzüge sowohl der einen wie der anderen Art der Schadensberechnung erörtert sind. Während das ältere römische Recht (vgl. v. Jhering a. a. O.) und das ältere deutsche Recht sich in der Regel mit der objektiven Aestimation begnügten (vgl. wegen des älteren deutschen RechiS Häusler, Institutionen § 15 e), steht das moderne Recht mit dem Pandektenrecht grundsätzlich auf dem

40

I. Abschnitt: Inhalt der Schuldverhältnisse.

Standpunkte der relativen lsubjektiven) Aestimation. Nur ausnahmsweise findet im modernen Recht eine Begrenzung der Schadensersatzpflicht auf den objektiven (gemeinen) Sachwert statt, z. B. beim Frachtvertrag, HGB. § 430, im Versicherungsvertrag. Daher gilt auch für das BGB. grundsätzlich die relative Aestimation, als Schaden gilt das persönliche (sub­ jektiv-individuelle) Interesse an der Nichtbeschädigung. Dieser Grundsatz fällt teilweise zusammen mit der schon bei den Glossatoren üblichen Unterscheidung zwischen sog. unmittelbarem und mittelbarem Schaden (damnum circa rem und extra rem). In der Regel ist also auch der sog. mittelbare Schaden zu ersehen d. h. der durch den wetteren Kausalvertrag des schädigen­ den Ereignisses innerhalb der Vermögenssphäre des Verletzten vermittelte Schaden. Nur wo das Gesetz ausdrücklich den Schadensersatz auf den gemeinen Wert beschränkt, ist die objektive Aestimation anzuwenden: das BGB. schreibt diese vor, wenn es vom Ersatz des Wertes spricht (§§ 102, 256, 290). Der mittelbare Schaden, das Interesse begreift nicht nur den sog. effektiven Schaden oder positiven Schaden, der in der Beeinträchtigung des schon vor­ handenen Bermögensstandes besteht (damnum emergens), sondern auch den entgangenen Gewinn (lucrum cessans), s. § 252. Eine Grenze findet übrigens auch die relative Aestimation, der mittelbare Schaden am Prinzip des sog. adäquaten Kausalzusammenhangs (vgl. unten III), welches Prinzip im BGB. allerdings nur in § 252 für den entgangenen Gewinn einen gesetzlichen Ausdruck erhallen hat.

2.*) Eigenes und fremde- Jutereffe: Zunächst erscheint es selbstverständlich, daß auch bei relativer Aestimation der Beschädigte immer nur sein eigenes Interesse in Rechnung bringen kann, daß jedenfalls seine eigene Vermögens- bzw Interessensphäre die äußerste Grenze des in mittelbaren Schaden verfolgbaren Kausalzusammenhangs bildet. Dies schließt jedoch nicht aus, daß a) bei einem und demselben schädigenden Ereignis die Interessen mehrerer Personen koinzidieren (Koinzideuzmtereffe). Beispiel: Dem Bauunter­ nehmer A wird die rechtzeitige Herstellung des Baus durch Lieferung schadhafter Materialien seitens des T (Tertius) unmöglich gemacht. Als Geschädigter erscheint hier in erster Linie der Bauherr B. Aber das Interesse des A koinzidiert mit demjenigen des B, da A diesem ex locato haftbar ist. Soweit A hiefür Haftel, kann er zweifellos das Interesse des B als sein eigenes gegen T gellend machen. In Wahrheit ist hier nur ein einziger Schaden und eine einzige geschädigte Person vorhanden. Ein solches Koinzidenzinteresse liegt auch dann vor, wenn das eigene Interesse des A nur in seiner Ersatzpflicht besteht, z. B. wenn dem Unternehmer, dem Verwahrer, dem Mieter anvertraute Sachen beschädigt werden. Nach dem Grundsatz der Naturalherstellung beschränkt sich jedoch der Ersatzanspruch des A gegen T, sofern es sich nicht um Verletzung einer Person oder Sache handelt, auf Befreiung von seiner Haftpflicht gegenüber dem T, bei Entziehung von Gegenständen auf Rück­ leistung derselben an T. Vgl. Regelsberger, Jherings Jahrb. Bd. 41 S. 251 ff., Hellwig, Verträge zugunsten Dritter S. 82 ff.. Oertmann, Recht der Schuldverh., 2. Aufl. S. 238, v. Thur, Grünhuts Zlschr. Bd. 25 S. 541. Uebrigens findet auch hier dem T gegenüber eine Begrenzung der Ersatzpflicht durch das Prinzip des adäquaten Schadensersatzes (vgl. unter III) statt und zwar nicht nur bei konkurrierendem Verschulden des A, in welchem Falle § 254 Abs. 2 ausdrücklich daraus hinweist. Beispiel: Der Unternehmer A hat dem B die rechtzeitige Herstellung unter einer hohen Vertragsstrafe versprochen. Ob A von T auch Befreiung von diesem Anspruch verlangen *) Literatur: Burckhardt, Der Schadensersatzanspruch des Forderungsberechtigten usw., Tübingen 1901; Crome S. 74, 76; Fischer, Der Schaden nach BGB. S. 76 ff.; Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte S. 82 ff.; v. Thur, Jur. Wschr. Bd. 43 S. 582 ff., Bd. 47 S. 88 ff.; Regelsberger, Jherings Jahrb. Bd 41 S. 251 ff.; v. Thur, Grünhuts Ztschr. Bd. 25 S. 259 ff.; Oertmann, 2. Aufl. S. 23 ff.

1. Titel: Verpflichtung zur Leistung.

Vorbemerkungen zu den §§ 249—255.

41

sann, ist nach § 254 Abs. 2 zu beurteilen. Der Befreiungsanspruch wandelt sich in Geldersatz um, wenn A die Entschädigung dem B bereits geleistet hat, natürlich vorbehaltlich des Streits über die Rechtsnotwendigkeit dieser Leistung.

b) Auch

wenn

ein

koinzidierendes

Eigentumsinteresse

des

A

nur

ein

transitorisches Interesse ist, d. h. wenn er verpflichtet gewesen wäre, die beschädigte Sache dem Dritten B herauszugeben z. B. als Kommissionär, als Verkäufer, kann A das Interesse des B gegen den Schädiger T gellend machen. Sofern A dem B haftbar ist, ergibt sich dies bereits aus a. Es können aber Fälle vorliegen, in denen eine Haftpflicht des A dem B gegenüber nicht besteht, z. B. wenn A dem B die verkauften Sachen bereits abgesandt hat (§ 477) und die Gefahr also auf B übergegangen ist; ferner gehört hieher der Fall, in dem A für Rechnung des B Wertpapiere auf Grund einer fahr­ lässigen Empfehlung des T gekauft hat, die nach Ablieferung einen Kurssturz erleiden. Die Berufung des T dem A gegenüber, daß er, da er selbst B gegenüber (mangels eigenen Verschuldens) nicht hafte, also nicht geschädigt sei, ist nach richtiger Auffassung eine exceptio ex jure tertii. Vgl. Dettmann, 2. Aufl. S. 23, «, v. Thur a. a. O., RGE. Bd. 27 S. 126, Bd. 28 Nr. 28. c) Schwieriger ist die Frage, ob das Interesse eines Dritten auch geltend gemacht werden kann, wenn nur ein obligatorisches Band zwischen A und B verletzt ist, ein außerkontraktisches Verschulden aber, auf das B sich dem T gegenüber berufen könnte, nicht vorliegt (Schadensersatz deS obligatorisch Berechtigten) und infolge besonderer Umstände A dem B als eigentlich allein Geschädigten nicht haftet. Beispiele: A ist gutgläubiger Besitzer der Sache des B. Er hat diese Sache dem T in Verwahrung gegeben, bei dem sie durch ein rein kontraktliches Verschulden des T, vielleicht weil dieser ganz bestimmte VertragsPflichten in bezug auf die Art der Verwahrung verletzt, unlergehl. DaS Eigeninleresse des A ist, da sich inzwischen der Eigentümer B meldet, erloschen. Oder: T leiht dem A ein Buch mit der Erlaubnis zur Gebrauchsüberlaflung an Dritte. A verleiht es weiter an B, der ihm, dem A gegenüber die Haftung für Zufall übernimmt, und das Buch geht bei B zufällig zugrunde (nach Dettmann, 2. Aufl. S. 24). In diesen Fällen entsteht, wenn T den Schadensersatz geltend machen will, die Frage, ob B ihm den Einwand entgegensetzen kann: tecum non contraxi; wenn aber A den Anspruch erhebt, diesen als inhaltslos abweisen kann: tua non interest. Aehnlich würde folgender Fall liegen: Der Verkäufer B hat dem Käufer A einen Fehler der Kaufsache arglistig verschwiegen, würde diesem also nach § 463 auf Schadens­ ersatz haften. A hat aber die Sache in gutem Glauben weiterverkaust an T Zweifellos hat T hier keine direkte Klage aus der Arglist gegen B. Kann aber A den Schaden des T gleichwohl gegen B geltend machen? Mit Dettmann S. 24, Regelsberger S. 280 f. nehme ich an, daß A in allen diesen Fällen die Wahl hat, entweder auf Leistung des Interesses des T direkt an diesen oder auch an sich für Rechnung des T zu klagen, ferner, daß T Abtretung des Ersatzanspruchs gegen B von A verlangen kann. So schon nach 1. 8 § 3 D. 17, 1; 1. 38 D. de ev. 21, 2. (Cui enim non aequum videbitur vel hoc saltem consequi emptorem, quod sine dispendio creditoris futurum sit?) Auch ergibt sich aus § 281 Abs. 2, daß dieser Abtretungsanspruch nicht auf Fälle beschränkt ist, in denen der Schuldner die Unmöglichkeit zu vertreten hat. Vgl. Fischer, Der Schaden nach BGB. S. 105. Gegen Fischer freilich v. Thur, Krit. Vierteljschr. 1906 (Bd. 11) S. 88 ff., da das BGB. keine actio inanis kenne, v. Thur geht aber praktisch noch weiter als Fischer, indem er sogar den Satz aufstellt, daß der dritte T den Ersatz­ anspruch des A auch ohne Zession geltend machen könne.

