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German Pages 792 [788] Year 1911
3. v. Staubingers Kommentar MM
Bürgerlichen Gesetzbuch und dem Einführungsgesetze herausgegeben von
Dr. Theodor Loewenfeld,
Dr. Erwin Kiezler,
Univ.-Professvr und Rechtsanwalt in München
Prvfessor an der Universität Freiburg i. B,
Philipp Maqring f, K. OberlandeSgerichtsrat in München
Dr. Ludwig Kuhlenbeck, Rechtsanwalt in Jena, vorm. vrd. Professor an der Universität Lausanne
Karl Kober,
Dr. Theodor Engelmann,
K. OberlandeSgerichtsrat in München
K. OberlandeSgerichtsrat in München
Dr. Zelix herzfelder,
Joseph Wagner,
Rechtsanwalt und Iusttzrat in München
Rat am K. Obersten Landesgericht München.
5./6. neubearbeitete Alt^Iüge.
München und Berlin 1910. I. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier).
A ii. MhtutrS fiommcnfot zm Krgerliche« Gesetzbuch mb dem EiiiUmgSgesetze iv. Band.
Familienrecht II. Teil: §§ 1589-1921. Erläutert von
Dr. Theodor Engelmann, K. Oberlandes^erichisrat in München.
5./6.
neubearbeitete
München nnd Berlin 1910. I. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier).
Inhaltsübersicht zum vierten Bande (II. Teil).
Viertes Buch.
Familienrecht. 88
Zweiter Abschnitt. Verwandtschaft .... Erster Titel: Allgemeine Vorschriften Zweiter Titel: Eheliche Abstammung Dritter Titel: Unterhaltspflicht Vierter Titel: Rechtliche Stellung der ehelichen Kinder . . . I. Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und dem Kinde im allgemeinen II. Elterliche Gewalt 1. Elterliche Gewalt des Vaters 2. Elterliche Gewalt der Mutter Fünfter Titel: Rechtliche Stellung der Kinder aus nichtigen Ehen Sechster Titel: Rechtliche Stellung der unehelichen Kinder . . Siebenter Titel: Legitimation unehelicher Kinder .... I Legitimation durch nachfolgende Ehe II. Ehelichkeitserklärung Achter Titel: Annahme an Kindes Statt Dritter Abschnitt. Vormundschaft Erster Titel: Vormundschaft über Minderjährige I. Anordnung der Vormundschaft II. Führung der Vormundschaft III. Fürsorge und Aufsicht des Vormundschaftsgerickts IV. Mitwirkung des Gemeindewaisenrats V. Befreite Vormundschaft VI. Familienrat VII. Beendigung der Vormundschaft Zweiter Titel: Vormundschaft über Volljährige Dritter Titel: Pflegschaft Alphabetisches Register
.
.
.
.
Sette
1589—1772 1589—1590 1591—1600 1601—1615 1616—1698
729 729 737 772 817
1616—1625 1626—1698 1627—1683 1684-1698 1699—1704 1705—1718 1719—1740 1719—1722 1723—1740 1741—1772
818 843 851 987 1017 1027 1083 1086 1094 1115
1773—1921 1773—1895 1773—1792 1793—1836 1837—1848 1849—1851 1852—1857 1858—1881 1882—1895 1896—1908 1909—1921
1164 1175 1176 1212 1311 1332 1337 1342 1363 1384 1403 1439
Literatur int allgemeinen. Die Sp eztalliteratur ist in Fußnoten (*) bei den einzelnen Abschnitten, Titeln oder Paragraphen aufZeführt.
Achilles — Bürgerliches Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz, nach, dem Tode deS ersten Herausgebers A. Achilles herausgegeben von M. Greiff, 6. Aufl, Berlin 1909. Blume — O. Opel und W. v. Blume, Das Familienrecht, 3. Abschnitt: BormundschastSrecht, erläutert von W. v. Blume, Berlin 1904; 2. Abschnitt: Verwandtschaft, erläutert von W. v. Blume, Berlin 1906, s. auch O p et. Co sack = K. Cosack, Lehrbuch des deutschen bürgerlichen Rechts, 2. Bd., 4. Aufl., Jena 1904. Crome — K. Crome, System des deutschen Bürgerlichen Rechts, 4. Bd. Immaterialgüter rechte. — Familienrecht, Tübingen 1908. Dernburg, Pand. — H. Dernburg, Pandekten, 3. Bd., 7. Aufl. Unter Mitwirkung von 1. Biermann, Berlin 1903. Dernburg = H. Dernburg, Das Bürgerliche Recht des Deutschen Reichs und Preußens, 4. Bd. Deutsches Familienrecht, 4. Aufl., Halle 1908. Eck-Leonhard — Vorträge über das Recht des BGB. von E. Eck; nach des Verfassers Tod durch Feststellung des Wortlautes fortgeführt und mit Anmerkungen versehen von R. Leonhard, Bd. II, 1. und 2. Aufl., Beriin 1904. Ehrlich = E. Ehrlich, Das zwingende und nicht zwingende Recht im BGB. für das Deutsche Reich, Jena 1899. Endemann — F. Endemann, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, 8. und 9. Aufl., 2. Bd., 2. Abt. Familienrecht, Berlin 1908. Erler = I. Erler, Ehescheidungsrecht und Ehescheidungsprozeh einschließlich der Nichtig keitserklärung der Ehe im Deutschen Reiche, 2. Aufl., Berlin 1900. Fischer-Henle — Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896. Handausgabe, heraus gegeben von O. Fischer und W. v. Henle, 8. Aufl./München 1909. Fuchs FR. — Familienrecht von A. L. Schmidt, I. W. Hedemann und A. Fuchs. 3. Ab schnitt: Vormundschaftsrecht, erläutert von A. Fuchs, München 1909 (s. auch Schmidt). Habicht — H. Habicht, Die Einwirkung des BGB. auf zuvor entstandene Rechtsverhältnisse, 3. Aufl. Jena 1901. Hachenburg — M. Hachenburg, Das BGB. für das Deutsche Reich, Borträge, 2. Aufl., Mannheim 1900. Hinschius — P. Hinschius, Das Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung, 4. neubearbeitete Auflage, herausgegeben von W. Boschan, Berlin 1909. Jacubezky, Bem. — K. Jacubezky, Bemerkungen zu dem Entwürfe eines BGB. für das Deutsche Reich, München 1892. Krückmann — P. Krückmann, Institutionen des BGB., 3. Aufl., Göttingen 1901. Kuh lenbeck — L. Kuhlenbeck, Das BGB. für das Deutsche Reich nebst dem Einführungs gesetze, 2. Bd., 2. Aufl., Berlin 1903. Lehmann = L. Enneecerus und H. O. Lehmann, Das Bürgerliche Recht, 2. Bd. Sachenrecht, Familienrecht, Erbrecht von H- O. Lehmann, 2. Aufl., Marburg 1901. MaNhiaß — B. Matthiaß, Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, 2. Bd, 4. Aufl., Berlin 1900. Meisner — Das Bürgerliche Gesetzbuch für das Deutsche Reich nebst dem Einführungs gesetze, kommentiert von I. Meisner, 4. Buch: Familienrecht, Breslau 1905. Neumann — H. Neumann, Handausgabe des Bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich, 2. Bd., 4. Aufl., Berlin 1905; vom § 1500 ab zitiert in 5. Aufl., Berlin 1909. Opel — O. Opel und W. v. Blume, Das Familienrecht, 1. Abschnitt: Bürgerliche Ehe, er läutert von O. Opel, 1. Lief. Berlin 1902, 2. Lief., Berlin 1904; s. auch Blume. Planck = G. Planck, Bürgerliches Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz, 4. Bd.: Familienrecht (erläutert von K. Unzner), 3. Aufl., Berlin 1906.
Reh dein — H. Rehbein, Das BGB. mit Erläuterungen für das Studium und die Praxis, Bd. I: Allgemeiner Teil, Berlin 1899. Sartorius — C. Sartorius, Kommentar zum Personenstandsgesetz, München 1902. Sauer = K. Sauer, Das deutsche Eheschließung^ und Ehescheidungsrecht unter Berück sichtigung der Haager internationalen Privatrechtsabkommen vom 12. Juni 1902, München und Berlin 1909 (konnte erst vom 8 1564 ab benützt werden). Scherer — M. Scherer, Familienrecht des BGB. für das Deutsche Reich, Erlangen 1900. Schmidt — Familienrecht von A. B. Schmidt, I. W. Hedemann und A. FuchS, 1. Abschnitt: Die bürgerliche Ehe, erläutert von A. B. Schmidt, München 1907 (s. auch Fuchs). Sicherer — H. v. Sicherer, Personenstand und Eheschließung in Deutschland, Erlangen 1879. Spahn = P. Spahn, Verwandtschaft und Vormundschaft nach dem BGB. für daS Deutsche Reich, Berlin 1901. Stobbe-Lehmann — Handbuch des deutschen Privatrechts von O. Stobbe, 4. Bd. 3. Aufl. (Familienrecht), Berlin 1900, bearbeitet von H. O. Lehmann. Weyl — R. Wehl, Vorträge über das BGB. für Praktiker, 2. Bd., München 1900. Windscheid-Kipp, Pand. — B. Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 9. Aufl., be arbeitet von Th. Kipp, 3. Bd., Frankfurt a. M. 1906.
Abkürzungen AG. = Ausführungdgesetz zum BGB. AGO. — Ausführungsgesetz zur Grundbuch ordnung und zu dem Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangs verwaltung. Anf.Ges. — Gesetz betr. die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außer halb des Konkursverfahrens. Bayr. Oberst. LG. — Sammlung von Ent scheidungen des Bayrischen OberstenLandesgerichts in Zivilsachen; — n. F. — Samm lung re. neue Folge (von 1901 ab). . Bayr. Z. f. R. — Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern. Bl. f. RA. = Dr. I. A. Seufferts Blätter für Rechtsanwendung. BLR. — Bayrisches Landrecht. BGB. — Bürgerliches Gesetzbuch.
cod. civ. — code civil. D. = Denkschrift (z. B. D. z. ZPO.); D. (ohne Beisatz) — Denkschrift zum Entwurf eines BGB. D. Jur.Z. — Deutsche Juristenzeitung. E. 1, II, HI = Entwurf I, II, III d. BGB. EG. — Einführungsgesetz z. BGB. Entsch. FG. — Entscheidungen in Angelegen heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts, zusammengestellt im Reichs-Justizamte. FG. — Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. GBO. — Grundbuchordnung. Gem. R. — Gemeines Recht. Gruchot, Beitr. — Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts, begründet von Gruchot. G. u. VBl. — Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Bayern. GVG. = Gerichtsverfassungsgesetz. HGB. — Handelsgesetzbuch. Jur. Wschr. — Juristische Wochenschrift. KO. — Konkursordnung.
Kreittmayr, Ann. — Kreittmayr, Annotationen zum bayer. Landrecht. LZ. — Leipziger Zeitschrift für Handels-, Konkurs- und Versicherungsrecht. M. I, 1 — Motive zum Entwürfe (I) eines BGB. Bd. I Seite 1. Mot. z. EG. — Motive zum Einführungsgesetz z. BGB. Not.Ges. — Notariatsgesetz. P. 1,1 — Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des BGB. Bd. I Seite 1. PLN. = Preußisches Landrecht. RG. — Reichsgesetz. RGBl. — Reichsgesetzblatt. NOHG. — Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts. RTK. 1 = Bericht der Reichslagskommission Seite 1. Röm. R. — Römisches Recht. RGE. — Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen. RGE. irr StS. — Entscheidungen des Reichs gerichts in Strafsachen. Rspr. d. OLG. — die Rechtsprechung der Ober landesgerichte auf dem Gebiete des Zivil rechts, herausg. von Mugdan u. Falkmann. Sächs. GB. — Bürgerliches Gesetzbuch für daS Königreich Sachsen. Seufs. Arch. = Seufferts Archiv. StB. 1 — Stenographische Berichte deS Reichs tags Seite 1. StGB. — Strafgesetzbuch. StPO. — Strafprozeßordnung. Zentral-Bl. = Zentral-Blatt für freiwillige Gerichtsbarkeit u. Notariat, sowie Zwangs versteigerung. ZG. I, 1 — Zusammenst. d. gutachtl. Aeuße rungen zu dem Entw. eines BGB. Bd. I Sette 1. ZPO. — Zivilprozeßordnung. ZwVG. — Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung.
Sämtliche GesetzeSmaterialten sind in der Ausgabe von I. Guttentag zittert.
MT Berichtigungen und Nachträge sind im I. Teile (Seite VIII) enthalten. H
Druck: Dr. F. P. Datterer 6 Eie., G. m. b.
Freising und München.
n. Abschnitt: Verwandtschaft. — 1. Titel: Allgemeine Vorschriften. Borbem. § 1589. 729
Zweiter Abschnitt.
Verwandtschaft.*) B-rbemerku«gen. L Der -weite Abschnitt deS vierten Buches enthält die Regelung des Rechte- der „Verwandtschaft". Berwandtschast im Sinne des BGB. ist die Tatsache, daß zwei Per sonen miteinander „verwandt" sind (die Behauptung von Planck Vordem. 1, unter Verwandt schaft werde „der Kreis der durch die Abstammung von demselben Stammvater verbundenen Personen verstanden", ist nur insofern richtig, als der gewöhnliche Sprachgebrauch dem Worte „Verwandtschaft" auch diese Bedeutung beilegt; für den technischen Verwandtschafts
begriff des BGB. ist sie unzutreffend). Der Begriff der „Verwandten" im eigentlichen Sinne ergibt sich aus § 1589 (f. Bem. hiezu). Verwandt im weiteren Sinne sind auch die „Berichwag erten" (f. § 1590 und Bem. hiezu, sowie Bem. 1, k zu § 1589). Ueber die rechtliche Bedeutung der Berwandtschast und Schwägerfchast s. Bem. 5 zu § 1589, Bem. 5 zu 8 1590.
