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German Pages 246 Year 2015
Anna Valentine Ullrich Gebaute Zitate
Edition Kulturwissenschaft | Band 64
Anna Valentine Ullrich (Dr. phil.) ist Post-Doc am Institut für Sprach- und Kommunikationswissenschaft der RWTH Aachen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Zeichensysteme im Vergleich und Multimedialität.
Anna Valentine Ullrich
Gebaute Zitate Formen und Funktionen des Zitierens in Musik, Bild und Architektur
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Inhalt
Einleitung | 7
1. 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.3
Forschungsstand | 21
2. 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9
Das theoretische Instrumentarium | 59
Zitate in der Sprache | 25 Linguistik, Sprachphilosophie und Logik | 25 Intertextualität | 29 Semiotisch-intertextuelle Studien | 33 Zitate in anderen medialen Systemen | 36 Sprach-, Bild- und Musikzitat in der Symboltheorie | 36 Bildzitat | 39 Architekturzitat | 43 Musikzitat | 45 Filmzitat | 49 Nicht-sprachliche Zitate: Ein Forschungsfazit | 52
Ausgangspunkt und Problemstellung | 59 Zitieren als transkriptives Verfahren | 65 Die Theorie der Transkription | 65 Effekte des Transkriptionsprozesses | 71 Das transkriptive Verfahren des Zitierens | 77 Zitathaftigkeit und Iterabilität | 82 Zitatkriterien | 88 Präliminarien | 88 Enthaltensein und Verweisen im Zitat | 89 Zitatklassifizierung nach Verweisarten | 96 Zitatmarkierungen | 104 Zitat als Störungsauslöser | 107 Zitat als Abduktionsauslöser | 113 Zusammenfassung | 116
3. 3.1 3.2
Nicht-sprachliches Zitieren: Ein Modell | 121
4. 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.2 4.3 4.4 4.4.1 4.4.2 4.5 4.6 4.7 4.8
Architektur: Gebaute Zitate | 135
Das Modell und seine Bestandteile | 121 Erkenntnisgewinne des Modells | 130
Einführung zum System Architektur | 135 Zum Verhältnis von Architektur und Sprache | 136 Architektur als mediales System | 140 Zum Verhältnis von Architektur und Bild | 146 Architektonisches Zitieren als Transkriptionsprozess | 151 Die Zitatkonstitution | 155 Die Zitatklassifizierung | 162 Vom Typezitat bis zum Codezitat | 162 Der architektonische Sonderfall der Spolie | 173 Die Zitatkriterien | 179 Zitat und Gedächtnis | 181 Semantische Effekte des Zitierens | 184 Zusammenfassung | 186
5.
Szenarien des Zitierens | 189
5.1 5.2 5.3 5.4
Zitieren als Kulturtechnik | 189 Funktionen des Zitierens | 192 Zitieren als Sekundärpraktik | 198 Zusammenfassung | 200
6.
Zusammenfassung und Diskussion | 203
6.1 6.2
Zusammenführung der Ergebnisse | 203 Implikationen für die Forschung und ein Ausblick | 207
Literatur | 213 Danksagung | 243
Einleitung
Wie wird Sinn in einer Kultur erzeugt? Grundsätzlich können zwei Antwortmöglichkeiten auf diese Frage unterschieden werden. Diese stehen im weitesten Sinne stellvertretend für konträre Auffassungen über die Entstehung und die Bedingungen kultureller Schaffensprozesse und damit über die Produktionsästhetik. Die erste Position ist gekennzeichnet durch die Annahme einer creatio ex nihilo, von der Möglichkeit, aus sich selbst heraus kreativ schaffen zu können und dabei neue Bedeutung zu generieren im Sinne einer Genieästhetik des 18. Jahrhunderts.1 Dieser Gedanke der Losgelöstheit schlägt sich beispielsweise in der Geisteshaltung der architektonischen Moderne nieder, die von der Möglichkeit einer beziehungslosen Architektur ausgeht. Unter dem Diktum von form follows function wird der Rekurs auf die Bauhistorie vermieden, um rein aus der Form selbst zu schöpfen.2 Demgegenüber steht die zweite Position, die von der Unmöglichkeit einer Kontextungebundenheit und Referenzlosigkeit ausgeht. Da jeglicher
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Vgl. Kany 2004, S. 1349 f. Die Moderne, die sich an Funktionen und materialorientierten Konstruktionen ausrichtete, postulierte einen Bruch mit der Formenlehre der Klassik. So wurden in der Baugeschichtsforschung die beiden Bauepochen Klassik und Moderne als stilistische Gegensätze dargestellt. Dennoch lassen sich auch Anschlüsse der Moderne an die klassische Architektur konstatieren, so dass der behauptete Bruch in gewisser Weise zu relativieren ist: „Nicht im Stil und der Form ist die Moderne der Klassik angeglichen, sondern in der sehr viel elementareren Frage der Organisation baulicher Massen.“ Beyer 1998, S. 134.
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Schaffensprozess von unterschiedlichen Einflussfaktoren wie dem persönlichen Erleben, Erfahrungen, dem gesellschaftlichen Kontext, den individuellen und kulturellen Wissensbeständen, Zeit und Raum abhängt, beinhaltet der Prozess kultureller Sinnproduktion stets auch eine Form von Recycling. Dieses Recycling findet in Form diverser Techniken der Wiederaufnahme bestehender Artefakte statt. Ein besonders prominentes und wirkmächtiges Verfahren des Rückgriffs auf Vorhandenes ist das Zitieren, das im Mittelpunkt dieses Buches steht. Die Anwendungsbereiche des Zitierens erstrecken sich von der Alltagssprache (in Form von Schrift-, Laut- und Gebärdenkommunikation) über Wissenschaft, Literatur, Malerei, Fotografie, Skulptur, Film, Musik und Architektur bis hin zu Comic, Werbung und Mode gleichermaßen auf diachroner und synchroner Ebene. Insofern ist das Zitieren als eine Kulturtechnik zu begreifen, die sowohl epochen- als auch medienübergreifend – quer zur gängigen Unterscheidung von Hoch- und Populärkultur – in allen Bereichen gesellschaftlichen Lebens anzutreffen ist und praktiziert wird. Die Allgegenwart des Zitierens macht die gesellschaftliche Relevanz deutlich, sich mit diesem Verfahren wissenschaftlich auseinanderzusetzen. Immer wieder stehen beispielsweise in tagesaktuellen kulturellen, politischen und juristischen Diskursen Fragen zur Debatte, die einen unmittelbaren Bezug zu den Praktiken des Zitierens aufweisen: Welches Verständnis von Vergangenheit, welche Beziehung zur Historie wird gesellschaftlich vertreten? Welche Vorstellung von Originalität und Urheberschaft herrscht vor? Wo wird die Grenze gezogen zwischen einer kreativen ‚legitimen‘ Auseinandersetzung mit Vorhandenem und ‚illegitimen‘ Plagiatsformen? Welche zitierenden Verweise gelten in der gesellschaftlichen Sanktionierung des Zitierens und Nicht-Zitierens als opportun? Die weltweite Verfügbarkeit verschiedenster Artefakte über das Internet hat diesen Fragen eine weitere, globale Dimension hinzugefügt. Die gesellschaftlichen Diskussionen zum Zitieren, zum Umgang mit Zitaten und zur Frage der Autorschaft zeigten sich beispielsweise in Deutschland in der Plagiatsdebatte zu Doktorarbeiten verschiedener Politiker, von Karl-Theodor zu Guttenberg bis Annette Schavan, in den Jahren 2011 und 2012. Im Jahr 2006 hielt Papst Benedikt XVI. eine Vorlesung in Regensburg und verwendete als Ausgangspunkt seiner Betrachtungen zu Glaube und Vernunft ein Zitat des byzantinischen Kaisers Manuel II. Palaeologos. Dieses wurde in seiner negativen Aussage zum Koran als islamfeindliche
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Haltung des Papstes interpretiert und führte zu großen Protesten in der islamischen Welt.3 Ebenfalls 2006 klagte der Architekt Meinard von Gerkan im Urheberrechtsstreit um den Berliner Hauptbahnhof gegen die Deutsche Bahn als Eigentümer des Gebäudes. Die Bahn hatte im Untergeschoss des Bahnhofs Flachdecken anstatt der geplanten gewölbten Decken einziehen lassen, dadurch, laut dem Berliner Landgericht, den Entwurf entstellt und so das Urheberrecht des Architekten verletzt.4 Damit definierte das Gericht einen architektonischen Entwurf als schützenswertes Werk, das dem Urheberrechtsgesetz – wie auch dem Zitieren solcher Werke – unterliegt. In juristischer Hinsicht ist das Zitieren eng verbunden mit der Frage, ob das Urheberrecht gewahrt bleibt oder nicht. Wissenschaftliche Texte, eine Rede, ein Gebäude, nicht gekennzeichnete wörtliche Zitate, ein unglücklich gewähltes Zitat und Eingriffe in ein (Bau-/Kunst-)Werk: Hier zeigt sich die Brisanz des Zitierens und der damit verbundenen Frage nach der Autorschaft. Die gesellschaftliche Tragweite des Zitierens berücksichtige ich sowohl in der Frage der Positionierung des Zitierenden im Rahmen semantischer Wirkungen eines Zitierprozesses als auch in der Diskussion der verschiedenen Funktionen des Zitierens als Kulturtechnik. Die genannte Allgegenwart des Zitierens in der Sprache und anderen medialen Systemen hingegen durchzieht das gesamte Buch. In diesem Punkt verknüpft sich die gesellschaftliche Bedeutung des Zitierens mit der wissenschaftlichen Relevanz, das Verfahren ‚Zitieren‘ zu untersuchen. Geht man vom Zitieren als sprachlicher Verweistechnik aus, stellt sich die Frage, ob es Zitierverfahren und Zitate gibt, die nicht sprachlich sind. Die Fülle der kulturellen Erscheinungsformen von Zitaten, die von der Musik bis hin zur Mode reichen, spricht dafür, diese Frage zu bejahen. So scheint es evident, bei Bildzitaten in Bildern oder bei Musikzitaten in Kompositionen von einer Nicht-Sprachlichkeit auszugehen. Damit ist die Annahme verbunden, dass die nicht-sprachlichen Zitate in Bildern oder in der Musik aufgrund ihrer medialen und materialen Verfasstheit in gewisser Weise anders funktionieren als sprachliche Zitate. Gleichzeitig muss sie
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Vgl. zur Kontroverse infolge der Vorlesung und als Antwort auf Benedikts Darstellung aus islamischer Perspektive Zafar 2007.
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Vgl. Zentner 2011, S. 27.
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etwas Gemeinsames verbinden, wenn Verweise auf vorhandene Artefakte in der Sprache, aber ebenso in Gemälden und Bauwerken sämtlich als ‚Zitate‘ gelten. Aus diesen Überlegungen heraus ergibt sich die zentrale Frage: Wie funktionieren nicht-sprachliches Zitieren und nicht-sprachliche Zitate in Bild, Musik und Architektur? In Abgrenzung und in Bezug zu sprachlichen Zitaterscheinungen werden das Verfahren nicht-sprachlichen Zitierens und die Genese verschiedener Formen nicht-sprachlicher Zitate systematisch erläutert sowie begrifflich differenziert. Weiterhin werden Funktionen des Zitierens erläutert. Untersuchungsgegenstände sind zum einen der Prozess, das Zitieren, als Verfahren zur Produktion kultureller Semantik und zum anderen das Resultat zitierender Bezugnahme, das Zitatprodukt selbst, das charakterisiert und exemplarisch untersucht wird. Der Fokus liegt auf der Modellierung des Prinzips ‚Zitat‘ – mit anderen Worten auf der Darstellung und Beschreibung des Zitierverfahrens sowie auf der Kategorisierung nicht-sprachlicher Formen des Zitats. Eine vollständige Typologisierung sämtlicher nichtsprachlicher Zitaterscheinungen kann und soll nicht geleistet werden; vielmehr erfolgt eine abstrahierende, schematische Repräsentation. Ziel ist es, ein analytisches Modell nicht-sprachlichen Zitierens zu erstellen und damit einen Beitrag zu einer Zitattheorie zu leisten. Wie ist in diesem Zusammenhang der Terminus ‚Modell‘ motiviert? Ein Modell ist grundlegend durch drei Merkmale gekennzeichnet. Dazu gehört erstens das Modellsein von etwas, als eine Repräsentation für „erfahrbare, allgemeiner: ‚erstellbare‘ Entität[en]“5. Zweitens selektiert und verkürzt ein Modell und stellt bestimmte, als relevant erachtete Aspekte heraus. An dritter Stelle steht die pragmatische Komponente. „Eine pragmatisch vollständige Bestimmung des Modellbegriffs hat nicht nur die Frage zu berücksichtigen, wovon etwas Modell ist, sondern auch, für wen, wann und wozu bezüglich seiner je spezifischen Funktionen es Modell ist.“6 Dementsprechend erstelle ich ein Modell, das die wesentlichen Bestandteile des Verfahrens Zitierens herausarbeitet und das Funktionieren nichtsprachlicher Zitate erfasst. Zum Thema nicht-sprachlicher Zitate liegen in der Literatur bisher nur wenige Beiträge vor. Die vorhandenen, in der
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Stachowiak 1973, S. 131.
6
Stachowiak 1973, S. 133, Hervorhebungen im Original.
E INLEITUNG | 11
Hauptsache disziplinär orientierten Untersuchungen verfolgen meist ein historiographisches Forschungsinteresse und untersuchen Zitate in der Musik, in Bildern, in Filmen usw. in epochen-, gattungs- oder werkbezogenen Analysen etwa in Bezug auf ihre Kennzeichen, Verwendungsweisen und Funktionen. Eine medienübergreifende Perspektive auf das Phänomen nicht-sprachlichen Zitierens und seiner Produkte besteht nur in Ansätzen, ebenso eine theoretische Fundierung des Begriffs ‚Zitat‘, der zwar disziplinenübergreifend als Terminus in Linguistik, Kunst- und Baugeschichte, Musikund Filmwissenschaft geläufig ist, aber heterogen verwendet wird. So kann die Beantwortung der Ausgangsfrage nach dem Funktionieren nichtsprachlichen Zitierens dazu beitragen, diese Forschungslücke zu schließen. Im Gegensatz zu den meisten einzelwissenschaftlichen Studien zum Zitat ist das vorliegende Erkenntnisinteresse explizit theoretischer Natur und bezieht sich auf unterschiedliche mediale Erscheinungsformen von Zitaten – von Sprache über Bild, Musik bis hin zur Architektur. Hierbei wird ein interdisziplinärer Ansatz verfolgt: Das Modell überschreitet disziplinäre Grenzen und integriert sprach- und zeichentheoretische, medientheoretische und intertextuelle, symboltheoretische sowie kulturwissenschaftliche Konzepte. Die enge Bindung des Zitatthemas an sprachbezogene Ansätze wirft dabei Fragen zum Verhältnis zwischen dem Untersuchungsgegenstand und der Sprache auf: Zum einen ist zu klären, warum der Objektbereich als ‚nicht-sprachlich‘ klassifiziert wird. Mit anderen Worten: Welche Rolle spielt das Sprachmodell in der Untersuchung nicht-sprachlicher Zitatphänomene? Zum anderen stellt sich die Frage, wie sich der gewählte Ansatz zur Sprachwissenschaft als Disziplin verhält. (1) Das Modell der Sprache: Die Negativbestimmung der Zitier- und Zitatformen als nicht-sprachlich ermöglicht es, die Vielfalt all jener Bezugnahmen, die nicht auf einem Sprachzeichensystem beruhen, unter diesem Hyperonym zu subsumieren. Dazu zählen beispielsweise visuelle oder auditive Zitate, die in einem primär nicht-sprachlichen medialen System (Bild, Musik, Architektur) stattfinden. Diese Benennung als nicht-sprachlich hat den Vorteil, ein medienübergreifendes Kennzeichen der zitierenden Bezugnahmen zu markieren, das die Komplexität und Bandbreite der einzelnen medialen Referenzformen
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insofern nivelliert, so dass eine Zusammenführung in diesem Punkt möglich wird. Gleichzeitig macht der Begriff der Nicht-Sprachlichkeit darauf aufmerksam, dass in der Forschungsliteratur bei der Verwendung des Terminus ‚Zitat‘ stets der Bezug zur Sprache vorhanden ist. Dieser äußert sich entweder in der Form unterschiedlich stark ausgeprägter und reflektierter, begrifflicher sowie inhaltlicher Anleihen beziehungsweise Übernahmen aus der Sprache oder in einer dezidierten Abgrenzung zum sprachlichen Zitat.7 So stellt die Sprache sowohl auf terminologischer als auch auf kategorialer Ebene den zentralen Bezugspunkt für Zitatuntersuchungen in unterschiedlichen Artefakten dar. Auch hier ist die Sprache die Hintergrundfolie, auf die die Untersuchung aufbaut. Die Bezüge auf den sprachlichen Begriff des Zitats wie auch auf das Verfahren des Zitierens in der Sprache (etwa in der übernommenen Unterscheidung von direktem vs. indirektem Zitieren) legitimieren die homogenisierende Redeweise von nicht-sprachlichen Zitaten. Die konkrete Zitatuntersuchung reflektiert jedoch die Spezifika des medialen Gegenstands mit. In diesem wesentlichen Punkt verlässt diese Studie den Rahmen der Sprache, um die Eigenlogik der verschiedenen Systeme – im Sinne ihrer medialen und materialen Eigenheiten, die sich auch in den Zitaten widerspiegeln – zu berücksichtigen. Dementsprechend löst sich die Terminologie von gängigen Beschreibungen nicht-sprachlicher Zitate nach dem Muster schriftsprachlicher Zitate. Neben dem Theoriemangel stellt die enge Orientierung am Prototyp des Schriftzitats eine zweite Problematik in der Forschungsliteratur dar. Um dem zu begegnen, verwende ich ein medienübergreifendes Vokabular mit Blick auf die Besonderheiten der medialen Systeme wie Bild oder Architektur. In der Rede von ‚nicht-sprachlichen Zitaten‘ sind zwei Einschränkungen zu machen: Erstens ist beispielsweise der Tonfilm in seiner Grundkonstellation und seinen Ausdrucksmöglichkeiten ein mediales System, das auch eine sprachliche Ebene (visuell und auditiv) aufweist und damit keineswegs ‚rein nicht-sprachlich‘ ist. Ebenso können Bilder und damit bildliche Zitate, gleichfalls musikalische Zitate, sprachliche Anteile enthalten. Demzufolge werden Zitate unterschiedlicher medialer Provenienz behandelt, die in erster Linie nicht-sprachlich organisiert sind.
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Vgl. dazu die Darstellung in Kap. 1.3.
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Zweitens macht diese begriffliche Festlegung keine Aussage darüber, welchen Anteil Sprache an der Produktion und Rezeption vorrangig nichtsprachlich organisierter Zitate besitzt. Sprachliche Handlungen begleiten das Zitieren in medialen Systemen oder konstituieren es. So erfordert beispielsweise die Rezeption eines bildlichen Zitats meist eine sprachliche Thematisierung und Interpretation.8 Auch die so unsprachlichen Prozesse des Bauens, der architektonischen Zitation, sind in hohem Maße im Entwurf und in der Rezeption von sprachlichen Handlungen durchdrungen. Fakt ist, dass Sprache ein wesentliches Erkenntnismittel und entscheidendes Medium darstellt, durch das wir Welt und uns selbst konstruierend wahrnehmen, Sinn produzieren und uns interaktiv über Dinge in der Welt mit anderen austauschen können.9 So haben die Errungenschaften des Linguistic Turns weiterhin Bestand – trotz der Diskurserweiterungen und neuen Schwerpunkte der folgenden Turnbehauptungen und ebenso in Verbindung mit ihnen; sie stellen Sprache andere „Wahrnehmungs- und Handlungsdimensionen“10, etwa die Erkenntnismöglichkeiten des Bildes, zur Seite. Sprache ist also wesentlich und steht häufig in einem Medienverbund. Die medienwissenschaftliche, aber auch die linguistische Forschung hat gezeigt, dass in den meisten Fällen, wenn wir mit Medien umgehen, Situationen der Medienkombination und -verschränkung vorliegen, Situationen der mixed media, so dass wir mit multimedialen Phänomenen konfrontiert sind.11 Isolierende, monomedial orientierte Untersuchungen sind eher einer forschungsbedingten Verkürzung und Vereinfachung unserer medial vielfältig verquickten Umwelt geschuldet.12 Demnach ist es zentral, nichtsprachliche Zitate medialitäts- und damit auch materialitätssensitiv zu konzipieren, um die Eigenlogik medialer Systeme und ihre multimediale Verwobenheit zu erfassen. (2) Das Verhältnis zur Sprachwissenschaft: Bestimmt die Multimedialität des Forschungsgegenstandes die analytische Perspektive, so führt dies unmittelbar zu der Frage, welche Bedeutung sprachwissenschaftliche Theo-
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Vgl. Wagner 2006, S. 221.
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Vgl. etwa Jäger 2005, S. 53 f.
10 Bachmann-Medick 2006, S. 44. 11 Zum Begriff mixed media vgl. Mitchell 2005, S. 257; Jäger 2012, S. 16 ff. 12 Vgl. als Überblick zu multimedialen Forschung Schneider/Stöckl 2011, S. 10 ff.
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rien für die Untersuchung nicht-sprachlicher Formen des Zitierens haben. Dazu gehört auch, dass die Untersuchung semiotisch eingebettet ist. In diesem Punkt ist Rautzenbergs Darstellung zu widersprechen. Er resümiert medientheoretische Forschung dahingehend, dass die Semiotik in einer allgemeinen Hinwendung der Kulturwissenschaften zu Medialität, Materialität, Performativität und Präsenz zunehmend verdrängt würde.13 Doch gerade die Betrachtung von Materialitäten und medialen Eigenheiten muss zeichentheoretisch fundiert sein, um darauf aufbauend Aussagen zur Medialität machen zu können. Einerseits sind semiotische und medientheoretische Überlegungen eng miteinander verbunden, andererseits fokussieren sie unterschiedliche Aspekte: Während z.B. die medientheoretische Annahme einer Mediengeprägtheit der Inhalte und Artefakte auf die Unterschiede zwischen Systemen aufmerksam macht, erschließt eine zeichentheoretische Perspektive die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Systeme in ihren Zeichen, im Gebrauch von Zeichen und in ihrem Funktionieren. Insofern ist die Semiotik basal für eine medien- und kulturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit nicht-sprachlichem Zitieren. In einem größeren Zusammenhang leistet der Ansatz des vorliegenden Buches auch einen Beitrag zur Linguistik. Differenztheoretisch gedacht macht die Auseinandersetzung mit nicht-sprachlichen Phänomenen, über eine Bestimmung ex negativo, auch deutlich, wie sprachliche Zitate funktionieren und damit, wie Sprache funktioniert. Diese Erkenntnisse tragen dazu bei, die Ränder der Sprache und ihre Verbindungen zu anderen medialen Systemen besser zu bestimmen. Ein kommunikationswissenschaftlicher Anteil besteht darin, den Zitierprozess grundsätzlich als Interaktionsereignis zwischen Zitatproduzent, Zitatmaterialien (Zitiertes und Zitat) und Zitatrezipient aufzufassen. Diese Interaktion generiert kulturelle Semantik. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Aktivität des Rezipienten und seinem Anteil am Gelingen eines Zitats. Zudem macht der verwendete kommunikationstheoretische Grundbegriff der ‚Störung‘ das produzenteninitiierte Störungspotenzial von Zitaten im kommunikativen Geschehen zugänglich. Hinzu tritt die medientheoretische Ausrichtung des Modells. Demzufolge besitzt dieser Ansatz ein linguistisch-semiotisches, kommunikations- und medienwissenschaftliches Fundament und reiht sich ein in Untersuchungen, die Sprache im Kontext
13 Vgl. Rautzenberg 2009, S. 8.
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betrachten und damit in Bezug setzen zu Musik, Bild, Architektur, aber auch zu den Begriffen ‚Medium‘, ‚Interaktion‘ sowie ‚Kultur‘. Der Forschungsgegenstand ist hinsichtlich dreier Aspekte terminologisch und inhaltlich zu spezifizieren. Diese betreffen erstens die mediale Bestimmung des Zitats, zweitens die Intra- und Intermedialität der behandelten Zitate und drittens das Anwendungsfeld der gebauten Zitate. (1) Die mediale Bestimmung des Zitats: Zitate treten in Sprache, Bild, Film, Architektur oder Musik auf. Diese Orte des Zitats bezeichne ich als mediale Systeme. Der gängigere Begriff des Mediums wird deswegen nicht herangezogen, weil er die alltagssprachliche Konnotation eines Massenmediums oder eines technischen Apparates besitzt, die hier keine Rolle spielt. In dieser Hinsicht ist der Begriff des medialen Systems weniger semantisch vieldeutig aufgeladen. Mediales System verwende ich, wenn die medialen Besonderheiten von Systemen wie Sprache, Musik oder Architektur im Fokus stehen. Dabei lässt sich die Medialität jedoch nicht auf den Aspekt materieller Gegebenheiten verkürzen. Mediale Systeme weisen bestimmte Kennzeichen auf; dazu gehören je spezifische Materialitäten, Apparaturen, mit denen etwas ausgeführt wird, und Darstellungsformen.14 Im Falle des medialen Systems Bild sind dies beispielsweise der materielle Maluntergrund, die Apparaturen Pinsel und Farben sowie die bildliche Darstellungsform eines Gemäldes. Zeichensystem benennt die Momente, in denen der Zeichencharakter relevant ist. Die semiotische Struktur steht dabei im Zusammenspiel und wechselseitigem Bedingungsverhältnis mit Medialität und Materialität, geht aber nicht darin auf. Der Terminus des Symbolsystems benutze ich lediglich in der Beschreibung der Symboltheorie von Nelson Goodman. Wie verortet sich der Begriff des medialen Systems medientheoretisch? Der flächendeckend gebräuchliche und in seiner Extension geradezu beliebig erscheinende Begriff des Mediums15, hier in der abgewandelten Form des medialen Systems verwendet, bietet trotz dieser Gemengelage in mehrfacher Hinsicht einen geeigneten Zugang zum Gegenstand Zitat. ‚Mediales System‘ ist hinreichend allgemein, um verschiedene Systeme wie Sprache, Bild oder Musik in ihrer Gesamtheit zu benennen.16 Dabei macht die spezi-
14 Vgl. zu diesen Charakteristika das Medienkonzept in Schneider 2008, S. 246 f. 15 Vgl. zu verschiedenen Medienbegriffen z.B. Schneider 2008, S. 72 ff. 16 Vgl. zu Sprache als Medium Jäger 2001a, S. 19 ff.
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fizierende Zuschreibung ‚medial‘ darauf aufmerksam, dass jedes Medium über genuine Formen, Ausdrucksmöglichkeiten und Gebrauchsweisen verfügt. Grundannahme ist, dass Inhalte mediengeprägt sind17 und Medien eine Sinn miterzeugende Funktion besitzen. Artefakte, so auch Zitate, weisen mediale Prägungen auf. „Das Medium ist nicht einfach die Botschaft; vielmehr bewahrt sich an der Botschaft die Spur des Mediums.“18 Auch wenn im Gebrauch von Medien gilt „Medien wirken wie Fensterscheiben“19, so zeigt sich die Spur des Mediums am Mediatisierten, das es prägt. So sind mediale Systeme nicht auf die Funktion der „Repräsentation, des Transports beziehungsweise der Übertragung von Inhalten beschränkt“, da sie „konstitutiv an der Genese dieser Inhalte beteiligt“20 sind. Da Kommunikation nicht unvermittelt oder prä-medial stattfinden kann, ist Mentalität generell auf Medialität angewiesen.21 Der Terminus des medialen Systems bietet zudem den Vorteil, nicht auf Schriftliches beschränkt zu sein – im Gegensatz zum Begriff des ‚Textes‘, der verschiedentlich in der Literatur für Merkmale wie ‚Zeichenhaftigkeit‘ und ‚Lesbarkeit‘ von Artefakten verwendet wurde, etwa im Konzept ‚Bild als Text‘22. Hier besteht die Gefahr, die Eigenheiten des jeweiligen medialen Systems in der Textmetapher einzuebnen. Beim Begriff ‚Zitat‘, der auch die Bedeutung von Schriftlichkeit einschließt, folge ich allerdings dem etablierten, disziplinenübergreifenden, über Jahrzehnte gefestigten Sprachgebrauch – sowohl in der Forschung als auch in Alltagssprache. (2) Die Intra- und Intermedialität der behandelten Zitate: Intramedialität bezeichnet die Bezugnahme innerhalb eines Mediums als Formen der Selbstbezugnahme. Intermedialität liegt vor, wenn ein Medium auf ein anderes Medium oder auf seine Hervorbringungen verweist. Jäger unterscheidet die Erläuterung eines Systems durch ein anderes von wechselseitigen Bezugnahmen zwischen verschiedenen medialen Systemen.23 Helbig beschreibt Intermedialität als das Aufrufen eines Systems durch die Möglich-
17 Vgl. McLuhan 1997, S. 112. 18 Krämer 2000, S. 81, Hervorhebung im Original. 19 Krämer 2000, S. 74. 20 Jäger 2012, S. 26. 21 Vgl. Jäger 2001b, S. 20 ff. 22 Vgl. etwa Stöckl 2004, S. 96 ff. 23 Vgl. Jäger 2008a, S. 108 f.