42

I. Abschnitt: Inhalt der Schuldverhältnisse.

d) Nach P. I S. 298 war zur Regelung der s-g. mittelbaren BeschLdignng in einem § 221 a folgende Fassung vorgeschlagen:

1. Ist durch den die Ersatzpflicht begründenden Umstand einem Dritten ein

Schaden

entstanden,

wegen

dessen

der

berechtigten Abtretung des Ersatzanspruchs zu

Dritte

von

dem

Ersatz-

verlangen berechttgt ist,

so erstreckt sich die Ersatzpflicht auf den dem Dritten entstandenen Schaden.

2. Hat Jemand im eigenen Namen für Rechnung eines Anderen einen Vertrag mit einem Dritten geschlossen, so ist im Falle der Nichterfüllung

von dem Dritten der Schaden zu ersetzen, welchen derjenige erlitten hat,

für dessen Rechnung der Vertrag geschlossen wurde;

eventuell mit dem Zusatze:

Die Vorschriften deS ersten Absatzes finden entsprechende Anwendung, wenn

durch eine zum Schadensersätze verpflichtende Handlung Gegen­

stände beschädigt find, welche der Beschädigte einem Anderen

heraus­

zugeben verpflichtet ist.

Inwieweit durch die Fassung dieses Paragraphen zum Entw. I, der aus redaktionellen

Gründen

abgelehnt

wurde,

wissenschaftlich richtige

formuliert werden sollten, ergibt sich aus dem zu a—c Gesagten.

Ergebnisse

Hinzuzufügen

ist nur noch, daß bei Vertrage« zugunsten Dritter der Versprechungsempfänger gegen den Schuldner, der die Unmöglichkeit zu vertreten hat, selbstverständlich

auch auf Schadensersatz klagen kann, und zwar kann er hierbei sowohl sein eigenes konkurrierende- (nicht koinzidierendes) Interesse als auch dasjenige deDritten geltend machen, bezüglich deS letzteren aber nur Leistung an den

Dritten verlangen (§ 335).

III. Karrsalzrtsammeuharrg.*) Bemessung

Da da- BGB., wie überhaupt das moderne Recht, bei des Schadensersatzes sich grundsätzlich auf den Standpunkt der sog. relativen

Aestimation stellt, spielt in allen Schadensersatzprozeffen die Frage eine große Rolle, ob bzw.

wie weit ein Nachteil, ein Schaden, sei es im weiteren oder engeren Sinne, auf dasjenige Ereignis zurückzuführen ist, für daS der in Anspruch Genommene haftet. Denn nach diesem Prinzip hastet er nicht bloß für den unmittelbar durch daS Ereignis zutage ttetenden Schaden,

sondern auch für den mittelbaren d. h. die weiteren Folgen desselben auf

die Gesamt-

Vermögenslage deS Geschädigten. Den Zusammenhang dieser Folgen mit dem schädigenden Ereignis bezeichnet man als Kausalzusammenhang. Damit kommen wir auf einen Beziehungsbegriss, der

auch sonst in

der

Rechtspflege

und

Rechtswissenschaft

von

größter

Bedeutung ist und daher eigentlich nicht nur in dem allgemeinen Teil des bürgerlichen

Rechts, sondern eher und systematisch richtiger in der allgemeinen Prinzipienlehre der RechtS*) Literatur: v. Thur, Ueber den Begriff der Verursachung, Festrede 1894; Crome, System H S. 75, 76; derselbe, Partiarische Rechtsgeschäfte (1897) S. 300—311; v. Thur in Grünhuts Zeitschrift Bd. 25 S. 529—581; Hellwig, Vertrag auf Leistung an Dritte (1899) S. 82—98; RegelSberger in JheringS Jabrb. f. Dogmatik Bd. 41 S. 251—288; Rümelin, Die Verwendung der Kausalbegriffe, Archiv f. d. zivilist. Praxis Bd. 90 S. 171—344; auS der Judikatur vgl. u. a. RGE. Bd. 27 S. 125, Bd. 40 S. 174 und 189 ff.; R. Guex, La relation de cause ä esset, Lausanne 1904; Traeger, Der Kausalbegriff im Straf- und Zivilrecht 1904; Wiechowski, Die Unterbrechung des Kausalzusammenhangs 1904; Litten, Die Ersatzpflicht deS Tierhalters 1905; Rumpf, Zum jetzigen Stande der Lehre von der adäquaten Verursachung im Zivilrecht, JheringS Jahrb. Bd. 49 (19,05) S. 333 ff.; Litten, Beiträge zur Schadenszurechnung nach röm. und bürgerl. Recht, JhenngS Jahrb. Bd. 49 (1905) S. 419 ff.; Radbruch, Die Lehre von der adäquaten Verursachung, 3. Heft deS 1. Bandes der n. F. des v. Lisztschen kriminalist. Seminars; Heß, das Märchen vom Kausal­ zusammenhang; dazu die Kritik von AppeliuS, Kril. Vierleljschr. Bd. 45 S. 103 ff.; Heß, Kausalzusammenhang alS projizierter Wunschzusammenhang, Archiv f. d. zivilist. Praxis Bd. 97 S. 45 ff.; Weyl, System der Verschuldensbegriffe im BGB. S. 553 ff.; Brecht System der Vertrag-haftung in JheringS Jahrb. Bd. 53 S. 251 ff., Bd. 54 S. 85 f.; Kuhlenbeck. Der Schuldbegriff als Einheit von Wille und Vorstellung in ursächlicher Beziehung zum Berantwortlichkeitserfolg, Leipzig 1902.

1. Titel: Verpflichtung zur Leistung.

Vorbemerkungen zu den §§ 249—255.

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Wissenschaft überhaupt seine Stelle hätte. Denn es liegt auf der Hand, daß diese sog. Kausal­ beziehung auch schon in Frage kommt, um überhaupt eine schädigende Tatsache mit der dafür in Anspruch genommenen Person in rechtsnotwenige Verbindung zu setzen, eine Voraus­ setzung, die, soweit nicht eine Handlung schon als solche kriminalisiert ist, sondern ein Erfolg gefordert wird, z. B. auch im Strafrecht festgestellt werden muß. Auf den ersten Blick hat es nun zwar den Anschein, als sei dieses Beziehungsurteil rein tatsächlicher Natur, falle also über­ haupt aus der Sphäre der eigentlichen Rechtswissenschaft heraus und sei lediglich nach dem allgemeinen sog. Kausalitätsprinzip des menschlichen Denkens zu entscheiden. Allein eine genauere Betrachtung lehrt alsbald, daß der sog. juristische Kausalzusammenhang eine durch juristische Grundsätze beeinflußte besondere Denkbeziehung bildet, deren richtige Anwendung ihre begriffliche Scheidung von der in anderen Wissenschaften üblichen fordert. Bei der großen Bedeutung der sog. Kausalbeziehung für die Schadensersatzlehre erscheint eS daher angemessen, auf die sog. Lehre vom Kausalzusammenhang, deren wissenschaftlicher Begriff durch eine übermäßig angeschwollene Literatur innerhalb der deutschen Theorie geradezu eher getrübt, als geklärt sein dürste, an dieser Stelle, wenngleich unter vorwiegender Berück­ sichtigung der Schadenszurechnung, näher einzugehen. Getrübt wird der juristische Begriff der Kausalbeziehung vor allem durch eine vielfach geradezu als juristische Metaphysik zu tadelnde Verquickung mit rein philosophischen Doktrinen. Obwohl die deutsche Praxis im allgemeinen einen richtigen Takt in ihren Entscheidungen bewahrt hat, ist es daher leider, gerade um einem bedenklichen Einfluß derartiger Rechtsmetaphysik auf die gelehrte Rechts­ pflege entgegenzutreten, unbedingt erforderlich, den Begriff der Verursachung auch im philoso­ phischen, erkenntnistheoretischen Sinne ins Auge zu fassen, nicht um die Grenzen unserer angewandten Wissenschaft mit der Philosophie als allgemeinster und reinster Wissenschaft zu verwischen, sondern gerade, um sie von dieser genau zu scheiden und das Bewußtsein der durchaus selbständigen spezifisch juristischen Kausalität im Gegensatz zur rein philoso­ phischen zu schärfen.