2. Die Gliederung des Abschnitts ergibt sich aus nachstehendem Ueberblick. Der 1. Titel (§§ 1589, 1590) enthält allgemeine Vorschriften über Verwandtschaft und Schwäger schaft, der 2. Titel (§§ 1591—1600) regelt die eheliche Abstammung, der 3. Titel (§8 1601 — 1615) die Unterhaltspflicht der Verwandten. Der 4. Titel (rechtliche Stellung der ehelichen Kinder) zerfällt in zwei Unterabteilungen: die erste (§§ 1616—1625) behandelt das Rechts verhältnis zwischen den Eltern und dem Kinde im allgemeinen, die zweite (§§ 1626—1698) die elterliche Gewalt und zwar zunächst (§§ 1627—1683) die elterliche Gewalt deS Vaters, sodann (§§ 1684—1698) die der Mutter. Die rechtliche Stellung der Kinder aus nichtigen (und anfechtbaren) Ehen ist im 5. Titel (§§ 1699—1704), die rechtliche Stellung der unehe lichen Kinder im 6. Titel (§§ 1705—1718) dargestellt. Der 7. Titel regelt die Legitimation unehelicher Kinder in zwei Unterabteilungen: Legitimation durch nachfolgende Ehe (§§ 1719 —1722) und Ehelichkeitserklärung (§§ 1723—1740); Gegenstand des 8. Titels ist die An nahme an Kindes Statt (§§ 1741—1772).
Erster Titel. Allgemeine Vorschriften. Vorbemerkungen. Die Vorschriften der nunmehrigen §§ 1589, 1590 waren vom E. I (§§ 30—33) und E. II (§§ 15, 16) in den allgemeinen Teil gestellt worden; durch Beschluß der II. Komm, wurden sie in das Familienrecht eingereiht (vgl. P. VI, 112 ff., E. III §§ 1567, 1568).
§ 1589. Personen,
deren
eine von
der
anderen
abstanunt,
sind
in
gerader Linie
verwandt. Personen, die nicht in gerader Linie verwandt sind, aber von derselben
*) O. Opet, Das Berwandtschastsrecht des BGB. f. d. Deutsche Reich, Berlin 1899; P. Spahn, Verwandtschaft und Vormundschaft nach dem BGB. f. d. Deutsche Reich, Berlin 1901 S. 1-136. Staudinger, B Bei Gütertrennung ist der Mann zur Geltendmachung des An spruchs nur berechtigt, wenn er von der Frau bevollmächtigt ist; das gleiche gilt, falls der Anspruch durch Ehevertrag als Vorbehalts gut erklärt ist. Ueber die güterrechtliche Natur der Aussteuer selbst s. unten Bem. 9.
8. Beweislast. a) Die auf Gewährung der Aussteuer klagende Tochter hat nachzuweisen, daß ihre Verheiratung erfolgt und daß die verlangte Aussteuer nach Lage des Falles angemessen ist (vgl. Neumann Bem. 4, a). b) Ob die Klägerin nachzuweisen hat, daß sie ein zur Beschaffung der Aus steuer ausreichendes Vermögen nicht hat oder ob es dem beklagten Eltern teil obliegt, das Vorhandensein solchen Vermögens der Tochter dar zutun. ist bestritten; die erstere Ansicht vertreten Neumann Note 4. a, y, Starke S. 48, Blume Bem. 5, e, Opet, Verwandtschaftsrecht S. 150 ff.; die letztere Planck Bem. 4, Fischer-Henle Note 4, Mayer-Reis S. 282 Anm. 14, Lehmann II 8 214 Zifs. 2, Dernburg 8 72, II, 3. Im Hinblick auf den Wortlaut deö 8 1620 dürste die letztere Ansicht vorzuziehen sein (vgl. dagegen hinsichtlich des Unterhaltsanspruchs 8 1602 Äbs. 1 und Bem. 3 hiezu).
c) Daß der Nachweis der Leistungsfähigkeit des in Anspruch genommenen Elternteils der Klägerin obliegt, ist nach dem Wortlaute des 8 1620 nicht zu bezweifeln, wenn auch die gegenteilige Regelung sich als zweckmäßiger darstellen würde (ebenso Planck Bem 5, Starke S. 48; and. Ans. Neumann Note 4, b, « Blume Bem. 5, e, Fischer-Henle Note 4, Dernburg 8 72, II, 2, Opet, Verwandtschaftsrecht S. 150 ff., Mayer-Reis S. 282 Anm. 14, Lehmann II 8 214 Biss. 2; vgl. dagegen hinsichtlich des Unterhaltsanspruchs 8 1603 Abs. 1 und Bem. 1 und 7 hiezu; f. auch A. Zipverling, Das Wesen des beneficium competentiae S. 157 ff., der zwischen absoluter und relativer Leistungsfähigkeit unterscheiden will). d) Wird gegen die Mutter geklagt, so hat die Tochter auch darzutun, daß der Vater zur Gewährung der Aussteuer außerstande oder gestorben oder daß die Rechtsverfolgung gegen ihn im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist (vgl. Bem. 7 zu 8 1607). e) Daß dem Anspruch eine Einrede nach 88 1621 Abs. 1, 2, 1622 ent gegensteht, hat der Beklagte nachzuweisen. 9. Eigentümer der vor oder nach Eingehung der Ehe gewährten Aussteuer wird die T o ch t e r. Welche Rechte dem Manne an der Aussteuer zustehen, bemißt sich nach den Vorschriften des ehelichen Güterrechts (nach der herrschenden Lehre des gern. R. war der Ehemann Eigentümer der Dotalsachen; nach BLR. Tl. I cap. 6 813 Ziff. 17,18, Tl. II cap. 2 8 2 stand dem Manne das dominium civile, der Frau das dominium naturale zu). Beim Güterstande der eheherrlichen Verwaltung und Nutznießung ist die Aussteuer eingebrachtes Gut, soweit sie nicht gemäß 88 1366, 1368 Borbehaltsgut der Frau ist. Bei allgemeiner Gütergemeinschaft gehört die Aussteuer, wenn sie nicht durch Ehevertrag als Vorbehaltsgut erklärt ist (§ 1440), zum Gesamtgut (88 1438, 1439 Satz 2, Bem. 2, b y, und 5 zu § 1439); bei Errungenschaftsgemeinschaft ist die Aussteuer eingebrachtes Gut der Frau (88 1520—1522,1524, Bem. 1, d zu 8 1521, Bem. 2, a zu 8 1524), bei Fahrnisgemeinschast (falls sie nicht als Borbehaltsgut der Frau erklärt ist, s. Bem. 3, a zu 8 1555) Gesamtgut (88 1549, 1438, 1554 Satz 2, Bem. 2, c zu 8 1554). Ueber die Geltendmachung des Anspruchs auf Aussteuer durch den Mann s. oben Bem. 7, c. 10. Nichtigkeit, Anfechtbarkeit und Auflösung der Ehe.
4. Titel: Rechtliche Stellung der ehelichen Kinder.
§§ 1620, 1621.
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a) Ist die Ehe der Tochter absolut nichtig (s. Vordem. Hl vor 9 1323), so steht ihr kein Anspruch auf Aussteuer zu (vgl. P. IV, 321). Eine trotzdem gewährte Aussteuer kann nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung f§§ 812 ff.) zurückverlangt werden. DaS Sleiche gilt, wenn die Ehe der Tochter relativ nichtig (f. die erwähnte lorbem.j oder anfechtbar und angefochten ist, im Falle der Nichtig keitserklärung oder Auflösung der Ehe (§§ 1329, 1343, s. Vordem. VII vor § 1323). b) Dagegen berechtigt der Umstand, daß die Ehe der Tochter aufgelöst worden ist (Bem. 2 zu § 1309), die Eltern nicht zur Zurückforderung der bei Abschluß der Ehe gewährten Aussteuer (vgl. Derndurg, Pand. Dd. 3 § 20; BLR. Tl. I cap. 6 § 13 Ziff. 12). 11. Unberührt durch das BGB. bleibt gemäß EG. Art. 59 die Bestimmung des § 46 des bchßr. ^ibetfommiftebütS Weil. VII zu Tit. V §4 der Scrf.Urt). Hienach ist der Fideikommißbesitzer, wenn der Konstituent keine besondere Verfügung zum Vorteile der Familienmitglieder gemacht hat, verbunden, mangels eines andern Vermögens oder Einkommens seinen Töchtern und Schwestern bei ihrer Verehelichung eine angemessene Aussteuer zu geben. 12. Uebergangszeit. Der Anspruch aus § 1620 steht nur derjenigen Tochter zu, deren Verheiratung nach Inkrafttreten des BGB. erfolgt ist (EG. Art. 170; ebenso Urt. d. OLG. Frankfurt a. M. vom 11. Juli 1900 Rspr. d. OLG. Bd. 1 S. 176, Habicht S. 623; s. auch Urt. d. Kammerger. vom 6. Februar 1903 Rspr. d. OLG. Bd. 7 S. 72 ff., Starke S. 38 ff.).
§ 1621.
Der Vater und die Mutter können die Aussteuer verweigern, wenn sich die Tochter ohne die erforderliche elterliche Einwilligung verheirathet. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tochter einer Verfehlung schuldig gemacht
hat, die den Verpflichteten berechtigt, ihr den Pflichttheil zu entziehen. E. H, 1516; in, 1599.
1. Nach § 1621 (s. auch § 1622) steht dem an sich gemäß § 1620 begründeten Ansprüche der Tochter aus Aussteuer in zwei Fällen eine (peremtorische) Einrebe entgegen: a) Nach § 1621 Abs. 1 kann die Aussteuer verweigert werden, wenn sich die Tochter ohne die erforderliche elterliche Einwilligung verheiratet (P. IV, 317ff.; vgl. Bem. 7, d zu 9 1305). Ob die elterliche Einwilligung zur Eheschließung erforderlich ist, bemißt sich nach § 1305. Gemäß 9 1308 kann die ohne wichtigen Grund verweigerte elterliche Einwilligung auf Antrag des volljährigen Kindes durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden, was im Hinblick auf 9 1305 nur gegenüber Kindern, die für voll jährig erklärt sind, Bedeutung hat (Bem. 1 zu 9 1308). Ist auf Grund dieser Bestimmung die von den Eltern verweigerte Einwilligung durch das Bormundichastsgericht ersetzt worden, so kann die Gewährung einer Aus steuer nicht verweigert werden (P. IV, 320; daß die Aussteuerpflicht der Eltern gerade für solche Fälle von besonderer Bedeutung ist, hebt D. 221 mit Recht hervor; unrichtig Süßheim a. a. O. S. 398 auf Grund miß verständlicher Auffassung des § 1308; vgl. auch Jesch S. 38 Anm. 1). Die Bestimmung des § 1621 Abs. 1 greift also nur Platz: «) wenn eine minderjährige Tochter sich ohne die erforderliche elterliche Einwilligung verheiratet; ß) wenn eine noch nicht 21 Jahre alte, aber für volljährig erklärte Tochter sich verheiratet, ohne daß die erforderliche elterliche Einwilligung er teilt oder durch das Bormundschastsgericht ersetzt worden ist. Der in der II. Komm, gestellte Antrag, wonach der Anspruch auf Aussteuer auch dann ausgeschlossen sein sollte, wenn die elterliche Einwilligung zur Verheiratung der Tochter gesetzlich nicht erforderlich war, aber aus wichtigen Gründen verweigert worden ist, wurde abgelehnt (P. IV, 321), ebenso der Antrag, den Anspruch auf Aussteuer nur dann auszuschließen, wenn bei Verheiratung der Tochter ohne die erforderliche elterliche Ein willigung ein wichtiger Grund zur Verweigerung der Einwilligung bestanden habe (P. IV, 322). Daß der in Anspruch genommene Elternteil sich nur auf den Mangel der Einwilligung desjenigen Elternteils berufen kann, dessen Einwilligung 53*
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II. Abschnitt: Verwandtschaft.
zur Eheschließung nach § 1305 erforderlich ist, kann nach dem Wortlaute des Gesetzes keinem Zweifel unterliegen (P. IV, 321). Anderseits ergibt sich aus § 1621 Abs. 1 („der Vater und die Mutter"), daß die Einrede des Mangels der erforderlichen elterlichen Einwilligung auch von demjenigen Elternteile geltend gemacht werden kann, dessen Einwilligung nach § 1305 nicht erforderlich war. Dadurch, daß sich die Eltern nachträglich mit der ohne die er forderliche elterliche Einwilligung erfolgten Verheiratung der Tochter ein verstanden erklärt haben, wird die Anwendbarkeit des § 1621 Abs. 1 nicht ausgeschlossen lOpet, Verwandtschastsrecht S. 157; nach Planck Bem. 1 soll es Auslegungssrage sein, ob in diesem Falle der Anspruch auf Aussteuer nachträglich erworben wird; ähnlich Blume Bem. 4). Der Umstand, daß die erste Ehe der Tochter ohne die erforderliche elterliche Genehmigung geschlossen worden ist, berechtigt die Eltern nicht zur Verweigerung der Aussteuer gegenüber der zum zweitenmale ver heirateten Tochter, falls zum Abschlüsse der zweiten Ehe die Einwilligung der Eltern erteilt, durch das Vormundschaftsgericht ersetzt oder nicht mehr erforderlich war (Opet, Verwandtschaftsrecht S. 156, Planck Bem. 1). b) Nach § 1621 Abs. 2 kann. die Aussteuer ferner verweigert werden, wenn sich die Tochter einer Verfehlung schuldig gemacht hat, welche den in An spruch genommenen Elternteil berechtigt, ihr den Pflichtteil zu ent ziehen (P. IV, 322, § 2333; vgl. § 1611 Abs. 2, BLR. Tl. I cap. 6 § 13 Ziff. 4). Selbstverständlich kann sich der in Anspruch genommene Elternteil nur auf solche Verfehlungen der Tochter berufen, die ihn selbst zur Entziehung des Pflichtteils berechtigen, während er Verfehlungen der Tochter gegenüber dem andern Eltern teile nur geltend machen kann, in soweit hiewegen auch er zur Entziehung des Pflichtteils berechtigt ist (vgl. § 2333 Nr. 1, 2, 3). Ob die Verfehlung der Tochter vor oder nach Abschluß der Ehe erfolgte, kommt nicht in Betracht (Opet, Verwandtschaftsrecht S. 157, Blume Bem. 3, Starke S. 71; and. Ans. Planck Bem. 2 auf Grund des § 2336 Abs. 2); ist aber die Aussteuer einmal gewährt worden, so kann sie nicht wegen nachträglicher, die Entziehung des Pflichtteils rechtfertigender Verfehlungen der Tochter zurückgefordert werden. Das Recht der Eltern, die Aussteuer gemäß § 1621 Abs. 2 zu ver weigern, kommt in Wegfall, wenn die Befugnis zur Entziehung des Pflichtteils durch Verzeihung erloschen ist (§ 2337), gleichviel, ob die Verzeihung vor oder nach Abschluß der Ehe erfolgte (nach Opet, Verwandt schastsrecht S. 157 soll die Einrede durch Verzeihung der Verfehlung nicht beseitigt werden; nach Planck Bem. 2 ist es Auslegungssrage, ob die Ein rede in diesem Falle beseitigt wird). Eine entsprechende Anwendung des § 2336 Abs. 4 ist unzulässig (Strauß, Recht 1909 S. 398 ff.). 2. Im Falle der Annahme an Kindes Statt finden die Vorschriften des § 1621 Abs. 1 und 2 auf die Verpflichtung des Annehmenden zur Gewährung einer Aussteuer gegenüber der angenommenen Tochter entsprechende Anwendung (vgl. Bem. 3, b, ß zu § 1620, § 1306 uno Bem. 5 hiezu, § 1757 und Bem. 1 hiezu, Urt. d. OLG. Jena vom 3. Juli 1909 Seuff. Arch. Bd. 64 Nr. 196).