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keiten eines zweiten in Form einer Thematisierung als Repräsentation des anderen Mediums im präsenten Medium oder in Form der Imitation als ikonischer Modus einer nachahmenden Referenz auf das andere Medium.24 Im Folgenden werden sowohl intramediale als auch intermediale Zitate behandelt. Dabei strebe ich keine umfassende musikwissenschaftliche, kunstoder bauhistorische Einordnung der diskutierten Zitate an. Die Beispiele illustrieren bestimmte Kennzeichen von Zitaten und verdeutlichen Einflussrichtungen und Wirkungsmechanismen in Zitierprozessen. (3) Das Anwendungsfeld der gebauten Zitate: Das Modell nichtsprachlichen Zitierens wird medialitätsbezogen an sinnlich wahrnehmbaren Artefakten, nämlich Zitaterscheinungen in der gebauten Architektur, erprobt. Drei Gründe sprechen für das Anwendungsfeld Architektur: Erstens hat die Architekturtheorie das Phänomen architektonischen Zitierens bislang kaum theoretisch reflektiert. Zweitens fehlt eine Diskussion der Eigenlogik des medialen Systems Architektur und drittens bietet die Architektur ein besonders geeignetes Feld, um Phänomene der Multimedialität zu betrachten. Im Bereich der Architekturtheorie und Baugeschichte liegen – im Gegensatz zu Kunstgeschichte und Bildwissenschaften – vergleichsweise wenig Untersuchungen zu architektonischen Verweisen im Allgemeinen und zum Zitat im Speziellen vor.25 Zitate sind, abgesehen von ihrem Auftreten in Bauwerken, auch in Skizzen, Plänen, Modellen oder Bildern von Bauten präsent. Diese Gesamtheit architektonischer Zitatorte zu betrachten, würde jedoch zu weit führen. Aus diesem Grund beschränkt sich das untersuchte Zitatfeld auf das Gebaute, auf zitierende Verweise eines Bauwerkes auf ein anderes. Neben dem übergeordneten Ziel eines Beitrags zur Theorie nicht-sprachlichen Zitierens wird auch eine theoretische Modellierung architektonischer Zitaterscheinungen geliefert. Das semiotisch, medienwissenschaftlich und kulturwissenschaftlich fundierte Schema des Zitierens kann die architekturtheoretische Forschung erweitern.
24 Vgl. Helbig 2008, S. 79 ff. Die beiden anderen Begriffe von Helbigs Taxonomie der Medienkontakte, Transmedialität und Multimedialität, werden nicht behandelt. 25 Vgl. etwa Kunst 1981; Kimpel/Suckale 1985; Dreyer 1992, 2001; Greub 2012. Vgl. die Darstellung in Kap. 1.2.3.
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Zu den Spezifika des medialen Systems Architektur ist zu sagen: Architektur ist grundsätzlich – in ihrer semiotischen Funktion, die neben der Funktion des Nutzens steht – ein Zeichensystem und damit in die Zeichenauffassung von Charles Sanders Peirce einzugliedern. Wie in anderen Zeichensystemen auch ist die Grundlage die Zeichentrias, gebildet aus Zeichen, Objekt und Interpretanten. Das Verhältnis des Zeichens zum Objekt besteht in den drei Dimensionen des Zeichens, also mit ikonischen (aufgrund einer Ähnlichkeitsbeziehung zum Objekt), indexikalischen (aufgrund einer kausalen Beziehung) und symbolischen Anteilen (aufgrund einer konventionellen Beziehung), die im konkreten Einzelfall unterschiedlich ausgeprägt vorliegen.26 Uwe Wirth spricht von einem Zeichenverbundsystem, in dem, je nachdem, ob es sich um Sprache, Bild, Musik oder Architektur handelt, das Zusammenspiel von Ikonizität, Indexikalität und Symbolizität verschieden konfiguriert ist.27 Weiterhin lassen sich an gebauten Zitaten Charakteristika architektonischer Medialität ablesen. Dazu gehören bei gebauter Architektur etwa die Ortsgebundenheit, die Raumbezogenheit und damit verbunden auch der unterschiedliche Umgang mit Architektur in einem Nutzungsmodus und in einem Interpretationsmodus. Der Medial Turn ist in der Architekturtheorie bislang wenig rezipiert.28 So werden am Beispiel architektonischer Zitate Medialitätsaspekte von Architektur aufgezeigt. Schließlich bietet gerade das Feld der Architektur, und darin besteht ein weiterer wesentlicher Bezugspunkt zur medienwissenschaftlichen Forschung, die Möglichkeit, die multimediale Vielfalt des Zitierens exemplarisch aufzuzeigen. Gebaute Zitate referieren auf materialiter existierende Bauwerke, aber auch auf Fotografien, Skizzen oder Grundrisse von Gebäuden. Somit steht Architektur in ihren Darstellungsformen, aber ebenso in den Rezeptionsformaten in engem Zusammenhang mit unterschiedlichen Arten von Bildern. Darüber hinaus spielen sprachliche Prozesse im Entwurfsprozess und im Umgang mit dem Resultat, dem gebauten Werk, eine wesentliche Rolle. Architektur ist also genuin multimedial. Der Aspekt der multimedialen Verwobenheit wird an architektonischen Zitaten und damit am Beispiel des medialen Systems Architektur, welches bisher noch nicht
26 Vgl. Peirce 1998, 2/274 f. Zitiert wird nach Band und Abschnitt. 27 Vgl. Wirth 2006, S. 118. Zu Architektur als Zeichen vgl. auch Kap. 4.1.1. 28 Vgl. zur Rezeption des Medial Turns in der Architektur Schäffner 2010, S. 137.
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Gegenstand der Multimedialitätsforschung war, untersucht. Die drei genannten Gründe für das Anwendungsobjekt ‚gebaute Architektur‘ entsprechen den drei Bereichen, in denen die bis dato weitestgehend unverbundenen architekturtheoretischen und medienwissenschaftlichen Forschungen erweitert werden, nämlich in der theoretischen Erfassung architektonischer Bezugnahmen, in der Medialität von Architektur und schließlich in der Beschreibung von Multimedialität. Als Beispielmaterial für gebaute Zitate stütze ich mich auf Zuschreibungen des Zitatstatus in der Forschungsliteratur sowie auf Selbstaussagen von Architekten zu ihren Werken. In der geographischen Ausdehnung der behandelten Zitatphänomene beschränke ich mich in der Hauptsache auf Westeuropa und die USA. Diese Eingrenzung ist, neben der Notwendigkeit einer mengenmäßigen Begrenzung, auch konzeptuell relevant: Im Vergleich zu den genannten Regionen besteht beispielsweise im ostasiatischen Kulturraum ein anderes Verständnis von Originalen, so dass die im westlichen Kulturverständnis traditionellerweise wichtigen ästhetischen und kategorialen Unterscheidungen von ‚Original‘ und ‚Sekundärform‘ sowie das Konzept des geistigen Eigentums anders bewertet werden und damit auch der Umgang mit Zitaten anders ausfällt.29 Auch wenn diese Unterschiede in gewisser Weise durch globale Interaktion und Vernetzung zurückgehen und etwa asiatische Konzepte des Verweisens und Kopierens ebenso zeitgenössische europäische Kunst beeinflussen,30 ist diese Differenz immer noch beständig. Was die zeitliche Eingrenzung der Zitatbeispiele angeht, so stehen Bauwerke der sogenannten Postmoderne als besonders referenzreiche Architekturepoche im Vordergrund; teilweise werden auch Bauten des Historismus untersucht. Das Buch ist wie folgt gegliedert: Kapitel 1 gibt einen Überblick über den Stand der Forschung zu Zitaten in der Sprache – aus linguistischer, sprachphilosophischer, intertextueller und semiotischer Perspektive. Daran schließt sich eine Zusammenschau der Erkenntnisse zu Zitaten in anderen medialen Systemen an. Neben einem symboltheoretischen Vergleich von Sprach-, Bild- und Musikzitaten aus der analytischen Philosophie sind die verschiedenen disziplinären Zugänge zu Bildzitaten, Architekturzitaten, Musikzitaten und Filmzitaten Thema. Bei dieser Tour d’Horizon der Litera-
29 Vgl. Mersmann 2004, S. 224 f. 30 Vgl. Ullrich W. 2012, S. 137.
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tur zeigt sich, dass zum einen ein Forschungsbedarf in der theoretischen Auseinandersetzung mit nicht-sprachlichen Zitaten besteht. Zum anderen zeichnen sich die bisherigen Beiträge auf metasprachlicher Ebene durch Beschreibungen musikalischer, bildlicher und anderer Zitate aus, die stark am Prototyp des schriftsprachlichen Zitats orientiert sind. Dieser Zugang ist insofern problematisch, als die Medialitätsaspekte der nicht-sprachlichen Zitate in den Hintergrund rücken. An diesen skizzierten Problemen, dem Theoriemangel und dem Schriftsprachfokus, setzt in Kapitel 2 die Entwicklung des theoretischen Instrumentariums an. Grundlage bilden sprach-, zeichen- und medientheoretische, symboltheoretische, intertextuelle und kulturwissenschaftliche Ansätze. Beispiele des Zitierens aus den medialen Systemen Sprache, Bild (hauptsächlich Gemälde und Fotografie) sowie Musik illustrieren und verifizieren die theoretischen Ausführungen. Die daraus abgeleitete Operationalisierung des Begriffs des nichtsprachlichen Zitats sowie des Zitierverfahrens erfolgt im Modell in Kapitel 3. Kapitel 4 ist der Modellanwendung auf das architektonische Zitieren gewidmet. Anhand von Beispielen gebauter Zitate werden die entwickelten sechs Bestandteile des Modells diskutiert und medienspezifische Besonderheiten der Architektur erläutert. Der Anwendung folgt in Kapitel 5 eine Weitung der Perspektive auf das Phänomen des Zitierens. Warum wird immer wieder in den unterschiedlichsten Kontexten zitiert? Zitieren als wirkmächtige Kulturtechnik wird durch vier wesentliche Funktionen, vom Metaisieren bis hin zum Zitieren als ‚Bedeutungsmaschine‘, gekennzeichnet. Kapitel 6 fasst die Ergebnisse zusammen und benennt Implikationen für verschiedene Forschungsbereiche. Der Versuch eines Modells nicht-sprachlichen Zitierens ist mit einer grundlegenden Problematik verknüpft: Mit Zitaten über das Phänomen des Zitierens zu reflektieren und auf zweiter Ebene das Aufrufen verschiedener Gewährspersonen mittels Zitate zu wiederholen, erzeugt eine gewisse metasprachliche Zirkularität. Diese ist gegenstandsbedingt und damit nicht zu vermeiden, wenn mit Sprache über Sprache, mit Zitaten über (nichtsprachliche) Zitate gesprochen wird.
1. Forschungsstand
Das ‚Zitat‘ nimmt im wissenschaftlichen Kontext eine Doppelposition ein, da es sowohl Erkenntnismittel als auch Erkenntnisobjekt ist. Es stellt eine Grundvoraussetzung wissenschaftlichen Arbeitens im Umgang mit vorhandenem Wissen dar und wird zugleich als gängige Beschreibungskategorie für Phänomene der Bezugnahme in diversen Disziplinen verwendet. So sind zitierende Verweise Analysegegenstand in der Linguistik, Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte, Bild-, Film- und Musikwissenschaft, Kulturwissenschaft sowie Architekturtheorie. Untersucht werden Erscheinungsformen, Kennzeichen, Funktionen und Verwendungsweisen sowie Wirkungen zitierender Referenzen in der Sprache und in anderen medialen Systemen. Das Zitat ist einerseits Gegenstand von Einzelfallstudien mit historiographischem Erkenntnisinteresse; andererseits werden, in geringem Maße, Betrachtungen zum Zitat angestellt mit dem Ziel einer Begriffsabgrenzung, einer Typologisierung oder Theoriebildung. Der Stand der Forschung zu zitierenden Bezugnahmen lässt sich in vier Schwerpunkte gliedern: erstens in Untersuchungen zu intramedialen Zitaten, zweitens zu intermedialen Zitaten sowie drittens in medienvergleichende Zitatuntersuchungen. Als vierter Fokus ist ein kulturwissenschaftlicher Schwerpunkt zu nennen, der sich den Funktionen und Wirkungen kultureller Zitaterscheinungen widmet. (1) Intramediale Zitate: Die Zusammenschau der Studien zum Phänomen Zitat zeigt, dass die Analysen stark disziplinär geprägt sind. Die einzelnen Wissenschaften untersuchen vorrangig Zitaterscheinungen innerhalb ihres Wissensgebietes (z.B. Zitate von Bildern in Bildern in der Kunstgeschichte).
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(2) Intermediale Zitate: Arbeiten zum intermedialen Zitieren sind in der Forschung eher gering vertreten.1 Vereinzelt finden sich Studien – werk-, autoren- oder epochenbezogen – zu Gemäldezitaten in literarischen Werken2 und in zeitgenössischen Fotografien3, zu Literaturzitaten im Fernsehen4, zu Theaterzitaten im Film5, Zitat- und Ironieerscheinungen in der Baukunst und Literatur6 oder zu zitierenden Bezügen zwischen filmischen Stills und Werken des kunstgeschichtlichen Kanons7. Der Sammelband „Lesen ist wie Sehen“ sticht in diesem Zusammenhang heraus, da die Autoren Text-Bild-Beziehungen als intermediale Zitate diskutieren.8 Als Grundlage fungiert das Konzept des Ikonotextes von Alain Montandon und Michael Nerlich, das sowohl die gleichberechtigte Anwesenheit von verbalen und visuellen Anteilen in einem Werk als auch unterschiedliche Varianten der Bezugnahme zwischen Wort und Bild umfasst.9 Ebenfalls mit Blick auf verbale und visuelle Artefakte verwendet Mieke Bal quotation als Sprachund Bildmedium übergreifenden Terminus und bezeichnet damit „intersection of iconography and intertextuality“10. Wie sich an den genannten Beiträgen bereits ablesen lässt, folgen Arbeiten zu intermedialen Zitaten hauptsächlich literaturwissenschaftlichen oder speziell intertextuellen Ansätzen. Letztere werden bisweilen zu einem literaturbezogenen Konzept von Intermedialität erweitert. So beschreibt Andrea Ch. Berger, wie bei Gemäldezitaten in der erzählenden Literatur Mediengrenzen überschritten werden und in einem illusionistischen ‚Als-ob-Effekt‘ die Malerei im Text imaginiert wird.11 (3) Medienvergleichende Zitatuntersuchungen: Der literaturwissenschaftlichen Ausrichtung folgen auch die wenigen Arbeiten mit medienver-
1
Vgl. z.B. Böhn (Hg.) 2003.
2
Vgl. Eilert 1991.
3
Vgl. Stremmel 2000.
4
Vgl. Öhlschläger 2010.
5
Vgl. Laak 2010.
6
Vgl. Collomb 1997.
7
Vgl. Keitz 1994; Schulz 2010.
8
Vgl. Horstkotte/Leonhard (Hg.) 2006.
9
Vgl. Horstkotte/Leonhard 2006, S. 8.
10 Bal 1999, S. 8. 11 Vgl. Berger 2012, S. 36 ff.
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gleichender Perspektive. Hier liegen Studien zu Formzitaten in Film und Fotografie oder zu Zitat- und Montagetechniken in Literatur und Kunst vor.12 Teilweise finden sich in Publikationen zu sprachlichen Zitierformen Exkurse zu Zitaten anderer medialer Systeme. Dubravka Oraić Tolić entwirft – bezogen auf die europäische Avantgarde – eine intertextuelle Theorie der Zitathaftigkeit als ontologisches Prinzip in Literatur, Kunst und Alltagskultur. Sie identifiziert zwei zentrale Typen von Zitathaftigkeit im Umgang mit den Artefakten einer Kultur, die illustrative Form als Aneignung eines kulturellen Reservoirs und die illuminative Form als kreative Eroberung in Abgrenzung zum kulturellen Erbe.13 Für das Forschungsinteresse des vorliegenden Buchs sind die Arbeiten zu spezifisch in ihren Fragestellungen, um das nicht-sprachliche Zitieren in seiner Gesamtheit zu betrachten. Die Theorie der Zitathaftigkeit von Oraić Tolíc ist zwar in ihren Anwendungsgebieten weit gefasst, aber ontologisch ausgerichtet. Demgegenüber liegt der Fokus der Modellentwicklung in diesem Buch auf einer Prozessorientierung und der sinnstiftenden Funktion des Zitierens. (4) Kulturwissenschaftliche Perspektiven auf Zitate: Einige neuere kulturwissenschaftliche Sammelbände diskutieren das Prinzip des Zitierens und den Zitatgebrauch als kulturelle Phänomene. Dabei stellt sich die Frage einer ‚Ethik des Zitierens‘14 im Umgang mit Zitationen in Sprache, Rhetorik, Jurisprudenz und den Künsten. Das Zitat in seinen ‚Figurationen‘15 zwischen Fragment/Fundstück und Moment der Kreativität wird in Werken der Literatur und Architektur, im Film und Theater thematisiert. Ebenfalls bezogen auf unterschiedliche Künste beschäftigen sich die Autoren des Bandes ‚Instrument Zitat‘16 mit dem Zitat als Kunstform in Avantgarde, Moderne und Postmoderne. ‚Instrument Zitat‘ ist zum einen als Teil einer intertextuell geprägten Geschichtsschreibung der Disziplinen zu verstehen. Zum anderen geht es um die Rolle des Zitats als strategisches Instrument im künstlerischen Kontext.17 Mit Blick auf verschiedene Gegenwartskünste
12 Vgl. Böhn 1999a; Böhn 1999b; Klotz 1992. 13 Vgl. Oraić Tolić 1995, S. 75 f. u. 319 ff. 14 Vgl. Jacob/Mayer (Hg.) 2010. 15 Vgl. Roussel (Hg.) 2012. 16 Vgl. Beekman/Grüttemeier (Hg.) 2000. 17 Vgl. Beekman/Grüttemeier 2000, S. 7 f.
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betrachten die Autoren des Bands „Zitieren, appropriieren, sampeln“18 die Verfahren, Medien und Motive von Referenzproduktionen z.B. in Tanz, Dokumentarfotografie, Film, Musik und Literatur. Gendertheoretisch stehen im Rekurs auf Judith Butler gleichzeitig die Ermächtigungsstrategien des Zitierenden und die Zitatfähigkeit ausgewählter Elemente zur Debatte. ‚Zitier-Fähigkeit‘ wird als literarische Technik und als Bestandteil einer gesellschaftlichen Machtpolitik konturiert.19 Sibylle Benninghoff-Lühl thematisiert das Sprechen über das Zitieren. Sie untersucht Metaphernfiguren, die in der Wissenschaftssprache und der Literatur im Sprechen über Zitate zur Anwendung kommen, im Hinblick auf die Konstruktion von Wissen.20 Die genannten kulturwissenschaftlichen Arbeiten fließen teilweise als Hintergrundwissen in die Betrachtung ein, bieten aber keinen theoretischen Ansatzpunkt, um das Funktionieren nichtsprachlichen Zitierens zu untersuchen. Der begrenzten Anzahl an Arbeiten mit übergreifender Perspektive auf das Zitat – medienvergleichend oder kulturwissenschaftlich orientiert – steht eine Fülle an Publikationen in den einzelnen Wissenschaften gegenüber. Sie haben, wie oben beschrieben, meist das Zitieren innerhalb eines Zeichensystems zum Thema. Im Folgenden wird ein Überblick zum Stand der disziplinären Zitatanalysen gegeben, aufgeteilt in Forschungen zu Zitaten in der Sprache (Kapitel 1.1) und in anderen medialen Systemen (Kapitel 1.2). Ausgangspunkt ist der prototypische Ort des Zitierens in der Sprache, der sich in Zitatstudien der Sprachwissenschaft, Sprachphilosophie und Logik, Intertextualitätsforschung sowie Semiotik äußert. Dem folgt der symboltheoretische Zitatvergleich in Sprache, Bild und Musik. Anschließend werden Zitatuntersuchungen der Kunstgeschichte und Bildwissenschaft, der Baugeschichte, Musikwissenschaft und Filmwissenschaft erläutert. Das Resümee der disziplinären Zugänge zeigt die Forschungsdesiderate in der systematischen Erfassung nicht-sprachlichen Zitierens auf (Kapitel 1.3). Konzepte aus der Intertextualitätsforschung, aus der Symboltheorie und zur Iterabilität von Zitaten, die für die Modellbildung besonders relevant sind, werden im Weiteren nur in Grundzügen beschrieben und im Theoriekapitel (Kapitel 2) vertiefend diskutiert.
18 Vgl. Döhl/Wöhrer (Hg.) 2014. 19 Vgl. Gutenberg/Poole 2001, S. 14 f. 20 Vgl. Benninghoff-Lühl 1998.
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1.1 Z ITATE
IN DER
S PRACHE
1.1.1 Linguistik, Sprachphilosophie und Logik Zum sprachlichen Zitieren liegen Arbeiten in der Linguistik, Sprachphilosophie und formalen Logik, aber auch in der Gebärdensprach- und Gestenforschung vor. In Linguistik und Logik ist das Zitat als eine Form der Metarepräsentation Gegenstand von Untersuchungen. Im Fokus stehen Syntax, Semantik und Pragmatik des Zitats in seinen diversen Erscheinungsformen. Grundsätzlich unterscheidet sich das direkte Zitat (Tünnes sagt: „Köln ist herrlich.“), vom indirekten Zitat (Tünnes sagte, dass Köln herrlich sei), vom reinen Zitat („Köln ist herrlich“ besteht aus drei Wörtern), dem modalisierenden Zitat (Köln ist „herrlich“.) und dem gemischten Zitat (Tünnes sagte, dass Köln „herrlich ist“.).21 Im Bereich Morphologie und Syntax werden im Kontext der Redewiedergabe Aspekte wie die syntaktischen Eigenschaften der Zitatarten und der Grad ihrer Integration in den Satzzusammenhang behandelt. Die Untersuchung zitateinleitender Matrixverben (z.B. sagen) gehört ebenso dazu wie der Modus eingebetteter Sätze und die Nutzung des Konjunktivs beim Zitieren. Sprachtypologische Untersuchungen widmen sich der direkten und indirekten Rede im Hinblick auf ihre grammatischen Eigenheiten im Vergleich verschiedener Sprachen.22 Einen Schwerpunkt in logischen, formalsemantischen, aber auch in graphematischen Untersuchungen bilden die Anführungszeichen als Markierung von Zitaten. Sogenannte Anführungstheorien diskutieren die Bedeutung, den logischen Status von Anführungszeichen sowie ihren Gebrauch als Hilfszeichen. Die Erkenntnisse beziehen sich teils auf formale Sprachen (etwa bei Willard Van Orman Quine), teils auch auf natürlichsprachliche Äußerungen (bei Donald Davidson). Viele Anführungstheorien bauen auf Gottlob Freges Unterscheidung von Sinn und Bedeutung auf.23 Die Eintei-
21 Zu weiteren Formen vgl. Brendel/Meibauer/Steinbach 2007, S. 6. Einen Überblick über verschiedene linguistische und sprachphilosophische Ansätze zum Zitat geben Brendel/Meibauer/Steinbach (Hg.) 2007; Brendel/Meibauer/Steinbach (Hg.) 2011. 22 Vgl. Brendel/Meibauer/Steinbach 2007, S. 9 ff. 23 Vgl. Frege 1966, S. 40 ff.
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lung macht, grob zusammengefasst, auf Folgendes aufmerksam: Äußerungen, die in Anführungszeichen gesetzt sind, besitzen nicht mehr ihre gängige Bedeutung im Sinne des extensionalen Gehaltes, sondern können in zwei Formen vorliegen: als direktes Zitat, in dem die Rede einer Person wiedergegeben wird, und als reines Zitat. Beim reinen Zitat wird auf einer metasprachlichen Ebene der Sinn einer Äußerung betrachtet.24 In den Anführungstheorien lassen sich zwei Richtungen unterscheiden, zum einen die Ansätze, die sich an der Differenzierung von Erwähnen und Gebrauchen des angeführten Ausdrucks im Zitat orientieren – so etwa Tarski und Quine. Im Fall des Erwähnens wird nach sprachlichen Merkmalen des Ausdrucks gefragt, im Fall des Gebrauchs nach seiner Extension. Erwähnte Ausdrücke können nicht durch extensionsgleiche Ausdrücke ersetzt werden, demzufolge sind sie vergleichbar mit Eigennamen. Daraus resultieren die sogenannten Eigennamentheorien. Die Anführungszeichen markieren dabei die metasprachliche Erwähnung eines Ausdrucks. Der Anführungskomplex, bestehend aus angeführtem Ausdruck (Wort, Phrase, Satz) und Anführungszeichen, wird als Ganzes als Eigenname des angeführten Ausdrucks bezeichnet. Zum anderen gibt es Ansätze, die in der Tradition von Davidsons Demonstrativtheorie stehen. Diese spricht einzig den Anführungszeichen als singulärem Term einen referentiellen Status zu, während die Anführung selbst als Inskription keine semantische Rolle besitzt.25 Zusammenfassend beschäftigen sich Anführungstheorien damit, ob Anführungen überhaupt referieren, welcher Bestandteil im Anführungskomplex die Referenz herstellt sowie mit dem semantischen Status von Anführungszeichen.26 Manfred Harth entwirft eine Theorie der Anführung, die sowohl sprachphilosophisch die natürliche Sprache als auch formal-logisch ideale Sprachen berücksichtigt. Er konzipiert das Zitat als Sonderfall der Anführung. „Anführen ist [...] das – im Fall des Zitats replizierende – Erzeugen eines sprachlichen Ausdrucks, um sich (damit) auf ihn zu beziehen.“27 Harth geht davon aus, dass Zitate prinzipiell auch in nichtsprachlichen Systemen vorkommen können und sich durch Originaltreue in
24 Vgl. Günther 1992, S. 124. 25 Vgl. Stei 2007, S. 215 ff; Steinbrenner 2004, S. 87 ff. 26 Vgl. Stei 2007, S. 216 f. 27 Harth 2002, S. 23.
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der zitierenden Wiederholung sowie durch Authentizität im Sinne des Vorhandenseins der zitierten Quelle auszeichnen.28 Auch Jakob Steinbrenner betont in seiner sprachphilosophischen Untersuchung zu Formen metasprachlicher Bezugnahme, dass das Zitat nicht nur auf Sprache bezogen ist, sondern auch in anderen, bildlichen oder musikalischen Systemen auftaucht. In diesem Punkt differenziert Steinbrenner das Zitat von der Metasprachlichkeit im engeren Sinne. Zitierbar sind generell nur bereits verwendete Zeichenvorkommnisse.29 Neuere Studien verwerfen rein semantisch ausgerichtete Zugänge zum Zitat und verfolgen pragmatische Ansätze, um beispielsweise im Fall des modalisierenden Zitats (in der ironischen Aussage „Köln ist ‚herrlich‘.“) die Sprechereinstellung zu untersuchen. In diesem Zusammenhang erweisen sich Zitate als sprachwissenschaftlich relevantes Phänomen, um die Schnittstelle zwischen Semantik und Pragmatik auszuloten.30 In der Sprechakttheorie spielt das Zitat insofern eine Rolle, als dass es von John L. Austin zunächst aus der Betrachtung von Sprechhandlungen ausgeschlossen wird. Er charakterisiert das Zitieren wie das Selbstgespräch oder das Sprechen auf der Bühne als Auszehrung der Sprache, da in diesen Fällen eine unernste, sich zum normalen Gebrauch parasitär verhaltende Nutzung der Sprache vorliegt.31 Jacques Derrida hingegen widmet sich in „Signatur, Ereignis, Kontext“ gerade dem von Austin als Parasit bezeichneten Zitieren. Laut Derrida konstituiert sich das sprachliche Zeichen erst dadurch, dass es dekontextualisiert, wiederholt und damit zitiert werden kann. Die Wiederholbarkeit (Iterabilität) als genuines Kennzeichen des Zeichens ist stets mit Veränderung verbunden.32
28 Vgl. Harth 2002, S. 23 f. 29 Vgl. Steinbrenner 2004, S. 83 ff. 30 Vgl. Brendel/Meibauer/Steinbach 2007, S. 19. 31 Vgl. Austin 2002, S. 43 f. Sybille Krämer diskutiert diesbezüglich, ob Austin den unernsten Gebrauch der Sprache tatsächlich ausschließt oder ob er diesen über sein performatives Handeln im Laufe seiner Ausführungen nicht doch thematisiert (vgl. Krämer 2001.). Austins Ausschließungsgestus des Parasitären führte zu einer Debatte über das Verhältnis von normalem und unernstem Sprachgebrauch. Vgl. Waldenfels 1997; Lapp 1992. 32 Vgl. Derrida 2001.
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Die Textlinguistik thematisiert Formen und Funktionen des Zitierens in der Untersuchung von Redewiedergaben in Texten.33 Eva-Maria Jakobs analysiert zitierende Rückgriffe auf den Forschungsstand als wesentlichen Bestandteil wissenschaftlicher Textproduktion. Zitieren verknüpft die eigene Forschung im Zusammenspiel rezeptiver, reproduktiver und produktiver Prozesse mit bestehendem Wissen, begründet diese und bettet sie in eine Vernetzungsstruktur von Wissen ein.34 Andere textlinguistische Forschungen untersuchen z.B. die Nutzung von Zitaten (gesprochene, geschriebene Zitate oder Original(ton)zitate) in Massenmedien und ihre Wirkung. Hierbei steht die Rolle von Zitaten in der Herstellung von Authentizität im Mittelpunkt.35 In der Gestenforschung ist das Zitat Untersuchungsgegenstand in redebegleitenden Formen der zitierenden Gesten.36 Untersucht man das Zitieren in der Gebärdensprache, so sind indirekte Redewiedergaben (im Erzählerstil mit der Perspektive der ersten Person aus Sicht des Gebärdenden) von der direkten Rede (im Teilnehmerstil in der ersten Person aus Sicht des Zitierten) und der wörtlichen Rede (mit besonderer Markierung durch die Blickrichtung) zu unterscheiden.37 Die Gebärdensprachen verfügen damit über eine modalitätsspezifische Form des Zitierens, den Role Shift. Gebärdensprecher können mithilfe nicht-manueller Mittel – durch eine Ausrichtungsänderung des Kopfes, des Oberkörpers oder durch die Unterbrechung des Augenkontaktes – die Rolle eines Anderen (des Zitierten) einnehmen und auf diese Weise auch die direkte Rede des Zitierten in der Ich-Version wiedergeben.38 Die skizzierten Ansätze behandeln Fragestellungen, die sich auf das Zeichensystem der Sprache und auf ihre spezifische Syntax, Semantik und Pragmatik beziehen. Diese sind für den Gegenstand der Arbeit nicht pro-
33 Vgl. Baudot (Hg.) 2002. 34 Vgl. Jakobs 1999, S. 41 ff. 35 Vgl. Burger 2005, S. 90 ff. 36 Vgl. Bavelas et al. 1995, S. 396; Mittelberg 2006. 37 Vgl. Braem 1992, S. 105. 38 Vgl. Herrmann/Steinbach 2007. Dieses Verschiebungsphänomen in der Nutzung der Deixis liegt auch in manchen Lautsprachen vor. Vgl. Brendel/Meibauer/ Steinbach 2007, S. 12.