1. Zunächst ist hervorzuheben, daß der abstrakte philosophische Begriff der Ursache für den Juristen völlig unbrauchbar ist, wie es denn auch höchst bedenklich wäre, wenn eine so durchaus praktische und im ausgesprochensten Sinne teleologische d. h. durch die Zwecke deS Lebens bestimmte Wissenschaft oder vielmehr Kunst, wie die Jurisprudenz, von erkenntnistheoretischen Problemen abhinge. Was ^Ursache^ im juristischen Sinne sein kann, und was „Verursachen" in der Sprache eines Gesetzes bedeutet, ist selbstverständlich eine reineAuslegungsfrage, und die Auslegung hat sich nicht von metaphysischen Anschauungen und erkenntnistheorettschen Einsichten, sondern von dem gewöhnlichen Sprachgebrauch und der in der Regel mit diesem zusammenfallenden Denkweise der Gesetzgeber leiten zu lassen. Nachdem aber einmal der philosophische Ursachenbegriff in der juristischen Literatur oft in überdies sehr mißverstandenen Bedeutungen seinen Einzug gehalten hat, ist es vor allem wichtig darauf hinzuweisen, daß es sozusagen zu den Elementen jeder philosophischen Be­ trachtung der Kausalität gehört, diese, die Kausalität, die philosophische Ursache zu unter­ scheiden vom Erkenntuisgrund. Zwar herrscht auch unter den Philosophen keineswegs die wünschenswerte allgemeine Uebereinstimmung über Kausalzusammenhang und Ursachenbegriff; alle klaren Denker aber Hallen fest an der höchst wichtigen Unterscheidung zwischen dem Satze vom zureichenden Grunde des Werdens, causa fiendi, causa efficiens einerseits und dem­ jenigen vom zureichenden Grunde der Erkenntnis, principium rationis sufficientis (Wolff), principe de la raison (Leibniz). Besonders lehrreich ist in dieser Hinsicht Schopenhauers Abh. „Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde" (Reelam S. 20 ff ). Die meisten juristischen Theoretiker über Kausalzusammenhang verkennen nun augenscheinlich diesen Unterschied und nur daher rührt m. E. die augenblickliche fast unglaubliche Verwirrung dieser Lehre. Der Jurist als solcher hat es immer nur mit dem Erkenntnisgrunde zu tun; auch wenn er seinen sog. juristischen „Kausalzusammenhang" konstruiert, sieht er in der von ihm sog. Ursache lediglich die Prämisse für ein juristisches Urteil, welches in letzter Linie

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I. Abschnitt: Inhalt der Schuldverhältnisse.

immer darauf hinausläufr, irgendeinen Tatbestand im weitesten Sinne, der auch etwas rein

Negatives, mindestens etwas Unwahrnehmbares sein kann, einer Person anzurechnen d. h. diese dafür haftbar zu machen, sei eS strafrechtlich oder zivilrechtlich, oder, was seltener ist,

sie ihr zum Verdienst zuzurechnen, z. B. der Person als ihrer Ursache dafür einen Anspruch zu-

zuerkennen (j B. dem Mäkler für Herbeiführung eines immateriellen Erfolges, des Vertrags­ schlusses, tz 652 BGB ).

WaS dagegen die Philosophie (wenigstens in ihren besten Vertretern)

unter Ursache versteht, erhellt am besten aus Schopenhauer a. a. O. S. 48.

Anknüpfend an das

Beispiel der Entzündung eines Körpers durch ein Brennglas führt letzterer auS,

daß die

Kette der Kausalität notwendig anfangslos ist. ^Demnach also muß jeder eintretende Zu­ stand aus einer ihm vorhergegangenen Veränderung erfolgt sein, z. B. in dem Beispiel aus

dem Hinzutreten freier Wärme an den Körper, aus welchem die Temperaturerhöhung erfolgen

mußte; dieses Hinzutreten ist wieder durch eine vorhergehende Veränderung z. B. durch das

Ausfallen der Sonnenstrahlen auf den Brennspiegel bedingt; dieses etwa durch das Wegziehen einer Wolke von der Richtung der Sonne, dieses durch den Wind usw. (in infinitum).* Für die streng philosophische Auffassung „darf nur der ganze, den Eintritt des Folgenden

herbeisührende Zustand (der Welt) als Ursache gelten. stimmungen

Die verschiedenen einzelnen Be­

aber, welche erst zusammengenommen die Ursache komplettieren und ausmachen,

kann man die ursächlichen Momente oder auch die Bedingungen nennen und demnach die Ursache in solche zerlegen". (Aehnlich der meistens zitierte Stuart Mill in seiner Logik.) Vgl. John Stuart Mills Werke, übersetzt v. Gomperz 1885, System der deduktiven und in­ duktiven Logik Bd. II 8 3 (die Ursache eine- Phänomens ist die Gesamtheit seiner Be­ dingungen).

Dgl. auch Kuhlenbeck, Der Schuldbegriff S. 60—67.*)

Da nun diese Gesamtursache selbstverständlich im Recht keine Rolle spielt, haben sich die

meisten Theoretiker stets bemüht, eine einzelne dieser Bedingungen oder eines dieser ur­ sächlichen Momente durch ein allgemeines logisches Kriterium als Ursache im Rechtssinue zu kennzeichnen, wobei aber neben großer Uneinigkeit durchweg nur juristisch unbrauchbare Kriterien zutage getreten sind. Wir erwähnen hier folgende:

a) Birkmeyer (Ursachenbegriff und Kausalzusammenhang S. 17): Ursache die wirk­ samste,

mehr als die übrigen zur Herbeiführung

Bedingung.

deS Erfolges beitragende

(Ihm folgend u. a. Matthiaß S. 347.)

*) An einem qualitativen Unterschiede zwischen Ursache und Bedingung, ohne unter Ursache die philosophische Gesamtursache zu verstehen, glaubt Kohler, Studien I, 83 ff. sesthalten zu müssen. Zumal Kohler, Ztschr. f. deutschen Zivilprozeß Bd. 29 S. 1 ff. Anm. 11 dagegen protestiert, „daß Zivilisten die Kausalitätstheorien aufzählen, ohne die meinige zu nennen", wollen wir sie hier mit seinen eigenen Worten anführen: „Die causa ist", so heißt es a. a. O. S. 83 f., „im Gegensatze zur bloßen Bedingung das die Existenz erregende und darum für Art und Jntensiiät wesentlich bestimmende Element. Wenn ich Samen säe und daraus Frucht entstehen soll, so muß noch verschiedenes hinzukommen, eS muß Feuchtig­ keit hinzutreten, wie Wärme; trotzdem ist das Säen die alleinige Ursache und das andere ist lediglich conditio, Werdensbedingung “ M. E. ist schon das Beispiel Kohlers hier unglücklich gewählt und beweist wieder die juristische Gefährlichkeit philosophischen Denkens; denn das die Existenz erregende „Element" ist nicht die Handlung des Säens, sondern der Same selbst, wie deutlich daraus hervorgeht, daß toter Same nicht aufgehl. Im übrigen scheint es mir, daß Kohler hier den Gegensatz von Substanz und Akzidenz, der in der Scholastik eine große Rolle spielt, mit demjenigen von Ursache und Bedingung verwechselt. Dieser Gegensatz führt in metaphysische Tiefen; bekanntlich kennt Spinoza und kennen viele ihm folgende Philosophen nur Eine Substanz. So sagt denn auch Träger in seiner Widerlegung KohlerS (a. a. O. S. 98 Anm.), daß nach neuer naturwiffenschafrlicher Auffassung auch der Samen nur einen „Bedingungs­ komplex höchst verwickelter Art" darstellt. In der Rechtswiffenschaft aber spielen Substanzen im Sinne der Philosophie überhaupt keine Rolle und die etwaige Unterscheidung zwischen „substantiellen und akzidentiellen" Handlungen, etwa so, daß „Säen^ eine substantielle, die Existenz erregende, „Berieseln" aber nur eine akzidentielle, fördernde Handlung wäre, dürfte praktisch völlig unbrauchbar sein. Gegen Kohler ist Schopenhauers Bemerkung zu verwerten (a. a. O. S. 48): „Ganz falsch ist es, wenn man nicht den Zustand, sondern die Objekte Ursache nennt; z. B. im angeführten Fall (Entzündung) würden einige den Brenn­ spiegel Ursache der Entzündung nennen, andere die Wolke, andere die Sonne, andere das Oxygen und so regellos nacy Belieben". Bereits Schoperhauer hatte die juristische Unbrauch­ barkeit des philosophischen KausalttätsbegriffeS klar erkannt.

1. Titel: Verpflichtung zur Leistung.

Vorbemerkungen zu den §§ 249—255.

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b) Trendelenburg (Logische Untersuchungen II (5,185): Die „vorwaltende" unter den Bedingungen.

c) Thyren (Abhandlungen S. 24 ff.): Fördernde Bedingung. d) Oertmann (Goltdammers Arch. Bd. 23 S. 268 ff., Bd. 24 S. 92): Letzte, die Kraftmaffe zum Uebergewicht bringende Bedingung, bzw. letzte menschliche Handlung. e) Binding, (Normen, 2. Aufl. I, 115): Uebergewicht der positiven über die nega­ tiven Bedingungen. Genaueres und Weiteres s. bei Träger, Kausalbegriff S. 80 ff. Alle diese, juristisch teils wegen ihrer Unerweislichkeit unanwendbaren, teils sogar (z. B. d) zu unbilligen Ergebnissen führenden Kriterien sind schon philosophisch als unzutreffend zu kennzeichnen, weil selbstverständlich vom philosophischen Standpunkt aus, da keine Bedin­ gung im Gesamtzusammenhange fehlen darf, alle Bedingungen gleichwertig erscheinen. Die An­ wendung dieses philosophischen Kausalitätsgedankens auf das Rechtsleben aber fehlt vor allem gegen den durchaus zutreffenden und beachtenswerten Satz Schopenhauers (a. a. O. S. 49): „Es ist von der höchsten Wichtigkeit, daß man von der wahren und eigentlichen Bedeutung des K aus alitäts ge setzes, wie auch vom Bereich seiner Geltung, vollkommen deutliche und feste Begriffe habe, also vor allen Dingen klar erkenne, daß dasselbe allein und ausschließlich auf Veränderungen materieller Zustände sich bezieht und schlechterdings auf nichts anderes; folglich nicht herbeigezogen werden darf, wo nicht davon die Rede ist." Wie Manigk (u. a. in Jherings Jahrb. Bd. 49 S. 465 f.) mit Recht betont, sind indes