3. Der Beweis, daß die Voraussetzungen des § 1621 Abs. 1 oder 2 gegeben sind obliegt dem beklagten Elternteile (vgl. Bem. 8, e zu § 1620; s. auch §2336 Abs. 3). 4. Der Mangel der gemäß § 1304 erforderlichen Einwilligung des gesetzlichen Vertreters begründet das Recht zur Verweigerung der Aussteuer auch dann nicht, wenn ein Elternteil gesetzlicher Vertreter ist (Planck Bem. 3). § 1622.
Die Tochter kann eine Aussteuer nicht verlangen, wenn sie für eine frühere Ehe von dem Vater oder der Mutter eine Aussteuer erhalten hat. E. II, 1517; III, 1600.
1» Der Anspruch der Tochter auf Aussteuer ist durch einmalige Gewährung einer angemessenen Aussteuer erfüllt. Der wiederholten Geltendmachung für den Fall einer zweiten Ehe steht die (peremtorische) Einrede des § 1622 entgegen, auch wenn die gewährte Aussteuer ohne Verschulden der Tochter während ihrer früheren Ehe zu Verlust gegangen ist (P. IV, 322; s. auch sächs. GB. § 1615; anders das gem. R., vgl. Dernburg,
4. Titel: Rechtliche Stellung der ehelichen Kinder.
§§ 1621—1623.
837
Pand. Bd. 3 § 15 Note 7), oder wenn die früher gewährte Aussteuer im Hinblick auf die inzwischen eingetretene Veränderung der Verhältnisse zur Zeit des Abschlusses der zweiten Ehe nicht mehr als „angemessen" erscheint (Opet, Verwandtschastsrecht S. 155). Auf die frühere Gewährung der Aussteuer kann sich nach § 1622 der in Anspruch genommene Elternteil auch dann berufen, wenn die Gewährung seitens des andern Elternteils erfolgt ist. 2. Daß 8 1622 keine Anwendung findet, wenn die Aussteuer schon vor Abschluß der früheren Ehe gewährt worden, der Abschluß der Ehe dann aber aus irgend welchen Gründen unterblieben ist, kann trotz des Wortlautes des Gesetzes lvgl. E. II § 1517: „bei einer früheren Eheschließung") wohl nicht bezweifelt werden. Soweit aber die früher gewährte Aussteuer noch vorhanden ist und die Eltern auf das ihnen zustehende Rückforderungsrecht (s. Bem. 7, b zu 8 1620) verzichtet haben, ist die Tochter mangels Bedürftigkeit (f. Bem. 4, b zu 8 1620) nicht forderungsberechtigt; hinsichtlich der Ange messenheil der Aussteuer ist solchenfalls nicht der Zeitpunkt maßgebend, in dem die frühere Ehe stattfinden sollte, sondern der Zeitpunkt der wirklichen Eheschließung (vgl. Bem. 5, a zu 8 1620; im wesentlichen ebenso Blume Bem. 2, Opet, Verwandtschaftsrecht S. 155 Note 55, Kuhlenbeck Note 1, Fischer-Henle Note 1). Mit dem Anspruch auf Zu rückerstattung (Bem. 7, d zu 8 1620) können die Eltern gegenüber dem Aussteueranspruche der Tochter nicht aufrechnen (§81623, 394); ebensowenig steht ihnen ein Zurückbehaltungs recht (8 273) zu (Planck Bem. 3; and. Ans. hinsichtlich des Zurückbehaltungsrechts Starke S. 65 ff.) 3. Ist für die frühere Ehe eine Aussteuer auf Grund des § 1621 verweigert worden, so steht dieser Umstand der Verpflichtung der Eltern, für die zweite Ehe eine Aussteuer zu gewähren, nicht entgegen, falls bei Abschluß der zweiten Ehe die Voraus setzungen des 8 1621 nicht vorliegen (vgl. Bem. 1, a und b zu 8 1621). 4. Im Falle der Annahme an Kindes Statt findet 8 1622 auf die Aussteuer pflicht des Annehmenden entsprechende Anwendung (vgl. Bem. 3, b, ß ju 8 1620, 8 1306 und Bem. 5 hiezu, 8 1757 und Bem. 1 hiezu). 5. Beweispflichtig für das Vorliegen der Voraussetzung des 8 1622 ist der be klagte Elternteil (vgl. Bem. 8, a zu 8 1620;. § 1623.
Der Anspruch
auf die Aussteuer
ist nicht übertragbar.
Er verjährt in
einem Jahre von der Eingehung der Ehe an. E. II, 1518: III, 1601.
1 Die Unübertragbarkeit des Anspruchs auf Aussteuer ergibt sich aus der höchstpersönlichen Natur dieses Anspruchs. a) Folge der Unübertragbarkeit ist, daß der Anspruch auf Aussteuer der Pfändung nicht unterworfen ist (ZPO. 8 850 Abs. 1), ferner nicht zum Gegenstand eines Nießbrauchs oder Pfandrechts gemacht werden kann, und daß ihm gegenüber Aufrechnung nicht stattfindet (8§ 1069 Abs. 2, 1274 Abs. 2, 394 Satz 1). b) Als der Zwangsvollstreckung nicht unterliegend gehört der Anspruch auf Aussteuer auch nicht zur Konkursmasse der forderunasberechtigten Tochter (KO. § 1 Abs. 1; Jaeger, Komm. z. KO., 3./4. Aufl. Anm. 32 zu 8 1); über die Geltendmachung des Aussteueranspruchs im Konkurse des Verpflichteten s. unten Bem. 5. c) Aus der Unübertragbarkeit des Anspruchs auf Aussteuer ergibt sich in güterrechtlicher Hinsicht, daß der Anspruch bei allgemeiner Gütergemein schaft zum Sondergute, bei Errungenschafts- oder Fahrnisgemeinschaft zum eingebrachten Gute der Frau gehört (88 1439, 1522, 1552); über die Geltend machung des Aussteueranspruchs durch den Ehemann der Tochter s. Bem. 7, c zu 8 1620; über die güterrechtliche Natur der Aussteuer selbst s. Bem. 9 zu 8 1620. (1) Hinsichtlich des Anspruchs des Erben s. unten Bem. 2 Abs. 3. 2. Der Anspruch auf Aussteuer ist, sobald er überhaupt erworben ist (Bem. 7, b zu 8 1620), allgemeinen Grundsätzen zufolge aktiv und passiv vererblich; eine besondere Vorschrift dieses Inhalts wurde von der H. Komm, für entbehrlich erklärt; bei der Revision wurde der Antrag, ausdrücklich auszusprechen, daß der Anspruch nach der Ehe schließung weder durch den Tod der Tochter noch durch den Tod des Vaters oder der Mutter erlösche, als rein redaktionell der Redaktionskommission überwiesen (P. IV, 323, VI, 298; D. 222; ebenso Planck Bem. 2, Kuhlenbeck Note 1, Neumann Note 1, Fischer-
838
II. Abschnitt: Verwandtschaft.
Henle Note 2, Dernburg 8 72, II, 4; unentschieden Blume Bem. 1; ohne Begründung behauptet Opet, Berwanotschaftsrecht S. 154, daß die Verbindlichkeit passiv nur vererblich sei, wenn der Anspruch bereits bei Lebzeiten der Eltern rechtshängig geworden ist). Die subsidiäre Aussteuerpflicht der Mutter (8 1620 Abs. 1 Satz 2) tritt nur ein, wenn der Bater vor der Verheiratung der Tochter gestorben ist (Bem. 3, b zu 8 1620); ist der Bater nach diesem Zettpuntte gestorben, so haftet die Mutter nur, wenn und so weit sie Erbin des Balers (88 1931 ff.) geworden ist (ebenso Planck Bem. 2; nach Opel, Verwandtschaftsrecht S. 151 soll die Haftung der Mutter durch die Haftung des Erben des Vaters nicht berührt werden, sofern nicht hiedurch die Bedürftigkeit der Tochter be seitigt wird). Ist der Aussteueranspruch auf den Erben übergegangen, so hat er damit seine höchstpersönliche Natur verloren, er unterließt daher nicht mehr der Beschränkung des 8 1623 Satz 1 und den sich hieraus (s. Bem. 1, a—c) ergebenden weiteren Rechts normen (so mit Recht Urt. d. OLG. Köln vom 9. Januar 1905 Recht 1905 S. 226). 3. Verzicht auf den Aussteueranspruch ist zulässig (vgl. dagegen 8 1614 Abs. 1); auch die Zulässigkeit eines Vergleichs und Schiedsvertrags (ZPO. 8 1025) unter liegt keiner Beschränkung (vgl. Bem. 2 zu 81614). Ob der Verzicht gegenüber dem Bater auch als Verzicht gegenüber der Mutter auszufassen ist und umgekehrt, ist Frage der Auslegung; daß durch Verzicht gegenüber dem Vater die Haftung oer Mutter nicht über den Rahmen des 8 1620 Abs. 1 Satz 2 hinaus erweitert wird, ist selbstverständlich (zu weit geht wohl die Behauptung von Planck Bem. 3, daß durch Verzicht gegenüber dem Vater die Mutter befreit werde). Inwieweit die verheiratete Tochter zum Verzichte der Zustimmung des Mannes bedarf, bemißt sich nach dem für ihre Ehe geltenden Güterrecht. 4. Die durch § 1623 Satz 2 festgesetzte kurze Verjährungsfrist entspricht der Natur des Aussteueranspruchs (P. IV, 323; vgl. säcys- GB. 8 1666) und bildet eine Aus nahme von der Regel des 8 195 (s. auch § 194 Abs. 2). Die Vorschrift, daß die Ver jährung mit der Eingehung der Ehe (81317) beginnt, steht im Einklänge mit denr Grundsätze des 8 198 Satz 1, da der Anspruch erst mit der Verheiratung oer Tochter zur Entstehung gelangt (Bem. 7, b zu 8 1620). Ueber die Berechnung der einjährigen Frist s. 88 187 Abs. 1, 188 Abs. 2. Ueber Hemmung der Verjährung f. 88 202 ff., insbesondere 8 204 Satz 2, wonach die Ver jährung des Aussteueranspruchs während der Minderjährigkeit der Tochter gehemmt ist (ohne Grund behauptet Süßheim a. a. O. S. 396, daß der Grundsatz des 8 204 durch 8 1623 durchbrochen werde); f. auch 8 206 und Bem. 7, a zu 8 1620. Ueber Unter brechung der Verjährung s. 88 208ff. Ist der Anspruch rechtskräftig festgestellt, so verjährt er erst in dreißig Jahren (88 218 ff.). Der auf Rechtsgeschäft (insbesondere Aussteuerversprechen) beruhende An spruch unterliegt der regelmäßigen Verjährung von 30 Jahren (8 195; Starke S. 68, Planck Bem. 4). 5. Im Konkurse der Eltern kann der Anspruch auf Aussteuer, weil durch Leistungs fähigkeit der Eltern bedingt, nicht geltend gemacht werden, wenn die Tochter erst während des Konkurses heiratet, wohl aber, wenn der Aussteueranspruch schon vor Eröffnung des Konkurses begründet war (Jaeger, Komm. z. KO., 2. Aufl. Anm. 6 zu 8 63). Die Forderung der Tochter aus einem Aussteuerversprechen der Eltern ist keine „Forderung aus einer Freigebigkeit des Gemeinschuldners" im Sinne des 8 63 Nr. 4 KO., soweit die Aussteuer nach 8 1620 geschuldet wird (Jaeger a. a. O.). Ueber oen Konkurs der aussteuerberechtigten Tochter f. oben Bem. 1, b.
§ 1624.*) ober auf die Er
Was einem Kinde mit Rücksicht auf seine Verheirathung
langung einer selbständigen Lebensstellung zur Begründung oder zur Erhaltung
der
Wirthschaft
oder der Lebensstellung
von
dem Bater
oder der Mutter jii
gewendet wird (Ausstattung), gilt, auch wenn eine Verpflichtung nicht besteht, nur
insoweit den
als Schenkung,
als die Ausstattung das den Umständen,
Vermögensverhältnissen des
Vaters
ober
der Mutter,
insbesondere
entsprechende Maß
übersteigt. *) Vgl. Barto lomäus, Mitgifwersprechen und Schenkung, S. 259 ff., sowie die in Note * zu 8 1620 erwähnte Literatur.
D. Jur.Z. 1905
4. Titel: Rechtliche Stellung der ehelichen Kinder.
§§ 1623, 1624.
839
Die Verpflichtung des Ausstattenden zur Gewährleistung wegen eines Mangels
im Rechte oder wegen eines Fehlers der Sache bestimmt sich, Ausstattung nicht als Schenkung gilt,
auch soweit die
nach den für die Gewährleistungspflicht
des Schenkers geltenden Vorschriften. E. I, 1500 Abs. 1, 8; II, 1519; III, 1602.