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duktiv. Fruchtbar erscheint mir hingegen die generelle Unterscheidung von Erwähnen und Gebrauchen im Zitat, die im Theorieteil aufgegriffen wird. 1.1.2 Intertextualität Das typische Anwendungsgebiet eines Zitats ist der Text. Waren Untersuchungen zu Text-Text-Relationen und Text-Textmuster-Beziehungen bereits in der Antike Gegenstand systematischer Betrachtungen,39 so findet seit den 1960er Jahren die Diskussion zu Textrelationen unter dem Stichwort der Intertextualität statt. Theoretische Zugänge und Beispielanalysen von schriftlichen Zitaten liegen hauptsächlich im Rahmen dieser Forschungsrichtung vor, insbesondere im Bereich der Literaturwissenschaft.40 Der Begriff Intertextualität, der auf Julia Kristeva zurückgeht, ist inzwischen zu einem heterogen verwendeten und damit unscharfen umbrella term der Literatur- und Kulturwissenschaft geworden.41 Kristeva formuliert ‚Intertextualität‘ im Anschluss an Michail Bachtins Prinzip der ‚Dialogizität‘. Während Bachtin aus einer gesellschafts- und ideologiekritischen Perspektive das Zusammenspiel verschiedener Stimmen innerhalb eines Textes und die Referenz von Texten auf Gattungen untersucht, widmet sich Kristeva den speziellen Beziehungen literarischer Texte zu ihren Vorläufern. Grundsätzlich sind in der Intertextualitätsforschung zwei Richtungen unterscheidbar, die mit differierenden Verwendungen des Begriffs Zitat verbunden sind. Auf der einen Seite stehen Forschungen, die im Anschluss an Kristevas weiten Intertextualitätsbegriff Intertextualität als basales Merkmal von Texten betrachten, wobei kulturelle Formen, Geschichte und Gesellschaft im Allgemeinen als ‚Text‘ gelten. Texte sind in einen unabschließbaren und
39 Vgl. Fix 2000, S. 449. 40 Vgl. Kany 2004, S. 1351 f. Seit den 1970er Jahren finden auch in der Textlinguistik intertextuelle Studien statt. Hier stehen unterschiedliche Textbegriffe und damit verbundene Vorstellungen von Autor und Rezipient eines Textes im Vordergrund. Vgl. etwa Fix 2000; Linke/Nussbaumer 1997. Intertextualität wird sowohl als generelles Kennzeichen von Texten als auch als spezifisches Merkmal bestimmter Textsorten behandelt. Vgl. Jakobs 1999, S. 16 ff. 41 Zur inflationären Verwendung des Begriffs ‚Intertextualität‘ vgl. kritisch Heinemann 1997.
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stets präsenten Kontext der textuellen Bezugnahmen eingebettet. In dieser Gesamtmenge der Texte lassen sich keine abgeschlossenen Einzeltexte isolieren. Text als „mosaïque de citations“42 gründet stets auf den Bezug auf vorhandene Texte; Zitathaftigkeit ist dabei ein basales Kennzeichen von Texten.43 Die Textproduktion selbst wird zum Prozess des Zitierens. „Écrire, car c’est toujours récrire, ne diffère pas de citer.“44 Auf der anderen Seite wird Intertextualität als Merkmal bestimmter Textsorten begriffen, so dass konkrete Bezugnahmen in Texten auf andere Texte oder Textgattungen betrachtet werden. Das Zitat fungiert als „Modellfall einer zwischentextlichen Beziehung“45. Im Mittelpunkt dieser Forschungen stehen systematische Beschreibungen der Kennzeichen des Zitats, das von der Morphem- bis hin zur Textebene in allen Stufen auftreten kann.46 Untersucht werden beispielsweise der Umfang des Zitats, seine Frequenz, Ähnlichkeit zum Prätext und Markiertheit sowie seine Funktionen47 vorrangig in literarischen Texten. Theodor Verweyen und Gunther Witting grenzen das Zitat zu verwandten Bezugnahmeformen ab und konzentrieren sich auf den Cento als Zitatmontage. Letztere bezeichnet die unveränderte Übernahme von Textteilen und ihre Kombination zu einem neuen Text. Der Cento kann sowohl in Form einer Kontrafaktur, mit der Funktion der Normbestätigung, als auch als Parodie auftreten, bei der der Normenbruch durch Verfahren der Komisierung im Vordergrund steht.48 Susanne Holthuis erforscht Intertextualitätsformen aus linguistischer Sicht. Sie ordnet das Zitat als textoberflächenstrukturelle Referenz ein, da es in linearisierter Form die Wort- und Satzabfolge des zitierten Textes wiedergibt. Damit steht es im Gegensatz zu Allusion und Paraphrase, die in nicht-linearisierter Form der texttiefenstrukturellen, semantisch orientierten Referenz zuzuordnen sind.49 Das Zitat als referentielle Intertextualität
42 Kristeva 1969, S. 146. 43 Vgl. Pfister 1985, S. 1 ff. 44 Compagnon 1979, S. 34. 45 Plett 1985, S. 88. 46 Vgl. Plett 1991, S. 8 ff; Plett 1985, S. 82 f. 47 Vgl. Morawski 1970. 48 Vgl. Verweyen/Witting 2010, S. 78 u. 261; Verweyen/Witting 1993, S. 21. 49 Vgl. Holthuis 1993, S. 91 ff.
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(als konkrete Text-Text-Beziehung)50 kann in unterschiedlichen Kombinationen von totaler, partieller oder modifizierter Wiedergabe des fremden oder eigenen Bezugtextes bestehen. Der zitierende Autor und der Leser nehmen dabei nicht auf den Referenztext selbst Bezug, sondern auf eine Interpretation der zitierten Vorlage. Holthuis berücksichtigt auch die selten beachtete Rezipientenrolle beim Erkennen und Interpretieren intertextueller Bezugnahmen. Intertextualität entsteht in einem sinnproduzierenden Prozess, das heißt im Zusammenspiel der intertextuellen Disposition des Textes und den Textverarbeitungsstrategien des Rezipienten, die von seinem intertextuellen Wissen abhängig sind.51 Auch diese in der Hauptsache an literarischen und anderen Texten orientierten Ansätze und Kategorisierungen sind für den Gegenstand nicht-sprachlicher Zitate nicht zielführend. Einen Schwerpunkt innerhalb der intertextuellen Zitatforschung bildet die Untersuchung von Markierungsformen. Zwei Aspekte sind relevant: erstens die Frage, ob Markierungen von Zitaten notwendig sind und zweitens wie Markierungen klassifiziert werden können. Linguistische Studien, die sich mit Anführungszeichen als formale Marker für zitierende Bezüge in Texten beschäftigen, stufen diese Indikatoren weder als notwendig noch als hinreichend für ein Zitat ein.52 Auch in der Intertextualitätsdebatte gelten Markierungen intertextueller Einheiten nicht als zwingend; sie stellen vielmehr fakultative Ergänzungen dar, die der Zitatproduzent mit bestimmten Absichten einsetzt.53 Konsens besteht in der intertextuellen Markierungsforschung darüber, zwischen markierten und unmarkierten Einheiten zu differenzieren sowie unterschiedliche Grade der Explizitheit anzunehmen. Darüber hinaus liegen heterogene Terminologien und Taxonomien vor, die untereinander nicht kompatibel sind.54 Da Markierungen in Texten selten vereinzelt auftreten, sondern meist im Zusammenspiel unterschiedlicher Markierungsarten, systematisiert Ul-
50 Tegtmeyer kritisiert, dass die referentielle Intertextualität als Kategorie unnötig ist, da sie ein genuines Kennzeichen von Intertextualität bezeichnet. Vgl. Tegtmeyer 1997, S. 59 u. 64. 51 Vgl. Holthuis 1993, S. 215 u. S. 32. 52 Vgl. Brendel/Meibauer/Steinbach 2007, S. 6. 53 Vgl. Broich 1985, S. 32. 54 Vgl. Helbig 1996, S. 17 ff.
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rich Broich Markierungen anhand ihrer Position im Text und setzt diese in Bezug zur Häufigkeit ihres Auftretens und ihrem Explizitheitsgrad.55 Gegen eine solche Einteilung sprechen die unterschiedlichen Konstellationsmöglichkeiten von Deutlichkeitsgrad und Markierungsform in Texten.56 Helbig hingegen untersucht bewusst vom Autor eingesetzte Verfahren der Markierung von Einzeltextreferenzen, ihre Erscheinungsformen und Funktionen. Als Markierung benennt er die explizite, sprachliche oder typographische Kennzeichnung einer intertextuellen Einheit. Generell unterscheidet er das Markierte von der Markierung als Hinweis auf eine ‚intertextuelle Einschreibung‘. Allerdings kann Letztere sowohl dem intertextuellen Textteil hinzugefügt als auch in ihm enthalten sein und durch Kontextualisierung signalhaft wirken.57 Als Instrument der Rezeptionslenkung ermöglicht es die Markierung, interpretatorische Missverständnisse zu vermeiden und eine ‚adäquate‘ Lesart intertextueller Bezüge zu gewährleisten. Dies setzt eine ideale Kommunikationssituation voraus, in der der Leser bereit ist, Aufmerksamkeit zu zeigen und die ihm zugedachte aktive Rezipientenrolle einzunehmen. Jede intertextuelle Einschreibung kann sowohl markiert (implizit oder explizit) als auch unmarkiert auftreten.58 Um verschiedene Markierungen zu unterscheiden, entwirft Helbig eine vierstufige Progressionsskala mit zunehmenden Signalelementen: von der Nullstufe über die Reduktionsstufe und die Vollstufe bis zur Potenzierungsstufe. Entscheidend ist der Deutlichkeitsgrad der Markierung; mit zunehmender Deutlichkeit der Markierung im Laufe der vier Stufen nimmt die Wahrscheinlichkeit des Nichterkennens oder Missverstehens der Intertextualitätserscheinungen ab. Während die Nullstufe eine unmarkierte, nahtlos in den Textkontext eingebundene Intertextualität bezeichnet, ist bei der Reduktionsstufe die Positionierung und Verteilung intertextueller Anteile sowie ihre Kontrastierung mit dem Textkontext relevant. Die Vollstufe als explizites Markieren zeigt sich in onomastischen Markierungen – z.B. dem Wiederauftreten von Figuren –,
55 Vgl. Broich 1985, S. 35 ff. 56 Zur Kritik an Broichs Modell vgl. Helbig 1996, S. 39 f. 57 Vgl. Helbig 1996, S. 52 ff. 58 Im Falle einer Zensurumgehung wird z.B. intendiert nicht markiert und auf die intertextuelle Kompetenz einer eingeweihten Leserschaft gesetzt. Vgl. Helbig 1996, S. 73 ff. u. S. 158.
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sprachlichen Codewechseln oder typographischen Wechseln. Die Potenzierungsstufe schließlich zeichnet sich dadurch aus, dass der Referenztext sprachlich thematisiert oder offen benannt wird.59 Während Helbig die Frage der Markierung, auch mit Blick auf das mediale System Film, mit der nötigen Weite angeht60, sind die meisten intertextuellen Markierungskonzepte zu textbezogen und damit auf Anführungszeichen und ihre Äquivalente ausgerichtet.61 Diese Orientierung an Anführungszeichen impliziert eine Zitatvorstellung des wörtlichen Zitierens, das auf dem Prinzip der doppelten Artikulation der Sprache beruht und in der Suche nach Entsprechungen zur Sprache zu sehr an der Schriftsprach(bild)lichkeit ausgerichtet ist.62 In nicht-sprachlichen Artefakten sind Markierungsformen weder konventionalisiert noch standardisiert wie es Anführungszeichen sind. Für die Betrachtung nicht-sprachlicher Zitatmarkierungen sind Helbigs generelle Aussagen zu Markierungen sowie Posners Ansatz, der Markierungsarten anhand von Codewechseln differenziert, fruchtbar.63 1.1.3 Semiotisch-intertextuelle Studien Im Jahr 1992 erscheinen zwei Hefte der „Zeitschrift für Semiotik“, in denen das Zitat aus semiotischer Perspektive als Spezialfall von Intertextualität in der Sprache, aber auch in unterschiedlichen Künsten untersucht wird.64 Die Beiträge behandeln gängige kulturelle ‚Orte‘ des Zitierens (Text, Lautsprache, Gebärdensprache, Bild, Architektur, Musik, Film, Ballett, Pantomime und Jurisprudenz) und analysieren Formen und Funktionen von Zitaten in verschiedenen medialen Systemen. Ein Schwerpunkt liegt auf den Anführungszeichen äquivalenten Markierungsformen von Zitaten in nicht-
59 Vgl. Helbig 1996, S. 83 ff. 60 Vgl. Helbig 1996, S. 139 ff. 61 Vgl. als Beispiel die Formulierungen bei Posner 1992, S. 5. 62 Vgl. Böhn 1999a, S. 36 ff. Um der Gleichsetzung von schriftsprachlichen und anderen Zitaten zu entgehen, unterscheidet Böhn in Bezug auf Zitate zwischen Zeichensystemen mit doppelter Artikulation und ohne diese. Vgl. Böhn 2001b, S. 56 f. 63 Vgl. dazu Kap. 2.6. 64 Vgl. Posner (Hg.) 1992a; Posner (Hg.) 1992b.
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sprachlichen Medien. Bis dato bieten diese Anthologien den einzigen, disziplinenübergreifenden Zugang zum Zitat sowie einen Überblick über die Forschungslage in den Einzeldisziplinen, obwohl nach wie vor Forschungsdesiderata, besonders in der Theoriebildung zum Zitat, bestehen. Roland Posner liefert hier eine wichtige Differenzierung von Zitattypen auch für das Feld des Nicht-Sprachlichen, indem er eine Typologie der Zitatformen nach der Art ihrer Bezugnahme auf das Zitierte entwirft. Er unterscheidet Ausdrucks-, Äußerungs-, Code- und Figurenzitate, die er auf die in den disziplinären Artikeln besprochenen Zitatbeispiele innerhalb und außerhalb der Sprache anwendet.65 Eine solche dezidiert medienvergleichende Sicht auf das Zitat ist darüber hinaus nur bei Andreas Böhn zu finden, der Formzitate in literarischen Werken, in Film, Fotografie sowie audiovisuellen Medien analysiert.66 Überblickt man die bisher vorgestellten Zugänge zum Phänomen Zitat, so erscheint der intertextuelle Ansatz als das beherrschende Paradigma. Auch in der Bild-, Musik- und Filmwissenschaft sind – wie im Weiteren gezeigt wird – intertextuelle Begriffe und Konzepte zur Beschreibung von Zitaten gebräuchlich. Damit stellt sich die Frage, warum diesem Buch nicht ebenso ein intertextueller Ansatz zugrunde liegt. Dass intertextuelle Herangehensweisen an Bilder oder Musik die disziplinspezifischen Methoden ergänzen und neue Perspektiven aufzeigen können, steht außer Frage. Problematisch für nicht-sprachliche Gegenstände ist allerdings die grundlegende Textgebundenheit. So besteht die Gefahr einer Homogenisierung des Untersuchungsgegenstandes sowie einer prototypischen Ausrichtung an schriftspezifischen Eigenheiten. Zudem setzt die Anwendung intertextueller Ansätze außerhalb der Sprache einen sehr weiten Textbegriff voraus, der Kultur in seiner Gesamtheit als Text auffasst.67 Dementsprechend beschreibt z.B. Moritz Baßler im Rekurs auf den Ansatz des New Historicism, wie Historisches nur in textlichen Manifestationen zugänglich ist. Im weiteren Sinne „zählen auch kulturelle representations wie Bilder, Karten, Musik, Architektur, Fotografien und andere überlieferte Zeugnisse dazu. Alles, was sowohl gespeichert als auch lesbar, das heißt semiotisierbar ist, kann in
65 Vgl. Posner 1992, S. 6 ff. 66 Vgl. Böhn 2001a; Böhn 1999b; Böhn 2001b. 67 Vgl. dazu Bachmann-Medick 2006, S. 58 ff.
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einem weiteren Sinn als Text bezeichnet werden.“68 Die in den kulturwissenschaftlichen Diskursen weithin verbreitete Metapher von ‚Kultur als Text‘ wurde aus zwei Richtungen kritisch hinterfragt. Zum einen sehen verschiedene Autoren die nivellierende Vereinnahmung ‚alles ist Text‘ als schwierig an, zum anderen die fehlende Handlungsorientierung im Kontext des Performative Turn.69 In dem hier verfolgten Ansatz wird eine Sichtweise auf nichtsprachliche Zitate eingenommen, die Mediendifferenzen und Medienspezifika berücksichtigt. Sie steht einem Intertextualitäts- beziehungsweise Kultur-als-Text-Ansatz als theoretischen Überbau entgegen. In diesem Punkt wird Gérard Genette gefolgt, der in seiner Darstellung literarischer Hypertextualität korrespondierende Bezugnahmeverfahren in Malerei und Musik identifiziert, aber diese explizit nicht mit einer Texttypologie belegen will. „Die Materialien und die Techniken, die sich transformieren und imitieren lassen, sind nicht die gleichen, zwischen den Werken bestehen mitunter grundlegende Unterschiede hinsichtlich ihrer Seins- und Rezeptionsweise und hinsichtlich ihres 70
ontologischen Status“.
Aus linguistischer Sicht kommt auch Konrad Ehlich in der Frage, ob Bilder Texte seien, zu einem negativen Ergebnis: „Bilder und Texte nutzen und entfalten semantische Potentiale. Diese sind jedoch semantische Potentiale je eigener Art.“71 Über inhaltlichen Einwände hinaus sind forschungspraktische Gründe gegen eine Textzentriertheit und Orientierung an der Intertextualität anzuführen. Vertritt man eine breite Auffassung von Intertextualität wie Kristeva, dann ist jeder Text zitathaft und im Sinne des Forschungsinteresses einer Modellbildung eine Eingrenzung zitierender Bezüge nicht mehr möglich. Folgt man einer engen Konzeption von Intertextualität, so sind damit nur Einzeltextreferenzen zu analysieren. Ich betrachte Zitate jedoch sowohl in ihrem Bezug auf einzelne Vorlagen als auch auf
68 Baßler 2002, S. 299, Hervorhebung im Original. 69 Vgl. Engelke 2007, S. 119; Krämer/Bredekamp 2009, S. 11 ff. 70 Genette 1993, S. 523. 71 Ehlich 2007, S. 615.
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ihre Systemreferenzen, z.B. im Rahmen eines Codezitats.72 Zudem umfasst der Begriff ‚Intertextualität‘ inhaltliche und formale Referenzen ebenso wie generelle und konkrete textuelle Bezugnahmen.73 Der Terminus wurde so flächendeckend und heterogen verwendet, dass seine Extension unklar und seine Abgrenzung schwierig ist. Wird hier auf die Intertextualität als Rahmenkonzept verzichtet, so zieht der vorliegende Forschungsansatz doch bestimmte Erkenntnisse intertextueller Forschung zur Theoriebildung heran. Dazu zählen Posners Kategorisierungen von Zitatarten sowie die Erweiterung durch Böhn, die aufgrund ihres zeichensystemoffenen Zugangs auch nicht-sprachliche Artefakte erfassen können.
1.2 Z ITATE
IN ANDEREN MEDIALEN
S YSTEMEN
1.2.1 Sprach-, Bild- und Musikzitat in der Symboltheorie Nelson Goodman nimmt in seiner Symboltheorie ähnlich wie Posner eine Mediengrenzen überschreitende Sicht auf Zitate ein. In seinem Werk „Weisen der Welterzeugung“ stellt Goodman die Frage, wie Bedingungen für nicht-sprachliches Zitieren aussehen könnten, und betrachtet vergleichend Zitate in Sprache, Bildern und Musik.74 Dabei geht er von Schriftzitaten in den zwei Formen direktes/wörtliches und indirektes Zitat aus und stellt zwei notwendige, aber nicht hinreichende Kriterien sprachlichen Zitierens auf: erstens das Enthaltensein und zweitens die Bezugnahme. Ein Zitat ist gekennzeichnet durch das Enthaltensein des Zitierten im Zitat. Im Fall des direkten Zitats handelt es sich um eine syntaktische Replikation; im Fall des indirekten Zitats liegt eine semantische Paraphrase des
72 Mit dem Argument der Systemreferenz, die mit einem engen Intertextualitätsbegriff nicht erfassbar ist, verortet auch Böhn seine Untersuchung von Formzitaten außerhalb des Intertextualitätskontextes. Vgl. Böhn 1999a, S. 22. 73 Vgl. Fix 2000, S. 449. 74 Vgl. Goodman 1990, S. 59 ff.
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Zitierten vor. Zitierbar sind alle schriftsprachlichen Ebenen – vom Buchstaben bis zum Satz.75 Das Zitat nimmt weiterhin mittels einer Benennung oder Prädikation auf das Zitierte Bezug in Form einer Denotation. Die Denotation bezeichnet „jegliche Etikettierung, jegliche Anwendung eines Symbols irgendeiner Art auf einen Gegenstand, ein Ereignis oder einen anderen seiner Einzelfälle.“76 Goodman überträgt seine beiden aufgestellten sprachlichen Zitatkriterien auf Zitatvorkommnisse in Bildern und in der Musik und stellt dabei fest, dass im Bereich der Musik zur Bezugnahme kein Äquivalent vorhanden ist und im Bereich des Bildes keines zum Enthaltensein. In der Musik ermöglicht das Notationssystem nach westlichem Standard die Replikation des direkten Zitats, so dass die Bedingung des Enthaltenseins des Zitierten gegeben ist. Konventionalisierte Anführungszeichen als Bezugnahme sind nicht vorhanden, allerdings können Markierungen wie Pausen und besondere Betonungen ein Zitat ähnlich wie im Gesprochenen anzeigen. Ein indirektes Musikzitat indes scheitert an dem Kriterium der Paraphrase, da Musik gemäß Goodman selten eine Denotation besitzt. Auch eine musikalische Variation kann nicht als Paraphrase gelten, da es sich um eine syntaktisch motivierte Beziehung zu einem Musikwerk handelt – keine semantische Relation, wie es die Paraphrase verlangen würde. Beim Bildzitat ergibt sich das Problem des Enthaltenseins des Zitierten: Da das Bild als autographische Kunst kein Alphabet besitzt und syntaktisch dicht ist, stellt sich die Frage, was einer Replikation im Bild entsprechen könnte. Replikationen können zwar unterschiedlich ausgestaltet sein, sind aber durch die identische Repetition der Buchstabenkombination gekennzeichnet. Letztere ist im System einzigartig vorliegender Bildsymbole nicht vorhanden; auch die Kopie entspricht nicht einer solchen Repetition.77 Jakob Steinbrenner kommt, im Rückgriff auf Überlegungen von Tarski und Davidson, zu dem Schluss, dass der Zitatbegriff in syntaktischer Hinsicht sinnvollerweise nicht auf die Domäne des Bildes übertragen werden kann. Auf der Ebene der Semantik könnten hingegen, wie er einräumt, Merkmalsähnlichkeiten von sprachlichen und bildlichen Zitaten bestehen.
75 Auf der Ebene der Buchstaben kann es kein indirektes Zitat geben, da keine semantische Paraphrase möglich ist. 76 Goodman/Elgin 1993, S. 52. 77 Vgl. Goodman 1990, S. 59 ff.
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Er lehnt den Begriff des Zitats für Bilder deswegen ab, weil keine Merkmalsentsprechungen zu sprachlichen Zitaten im Bereich des Bildes vorliegen. Zum einen bleibt offen, welche Merkmale ein Bild als solches auszeichnen und nach welchen Regeln Bilder in Bildern abgebildet werden. Zum anderen existiert in der Forschung keine Übereinstimmung in der Frage, ob es atomare, identifizierbare Bildzeichen gibt und wie diese zu Zeichenkombinationen zusammengesetzt sind; wie also eine Bildgrammatik zu denken wäre. Da im Bild das Buchstabieren nicht möglich ist, fehlt die syntaktische Überprüfungsmöglichkeit, ob Zitiertes und Zitat einander im Typ entsprechen.78 Für den Fall architektonischer Zitate diskutiert Christoph Baumberger Goodmans Zitatkriterien. Dabei konstatiert er, dass in der Architektur beide Zitatbedingungen nicht erfüllt sind. Die Bezugnahme als Denotation ist nicht gegeben, da Bauwerke meistens nicht denotieren – wenn, dann nur in einem erweiterten Sinn von Denotation. Das Enthaltensein in Form der Replikation scheitert an dem syntaktisch dichten System von Bauwerken, in dem Gebäude in der Regel nicht als Einzelfälle eines Charakters fungieren. Das indirekte Zitat als Paraphrase ist in der Hauptsache auf die Denotation angewiesen, die in der Architektur jedoch selten vorliegt.79 Demzufolge favorisieren sowohl Baumberger als auch Steinbrenner anstatt des Zitatbegriffs den Begriff der Anspielung, da sie eine unspezifischere Form der Bezugnahme darstellt, die lediglich manche Eigenschaften des Zitierten exemplifiziert.80 Auch wenn sich Goodman zum speziellen Fall des Zitierens in der Architektur und damit zum Gegenstand dieses Buches nicht äußert81, sind seine symboltheoretischen Überlegungen eine der wenigen theoretischen Reflexionen zu nicht-sprachlichen Zitatformen, die aus einer vergleichen-
78 Vgl. Steinbrenner 1999; Steinbrenner 2004, S. 217 ff. 79 Vgl. Baumberger 2010, S. 434 ff. 80 Vgl. Steinbrenner 2004, S. 221; Baumberger 2010, S. 435. Die Exemplifikation verläuft im Vergleich zur Denotation in umgekehrter Richtung, nämlich vom „Symbol zu bestimmten Etiketten, die auf es oder auf von ihm besessene Eigenschaften zutreffen“. Goodman/Elgin 1993, S. 55. 81 An anderer Stelle beschäftigt sich Goodman mit generellen Kennzeichen des Symbolsystems Architektur. Vgl. Goodman 1984; Goodman 1997, S. 204 ff.; Goodman/Elgin 1993, S. 49 ff.
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den Perspektive heraus Merkmale von Zitaten in unterschiedlichen Symbolsystemen thematisieren. Er diskutiert sowohl Zitate innerhalb von Bildern und Musikwerken als auch Möglichkeiten des wechselseitigen Zitierens von Sprache und Bild sowie Musik und Bild.82 Sein Ansatz ist in der Zitatforschung nur wenig rezipiert worden.83 Für die Modellbildung in diesem Buch stellt seine Konzeption von Zitatbedingungen eine wichtige theoretische Grundlage dar, die im Theorieteil in Grundzügen, aber nicht in allen Implikationen eines symboltheoretischen Zugangs aufgegriffen wird, da das Modell einen pragmatischen, prozess- und rezeptionsorientierten Ansatz zum nicht-sprachlichen Zitieren verfolgt.84 1.2.2 Bildzitat Einen gänzlich anderen Zugang zum Bildzitat als in der Symboltheorie zeigen kunsthistorische und bildwissenschaftliche Untersuchungen. Hier steht das Bildzitat neben anderen Bildbeziehungen – etwa das Bild im Bild85, die Parodie, Hommage, Allusion, Variation, Kopie und ähnliches. Diese Begriffsvielfalt hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass das Phänomen bildlicher Bezugnahmen in der gesamten Kunstgeschichte vertreten ist und seine Erscheinungsformen beständig Gegenstand der Forschung waren und gegenwärtig noch sind.86 Analysen von Bildzitaten in Kunstwerken, ihrer Funktionen und Wirkungen finden meist bezogen auf eine Epoche – z.B. die Bild-im-Bild-Verfahren in der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts87 oder die Zitattechniken im 20. Jahrhundert88 – oder mit Fokus auf
82 Vgl. Goodman 1990, S. 73 ff. 83 Vgl. z.B. Böhn 2001a, S. 33 ff.; Schmidt 1992, S. 116 ff.; Baumberger 2010, S. 433 ff. Zum möglichen Nutzen der goodmanschen Unterscheidung von Referenzformen als Bestandteile einer homogenen Beschreibungssprache für die Bildwissenschaften vgl. Birk 2012. 84 Vgl. Kap. 2.4. 85 Vgl. Kemp 1995; Asemissen/Schweikhart 1994, S. 216 ff. 86 Vgl. Rosen 2003, S. 161 f. Vgl. zu der folgenden Darstellung auch Ullrich 2013. 87 Vgl. Hammer-Tugendhat 2001, S. 143 ff. Vgl. als Interpretation der zitierenden Bezugnahme zwischen den Gemälden Gerard Ter Borchs, Caspar Netschers und Samuel van Hoogstraten auch Jäger 2012, S. 32 ff. 88 Vgl. z.B. Belting 1998; Schmidt 2000; Zuschlag 2002.
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das Werk einzelner Künstler – z.B. Bildzitate bei Jan Vermeer89 oder bei David Hockney90 – statt. Christoph Zuschlag betrachtet die Bezugnahmeverfahren in der Kunst des 20. Jahrhunderts und beschreibt das Zitat in Differenz zur Paraphrase. Während ein Zitat sozusagen inhaltliche Ausschnitte aus einer Vorlage vornimmt und einzelne Elemente in einen neuen Bildkontext stellt, unterzieht die Paraphrase das Vorbild als Ganzes einer Veränderung und versieht es mit einer neuen Bildvorstellung.91 Zitat und Paraphrase sind „kritisch reflektierte, also nicht von einem stilistischen Nachahmungsanliegen motivierte, sondern im Bewusstsein der historischen Distanz (und häufig auch der medialen Differenz) erfolgende Rückgriffe auf ein kunstgeschichtliches Vorbild oder mehrere kunstgeschichtliche Vorbilder.“92 Zuschlag verwendet diese beiden Begriffe als Hyperonyme für alle weiteren bildlichen Bezugnahmen, die besonders die Kunst des 20. Jahrhunderts in ihrem charakteristischen Rekurs auf die Kunstgeschichte auszeichnen. Das Zitat als Verweis auf konkrete Kunstwerke unterscheidet sich von dem Phänomen der Metakunst, das ab den 1960er Jahren auftritt. ‚Metakunst‘ referiert nicht auf ein spezifisches Bild, sondern in einem erweiterten Sinne entweder auf die Institution Kunst, auf einen Topos oder thematisiert auf einer selbstreflexiven Metaebene Kunst an sich.93 Darunter ist auch die Appropriation Art als Kunst über Kunst einzuordnen.94 Hans Belting prägt den Begriff der Zitatkunst als qualitativ neue Kunstform der zeitgenössischen Kunst: „Werke, die nicht mehr geschaffen werden können, lassen sich nur noch zitieren. […] Nicht nur werden einzelne Werke wie Namen der Erinnerung zitiert: Sie stehen auch für einen Werkbegriff ein, an den sie nur noch erinnern.“95 Die Mannigfaltigkeit der Bildrelationen und ihrer Bezeichnungen gehen, wie Christoph Zuschlag moniert, mit einer uneinheitlichen Begriffsverwendung in der kunsthistorischen Literatur einher. Weder liegt eine
89 Vgl. Hammer-Tugendhat 2009. 90 Vgl. Schumacher 2003. 91 Vgl. Zuschlag 2002, S. 172. 92 Zuschlag 2002, S. 171 f. 93 Vgl. Zuschlag 2002, S. 176 f. 94 Vgl. Römer 2001, S. 91 ff. 95 Belting 1998, S. 469.