NechtSwirkungm immer immaterielle Gegenstände des Denken-, nicht wahrnehmbare Berändernngeu. Beispielsweise ist zwar die Sache, nicht aber das Eigentum wahrnehmbar. Auch wo wir von materiellem Schaden reden, ist dieser Schaden im»Rechtssinne, als Wert­ minderung nicht sinnlich wahrnehmbar, vielmehr Ergebnis von allerlei Schlüssen. Jede „RechtSwirknng besteht nnr kraft unsere- Urteil-, kraft logischen Schlusses aus zwei Prämissen, deren eine durch einen Rechtssatz, deren andere durch den faktischen Tatbestand gebildet wird" (Manigk a. a. O. S. 465). Bei jeder juristischen Kausalbeziehung handelt es sich also um den bloßen krkenntni-grund, scheidet also der streng philosophische Kausalbegriff aus und tritt nur die ratio sufficiens cognoscendi, tag principe de la raison (Leibniz) in Funktion; eine causa (ratio essendi) kann hiebei, wie auch Schopenhauer (a. a. O. S. 149) bemerkt, zwar in concreto mit zu berücksichtigen sein, fungiert dann aber lediglich als Teil einer Prämisse im Erkenntnisgrund. Daraus ergibt sich, daß „Ursache" im Recht-finne nie etwas anderes ist als eine recht-erhebliche (recht-wirksame) Tatsache, die den zureichenden Grund liefert, um daran eine Recht-Wirkung, sei es die einer Strafe (im Straftecht), sei es einer persönlichen Haftung bzw. eines persönlichen Verdienstes (Anspruchs) zu knüpfen.

2. Jedes rechtlich erhebliche Verhalten einer Person, durch das der zureichende Grund für eine solche Rechtswirkung geliefert wird, kann al- „Ursache" im Recht-finne bezeichnet werden. Insbesondere kann es auch ein bloße- Uuterlaffeu sein. Daß das Strafrecht nicht vom philosophischen Kausalbegriff ausgehl, bezeugen sowohl die (allerdings großenteils mehr auf dem Gebiete des Polizeirechts liegenden) eigentlichen Omissivdelikte als auch der unent­ behrliche Allgemeinbegriff des Kommissivdelikts durch Unterlassung. Der Weichensteller, der durch Unterlassung seiner Amtspflicht den Zug zur Entgleisung bringt, hat diese Entgleisung juristisch „verursacht", und es wird schwerlich gelingen, wie einzelne Theoretiker es wünschen dürsten, diese juristische Terminologie etwa dadurch zu beseitigen, daß man von einem Ver­ schulden ohne Verursachung redet (Träger a. a. O. S. 71). Bor allem aber spielt im Zivilrecht die Unterlassung geradezu eine größere Rolle als juristische „Ursache", als der positive, materielle Eingriff. Es steht nichts im Wege, daß Prämisse oder Voraussetzung des rechtswirksamen Verhaltens, die den zureichenden Grund unserer sog. Kausalbeziehung bildet, eine Bedingung des Urteils zu nennen, und in diesem rein logischen Sinne können wir allerdings uns der sog. Bedingung-theorie als logischer Grundlage der Lehre vom juristischen

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I. Abschnitt: Inhalt der Schuldverhältnisse.

Kausalzusammenhang anschließen. Die Entscheidung über den sog. juristischen Kausal­ zusammenhang muß stets entweder von der Feststellung einer solchen rechtserheblichen Tatsache ausgehen oder regressiv auf sie zurückführen. Für die Verknüpfung der schließlich in Frage kommenden Rechtswirkung mit diesem sog. ursächlichen Moment sind nun aber nicht bloß logische, sondern auch spezifisch juristische Erwägungen entscheidend, die wir unter 4. (aus dem Gesichtspunkt des sog. adäquaten Zusammenhangs) näher ins Auge fassen werden.

8. Zn besonderer Anwendung ans die Lehre vom Schadensersatz ist hervorzuheben: a) Bedingung im philosophischen Sinne ist nur ein Umstand, ohne den ein Erfolg nicht eingetreten sein würde. Insofern ist jede wirkliche Bedingung eine conditio sine qua non. Die notwendige Verkettung des Erfolges mit der Bedingung würde hienach zu verneinen sein, wenn der Erfolg auch ohne diese Bedingung eingetreten wäre. Daß aber der Begriff der conditio sine qua non in diesem ftreng logischen Sinne juristisch unbrauchbar ist, hat für die Lehre vom Schadensersatz bereits Enneccerus, Bürger!. R. II, 2. Ausl. S. 592 Nr. 7 bemerkt. Er führt dafür zwei Beispiele an, zunächst ein solches mit positiver Handlung (Ursächlichkeit zugleich im philosophischen Sinne): A und B schießen gleichzeitig auf C, jeder Schuß bewirkt eine tödliche Verwundung; sodann ein solches mit negativer Handlung (Unterlassung): zwei Lieferanten verschiedener Maschinenteile kommen gleichzeitig in Verzug. Augenscheinlich wird niemand zweifeln, daß im ersteren Falle A und B solidarisch für die Tötung, im letzteren A und B jeder alternativ für den ganzen durch den Verzug entstehenden Schaden haftbar gemacht werden können. Denn wohin sollte es führen, wenn im ersteren Falle unter Berufung auf die conditio sine qua non sowohl A wie B einwenden dürften, daß der Erfolg auch ohne ihre Tätigkeit eingetreten sein würde; wenn in letzterem Falle sowohl A wie B einwenden könnten, daß auch bei rechtzeitiger Lieferung ihres Maschinenteils wegen des Verzugs der anderen die Maschine rechtzeitig nicht hätte hergestellt werden können? Prozessualisch könnte man hier zwar an die sog. Unzulässigkeit einer sog. exceptio ex jure tertii denken, die aber, soweit es sich um Leugnung des Kausalzusammenhangs, einfach Leugnen des Anspruchs handelt, nicht vorliegt. Die beiden Fälle bestätigen al^o die hier vertretene Differenz des juristischen Ursachenbegriffs vom philosophischen in besonder- evidentem Maße. Im juristischen Sinne kommt es nämlich nur auf die ex praesenti zureichende, nicht auf die ex post notwendig erscheinende Bedingung an (principium rationis sufficientis, principe de la raison, vgl. oben zu HI, 1). b) Aus diesem Gesichtspunkte wird auch allein die Lehre von der sog. Unter­ brechung deS Kansal-nsammenhaugS verständlich. Eine solche liegt keineswegs vor, wenn nach Setzung einer zureichenden Bedingung des Erfolges durch A noch eine weitere ebenfalls zureichende Bedingung eintritt, die denselben Erfolg herbeigeführt haben würde, vorausgesetzt, daß der Erfolg durch die erste Be­ dingung schon herbeigesührt worden ist. Wenn z. B. A das Gebäude des C zerstört hat, nachträglich aber eine allgemeine Feuersbrunst eintritt, in der zweifellos dieses Gebäude mit vernichtet sein würde, so befreit letzterer Umstand den A nicht von seiner Schadensersatzpflicht. Vgl. 1. 7 D. quod vi aut clam 43, 24 (quia non ex post facto, sed ex praesenti statu damnum factum sit nec ne, aestimari debet). „Unterbrochen" wird der juristische Kausalzusammenhang nur, wenn eine neue Bedingung jede Beziehung der in Frage stehenden zum Erfolge so durch­ schneidet, daß letzterer seine zureichende Begründung allein in der letzten Bedingung, die aber zeitlich immer noch vor dem Erfolge liegen muß, findet, sei es auch unter Mitberücksichtigung anderer, aber jedenfalls unter Ausschluß der in Frage stehenden ftüheren Bedingung. Wenn also A durch B zwar