1. Begriff -er Ausstattung; Verhältnis -er Ausstattung zur Aussteuer. Während „Aussteuer" (88 1620—1623) der Inbegriff der zur Einrichtung des Haushalts einer heiratenden Tochter erforderlichen beweglichen Gegenstände ist (Bem. 2 zu 8 1620), umfaßt der weitere Begriff der Ausstattung alles, waS einem Kinde von dem Vater oder der Mutter mit Rücksicht aus seine Verheiratung oder auf die Erlangung einer selbständrgen Lebensstellung zur Begründung oder zurErhaltung der Wirtschaft oder der Lebensstellung zugewendet wird, also insbesondere auch den erwähnten Zwecken dienende Geldbeträge oder unbewegliche Sachen (P. IV, 323; über die Anwendbarkeit des § 313 s. Beschl. d. Reichsger. vom 6. Juni 1901 Jur. Wschr. 1904 S. 405; vgl. 81551), sowie auch Renten (88 759 ff.; über die Anwendbarkeit des 8 761 auf ein zum Zwecke der Ausstattung gegebenes Rentenversprechen s. Urt. d. Reichsger. vom 23. Mai 1906 und 18. April 1907, RGE. Bd. 63 S 323 ff., Jur. Wschr. 1907 S. 332, Urt. d. OLG Frankfurt a. M. vom 31. Mai 1907 Recht 1907 S. 1134, vgl. aber auch das den Begriff des Leibrenten vertrags erheblich einschränkende Urt. d. Reichsger. vom 12. Dezember 1907 RGE. Bd. 67 S. 204 ff.). Auch fortlaufende Zuschüsse, die zu dem Zwecke gegeben werden, um als Einkünfte verwendet zu werden G? 2050 Abs. 2), können als Ausstattung zu erachten sein (RGE. Bd. 67 S. 207 gegen Jacubezky im „Recht" 1906 S. 284 Anm. 4). Mit diesem Begriffe der Ausstattung deckt sich nach dem gemeinen Sprachgebrauch im wesent lichen der Sinn des Wortes „Mitgift" (Urt. d. Reichsger. vorn 29. Oktober 1903 Jur. Wschr. 1903 Beil. S. 130; f. auch RGE. Bd. 62 S. 275: „eine Ausstattung oder hiernit gleichbedeutend eine Milgift"). Aus den Worten „zur Erha lt ung der Wirtschaft oder der Lebensstellung" (s. auch 88 1477 Abs. 2, 1551 Abs. 1) ergibt sich, daß es sich bei der Ausstattung keineswegs nur um die einmalige, bei der Verheiratung oder der Begründung der selbständigen Lebens stellung zur ersten Einrichtung erfolgende Zuwendung handeln könne, daß vielmehr als Ausstattung auch solche Zuwendungen zu erachten sind, die während des Bestehens der Ehe oder nach Begründung oer Lebensstellung zur Fortführung der Wirtschaft versprochen oder gewährt werden (Urt. d. Reichsger. vom 3. Mai 1906 Jur. Wschr. 1906 S. 427). 2. Eine Rechtspf licht zur Gewährung einer Ausstattung besteht nach dem BGB. nicht, abgesehen von der in den 88 1620—1623 geregelten Verpflichtung der Eltern zur Gewährung einer angemessenen Aussteuer an Töchter im Falle ihrer Verheiratung, und von der Verpflichtung zur Erfüllung eines vertragsmäßigen Ausstattungsversprechens (s. unter b). Dagegen erkennt das BGB. eine sittliche Verpflichtung zur Gewähnmg einer angemessenen Ausstattung an für Eltern (nicht auch für entferntere Aszendenten, M. IV, 718) gegenüber ihren ehelichen Kindern. a) Während die Rechtsvflicht zur Gewährung einer Aussteuer nur gegenüber, Töchtern Platz greift (8 1620), besteht die sittliche Verpflichtung zur Zu wendung einer Ausstattung sowohl gegenüber Söhnen als gegen über Töchtern (M. IV, 718). Ob das Kind volljährig oder minderjährig ist, unter elter licher Gewalt steht oder nicht, dem elterlichen Hausstand angehört oder nicht, kommt nicht in Betracht. Soweit Kinder aus nichtigen oder anfechtbaren Ehen, unehe liche, legitimierte und an Kindes Statt angenommene Kinder als ehelich gelten oder die rechtliche Stellung ehelicher Kinder haben (s. 88 1699, 1705, 1719, 1736, 1757), stehen sie auch hinsichtlich der Anwendbarkeit des 8 1624 ehelichen Kindern gleich (vgl. Vordem. 2 zu diesem Titel und Bor bern. 2 vor 8 1591). b) Die Erfüllung der sittlichen Verpflichtung zur Zuwendung einer Ausstattung kann in doppelter Form erfolgen, entweder durch Uebergabe der zur Begründung oder Erhaltung der Wirtschaft oder Lebensstellung geeigneten Gegenstände selbst oder durch Abgabe des Versprechens, solche Gegen stände übergeben zu wollen (Urt. d. Reichsger. vom 3. Mai 1906 Jur. Wschr. 1906 S. 427). Im Hinblick hierauf unterscheidet das Gesetz (ähnlich wie bei der Schenkung, s. Bd. II Vorbem. vor 8 516) zwischen „Gewährung"
840
II. Abschnitt: Verwandtschaft.
und „Versprechen" der Ausstattung (vgl. z. B. 8 1465). Wird das Ausstattungsversprechen von dem Kinde oder seinem gesetzlichen Vertreter angenommen, so erwirbt das Kind nach Matzgabe der allgemeinen Grund sätze über Verträge einen klagbaren Anspruch auf Erstillung des Versprechens (von der Erfüllung der durch die Ehe begründeten Pflichten seitens des Bersprechensempfängers ist die Gültigkeit des Versprechens nicht abhängig, Urt. d. OLG. Posen vom 7. April 1903 Recht 1903 S. 340). Im übrigen ist für die Entscheidung der Frage, ob eine Zuwendung „Ausstattung" im Sinne des § 1624 ist, die Form der Zuwendung ohne Belang, ins besondere kann die Gewährung einer Ausstattung auch mit einem andern (entgeltlichen oder unentgeltlichen) Veräußerungsgeschäfte verbunden werden (Urt. d. Reichsger. vom 7. Marr 1903 RGE. Bd. 54 S. 111). Das Aus stattungsversprechen kann auch gegenüber dem Bräutigam der Tochter erfolgen (Urt. d. Reichsgcr. vom 7. Oktober 1907 Recht 1907 Nr. 3326 und vom 12. Dezember 1907 RGE. Bd. 67 S. 204 ff.). c) Zuwendungen der im § 1624 bezeichneten Art seitens dritter Personen (insbesondere seitens entfernterer Aszendenten) oder zu andern als den im § 1624 erwähnten Zwecken sind keine „Ausstattung" und unterliegen daher nicht den Vorschriften der §§ 1624 und 1625; ob derartige Zuwendungen als „Schenkung" erscheinen, ist unter Berücksichtigung der Umstände ves einzelnen Falles nach § 516 zu entscheiden (vgl. Urt. d. OLG. Posen vorn 4. November 1902 Rspr. d. OLG. Bd. 5 S. 416 ff., Urt. d. Reichsger. vom 29. Oktober 1903 Jur. Wschr. 1903 Beil. S. 130 ff. und vom 11. Januar 1906 RGE. Bd. 62 S. 275, Urt. d. Kammerger. vom 5. Januar 1903 Seuff. Arch. Bd. 59 Nr. 76). Der Umstand aber, datz das Versprechen unmittelbar dem zukünftigen Schwiegersöhne gegenüber abgegeben worden ist, steht der Anwendung des § 1624 nicht entgegen, falls aus den Umständen sich ergibt, datz der Versprechende die zugesagte Ausstattung in Wirklichkeit seiner Tochter bestimmte (Urt. d. Reichsger. vom 26. März 1906 Recht 1906 S. 1139, Urt. d. OLG. Frankfurt a. M. vom 15. März 1906 Recht 1906 S. 1194, s. auch Planck Bem. 8). d) Die von Fränkel (S. 121 Note 5) für zulässig erachtete analoge Anwend barkeit des 8 685 Abs. 2 auf die Gewährung einer Ausstattung dürfte auch hier (vgl. Bem. 5, a zu 8 1620) int Hinblick auf die Verschiedenheit des Tatbestandes ausgeschlossen sein. e) Ueber die Frage, ob ein Ausstattungsversprechen gegen die guten Sitten verstößt, wenn es dafür gewährt wird, daß ein anderer die von dem Ver sprechenden geschwängerte Frauensperson heiratet, s. Urt. d. Reichsger. vom 11. Januar 1906 RGE. Bd. 62 S. 278. 3. Auf dem Umstande, daß das Gesetz eine sittliche Verpflichtung der Eltern zur Gewährung einer angemessenen Ausstattung anerkennt, beruht die Vorschrift des 8 1624 Abs. 1, inhaltlich deren die Zuwendung einer Ausstattung grundsätzlich nicht als Schenüng (vgl. 8 516 Abs. 1) gilt (s. aber unten Bem. 4, a und b). Hieraus ergibt sich: a) Auf die Zuwendung einer Ausstattung sinden die für die Schenkung geltenden Vorschriften der 8§ 516—534 keine Anwendung. Demnach ist zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den die Gewährung einer Ausstattung versprochen wird, gerichtliche oder notarielle Beurkundung des Versprechens nicht erforderlich (8 518, s. Neubecker, Die Mitgift S. 217, Urt. d. Reichsger. vom 11. Januar, 23. Mai 1906, 12. Dezember 1907, RGE. Bd. 62 S. 275, Bd. 63 S. 323, Bd. 67 S. 204 ff. ; s. aber auch unten Bem. 4, a, ß und y und hinsichtlich der Anwendbarkeit der 88 313 und 761 die in Bem. 1 er wähnten Entsch. d. Reichsger.); die Eltern sind nicht berechtigt, die Erfüllung des Ausstattungsversprechens nach Maßgabe des 8 519 zu verweigern; die Verbindlichkeit zu wiederkehrenden Leistungen linsbesondere Renten, s. oben Bem. 1) erlischt nicht mit dem Tode des verpflichteten Elternteils aber und dem zur Verwaltung berufenen Elternteile, Vormunde, Pfleger ober Beistände oll in solchen Fällen der Gewalthaber von der eigenen Ausübung der Nutznießung ausgeschlossen sein und diese für seine Rechnung durch den zur Verwaltung des Vermögens Berufenen erfolgen Güt. IV, 789 ff., ZG. IV, 407 ff.; vgl. § 1052); von diesem sind die Nutzungen nach Maßgabe des § 1652 an den Gewalthaber heraus zugeben, soweit sich nach den gemäß 8 1656 zu machenden Abzügen (s. unten Bem. 4) ein Ueberschuß ergibt (and. Ans., wie es scheint, Blume Bem. 1, nach welchem dem Gewalt haber nur die „Verwaltung des Nutzungsrechtes" entzogen sein soll). 2. Die im E. I enthaltene Bestimmung, daß die Nutznießung „für Rechnung des Inhabers der elterlichen Gewalt von dem Kinde durch den für die Vermögens verwaltung berufenen gesetzlichen Vertreter" auszuüben sei, wurde von der II. Komm, als selbstverständlich gestrichen. Die Motive (IV, 791) heben hervor, daß auch im Falle des (nunmehrigen) § 1656 dem Inhaber der elterlichen Gewalt die elterliche Nutznießung als „dingliches Recht verbleibt". Ob dies richtig ist und nicht vielmehr im Falle des 8 1656 das elterliche Nutznießungsrecht sich zu einem bloß persönlichen Ansprüche des Gewalthabers abschwächt (so Weyl, Vorträge Bd. 2 S. 270), ist gleich der Frage, ob das elterliche lund eheherrliche) Nutznießungsrecht überhaupt als „dingliches Recht" bezeichnet werden kann (was z. B. Endemann § 147 Anm. 16 verneint), ohne erhebliche praktische Bedeutung; über die absolute Natur des elterlichen Nutznießungsrechts s. Vordem. 2 vor § 1649. Außer Zweifel steht, daß auch im Falle des § 1656 der Gewalthaber, nicht das Kind Eigentümer der Früchte wird und daß diese, wenn vom Gewalthaber erworben, dem Zugriffe der Gläubiger des Kindes entzogen bleiben (M. a. a. O.). 3. Der mit der Vermögensverwaltung betraute gesetzliche Vertreter des Kindes hat selbstverständlich, soweit das Interesse des Kmdes nicht entgegensteht, auch das Interesse des Gewalthabers zu berücksichtigen (M. IV, 792) und diesem auf Verlangen über die Ausübung des Nutznießungsrechts Rechnung zu legen (M. IV, 791; vgl. §§ 259 ff., 278). 4. Von den an den Gewalthaber herauszugebenden Nutzungen sind in Abzug zu bringen: a) die Kosten der ordnungsmäßigen Verwaltung; b) die Lasten der Nutznießung (§ 1654 und Bem. hiezu); hiezu gehören auch die Kosten, die infolge der Ausübung der Nutznießung durch den zur Ver waltung oes Vermögens Berufenen erforderlich werden (z. B. eine dem Pfleger nach §§ 1915, 1836 gewährte Vergütung); c) für Den Fall, daß die elterliche Gewalt des Gewalthabers ruht (88 1676, 1677) oder ihm gleichzeitig mit der Vermögensverwaltung auch die Sorge für die Person des Kindes entzogen worden ist (8 1666 Abs. 1), können auch die für den Unterhalt des Kindes erforderlichen Kosten in Abzug gebracht werden, soweit sie dem Gewalthaber zur Last fallen (88 1601 ff., 1766; vgl. P. IV, 582, VI, 327). 5» Der dem Gewalthaber nach 8 1656 zustehende Anspruch ist. solange er nicht fällig ist, nicht übertragbar (8 1658 Abs. 2) und nicht pfändbar (ZPO. § 862 Abs. 1 Satz 2). Ist der Anspruch fällig, so steht er in dieser Hinsicht erworbenen Früchten gleich ÄPO. 88 862 Abs. 2, 861 Abs. 1 Satz 2); vgl. Bem. 1, 3 zu 8 1658. Hinsichtlich der Fällig keit dürste (in analoger Anwendung des 8 1655, s. Bem. 6 K anzunehmen sein, daß der Gewalthaber nur den jährlichen Ueberschuß zu bean>en hat (Planck Bem. 4). 6. Der von der Vermögensverwaltung ausgeschlossene Gewalthaber hat wegen der Stellung, die das Vormundschastsgericht hinsichtlich seines Anspruchs auf die Nutzungen dem Pfleger gegmüber einnimmt, kein Beschwerderecht, ist vielmehr auf die Beschreitung des Rechtswegs gegen den Pfleger beschränkt (Beschl. d. Oberst. LG. München vom 30. April 1904 und 17. Juni 1905, Samml. n. F. Bd. 5 S. 189 ff. [= Entsch. FG. Bd. 4 S. 191 ffJ, Bd. 6 S. 405). Ueber die Verpflichtung des zur Nutznießung, aber nicht zur Verwaltung berechtigten Gewalthabers zur sofortigen Erfüllung der ihm dem Kinde gegenüber obliegenden Verbindlichkeiten s. 8 1657.