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konsensuelle theoretische Bestimmung des Bildzitats vor noch ein einheitliches Kategoriensystem zur Analyse unterschiedlicher visueller Verweistechniken. Dabei gibt er zu bedenken, dass, so wünschenswert in dieser Debatte ein epochen- und gattungsübergreifender Theoriebau auch wäre, unklar ist, ob dieser dem Wandel von Bildbegriffen und Kunstdiskursen im Laufe der Kunstgeschichte gerecht werden könnte.96 Angesichts dieser Problematik scheint es umso wichtiger, ein übergreifendes theoretisches Instrumentarium zur Beschreibung nicht-sprachlicher Zitate zu entwickeln, das in weiteren Arbeiten epochenspezifisch, hinsichtlich spezieller Merkmale, ausgearbeitet werden kann. Neben den traditionellen kunsthistorischen Arbeiten zu Bildzitaten existieren auch intertextuell geprägte Studien. Dabei sind verschiedene Ausprägungen eines konzeptuellen Transfers festzustellen: Einerseits übertragen bildwissenschaftliche Arbeiten den Begriff der Intertextualität direkt auf das mediale System Bild, da entweder explizit textähnliche Strukturen von Bild-Bild-Bezügen – etwa die intertextuelle Metamalerei97 – untersucht werden sollen, oder sich bildspezifischere Begriffe noch nicht genügend durchgesetzt haben.98 Andererseits werden Vokabular, Methoden und Konzepte der Intertextualitätsforschung für den Objektbereich des Bildes adaptiert, unter anderem in der grundlegenden intertextuellen Einsicht, dass Bilder stets im Kontext anderer Bilder entstehen und wirken.99 Mit Neologismen wie Interbildlichkeit, Interpikturalität oder Interikonizität versucht man, den Besonderheiten des Gegenstandes ‚Bild‘ Rechnung zu tragen. Die ‚Interbildlichkeit‘ bezeichnet zum einen Beziehungen und Bildreflexionen im medialen System Bild und zum anderen eine literarische Interbildlichkeit. Letztere ist gekennzeichnet durch eine im übertragenen Sinn vorhandene Bildlichkeit der Sprache im Text, z.B. Sprachbilder.100 Unter dem Stichwort ‚Interpikturalität‘ werden Beziehungen zwischen Bildern betrachtet, die in terminologischen Übernahmen aus der Sprachund Literaturwissenschaft als Zitat oder Allusion benannt werden. In Analogie zur Sprache stehen Markierungen von Bildbezügen oder auch ver-
96
Vgl. Zuschlag 2006, S. 95 f.
97
Vgl. Stoichita 1998.
98
Vgl. Rose 2006, S. 60.
99
Vgl. Rosen 2003, S. 161 f.
100 Vgl. Rose 2006.
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schiedene Deutlichkeitsgrade von Referenzen zur Diskussion. Rosen weist darauf hin, dass die Extension der entlehnten Begriffe nicht geklärt ist; ebenso unbestimmt ist, in welcher Hinsicht Übernahmen (etwa auf motivischer oder figurativer Ebene) stattfinden. Der Interpikturalitätsdiskurs unterscheidet sich von der traditionellen Quellenforschung der Kunstgeschichte dahingehend, dass Letztere versucht, Einflüsse in Kunstwerken nachzuvollziehen und Beziehungslinien abzubilden, während der Interpikturalitätsansatz die sinnproduzierenden Funktionen von Bildbezügen in Kunstwerken fokussiert.101 Unter dem Begriff der ‚Interikonizität‘ entwirft Zuschlag ein mehrdimensionales Modell, das sowohl eine Typologie der interikonischen Bezugnahmen nach formalen und inhaltlichen Einteilungen als auch die funktionalen und historischen Bedingungen von Bildwerken berücksichtigt. Die Vorgehensweise soll eine differenzierte Beschreibung der einzelnen Bezugnahmen ermöglichen. Bei der Übertragung des Intertextualitätsvokabulars vom Medium des Textes auf Objekte der Kunst sind Aspekte wie das Wechselverhältnis von bildlichem Prätext und Posttext oder auch der Nutzen einer Übernahme von Schriftkategorien wie ‚Einzeltextreferenz‘, ‚System-‚ oder ‚Gattungsreferenz‘ zu diskutieren. Das Postulat einer Interikonizität ist bisher nur in Ansätzen umgesetzt.102 In der Frage, wie textbasierte Kategorien auf bildliche Spezifika anzupassen sind, bestehen noch keine Lösungsvorschläge. Kritisiert wird an dem Interikonizitätskonzept, dass es auf rein bildliche Relationen ausgerichtet ist. Bildverweise bedürfen jedoch stets sprachlicher Vermittlung und Bedeutungsstiftung, so dass Interikonizität auf sprachliche Intertextualität angewiesen und mit dieser verbunden ist.103 Da im Folgenden eine medienübergreifende Perspektive vertreten wird, ist der Interikonizitätsansatz zu sehr auf das Bildsystem ausgerichtet, ohne Bezüge zu anderen Systemen mit einzubeziehen. Zudem ist das Modell einerseits zu breit angelegt, um Charakteristika des Zitats zu erfassen, und andererseits noch zu vage in der Bestimmung relevanter Kategorien für interikonische Relationen.
101 Vgl. Rosen 2003, S. 162. 102 Vgl. Zuschlag 2006; eine Anwendung findet sich bei Gamer 2007. 103 Vgl. Wagner 2006, S. 221.
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1.2.3 Architekturzitat In der baugeschichtlichen Forschung zum Zitieren sind keine Übertragungen intertextueller Ansätze wie in der Bildwissenschaft zu finden. Das Zitieren spielt allerdings in der Architekturgeschichte ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Untersuchung morphologischer Ähnlichkeiten und Beziehungen zwischen Bauten ist grundlegende Methode einer Architekturhistoriographie, die beispielsweise zeitliche oder geographische Genesen von Bauformen analysiert.104 Insbesondere Hans-Joachim Kunst sowie Dieter Kimpel und Robert Suckale greifen den Terminus ‚Zitat‘ für die Baukunst des Mittelalters auf,105 da sie mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger106 als Teil einer Ikonologie der Architektur auffassen. So untersucht Kunst das Spannungsverhältnis zwischen Zitat als Formrezeption und Forminnovation an Bauwerken des 13. Jahrhunderts.107 „Die Voraussetzung für Kopie wie Zitat ist das Bedürfnis mittelalterlicher Bauherren, sich an traditionsgeheiligte Vorbilder anzulehnen.“108 Weitere architekturhistorische Schwerpunkte in der Erforschung von Zitaten liegen in der Epoche des Historismus109 mit seiner Verwendung verschiedene Baustile sowie in der Postmoderne als eklektizistischem Baustil110 mit einem häufig ironisch eingesetzten Verweisspiel auf die Architekturgeschichte. Untersucht werden sowohl epochenspezifische Zitiertechniken und Zitatformen als auch Bezugnahmen auf das Werk einzelner Architekten.111 Leitinteresse in der Bauforschung ist es, die Motive des Zitierens und des Anknüpfens an bestimmte Bedeutungsgehalte eines architektonischen Vorbilds sowie seine semantischen, etwa politisch-gesellschaftlichen oder
104 Vgl. Freigang 2010, S. 15. 105 Vgl. Kunst 1981; Kimpel/Suckale 1985. 106 So der Titel einer einflussreichen Monographie: Bandmann 1979. 107 Vgl. Kunst 1981, S. 88. Vgl. zu Architekturzitaten der Kathedrale in Clermont-Ferrand in umliegenden romanischen Kirchen: Vinken 1997, S. 133 ff. 108 Kimpel/Suckale 1985, S. 103. 109 Vgl. Haiko/Reissberger 1989; Arburg 2008, S. 261 ff. u. S. 319 ff. 110 Vgl. Schwarz 1988; Dreyer 1992. 111 Zu Zitaten in der Architektur von Charlotte Frank und Axel Schultes vgl. Dreyer 2001. Zu Zitaten bei Peter Zumthor vgl. Greub 2012.
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religiösen Implikationen zu rekonstruieren.112 Wolfgang Augustyn und Ulrich Söding nehmen auf den Ursprung des Zitierens als ein literarisches und wissenschaftspraktisches Verfahren Bezug und bezeichnen mit dem Begriff ‚Zitat‘ formale, motivische und gestaltbezogene Übernahmen eines Bauwerkes in Teilen, die in einen neuen Kontext gestellt werden. Entscheidend sind zwei Kennzeichen: die „partielle Übereinstimmung in der äußeren Erscheinung“113, die das Zitat von Techniken des Kopierens, Reproduzierens und Fälschens trennt, sowie die genaue Übernahme, die im Gegensatz zu einer freien Aneignung steht. Das Zitat wird folglich als kleinteiligere Bezugnahmeform als die Kopie begriffen, die sich auf größere Bauzusammenhänge bezieht.114 Auch in der Baugeschichtsforschung erweisen sich die Vielfalt der Abstufungen und die fließenden Übergänge zwischen Kopie, Zitat und Anspielung als theoretisch schwierig.115 Die Frage, was im Zitat wiederholt wird, ist nicht abschließend geklärt – wie also morphologische Ähnlichkeit oder Identität zu definieren ist. Morphologische Ähnlichkeit variiert zudem mit den epochenspezifischen Vorstellungen von Architektur: Eine Bezugnahme in mittelalterlichen Bauwerken muss nicht unbedingt über eine Wiederholung im Detail erfolgen, sondern kann auch auf grundlegenden typologischen Konstellationen beruhen.116 Im Mittelalter benötigt eine Architekturkopie nur eine prinzipielle Ähnlichkeit mit dem Vorbildbau, um als Bezugnahme auf die meist religiöse Bedeutung des Vorbilds zu gelten. Die vage Ähnlichkeit in bestimmten Grundzügen und die damit verbundenen Vergleichsprinzipien erschließen sich dem heutigen Blick kaum mehr als Architekturkopie.117 In der Folgezeit entwickelt sich ein Trend, der Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts darin mündet, Architekturkopien nur noch an der exakten Wiedergabe der Form zu messen. Die ursprüngliche
112 Vgl. zum Anknüpfen an politisch-gesellschaftliche Bedeutungen in der mittelalterlichen Baukunst exemplarisch Schurr 2010. 113 Augustyn/Söding 2010, S. 7. 114 Vgl. Freigang 2010, S. 17. 115 Vgl. Kimpel/Suckale 1985, S. 103. 116 Vgl. Freigang 2010, S. 15. 117 Vgl. Krautheimer 1988, S. 143 ff. Vgl. als Beispiel die mittelalterlichen Kopien des Heiligen Grabes in Jerusalem: Pieper/Naujokat/Kappler 2003, S. 29 ff.
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Bedeutung des Bauwerks, die im Mittelalter noch eine zentrale Funktion einnimmt, tritt damit in den Hintergrund.118 Neben architekturhistorischen Studien zum Zitat existiert auch ein semiotischer Ansatz. Claus Dreyer untersucht Zitatphänomene und ihre semantischen Wirkungen in der zeitgenössischen Architektur und unterscheidet zunächst zwischen wörtlichen und indirekten Zitaten. Darauf aufbauend teilt er architektonische Zitate danach ein, welches System zitiert wird: Architektur, Natur oder Kunst. Dreyer differenziert danach, auf was konkret Bezug genommen wird im Zitat, etwa auf ein Motiv, ein Material usw.119 Damit legt er eine systematische Betrachtung von Zitaten in der Architektur vor, die in dieser Form singulär ist und an die hier angeknüpft wird. Allerdings wird im Weiteren eine Verfahrensperspektive eingenommen, die auf einer allgemeineren Ebene ansetzt. Daraus folgt eine anders gelagerte Einteilung von Zitatarten.120 Aus der Richtung der analytischen Philosophie fragt Baumberger danach, inwiefern Bauwerke bedeuten können, und entwirft eine an Goodman anschließende Symboltheorie der Architektur. In diesem Zusammenhang behandelt er auch das architektonische Zitat. Da die goodmanschen Kriterien Bezugnahme und Enthaltensein nur schwer auf architektonische Zitate übertragbar sind, schlägt Baumberger vor, den Begriff Zitat bis auf Spezialfälle durch die weiter gefasste goodmansche Bezugnahmeform der Anspielung zu ersetzen.121 Für die verfolgte Forschungsfrage ist die Symboltheorie nach Baumberger zu architekturspezifisch, um medienübergreifend und pragmatisch ausgerichtet Klassifizierungen nicht-sprachlicher Zitate zu erstellen. 1.2.4 Musikzitat Vergleicht man die Erforschung bildlicher, architektonischer und musikalischer Bezugnahmen, so zeigt sich eine ähnliche Problematik, nämlich den Begriff des Zitats von anderen Formen des Verweisens abzugrenzen. Wie
118 Vgl. Krautheimer 1988, S. 164 f. 119 Vgl. Dreyer 1992. 120 Zum architektonischen Zitieren und zum Verhältnis des entwickelten Modells zur architekturtheoretischen Forschung vgl. Kap. 4, besonders auch Kap. 4.8. 121 Vgl. Baumberger 2010, S. 433 ff.
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in der Kunst- und Architekturgeschichte ist auch das Verfahren des Zitierens in der Musikhistorie schon sehr viel länger gebräuchlich (z.B. in Trauer- und Huldigungswerken des 15. Jahrhunderts) als die wissenschaftliche Verwendung des Begriffs Zitat, der erst im 20. Jahrhundert im Zuge des Zitierens als kompositorischer Praxis diskutiert wird.122 Musikgeschichtlich ist im Kontext des musikalischen Historismus, mit dem aufkommenden Interesse an älterer Musik und der Herausbildung eines Kanons klassischer Musik, eine explizite Auseinandersetzung mit musikalischen Zitaten auf Seiten der Komponisten, aber auch der Hörer zu konstatieren.123 Dies hängt auch mit den im ausgehenden 18. Jahrhundert aufkommenden Urheberrechtsfragen und der relevant werdenden Unterscheidung von Zitat- und Plagiatsformen zusammen.124 Während in den 1960er Jahren erste musikwissenschaftliche Arbeiten systematisch an einer Typologie der Zitatformen interessiert waren, lag danach der Schwerpunkt auf Zitatverwendungen im Werk einzelner Komponisten, besonders zeitgenössischer Komponisten wie etwa Karlheinz Stockhausen, Igor Strawinsky oder Alban Berg. Im 20. Jahrhundert kommen Collage- und Montagetechniken auf, die Vladimir Karbusicky als quantitativ größere Form des Zitierens mit dem Begriff der Zitatfläche bezeichnet. Dazu ist auch die Kombination musikalischer und sprachlicher Zitate in den Kompositionen Bernd Alois Zimmermanns zu zählen.125 Die Collage als Sonderform des Zitierens beschreibt eine Zusammenstellung mehrerer vorliegender Materialien – eine Kompositionstechnik; Montage benennt den technischen Vorgang des Zusammensetzens von Materialien.126 Gernot Gruber unterscheidet in Anlehnung an Oraić Tolić zwischen einem konkreten Zitat und einer allgemeinen Zitathaftigkeit von Kompositionen – etwa im Werk Mozarts.127 Der Begriff der Zitat-Landschaft bezeichnet demgegenüber den Umstand, dass im 20.
122 Vgl. Gruber 1998, Sp. 2401 ff. Zu diesem Kapitel vgl. Ullrich 2006, S. 100 ff. 123 Vgl. Karbusicky 1992, S. 62; Lissa 1970, S. 689. 124 Vgl. Gruber 1998, Sp. 2402. 125 Vgl. Karbusicky 1992, S. 61 ff. Zur Collage und Montage vgl. z.B. Möbius 2000. 126 Auch in diesem Fall ist eine terminologische Differenzierung schwierig. Vgl. Fricke 1995, Sp. 937 f. 127 Vgl. Oraić Tolić 1995.
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Jahrhundert aus divergierenden Musikrichtungen heraus immer wieder auf bestimmte musikalische Strukturen zurückgegriffen wird, so beispielsweise auf die Vokalmusik Johann Sebastian Bachs. Grundsätzlich zeichnet sich das musikalische Zitat, das in allen Gattungen zu finden ist, durch Assimilation und Dissimilation aus.128 Gegenstand eines Zitats kann jegliches musikalische oder akustische Produkt sein, „soweit es durch musiksprachliche Gewohnheiten zu determiniertem musikalischem Material geworden ist.“129 So erläutert Zofia Lissa in ihrem grundlegenden Artikel zum musikalischen Zitat, dass die Zuhörer in der Lage sein müssen, das Zitat als solches zu erkennen und den Bezug auf die Zitatquelle im neuen musikalischen Werk zu interpretieren.130 Das Gelingen eines Zitats erfordert nicht nur musikalisches Vorwissen und Interpretationskompetenz auf Seiten des Rezipienten, sondern auch das Können des Komponisten.131 Sowohl die Erkennbarkeit des Zitats als auch die musikalische Vorbildung des Hörers sind historisch variabel und damit schwer zu bestimmen. Hinzu kommt die stets angenommene Intentionalität des Zitierens, die ein analytisches Problem in dem Beziehungsgeflecht zwischen Komponist, Werk, dem historischen oder rezenten Hörer sowie seinen Zitatannahmen darstellt.132 Lissa nennt insgesamt 13 Kriterien für ein musikalisches Zitat. Dazu gehören unter anderem der Fragmentcharakter des Zitats, das aber dennoch eine erkennbare, prägnante Form, eine charakteristische Klangstruktur und Geschlossenheit aufweisen muss, seine Funktion des pars pro toto sowie sein Wirken im neuen Zusammenhang und ebenso auf das Antefactum, aus dem es stammt. Als Markierungsformen für musikalische Zitate werden sprachliche Benennungen, Hervorhebungen mittels Handlung auf der Bühne, Pausen, stilistische Kontraste oder eine besonders stark ausgeprägte Direktheit des musikalischen Zitats genannt. Zu den ästhetischen Funktionen des Musikzitats zählt die Symbolfunktion, die Kommentar- oder Ironiefunktion.133
128 Vgl. Gruber 1998, Sp. 2403 ff. u. Sp. 2411. 129 Fricke 1995, Sp. 938. 130 Vgl. Lissa 1970, S. 675. 131 Vgl. Fricke 1995, Sp. 938. 132 Vgl. Gruber 1998, Sp. 2404. 133 Vgl. Lissa 1970, S. 675 ff.
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Um unterschiedliche Erscheinungsformen von Zitaten zu erfassen, entwirft Karbusicky ein Schema mit drei Achsen, bestehend aus A) dem Umfang des Zitats, B) dem Grad der Semantisierung als Skala von der direkten Wiedergabe eines musikalischen Vorbilds bis hin zu Formen der semantischen Metamorphose (z.B. Parodie, Kontrafaktur) sowie C) der Deutlichkeit des Zitats. Die Skala reicht von der ersichtlichen Dissimilation bis zu unterschiedlichen Integrationsarten in den neuen Kontext. Mögliche musikalische Erscheinungsformen sind hierbei Stilzitate oder auch verdeckte Zitate, um beispielsweise eine politische Zensur zu umgehen.134 Die Erkennbarkeit eines Zitats setzt eine prägnante Form voraus, die auf der Produktionsseite mit einer „Schriftlichkeit des Komponierens“135 einhergeht. Bisweilen ist auch auf der Rezeptionsseite eine Auseinandersetzung mit der Partitur erforderlich, um Zitate zu identifizieren, beispielsweise bei Madrigalwerken des 16. Jahrhunderts, in denen sich die Zitathaftigkeit nicht im Akt des Hörens erschließt.136 Insofern die Partitur als Text aufgefasst wird, kommt auch in musikwissenschaftlichen Zitatuntersuchungen der Leitbegriff der Intertextualität zum Einsatz. Matthias Tischer greift auf das Konzept der Intertextualität zurück, um jenseits des engen Begriffsrahmens des Zitats und seiner definitorischen Probleme verschiedene Bezüge in den Werken des Komponisten Paul Dessau zu beschreiben. In der Ausdehnung des Textbegriffs auf die Musik sieht Tischer die Möglichkeit, auch Klangphänomene zu erfassen und das Zitat im Kontext anderer Verweisarten unter dem Stichwort einer ‚Musik über Musik‘ einzuordnen. Ähnlich wie in der Kunstgeschichte wird auch in der Musikgeschichte der Gewinn intertextueller Herangehensweisen in einer anderen Schwerpunktsetzung gesehen. Die traditionelle Zitatforschung betrieb Quellenstudien und richtete den Analyseblick unidirektional in die Musikhistorie. Die intertextuelle Herangehensweise einer Musik über Musik hingegen lässt Analysen von Wechselbeziehungen zu.137 Intertextuelle Ansätze erweitern gängige musikwissenschaftliche Interpretationsmodelle und ermöglichen es, sowohl das spezifische Zitatvorkommnis in seinem historischen Zu-
134 Vgl. Karbusicky 1992, S. 66. 135 Gruber 1998, Sp. 2403. 136 Vgl. Gruber 1998, Sp. 2408. 137 Vgl. Tischer 2009, S. 125 ff.
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sammenhang zu betrachten als auch Ähnlichkeiten und Kontraste diachron herauszuarbeiten. Da der Begriff des Werkes zu sehr auf eine statische Abgeschlossenheit abzielt und der Terminus des Einflusses in der Musikgeschichtsschreibung eher allgemeine Formen der Bezugnahme benennt, eröffnet im Gegensatz dazu das Konzept der Intertextualität neue Perspektiven, werkinterne Bezüge sowie Beziehungen zwischen Werken der neuen Musik zu beschreiben.138 Diese Hinwendung zur Intertextualität ist auch mit der Tatsache verbunden, dass nur wenig aktuellere musiktheoretische Betrachtungen zum Zitieren vorhanden sind.139 1.2.5 Filmzitat In filmwissenschaftlichen Untersuchungen liegt eine vergleichbare Situation wie in der Analyse von Bild-, Architektur- und Musikzitaten vor. Das filmische Zitat steht im Kontext einer Fülle von Verweisarten, die die gesamte Filmgeschichte durchziehen. Damit ist die Schwierigkeit verbunden, trennscharfe Kategorien zu entwickeln. Zudem existieren bislang nur wenige theoretische Auseinandersetzungen mit dem Filmzitat. Gegenstand filmwissenschaftlicher Forschungen sind z.B. Erscheinungsformen, Funktionen und Gebrauchsmuster des Zitats. Gloria Withalm begreift Zitat und Anspielung als Extrempunkte einer Skala der Abstufungen von Bezugnahmen. Den Begriff des Zitats verwendet Withalm nur für direkte Formen des Zitierens etwa von Filmmaterial oder Filmmusiksequenzen. Als rahmende Markierung eines Zitats kann z.B. ein im Film dargestellter Kinobesuch fungieren. Mit dem Begriff der zitierenden Anspielung bezeichnet Withalm alle schwächeren Formen der Referenz, die dennoch einen engen Bezug zur Vorlage aufweisen müssen. Darunter fällt die visuell zitierende Anspielung, die Einstellungen, Bildkompositionen, Schauplätze, Kostüme usw. einer filmischen Vorlage adaptiert. Zu den Funktionen einer zitierenden Bezugnahme zählen Hommage, Parodie, Ironie und Kommentar, aber ebenso ökonomische Interessen etwa in der Wiederverwertung von aufwendigen Action- oder Naturaufnahmen.140
138 Vgl. Finscher 1998, S. 50 ff. 139 Vgl. Jeschke 1998, S. 512. 140 Vgl. Withalm 1992, S. 201 ff.
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Joan Kristin Bleicher gliedert Filmzitate nach der Art des Zitierens und differenziert Stilzitat, Toposzitat, Schauspielzitat, Figurenzitat und Rollenzitat der Filmgeschichte – ebenso Selbstzitate der Regisseure als Formen der Selbstreferenz im Film.141 Ähnlich wie in der Musik werden im medialen System Film bestimmte Filmelemente als Ikonen der Filmgeschichte und Bestandteil eines kulturellen Gedächtnisses immer wieder zitiert, etwa die Duschszene aus Alfred Hitchcocks Film „Psycho“. Der Film verfügt über zahlreiche Ebenen, in denen zitierende Bezugnahmen auftreten können. Dabei können Filme sowohl als Einheit zitiert werden als auch einzelne Zeichensysteme des Films. Zitierbare Elemente sind z.B. die Sprache (visuell und auditiv), Nonverbales, Kleidung, Maske, Bildaufbau, Kamerabewegung und -position, aber ebenso Artefakte aus Literatur, Musik und bildender Kunst.142 Im postmodernen Film, einem Epochenschwerpunkt in der Zitatforschung, kommen Bezugnahmen auf Elemente der Pop- und Populärkultur, Verweise auf B-Movies, auf Computerspiele, Comics oder Musikvideos hinzu. In diesem Zusammenhang greift die Filmwissenschaft auf den Ansatz der Intertextualität zurück, um die exzessiven Bezugnahmen postmoderner Filme zu beschreiben. Jens Eder identifiziert vier prototypische ästhetische Merkmale des postmodernen Films, zu denen neben der AntiKonventionalität/dekonstruktiven Erzählweise und der Spektakularität/ Ästhetisierung auch die Intertextualität und die Selbstreferentialität gehören. Obwohl diese Merkmale auch auf frühere Filmgenres zutreffen, sind sie in ihrer Kombination charakteristisch für den postmodernen Film.143 Im Umgang mit präexistentem Material der (Film-)Kultur erweist sich der postmoderne Film als hochgradig intertextuell, als „Kino der Zitate“144, das durch die Zitatquantität, aber auch durch die Formenvielfalt und Zielsetzung des Zitierens – besonders relevant sind Ironie- und Kommentarfunktionen – gekennzeichnet ist. Diese Selbstreferentialität des Zitierens wird unterschiedlich bewertet. Einerseits gilt sie als genuines Kennzeichen des Films145, andererseits wird sie als Alleinstellungsmerkmal des postmoder-
141 Vgl. Bleicher 2002, S. 120 ff. 142 Vgl. Withalm 1992, S. 200 ff. 143 Vgl. Eder 2002, S. 12 ff. 144 Felix 1996, S. 408. 145 Vgl. Withalm 1999.
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nen Films betrachtet, der intensive Formen des Selbstbezuges auf stilistischer und narrativer Ebene aufweist.146 Den Umgang mit Verweisen im postmodernen Film bezeichnet Eder als „Doppelcodierung“147, die einen doppelten Zuschauer bedient. Auf der einen Seite konsumiert der Zuschauer das filmische Geschehen auf der Oberfläche. Auf der anderen Seite besteht eine tiefer gehende, referentielle Ebene für das Kennerpublikum, das den ironischen Umgang mit Zitaten erkennt und goutiert.148 Spätestens mit dem Film „Pulp Fiction“, so Burkhard Röwekamps Analyse, ist das Zitatspiel des selbstreflexiven Films im Mainstream-Kino angekommen.149 Mit anderen Worten: Das Spiel mit dem kulturellen Wissen der Zuschauer ist auch für ein Massenpublikum tauglich. Dabei steht die Mannigfaltigkeit zitierender Verweise auf der Produktionsseite ursächlich im Zusammenhang mit der Entwicklung technischer Aufzeichnungssysteme und Verbreitungsmedien, z.B. Video und Internet, die die Filmgeschichte als kulturelles Reservoir in neuer Weise zugänglich und nutzbar machen.150 Die Arbeit mit präexistentem Filmmaterial spielt im Genre des Found Footage Film eine wichtige Rolle, in dem vorhandenes Filmmaterial unterschiedlicher Provenienz neu arrangiert, kontextualisiert und zum Teil verändert wird. Hier besteht eine große Nähe zu künstlerischen Praktiken wie dem Ready-made, der Collage oder der musikalischen Montage.151 Christa Blümlinger benennt diese Rekonfiguration filmischen Materials als „Kino aus zweiter Hand“152. Sind Filme überhaupt zitierbar? Volker Pantenburg unterscheidet diesbezüglich zwei Positionen zum filmischen Zitat. Einerseits lässt sich, angesichts der heutigen Loslösung des Films vom Kinoraum und -erlebnis in Kombination mit den digitalen Bearbeitungsmöglichkeiten des Films sowie
146 Vgl. Bleicher 2002, S. 113. 147 Eder 2002, S. 17. 148 Vgl. Bleicher 2002, S. 113. Das Prinzip der Doppelcodierung postmoderner Artefakte findet sich bereits bei Charles Jencks in seiner Darstellung postmoderner Architektur. Vgl. Jencks 1978, S. 6. 149 Röwekamp 2000, S. 94; Röwekamp 2004, S. 113. 150 Vgl. Bleicher 2002, S. 115. 151 Vgl. Pantenburg 2012, S. 256. 152 Blümlinger 2009.