1. Titel: Verpflichtung zur Leistung.

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tödlich verletzt darniederliegt, dann aber von C, dessen Eingreifen in keiner Weise durch die Handlung des B motiviert wird, selbständig getötet wird, oder durch einen unerwarteten Zufall, z. B. durch Blitzschlag getötet wird, so ist der Tod als solcher dem B nicht zuzurechnen. Der Kausalzusammenhang ist nach juristischer Denkweise ^unterbrochen"; im rein philosophischen Sinne der conditio sine qua non würde hier ein Kausalzusammenhang überhaupt nicht zu kon­ struieren sein. Dagegen bleibt in diesem Falle der Schadensersatzanspruch an sich wegen der Verletzung selbst selbstverständlich unberührt; der Verletzer wird jetzt keineswegs von jeder Schadensersatzpflicht befreit, er profitiert nur den tatsächlichen Vorteil, der mit der zeitlichen Begrenzung des von ihm in Lauf gesetzten Kausalverlaufs durch das nachträgliche zufällige Ereignis verbunden ist. (1. 30 § 4 D. 9, 2: de vulnerato actio erit, npn de occiso; 1. 57 D. 19, 2: actio ob ea ipsa sit, per quae non extrinsecus alia causa oblata, damno quis adfectus est.) Dies übersieht m. E. v. Tuhr, Krit. Bierteljschr. Bd. 49 S. 80 bei Entscheidung des folgenden, auch von Schollmeyer, Komm. S. 33 und von Fischer, Der Schaden nach BGB. S. 209 besprochenen Falls: X hat dem Hunde des A eine ohne bleibenden Nachteil heilbare, aber schmerzliche Wunde beigefügt, A erschießt den Hund, um ihm die Schmerzen zu ersparen, v. Thur schreibt: „Ich glaube, A hätte klüger daran getan, erst die Herstellungs­ kosten zu verlangen; dann hätte er mit dem Hunde anfangen können, was er wollte. Solange aber A die Kosten nicht verlangte, war X zur Heilung des Hundes verpflichtet, welche durch einen Umstand, den er nicht zu vertreten hat, unmöglich geworden ist; er braucht also nichts zu zahlen." Ich meine: A kann mindestens einen Geldbetrag in Höhe der sachverständig festzustellenden Heilungskosten als Schadensersatz beanspruchen. Nehmen wir an, der Hund wäre nach sachverständigem Gutachterl an der Wunde zwar nicht krepiert, aber entwertet, z. B. weil er auf einem Auge erblindet oder sonst verkrüppelt geblieben wäre. A kann in diesem Falle nicht nur die Heilungskosten, sondern auch diese Entwertung als Schadensersatz verlangen. Denn dieser Anspruch ist fällig geworden mit der Verletzung. Durch die Tötung hat sich der urspüngliche Anspruch auf Naturalherstellung (§ 251 Abs. 1) auch ohne besondere vorherige Erklärung des A in einen Anspruch auf Geldentschädigung umgewandelt. Was A mit • dem für ihn entwerteten Hunde anfangen will, ist von vornherein seine Sache; er braucht, nachdem einmal der Schaden entstanden ist, nicht erst ausdrücklich zu erklären, daß er Entschädigung in Geld verlange; zum mindesten ist die von ihm vorgenommene Tötung eine diese Erklärung ersetzende konkludente Handlung. Vgl. auch Bem. 5 zu § 249. Diese Fälle beweisen, daß die juristische Kausalität stets auf einer teleologischen, zweckbeziehenden Anschauung des Geschehens beruht. Der Zweckgedanke aber, der das juristische Kausalitätsurteil leitet und ihm seine Grenzen setzt, läßt sich allgemein dahin kennzeichnen, daß es stets gilt, für einen Erfolg eine nach dem Prinzip des zureichenden Grundes gesetzlich haftbare Person zu finden. Daher ist der juristische Kausal­ zusammenhang unlösbar von den gesetzlich gegebenen Hastungsgründen. Diese bilden stets ein logisch notwendiges Mittelglied in der Schlußkette. Nach ihnen bestimmt es sich ausschließlich, ob ein Erfolg einer Person „zugerechnet" werden kann. Und hieraus ergibt sich von selbst, daß der Umfang bzw. die Tragweite des juristischen Kausalnexus verschieden ausfallen muß je nach Verschiedenheit der gesetzlichen Haftungsgründe. Es können also, da hiemit die Abgrenzung des Kausalzusammenhangs auf eine bloße Auslegungsfrage reduziert wird, verschiedene teleologische Berechnungsmaßstäbe zur Anwendung kommen. Mit anderen Worten: Der Zweck des Gesetzes bestimmt in jedem einzelnen Falle das Segment, den Ausschnitt aus dem allgemeinen Bedingungskomplex,

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I. Abschnitt: Inhalt der Schuldverhältnisse. innerhalb dessen der Richter nach zureichenden Bedingungen suchen darf, wenn er vom Erfolge ausgeht, oder umgekehrt innerhalb deren er die zurechenbaren Erfolge abzugrenzen hat, wenn er von der Handlung (dem Verhallen) der Person ausgeht. In Anwendung auf den Schadensersatz heißt dies, daß nur diejenigen Folgen eines schädigenden Ereignisses dem dafür Haftbargemachten zugerechnet werden dürfen, welche der Gesetzgeber bei Aufstellung seiner Haftungs­ regel abstrakt in Rechnung zog, für die er, wenn er den konkreten Fall vor Augen gehabt hätte und zwar selbstverständlich in dem Zeitpunkte, in dem erst das schädigende Ereignis selbst, z- B. die Handlung des Täters, dem seine Norm (Ver- oder Gebot) gesetzt ist, aber noch nicht die Folgen eingetreten waren, dem Täter die Verantwortung auferlegl hätte. Dies und nichts anderes ist m. E. der Kern der sog. Lehre vom adäquaten Kausalzusammenhang, der im Grunde nichts anderes als der gesetzlich zurechenbare Kausalverlaus ist. Der Gesetzgeber will ein Heilmittel bieten gegen Uebel, die er voraussieht, nicht gegen solche, die er selber nicht hätte voraussehen können. Nach Analogie der Medizin hat man daher beim adäquat zu begrenzenden Kausalnexus von einer sog. Prognose geredet und gesagt, daß man nur für solche Folgen haftbar gemacht werden könne, die vorausgesehen, prognostiziert werden konnten. Maßgebend ist dabei selbstverständlich nicht die Prognose des Patienten, sondern die des verständigen Arztes d. h. maßgebend also bei Uebertragung dieser teleologischen Gedanken auf unsere juristische Betrachtung nicht die zufällige Voraussicht des Haftenden, sondern diejenige des Richters, der sich als Repräsentant des gesetzlichen Willens und der vom Gesetz geforderten Vorsicht (Voraussicht) in die Situation zu versetzen hat. Wenn man diese Prognose retrospektiv genannt hat (2. Aust, nach dem Vorgänge Rümelins), so war dies zweifellos ein unpassender Ausdruck, eine scheinbare contradictio in adjecto; es sollte damit nur die selbstverständliche Forderung bezeichnet werden, daß der Richter sich nachträglich, da er ja allemal erst nach Eintritt des Ereignisses angerufen wird, in die Situation zur Zeit der Handlung zurückversetzen muß, um von hier aus (ex praesenti statu) den Schaden, d. h. die Möglichkeit des­ selben abzuschätzen, ohne seine nachträglich durch den wirklichen Verlauf erlangte bessere Einsicht in den Zusammenhang des Geschehens zu verwerten. Jeder Erfolg, der alsdann außerhalb seiner Berechnungsmöglichkeit fällt d. h. außerhalb der dem Richter in diesem Zeitpunkte ex praesenti hypothetisch möglichen Voraus­ sicht, ist inadäquat, d. h. dem Beklagten nicht zurechenbar.

4. Zu unterscheiden ist Schuldhastung und vom Schuldrequisit abgelöste sog. reine Kausalhaftung, die man auch als Bersicherungshaftung bezeichnen könnte. Bei ersterer wird subjektive Zurechnungsfähigkeit der haftenden Person vorausgesetzt, bei letzterer ist die Haftung eine rein objektive, aus Gründen gewisser Billigkeitserwägungen (insofern utilitatis causa) eingeführte Haftung für Gefahr. Ein Beispiel der letzteren bildet die Haftung des Tierhalters (§ 833), des Gebäude- mit) Werkbesitzers (§ 836), das Haftpflichtgesetz; sie setzt keine subjektive Zurechnungsfähigkeit voraus, muß aber gleichwohl in einem gewissen objek­ tiven Sinne, der im folgenden unter b näher gekennzeichnet werden soll, objektiv zurechenbar (adäquat) sein: a) Schuldhastuug: Soweit das Berschuldungsprinzip den gesetzlichen Haftungsgrund bildet, ist daran festzuhallen (2. Aufl. S. 76), daß Kausalfrage und Schuldfrage juristisch untrennbar sind und daß in diesen Fällen, ungeachtet die Motive zum BGB. II S. 17 ff. eine Abstufung der Schadensersatzpflicht nach Art und Grad der Verschuldung verwerfen, dennoch die Art und der Grad der Ver­ schuldung eine ausschlaggebende Bedeutung für die Abgrenzung des Kausalverlaufs beanspruchen. Vgl. auch Regelsberger in Jherings Jahrb. Bd. 41 S. 251 ff., insbesondere S. 274, Jhering, Das Schuldmoment S. 54 ff.

1. Titel: Verpflichtung zur Leistung.

Vorbemerkungen zu den §§ 249—255.

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b) Zu unterscheiden ist jedenfalls Vorsatz und Fahrlässigkeit:

«) Vorsatz:

Der Richter hat stch in die Situation des Täters im Augenblick der Tat zu versetzen d. h. nicht nur in die äußere, sondern auch in die innere psychologische Situation, in die Vorstellung des Täters vom Erfolge. Ueber die verschiedenen möglichen Verhältnisse dieser Vorstellung des Täters zum Erfolg vgl. weiter unten Vordem, zu §§ 275—282 unter n, 1. Nur soweit die Vorstellung den Erfolg einschließt, sei es auch nur als möglich gedachten (dolus indeterminatus), handelt es sich um unmittelbaren vorsätzlichen Erfolg. Zu beachten ist jedoch, daß diese bloße Voraussicht des Erfolges keinenfalls genügt (Irrtum der reinen Borstellungstheorie), daß vielmehr der Erfolg auch gewollt (gebilligt) sein muß und daß eben dieses Wollen mit seinen in die Außenwelt eingreifenden Wirkungen zusammengenommen die zureichende Ursache für den tat­ sächlich eingetretenen Erfolg bilden muß. Es genügt aber nicht, daß der Richter sich lediglich in die subjektive Situation des Täters hinein­ versetzt, sondern er hat von hier aus mit dem ihm zu Gebote stehenden Erfahrungswissen auch die Kausalität dieses subjektiven Verhaltens in Ansehung des Erfolges objektiv zu berechnen. Damit scheidet straf­ rechtlich das sog. Wunschdelikt und das bloße Putativdelikt aus, z. B. wenn der Täter A den B beim Gewitter in einen Wald schickt in der Hoffnung, daß ihn möglicherweise der Blitz erschlage und nunmehr diese Hoffnung sich zufällig erfüllt. Der Richter muß in diesem Falle den Kausalzusammenhang verneinen, weil, auch wenn der vielleicht aber­ gläubische Täter selbst nach gewissen ^Vorzeichen" anders darüber dachte, nach objektiv maßgeblichem Erfahrungswissen das gewählte Mittel zur Herbeiführung des Erfolges unzureichend war. Das Setzen einer Ursache im Rechtssinne ist allemal ex statu, quo ante nach allgemeinen teleologischen Grundsätzen zu beurteilen. Anders würde (auch kriminalistisch) der Fall liegen, wenn die äußeren Bedingungen in dem konkreten Fall eine Konstellation darstellen, deren Benutzung nach mensch­ lich sachverständiger Einsicht den Erfolg gewährleisten konnte, z. B. wenn A, in der Absicht den B zu töten, diesen mit einer Arbeit beauftragt, die eine nur ihm (dem A) bekannte Lebensgefahr einschlietzt. Die sich als conditio des ersten Erfolges erweisende Willens­ betätigung des A muß also vom Standpunkte eines einsichtigen Beurteilers (des Richters) teleologisch gewürdigt werden und in dieser Würdigung zwar nicht gerade notwendig, wohl aber zureichend erscheinen. (Bgl. Träger a. a. O. S. 172.) Der vorsätzliche Tater hastet aber, wenn ihm der erste Ersolg zugerechnet werden kann, im Zivilrecht (auf Schadens­ ersatz) nicht nnr für den unmittelbaren, vorgeftellten Erfolg, sondern