936
II. Abschnitt. Verwandtschaft.
8. Ueber die Ausübung des aus Rechtsgeschäft beruhenden Nießbrauchs durch einen Verwalter s. §§ 1052, 1054. § 1657.
Ist der Vater von der Ausübung der Nutznießung ausgeschlossen, so hat er eine ihm dem Kinde gegenüber obliegende Verbindlichkeit, die in Folge
der
Nutznießung erst nach deren Beendigung zu erfüllen sein würde, sofort zu erfüllen.
Diese Vorschrift findet keine Anwendung, wenn die elterliche Gewalt ruht. E. I, 1533; H, 1548; III, 1634.
1. Steht dem Gewalthaber zwar die Nutznießung, nicht aber die Vermögensver waltung zu (s. Bem. 1 zu 8 1656), so erleidet sein Nutznießungsrecht außer der im § 1656 bestimmten Einschränkung im Interesse der Sicherheit des Kindes die weitere Modi fikation, daß er die ihm dem Kinde gegenüber obliegenden, an und für sich erst nach Beendigung der Nutznießung (s. Vordem. 9 vor § 1649) zu erfüllenden Verbindlichkeiten sofort nach ihrer Fälligkeit erfüllen muß (M. IV, 792 ff.). Dies gilt a) für die Verpflichtung des Gewalthabers zum Ersätze des Wertes verbrauch barer Sachen, die er gemäß 8 1653 für sich veräußert oder verbraucht hat (vgl. auch 8 1659 Abs. 2 und Bem. 2, a zu 8 1653); b) für seine Verpflichtung zum Ersätze des Wertes der von ihm im Uebermaße gezogenen Früchte (88 1652,1039 Abs. 1 Satz 2; M. IV, 793; vgl. Bem. 2, b, cf zu 8 1652 und Bem. 2 zu 8 1659); c) für die Verpflichtung, die dem Gewalthaber nach 88 1048 Abs. 2, 589 obliegt, falls er das Inventar eines Grundstücks mit der Verpflichtung übernommen hat, es bei der Beendigung des Nießbrauchs zum Schätzungswerte zurück zugewähren (vgl. Bem. 2, b, t] ju 8 1652, Bem. 5 zu 8 1653 und Bem. I, 2, f zu 8 1654; ebenso Planck Bem. 2; and. Ans. Blume Bem. 3). 2. Eine Ausnahme von diesem Grundsätze besteht für den Fall, daß die Aus schließung des Gewalthabers von der Vermögensverwaltung in dem Ruhen seiner elterlichen Gewalt ihren Grund hat (88 1676, 1677, Bem. 1, d ju 8 1656). Da die Ver pflichtung des Gewalthabers zur sofortigen Erfüllung der ihm obliegenden Verbindlich keiten in diesen Fällen durch das Interesse des Kindes nicht geboten ist und eine unbillige Härte gegenüber dem Gewalthaber enthalten würde, soll es insoweit bei der Regel ver bleiben, derzufolge die erwähnten Verbindlichkeiten erst nach Beendigung der Nutznießung zu erfüllen sind (M. IV, 793, P. IV, 582; vgl. aber auch 8 1685 Abs. 2 Satz 2). 3. Unanwendbar ist 8 1657 auf die Fälle, in denen die Verbindlichkeit des Gewalthabers durch Vertrag bis zur Beendigung der Nutznießung hinausgeschoben ist (Planck Bem. 2). § 1658.
Das Recht, das dem Vater kraft seiner Nutznießung an dem Vermögen des Kindes zustehl, ist nicht übertragbar.
Das Gleiche gilt von den nach den §§ 1655, 1656 dem Vater zustehenden Ansprüchen, solange sie nicht fällig sind. E. I, 1534; II, 1549; TU, 1635.
1. Mit Rücksicht auf seine familienrechtliche Grundlage ist das elterliche Nutznießungsreckt für unübertraabar erklärt (M I V, 794, ZG. 1V, 408; über das in dieser Beziehung früher geltende Recht s. M. IV, 793). Daß das dem Gewalthaber zustehende Reckt der Vermögensverwaltung nicht übertragbar ist, ergibt sich aus dem Um stande, daß er zur Vermögensverwaltung (gleichwie zur Sorge für oie Person des Kindes) nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist (8 1627). Unübertraabar ist aber nur das dem Gewalthaber kraft seiner Nutznießung zu stehende Recht selbst. Dagegen kann die Ausübung dieses Rechtes (z. B. durch Vermietung oder Verpachtung) von dem Gewalthaber nach Maßgabe des ihm zustehenden Verwaltungsrechts einem andern überlasten werden (M. IV, 794; vgl. 8 1663, Bem. 1 zu 8 1408; ebenso Planck Bem. 1, Blume Bem. 1, Fischer-Henle Note 1; and. Ans. Bernhardt in D. Jur.Z. 1899 S. 57). Die dem Gewalthaber nach den 88 1655, 1656 zustehend en Ansprüche auf den Reingewinn eines Erwerbsgeschätts und auf Herausgabe der Nutzungen des seiner Verwaltung nicht unterliegenden Vermögens stehen hinsichtlich ihrer Uebertrag-
4. Titel: Rechtliche Stellung der ehelichen Kinder.
§§ 1656—1658.
937
barfeit dem Nutznießungsrechte selbst gleich, solange sie nicht sällig sind (§ 1658 Abs. 2: Vgl. P. V, 144). Die fälligen Ansprüche aus §§ 1655, 1656 sind übertragbar, soweit sich nicht aus der Beschränkung ihrer Pfändbarkeit eine Abweichung ergibt (t. unten Bem. 3); über den Zeitpunkt der Fälligkeit s. Bem. 6 zu 1655, Bem. 5 zu 8 1656.
2. Aus der Unübertragbarkeit des elterlichen Nutznießungsrechts folgt, daß an ihm Weder Nießbrauch noch Pfandrecht bestellt werden kann (88 1069 Abs. 2, 1274 Abs. 2; vgl. Bem. 2 zu 8 1408). Das gleiche gilt von den noch nicht fälligen Ansprüchen aus 88 1655, 1656. Dagegen können fällige Ansprüche dieser Art zum Gegenstand eines Nießbrauchs oder Pfandrechts gemacht werden, soweit sich nicht aus der Beschränkung ihrer Pfändbarkeit ein Anderes ergibt (s. unten Bem. 3). 3. Das elterliche Nutznießungsrecht ist der Pfändung nicht unterworfen. Das gleiche gilt von den noch nicht fälligen Ansprüchen aus 88 1655, 1656. Fällige Ansprüche dieser Art und die vom Gewalthaber kraft der elterlichen Nutznießung erworbenen Früchte sind insoweit pfändbar, als der Gewalthaber ihrer nicht zur Bestreitung der Lasten der Nutznießung (s. 8 1654 und Bem. hiezu), zur Erfüllung der ihm seiner Ehefrau, seiner früheren Ehefrau oder feinen Verwandten gegenüber obliegen den Unterhaltungsvflicht und zur Bestreitung seines standesmäßigen Unterhalts bedarf (ZPO. 88 862 Abt-1, 2, 861 Abs. 1 Satz 2, Denkschr. z. ZPO. S. 145 ff.; vgl. E. I, 1534, 1535, M, IV, 794; s. auch ZPO. § 861 Abs. 1 Satz 1. Bem. 3 zu 8 1408). Stellt sich hienach eine Pfändung als unzulässig dar, so kann der Widerspruch gegen sie auch von dem Kinde oder dessen gesetzlichem Vertreter nach 8 766 ZPO. geltend gemacht werden ♦ Verletzt der Gewalthaber die ihm nach 8 1664 obliegende Sorgfalt, so haftet er dem Kinde für den diesem hieraus erwachsenden Schaden; für den Umfang des zu er setzenden Schadens sind die 88 249 ff. maßgebend, insbesondere ist 8 254 anwendbar, wenn bei Entstehung des Schadens ein Verschulden des Kindes mitgewirkt hat (vgl. Bem. 3 zu 8 1833). Für „moralischen" Schaden (z. B. Verwahrlosung infolge Verletzung der Aufsichts pflicht) kann Ersatz nicht verlangt werden (8 253; vgl. Bem. 3 zu 8 1833). 7. Rechtliche Natur. Eine Verletzung der dem Gewalthaber nach 8 1664 obliegen den Sorgfalt bildet an sich keine unerlaubte Handlung im Sinne der 88 823 ff.; der dem Kinde nach 8 1664 zustehende Anspruch verjährt also in 30, nicht in 3 Jahren und für die Klage ist der Gerichtsstand des 8 32 ZPO. nicht begründet. Nicht aus geschlossen ist aber, daß der Gewalthaber durch eine nicht in dieser Eigenschaft begangene Handlung dem Kinde nach 88 823 ff. schadensersatzpflichtig wird, und daß eine Pflichtwidrigkeit im Sinne des 8 1661 zugleich den Tatbestand einer unerlaubten Handlung aus 88 823 ff. erfüllt; in letzterem Falle konkurriert mit dem Anspruch aus 8 1664 der jenige aus 88 823 ff. (vgl. Bem. 4 zu 8 1833). 8. 8 1664 regelt nur die Haftung des Gewalthabers gegenüber dem Kinde; dritten Personen gegenüber haftet er, auch insoweit er in Ausübung der elterlichen Gewalt gehandelt hat, nach Maßgabe der allgemeinen Grundsätze (s. insbesondere 88 823, 826, 832, 840 Abs. 2; vgl. auch Bem. 7 zu 8 1674). 9. Ueber die Haftung des Bormundfchaftsrichters gegenüber dem Kinde s. 8 1674, über das Verhältnis der Haftung des Gewalthabers zu der des Vormund schaftsrichters s. Bem. 3 zu 8 1674. Ueber die Haftung der Ehegatten und speziell des Mannes hinsichtlich der Ver waltung des eingebrachten Gutes und des Gesamtguts s. 88 1359,1374,1456,1519 Abs. 2,
4. Titel: Rechtliche Stellung der ehelichen Kinder.
§ 1664.
Vorbemerkungen.
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1549; über die Haftung des Bormundes, Gegenvormundes, Beistandes und Pflegers s. 88 1833, 1694 Abs. 1, 1915.
Vorbemerkungen zu §§ 4665—1675. 1. Uebersicht
Die 8§ 1665—1675 behandeln die Stellung des Vormundschastgerichts gegenüber dem Inhaber der elterlichen Gewalt und zwar regeln die 88 1665—1671 die Voraussetzungenen für das Einschreiten des Vormundschafts gerichts und die zulässigen Maßregeln, § 1672 die Vertretung des Kindes durch das Bor mundschaftsgericht bei Bestellung und Aufhebung einer Sicherheit, 8 1673 das Erfordernis der Anhörung gewisser Personen vor der vom Bormundschaflsgerichle zu treffenden Ent scheidung, 8 1674 die Haftung des Vormundschastsrichters und 8 1675 die Mitwirkung des Gemeindewaisenrats.
Hieher gehören auch die Bestimmungen über die Regelung der Sorge für die Person des Kindes bei Scheidung der Ehe oder Auflösung derselben auf Grund des 8 1348 Abs. 2 (88 1635—1637), die Anordnung der Aufnahme eines öffentlichen Inventars (8 1640 Abs. 2), die Entziehung der Vertretungsbefugnis wegen Jntereffenkollision (88 1630 Abs. 2 Satz 2, 1796), die Bestellung eines Beistandes nach 8 1687 Nr. 3 und die Entziehung der Ver mögensverwaltung gegenüber dem Annehmenden (8 1760 Abs. 2).
2. Grundgedanke. Die Zulässigkeit des Einschreitens des Vormundschaftsgerichts ergibt sich aus dem vormundschaftlichen Charakter der elterlichen Gewalt (vgl. Vordem. 2 vor 8 1626). Anderseits gebietet aber die Rücksicht auf das nahe Verhältnis zwischen Eltern und Kindern und auf die elterliche Autorität, daß der Gewalthaber nicht wie der Vormund der beständigen Aufsicht des Vormundschaftsgerichts unterliegt (vgl. 8 1837). Das Gesetz hat daher die Für sorge und Aufsicht des Vormundschaftsgerichts bei der elterlichen Gewalt „nicht als eine regel mäßige, organisierte und präventive, sondern als eine nur in Veranlassung besonderer Umstände wirksam werdende" gestaltet (M. IV, 802; s. auch M. IV, 724, ZG. IV, 412 ff.). Daß das Vormundschastsgericht beim Vorhandensein dieser Voraussetzungen zum Ein schreiten von Amts wegen nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist, wenn das Interesse des Kindes es erfordert, ergibt sich aus dem Wesen der freiwilligen Gerichts barkeit (Begr. z. Entw. d. Ges. über die Angel, d. freiw. Gerichtsb. S. 12).
3. Die Übertragung der fraglichen Maßregeln auf das Vormundschastsgericht beruht auf der Erwägung, daß das Verfahren im ordentlichen Prozeßwege hiesür zu schleppend und zu schwerfällig wäre (M. IV, 806, ZG. IV, 416 ff, P. IV, 627 ff.; hinsichtlich des gem. R. vgl. RGE. Bd. 39 S. 157 ff.). Für die hienach dem Vormundschastsgericht übertragenen Geschäfte ist nach 8 35 FG. das Amtsgericht zuständig, soweit nicht nach Landesgesetz auf Grund des Art. 147 Abs. 1 EG. andere als gerichtliche Behörden mit den obervormundschastlichen Verrichtungen betraut sind (vgl. hiezu Bem. z. EG. Art. 147 im Bd. VI). Ueber die örtliche Zuständigkeit s. FG. 88 43, 44, 46 Abs. 3. Hinsichtlich der gegen die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts zulässigen Rechts mittel s. FG. 88 13 ff-, 59. Nach 8 57 Abs. 1 Nr. 6 insbesondere ist zur Beschwerde gegen eine Verfügung, durch die ein Antrag des Beistandes zurückgewiesen wird, gegen den gesetz lichen Vertreter wegen pflichtwidrigen Verhallens einzuschreiten, der Antragsteller, nach Nr. 8 sind zur Beschwerde gegen eine Verfügung, durch welche die Anordnung einer der in den 88 1665—1667 BGB. vorgesehenen Maßregeln abgelehnt oder eine solche Maßregel auf gehoben wird, die Verwandten und Verschwägerten des Kindes, nach Nr. 9 und Abs. 2 ist zur Beschwerde (abgesehen von der sofortigen Beschwerde) gegen eine Verfügung, die eine Entscheidung über eine die Sorge für die Person des Kindes betreffende Angelegenheit enthält, jeder berechtigt, der ein berechtigtes Interesse an der Wahrnehmung dieser Angelegenheit hat. Ueber die Zulässigkeit von Ordnungsstrafen gegen den Gewalthaber und die Anwendung unmittelbaren Zwange- s. Vordem. 10, b vor 8 1626.