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der quantitativ neuartigen Verfügbarkeit im Internet, von einer zunehmenden filmischen Zitierbarkeit sprechen. Andererseits schreibt Raymond Bellour zum Konzept ‚Film als Text‘153: „Der Filmtext ist ein unauffindbarer Text, denn er ist nicht zitierbar.“154 In dieser Betrachtungsweise stellt der Film einen Erfahrungsmodus im Dispositiv Kino dar, der nicht zitierbar ist, während er als Artefakt und Material zitationsfähig ist.155
1.3 N ICHT - SPRACHLICHE Z ITATE : E IN F ORSCHUNGSFAZIT Die Annäherung an das Phänomen des Zitats erfolgte zunächst über die Sprache. Syntaktische, semantische und pragmatische Dimensionen des Zitats, der Stellenwert des Zitats in der Sprache sowie Formen und Funktionen des Zitierens und seiner Markierungen aus intertextueller Perspektive wurden diskutiert (Kapitel 1.1). Die Forschung zu nicht-sprachlichen Zitaten in der Kunst- und Baugeschichte, Musik- und Filmwissenschaft (Kapitel 1.2) kann wie folgt zusammengefasst werden: Historisch gesehen hat in allen Künsten zum Ende des 20. Jahrhunderts die Menge zitierender Verweise auch in Abhängigkeit von technischen Entwicklungen (z.B. Reproduktions- und Verdauerungsmöglichkeiten) zugenommen. Damit wird das Zitat in seiner Vielfalt vermehrt zum Gegenstand der Forschung. Die disziplinären Zitatbetrachtungen (zu Bildern, Bauwerken, musikalischen Kompositionen oder Filmen) eint in erster Linie ihr Fokus auf nicht-sprachliche Zitaterscheinungen, die in den meisten Fällen medienimmanent betrachtet werden. Untersuchungen, die komparativ vorgehen und die Breite nichtsprachlicher Zitate berücksichtigen, bilden die Ausnahme.156 Transdisziplinär finden kaum Rezeptionen zitattheoretischer Konzepte statt. Einen Sonderfall stellt das Konzept der Intertextualität dar, das zur Beschreibung verschiedener Bezugnahmen (Bild-, Musik- und Filmzitate) herangezogen wird. Der Mehrwert intertextueller Herangehensweisen gegenüber der traditionellen Quellen- und Einflussforschung wird darin ge-
153 Vgl. zum Textbegriff in der Filmwissenschaft Paech 2002, S. 294 ff. 154 Bellour 1975, zitiert nach Pantenburg 2012, S. 248. 155 Vgl. Pantenburg 2012, S. 254 ff. 156 Vgl. Goodman 1990, S. 59 ff.; Posner 1992.
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sehen, dass der Schwerpunkt auf wechselseitige Bezüge und Sinnkonstruktionen bei Zitierprozessen gelegt werden kann.157 Trotz der Diversität einzelwissenschaftlicher Zitatuntersuchungen lassen sich Übereinstimmungen im Zugang zum Zitat feststellen. Zwei diskursübergreifend bestehende Aspekte sind für den hier verfolgten Fokus relevant: Erstens geht es um einen grundlegenden Sprachbezug im Umgang mit Zitatformen sowie zweitens um einen mehr oder weniger reflektierten Theoriemangel in der Auseinandersetzung mit nicht-sprachlichen Zitaten. (1) Der Bezug zur Sprache: In der Analyse zitierender Bezugnahmen außerhalb der Sprache wird häufig entweder implizit auf ein sprachliches Verständnis von Zitat zurückgegriffen oder ausdrücklich in der Definition des Gegenstandes auf eine Begriffsbestimmung des sprachlichen Zitats rekurriert – z.B. auf die Differenzierung von direktem und indirektem Zitat. So sucht Posner158 in Analogie zur Sprache Anführungszeichen in nichtsprachlichen Medien, Weiler159 betrachtet im Ballett die Körper der Tänzer als mögliche Anführungszeichen und Withalm160 erkennt direkte Zitate im Film. Für die Malerei definieren Augustyn und Söder161 das Zitat im Rückgriff auf sprachliche Definitionen. In der zeitgenössischen Architektur sieht Dreyer direkte und indirekte Zitate.162 Burns spricht metaphorisch von „grammatikalisch richtig eingesetzt[en]“163 Zitaten antiker Gebäude in der Renaissancearchitektur Leon Battista Albertis. Gleichzeitig zur begrifflichen und konzeptionellen Anlehnung an das sprachliche Zitat wird die Differenz visueller, lautlicher oder filmischer Zitatformen zu Textzitaten betont. Beispielsweise grenzt Karbusicky das musikalische Zitat vom sprachlichen wie folgt ab: „Während in der Sprache das Zitat einer einzigen Silbe kaum einen Sinn gibt, ist der Klang allein in
157 Vgl. Rosen 2003; Tischer 2009. 158 Vgl. Posner 1992, S. 9 ff. 159 Vgl. Weiler 1992, S. 226. 160 Vgl. Withalm 1992, S. 202. 161 Vgl. Augustyn/Söder 2010, S. 7. 162 Vgl. Dreyer 1992, S. 44 u. 52. 163 Burns 1999, S. 134. Burns stützt seine Redeweise durch den Hinweis auf Alberti als Autor, der als Verfasser einer italienischen Grammatik seine Texte mit großem Bewusstsein für sprachliche Korrektheit schrieb. Äquivalent dazu sei sein „architektonisches Idiom“ einzuordnen. Burns 1999, S. 135.
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der Musik schon zitationsfähig.“164 – beispielsweise der sogenannte Tristanakkord bei Richard Wagner oder das berühmte Schicksalsmotiv (bestehend aus drei Achteln und einer halben Note) zu Beginn von Ludwig van Beethovens fünfter Sinfonie. Die Funktion des musikalischen Zitats liegt dabei in der Produktion von Sinn; Argumentation und Beweis wie im Fall eines Zitats im Text sind nicht möglich.165 Die Kontrastierung mit dem sprachlichen Zitat geht häufig damit einher, einen Gegensatz zwischen wissenschaftlichem und künstlerischem Zitat aufzumachen.166 Unterschiede zum Zitieren in der Sprache werden vor allem in den weniger eindeutigen und systematisierbaren Zitaterscheinungen, der Wörtlichkeit und dem Verweis auf Quellen, dem geringeren Konventionalisierungsgrad der Zitatmarkierungen sowie in den differierenden Funktionen des Zitats gesehen.167 Bisweilen kommen Forschungsarbeiten zu dem Schluss, dass eine zum Sprachzitat analoge Untersuchungsmethode den spezifischen Erscheinungsformen nicht-sprachlichen Zitierens nicht gerecht werden kann. In diese Richtung argumentiert Tischer, der die Übernahme der Zitatkategorie aus dem System der Sprache für die „begrifflose[…] ästhetische[…] Artikulation der Musik“168 kritisch sieht. Gelegentlich findet sich in der Literatur auch ein zurückhaltender Gebrauch des Begriffs Zitat. Alexander Markschies schreibt zum Naumburger Dom, dass der Chor in seinem Bezug zum Magdeburger Domchor „mit gewisser Überspitzung“169 als Zitat zu bezeichnen sei und setzt ‚Zitat‘ in Anführungszeichen. Die Schwierigkeiten mit dem Zitatbegriff und seiner Abgrenzung, aber auch mit seiner sprachlichen Provenienz veranlassen einige Autoren dazu, auf den Terminus des Zitats gänzlich zu verzichten oder seine Anwendbarkeit in Frage zu stellen. Martina Sitt und Attila Horányi verwerfen das Zitat
164 Karbusicky 1992, S. 63. 165 Vgl. Karbusicky 1992, S. 61. 166 Vgl. z.B. für das Musikzitat Gruber 1998, Sp. 2401. 167 Vgl. zur Gegenüberstellung von wissenschaftlichem und künstlerischem (Musik-)Zitat z.B. Fricke 1995, Sp. 938. 168 Tischer 2009, S. 125. 169 Markschies 1996, S. 320. Ob sich die Vorbehalte auf den Begriff des Zitats und seine Übertragbarkeit beziehen oder letztlich auf die Interpretation des Bezugs zwischen den beiden Bauwerken, ist an dieser Stelle nicht ersichtlich.
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für die Malerei, da der Begriff – ähnlich wie der Terminus des Einflusses170 – zu heterogene Phänomene in der Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts umfasst und damit seine Beschreibungsprägnanz verloren hat.171 Thierry Greub merkt an, dass für die bildende Kunst mit ihren diversen Transformationsarten aufgrund der Unterschiede zum Sprachzitat – in der fehlenden Markierung und Wörtlichkeit – nur eine sehr weite Konzeption des Zitatbegriffs überhaupt möglich ist. In der Literatur gängige Bezeichnungen wie Motiv oder Einfluss seien diesbezüglich adäquater.172 Insgesamt gesehen stellen die Zurückweisungen des Begriffs Zitat die Ausnahme dar. Das ‚Zitat‘ als Begriff findet weithin Anwendung, um Bezugnahmen innerhalb eines medialen Systems und zwischen verschiedenen Medien zu bezeichnen. Die Rekurse auf das Sprachsystem sowie auf sprachliche Bezeichnungen zeigen, wie sehr das Sprachzitat der zentrale Bezugspunkt in der Beschreibung und Analyse nicht-sprachlicher Zitatphänomene ist. Die Verweise auf das sprachliche Zitat stützen sich jedoch meist auf eine allgemeine Vorstellung des Zitierens in der Sprache, selten auf die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Sprachzitaten. (2) Der Theoriemangel: Während das Zitat in linguistischen und literaturwissenschaftlichen Studien gut erforscht ist, ist eine theoretische Reflexion nicht-sprachlicher Zitate nur rudimentär vorhanden. Der Begriff des Zitats, seine Extension und sein Gebrauch werden in konkreten Analysen von Bauwerken173, Gemälden174 oder Statuen175 häufig nicht thematisiert. Vielmehr findet der Begriff in einer alltagssprachlichen Semantik uneingeführt Verwendung. Der Status nicht-sprachlicher Zitate bleibt weitgehend unbestimmt – ebenso das Verhältnis des Zitats zu verwandten Begriffen wie Anspielung, Parodie, Kopie, Plagiat oder Variation. Dieser Missstand wird auch in den Einzelwissenschaften moniert: Karbusicky weist auf die heterogene Bezeichnungsvielfalt in der Musikwissenschaft hin.176 Für die
170 Vgl. Baader 2003, S. 73 ff. 171 Vgl. Sitt/Horányi 1993, S. 20. 172 Entgegen seiner Ankündigung verwendet Greub in seinem Aufsatz zu architektonischen Verweisen weiterhin den Zitatbegriff. Vgl. Greub 2012, S. 295 f. 173 Vgl. exemplarisch Escherich/Wieler 2007, S. 14. 174 Vgl. exemplarisch Belting 1990, S. 530. 175 Vgl. exemplarisch Krumeich 2008. 176 Vgl. Karbusicky 1992, S. 61.
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Kunstgeschichte konstatiert Zuschlag eine Konfusion der Begriffe sowie ein Theoriedefizit; eine Differenzierung der unterschiedlichen Verweistechniken sei ein Desiderat kunsthistorischer Forschung.177 Der Literaturwissenschaftler Peter Horst Neumann spricht davon, dass eine grundlegende Theorie des Zitierens notwendig sei, die Zitate in Wissenschaft, Kunst und Alltag umfasse. Zugleich betont er deren Schwierigkeit: „[J]ede Bemühung um eine aufs Ganze gehende Theorie [steht] immer sogleich unter Gelehrsamkeits-Ansprüchen, die viel zu hoch sind, als daß ihnen einer genügen könnte.“178 So erklärt sich laut Neumann zu einem gewissen Grad die ‚Sicherheit‘ disziplinärer Herangehensweisen in ihren auf einen medialen Gegenstand begrenzten Forschungsansätzen.179 Die lediglich vereinzelte theoretische Auseinandersetzung mit nichtsprachlichen Zitaten ist unter anderem darauf zurückführen, dass ein anders gelagertes Erkenntnisinteresse sowie spezifische Fragestellungen und Paradigmen in den Einzelwissenschaften bestehen. Während im Rahmen linguistischer, literaturwissenschaftlicher oder symboltheoretischer Arbeiten neben der Zitatanalyse auch die theoretische Definition, eine Diskussion der Begriffsverwendung und Einordnung des Zitats Themen der Forschung sind, stehen diese in bild-, film- oder architekturwissenschaftlichen Arbeiten nicht im Vordergrund.180 Vielmehr fokussieren Einzelfallstudien den Gebrauch der Zitate im Werk einzelner Künstler, in einer Stilrichtung, Gattung oder einer Epoche. Ziel ist meist, semantische Relationen und Wir-
177 Vgl. Zuschlag 2006, S. 95 f. 178 Neumann 1982, S. 43. 179 Trotz der beschriebenen Lage versucht Neumann einen übergreifenden Ansatz und erstellt eine typologisierende Skala der Zitierformen mit den beiden Extremfällen Motto und Anspielung als Endpunkte des Zusammenspiels von Eigenem und Fremdem. Vgl. Neumann 1982, S. 48 ff. 180 Vgl. als Ausnahme im Bereich architekturhistorischer Zitatuntersuchungen den Aufsatz von Christian Freigang. Er weist auf die Gefahr hin, in der Analyse stilistische Relationen zwischen Bauwerken mit realen politischen Abhängigkeiten gleichzusetzen und von stabilen Semantiken der Gebäude auszugehen, die kopiert und zitiert werden können. Diese Gleichsetzung resultiert laut Freigang aus einem metaphorischen Sprachgebrauch und metonymischen Zuschreibungen wie ‚das Gebäude zitiert jenes‘. Vgl. Freigang 2010, S. 16.
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kungen zwischen Zitat und Quelle oder Zitat und Zitatkontext exemplarisch zu rekonstruieren und zu interpretieren.181
181 Vgl. als Beispiel Storch 2011 zu Zitaten in den Klavierkonzerten Alfred Schnittkes.
2. Das theoretische Instrumentarium
2.1 AUSGANGSPUNKT
UND
P ROBLEMSTELLUNG
In puncto Sprachbezug und Theoriedefizit wurden im vorherigen Kapitel Übereinstimmungen der einzelwissenschaftlichen Diskurse zu nichtsprachlichen Zitaten identifiziert. Die Ausgangsthese ist, dass dieser Zustand ein Problem in der adäquaten Erfassung und Beschreibung nichtsprachlicher Zitatphänomene darstellt. Die Problematik eines Theoriemangels ist offensichtlich. Er führt zu einer heterogenen Begriffsverwendung sowie dazu, dass beispielsweise nicht präzise benannt werden kann, was der Gegenstand einer Wiederholung im Zitat ist. Die impliziten oder expliziten Sprachsystembezüge in der Untersuchung von nicht-sprachlichen Zitaten sind mit folgenden Schwierigkeiten verbunden: Das direkte, durch Anführungszeichen markierte schriftliche Zitat, dem eine konkrete Quelle zuzuordnen ist, fungiert als Folie vieler Untersuchungen.1 „Die kulturelle Praxis vor allem des schriftlichen Zitierens und ihre in einer langen geschichtlichen Entwicklung herausgebildete Kodifizierung haben auch bei der begrifflichen Bestimmung des Zitierens prägend gewirkt.“2 Die Fixierung auf das Zitat als schriftbasierte Kategorie ist insofern schwierig, als damit Artefakte bezeichnet werden, die keiner schriftsprachlichen Logik folgen.
1
Vgl. dazu die Beispiele in Kap. 1.3.
2
Böhn 2001a, S. 33.
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Die Probleme der Kategorienübernahme zeige ich am Beispiel eines Diskurses zum Schriftprimat in der Untersuchung gesprochener Sprache.3 In diesem Zusammenhang hat Reinhard Fiehler4 aus gesprächsanalytischer Sicht herausgestellt, dass die Standardkategorien zur Analyse gesprochener Sprache schriftsprachlichen Ursprungs sind. Das an der Struktur und den Funktionsweisen der Schrift orientierte Beschreibungsinventar verstellt den Blick auf die Eigenheiten einer sich in kommunikativen Praktiken vollziehenden gesprochenen Sprache. Beispielsweise führt eine Schriftkategorie wie die ‚Ellipse‘ zu einer Defizitvorstellung der gesprochenen Sprache im Kontrast zu einer an Vollständigkeit und grammatikalischer Korrektheit orientierten Schriftsprache. Weiterhin sind syntaxbezogene Termini wie ‚Links- und Rechtsversetzung‘ der – klassischerweise angenommenen – Linearität der Schrift entlehnt; sie werden, in der Symmetriebehauptung von links und rechts, den unterschiedlichen Funktionen der Herausstellungen im Gesprochenen nicht gerecht. Daraus folgt, dass die Begriffe die Prozesshaftigkeit der mündlichen Kommunikation, die trotz elliptischer Satzkonstruktionen erfolgreich funktionieren kann, zu wenig reflektieren. Die Konsequenzen sind, so Fiehler, Tendenzen der Homogenisierung des Untersuchungsgegenstandes, der Differenzverstärkung in der Gegenüberstellung von gesprochener und geschriebener Sprache und damit auch der Prototypisierung.5 Analog zum linguistischen Diskurs ist die Übertragung des Zitatkonzeptes aus der Schrift auf unterschiedlichste, nicht-sprachlich verfasste Zitate kritisch zu sehen. Auch hier besteht die Gefahr einer prototypischen Ausrichtung auf das Schriftzitat und damit einer homogenisierenden Betrachtung. Vergleicht man sprachliche und nicht-sprachliche Zitate, so ist das Verfahren des Zitierens in beiden Fällen identisch: Vorlagen werden bearbeitet und als ausschnitthaftes Zitat in einen neuen Kontext eingefügt. Ein Unterschied besteht darin, dass in der Schrift auf Unbekanntes durch einen Quellenverweis belegend referiert werden kann; in der Musik, bei Bildern oder Filmen hingegen muss das Zitat bekannt sein, um in einem Akt des Wie-
3
Zum Verhältnis von Schriftsprache und Lautsprache vgl. grundlegend Stetter 1997, S. 466 ff.; Krämer 2005.
4
Vgl. Fiehler 2000, S. 25 ff.
5
Vgl. Fiehler et al. 2004, S. 49 f. Zur Wirkung des Schriftprimats in der OralitätsLiteralitätsdebatte vgl. auch Jäger 2004c.
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dererkennens als zitierende Bezugnahme identifiziert zu werden.6 Nur in seltenen Fällen ist bei Musik- oder Bildwerken eine Quelle angegeben. So müssen beispielsweise musikalische Zitate auf ein kanonisches Musikwissen zurückgreifen, um die Identifikation eines Zitats zu ermöglichen. Erst mit der historistischen Kanonbildung klassischer Musik fanden Musikzitate größere Verbreitung.7 Dementsprechend sind bei nicht-sprachlichen Zitaten das zitatbezogene Wissen der Rezipienten, aber auch erklärende Kommentardiskurse, die meist sprachlich stattfinden, von großer Bedeutung. Auch der Standardisierungsgrad gestaltet sich unterschiedlich: Schriftsprachliche Zitate sind seit dem 18. Jahrhundert in ihrer Form hochgradig konventionalisiert (direktes vs. indirektes Zitieren) sowie in ihren Markierungsmitteln standardisiert (Anführungszeichen und sonstige Auszeichnungen).8 Zudem ist das Zitieren im wissenschaftlichen Kontext institutionell normiert.9 Die gesprochene Sprache hingegen kennt zwar Markierungskonventionen (z.B. Pausen, metasprachliche Markierungen, Intonationsveränderungen oder die redebegleitende Geste der angezeigten „Gänsefüßchen“), ist aber weniger standardisiert. Bei nicht-sprachlichen Zitaten existieren keine Festsetzungen, lediglich bestimmte Methoden der Hervorhebung können identifiziert werden. Weiterhin bestehen Kontraste zwischen sprachlichen und nichtsprachlichen Zitaten in der Frage der Wörtlichkeit des Zitierens. Wörtlichkeit ist in der Sprache durch das Prinzip der doppelten Artikulation im buchstäblichen Sinne gegeben. Beim Film etwa ist die Kategorie der Wörtlichkeit des Zitierens nicht zuletzt deswegen problematisch, weil im filmischen Konglomerat von Aufführung, Rhythmus und Bild keine den diskreten Einheiten einer Sprache entsprechenden zitierbaren Elemente vorhanden sind.10 In der Musik lässt sich Wörtlichkeit nur in elektronischen For-
6
Vgl. zur Musik Karbusicky 1992, S. 62 ff. Ähnlich argumentiert auch Dreyer für die Architektur. Vgl. Dreyer 1992, S. 57 f.
7
Vgl. Lissa 1970, S. 689. Meines Erachtens liegt hier eine wechselseitige Beeinflussung vor. Eine Kanonbildung ermöglicht zitierende Bezugnahmen; gleichzeitig wirkt sich das Zitieren auf die Etablierung und Verbreitung eines Kanons aus.
8
Zur Geschichte der Anführungszeichen und anderer typographischer Auszeichnungsmittel vgl. Weyers 1992; Pantenburg 2002.
9
Vgl. z.B. Jele 2012.
10 Dennoch diskutiert Pantenburg filmspezifische Formen von Wörtlichkeit und Anführungszeichen. Vgl. Pantenburg 2012, S. 249 ff.
62 | G EBAUTE ZITATE
maten denken, während ansonsten zwar Notationsidentität, aber nicht Aufführungsgleichheit hergestellt werden kann. Dieser Umstand ermöglicht aber auch eine musikspezifische Möglichkeit des Zitierens, nämlich auf Performanzen, aufgeführte Interpretationen und die ausführenden Interpreten zitierend zu verweisen.11 In der Malerei existieren keine voneinander abgrenzbaren, eindeutig zuzuordnenden sowie unterschiedenen Einheiten wie im Alphabet der Schrift. Dementsprechend ist keine Selbigkeit der Buchstabenfolge wie im Schriftzitat gegeben, sondern eine Form der Wörtlichkeit im übertragenen Sinne.12 Dennoch besteht bei bildlichen oder musikalischen Zitaten ein zur Wörtlichkeit sprachlicher Zitate ähnliches Phänomen der Gleichheit in der Wiederholung.13 Schriftsprachliche Charakteristika wie das wörtliche Zitieren sind also nur bedingt auf nicht-sprachliches Zitieren übertragbar. Eine Orientierung an den festgesetzten Anführungszeichen der Schriftsprache lässt nach Markierungsäquivalenzen suchen, die in dieser Form weder im medialen System Musik oder Bild vorhanden noch in dem Maße typisch sind wie in der Schrift. Somit ist es notwendig, Begriffe und Kategorien zu finden, die Kennzeichen nichtsprachlichen Zitierens beschreibbar machen, und an den benannten Problemen der Forschung, dem theoretischen Mangel und dem Schriftsprachbezug, anzusetzen. Zum Thema sind nur wenige einschlägige Arbeiten vorhanden, die sowohl theoretisch als auch medienübergreifend Zitaterscheinungen untersuchen. Dazu gehören der symboltheoretische Zitatvergleich bei Nelson Goodman sowie Roland Posners semiotisch-intertextueller Ansatz zu Zitaten und Zitatmarkierungen in nicht-sprachlichen Zusammenhängen,14 auf die ich im Modell zurückgreife. Als Basis zur Beschreibung des Zitierverfahrens dient die semiologische und medientheoretische Theorie der Transkription.15 Diesen Ansatz ergänze ich durch Erkenntnisse zum Zitat aus sprachphilosophischen, zeichentheoretischen und intertextuellen Arbeiten.
11 Vgl. Gruber 1998, Sp. 2405. 12 Vgl. Goodman 1990, S. 66. In digitalen Formaten stellt sich die Wörtlichkeitsfrage noch einmal anders dar. 13 Vgl. exemplarisch Beispiele aus der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts bei Hammer-Tugendhat 2001. 14 Vgl. Goodman 1990, S. 59 ff.; Posner 1992. 15 Entwickelt in Jäger 2002.
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In der Verknüpfung und Erweiterung der verschiedenen theoretischen Zugänge wird ein theoretisches Instrumentarium entworfen, das im dritten Kapitel in einem analytischen Modell nicht-sprachlichen Zitierens und der Merkmale nicht-sprachlicher Zitate kulminiert und im vierten Kapitel auf gebaute Zitate angewendet wird. Folgende Agenda, die theoriegestützt in jedem Unterkapitel eine Frage beantwortet, leitet die Erarbeitung des Modells: •
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Wie lässt sich das Zitieren beschreiben? Zitieren wird als Prozess transkriptionstheoretisch dargestellt. Ich gehe davon aus, dass das Verfahrens ‚Zitieren‘ grundlegende Kennzeichen und konstitutive Eigenschaften besitzt, die medienübergreifend wirksam sind und in einer allgemeinen Modellierung zitierender Bezugnahme beschrieben werden können. Diese basalen Merkmale erfahren in einzelnen medialen Zitatvorkommnissen kontextgebunden eine spezifische Ausgestaltung. Zitieren folgt dabei einer transkriptiven Logik der Sinnproduktion. In einem kulturellen Gesamtzusammenhang verstehe ich das Zitat im Sinne Jan Assmanns als Erinnerungsfigur, die im Zusammenspiel von kulturellem und kommunikativem Gedächtnis steht (Kapitel 2.2).16 Die Erkenntnisse zum Prozess des Zitierens werden verbunden mit einer Betrachtung der Charakteristika nicht-sprachlicher Zitate als Resultat eines Zitiervorgangs. Was kann überhaupt zitiert werden? Folgt man Jacques Derrida, so setzt Zitierbarkeit Iterabilität/Lesbarkeit als Wiederholung mit Veränderung voraus und ist verbunden mit einer prinzipiellen Übertragbarkeit und Versetzbarkeit in andere Kontexte (Kapitel 2.3).17 Wodurch ist das nicht-sprachliche Zitat gekennzeichnet? Mit Nelson Goodman lassen sich zwei notwendige Bedingungen des Zitierens annehmen: die Bezugnahme auf das Zitierte und das Enthaltensein des Zitierten im Zitat. Diese Bedingungen werden abgewandelt zur Verweisfunktion des Zitats und dem Enthaltensein struktureller und inhaltlicher Elemente im Zitat (Kapitel 2.4).18
16 Vgl. Assmann 2005, S. 20 ff. 17 Vgl. Derrida 2001, S. 24 ff. 18 Vgl. Goodman 1990, S. 59 ff.; Böhn 2001a, S. 33 ff.
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Was wird im Zitat wiederholt? Diesbezüglich ist die von Charles Sanders Peirce eingeführte Unterscheidung von Type und Token hilfreich, um die Art der Bezugnahme auf die Zitatquelle zu spezifizieren. Kombiniert wird die Unterscheidung mit einer Terminologie von Roland Posner und Andreas Böhn, die es ermöglicht, verschiedene Zitattypen zu differenzieren (Kapitel 2.5).19 Wie werden nicht-sprachliche Zitate markiert? Vier Markierungsstrategien des Codewechsels werden in Anlehnung an Posners Kategorisierung differenziert (Kapitel 2.6).20 Was lösen Zitate aus? Zitate konzipiere ich im Rahmen von Jägers Störungsansatz als Auslöser produktiver Störungen (Kapitel 2.7).21 Wie wirken Zitate auf den Rezipienten?22 Das Störungspotenzial von Zitaten kann im Sinne von Peirce abduktive Prozesse zur transkriptiven Bearbeitung dieser Störungen beim Rezipienten in Gang setzen (Kapitel 2.8).23
Anhand dieser Leitfragen wird schrittweise ein theoretisches Konstrukt nicht-sprachlichen Zitierens entwickelt und in Kapitel 2.9 zusammengefasst.24
19 Vgl. Peirce 1998, 4/537; Posner 1992, S. 3 ff.; Böhn 2001a, S. 38 ff. 20 Vgl. Posner 1992, S. 10 ff. 21 Vgl. Jäger 2004a. 22 Um den Lesefluss zu vereinfachen, wird die männliche Form verwendet, die jedoch inhaltlich Rezipientinnen und Rezipienten beinhalten soll. Hierbei ist kritisch anzumerken, dass gerade in Bezug auf das Zitat häufig prototypisch von dem bildungsbürgerlichen, männlichen Rezipienten ausgegangen wird, dessen Zitaterkennen in einem quasi-automatischen Prozess abläuft. Dem realen Rezipienten wird in der konkreten Zitatanalyse zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet und pauschal ein idealer Rezipient angenommen. Vor dem Hintergrund der Forschungen zu den Einflussfaktoren race, class und gender ist es notwendig, so fordert Wagner, die kontextuell gebundenen Bedingungen einer Rezeption zu untersuchen. Vgl. Wagner 2006, S. 223 f. Auf die Problematik sei hier hingewiesen, sie kann jedoch in diesem Rahmen nicht weiter behandelt werden. 23 Vgl. Peirce 1965, 5/171. 24 Wenn im Folgenden von zitierender Bezugnahme die Rede ist, so ist damit die zitierende Referenz eines Zeichens auf ein anderes Zeichen gemeint. Weiterhin
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2.2 Z ITIEREN
ALS TRANSKRIPTIVES
V ERFAHREN
2.2.1 Die Theorie der Transkription Ziel der folgenden Ausführungen ist es, nicht-sprachliche Zitierprozesse systematisch zu beschreiben. Hierfür bietet sich die Theorie der Transkription25 als Rahmenkonzept in mehrfacher Hinsicht an: Erstens lässt sich das Zitieren transkriptionstheoretisch in eine Reihe von Praktiken der Bearbeitung einordnen, die alle einer transkriptiven Logik folgen. Sie sind beschreibbar als Verfahren, die in den unterschiedlichsten Kontexten, Zeitund Raumkonstellationen dadurch Sinn erzeugen, dass sie Bestände eines kulturellen Gedächtnisses aufgreifen und verarbeiten. Damit stellen diese Verfahren wichtige Strategien der Aneignung von Vergangenem in einer Gesellschaft dar. Zweitens geht die zeichen- und medientheoretisch fundierte Transkriptionstheorie über beispielsweise intertextuelle Herangehensweisen hinaus, da sie neben der Sprache andere mediale Systeme und ihre Hervorbringungen berücksichtigt. Im Kontext des Intertextualitätsansatzes sind zitierende Bezugnahmen außerhalb der Sprache nur unter starker Ausweitung des Textbegriffs zu erfassen.26 Die Termini des Transkriptionsansatzes stammen zwar auch aus dem Bereich des Skripturalen. Ludwig Jäger richtet jedoch seinen Ansatz explizit auf unterschiedliche Medialitäten aus und bezieht sowohl Bearbeitungsprozesse innerhalb von medialen Systemen als auch Bezugnahmen über Mediengrenzen hinweg mit ein.27 Drittens bietet der Transkriptionsansatz ein Begriffsinventar an, mit dem einzelne Momente des Zitierverfahrens sowie Interdependenzen zwischen der Zitatvorlage und dem Zitat aufgezeigt und terminologisch gefasst werden können. Die im Jahr 2002 vorgestellte Transkriptionstheorie ist bisher in der Erforschung von massenmedialen Sprache-Bild-Relationen28, von mentalen
werden die Begriffe ‚Sinn‘, ‚Bedeutung‘ und ‚Semantik‘ alltagssprachlich synonym verwendet. 25 Vgl. Jäger 2002; Jäger 2004a; Jäger 2008a; Jäger 2010a. 26 Vgl. die Darstellung in Kap. 1.1.3. 27 Vgl. Jäger 2008a, S. 111 f. 28 Vgl. etwa Holly 2009; Holly 2011.