auch sür jeden weiteren (mittelbaren) Ersolg, der seine Voraussicht überschreitet. So zweifellos schon nach römischen Recht, das in dieser Hinsicht deutlich eine weilergehende Haftung bei dolosen Hand­ lungen als bei fahrlässigen kennt. Bgl. vor allem 1.13 D. de act. empti venditi 19, 1 (si sciens — omuia detrimenta); 1. 27 pr. 1. 67 § 1 D. 47, 2; 1. 21 § 4 D. 25, 2; 1. 19 § 1 D. 19, 2 (si scisti — si ignorasti); 1. 6 D. de vi 43, 16; 1. 33 D. de dolo 4, 3. Abweichend von dem Hastungsgrunde bloßer Fahrlässigkeit haftet also der vorsätzliche Täter nicht nur bis zur Grenze des generell voraussehbaren (adäquaten) Schadens, sondern innerhalb des ganzen Kreises der zureichenden conditio s. q. n. So auch die französische und englische Praxis, vgl. Guex S. 121 ff. A. M. Rümelin, Archiv f. d. zivilist. Praxis Bd. 90 S. 273. Eine Grenze findet Staudinger, BGB.IIa (Kuhlenbeck, Recht der Schuldverhältntffe). 5./6. Aufl.

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I. Abschnitt: Inhalt der Schuldverhättnisse. aber auch diese Haftung am sog. eigenen Verschulden des Verletzten, § 254. Vgl. 1. 30 § 9, 1. 52 pr. D. 9, 2 (domini negligentia) und in der sog. Unterbrechung des Kausalzusammenhangs durch selbständig haftende dritte Personen (medici inscientia) Vgl. zu ß S. 51, 52. Das grundsätzlich auch das BGB. diese weiter gehende zivilrechtliche Haftung des dolosen Urhebers billigt, bestätigt § 848, ein Beispiel der Verursachung im strengsten Sinne der sog. conditio sine qua non.

ß) Fahrlässigkeit: Diese ist gleichbedeutend mit Unvorsichtigkeit, welches Wort schon den Mangel an Vorsicht, d. h. an Voraussicht, kennzeichnet. Der gesetzgeberische Grund aber, der die Haftung für mangelnde „Vor­ sicht" rechtfertigt, ist nicht die Tatsache des Nichtvoraussehens an sich, sondern ein Borwurf, der dieserhalb dem nicht vorsichtigen Subjekte gemacht wird, und ein solcher ist nur begründet, wenn der Erfolg bei Aufwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte voraus­ gesehen und also vermieden werden können. Insofern ist objektive (allgemeine) Voraussehbarkeit des Schadens bei schuldhafter Schadenshaftung unerläßlich. (Vgl. 1. 31 D. ad leg. Aqu. 9, 2 (quod a diligente provideri potent). Für eine ungewöhnliche Ge­ staltung des Kausalverlaufs im Vermögen des Geschädigten braucht daher der bloß fahrlässige Urheber nicht aufzukommen. Er hastet nicht für den Kausalverlauf schlechthin bis zur äußersten Grenze der erst ex post erkannten Bedingungsverhältnisse, sondern nur soweit, als dieser konkrete Kausalverlauf einer auf allgemeine Beobachtungsresultate des Lebens sich gründenden richterlichen Proguose entspricht, die der

Richter nachträglich auzuftelleu hat, indem er sich in die Situation des Urhebers im entscheidenden Zeitpunkt der HastnngSbegründung versetzt und von hier aus (ex praesenti, scilicet ex statu, quo ante) mit seinem generellen Erfahrungswissen, nicht auf Grund seiner ex post erworbenen Kenntnisse aller konkreten Momente die Möglichkeit des Erfolges berechnet. Der adäquate Kausalzusammenhang umfaßt also nur diejenigen Folgen, welche hervorzubringen das als Fahrlässigkeit bezeichnete subjektive Verhalten im allgemeinen geeignet erscheint, weil es eine erfahrungsmäßige Tendenz besitzt, Erfolge solcher Art hervorzubringen. Vgl. Kuhlenbeck, Bon den Pand. z. BGB. H S. 122. So zweifellos schon das röm. R. Vgl. 1. 43, 1. 44, 1. 45 pr. § 1 D. 19, 1 (ut non sit cogitatum a venditore de tanta summa — iniquum videtur in magnam quantitatem obligari). Daß für Fahrlässigkeit eine geringere Haftung als für dolus besteht, bestätigt auch 1. 45 § 1, cit. in fine (si sciens — omnimodo). Vgl. auch 1. 13 D. 8, 2. 1. 39 § 4 1. 40 pr. D. 39, 2; vor Allem aber Bem. 6 zu § 251. Die Unlösbarkeit des juristischen Kausalzusammen­ hangs von der Art und dem Grad derBerschuldung beweist schon die kriminalistische Betrachtung folgenden Falls: A transportiert eine Kiste, ohne zu wissen, daß sie einen Explosivstoff enthält. Angenommen, die Kiste trage die falsche Aufschrift: „Porzellan! Leicht zerbrechlich!" Der B will dem A einen bösen Streich spielen und bringt ihn mit der Kiste zu Fall. Nehmen wir an, Vorsatz sei jedenfalls nur auf Sach­ beschädigung gerichtet gewesen. Die Kiste explodiert, und A wird schwer­ verletzt. Zweifellos Haftel hier B wegen vorsätzlicher Sachbeschädigung. Strafrechtlich kann es jedoch schon zweifelhaft sein, ob auch wegen fahrlässiger Körperverletzung; denn die schwere Körperver­ letzung war für ihn nicht voraussehbar. Dagegen ist seine

1. Titel: Verpflichtung zur Leistung.

Vorbemerkungen zu den §§ 249—255.

51

zionistische Haftung für letztere nach dem unter « ausgestellten Grund­ sätze zu bejahen. Denn ein vorsätzlicher Eingriff in fremde Rechte ver­ dient zivilrechtlich keine Schonung, auch wenn nicht sämtliche schädigenden Wirkungen dieses Eingriffs vorausgesehen werden konnten. Das Zivilrecht hat nämlich in erster Linie den Ausgleich der Verletzung, die ^Wieder­ herstellung" ins Auge zu fassen; sein Zwecksubjekt ist der Einzelne (der Verletzte), es darf daher aus unvorhergesehene Folgen beim dolus nicht dieselbe schonende Rücksicht nehmen, wie das vorwiegend vom BergeltungSgedanken getragene Straftecht, dessen Zwecksubjekt die Gesellschaft ist. Wie aber, wenn B oder gar A selber mit der Kiste bloß fahrlässig hantiert und nunmehr infolge eines vielleicht sehr geringen Mißgriffs, aber immerhin eines Mißgriffs die Kiste explodiert und einen ungeheuren Vermögensschaden anrichtet? Wäre eS gerecht, für diesen ganzen Bermögensschaden die vielleicht selber schwer verletzten A und B bzw. deren Erben haftbar zu machen? Die Anwendung des Gesichtspunktes der sog. compensatio culpae nach § 254 ist ausgeschlossen, sofern unbeteiligte Dritte geschädigt sind. (Vgl. darüber unten zu 5, Abs. 2, S. 52). Frei­ lich ist wegen des durch die Explosion verursachten Schadens eine auf A's fahrlässige Hantierung zurückführende Kausalität gegeben; sie ist aber aus oben dargelegten Gründen im juristischen Sinne als inadäquat zu bezeichnen, da weder er selbst noch ein Richter, der sich in seine Situation versetzt, ex statu, quo ante lauf Grund der falschen Etikette) einen so unverhältnismäßigen Schaden prognostizieren konnte. A kann sogar mit Recht sagen: „Wenn ich gewußt hätte, daß die Kiste einen Explosivstoff enthielt, würde ich ihren Transport abgelehnt haben!" Ein anderer Fall: A verliert schuldhast sahrlässigerweise daS ihm anvertraute Lotterielos deS B. Da eS ein Jnhaberpapier ist, wird C als gutgläubiger Erwerber, indem er eS vom Finder kauft, Eigentümer des Loses, auf das nachher der größte Gewinn fällt. Kann B als Schadensersatz den entgangenen Gewinn von A einklagen? Die Wahr­ scheinlichkeit betrug nur 1: 400 000. Vgl. des Näheren Bem. 5 dieser Vordem, und Bem. 1 zu 8 252. Im Fall des dolus, also wenn beispielsweise A etwa dem B das Los gestohlen hat, möglicherweise gar, um einen Gewinn des B zu vereiteln, dürfte jedoch eine andere Entscheidung, nämlich auf vollen Ersatz, angemessen erscheinen. Vgl. oben zu «. Nicht nur aus dem Gesichtspunkte des adäquaten Kausal­ zusammenhangs, sondern aus dem Grundsatz der S ch u ld Haftung überhaupt ergibt sich ferner, daß der Verletzende grundsätzlich nicht für solche Folgen hastet, die erst durch freie Handlung des Verletzten vermittelt sind, es sei denn, daß die von ihm begangene Verletzung den Verletzten zu seiner Handlung nicht nur veranlaßt, sondern genötigt hat. Vgl. Brecht,System der Vertragshastung in Jherings Jahrb. Bd. 53 S. 251 f., Bd. 54 S. 85 f. (Der Verfasser bezeichnet diejenigen Folgen, für die Verletzte im Rahmen der Schuldhaftung einsteht, als „kulpa-kausale" Folgen). Im übrigen vgl. oben Vordem. III 3, b S. 46 Abs. 2. 6. Der unter 4 hervorgehobene Gesichtspunkt des adäquaten Kausalzusammenhangs ist vom BGB. ausdrücklich für das schwierige Problem verwertet, daS sich bei der Berechnung des Umfangs eineS nicht effettive«, sondern rein negativen Schadens (hierum cessans) der tat­ sächlichen Feststellung entgegenstellt. Das Interesse ist hier rein hypothetisch. Was und inwieweit sich etwas verwirklicht haben würde, wenn eS nicht durch die als Ursache im juristischen Sinne ausgezeichnete Bedingung an seiner Verwirklichung gehindert wäre läßt sich mit Rücksicht auf die Abhängigkeit des Erfolges von anderen nunmehr ebenfalls nicht 4*