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II. Abschnitt: Verwandtschaft.
4. Zur Unterstützung M BOrnttmtzschnft-ßericht- ist der Gemeindewaisenrat berufen, der nach § 1675 (vgl. FG. § 49) dem Vormundschaft-gericht Anzeige zu machen hat, wenn besten Einschreiten veranlaßt ist. Zur Anzeige an das Bormundschastsgericht ist in gewissen Fällen auch der Beistand, der Gewalthaber selbst und, wenn die Anordnung einer Vormundschaft oder Pflegschaft infolge eine- gerichtlichen Verfahren- erforderlich wirb, das Gericht verpflichtet (g§ 1689, 1909 Abs. 2, FG. § 50). 5. Ueber die Befugnis de- BormundschastSgerichtS, Maßregeln zum Schutze eines
Ausländer- zu treffen, s. EG. Art. 23 Abs. 2 und Bem. hiezu im Bd. VI. Nach der Ue-ergnng-vsrschrist des Art. 204 EG. bleibt eine zur Zeit des Jnkrafttretens des BGB. bestehende Anordnung der zuständigen Behörde, wodurch Vater oder Mutter in der Sorge für die Person oder das Vermögen des Kindes beschränkt ist, in Kraft, vorbehaltlich der Befugnis de- DormundscbastSgerichtS, die Anordnung nach § 1671 aufzuheben. Ist dem Vater oder der Mutter die Nutznießung am Vermögen de- Kindes durch Anordnung der zuständigen Behörde entzogen, so hat das Vormundschaftsgericht die Anordnung auf Anttag aufzuheben, fall- sie nicht nach § 1666 Abs. 2 gerechtfertigt ist (vgl. Mot. z. EG. S. 293 ff. und Bem. z. EG. Art. 204 im Bd. VI).
§ 1665.
Ist der Vater verhindert, die elterliche Gewalt auszuüben, so hat das Bormundschastsgericht, sofern nicht die elterliche Gewalt nach § 1685 von der Mutter ausgeübt wird, die im Interesse des Kindes erforderlichen Maßregeln zu treffen. E. I, 1544; II, L53u Al's. 1; III, 1642.
1. Nach § 1665 ist das Vormundschaftsgericht zum Einschreiten berufen, wenn der Gewalthaber an der Ausübung der elterlichen Gewalt im ganzen oder in einzelnen Beziehungen verhindert ist (Sft. IV, 802, 1155, ZG. IV, 413). Ob die Verhinderung des Gewalthabers eine tatsächliche (Hast, Krankheit, Abwesenheit) oder rechtliche ist (s. z. B. § 1638), kommt nicht in Betracht.
2. Diese Befugnis des Vormundschastsgerichts ist nach dem von der Reichstags kommission beschlossenen Zusatz an die Voraussetzung geknüpft, daß nicht die elterliche Gewalt nach § 1685 von der Mutter ausgeübt wird (RTK. 262ff.; in der II. Komm, hatte ein dahingehender Antrag keine Annahme gefunden, P. IV, 617 ff.). Wenn nämlich der Vater an der Ausübung der elterlichen Gewalt tatsächlich verhindert ist oder seine elterliche Gewalt ruht (§§ 1676, 1677), so wird diese (mit Ausnahme der Nutz nießung), solange die Ehe besteht, von der Mutter ausgeübt (8 1685 Abs. 1); nach Auflösung der Ehe ist ihr Die Ausübung der elterlichen Gewalt leinschließlich der Nutznießung) auf Antrag zu übertragen, wenn die elterliche Gewalt des Vaters voraus sichtlich dauernd ruht (§ 1685 Abs. 2). Soweit demzufolge die elterliche Gewalt von der Mutter ausgeübt wird, hat diese und nicht das Bor mundschastsgericht die im Interesse des Kindes erforderlichen Maß regeln zu treffen. Ist dagegen der Vater an der Ausübung der elterlichen Gewalt verhindert, ohne daß die Voraussetzungen des 8 1685 gegeben sind, oder ist die Mutter selbst an der Ausübung der elterlichen Gewalt tatsächlich oder rechtlich verhindert, so ist das Bormundschastsgericht zum Eingreifen berechtigt und (s. Vordem. 2 vor 8 1665) ver pflichtet. Ruht die elterliche Gewalt des Vaters, ohne daß sie von der Mutter ausgeübt wird, so kann auch 8 1846 anwendbar sein. 3. Welche Maßregeln im Interesse des Kindes erforderlich sind, hat das Bor mundschastsgericht nach freiem Ermessen zu beurteilen (vgl. Beschl. d. Kammerger. vom 9. November 1905 Rspr. d. OLG. Bd. 12 S. 330). In der Regel wird es sich hiebei um die Bestellung eines Vormundes oder Pflegers handeln (88 1773, 1909, D. 229), doch kann unter Umständen, insbesondere in sehr eiligen Fällen, das Vormundschaftsgericht auch Veranlaffung haben, selbst für das Kind tätig zu werden, indem es z. B. Wert papiere, die dem Kinde zugefallen sind, in Verwahrung nimmt, über den Aufenthalt des Kindes Bestimmung trifft, eine gefährdete Forderung deS Kindes kündigt, einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung beantragt, em Rechtsmittel einlegt (vgl. IV, 1155). Die Rechtswirksamkeit einer derartigen Handlung des BormundschastSgerichtS kann nicht
4. Titel: Rechtliche Stellung der ehelichen Kinder. Vorbemerkungen. §§ 1665,1666.
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um deswillen in Frage gestellt werden, weil der Gewalthaber nicht verhindert oder die getroffene Maßregel nicht erforderlich gewesen sei. 4. Für die Zuständigkeit des Vormundschastsgerichts sind im allgemeinen die Bestimmungen der 88 43, 36 FG. maßgebend. Nach § 44 dieses Gesetzes ist aber für die im § 1665 BGB. bezeichneten Maßregeln auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirke das Bedürfnis einer Fürsorge hervortritt. Ist eine Vormundschaft, Pflegschaft oder Bei standschaft anhängig, so soll dieses Gericht von den angeordneten Maßregeln dem nach § 43 Abs. 2 zuständigen Gerichte Mitteilung machen. Ueber das den Verwandten und Verschwägerten des Kindes zustehende Recht der Beschwerde gegen eine Verfügung des Bormmwfchaftsgerichts, durch welche die An ordnung einer der im BGB. § 1665 vorgesehenen Maßregeln abgelehnt oder eine solche Maßregel aufgehoben wird, s. FG. § 57 Abs. 1 Nr. 8 (Vordem. 3 vor § 1665). 5. Ueber das Eingreifen des Bormundschaftsgerichts bei Verhinderung des Bor mundes s. § 1846 (vgl. auch § 1876); über das Eingreifen des Nachlatzgerichts zur Sicherung des Nachlasses s. § 1960. § 1666.*) Wird das geistige oder leibliche Wohl des Kindes dadurch gefährdet, daß
der Vater das Recht der Sorge für die Person des Kindes mißbraucht, das Kind
vernachlässigt oder sich eines ehrlosen oder unsittlichen Verhaltens schuldig macht, so hat das Vormundschaftsgericht die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßregeln zu treffen.
daß
Das Vormundschaftsgericht kann insbesondere anordnen,
das Kind zum Zwecke der Erziehung in einer geeigneten Familie oder in
einer Erziehungsanstalt oder einer Besserungsanstalt untergebracht wird. Hat der Vater das Recht des Kindes auf Gewährung des Unterhalts ver
letzt und ist für die Zukunft eine erhebliche Gefährdung des Unterhalts zu besorgen,
so kann dem Vater auch die Vermögensverwaltung sowie die Nutznießung ent
zogen werden. E. I, 1546; U, 1557; III, 1643.
I. Für die Auslegung des § 1666, der das Einschreiten des Vormundschafts gerichts im Interesse der Person des Kindes regelt, ist die Entstehungs geschichte dieser Borschrist von wesentlicher Bedeutung. Die Bestimmungen des E. ! § 1546 Satz 1 und 2 entsprachen im wesentlichen dem nunmehrigen Äbs. 1 des 8 1666. Daneben war durch Satz 3 dem Vormundschaftsgerichte die Befugnis eingeräumt, sofern das Interesse des Kindes es erfordert, auch die elterliche Gewalt mit Ausnahme der elterlichen Nutznießung ganz oder teilweise zu entziehen (M. IV, 803 ff., ZG. IV, 413 ff.; über das frühere Recht s. hLR. Tl. II Tit. 2 88 90, 91, 266, BLR. SX I cap. 5 8 7 Ziff. 2, sächs. GB. 8 1803, M. IV, 803). Von der II. Komm, wurde das dieser Regelung zugrunde liegende Verschuldungs prinzip aufgegeben und das Einschreiten des Vormundschaftsgerickts auch dann für zulässig erklärt, wenn das Kind ohne Verschulden des Gewalthabers sittlich verwahrlost und nach der Persönlichkeit und den Lebensverhältniffen des Vaters anzunehmen ist, daß die elter liche Erziehungsgewalt zur Besserung des Kindes nicht ausreicht. Der Antrag, mit der Entziehung der elterlichen Gewalt auch den Verlust des Nutznießungsrechts zu verbinden, wurde abgelehnt und Satz 3 des 8 1546 E. I gestrichen, weil sich die Zulässigkeit der Ent ziehung der elterlichen Gewalt schon aus der dem Vormunoschaftsgericht eingeräumten Befugnis ergebe, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßregeln zu treffen. Nur für den Fall, daß das Recht des Kindes auf Gewährung des Unterhalts verletzt und für die Zukunft eine erhebliche Gefährdung des Unterhalts zu besorgen sei, sollte auch die Entziehung der Verwaltung und Nutznießung zulässig sein. Mit Rücksicht auf die Er weiterung der Befugnisse des Vormundschaftsgerichts wurde sodann beschlossen, im 8 55 des StGB, die Sätze 2 und 3 als überflüssig zu streichen, und in das EG. z. BGB. die *) Habel, Wie schützt das BGB. Minderjährige gegen Mißhandlungen ihrer Erzieher? Recht 1902 S. 59 ff.; F. Dünsing, Verletzung der Fürsorgepflicht gegenüber Minderjährigen, München 1903; Winter, Die Zwangserziehung, insbesondere mit Rücksicht auf die §§ 1666 und 1838 BGB. und da8 preußische Recht, Zentral-Bl. Bd. 1 S. 33 ff.
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II. Abschnitt: Verwandtschaft.
Bestimmung auftunehmen, bafc unbeschadet der Borschrist des 8 56 StGB., auch nach Landesrecht die öffentliche Zwangserziehung eines Minderjährigen nur zulässig sein solle, wenn sie das BormundschastSgericht für erforderlich erklärt habe (P. Iv, 619 ff., 654 ff.; s. auch M. z. EG. S. 123 ff.). Bon der Reichstagskommission wurde die Bestimmung, daß bei Verwahr losung des Kindes auch ohne Verschulden des Gewalthabers das Einschreiten des Vor mundschaftsgerichts zulässig sein solle, wieder beseitigt, dagegen der Landesgesetzgebung die Befugnis eingeräumt oie Zwangserziehung zuzulaffen, auch ohne daß das Kind eine strafbare Handlung begangen hat und ohne daß den Gewalthaber hinsichtlich der Verwahr losung des Kindes ein Verschulden trifft (RTK. 269 ff.). Im Reichstag endlich wurde diese Befugnis der Landesgesetzgebung wiederum dadurch eingeengt, daß oie öffentliche Zwangserziehung auf Grund Landesrechts, abgesehen von den Bestimmungen der 88 55, 56 StGB, und von den Vorschriften der (nunmehrigen) 88 1666, 1838 BGB., nur dann für zulässig erklärt wurde, wenn sie zur Verhütung des völligen sittlichen Verderbens notwendig ist (StB. 774 ff.). II. Voraussetzung für das Einschreiten des Vormundschaftsgerichts auf Grund des 8 1666 ist, das der Gewalthaber durch Mißbrauch des Rechtes der Sorge für die Person des Kindes, durch Vernachlässigung des Kind es oder durch ehrloses oder unsittliches Verhalten das geistige oder leibliche Wohl des KindeS gefährdet. Demgemäß setzt 6 1666 stets ein Verschulden (vorsätzlich oder fahrlässig schuldhaftes Verhalten) des Gewalthabers voraus (Planck Bem. L c, Neumann Note L Beschl. d. Kammerger. vom 29. Mai 1901 und 2. Juli 1908 Rspr. d. OLG. Bd. 3 S. 2 ft, Bd. 17 S. 278, sowie vom 23. Januar 1907 Jahrb. f. Entsch. d. Kammerger. Bd. 33 A 18, Beschl. d. Oberst. LG. München vom 15. September 1903 Samml n. F. Bd. 4 S. 627 ff.; unrichtig Blume Bem. 1). A. Eine Gefährdung -es geistigen oder leiblichen Wohles des Kindes ist gegeben, wenn Verhältnisse vorliegen, welche die Befürchtung einer geistigen oder leiblichen Schädigung des Kindes rechtfertigen (vgl. Beschl. d. Kammerger. vom 21. Mai 1900 Rwr. d. OLG. Bd. 1 S. 484, Beschl. d. OLG. Stuttgart vom 2. Dezember 1903 Rspr. d. OLG. Bd. 8 S. 349 fL Beschl. d. Oberst. LG. München vom 9. Dezember 1904 Bl. s. RA. Bd. 70 S. 179 ff. und vom 31. März 1906 Samml. n. F. Bd. 7 S. 183 ff.). 1 Der Eintritt der Schädigung selbst braucht nicht abgewartet zu werden (Opet, Verwandschaftsrecht S. 205 Note 91, Fischer-Henle Note 1); dagegen genügt ander seits die bloße Möglichkeit einer späteren Gefährdung nicht(s. Beschl. d. Oberst.LG. München vom 9. Oktober 1902 Samml. n. F. Bd. 3 S. 802 ff., vom 24. Januar 1903 Samml. n. F. Bd. 4 @.85 ff., vom 30. Juni 1905 und 13. September 1906, Recht 1905 S. 530, 1906 S. 1198, Beschl. d. Kammerger. vom 30. Mai 1907 Rspr. d. OLG. Bd. 16 S. 18 und vom 12. Dezember 1907 Recht 1908 Nr. 1580). 2. Eine gegenwärtige Gefährdung kann auch durch frühere Verfehlungen des Gewalthabers begründet sein, vorausgesetzt, daß die Kürze der seit jenen Verfehlungen verfloffenen Zeit und die Art der Verfehlungen eine nachteilige Einwirkung auf Geist ooer Körper des Kindes als möglich erscheinen lassen (vgl. Beschl. d. Oberst. LG. München vom 13. Februar 1903, 15. September 1903 und 26. Juni 1908, Samml. n. F. Bd. 4 S. 156, S. 627 ff., Bd. 9 S. 390 ff., vom 9. Dezember 1904 Bl. f. RA. Bd. 70 S. 179 ff. und vom 10. August 1908 Recht 1908 Nr. 3040; s. auch unten unter B, 3, b). 8. Auch ein einmaliger Vorgang kann eine Gefährdung desgeisttgen oder leib lichen Wohles des Kindes herbeiftihren; doch wird dies nur unter besonderen Umständen anzunehmen sein (vgl. Planck Bem. 1, b). 4. Durch die Verschiedenheit des Wohnsitzes von Gewalthaber und Kind wird eine Gefährdung im Sinne deS 8 1666 selbstverständlich nicht ausgeschlossen (Beschl. d. Kammerger. vom 16. Februar 1903 Rspr. d. OLG. Bd. 6 S. 287 ff.). 5. Hinsichtlich der Gefährdung des geistigen Wohles ist das Alter des Kindes und der Grad seiner geistigen Entwicklung von besonderer Bedeutung - so wird z. B. die Gefährdung des geisttgen Wohles eines einjährigen Kindes durch Ehebruch des Vaters als ausgeschlossen erachtet werden müssen (vgl. Beschl. d. Oberst. LG. München vom 9. Oktober 1902 Samml. n. F. Bd. 3 S. 802 ff. und vom 26. März 1909 Recht 1909 Nr. 1526; s. unten unter B, 3, a, ß). B. Die Gefährdung des geistigen oder leiblichen Wohles des Kindes muß auf Mißbrauch der Sorge für die Person des KindeS, Vernachlässigung des Kindes oder auf ehrlosem ooer unsittlichem Verhalten des Gewalthabers beruhen.