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Prozessen29, von Diskursformen der deutschen Gebärdensprache30 sowie von Spurphänomenen31 angewendet und diskutiert worden. Weiterhin wurde sie für Verweispraktiken zur Hervorbringung kultureller Semantik32 beispielsweise in Bildern und Architektur33, aber ebenso für Gegenstandsbereiche der Romanistik, Musikwissenschaft und Informatik fruchtbar gemacht.34 Die Theorie baut auf dem zentralen Begriff der Transkription auf, knüpft an bestehende Semantiken des Begriffs (etwa in der Linguistik und Musikwissenschaft) an und erweitert seine Bedeutung. Als ‚Transkription‘ gelten alle Prozesse der Bearbeitung und Veränderung. Transkriptionen stellen, so die These, Sinninszenierungen her und sind ein grundlegendes Charakteristikum sämtlicher medialer Systeme.35 Zu den medialen Systemen gehören beispielsweise Sprache – gesprochen, geschrieben, gebärdet –, Bild36, Film oder Musik. In diesen medialen Systemen finden transkriptive Bearbeitungsverfahren statt, an die sich weitere Verarbeitungen anschließen können. So entsteht eine unabschließbare Kette von Diskursen in einer Kultur. Bearbeitbar ist grundsätzlich alles, was in medialen Systemen vorliegt, seien es nun Gespräche, Texte, Lieder, Fotografien usw., die zusammenfassend als Skripturen bezeichnet werden. Prinzipiell sind zwei Formen von Transkriptionen zu unterscheiden, intramediale oder intermediale Bezug-
29 Vgl. Linz/Fehrmann 2005. 30 Vgl. Fehrmann 2004. 31 Vgl. Fehrmann/Linz/Epping-Jäger (Hg.) 2005. 32 Vgl. Jäger/Fehrmann/Adam (Hg.) 2012. 33 Vgl. Hammer-Tugendhat 2009; Ullrich 2007; Ullrich 2009; Ullrich 2012a; Ullrich 2012b. 34 Vgl. etwa Kailuweit/Pfänder/Vetter (Hg.) 2010; Jäger et al. 2010; Ullrich 2006. 35 Vgl. Jäger 2008a, S. 103. 36 In der begrifflichen Bestimmung des Bildes folge ich der Position von Reichle, Siegel und Spelten, die Bilder im Anschluss an Ludwig Wittgenstein in ihrer Familienähnlichkeit beschreiben. Sie bezeichnen Bilder als Familie, die sich durch eine Fülle an Erscheinungsformen, Funktionen und teilweise überschneidende Kennzeichen auszeichnet. Dabei kann das einzelne Bild nur in Relation zu anderen Bildern in der Gesamtheit der Bilder begriffen werden. Vgl. Reichle/Siegel/ Spelten 2008, S. 8 ff.
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nahmen. Als ‚intramedial‘ wird die Bezugnahme innerhalb eines medialen Systems, z.B. eine Umschreibung oder metasprachliche Bezugnahme, bezeichnet. ‚Intermedial‘ hingegen benennt Relationen zwischen zwei medialen Systemen, beispielsweise die Kommentierung eines medialen Systems durch ein weiteres, etwa eines Bildes durch einen Text. In diesen intra- und intermedialen Bezugnahmen generiert sich Semantik. Der Vorgang einer Transkription lässt sich so beschreiben, dass eine Skriptur aus ihrem Kontext herausgelöst, bearbeitet (transkribiert) und in einen neuen Zusammenhang eingestellt wird. Die neu entstandene Skriptur wird Transkript genannt. Die Ausgangsskriptur lässt sich mit Blick auf die durchgeführte Transkription als Skript benennen. Klammert man hingegen den transkriptiven Prozess aus, stellt die Ausgangsskriptur ein Präskript dar – ein Zustand, der nur im Nachhinein beschrieben werden kann. Die Termini ‚Präskript‘ und ‚Skript‘ bezeichnen folglich dieselbe Skriptur, aber unterschiedliche Status im Verfahren. Das ‚Präskript‘ bezieht sich auf den semantischen Zustand einer Skriptur vor ihrer transkriptiven Bearbeitung. ‚Skript‘ erfasst die durch den Transkriptionsvorgang und das hinzutretende Transkript veränderte Bedeutung aus der Sicht des Rezipienten.37 In gewisser Weise konstituiert das Transkript erst das Skript, da es ihm eine neue Aufmerksamkeit verschafft und es für Rezipienten in anderer Weise zugänglich macht. Bezogen auf das Zitieren formuliert Bettine Menke diesen Punkt folgendermaßen: „Sie [die Akte des Zitierens; A.U.] bringen erst hervor, was sie voraussetzen, und zwar sowohl in Hinsicht der Zitierbarkeit (dessen, was zitierend vorgebracht wird) als auch in Hinsicht der Zitierfähigkeit (dessen, von wem oder woher das Zitierte bezogen wird).“
38
Die Veränderungen, die sich aus der Rezipientenperspektive in der Semantik einer Ausgangsskriptur durch einen Transkriptionsvorgang ergeben, können eine „semantische [...] Kontamination“39 des Skriptes herbeiführen. Beispielsweise verändert das Wissen um ein Zitat auch den Blick auf das
37 Vgl. Jäger 2008a, S. 107 ff. 38 Menke 2004, S. 589. Vgl. auch Pütz 1999, S. 695. 39 Jäger 2008a, S. 114.
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‚Original‘40 und erschafft es erst als solches, da es nun nicht mehr allein steht, sondern semantisch durch die Existenz des Zitats kontaminiert wird. Wenn der Street-Art-Künstler Banksy 2001 ein Bild der „Mona Lisa“ mit einem Raketenwerfer auf der Schulter auf eine Hauswand in Soho sprüht (Abb. 1), so verändert diese Neuinterpretation der Mona Lisa auch unsere Vorstellung der Mona Lisa von Leonardo da Vinci – vorausgesetzt, uns sind beide Darstellungen bekannt. Dann steht der Sanftmütigkeit plötzlich ein kriegerischer Kontext gegenüber und das ‚rätselhafte Lächeln‘ erhält eine andere Konnotation. Nach zwei Tagen wurde die Mona Lisa in Soho entfernt. Im Katalog zu Banksys Werken ist zu diesem ephemeren Zitat vermerkt: „Mona Lisa with rocket launcher. 15 minutes, Soho 2001. Later converted to Osama Bin Laden by unknown persons, then removed after two days.”41 Die Mona Lisa wurde also erneut transkribiert und durch das Aufmalen von Bart und Turban in einen Mann und Fundamentalisten verwandelt. In diesem Fall wird das Skript der Mona Lisa mit dem Raketenwerfer bereits kurze Zeit nach der Entstehung semantisch kontaminiert durch die Übermalung, die sich allerdings nur noch im Katalog in der Gegenüberstellung von Skript ‚Mona Lisa mit Raketenwerfer‘ und Transkript ‚Osama Bin Laden‘ erschließt: Aus einer Frau mit einer Waffe wird ein Terrorist.
40 Zur Diskussion des Originalbegriffs vgl. Kap. 5.3. 41 Banksy 2006, S. 26.
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Abbildung 1: Banksy: „Mona Lisa with rocket launcher“ 2001
Quelle: Banksy 2006, S. 27
Die semantische Einflussrichtung, die bei der semantischen Kontamination vom Transkript zum Skript geht, ist auch in anderer Richtung möglich, vom konstituierten Skript zum Transkript. Wenn sich das Skript gegen die semantische Überformung durch nachfolgende Transkripte ‚wehrt‘, kann es zu Bedeutungskonflikten kommen. In der Terminologie der Transkriptionstheorie wird dies als Interventionsrecht des Skriptes bezeichnet, das die Interpretationen der Transkripte in Frage stellen und eine andere Lesart anbieten kann.42 Wenn man das ‚Osama Bin Laden-Bild‘ als Transkript des Skripts ‚Mona Lisa mit Raketenwerfer‘ ansetzt, so könnte Banksy beispielsweise die semantische Kontamination seines Skripts kritisieren und metasprachlich dazu Stellung nehmen. Er hätte auch das Osama-BinLaden-Transkript an Ort und Stelle seinerseits sprayend transkribieren können. Der Produzent einer Transkription besitzt in diesem Prozess keine Deutungshoheit und damit keinen privilegierten Status; vielmehr steht seine
42 Vgl. Jäger 2008a, S. 120 f.
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Interpretation grundsätzlich gleichberechtigt neben den Deutungen anderer Rezipienten – einmal abgesehen von sozialen Ein- und Ausschlussmechanismen. Generell ist das Wirken von Transkriptionen, aber auch von semantischen Kontaminationen angewiesen auf rezipientenseitige Aktivitäten, das heißt auf kognitive Prozesse, auf sprachliche und andere Reflexionen. Entlang der beiden beschriebenen semantischen Einflussrichtungen, die einem transkriptiven Prozess folgen, entstehen Diskurse der Bedeutungsbehauptung und -aushandlung, die durch immer neue transkriptive Schleifen fortgeführt werden können. Darin besteht der Prozess der ständigen kulturellen Sinnkonstruktion und -verschiebung.43 Hans-Jürgen Bucher kritisiert die Transkriptionstheorie dahingehend, dass das eingeführte Vokabular ein Verständnis der Zeichen als Akteure nahelege. Dieser Umstand führe, so Bucher, zu einer Hypostasierung der Zeichen und stehe einer Gebrauchs- und Handlungsorientierung entgegen. Damit einher gehe eine repräsentationale Semantikauffassung.44 Dem ist entgegenzusetzen, dass das Transkriptionskonzept grundsätzlich pragmatisch orientiert ist und beispielsweise das Interventionsrecht des Skriptes nur bezogen auf das Handeln von Akteuren in kommunikativen Kontexten denkbar ist. Martin Steinseifer weist zudem darauf hin, dass bei Buchers Position die Gefahr besteht, „durch eine Konzentration auf die Variabilität individueller Rezeptionsprozesse die immer mitlaufende soziale Schematisierung der Verständigungsresultate und damit den Zeichencharakter der Kommunikationsangebote zu stark in den Hintergrund treten zu lassen.“45 Weiterhin geht es Jäger, konträr zu Buchers Darstellung, gerade um die Nachträglichkeit der Hervorbringung von Sinn im Zuge trankriptiver Prozesse; er wendet sich damit explizit gegen die Vorstellung einer repräsentationalen Semantik.46
43 Vgl. Jäger 2002, S. 33. 44 Vgl. Bucher 2011, S. 136 f. u. S. 146. 45 Steinseifer 2011, S. 176. 46 Vgl. z.B. Jäger 2010a, S. 22 f.
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2.2.2 Effekte des Transkriptionsprozesses Auf der Wirkungsseite eines transkriptiven Vorgangs stehen die Veränderungen, die eine Transkription mit sich bringt: Prozesse der De- und ReKontextualisierung, die verbunden sind mit der Re-Adressierung von Skripturen aus dem kulturellen Gedächtnis und zu semantischen Nuancierungen und damit zu Re-Semantisierungen führen. Im Jahr 1980 schuf der Künstler K.R.H. Sonderberg ein Gemälde, das auf einer großen weißen Fläche ein verformtes schwarzes Dreieck zeigt. Daraus ragen – ähnlich Insektenbeinen – zwei schwarze, geknickte Linien. Hierbei handelt es sich um eine abstrahierte Darstellung einer SchwarzWeiß-Fotografie, die die Zelle von Andreas Baader nach seinem Tod zeigt, abgedruckt im Magazin „Der Spiegel“ im Jahr 1978. Zu sehen ist die Bettdecke auf dem Zellenbett sowie die von der Wand gerissenen Fußleisten (um versteckte Gegenstände zu finden), die auf der Bettdecke liegen. Diese Kombination aus Bettdecke und Fußleisten hat Sonderberg in seinem Werk dargestellt und mit „Spur Andreas B.“ betitelt.47 Die ursprüngliche Fotografie wird einerseits in dieser transkriptiven Bearbeitung und im Zusammenwirken mit dem Bildtitel in einer speziellen Weise zugänglich. „Man kann es [das Präskript/Skript; A.U.] nicht eigentlich sehen, aber man kann von ihm [...] wissen. Sobald man von ihm erfährt, ist es ‚da‘ – nicht als Objekt einer optischen Erkennbarkeit, aber als Imagination, als ein zum Sichtbaren Hinzugedachtes.“
48
Andererseits verwandelte Sonderberg das Tatortfoto in ein abstraktes Gemälde des Informel, das trotz des dezenten sprachlichen Hinweises im Titel bei den Besuchern in der saarländischen Landesvertretung in Berlin, wo das Werk inzwischen hängt, nicht zwingend eine Assoziation mit dem RAFKontext evoziert. In diesem Beispiel offenbaren sich De- und ReKontextualisierungen, die Re-Semantisierungen nach sich ziehen.
47 Vgl. Geimer 2012, S. 213 f. 48 Geimer 2012, S. 215.
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„Die zentrale Bedeutung von Transkriptivität läßt sich [...] daran ablesen, daß sie ein obligatorisches Grundprinzip des kulturellen Gedächtnisses insbesondere literalisierter Gesellschaften zu sein scheint, die zur Speicherung, Tradierung und Fortschreibung kulturellen Wissens auf das [...] Zusammenspiel verschiedener Symbolsysteme zurückgreifen.“
49
Die Verbindung zwischen dem kulturellen Gedächtnis und der Transkription, in unserem Fall dem Zitat, ist näher zu beleuchten: Wie verhalten sich ‚Zitat‘ und ‚Gedächtnis‘ zueinander? Dazu greife ich die bekannte Gliederung kollektiven Erinnerns von Jan Assmann auf, die auf Maurice Halbwachs zurückgeht. Assmann unterscheidet das kulturelle Gedächtnis als dauerhaftes Erinnerungsformat in Gestalt von Texten, Bildern, Bauwerken, Denkmälern usw. auf der einen Seite und das kommunikative Gedächtnis – etwa das Generationengedächtnis, das geteilte Erfahrungen und Erinnerungen einer Gemeinschaft in einem Alltagsgedächtnis enthält – auf der anderen Seite. Das individuelle Gedächtnis des Einzelnen konstituiert sich in der ständigen sozialen Interaktion des kommunikativen Gedächtnisses und zugleich im Rekurs auf das kulturelle Gedächtnis.50 Ich verwende eine modifizierte Fassung der Assmannschen Gedächtnisdifferenzierung: Das kommunikative Gedächtnis ist nicht als unidirektional abhängig vom Input aus dem kulturellen Gedächtnis zu verstehen. Vielmehr geht es um das Zusammenspiel der beiden Gedächtnisformate in interaktiv-transkriptiven und damit reziproken Aktualisierungen.51 Zitate in ihrer durativen Form in medialen Systemen wie Bildern, Architektur usw. verstehe ich als Teil des kulturellen Gedächtnisses, die zugleich daraus schöpfen. So stellt das Zitat eine wesentliche Organisations- und Aktualisierungsform der Bilder, Texte, Bauwerke des kulturellen Gedächtnisses dar. Gleichzeitig ist das Zitat auf die Interaktivität des kommunikativen Gedächtnisses angewiesen und zwar in zweierlei Hinsicht: Einerseits ist die Technik des Zitierens, also Fertigkeiten und Wissen, wie zitiert wird, Teil des kommunikativen Gedächtnisses. Andererseits benötigt das Zitat auf der Rezipientenseite eine Interpretationskompetenz: Was wird als Zitat verstanden und wie gedeutet? So sind die (Diskurs-)Praktiken des
49 Jäger 2002, S. 35. 50 Vgl. Assmann 2005, S. 20 ff. 51 Vgl. Jäger 2006a, S. 63 ff.
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Produzierens und Rezipierens von Zitaten gleichermaßen als Bestandteile des kommunikativen Gedächtnisses zu verstehen und bilden eine Kulturtechnik, die auf das kulturelle Gedächtnis angewiesen ist.52 Zitate speisen sich also aus dem Zusammenwirken der Inhalte, Artefakte und performativen Aktivitäten beider Gedächtnisformate. Das Zitat lässt sich dabei grundsätzlich – wie Bettine Menke im Anschluss an Walter Benjamin formuliert – als ein Muster des Erinnerns begreifen.53 „Insofern das Z[itat] Vergangenes durch Neukontextualisierung gegenwärtig werden lässt, kann es als paradigmatischer Fall, womöglich sogar als Modell für Erinnerung überhaupt gelten.“ Denn: „Z[itat] ist Modus einer Gedächtnisbildung durch Wiederholung.“54 Eine Wiederholung, die auch immer Revision und Veränderung beinhaltet.55 In seiner Funktion des Bezugs zum kollektiven Erinnern kann man das Zitat als gesellschaftlich etablierte Erinnerungsfigur konzeptualisieren. ‚Erinnerungsfigur‘ verstehe ich im Sinne Assmanns, der sich am Begriff des Erinnerungsbildes bei Halbwachs orientiert. Nur in der Versinnlichung, so die Annahme, in ihrer ‚Materialisierung‘ können Ideen in das Gedächtnis eingehen. Kennzeichnend für Erinnerungsfiguren sind ihre Raum-, Zeitund Gruppenbezogenheit, aber auch ihre Rekonstruktivität. Letztere bezeichnet den Umstand, dass Erinnerungsfiguren Akte der Rekonstruktion und Konstruktion von Vergangenheit durch rezente Gesellschaften darstellen.56 Als Erinnerungsfigur konstituiert sich das Zitat in einer wechselseitigen Beeinflussung von kulturellem und kommunikativem Gedächtnis. Wie wird zitierend auf das kulturelle Gedächtnis referiert? Hier ziehe ich eine Unterscheidung von Renate Lachmann heran, die sich mit Wiederaufnahmen von Texten aus dem kulturellen Gedächtnis im Rahmen einer Verhältnisbestimmung von ‚Intertextualität‘ und ‚Erinnerung‘ beschäftigt. Was Lachmann als Strategien für das Textrecycling identifiziert, kann man als grundsätzliche Art des Umgangs mit vorgefundenem Material auch auf nicht-sprachliche Skripturen beziehen. Zu unterscheiden sind
52 Zur Kulturtechnik des Zitierens vgl. Kap. 5. 53 Vgl. Menke 1991, S. 74. 54 Menke 2001, S. 675. 55 Vgl. dazu Kap. 2.3. 56 Vgl. Assmann 2005, S. 37 ff.
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• • •
die Partizipation als Auseinandersetzung mit Skripturen, deren Imitation und Erinnerung, die Abwehr als Vermeidungsstrategie bis hin zur versuchten Tilgung von Spuren vorhandener Skripturen sowie die Transformation als Aneignung vorhandener Materialien, die auch mit Formen des Unkenntlichmachens der Ausgangsskripturen verbunden sein kann.
Diese Strategien sind abhängig von dem spezifischen Gedächtniskonzept einer Gruppe oder Kultur.57 Bei zitierenden Bezugnahmen finden sich alle drei Arten; je nach Art des Zitats kommt eine der drei Methoden besonders zum Tragen. Die Löschungstendenzen bei der Abwehr und der Transformation verweisen auf die andere Seite des Zitierens: Ein Zitat kann nicht nur Skripturen neu erschließen und in anderer Weise zugänglich machen, wie es bei einem partizipativen Vorgehen der Fall ist, sondern ebenso Bezüge verschleiern und Skripturen kryptifizieren, so dass Umdeutungen entstehen. Deutlich wird dies am Beispiel der Rückenfigur einer jungen Frau, die auf einem Gemälde von Gerard Ter Borch um 1654 erstmalig zu sehen ist. Diese Frauenfigur wurde in diversen Bildern zitiert und in unterschiedliche Bildkontexte (eine Toilettenszene oder eine Musizierszene) integriert. Im Laufe ihrer Rezeptionsgeschichte wurde die Frauengestalt, sowohl im intrabildlichen Diskurs als auch im zeitgenössischen wissenschaftlichen Diskurs, gegensätzlich inszeniert; sie wurde als Angesprochene einer „väterlichen Ermahnung“ (so der Titel eines Stichs von Johann Georg Wille von 1765), als Hure und ebenso als Briefleserin gedeutet, so dass bestehende Semantiken gelöscht wurden.58 Demzufolge beinhaltet das Zitat als Erinnerungsfigur neben der Erinnerungsfunktion in der Aktualisierung und Thematisierung von Skripturen auch den Aspekt des Vergessens. Kultursemiotisch betrachtet konstituiert sich eine Kultur im Wechselspiel von Erinnern und Vergessen, wobei zur kulturellen Selbstbeschreibung auch Extrempositionen gehören können. Als Extrempositionen stehen sich die Behauptung einer Löschbarkeit von Zei-
57 Vgl. Lachmann 2001, S. 287. 58 Vgl. Hammer-Tugendhat 2009, S. 286 ff.
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chen und der Unlöschbarkeit gegenüber – quasi radikales Vergessen vs. radikales Erinnern: „Stehen für das Löschungsprojekt künstlerische und intellektuelle Avantgarden, die sich durch die Negierung der Vergangenheit definieren […], so stehen für den konservativen oder konservierenden Pol künstlerische und intellektuelle Gruppierungen, die demselben Kontext angehören und sich von den ersteren durch eine aktive 59
Arbeit am kulturellen Gedächtnis unterscheiden.“
In dieser Sichtweise sind die beiden in der Einleitung eingeführten Oppositionen, die creatio ex nihilo und der Recycling-Gedanke, auf einer Skala zwischen den Polen Vergessen und Erinnern einzuordnen. Die erste Position ist als Vertretung einer Löschbarkeitsthese einzustufen und die zweite mehr in der Nähe des Erinnerungspols zu rücken, wobei das Recycling in Form von Zitaten auch Vergessensanteile beinhaltet, da Verfahren der Selektion und Umdeutung zum Einsatz kommen. Skripturen im Akt des Zitierens zu re-aktualisieren bedeutet auch, sie zu re-adressieren an ein neues, anderes Publikum – ob nun in ein- oder ausschließender Form. Denn prinzipiell können Transkriptionen die Wahrscheinlichkeit einer Adressierung von Skripturen sowohl erhöhen als auch verringern.60 Die populärwissenschaftliche Aufbereitung einer Skriptur erweitert beispielsweise den möglichen Adressatenkreis, während die fachsprachliche Spezifizierung das Publikum auf Experten für diesen Sachverhalt verengt. Re-Adressierung kann eine erneute oder andere Lesbarkeit61 von Skripturen herstellen. „Lesbarkeit ist in der semantischen Hinsicht, die die Transkription eröffnet, keine Eigenschaft der durch das Transkribieren aufgegriffenen Skripturen und insofern existieren diese prä-transkriptiv auch nicht als Skripte.“62
59 Lachmann 1993, S. XX. 60 Vgl. zum Adressieren Jäger 2004b, S. 74 ff. 61 Verschiedene Ansätze verfolgen das Ziel, den etablierten Terminus der Lesbarkeit aus seinem Text- beziehungsweise Literaturbezug zu lösen und für andere mediale Formate einer Kultur und ihre Interpretation zu öffnen. Vgl. BachmannMedick 2004, S. 314 ff. 62 Jäger 2008a, S. 121.
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Re-Kontextualisierung, Re-Adressierung und damit Re-Semantisierung sind in ihrer Wirkung angewiesen auf den Rezipienten der Transkription, seine Kenntnisse und Interpretationsleistungen. Denn transkriptive Bezugnahmen auf Skripturen können nur funktionieren, wenn ein Publikum existiert, das Wissen über die Ausgangsskriptur und das Transkript besitzt, diese beiden semantisch in Beziehung zu setzen und zu interpretieren weiß. Dementsprechend stellen ‚Präskript‘, ‚Skript‘ und ‚Transkript‘ Zuschreibungen dar, die vom jeweiligen Wissensstand des Rezipienten abhängen. Beispielsweise interpretiert ein Rezipient, dem ein klassisches Musikstück nur aus einer Fernsehwerbung oder als Handyklingelton bekannt ist, ein Wiedererkennen dieser Musik anders als ein Rezipient, der das Originalstück kennt – demzufolge fallen auch die Skriptzuschreibungen unterschiedlich aus. Die Voraussetzung transkriptiver Bezugnahmen soll im Weiteren als Publikumsbedingung bezeichnet werden.63 Im Zusammenhang von Zitieren und Erinnern kann man die Publikumsbedingung eines Zitats auch als Erinnerungsgemeinschaft beschreiben, die für das Gelingen einer zitierenden Erinnerungsperformanz ein bestimmtes Wissen teilen muss. Betrachtet man z.B. die Fotografie „Badezimmer“ (1997) des Künstlers Thomas Demand, so ist zunächst nur ein verlassenes Badezimmer mit einer gefüllten Badewanne zu sehen. Kennt man jedoch die massenmedial verbreitete letzte Fotografie des deutschen Politikers Uwe Barschel, der 1987 tot in der Badewanne eines Genfer Hotels aufgefunden wurde, dann erschließt sich Demands Fotografie als Verweis auf das bundesrepublikanische Bildgedächtnis.64 Auf diese Weise konstituiert das Bildzitat eine westdeutsche Erinnerungsgemeinschaft. Bei Demands Werk, das nur die Badewanne zeigt, nicht die Leiche im Badewasser, reihen sich verschiedene intermediale Transkriptionen aneinander: von der Situation 1987 im Hotelzimmer ausgehend über die Schwarz-Weiß-Fotografie, die in der Zeitschrift „Stern“ erschien, über das dreidimensionale, farbige Papiermodell, das Demand nach der Fotografie im „Stern“ anfertigte, bis hin zur farbigen Fotografie dieses Badezimmermodells. Die Rolle des Rezipienten im Prozess transkriptiver Bedeutungsgenerierung wird hier also besonders hervorgehoben. Diese Betonung der Rezi-
63 Vgl. Jäger 2008a, S. 116. Jäger formuliert diesen Aspekt im Anschluss an die Lektürebedingung bei Gérard Genette. Vgl. Genette 1993, S. 32. 64 Vgl. Budelacci 2012, S. 120; Stiegler/Thürlemann 2011, S. 311.
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pientenposition trägt dazu bei, „die Subjektvergessenheit der Postmoderne zu überwinden, ohne hinter deren berechtigte Kritik an einem präsenzmetaphysisch begründeten Subjektbegriff zurückzufallen. Der Transkriptor“, das heißt der Produzent, aber auch der Rezipient einer Transkription, „ist kein allmächtiger Autor, der seine den Zeichen vorausgehende Intention ausdrückt. Er besitzt aber die Freiheit, sich zwischen verschiedenen Anschlussmöglichkeiten, Mustern und Medien zu entscheiden.“65 2.2.3 Das transkriptive Verfahren des Zitierens Die angeführten Zitatbeispiele zeigen, dass das Zitieren in transkriptionstheoretischer Hinsicht ein Verfahren, eine transkriptive Praktik des Bearbeitens einer Skriptur und Wiedereinstellens in einen anderen Zusammenhang darstellt. Das Ergebnis eines Zitiervorgangs ist das Transkript ‚Zitat‘, das als zitierter Bestandteil des Präskriptes in unterschiedlicher Weise auf das konstituierte Skript und auf den semantischen Gesamtzusammenhang seiner Herkunft verweist. Die Existenz des Zitats und seine Interpretation durch den Rezipienten können semantisch kontaminierend auf die Wahrnehmung des Skriptes wirken, das seinerseits bei der Zitatinterpretation intervenieren kann. Im Zitierprozess werden Skripturen de- und rekontextualisiert, so dass sich im Spannungsverhältnis von Zitat und Kontext wechselseitige semantische Wirkungen ergeben. „Das für Zitate charakteristische Moment der Einbettung in einen anderen textuellen Zusammenhang muß zwangsläufig dazu führen, daß auch im Fall nicht-modifizierender Übernahme verbalen Materials durch den neuen ko- und kontextuellen Zusammenhang diese zunächst unterstellte Bedeutungsäquivalenz ‚destabilisiert‘ wird 66
und je nach Einbettungsmodus sogar völlig verändert werden kann.“
Ein direktes Zitat suggeriert zwar die unveränderte Übertragung einer Skriptur von Kontext A zu Kontext B, dennoch führt bereits die Einbindung in einen anderen Zusammenhang zu semantischen Veränderungen. Dies zeigt sich z.B. in dem, was Genette eine Minimalparodie nennt: „Die eleganteste, weil sparsamste Parodie ist somit nichts anderes als ein aus sei-
65 Kailuweit 2009, S. 35. 66 Holthuis 1993, S. 105.
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nem Zusammenhang gerissenes Zitat, dessen ursprüngliche Bedeutung verdreht und dessen getragener Ton verfälscht wird“.67 Am Beispiel von Jorge Luis Borges Geschichte „Pierre Ménard, Autor des Quijote“ zeigt Genette, dass „sogar die wörtlichste Abschrift eine Neuschaffung durch Verschiebung des Kontextes ist.“68 Borges erzählt in seiner Geschichte, wie der imaginäre Autor Pierre Ménard Wort für Wort einen Teil des „Quijotes“ von Miguel de Cervantes noch einmal schreibt. Allein der zeitliche Abstand der Textproduktion lässt dabei eine andere Bedeutung entstehen. Daraus folgt, dass Transkriptionen nicht „verfahrensneutrale[n] Inhalte“69 versetzen. Transkriptionen sind weder verfahrensneutral noch sind die verwendeten Inhalte medienneutral, da sie an ihre jeweiligen medialen Formate gebunden sind.70 Das zeigt sich besonders bei intermedialen Zitaten, z.B. bei der Übernahme eines Bildaufbaus aus der Malerei in einer Fotografie: 71 Intermediale Zitate „tendieren dazu, nicht allein ein einzelnes Werk zu zitieren, sondern auch die formalen Qualitäten des Werks und sein ursprüngliches Medium.“72 Im Weiteren wird die These zugrunde gelegt, dass das Zitat in seiner Konstituierung als Zitat abhängig ist von der Publikumsbedingung und der rezipientenseitigen Zuschreibung des Status ‚Transkript Zitat‘ als ‚dies ist ein Zitat von X‘. Mit einem Zitat lässt sich diese Rezipientenabhängigkeit folgendermaßen erfassen: „Erst das gesehene Bild ist in Wahrheit ganz Bild geworden.“73 Was Gottfried Boehm hier über die Entstehung von Bildern sagt, gilt analog für das Zitat als Rezipientenkategorie: Erst das gesehene (erkannte) Zitat ist in Wahrheit ganz Zitat geworden. Die Publikumsbedingung ist verbunden mit einer transkriptiven Intelligenz: „Die kulturelle Semantik wird offenbar um so komplexer, je höher die transkriptive Intelligenz der beteiligten kommunikativen Akteure ist, d.h. je diversifizierter die
67 Genette 1993, S. 29. 68 Genette 1993, S. 30. 69 Jäger 2008a, S. 118. 70 Vgl. Jäger 2008a, S. 105 f. 71 Vgl. als Beispiel das Stilzitat „Bag“ in Kap. 2.5. 72 Böhn 2003, S. 10. 73 Boehm 2005, S. 41, Hervorhebung im Original.