52

I. Abschnitt: Inhalt der Schuldverhültnisse.

verwirklichien milwirkenden Bedingungen niemals exakt beweisen. Wenn mich z. B. jemand an einem Fischzuge verhindert, kann ich niemals exakt beweisen, daß bzw. wieviel Fische ich gefangen haben würde. Das BGB. verweist für diesen Fall ausdrücklich auf den Gesichts­ punkt deS adäquaten Kausalzusammenhang-, wenn es die Haftung begrenzt auf denjenigen Erfolg, „welcher entweder nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrschein­ lichkeit erwartet werden konnte/ (§ 252 Satz 2.) Die regelmäßig gegebene Untrennbarkeit deS juristischen Kausalzusammenhangs vom Schuldbegriff bat das BGB. im Widerspruch zu den Mot. II S. 18 ferner in § 254 anerkannt, indem eS den Schuldbegriff sogar über seine streng juristische Tragweite, die objektiv eine Ver­ letzung fremder Rechtsgüter voraussetzt, ausdehnt und von einem milwirkenden Verschulden deGeschadigteu selber spricht. Im strengen Rechtssinne handelt nämlich derjenige, der sein eigenes Gut vorsätzlich oder fahrlässig beschädigt, nicht schuldhast, weil er nicht rechtswidrig handelt. Es entspricht aber der Regel deS Lebens sowie der auf Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Ver­ kehrssitte begründeten Erwartung, daß solche Selbstbeschädigung vermieden werde und vielmehr in seinen eigenen Angelegenheiten jedermann die im Verkehr erforderliche Sorgfalt aufwende, nicht nur um Schaden zu verhüten, sondern auch um einen in der Entstehung begriffenen SchadenSprozeß nach Möglichkeit zu beschränken und zu beseitigen. Den römisch-rechtlichen Grundsatz: quod quis ex sua culpa damnum sentit, damnum sentire non videtur erweitert nun der § 254 dahin, daß er dem Richter die Befugnis zuspricht, bei milwirkendem Verschulden des Verletzten auch auf eine Verteilung deS Schadens zu erkennen. Da eine chemische Wage für Abwägung der Schuld nicht existiert, wird der Richter hier stetmehr oder weniger „Gesetzgeber im einzelnen Fall^; sein individuelles Taktgefühl ist ent­ scheidend und souverän.

6. Größere Schwierigkeit bereitet die Aufgabe einer Begrenzung deS Kausalzusammen­ hangs in den Fallen der sog. reinen Kansalhastung. In diesen Fällen kann die Grenze der Haftung nur aus dem gesetzlichen Grunde im Wege der besonderen Auslegung gefunden werden. Hteher gehören (nach Trägers Einteilung in drei Hauptklaffen, Träger a. a. O. S. 298): a) Haftung bei erlaubtem Eingriff in fremde RechtSfphSre, so bei der sog. Putativselbsthilfe (§ 231), verschuldeter Selbstverteidigung (§ 228) bzw. Not­ stand (§ 904). Man wird hier, zumal eS sich um nicht an sich rechtswidrige Handlungen handelt, den Schadensersatz zum mindesten in derselben adäquaten Weise zu begrenzen haben, wie bei bloß fahrlässiger Verschuldung, also die Haftung für unvorhergesehenen und zugleich unvorauSsehbaren unverhältnismäßigen Schaden ausschließen. b) Haftung wegen besonderer Gefährdung fremder Jntereffeu: «) Handeln auf eigene Gefahr bei der Abgabe von Willenserklärungen (§ 118 Scherz, §§ 119, 120, 122 Irrtum, unrichtige Uebermittlung der Erklärung). Schon gesetzlich findet hier der Schadensersatz eine Grenze am eigenen Verschulden des Beschädigten (§ 122 Abs. 2); eine andere Grenze liegt in dem Betrag des Interesses, welches der Anfechtungs­ gegner oder der Dritte an der Gültigkeit der Erklärung hat. Eine wettere Abgrenzung als diese zweifach gegebene Beschränkung wird für diese Fälle praktisch unnötig sein. ß) Haftung für die spezifischen Betriebsgefahren sowie für die durch Tiere drohenden Gefahren; zunächst gehören hieher §§ 1,2 bc8 Reichshaftpflichtges. Die Grenze der Haftung wird hier einmal bestimmt durch den Begriff der Betriebsgefahr, Haftung nur für Unfälle im Bettiebe, sodann durch den der „höheren Gewalt"; letztere ist allemal dann anzunehmen, wenn der Unfall „auf Umständen beruht, deren Kenntnis

1. Titel: Verpflichtung zur Leistung.

Vorbemerkungen zu den §§ 249—255.

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sich jeder menschlichen Berechnung vor dem Eintritt des Ereig­ nisses entzog" (Träger a. a. O. S. 309). Endlich gehört hieher vor allem der viel erörterte % 833 BGB, dessen Schwierigkeit, wie ich bereits Jur. Wschr. 1902 S. 237 ff. ausführte, ausschließlich in der richttgen Handhabung des juristischen Kausalitätsprinzips, also in der adäquaten Begrenzung des Kausalzusammenhangs liegt. Aus dem Zwecke der Bestimmung ergibt sich, daß die Körperbewegung eines Tieres nicht nur zureichende Bedingung des Schadens sein muß, sondern daß der Erfolg desselben auch zu denjenigen Gefahren gehören muß, „die durch das Hallen oder Verwenden von Tieren generell erheblich begünstigt werden" (Träger a. a. O. S. 319). Zweck der Bestimmung ist Versicherung gegen spezifische Tiergefahr. Hieraus ergibt sich die adäquate Begrenzung der Schadenshastung aus § 833, vgl. auch Litten, Die Ersahpflicht des Tierhalters 1905. — Schließlich gehört hierher auch das Automobil­ gesetz vom 3. Mai 1909, insbesondere §§ 7, 9.

7. Compensatio lucri cum damno*) (Borteilsausgleich). In Von d. Pand. z. BGB. II S. 100 habe ich den Satz: cujus periculum, ejus commodum dahin erläutert, daß dem­ jenigen, der die Gefahr eines bestimmten Ereignisses trägt, auch der von diesem Ereignisse verursachte Gewinn gebührt. Dieser Satz gilt nicht nur für die Zufallshaftung, sondern auch für die Schadensersatzhastung, was bestätigt, daß es sich hier nur um eine Anwendung des Kausalbegriffs handelt. Wie fructuum nomine hoc continetur, quod justis sumptibus superest (1. 1. Cod. de fruct. 7, 1), so gilt umgekehrt auch als Schaden, wie Crome II S. 77 sagt, nur „das Nelloergebnis des schädigenden Einflusses, also abzüglich eines etwaigen sich daraus ergebenden Gewinnes". Gefährdet wird aber die richtige Berechnung dieses Nettoergebnisses durch einen falschen Kausalbegriff. Mit Dettmann bin ich der Ansicht, daß die richtige Begrenzung der Borteilsausgleichung sich nur aus dem Gesichtspunkte des adäquaten Kausalzusammenhangs ergibt (Dettmann a. a. D. S. 83 ff.) und habe dies betetts in Rechtspr. Bd. 2 S. 42 ff. bei Besprechung der RGE. Bd. 10 Nr. 13 vor Publikation des bahnbrechenden Aufsatzes von Kries (Ztschr. f. d. gesamte Straft. Bd. 9 Nr. 21), damals in Anlehnung an die praktisch dieser Lehre am nächsten stehende Theorie von Bar von der „Regel des Lebens", angedeutet. Hieraus ergibt sich, daß: a) zwar alle (wirtlich entstehenden) Vorteile anzurechnen sind, zu deren Herbei­ führung das schädigende Ereignis bei seinem Eintritt nach Maßgabe der Umstände und unseres Erfahrungswissens objektiv geeignet war, z. B. bei Tötung eines Tieres der Wert des verbleibenden Kadavers, bei Enteignung der durch diese verursachte Mehrwert der dem Enteigneten verbleibenden Parzelle. Der Spediteur, der vertragswidrig Waren auf dem billigeren Seeweg befördern ließ und nun für ihren Verlust haftet, kann die Mehrkosten des Landtransportes als ersparte Aufwendungen in Anrechnung bringen. Vgl. Hanseat. Ger.Ztg. 1885, Hauptbl. Nr. 9.