1. Der Mißbrauch der Sorge für die Person braucht nicht ein „schwerer" zu sein (vgl. dagegen BLR. Tl. I cap. 5 8 7 Biss. 2). Als Beispiele sind hervorzuheben (vgl. M. sV, 804): Verleitung des Kindes zum Bösen, Bestimmung des Kindes zu einem
4. Titel: Rechtliche Stellung der ehelichen Kinder.
§ 1666.
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den Neigungen, Fähigkeiten oder den sonstigen Verhältnissen nicht entsprechenden Beruf und insbesondere Mißhandlung des Kindes durch Ueberschreitung des ZüchtiaungSrechts (vgl. Bem. I, 2, d, ß iu § 1631), sowie übermäßige oder ungeeignete Ausnützung der Arbeitskraft des Kindes (vgl. Bem. 5 zu 8 1617, Beschl. d. Kammerger. vom 10. November 1902 und 18. Januar 1904, Rspr. d. OLG. Bd. 6 S. 288 ff., Bd. 10 5. 1 ff.). Als Mißbrauch des Rechtes der Sorge für die Person des Kindes kann auch die Geltendmachung des Herausgabeanspruchs (§ 1632) erscheinen, z. B. wenn das Kind wegen jugendlichen Alters unbedingt der mütterlichen Pflege bedarf (Beschl. d. OLG. Stuttgart vom 11. August 1900 D. Jur.Z. 1900 S. 399 ff.), oder wenn der die Herausgabe verlangende Elternteil zur Erziehung des Kindes ungeeignet ist, während das Kind anderweitig gut verpfl^t wird (Beschl. d. Oberst. LG. München vom 2. Oktober 1903 Recht 1903 S. 528; vgl. Bem. 2, b, ß ju § 1632; s. auch Urt. d Reichsger. vom 15. November 1906 Jur. Wschr. 1907 S. 6 ff. und Beschl. d. Oberst. LG. München vom 4. Oktober 1900 Samml. n. F. Bd. 1 S. 456). Auch der Umstand, daß der fürsorgeberechtigte Elternteil den persönlichen Verkehr des andern Elternteils mit dem Kinde völlig ausschließt oder in allzu weit gehender Weise beschränkt, kann unter Umständen als ein unter § 1666 fallender Miß brauch zu erachten sein (vgl. Bem. 3 zu 8 1634 und Bem. 3 zu 8 1636). Neber die Frage, ob das Verhalten des Gewalthabers in religiöser oder politischer Hinsicht hieher gerechnet werden kann, s. unten unter 3, a, y. 2. Vernachlässigung des Kindes liegt insbesondere vor bei ungenügender Ernährung und Bekleidung des Kindes, mangelhafter Verpflegung in Krankheitsfällen, Unterlassung der erforderlichen Beaufsichtigung (vgl. § 1631 Abs. 1), Nichtanhalten des Kindes zum Schulbesuch (vgl. Beschl. d. Kammerger. vom 28. Oktober 1901 Rspr. d. OLG. Bd. 3 S. 422 ff., Beschl. d. Kammerger. vom 8. April 1903 Recht 1904 S. 105 ff.). Hin sichtlich der hieher gehörigen Verletzung des Unterhaltsanspruchs des Kindes s. 8 1666 Abs. 2 und unten Bem. HI, B, sowie Beschl. d. Oberst. LG. München vom 6. Mai 1904 Samml. n. F. Bd. 5 S. 212. Eine Vernachlässigung des Kindes kann auch darin erblickt werden, daß der Ge walthaber es unterläßt, ungünstigen Einwirkungen auf das Kind seitens des andern Elternteils oder seitens dritter Personen mit der erforderlichen Entschiedenheit entgegenzutreten (Beschl. d. Kammerger. vom 10. November 1902 Rspr. d. OLG. Bd. 6 S. 288 ff., Beschl. d. Oberst. LG. München vom 27. Juni 1901 Samml. n. F. Bd. 2 S. 467, Beschl. d. OLG. Hamburg vom 9. Dezember 1903 Rspr. d. OLG. Bd. 8 5. 351 ff., Beschl. d. Oberst. LG. München vom 22. September 1906 Recht 1906 S. 1263, Beschl. d. Kammerger. vom 18. Januar 1904 Rspr. d. OLG. Bd. 10 S. 1 sfl), daß er dem Kinde die zur Vorbereitung für einen bestimmten Berus erforderlichen Mittel ohne rechtfertigenden Grund verweigert (Beschl. d. Kammerger. vom 31. Juli 1900 Rspr. d. OLG. Bd. 1 S. 450 ff.; vgl. Bem. 2, b zu 8 1610), daß er infolge der Verbüßung einer Freiheitsstrafe außerstande ist, für Unterhalt und Erziehung des Kindes zu sorgen (Beschl. d. Kammerger. vom 7. August 1900 Entsch. FG Bo. 1 S. 92 ff.), daß er aus Bequemlichkeit und Scheu vor entschlossenem Auftreten die schlimmen Neigungen des Kindes selbst nicht mit der nötigen Energie bekämpft (Beschl. d. Oberst. LG. München vom 1. Juni 1901 Samml. n. F. Bd. 2 S. 369), daß er die Unterbringung eines schwachsinnigen oder taut)stummen Kindes in einer geeigneten Anstalt unterläßt (Beschl. d. OLG. Dresden vom 2. Juli 1904 Zentral-Bl. Bd. 5 S. 492, Beschl. d. Kammerger. vom 15. März 1906, 2. Juli 1908,13. April 1905 und 7. Mai 1908, Rspr. d. OLG. Bd. 16 S. 19, Bd. 17 S. 277 ff., 279, 280), daß er bei einer gegen das Kind gerichteten strafbaren Handlung von Stellung eines Strafantrags Abstand nimmt (Fuchs, FR. Bem. 2, b zu 8 1909; val. auch Bem. vl, 6, d zu 8 1630). Vorausgesetzt wird aber immer ein Verschulden des Gewalthabers (s. oben unter II); daher ist 8 1666 nicht anwendbar, wenn ein Taglöhner sein Kind unbeaufsichtigt zu Hause läßt, weil er und seine Frau auswärts beschäftigt und Mittel zur Bestellung einer Aufsichtsperson nickt vorhanden sind (Planck Bem. 1, c, Beschl. d. Kammerger. vom 6. Januar 1902 Rspr. o. OLG. Bd. 4 S. 273), oder wenn der Gewalthaber das Kind auswärts unterbrinat, weil er es selbst zu verpflegen nicht in der Lage ist (Beschl. d. Kammerger. vom 29. Mai 1900 Rspr. d. OLG. Bd.3 S.2ff.). Die bloße Befürchtung einer zukünftigen Vernachlässigung ist zur Anwendung des 8 1666 nicht genügend (Beschl. d. Oberst. LG. München vom 24. Januar 1903 Sammt, n. F. Bd. 4 S. 85 ff.). 3. Endlich ist das Vormundschaftsaericht auch zum Einschreiten befugt, wenn die Gefährdung des geistigen oder leiblichen Wohles des Kindes auf ehrlosem ooer unsitt lichem Verhalten des Gewalthabers beruht (vgl. 1. 3 8 5 Dig. 43, 30: „ob
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II. Abschnitt: Verwandtschaft.
nequitiam patris“). „Es muß der Gefahr vorgebeugt werden, daß das schlechte Beispiel der Eltern einen verderblichen Einfluß auf die Kinder äußert, selbst wenn zurzeit eine sittliche Verwahrlosung der Kinder noch nicht eingetreten wäre" (M; IV, 804). Der in der II. Komm, gestellte Antrag, von der Erwähnung des „unsittlichen oder ehrlosen Verhaltens" mit Rücksicht auf die Dehnbarkeit dieses Begriffs abzusehen, fand keine An nahme. Man war hiebei darüber einig, daß für den Tatbestand des § 1666 nur ein ehrloses Verhalten in Betracht komme, das zugleich unsittlich sei (P. IV, 625), eine Ansicht, die gegenüber dem Wortlaute des Gesetzes kaum haltbar sein dürfte. a) Ueber denBegriff des „ehrlosen oder unsittlichen Verhaltens" s. Bem. 3 zu § 1568. Daß der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte (StGB. §§ 32 ff.) nicht unter allen Umständen auf ehrloses oder unsittliches Ver halten schließen läßt, steht außer Zweifel (M. IV, 804; vgl. Bem. 3, a zu § 1568, s. auch §§ 1781 Nr. 4, 1886). Im einzelnen ist hervorzuheben: «) Trunksucht (über diesen Begriff s. Bd. I S. 54 Bem. B, III, 2, a zu § 6) kann als unsittliches Verhalten im Sinne des § 1666 erachtet werden (Beschl. d. Kammerger. vom 22. Dezember 1902 Rspr. d. OLG. Bd. 6 S. 170 ff., Opet, Verwandtschaftsrecht S. 204 Note 89; s. auch Bem. 3, b zu 8 1568). ß) Von besonderer Bedeutung ist das unsittliche Verhalten des Gewalt habers in geschlechtlicher Hinsicht, vorausgesetzt, daß nach dem Alter des Kindes eine hiedurch bewirkte Gefährdung seines geistigen Wohles nicht ausgeschlossen ist (s. oben unter A, 5), z. B. Ehebruch, Aufnahme liederlicher Dirnen in die elterliche Wohnung (s. Beschl. d. Kammerger. vom 19. Juli 1902 Rspr. d. OLG. Bd. 6 S. 62, Beschl. d. OLG. Dresden vom 18. Juni 1904 Zentral-Bl. Bd. 6 S. 212 ff., Beschl. d. Kammerger. vom 4. Mai 1905 Entsch. FG. Bd. 6 S. 23). Y) Der in der Reichstagskommission und im Reichstage gestellte Antrag, ausdrücklich auszusprechen, daß das Verhalten des Vaters in religiöser oder politischer Hinsicht oder die Einwirkung des Vaters auf das Kino nach diesen Richtungen hin hier nicht in Betracht kommen solle, sand keine Annahme (RTK. 269 ff., StB. 674 ff.). Daß die Einwirkung des Vaters auf das Kind irr religiöser oder politischer Hinsicht unter ganz besonderen Umständen als ehrloses oder unsittliches Verhalten (eventuell auch als Mißbrauch des Rechtes der Sorge für die Person, s. oben unter 1) zu erachten sein kann, ist nickt zu bezweifeln (so l B. wenn der Vater das Kind unter Empfehlung der Propaganda der Tat in anarchistischen Grund sätzen unterweist): regelmäßig wird aber das Einschreiten des Vormundschaftsgerichts aus Erwägungen religiöser oder politischer Natur als ausgeschlossen gelten müssen, mag auch die von dem Gewalthaber betätigte Art der Erziehung sich von dem herkömmlichen Erziehungs ideale noch so weit entfernen (so zutreffend Opet, Verwandtschaftsrecht S. 205 Note 92; vgl. auch den interessanten Beschl. d. Kammerger. vom 23. Januar 1907 Jahrb. f. Entsch. d. Kammerger. Bd. 33 A S. 14 ff.). Ueber die Frage, inwieweit eine unzulässige Einwirkung des Gewalthabers auf das religiöse Selbstbestimmungsrecht des Kindes das Einschreiten des VormundschaftsgericW rechtfertigt, s. Beschl. d. Kammerger. vom 6. Juli 1903, 16. Mai 1904 und 19. Oktober 1905, Rspr. d. OLG. Bd. 7 S. 419 ff., Bd. 12 S. 331 ff., Jahrb. f. Entsch. d. Kammerger. Bd. 28 A S. 12 ff., sowie vom 1. Oktober 1908 Rspr. d. OLG. Bd. 18 S. 280 ff. Ueber die religiöse Kindererziehung überhaupt s. Bem. I, 2, a zu § 1631. b) Auch ehrloses oder unsittliches Verhalten des Gewalthabers vor Er langung der elterlichen Gewalt kann das Einschreiten des Vormundschaftsgerichts rechtfertigen, vorausgesetzt, daß nicht nach der Dauer der inzwischen verfloffenen Zeit und nach der Art der Verfehlung eine nach teilige Einwirkung auf das Kind ausgeschlossen ist (s. oben unter A, 2; eben so Beschl. d. Kammerger. vom 21. April 1902 Rspr. d. OLG. Bd. 4 S. 411 ff, Beschl. d. Oberst. LG. München vom 9. Oktober 1902 Sammt, n. F. Bd. 3 S. 802 ff.). m. Darüber, welche Maßregeln zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind,Entscheidet im allgemeinen das Ermessen des Vormundsch afts gerichts
4. Titel: Rechtliche Stellung der ehelichen Kinder.
§ 1666.