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Zugangsberechtigungen zu der schier unübersehbaren Vielfalt medialer Sprachspiele 74
ist“.
Wichtig ist, dass im Fall des Zitats nicht nur die allgemeine Kompetenz, Bezugnahmen zu erkennen, zu interpretieren oder selbst durchzuführen benötigt wird; vielmehr setzt das Erkennen eines Zitats ein zitatspezifisches Vorwissen des Rezipienten voraus. Demzufolge impliziert die Verwendung eines Zitats stets eine Praktik der Exklusion Nichtwissender, so dass themenbezogene Wissensgruppierungen hervorgebracht werden. Beispielsweise zitierte der deutsche Komponist Karl Amadeus Hartmann in seinen Werken jüdische Volkslieder in verdeckter Manier, um der nationalsozialistischen Zensur zu entgehen.75 Wem die Melodien vertraut waren, der konnte hinter der systemkonformen musikalischen ‚Fassade‘ die antifaschistische Haltung erkennen. Je nach Wissensstand nimmt ein Rezipient ein Zitat nicht als solches, sondern als neue, bezugslose Skriptur wahr. In diesem Fall ist die Publikumsbedingung nicht erfüllt, das Zitat schlägt fehl, und der Rezipient interpretiert die Skriptur losgelöst von Zitatimplikationen. Zwischen dem Erkennen, was zitiert wird, und dem Nicht-Erkennen eines Zitats ist auch die Version des Erkennens, dass überhaupt zitiert wird, möglich. Auf diese Variante, dass wir auf der Formebene ein Zitat oder eine Zitatmarkierung erkennen können, ohne ein Wissen über die zitierten Inhalte zu besitzen, weist Jakob Steinbrenner hin. So brauchen wir „zum Zitaterkennen wie auch zum Zitatverwenden zu einem gewissen Grade keine semantische Kompetenz“. 76 Dementsprechend vertrete ich eine Auffassung der Rezeption als Skala von dem Nicht-Erkennen als Nullpunkt, über das Erkennen, dass zitiert wird, bis hin zum Erkennen, was zitiert wird, das in verschiedenen Ausprägungen erscheinen kann. Diese Skala ist nicht als hierarchische Abstufung und damit als wertende Aussage über Güte oder Angemessenheit einer Interpretation zu verstehen. Unterschiedliche Rezeptionen stehen erkenntnistheoretisch gleichberechtigt als Transkripte und Zitatzuschreibungen nebeneinander.
74 Jäger 2008a, S. 116. 75 Vgl. Heister 1999, S. 244. 76 Steinbrenner 1999, S. 138.
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Ein Erkennen, dass etwas zitiert wird, besteht in der Sprache z.B. im Wahrnehmen eines Stilbruchs im Text. Auch im Nicht-Sprachlichen, bei Bildern oder Filmen ist es möglich, dass der Rezipient quasi den Gestus des Zitierens, einen Codewechsel oder eine Zitatmarkierung erkennt, aber (noch) nicht bestimmen kann, um welche Referenz es sich handelt. Wenn wir nun von der Rezipienten- zur Produzentenperspektive wechseln, zeigt sich folgendes Szenario: Für den Zitatproduzenten77 ist nicht kontrollierbar, wie weit der Rezipient den Verweis rückwärts auf präexistente Skripturen in seiner Zitatrezeption zieht, und noch weniger, welchen semantischen Horizont der Rezipient aus dem ursprünglichen Zusammenhang des Zitats aktiviert. Zitieren erscheint insofern semantisch riskant, da die semantischen Konsequenzen nicht absehbar sind. Sinneffekte sind „genauso unkontrollierbar, wie sie keinesfalls willkürlich sind. Sie folgen den Gesetzmäßigkeiten der Kommunikation, Übersetzung, Übertragung, Metaphorisierung, Transkriptionen, die für jede Skriptur eine nicht abschließbare Kette potentieller Transkripte eröffnen.“78 Die Uneinholbarkeit solcher Sinnproduktionen besteht besonders für den Zitierenden. Ein Paradebeispiel dafür ist die Gedenkrede des Präsidenten des Deutschen Bundestages Philipp Jenninger anlässlich des 50. Jahrestages der Judenpogrome im Jahre 1988. Die im Redemanuskript als nationalsozialistischer Sprachgebrauch erkennbaren Passagen wurden vom Auditorium der Rede im Deutschen Bundestag mangels mündlichsprachlicher Markierung nicht als Zitate erkannt, sondern als Aussagen Jenningers verstanden. Der massenmedial ausgeweitete Skandal um diese Rede führte schließlich zu seiner Amtsniederlegung.79 Allerdings verwendete Jenninger keine direkten Zitate, sondern stellte die im nationalsozialistischen Deutschland gängigen Überlegungen und Argumentationen in Form der erlebten Rede dar. Die Markierung „so hieß es damals“80, die Jenninger in seine Rede einschob, reichte offensichtlich als Anzeige der fremden Redewiedergabe und als Distanzierungsmittel nicht aus. Jenninger selbst äußerte sich 2006 in einem Interview dazu:
77 Vereinfachend wird hier ein Zitatproduzent als Konzept angenommen und davon ausgegangen, dass ein solcher identifizierbar ist. 78 Kailuweit 2009, S. 31. 79 Vgl. Kerstan/Honsel 1992. 80 Jenninger 1988, zitiert nach König 2011, S. 395.
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„Der Vorwurf, ich hätte generell keine Anführungszeichen gesprochen, ist [...] albern. Es gab schon Sätze, bei denen ich hätte sagen können, dass ich sie in Anführungszeichen spreche. Ich habe mir allerdings gesagt: ‚Das sind ja alles Politiker, die 81
sind ja alle relativ intelligent, die werden schon verstehen, wie es gemeint ist. ‘“
Peter von Polenz schreibt in seiner Analyse der Rede Jenningers: „ZITIEREN ist sprachpragmatisch eine komplexe Handlung. Man ZITIERT nicht nur, sondern man tut damit – ob man es weiß oder nicht – zugleich noch etwas anderes.“82 Der Zitatnutzer positioniert sich, in welcher Haltung auch immer, zu dem Zitat, indem er es als Zitat verwendet. Die Positionierung ist mit einer Einstellungsbekundung zum Zitat verbunden, die vom Rezipienten interpretiert wird. „Wer zitiert, übernimmt auch Verantwortung für das Zitierte, das heißt die Rede im Namen des andern entbindet nicht davon, dass ich es bin, der ihm die Rede einräumt.“83 Dass der Rezipient den zitierten Inhalt mit der zitierenden Person in Verbindung setzt und dabei semantische Einordnungen vornimmt, hat auch Papst Benedikt XVI. unterschätzt. In seiner Regensburger Vorlesung im Jahr 2006 verwendete er ein Zitat des Kaisers Manuell II. Palaeologos von 1391, um seine Reflexion über den Zusammenhang von Vernunft und Glaube einzuleiten. Das Zitat lautete: „Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.“84 Diese Worte wurden als islamkritische Haltung des Papstes rezipiert. Benedikt XVI. schreibt dazu im Kommentar der gedruckten Version seiner Rede: „Dieses Zitat ist in der muslimischen Welt leider als Ausdruck meiner eigenen Position aufgefasst worden [...]. Ich hoffe, dass der Leser meines Textes sofort erkennen kann, dass dieser Satz nicht meine eigene Haltung dem Koran gegenüber ausdrückt [...]. Bei der Zitation des Texts von Kaiser Manuell II. ging es mir einzig darum, auf den we-
81 Jenninger 2006, zitiert nach König 2011, S. 443. 82 Polenz 1989, S. 295 f., Hervorhebungen im Original. 83 Jacob/Mayer 2010, S. 12. 84 Controverse VII 2c, zitiert nach Benedikt XVI. 2006, S. 16.
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sentlichen Zusammenhang zwischen Glauben und Vernunft hinzuführen. In diesem Punkt stimme ich Manuel zu, ohne mir deshalb seine Polemik zuzueignen.“
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Die Kritiker prangerten vor allem die fehlende Distanzierung des Papstes und Bewertung des Zitats an. So unterschiedlich die Fälle auch liegen: Sowohl Jenninger als auch Benedikt XVI. hätten möglicherweise durch Markierungen und Kommentare ihre Position vereindeutigen und somit die semantische Riskanz ihres Zitierens in gewisser Weise eindämmen können. Allerdings spielen bei diesen Beispielen diverse Faktoren eine Rolle, etwa der Kontext, aber auch die de-kontextualisierende und verkürzende Darstellung von Zitaten in der Presse. Beide Redner machten im Nachhinein zur Schadensbegrenzung von ihrem Interventionsrecht Gebrauch, um der allgemeinen Meinung ihre eigentlichen Absichten gegenüberzustellen. Sie konnten sich aber mit ihrer Interpretation nicht gänzlich gegen die zirkulierenden Transkriptionen durchsetzen und in dieser Hinsicht gesellschaftlich rehabilitieren. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Zitieren als Handlung zur Positionierung des Zitierenden und gleichzeitig zu semantischen Unwägbarkeiten führt.
2.3 Z ITATHAFTIGKEIT
UND I TERABILITÄT
Was kann überhaupt zitiert werden? Zitierbar ist alles, was durch Kontextualisierung und Verwendung zum Zeichen gemacht wird.86 Lambert Wiesing argumentiert ähnlich; er verdeutlicht die Gebrauchs- und Kontextgebundenheit eines Artefaktes als Zeichen für das nicht-sprachliche Objekt ‚Bild‘: „Jedes Bild kann ein Zeichen und kein Bild muß ein Zeichen sein.“87 Entscheidend ist bei der funktional ausgerichteten Bestimmung, dass Bilder, Musikstücke, Bauwerke usw. als Zeichen verwendet werden können und ihnen dadurch ein Zeichenstatus zugeschrieben wird. Zitieren setzt grundsätzlich voraus, dass eine Transkription prinzipiell möglich ist, dass also eine bestehende Skriptur segmentierbar, Teile isolier-
85 Benedikt XVI. 2006, S. 16. 86 Vgl. Posner 1992, S. 7 f. 87 Wiesing 2005, S. 39.
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bar und diese in einem anderen Zusammenhang versetzbar und wiederholbar sind. In der Frage der Wiederholbarkeit von zeichenhaften Artefakten als Voraussetzung eines Zitiervorgangs greife ich auf Jacques Derridas Ansatz der Aufpfropfung, in dem er das sprachliche Zeichen in seiner Zitathaftigkeit und Iterabilität diskutiert, zurück. Der Begriff des Zitats taucht bei Derrida in seinem Text „Signatur Ereignis Kontext“ im Zusammenhang einer grundlegenden Betrachtung von Kommunikation und Schrift auf. Das sprachliche Zeichen konstituiert sich laut Derrida als Zeichen erst durch zwei Bedingungen: zum einen durch die Möglichkeit des Herauslösens des Zeichens aus einem Kontext und des Einstellens in einen neuen. Derrida spricht hier von der „Kraft zum Bruch mit seinem Kontext“88. Zum anderen ist die Wiederholbarkeit des Zeichens, seine Zitierbarkeit entscheidend, die sich dadurch auszeichnet, dass diese Wiederholung keine identische Repetition darstellt, sondern als Iteration stets auch etwas anderes enthält, also Veränderung oder „Andersheit“89 inkludiert. In seinen Ausführungen setzt sich Jacques Derrida auch mit der Sprechakttheorie von John L. Austin auseinander. Austin beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern Sprechen Handeln bedeutet und führt in seinen Vorlesungen zur Sprechakttheorie zunächst eine Unterscheidung von konstatierenden und performativen Äußerungen ein. Während konstatierende Äußerungen als feststellende Aussagen entweder als wahr oder falsch beschrieben werden können, sind performative Äußerungen dadurch gekennzeichnet, dass der Akt des Aussprechens den Vollzug der in der Sprache artikulierten Handlung beinhaltet.90 Sprechen erweist sich damit als Handeln in der Welt, wobei das Gelingen einer performativen Äußerung von bestimmten Umständen und rahmenden nicht-sprachlichen Handlungen der Interaktanten abhängig ist. Normabweichungen, die die Standardverwendung von Sprechakten wie Krankheiten befallen, schließt Austin aus seiner Betrachtung aus. Dazu zählt er Äußerungen auf der Bühne, in einem Gedicht oder im Selbstgespräch, Zitieren und Rezitieren.91 „Unter solchen Umständen
88 Derrida 2001, S. 27. 89 Derrida 2001, S. 24. 90 Vgl. Austin 2002, S. 28 f. Die Unterscheidung von Konstativa und Performativa verwirft Austin später zugunsten einer allgemeinen Sprechakttheorie. Vgl. Austin 2002, S. 112 ff. 91 Vgl. Austin 2002, S. 43 f. u. S. 110.
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wird die Sprache auf ganz bestimmte, dabei verständliche und durchschaubare Weise unernst gebraucht und zwar wird der gewöhnliche Gebrauch parasitär ausgenutzt.“92 Diese Gebrauchsformen benennt Austin als Auszehrungen der Sprache, die durch nicht normale, auch fiktionale Äußerungskontexte entstehen. So beschreibt er die Möglichkeit des Scheiterns eines performativen Aktes als ein Befall des Sprechaktes von außen. Derrida hingegen betrachtet das Misslingen als eine notwendig mitzudenkende Möglichkeit, die das Gelingen stets begleitet. Mit der Einbeziehung der Misserfolge in die Erzeugung eines Sprechaktes wendet er sich gegen Austins These, es gäbe unernstes Sprechen wie das Sprechen auf der Bühne, das sich zum alltäglichen Sprechen parasitär verhalte. „Denn ist nicht schließlich das, was von Austin als Anomalie, Ausnahme, ‚unernst‘ ausgeschlossen wird, nämlich das Zitat (auf der Bühne, in einem Gedicht oder im Selbstgespräch) die bestimmte Modifikation einer allgemeinen Zitathaftigkeit – vielmehr einer allgemeinen Iterabilität – ohne die es nicht einmal einen ‚gelungenen‘ Performativ gäbe?“
93
Das Gelingen des performativen Aktes ist folglich abhängig von seiner Iterabilität.94 Zeichen können – mündlich wie schriftlich, aber auch sprachlich oder nicht-sprachlich – in einer unabschließbaren Kette der Wiederholungen zitiert werden, aus einem bisherigen Kontext herausgelöst werden und stets neue Kontexte produzieren, so „dass es nur Kontexte ohne absolutes Verankerungszentrum gibt.“95 Es geht also um die „Möglichkeit des Herausnehmens und des zitathaften Aufpfropfens, die zur Struktur jedes gesprochenen oder geschriebenen Zeichens [marque] gehört“.96 Derrida deutet die negativ konnotierte Metaphorik des Parasiten um zur Metaphorik des Aufpfropfens. ‚Pfropfen‘ bezeichnet in der Botanik eine Kultivierung, eine Pflanze auf eine angeschnittene Wirtspflanze aufzusetzen, um qualitative
92 Austin 2002, S. 43 f. 93 Derrida 2001, S. 39, Hervorhebung im Original. 94 Vgl. Derrida 2001, S. 24. Iterabilität verwendet Derrida synonym mit einer strukturellen Lesbarkeit in Abwesenheit von Produzent, Rezipient, Referent und Signifikat. 95 Derrida 2001, S. 32. 96 Derrida 2001, S. 32, Hervorhebung im Original.
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und quantitative Ertragssteigerungen zu erzielen.97 Dieser Pfropfvorgang illustriert die Rekontextualisierbarkeit des Zeichens, die mit Zitathaftigkeit und Iterabilität einhergeht. „Diese Zitathaftigkeit, diese Verdoppelung oder Doppeltheit, diese Iterabilität des Zeichens [marque] ist kein Zufall und keine Anomalie, sondern ist genau das (Normale/Anormale), ohne das ein Zeichen [marque] nicht einmal mehr auf sogenannt ‚normale‘ Weise funktionieren könnte. Was wäre ein Zeichen [marque], das nicht zitiert werden könnte?“
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Derridas Auseinandersetzung mit der Zitathaftigkeit sprachlicher Zeichen ist für die Beschreibung nicht-sprachlicher Zitate in mehrfacher Hinsicht fruchtbar und zwar erstens im Hinblick auf den Aspekt der Iteration, zweitens auf die Funktionsmöglichkeiten des Zitats im neuen Kontext sowie drittens auf den parasitären Status des Zitats. (1) Die Iteration: Es kann grundsätzlich festgehalten werden, dass Zitierbarkeit abhängig ist von der Iterabilität, einer Wiederholung, die stets mit Veränderung verbunden ist. Dieser Iterationsmechanismus lässt sich ebenso für nicht-sprachliches Zitieren annehmen. Zitieren setzt in der Konstituierung des Zeichens seine De- und Rekontextualisierung und die Notwendigkeit der Wiederholbarkeit voraus. (2) Die Funktionsmöglichkeiten des Zitats: Um die Funktionsmöglichkeiten des Zitats zu erläutern, muss man den Aspekt der Auszehrung von Sprache beleuchten. Austin geht davon aus, dass die illokutionäre Kraft des Sprechaktes im Zitat nicht mehr vorhanden ist. Die grundlegende Gelingensbedingung der Ernsthaftigkeit, die im normalen Vollzug einer Äußerung dem Sprecher Handlungskonsequenzen vorgibt, ist in der inszenierten Form des Sprechaktes nicht gegeben. Entscheidend ist die Sprechsituation, in der die Worte unernst geäußert werden.99 „Wenn ich beispielsweise ein Versprechen zitiere, dann verspreche ich damit nichts […]. Die illokutionäre Wirkung eines Zitats ist verschieden von der der zitierten Äußerung.“100 Folglich sind die handlungsbezogenen Konsequenzen (zum Beispiel eine
97
Vgl. Wirth 2011, S. 11 ff.
98
Derrida 2001, S. 32, Hervorhebung im Original.
99
Vgl. Waldenfels 1997, S. 323 ff.
100 Böhn 1999a, S. 11.
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Verpflichtung aufgrund eines Versprechens) im Zitat außer Kraft gesetzt. Die illokutionäre Rolle, die im normalen Sprachgebrauch konventionell vorliegt, ist im Zitat suspendiert. Was an ihre Stelle tritt, ist nicht mehr zwingend festgelegt und beruht auf der Interpretationsleistung des Rezipienten. Jegliche Äußerung kann von diesem parasitären Gebrauch der Sprache befallen sein, von dem „Szenenwechsel“101, wie Austin es nennt. Uwe Wirth vertritt diesbezüglich die gegenteilige Position, dass mit dem Verlust der illokutionären Kraft, der sich im Akt des Zitierens ereignet, gerade keine Auszehrung des Sprechaktes im Austinschen Sinne einhergeht. Vielmehr eröffnet sich im Kontextwechsel eine Potenzierung der Funktionsmöglichkeiten.102 Überträgt man diese sprechakttheoretische Argumentation auf andere mediale Formen des Handelns (malen, fotografieren oder bauen), so wird deutlich: Das ‚normale‘ Handeln und das ‚zitierende‘ Handeln unterscheiden sich insofern, dass mit dem Kontext- und Szenenwechsel die ursprüngliche Bedeutung suspendiert ist und etwas Anderes an die Stelle treten kann. Konventionelle Bedeutungen können durch eine zitierende Handlung in Frage gestellt und aufgebrochen werden. Gerade der Szenenwechsel ist bei der erwähnten Rede Jenningers im Bundestag nicht eingetreten, da seine Äußerungen vom Publikum nicht als Zitat, sondern als eigene Rede aufgefasst wurden. Dementsprechend wurde er auch auf die Konsequenzen ‚seines‘ Sprechhandelns festgelegt und ihm eine nationalsozialistische Haltung oder zumindest eine fehlende Distanzierung vorgeworfen. Im Zitieren erweitert sich potenziell der semantische Horizont, da die konventionelle Bedeutung in der „Kraft zum Bruch“103 suspendiert und Funktionen geändert werden können. Eine Einschränkung ist relevant: Auch wenn das Zitieren nicht an die konventionellen Funktionen des Zitierten bindet und die handlungsbezogenen Konsequenzen im Zitat außer Kraft gesetzt sind, so kann sich der Zitierende einer Positionierung nicht entziehen. Im Akt des Zitatrezipierens wird die ‚Transkriptionsmaschine der Semantikerzeugung‘ in Gang gesetzt. (3) Der parasitäre Status des Zitats: Dem Zitieren, das Austin noch als Parasit, als Schädling, betitelt, gibt Derrida eine positive Wendung. Die
101 Austin 2002, S. 43. 102 Vgl. Wirth 2011, S. 21. 103 Derrida 2001, S. 27.
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Metapher des Zitierens als Pfropfung hebt die ‚ertragssteigernde‘, mit anderen Worten bedeutungserzeugende Wirkungsmöglichkeit dieser Praktik hervor – die „Auszehrung“ bei Austin verwandelt sich in eine „Veredelung“, eine „Potenzierung der Wachstumskräfte“104. Wenn man sich mit Derrida dem Zitatbegriff nähert, so wirft seine Verwendung des Terminus Fragen auf. Er setzt den Begriff Zitat in Anführungszeichen oder kursiv, was auf eine nicht-wörtliche, in einer bestimmten Hinsicht erweiterte Verwendung des Begriffs hindeutet.105 Sein weiter Begriff des Zitats, der als Zitathaftigkeit/Iterabilität Sprache an sich kennzeichnet, steht, so scheint es zunächst, dem hier unternommenen Versuch einer theoretischen Präzisierung nicht-sprachlichen Zitierens entgegen. Derrida verfolgt keine klassifikatorischen Absichten, sondern verwendet den Begriff der Zitathaftigkeit, um ein Wesensmerkmal von Sprache herauszustellen. Zur Abgrenzbarkeit von Zitat und Nicht-Zitat schreibt er: „Es gilt also nicht so sehr, das Zitat oder die Iteration der Nicht-Iteration eines Ereignisses entgegenzusetzen, als vielmehr eine differentielle Typologie von Iterationsformen zu konstruieren“.106 Derrida behandelt diesen Aspekt nicht weiter und lässt offen, wie eine solche Typologie aussehen könnte. An diesem Punkt wird hier angesetzt und die Iteration als Hyperonym für das konkrete Zitieren betrachtet. Iteration beinhaltet die „Ereignishaftigkeit (in der Aktualität des Sprechakts), Wiederholung (eines Musters) und Differenz (in der Wiederholung).“107 Mit diesen drei Begriffen sind wesentliche Eckpunkte des Zitierens erfasst, die auch außerhalb sprachlicher Zusammenhänge Gültigkeit besitzen. Iteration gestaltet sich jedoch im Fall eines sprachlichen Zitats anders als bei bildlichen oder architektonischen Zitaten aufgrund unterschiedlicher Replikationsarten und medialer Bedingungen.108
104 Wirth 2004, S. 20 f. Vgl. hierzu Kap. 5.2. 105 Vgl. Derrida 2001, S. 40 u. S. 39. 106 Derrida 2001, S. 40. 107 Schumacher 2002, S. 386. 108 Vgl. Fehrmann et al. 2004, S. 17.
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2.4 Z ITATKRITERIEN 2.4.1 Präliminarien Wodurch ist das nicht-sprachliche Zitat gekennzeichnet? In dieser Frage kann man auf zwei Kriterien zurückgreifen, die Nelson Goodman entwickelt hat: das Enthaltensein des Zitierten im Zitat und die Bezugnahme auf das Zitierte. Für die Konzeption nicht-sprachlicher Zitate sind drei Festlegungen wichtig: (1) Das indirekte Zitat als Normalfall: Goodman beginnt seine Betrachtung von Zitaten mit der Differenzierung von direkten und indirekten Zitaten, wobei er das indirekte Zitat als die basale Variante des Zitierens einführt.109 Das direkte Zitat, das mit der Buchstabenabfolge des Zitierten identisch ist, nimmt demgegenüber einen Sonderstatus ein.110 Diese Betrachtungsweise ist entscheidend für nicht-sprachliche Zitate, da die Buchstäblichkeit des direkten Schriftzitats keine systematische Entsprechung in nicht-sprachlichen Symbolsystemen besitzt. Dadurch, dass das direkte Zitat nicht mehr als Prototyp, sondern als Spezialfall des Zitierens gilt, können medial differierende Formen indirekter Zitate in den Blick genommen werden. (2) Die pragmatische Ausrichtung der Zitatkriterien: Neben dieser Perspektivänderung ist eine pragmatische Orientierung wichtig. Die symboltheoretische Diskussion über mögliche Äquivalente zu Replikationen in Bildern und Bauwerken hat gezeigt, dass eine Merkmalsbeschreibung nicht-sprachlicher Zitate, die an rein syntaktischen Kriterien ausgerichtet ist, angesichts der Verschiedenheit der Symbolsysteme nicht zielführend ist – z.B. hinsichtlich der buchstäblichen Wiederholung im direkten Zitat. 111 Demzufolge werden hier pragmatisch ausgerichtete Kriterien entwickelt und damit Goodmans Zitatbestimmung nur in Grundlagen übernommen. (3) Der Terminusgebrauch – das Zitat: Steinbrenner und Baumberger kommen in der Anwendung der goodmanschen Zitatkriterien auf Bild- und Architekturzitate zu dem Schluss, den Zitatbegriff durch den Terminus der
109 Vgl. die Darstellung in Kap. 1.2.1. 110 Vgl. Goodman 1990, S. 61. 111 Vgl. Kap. 1.2.1.
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Anspielung zu substituieren.112 Erstens entspricht laut Baumberger die Anspielung als weniger spezifische Form der Bezugnahme mehr den Gegebenheiten indirekter Verweise in der Architektur – nämlich über Bezugnahmeketten der geteilten Merkmale. Zweitens würden architektonische Bezugnahmen grundsätzlich mehr sprachlichen Anspielungen als sprachlichen Zitaten ähneln. Weiterhin hätte die Architekturtheorie häufig Phänomene als Zitate bezeichnet, die eigentlich Anspielungen seien.113 Hier wird dem Sprachgebrauch gefolgt und der Begriff des Zitats beibehalten. Die Rede vom ‚architektonischen oder bildlichen Zitat‘ zu ignorieren und ‚Zitat‘ durch ‚Anspielung‘ zu ersetzen, löst inhaltlich nicht das Problem, die schwächeren Formen des nicht-sprachlichen Zitats in ihren Besonderheiten zu charakterisieren. Vielmehr gilt es, den Begriff des Zitats insbesondere für den Bereich der Architektur zu schärfen und genauer herauszuarbeiten, inwiefern ein architektonischer Bestandteil als zitierende Bezugnahme auf ein anderes Gebäude gekennzeichnet werden kann. 2.4.2 Enthaltensein und Verweisen im Zitat Das Enthaltensein besteht nach Goodman in der syntaktischen Replikation – als Identität der Buchstabenabfolge – oder in der semantischen Paraphrase des Zitierten im Zitat.114 Die Schwierigkeiten von Replikationen z.B. in Bildern wurden bereits angesprochen. Böhn weist zudem darauf hin, dass die Wiederholung eines Ausdrucks, selbst eine identische Replikation, etwas noch nicht zum Zitat macht, sondern erst eine bestimmte Verwendung. Böhn folgt dabei Goodmans Ablehnung des Identitätskriteriums für Zitate und entscheidet sich für die schwächere Kategorie des Enthaltenseins von strukturellen oder inhaltlichen Elementen im Zitat.115 Die terminologische Veränderung übernehme ich, da syntaktische Replikation und semantische Paraphrase sprachsystemähnliche Strukturen implizieren. ‚Struktur‘ und ‚Inhalt‘ sind hingegen allgemeinere Kategorien, die auf alle medialen Systeme zutreffen können.
112 Vgl. Steinbrenner 2004, S. 221; Baumberger 2010, S. 435. 113 Vgl. Baumberger 2010, S. 434 ff. 114 Vgl. Goodman 1990, S. 61 f. 115 Vgl. Böhn 2001a, S. 44.
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Wie wird in diesem Zusammenhang mit dem Phänomen der ‚Wörtlichkeit‘ des Zitierens umgegangen? Zur ‚Wörtlichkeit‘ im Sinne einer buchstabengetreuen Repetition der Schriftsprache besteht in nicht-sprachlichen medialen Systemen selten ein Äquivalent. In der Musik liegen notengleiche Zitationen von Musikstücken, etwa im Werk des Komponisten Bernd Alois Zimmermann, vor. Zimmermann integriert in seinem Werk „‚Monologe‘ für zwei Klaviere“ verschiedene direkte Musikzitate von Bach, Mozart, Debussy und Messiaen. In der Partitur weist er sprachlich auf seine intramedialen Zitate hin, indem er den zitierten Werktitel sowie den Namen des Komponisten angibt. Im zweiten Monolog sind beispielsweise die ersten Takte eines Choralvorspiels von Bach notengetreu zitiert und mit dem Hinweis versehen: „deutlich zitieren: deutlich machen, dass zitiert wird!“116 Gleichzeitig notiert Zimmermann aber für die Aufführung „ohne ‚Übergang‘“.117 Die Zitate sollen also nicht über eine Pause, eine zeitliche Zäsur hörbar werden, sondern eher im Ausdruck der Spielweise. Solche identischen Wiederholungen wie in dem Musikbeispiel bilden jedoch eher die Ausnahme. Im übertragenen Sinn ist das Konzept eines sichtbar gemachten, im Gesamteindruck auf Gleichheit abzielenden Zitierens in nicht-sprachlichen Systemen indes durchaus von Relevanz. Dies zeigt sich an einem intramedialen Bildzitat von Edouard Manet. Der Maler zitiert sich selbst in seinem Portrait „Emile Zola“ (1868), indem er sein Gemälde „Olympia“ in verkleinerter Form in der rechten oberen Ecke des Bildes wiedergibt. Die dargestellte Olympia blickt dabei nicht wie im Originalbild den Betrachter an, sondern wendet sich dem portraitierten Emile Zola zu. Da Zola den Maler gegen die Kritik an seinem Bild „Olympia“ öffentlich verteidigte, schenkte ihm Manet zum Dank sein gemaltes Portrait mit der Olympia im Bild.118 Zum Phänomen des wörtlichkeitsähnlichen Zitierens in nicht-sprachlichen Kontexten vertrete ich eine handlungsorientierte These: In diesen Fällen besteht eine partielle Gleichheit, die wir gelernt haben, als Ähnlichkeit besonders starker Ausprägung zu erkennen. Die partielle Gleichheit kann auf struktur- oder inhaltsbezogenen Übernahmen basieren. In der Konzeption von Ähnlichkeit knüpfe ich an ein Argument von Goodman an. Er
116 Zimmermann 1964, S. 8 bei Takt 22. Vgl. Ullrich 2006, S. 102 f. 117 Zimmermann 1964, S. 8. 118 Vgl. Asemissen/Schweikhart 1994, S. 228.