*) Literatur: Cohnfeldt a. a. D. S. 168ff.; Mommsen a. a. S. 193 ff.; Taucher, Dissert. Erlangen 1904; Stöhr, Der Ersatz des entgangenen Gewinnes, Diss. Marburg 1899; Walsmann, Compensatio lucri cum damno (1900); Eichhoff, Die Lehre von 6er Com­ pensatio lucri cum damno (1898); Dertmann, Borteilsausgleichung und Schadensersatz­ anspruch (1901); dagegen vgl. Rümelin, Krit. Bierteljschr. Bd. 45 S. 189 ff.; Endemann I § 128 I Ziff. 1; Erome II S. 77; Stintzing, Findet Borteilsausgleichung beim Sckadensersatzanspruch statt? (1905); Decker, Die Vorteilsanrechnung beim Erfüllungsanspruche nach dem BGB München 1907; Klein, Ein Beitrag zur Lehre von der Borteilsanrechnung in Gruchots Beitr. Bd. 51 S. 754ff.; Dertmann im Arch. f. bürgerl. R. Bd. 16 S. 446 f.; Last, Anspruchskonkurrenz und Gesamtschuldverhältnis 1908 S. 31 ff.; Fritz Schulz, Rückgriff und Weitergriff, Breslau 1907; Wieland, Ermächtigung zum Leistungsempfang im Ärch. f. d. zivilist. Praxis Bd. 95 S. 223 ff. (Bedeutung etwaiger Deckungsansprüche, durch deren Anrechnung oder Abtretung die Urteilsausgleichung zu erfolgen hat).

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I. Abschnitt: Inhalt der Schuldverhältntsse.

b) daß aber verteile, die ans einem anderen als dem schadenstiftevden Ereignis

beruhen, z. B. auf einem Versicherungsverträge, nicht aaznrechneu sind. c) Zu beachten ist, daß die BorteilSausgleichung auch da zuzulaffen ist, wo der Schaden durch Naturalherstellung (§ 249) ersetzt wird.

Daher Vorteils a u S -

gleichu ng, nicht bloß Anrechnung d. h. bloß Kompensation.

Vgl. Oertmann,

R. der Schuldverh. 2. Aufl. S. 31.

Vgl. im übrigen die Bemerkungen zu § 255, ferner aus der Rechtsprechung: RGE. Bd. 10 S. 50 (auf die einer Witwe nach dem Unfallversicherungsgesetz wegen des Todes ihres Mannes zu gewährende Entschädigung ist nicht anzurechnen die Witwenpension, die sie auf Grund einer Versicherung infolge deS Todes ihreS ManneS erhält), RGE. Bd. 15 S. 114 (die gesetzlichen Witwen- und Waisengelder sind auf die auf Grund des Hastpflichtgesetzes wegen eineS Todesfalls zu gewährende Entschädigung anzurechnen), RGE. Bd. 17 6. 45 (Anrechnung gesetzlich zustehender Pension gegenüber einem im Betrieb der Eisenbahn

körperlich beschädigten Beamten), RGE. Bd. 40 S. 172 (AuSgleickung eines durch Verzug erwachsenen Schadens mit dem anderseits durch diesen Verzug erwachsenen Vorteil), RGE. Bd. 51 S. 137 (die Gesamtlage ist zu berücksichtigen, die besonderen Grundsätze über Auf­

rechnung und Rückbehaltung kommen nicht zur Anwendung); vgl. ferner RGE. Bd. 35 Nr. 15, Seuff. Arch. Bd. 15 Nr. 210, Arch. f. prakt. Rechtswissenschaft Bd. 4 S. 209 (Darmstadt), Seuff. Arch. Bd. 43 Nr. 269 S. 405, Bd. 47 Nr. 14, RGE. Bd. 55 S. 73, 74. RGE. vom 7. Dezember 1907 im „Recht" Bd. 12 Nr. 462.

(Veränderung der Strasienanlage) RGE. in

Jur. Wschr. 1908 S. 913 Ziff. 8, D. Jur.Z. 1908 (1402), Recht 1908 II Ziff. 699 (Identität

de8 schädigenden und vorteil bringenden Ereignisses) RGE. Bd. 65 S. 57, Jur. Wschr. 1907

S. 133 Ziff. 12, D. Jur Z. 1907 S. 359.

Vgl. vor allem auch RGE. in Jur. Wschr. 1909

S. 455 Zisf. 8 (Beweislast). 8. Beweis deS Kausalzusammenhangs.

An sich hat der Beschädigte nicht nur die zum Ersatz verpflichtenden Tatsachen, den Eintritt und Umfang des Schadens, sondern auch

den ursächlichen Zusammenhang zu beweisen. Hierfür genügt aber der Nachweis, daß der Schaden ohne die zum Ersatz verpflichtende Tatsache nicht eingetreten wäre. „Daß diese

Tatsache gleichwohl ihrer allgemeinen Natur nach für die Entstehung eine- solchen Schadens ganz indifferent und nur infolge ganz ungewöhnlicher Umstände zu einer Entstehung deS

Schadens

geworden sei, hat der Gegner zu behaupten und zu beweisen (sofern es sich nicht

aus gerichtökundigen Grundsätzen ergibt)." Enneccerus, Bürger!. R. II S. 594, RGE. Bd. 10 S. 80, Bd. 42 S. 291 ff.; a. M. Träger, Kausalzusammenhang S. 241. Da ferner die Forderung eines exakten Beweises die Begründung einer Schadensersatzklage in den meisten Fällen praktisch unmöglich machen würde (vgl. Lehmann, Der Notstand der SchädenSprozesse

1869),

so ist nach § 287 ZPO. in Zweifelsfällen

freier Ueberzeugung festzustellen,

unter Würdigung

aller Umstände

nicht nur, wie hoch sich der Schaden

nach

oder ein zu

ersetzendes Interesse belaufe, sondern auch ob ein Schaden entstanden sei, also auch der Kausalzusammenhang.

Vgl. u. a. RGE. vom 13. Januar 1908 in Jur. Wschr. 1908

S. 197 (hohe Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang von Krankheitserscheinungen mit einem Anfall). Vgl. ferner RGE. vom 21. Mai 1908 in WarneyerS Jahrb. 1908 I (Rspr.

d. ReichSger.) Nr. 577.

deS Verschuldens Rümelin,

Dafür, daß zu den hier zu würdigenden Umständen auch der Grad

gehört,

vgl.

Kuhlenbeck,

Von den Pand. z. BGB. Bd. II S. 126 ff.,

Archiv f. d. zivilist. Praxis Bd. 90 S. 291 ff., RGE. Bd. 10 Nr. 41 S. 140.

Bei Uebertretung einer Schutz Vorschrift hat der Beklagte den Gegenbeweis zu führen, daß der Schaden auch bei deren Beachtung eingetreten sein würde.

S. 74 ff.

Vgl.

ferner

RRE. Bd. 25 Nr. 18

RGE. vom 2. Oktober 1903 Jur. Wschr. 1903 S. 384,

Soergel,

Rechtspr. 1903 S. 46.

§ 249.*)

Wer zum Schadensersätze verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der

bestehen würde,

wenn der zum Ersätze verpflichtende Umstand nicht eingetreten

*) Literatur: Vgl. die Literaturangaben zu Vordem. S. 36, 40.

1. Titel: Verpflichtung zur Leistung.

wäre.

Vorbemerkungen zu den §§ 249—255. § 249.

55

Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache

Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu

erforderlichen Geldbetrag verlangen. E. I, 219; II, 213 Abs. 1; III, 243.

1. Voraussetzung -es Ersatzanspruchs.

Wer einen Schaden erlitten hat, kann dessen Ersatz von einem Dritten nur dann verlangen, wenn ein besonderer Grund hiefür vorliegt, sei es daß der Dritte durch Rechtsgeschäft die Verpflichtung zum Schadens­ ersatz übernommen hat, wie beim Versicherungsverträge (d. h. der sogenannten SchadensVersicherung), sei es daß das Gesetz unmittelbar an gewisse Tatbestände die Ver­ pflichtung eines Dritten zum Schadensersätze knüpft. Regelmäßig tritt Schadensersatz­ pflicht ein bei schuldhafter Verletzung fremder Rechte (außerkontraktlich, deliktisch oder kontraktlich). Vgl. RGE. in Jur. Wschr. 1905 S. 494 Nr. 20. Daneben kommen aber auch zahlreiche Fälle sog. reiner Kausalhaftuna vor. Vgl. Vordem. 6 (S. 52). Bestimmungen der letzteren Art enthält das BGB. in großer Anzahl (z. B. §§ 31, 42 Abs. 2, 122, 160, 179, 228, 231 usw.). Solche Bestimmungen finden sich auch in den aufrecht erhaltenen Landesgesetzen (s. Art. 105—109 EG.), sowie in den neben dem BGB. geltenden Reichsgesetzen, z. B. im RG. betr. die Verbindlichkeit zum Schadensersätze für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken usw. herbeigeführten Tötungen und Körperverletzungen von: 7. Juni 1871 in der Fassung des Art. 42 EG., in der ZPO. §§ 89, 302 Abs. 4, 600 Abs. 2, 717 Abs. 2, 945 usw., Automobilgesetz vom 3. Mai 1909, § 7. Die Fälle der reinen Kausalhaftung sind singulärer Natur; eine analoge Ausdehnung, sog. Beseitigung des Schulddogmas durch Erfolgshaftung ist nicht gerechtferttgt. Vgl. RGE. in Jur. Wschr. 1905 S. 494 Nr. 20; Werner im „Recht" 1904