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(M. IV, 805). Hiebei ist zwischen den Bestimmungen des § 1666 Abs. 1 und Abs. 2 zu unterscheiden. Auszugehen ist von dem Grundsätze, daß jedes Uebermaß von Ein mischung in die inneren Familienverhältnisse zu vermeiden ist und in das Elternrecht nicht weiter eingegriffen werden darf, als das Wohl des Kindes es erfordert (Beschl. d. Kammerger. vom 23. Januar 1907 Jahrb. f. Entsch. d. Kammerger. Bd. 33 A & 17). A. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 1 vor, so kann das Vormundschaftsgericht 1. ohne Entziehung oder Beschränkung der Sorge für die Person des Kindes die dem Kinde drohende Gefahr zu beseitigen suchen, insbesondere durch Ermahnung oder Verwarnung des Gewalthabers, Androhung weiterer Maßregeln rc. Zulässig ist insbesondere, daß das Vormundschaftsgericht vor der definitiven Entscheidung über Ent ziehung oder Beschränkung der Sorge für die Person vorläufige Anordnungen trifft lz. B. über den einstweiligen Aufenthalt des Kindes), vorausgesetzt, daß die Befugnis zum Einschreiten des Vormundsckaftsgerichts überhaupt nach § 1666 begründet und ein dring liches Bedürfnis hiezu gegeben ist (vgl. Beschl. d. Kammerger. vom 7. August 1900 und 7. Januar 1901, Entsch. FG. Bd. 1 S. 92 ff., Bd. 2 S. 3 ff., sowie vom 14. März 1907 Rspr. d. OLG. Bd. 16 S. 6 ff., Beschl. d. OLG. Hamburg vom 11. Juli 1900 Seuff. Arch. Bd. 56 Nr. 50). Ueber vorläufige Regelung der religiösen Erziehung s. Beschl. d. Kammerger. vom 4. Oktober 1906 Rspr. d. MG. Bd. 16 S. 228 ff. Ueber die Unanwend barkeit des § 1673 auf derartige vorläufige Anordnungen s. Bem. 2, § zu 8 1673. 2. Zulässig ist ferner eine Beschränkung der Sorge für die Person. a) Es kann dem Gewalthaber (unter Belassung der tatsächlichen Sorge für die Person des Kindes) die gesetzliche Vertretung in den die Person des Kindes betreffenden Angelegenheiten entzogen werden, so z. B. wenn der Gewalthaber sich weigert, namens des Kindes wegen einer gegen dasselbe gerichteten strafbaren Handlung den erforderlichen Strafantrag zu stellen, und die Weigerung des Gewalthabers als Mißbrauch des Rechtes der Sorge für die Person des Kindes oder als Vernachlässigung des Kindes oder als ehrloses oder unsittliches Verhalten sich darstellt, wodurch das geistige oder leibliche Wohl des Kindes gefährdet wird. Ist die strafbare Handlung durch den Gewalthaber selbst, eine von ihm vertretene Person, den Ehegatten des Gewalthabers oder einen seiner Verwandten in gerader Linie begangen worden, so kann die Entziehung der Vertretung auch auf Grund der 88 1630 Abs. 2 Satz 2, 1796 erfolgen (vgl. Bem. VI, 6, cl zu 8 1630, sowie Urt. d. Reichsger. vom 23. December 1901 RGE. in StS. Bd. 35 S. 47 ff., in welchem der letztere Gesichtspunkt anscheinend übersehen ist). b) Das Vormundschaftsgericht kann ferner Die tatsächliche Sorge des Gewalt habers für die Person des Kindes in einzelnen Beziehungen beschränken z. B. hinsichtlich der religiösen Erziehung (s. Beschl. d. Kammerger. vom 8. Oktober 1900 Jahrb. f Entsch. d. Kammerger. Bd. 20 A S. 251), oder indem es hinsichtlich der Berufswahl des Kindes bestimmte (aebietende oder verbietende Anordnungen erläßt ober über den Aufenthalt oes Kindes ab weichend von der Bestimmung des Gewalthabers (f. 8 1631 Abs. 1) entscheidet. Die wichtigste Beschränkung der tatsächlichen Sorge für die Person des Kindes ist die durch 8 1666 Abs. 1 Satz 2 besonders hervorgehobene Entziehunader Erziehungsgewalt durch Anordnung der Zwangs erziehung «M. IV, 805). «) Bei Anordnung der Zwangserziehung auf Grund des 8 1666 darf sich das Vormundschaftsgericht nickt darauf beschränken, zu bestimmen, baß das Kind außerhalb des Elternhauses zu erziehen fei; es muß vielmehr entweder die Unterbringung des Kindes in einer geeig neten Familie oder in einer Erziehungsanstalt oder einer Besserungsanstalt anordnen (P. IV, 630 ff.). Hienach kann sich der Beschluß des Vormundschaftsgerichts allerdings unter Umständen als undurchführbar erweisen, wenn es an den erforderlichen landes gesetzlichen Einrichtungen fehlt (P. IV, 632). Welche der drei Maß regeln zu treffen ist, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab «vgl. ZG. IV, 415). Macht das Vormundschaftsgericht von der Befugnis zur An ordnung der Zwangserziehung Gebrauch, so ist es hinsichtlich deren Dauer an einen bestimmten Zeitraum nicht gebunden; es kann also, wenn es dies für erforderlich hält, die Zwangserziehung bis zur Volljährigkeit des Kinbes (aber selbstverständlich nicht länger!) fort dauern lassen (vgl. ZG. IV, 415 ff.), es kann aber auch das Erziehungs-
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n. Abschnitt: Verwandtschaft. recht des Gewalthabers schon in einem früheren Zeitpunkte wieder eintreten lassen (§ 1671). SelbstveiAändlich handelt es sich hiebei nur um die Zwangs erziehung des Kindes gegen den Willen des Gewalthabers; daß sie mit dessen Zustimmung zulässig ist, folgt schon aus 8 1631 Abs. 2 Satz 2 (vgl. Bem. I, 2, d, / $u § 1631). Ueber die Zwangserziehung bevormundeter Kinder s. § 1838 und Bem. hiezu. ß) Unberührt durch§1666 bleiben die §§55, 56 des StGB. Nach § 55 StGB, in der durch EG. Art. 34, II festgesetzten Fassung kann, wer bei Begehung einer strafbaren Handlung das 12. Lebens jahr nicht vollendet hat, nicht strafrechtlich verfolgt werden. Gegen ihn können jedoch nach Maßgabe der landesgesetzlichen Vorschriften die zur Besserung und Beaufsichtigung geeigneten Maßregeln getroffen werden. Die Unterbringung in einer Familie, Erziehungsamtalt oder Besserungsanstalt kann nur erfolgen, nach dem durch Beschluß des Vormundschaftsgerichts die Begehung der Handlung festgestellt und die Unterbringung für zulässig erklärt iss. Nach § 56 StGB, ist ein Angeschuldigter, der zur Zeit der Be gehung der strafbaren Handlung das 12., aber nicht das 18. Lebens fahr vollendet hat, freizusprechen, wenn er bei Begehung derselben die zur Erkenntnis ihrer Strafbarkeit erforderliche Einsicht nicht be saß. In dem Urteil ist zu bestimmen, ob der Angeschuldigte seiner Familie überwiesen oder in eine Erziehungs- oder Besserungsanstalt gebracht werden soll. In der Anstalt ist er solange zu behalten, als die der Anstalt vorgesetzte Verwaltungsbehörde dies für erforderlich erachtet, jedoch nicht über das vollendete 20. Lebensjahr (vgl. die Bem. zu EG. Art. 34, 11 in Bd. VI). y) Hinsichtlich der Zulässigkeit der Anordnung der Zwangserziehung auf Grund Landesrechts ist EG. Art. 135 maßgebend (s. oben Bem. D. Hienach bleiben zwar im allgemeinen die landesgesetzlichen Vorschriften über die Zwangserziehung Minderjähriger unberührt; die Zwangs' erziehung ist jedoch, unbeschadet der Vorschriften der §§55, 56 StGB., nur zulässig, wenn sie vom Vormundschaftsgericht ange ordnet wird. Diese Anordnung kann außer den Fällen der §8 1666, 1838 BGB. nur erfolgen, wenn die Zwangserziehung zur Verhütung des völligen sittlichen Verderbens not wendig ist. Die Entscheidung darüber, ob der Minderjährige, dessen Zwangserziehung angeordnet ist, in einer Familie oder in einer Er ziehungs- oder Besserungsanstalt unterzubringen ist, können die Landes gesetze einer Verwaltungsbehörde übertragen, wenn die Unterbringung auf öffentliche Kosten zu erfolgen hat (vgl. die Bem. zu EG. Art. 135 im Bd. VI). Für Preußen s. Ges. über die Fürsorgeerziehung Minderjähriger vom 2. Juli 1900 (Kommentare hiezu von Schmitz, von Massow, Nölle, Wittig, Aschrott) und Allg. Vsg. vom 6. Februar 1901, 19. März 1901, 30. April 1902; für Bayern s. Ges. betr. die Zwangserziehung vom 10. Mai 1902 (Kommentare hiezu v. Englert, v. d. Pfordten, Reeb) nebst Aus führungsbest. vom 28. Juni 1902 (JMBl. 1902 S. 629 ff.) und Min.Bek. vom 11. Mai 1909 (JMBl. 1909 S. 209 ff.); vgl. auch Beschl. d. Oberst. LG. München vom 17. März 1905 Samml. n. F. Bd. 6 S. 180 ff. und vom 23. Dezember 1908 Recht 1909 Nr. 284; über die zurzeit in Bayern bestehenden Erziehungs- und Besserungsanstalten, in denen Minderjährige zur Zwangserziehung untergebracht werden können, s. JMBl. 1902 S. 653 ff., 1903 S. 81 ff.. 1904 S. 28 ff., 1905 5. 743 ff., 794 ff., 1906 S. 82 ff., 1907 S. 419 ff., 1909 S. 210 ff. für Sachsen s. AG. z BGB. § 50; §§ 48, 52 der VO vom 6. Juli 1899; für Württemberg s. Ges. vom 29. Dezember 1899; für Baden s. Ges. vom 4. Mai 1886 in der Fass, des Ges. vom 16. August 1900, Vollzugsverordnung hiezu vom 6. Februar 1906 und § 87 der Rechtspolizeiordnung vom 1. März 1907: hinsichtlich der übrigen Bundesstaaten s. Bd. VI Bem. zu EG. Art. 135.
4. Titel: Rechtliche Stellung der ehelichen Kinder.
§ 1666.
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Hinsichtlich der reichen Literatur und Praxis zu den einzelnen landesrechtlichen Zwangserziehungsgesetzen muß auf die Kommentare zu diesen Gesetzen verwiesen werden. Ueber das Verhältnis der landesrechtlichen zu den reichsrechtlichen Vorschriften über Zwangserziehung s. insbesondere Best, Recht 1904 S. 177ff. c) Eine Beschränkung der Sorge für die Person in der Form, daß dem Gewalt haber die tatsächliche Sorge für die Person des Kindes in vollem Um fang entzogen, die gesetzliche Vertretung des Kindes in persönlichen Angelegenheiten dagegen belassen wird, ist theoretisch denkbar, wird sich aber kaum jemals als praktisch darstellen. d) Der Mutter als Inhaberin der elterlichen Gewalt kann ein Beistand bestellt werden, wenn das Vormundschaftsgericht dies im Interesse des Kindes für nötig erachtet (§ 1687 Nr. 3). Der Beistand kann für alle Angelegen heiten, für gewisse Arten von Angelegenheiten oder für einzelne Angelegen heiten bestellt werden; über den Umfang seines Wirkungskreises entscheidet die Bestellung; ist der Umfang nicht bestimmt, so fallen alle Angelegenheiten in seinen Wirkungskreis (8 1688 Abs. 1, 2). Gemäß § 1695 Abs. 1 kann die Bestellung jederzeit wieder aufgehoben werden. 3, Endlich kann dem Gewalthaber die gesamte Sorge für die Person des Kindes, einschließlich der Vertretung des Kindes m persönlichen Angelegen heiten (§ 1630 Abs. 1), entzogen werden. Dies ist im Gesetze zwar nicht ausdrücklich aus gesprochen, ergibt sich aber aus § 1666 Abs. 1 Satz 1 Cf. auch 1656 Abs. 2,1673 Abs. 1; T). 230; ebenso Beschl. d. Oberst. LG. München vom 6. Mai 1904 Sammt, n. F. Bd. 5 S. 212). Die Befugnis, mit dem Kinde persönlich zu verkehren, verbleibt dem Gewalthaber auch dann, wenn ihm die gesamte Sorge für die Person des Kindes ent zogen worden ist; das Vormundschaftsgericht kann solchenfalls auf Grund des § 1666 den Verkehr näher regeln (vgl. § 1636 und Bem. 4 hiezu; ebenso Blume Bem. I Abs. 2 zu § 1636, Fischer-Henle Note 7); and. Ans. Planck Bem. 4; nach ihm soll es Sache deS für das Kind bestellten Vormundes oder Pflegers sein, ob und in welchem Umfange dem Kinde ein persönlicher Verkehr mit dem Gewalthaber gestattet sein soll, das Eingreifen des Vormundschaftsgerichts sei nur nach Maßgabe des § 1837 (s. aber auch Planck Bem. 10 Abs. 2) zulässig (ebenso Beschl. d. Kammerger. vom 14. März 1904 Enffch. FG. Bd. 4 S. 138 ff.). 4. Dagegen kann die Entziehung der Vermögensverwaltung oder der elterlichen Nutznießung nicht auf Grund des § 1666 Abs. 1, sondern nur beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 1666 Abs. 2 erfolgen (s. unten unter B). Hiegeaen scheint zwar der Umstand zu sprechen, daß nach E. I in den nunmehr im § 1666 Äbs. 1 erwähnten Fällen die Entziehung der gesamten elterlichen Gewalt (ausschließlich der Nutznießung) zulässig sein sollte und daß, wie in der 11. Komm, bemerkt wurde, die Zulässigkeit der Entziehung der elterlichen Gewalt sich schon aus der Befugnis des Vor mundschaftsgerichts ergebe, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßregeln zu treffen