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führt aus, dass Ähnlichkeit – bezogen auf das Verhältnis von bildlicher Repräsentation und dargestelltem Sujet – keine Eigenschaft von Bildern per se ist, sondern eine kulturell gelernte Fähigkeit der Ähnlichkeitskonstruktion durch den Bildbetrachter – eine Bildkompetenz.119 In der Erklärung des Zusammenhangs von Bild und Bildobjekt ist das Konzept der Ähnlichkeit unter anderem deswegen problematisch, weil Ähnlichkeit eine symmetrische Beziehung impliziert, dies jedoch bei Bild und Bildobjekt nicht der Fall ist.120 Im Verhältnis von Skript und Zitat ist jedoch, wenn wir über Formen des wörtlichen Zitierens sprechen, von einer symmetrischen Ähnlichkeitsrelation auszugehen. Ähnlichkeit ist weiterhin dadurch charakterisiert, dass sie auf dem Prinzip des Vergleichs beruht und in graduellen Varianten besteht.121 Zudem haben psychologische Studien gezeigt, dass Wahrnehmungen von Ähnlichkeit kontextsensitiv, vorwissens- und kulturabhängig sind.122 Die Wahrnehmung von Ähnlichkeit beruht also auf einem vergleichenden Sehen. Das vergleichende Sehen, als Gegenüberstellung zweier Bilder beispielsweise, ist eine traditionelle und immer noch praktizierte Methode der Kunstgeschichte zur Bildinterpretation – entweder in der Suche nach Differenzen oder Gemeinsamkeiten. Peter Geimer hat dargestellt, wie es zu einer grundlegenden kulturellen Praktik avanciert ist. Zeitabhängig werden sehr unterschiedliche Objekte als vergleichbar und sich ähnelnd wahrgenommen, wie Geimer am Beispiel des gelungenen Betrugs von Han van Meegeren veranschaulicht, der in den 1940er Jahren Vermeers fälschte. Dem heutigen Expertenblick erschließt sich die damals als evident gesehene Ähnlichkeit der gefälschten Vermeers mit den Bildern Jan Vermeers nicht mehr, weil zeitund kulturabhängig andere Vergleichskriterien angelegt werden.123 Zwei Aspekte sind beim vergleichenden Sehen für die Betrachtung von Zitaten besonders relevant: der Aspekt des kulturellen Lernens und Ein-
119 Vgl. Goodman/Elgin 1993, S. 153. 120 Vgl. Scholz 2004, S. 23. 121 Vgl. dazu Scholz 2004, S. 23. 122 Vgl. Müsseler (Hg.) 2008, S. 393. Ähnlichkeit wird hier in erster Linie für das Sehen ausformuliert. Das Hören von Ähnlichkeit bei Musikzitaten müsste separat untersucht werden. 123 Vgl. Geimer 2010, S. 46 ff.
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übens eines Sehens, das „Sehen als“124, verbunden mit einem schöpferischen und transkriptiven Akt des Betrachters im Sehen als Zitat, das nicht mit den geplanten Zitaten des Zitatproduzenten übereinstimmen muss. Das Sehen als ist die Grundlage für das Erkennen, was zitiert wird. Ähnlichkeiten können durch das gezielte Nebeneinanderstellen von Skripturen auch suggestiv erzeugt werden. Mit dieser Wirkung, dass visuelle Nachbarschaft als Ähnlichkeitsaussage funktionieren kann, spielte beispielsweise die Ausstellung „Auf Leben und Tod. Der Mensch in Malerei und Fotografie“ in Köln im Jahr 2010. Bilder aus der Sammlung des „Wallraf-Richartz-Museums“ wurden mit Fotografien der „Sammlung Teutloff“ kontrastiert. So stellten die Kuratoren eine mittelalterliche Darstellung der Kreuzabnahme Jesu, umringt von trauernden Frauen, („Beweinung Christi“, Meister der hl. Sippe d.J. und Werkstatt, um 1483-1485; Abb. 2) die Fotografie „Jackie Kennedy und Lee Radziwill am Sarg von Robert Kennedy“ (Robert Lebeck, 1968; Abb. 3) gegenüber.125 Die Ausstellung diskutierte durch die Zusammenführung von historischen Gemälden und zeitgenössischen Fotografien, wie „alte Bildformulare, bildrhetorische Strategien, Kompositions- und Pathosformeln von der Fotografie aufgegriffen werden.“126 Allein die Tatsache, dass diese beiden Trauerbilder nebeneinander hängen, lässt im vergleichenden Sehen nach Gemeinsamkeiten, Unterschieden sowie formalen und inhaltlichen Bezügen der modernen Fotografie zur Malerei suchen – etwa in diesem konkreten Fall in der Trauerhaltung der Frauen, die alle eine Kopfbedeckung tragen.
124 Wittgenstein 1984, S. 524 u. 531. 125 Vgl. Krischel 2010b, S. 131. 126 Krischel 2010a, S. 34.
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Abbildung 2: Meister der hl. Sippe d.J. und Werkstatt: „Beweinung Christi“ um 1483-1485
Quelle: Blühm/Krischel (Hg.) 2010, S. 71
Abbildung 3: Lebeck: „Jackie Kennedy und Lee Radzwill am Sarg von Robert Kennedy“ 1968
Quelle: Blühm/Krischel (Hg.) 2010, S. 70
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Dieser Wirkung des vergleichenden Sehens, der ‚visuellen Evidenz des Zeigens‘, entziehen sich auch nicht die hier visuell nebeneinander gestellten Zitatquellen und Zitate, die von der sprachlichen Erläuterung und Zuschreibung begleitet dem Leser suggerieren: „Dieses ist ein Zitat von jenem“. Den Aspekt des Zeigens beschreibt Gottfried Boehm in der Gegenüberstellung von Sagen und Zeigen, dass „Bilder ihrer eigenen Natur nach auf einem doppelten Zeigen beruhen, nämlich etwas zu zeigen und sich zu zeigen.“127 Das Zeigen der Bilder besteht also als Wechselbeziehung zwischen Etwas- und Sich-Zeigen. Bei den Bildzitaten dieses Buches beinhaltet dieses Sich-Zeigen auch den Akt des Etwas-als-Zitat-Zeigens, der vom Leser nachvollzogen oder in Frage gestellt werden kann. Das materielle Präsentieren der Bilder interagiert dabei mit der textlichen Zuschreibung. Im Gegensatz zur Situation des Zitaterkennens im Alltag ist beim Lesen des Buches weder die Kenntnis des ‚Originals‘ notwendig noch eine mentale Imagination des Vorbilds zur Interpretation des Zitats, da die Referenz textlich und bildlich hergestellt wird. Das Sehen als Zitat wird quasi durch Zeigen als Zitat suggeriert. Neben das Zitatkriterium des Enthaltenseins struktureller und inhaltlicher Elemente tritt ein weiteres, pragmatisches Kriterium. In Referenz auf Donald Davidsons Konzept des Zitats als Erwähnung eines Ausdrucks führt Böhn die Verweisfunktion als essentielles Kennzeichen des Zitats ein. Mit dem Begriff der Verweisfunktion spezifiziert Böhn die goodmansche ‚Bezugnahme‘ des Zitats auf das Zitierte und differenziert verschiedene Reichweiten des Verweisens: Als Verweis kann sich das Zitat per Erwähnung auf das zitierte Zeichen, einen bestimmten Gebrauch dieses Zeichens oder auch auf den semantischen Zusammenhang des Zitierten in seinem ursprünglichen Kontext beziehen.128 Ein Zitat erwähnt die Zeichen des Zitierten, es gebraucht sie in der Regel nicht. Die Erwähnung kann aber – als weitere Option – zusätzlich auch vom Gebrauch eines Ausdrucks im Zitat begleitet werden.129
127 Boehm 2008, S. 19, Hervorhebung im Original. 128 Auch wenn Steinbrenner darauf hinweist, dass sich Erwähnung nur auf sprachliche Erscheinungen bezieht, wird der Begriff im Folgenden auch auf andere mediale Systeme angewendet. Vgl. Steinbrenner 2004, S. 85. 129 Vgl. Böhn 2001a, S. 33 ff. Dieser Gebrauch spielt bei gebauten Zitaten eine große Rolle. Vgl. Kap. 4.3.
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„Die Verweisfunktion, deren Erfüllung von pragmatischen Rahmenbedingungen, von der konkreten Verwendungssituation bzw. ihren Regelhaftigkeiten abhängt, steuert das Verständnis der Identität von Zitat und Zitiertem oder sonstiger Formen des Enthaltenseins als Zitatkriterium.“
130
So steht das Erkennen des Verweises vor der Identifizierung als Zitat durch das Kriterium des Enthaltenseins. Die Verweisfunktion als Thematisierung des Zitierten ist genuin für das Zitat und trennt es von anderen Wiederholungsformen wie dem Plagiat, bei denen der Produzent gerade versucht, diesen Verweis zu verschleiern.131 Im Fall des Plagiats sind zwar strukturelle und inhaltliche Elemente der Ausgangsskriptur im neuen Werk enthalten, aber die Verweisfunktion wird negiert und eine eigene, verweisunabhängige Autorschaft behauptet. Zusammenfassend bringt die symboltheoretische Herangehensweise folgende Erkenntnisse für den Objektbereich nicht-sprachlicher Zitate hervor: (1) Die Abkehr von der Wörtlichkeit: Das direkte Zitat stellt einen Sonderfall einer großen Gruppe unbestimmterer Formen nicht-sprachlichen Zitierens dar. Während also die Wörtlichkeit als zentrales Kriterium eines nicht-sprachlichen Zitats fallen gelassen wird, wird das Phänomen wörtlichkeitsähnlichen Zitierens in nicht-sprachlichen Kontexten hier als ein Effekt hergestellter Ähnlichkeitsbeziehung zwischen Zitat und Skript konzeptualisiert. Direkte Zitate zeichnen sich durch eine symmetrische Beziehung zum Zitierten aus, beruhen auf partieller Gleichheit mit dem Zitierten und werden in einem Akt des vergleichenden Sehens kontext- und kulturabhängig als Ähnlichkeitsverhältnis besonders starker Art konstruiert. Im Weiteren wird dies als Explizitheit des Zitats bezeichnet. (2) Die Verweisfunktion und das Enthaltensein: Die Verweisfunktion und, davon abhängig, das Enthaltensein struktur- oder inhaltsbezogener Merkmale wurden, Böhn folgend, als basale Kennzeichen nichtsprachlicher Zitate eingeführt. Das Enthaltensein des Skripts allein macht eine Skriptur noch nicht zum Zitat, entscheidend ist der Verweis. Der Verweis des Zitats aus seinem Gesamtzusammenhang heraus auf eine andere
130 Böhn 1999a, S. 14, Hervorhebungen im Original. 131 Vgl. Böhn 2003, S. 7. Vgl. dazu auch Steinbrenner 2004, S. 221 f.
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Skriptur unterscheidet es von seiner nichtzitierenden Umgebung und kann unterschiedliche Reichweiten aufweisen. (3) Das Erwähnen und Gebrauchen des Zitierten: Im Umgang mit dem Zitierten im Zitat sind die Erwähnung und, ergänzend, der Gebrauch als verschiedene, aber bisweilen auch gleichzeitig vorliegende Nutzungsformen von Vorlagen zu differenzieren.
2.5 Z ITATKLASSIFIZIERUNG NACH V ERWEISARTEN Was wird im nicht-sprachlichen Zitat wiederholt? Diese Frage lässt sich mit einer Unterscheidung in der Art des Verweisens in Type und Token, die von Charles Sanders Peirce eingeführt wurde, beantworten.132 Ein Type benennt den Systembezug und ein Token die einzelnen Vorkommnisse eines Types. Beispielsweise können wir in der Architektur von einem spezifischen Bauelement, etwa dem Type ‚Säule‘ sprechen, der in diversen Tokens realisiert ist. Diese können ganz unterschiedlich ausgestaltet sein – ähnlich wie in der Schriftsprache das Type ‚und‘ als singuläres Ereignis unter anderem auch typographisch verschiedene Gestalten annimmt. Die Tokens repräsentieren jedoch grundsätzlich den Type als dessen raum-zeitlich konkrete Realisierung. Als Verkörperung des Types ‚Säule‘ sind in diesem Sinne einzelne Token-Vorkommnisse der Baugeschichte zitierbar. Ebenso ist eine zitierende Bezugnahme auf den Type selbst möglich. Diese beiden Verweisarten (type- und tokenbezogen) entsprechen zwei verschiedenen Formen des Zitats, die Posner in seinem intertextuell-semiotischen Ansatz als Ausdruckszitat (als Bezugnahme auf den Ausdruck selbst) und als Äußerungszitat (als Bezug auf eine konkrete Äußerung) benennt. Ich verwende stattdessen die medienneutraleren Bezeichnungen des Typezitats und Tokenzitats. Als dritte Zitatform führt Posner das Codezitat ein. Dies liegt vor, wenn ein Code einer Kultur, der durch andere Codes begrenzt wird und so zum Zeichen geworden ist, im Zitat thematisiert wird. Hier wird also nicht auf eine Äußerung, die gemäß einem bestimmten Code gestaltet ist, Bezug ge-
132 Vgl. Peirce 1998, 4/537. Zum Verhältnis von Iterabilität und der Type-TokenRelation vgl. Wirth 2004, S. 23 ff.
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nommen, sondern auf den Code selbst.133 Entgegen Posner, der das Codezitat nur in nicht-sprachlichen Zitatzusammenhängen und als Sonderfall des Ausdruckszitats verortet, folge ich Böhns Auffassung, der einerseits herausstellt, dass Codezitate auch in der Sprache stattfinden und andererseits das Codezitat als eigenständige Kategorie neben dem Type- und Tokenzitat etabliert.134 Das Zitieren eines Codes beschränkt sich nicht auf dessen Aktualisierung, sondern enthält eine thematisierende Referenz auf den Code: „Doch nur wenn das Zitat als Verweis auf den Code und nicht etwa auf bestimmte Äußerungen gemäß diesem Code verstanden wird, fungiert es als Codezitat.“135 Als Codezitat sind keine kulturellen Gesamtcodes zitierbar, da es in diesen Fällen keinen kontrastierenden Codekontext geben kann, in dem das Zitat als zitierende, fremde Einheit erscheint. Nach einer Definition von Böhn lässt sich das bisher wenig erforschte Codezitat in verschiedene Arten gliedern: Erstens sind einzelne Subcodes zitierbar, die durch historische, mediale und kulturelle Faktoren bestimmt eine spezifische Gestalt erhalten. Zweitens können bestimmte, z.B. epochale oder gruppenbezogene Stile Gegenstand eines Codezitats sein. Als dritte Möglichkeit eines Codezitats nennt Böhn Formen, die als kulturelle Schemata fungieren (Formzitat).136 Böhn benennt nur das Formzitat und behandelt die beiden anderen Varianten nicht. Sie werden hier als Subcodezitat und Stilzitat betitelt. Formen weisen eine gewisse Prägnanz auf, die sie von anderen Formen unterscheidet und die mit bestimmten Funktionen verbunden ist. Funktionen von Formen können sich im Laufe der Zeit wandeln, so dass Formen stabiler sind als ihre Funktionen.137 Ein Formzitat kann beispielsweise im zitierenden Bezug auf Formen bestehen, die in ihrer ursprünglichen Version nicht mehr unhinterfragt gültig sind oder aufgrund von „kultureller Dis-
133 Vgl. Posner 1992, S. 3 ff. Posner wählt die Schreibweise des Kodezitats, der hier nicht gefolgt wird. Weiterhin nennt Posner das Figurenzitat als Teilzitat des Codezitats, das auf Zeichenbestandteile Bezug nimmt. Vgl. Posner 1992, S. 9. 134 Vgl. Böhn 2001a, S. 39 ff. 135 Böhn 2001a, S. 39. 136 Vgl. Böhn 1999a, S. 16 ff. 137 Vgl. Böhn 2001a, S. 80 f.
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tanz“138 zwischen dem Skriptkontext und dem Zitatkontext fremd erscheinen. Die unterschiedlichen Erscheinungsformen des Codezitats spezifiziere ich zusätzlich zu der bestehenden Terminologie hinsichtlich ihrer Typeund Tokenbezogenheit. So wird die These vertreten, dass jedes Codezitat primär type- oder tokenbezogen gestaltet sein kann. Die Beispieldiskussion zeigt, was damit gemeint ist. Ein Subcodezitat intermedialer Art, das ein Gemälde im medialen System der Fotografie zitiert, stellt das Werk „Ohne Titel XI“ (1999) des Fotografen Andreas Gursky dar (Abb. 4). Er fotografierte ein Gemälde von Vincent van Gogh so im Detail,139 dass nur noch die Materialität des Bildes zu sehen ist. Der charakteristische Farbauftrag und die Pinselführung van Goghs werden auf diese Weise sichtbar. Weder über den Werktitel noch über das Dargestellte ist ein direkter Bezug auf ein bestimmtes Gemälde möglich. Der spezielle Farbauftrag van Goghs wird jedoch als personenbezogener Subcode erkennbar. Handelt es sich nun um ein type- oder tokenbezogenes Subcodezitat? Abhängig von der rezipientenseitigen Kenntnis des Œuvres von Vincent van Gogh kann dem fotografierten Detail ein konkretes Gemälde zugeordnet werden. In dem Fall liegt ein Tokenbezug vor; anderenfalls ist ein Typebezug anzunehmen.
138 Böhn 2001a, S. 18. 139 Vgl. Hentschel 2011, S. 181. Unklar ist, wie die Fotografie entstanden ist – ob sie auf der Fotografie des realen Gemäldes basiert oder ob eine Reproduktion als Vorlage diente. In diesem Fall läge dem Werk eine andere intermediale Zitation zugrunde. Ausgehend von Gurskys Arbeitsweise kann angenommen werden, dass er die Fotografie digital bearbeitet und so stilisiert hat.
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Abbildung 4: Gursky: „Ohne Titel XI“ 1999
Quelle: Hentschel 2011, S. 181
Ein Stilzitat liegt in den beiden folgenden Beispielen vor, die ebenfalls Transkriptionen von der Malerei in die Fotografie zeigen, allerdings in einer indirekteren Form der Bezugnahme. Der Fotograf Hendrik Kerstens zitiert in seiner Fotografie „Bag“ (2007) „in Komposition, Farbigkeit und Beleuchtung [...] ganz bewusst altniederländische und -deutsche Porträts.“140 (Abb. 6) Als mögliches Referenzobjekt dieses Zitats kann das „Bildnis einer jüngeren Frau mit Nelke“ (um 1538) von Bartholomäus Bruyn d.Ä. herangezogen werden (Abb. 5).141 Die Funktion des Stilzitats zeigt sich besonders in der zitierenden Aufnahme der Haube, die ironischerweise aus einer modernen Plastiktüte besteht.
140 Krischel 2010b, S. 132. 141 Diese Verbindung wurde in der Ausstellung „Auf Leben und Tod. Der Mensch in Malerei und Fotografie“ des Wallraf-Richartz-Museums in Köln hergestellt. Vgl. Krischel 2010b, S. 132.
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Abbildung 5: Bruyn d.Ä.: „Bildnis einer jüngeren Frau mit Nelke“ um 1538
Quelle: Blühm/Krischel (Hg.) 2010, S. 72
Abbildung 6: Kerstens: „Bag“ 2007
Quelle: Blühm/Krischel (Hg.) 2010, S. 73
Das Beispiel besitzt auch Anteile eines Formzitats (in der Übernahme der Haubenform). Der Bezug auf einen epochalen Stil und Dresscode der Renaissance, der hier mit einem billigen, negativ konnotierten Alltagsmaterial unserer Wegwerfgesellschaft gebrochen wird, spricht jedoch für eine Einordnung als Stilzitat. Aufgrund seiner systembezogenen Zitierweise, die
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sich nicht auf ein konkretes Werk bezieht, sondern auf die Menge der Porträtdarstellungen jener Zeit, ist das Stilzitat als typebezogen einzuordnen. Ebenfalls als typebezogenes Stilzitat lässt sich die Fotografie „Stilleben S.P.“ (2008) von Carina Linge bezeichnen (Abb. 7). Linge zitiert den Bildtypus des barocken Stilllebens in der Bildkomposition, der Lichtführung und teilweise in den präsentierten Objekten. Die Modernität der Objekte (z.B. ein Brechbohnenglas mit welkenden Blumen) interpretiert dabei den Bildtypus des 17. Jahrhunderts neu. Die verwendeten zeitgenössischen Artefakte der Bilderserie, zu der „Stilleben S.P.“ zählt, gehören realen Personen, die die Künstlerin interviewt und mittels der arrangierten Stillleben in gewisser Weise porträtiert. So enthalten auch die Werktitel die Initialen der Personen.142 Abbildung 7: Linge: „Stilleben S.P.“ 2008
Quelle: Zilch 2011, S. 81
Die Kategorie des Formzitats kann man an einer Figur bei Walt Disney illustrieren. Er referierte in seinem 1937 erschienenen Zeichentrickfilm „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ in der Figur der bösen Königin auf die berühmte „Uta von Naumburg“ (Naumburger Meister zwischen
142 Vgl. Zilch 2011, S. 88 f.
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1243 und 1249), eine der Stifterfiguren am Naumburger Dom (Abb. 8).143 Disney und seine Zeichner zitieren in diesem intermedialen Formzitat (von der plastischen Figur zur Figurengestaltung im Film) die Krone, das abstrahierte Gebende um Kinn und Ohren, die Gesichtsform und die markanten, geschwungenen Augenbrauen sowie den weiten Umhang mit stehendem Kragen. Diese Statue der deutschen Gotik, die im Laufe der Jahrhunderte zu zahlreichen Rezeptionen Anlass gab – in Dramen, Romanen und Filmen verarbeitet und im Nationalsozialismus als Idealbild der deutschen Frau instrumentalisiert wurde –, erhält hier eine Umdeutung als böse, missgünstige Stiefmutter (Abb. 9). Es wurde auch die These vertreten, dass es sich bei der zitierenden Wiederaufnahme im Film um eine explizite Antwort auf die nationalsozialistische Indienstnahme der Figur handelt – von der reinen, schönen Uta zur bösen Königin.144 Abbildung 8: Naumburger Meister: „Uta von Naumburg“ zwischen 1243 und 1249
Quelle: Dwars 2011, S. 53
143 Als weitere Inspirationsvorlagen werden in der Literatur die HollywoodSchauspielerin Joan Crawford sowie die Theatermasken des polnisch-amerikanischen Maskenbildners Wladyslaw Theodor Benda genannt. Vgl. Girveau/ Diederen (Hg.) 2008, S. 170. 144 Vgl. zur Rezeptionsgeschichte der Stifterfigur Dwars 2011, S. 43 ff.
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Abbildung 9: Die böse Stiefmutter (Still aus „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ 1937)
Quelle: Dwars 2011, S. 63
Dieses Zitat zitiert nicht einen bestimmten Epochenstil, was für eine Klassifizierung als Stilzitat spräche. Vielmehr referiert die Filmfigur tokenbezogen auf die konkrete, besonders prägnante und formbezogene Gestaltung der Uta und knüpft an den majestätischen und stolzen Ausdruck des ‚Originals‘ an. Die Beispiele zeigen, dass für den Bereich nicht-sprachlicher Zitate die genannten Kategorien des Type- und Tokenzitats sowie des Codezitats mit den Unterkategorien Subcodezitat, Stilzitat und Formzitat eine sinnvolle Differenzierung darstellen. Dies hat sich auch in der Literatur an Beispielen aus der Musik, Kunst und Architektur bestätigt.145 Die Untergliederung des Codezitats ermöglicht es, unterschiedliche Bezugsarten zu diskriminieren, zumal die Begriffe ‚Subcode‘, ‚Stil‘ und ‚Form‘ auch für Bilder, Musik oder Architektur ohne größere Probleme adaptiert werden können. Die Klassifizierung ist zwar im Einzelfall nicht immer trennscharf, zeigt jedoch auf, dass im Zitat unterschiedliche Schwerpunktsetzungen dominieren können in der Art, sich auf die zitierte Vorlage zu beziehen. Unterschiedliche Aspekte stehen im Vordergrund, entweder der Bezug auf das System (Typezitat), auf einzelne Vorkommnisse/Artefakte (Tokenzitat), auf einen speziellen kulturellen Code (Subcodezitat), auf epochale Stile (Stilzitat) oder auf charakteristische Formen (Formzitat).
145 Vgl. Posner 1992, S. 7 ff.; Böhn 2001b.
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Die generelle Grenzziehung zwischen Einzel- und Systemreferenz (Token- und Typezitat) ist in gewisser Hinsicht problematisch, da sich beide mehr in einem Wechselverhältnis konstituieren.146 Entscheidend ist jedoch, dass bei Einzel- oder Systembezügen verschiedene Ausrichtungen vorliegen; einmal werden einzelne Skripturen, im anderen Fall systembezogene Eigenheiten zum Thema eines Zitats gemacht. Zudem erfordert der zitierende Bezug auf einen Type beim Rezipienten ein anderes Wissen als die Referenz auf spezielle Artefakte. So müssen „einmal nur Strukturen, allgemeine Regeln und d.h. ein endliches Repertoire bekannt sein [...], das andere Mal jedoch eine partikular-spezifische Aktualisierung dieser allgemeinen Strukturen.“147
2.6 Z ITATMARKIERUNGEN Wie werden nicht-sprachliche Zitate markiert? „Anführungszeichen lassen sich nicht nur schlecht mündlich wiedergeben, man kann sie auch schlecht singen, tanzen, filmen, malen, bauen.“148 Dennoch sind Markierungen ebenso in nicht-sprachlichen Systemen vorhanden. Intertextuelle Forschungen haben gezeigt, dass Markierungen den Status einer fakultativen Ergänzung besitzen, die einen zitierenden Verweis anzeigen. Markierungen bezeichnen explizite Hinweise auf zitierende Bezugnahmen, wobei grundsätzlich zwischen unmarkierten und markierten Zitaten unterschieden werden kann. Sie treten in unterschiedlichen Deutlichkeitsgraden auf und können entweder isoliert stehen und das Zitat einrahmen beziehungsweise einleiten oder Teil des Zitats selbst sein.149 Entscheidendes Kennzeichen für Markierungen sind Momente des Codewechsels, wie Posner zeigt. Bei zeitlich ausgerichteten medialen Systemen kann es zudem einen vorangehenden Rahmenausdruck geben, der das zitierende Zeichen einführt, etwa in der Musik. In anderen Fällen stehen einführendes Zeichen und zitierendes Zeichen nebeneinander. Posner identifiziert verschiedene Methoden, wie ein Zitat als solches im Gesamt-
146 Vgl. Pfister 1985, S. 17 ff. 147 Hempfer 1991, S. 15. 148 Posner 1992, S. 4. 149 Vgl. Helbig 1996, S. 52 ff.
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zusammenhang sichtbar gemacht werden kann. Diese Strategien führe ich in einer abgewandelten Terminologie ein:150 Die Methode der Skriptur in der Skriptur schafft eine Rahmung, die den Wechsel zum Zitat inhaltlich signalisiert – z.B. ein Zitatbild auf einer Staffelei oder in einem Bilderrahmen innerhalb eines Bildes. „Bilderrahmen oder Schaukästen sind ebenso wie Bühnen hinreichend, um den in die Konventionen Eingeweihten darüber zu informieren, daß er auf das, was sie abgrenzen, nicht so zu reagieren hat, als ob es real wäre“.151 In diese Richtung argumentiert auch Goodman, der in Gemälden dargestellte Bilderrahmen oder Staffeleien als Anzeige eines Bildzitats ansieht.152 Eine solche Skriptur in der Skriptur liegt bei dem bereits erwähnten Gemälde „Emile Zola“ von Edouard Manet vor. Manet arrangiert in einem Rahmen an der Wand des dargestellten Raumes das Selbstzitat seines Gemäldes „Olympia“, zusammen mit einem japanischen Farbholzschnitt und einer Skizze.153 Jakob Steinbrenner führt gegen die Einordnung von Rahmungen als Zitatmarkierungen an, dass das im Rahmen Dargestellte nicht zwangsläufig ein Bild im Bild ist. Es kann auch nur der Rahmen selbst präsentiert werden.154 Letztlich ist, wie Goodman anmerkt, der Kontext maßgeblich.155 Die fokussierende Gliederung lenkt die Aufmerksamkeit auf das Zitat durch die Strukturierung von Raum oder Zeit im Artefakt – z.B. ein Torbogen als Blickfang, hinter dem sich ein Bildzitat befindet. So führt etwa der Maler Diego Velázquez in seinem Gemälde „Las Hilanderas“ (um 1658) den Blick des Betrachters in der Bildmitte durch einen Torbogen in einen weiteren Raum, in dem als Wandteppich ein Bildzitat von Tizians „Raub der Europa“ (1562) zu sehen ist.156
150 Vgl. Posner 1992, S. 10 ff. Posner bezeichnet die Markierungsformen als Text im Text, fokussierende Artikulation, Verblassen und Unterbrechung. Als weitere Methoden nennt er die Niveauabstufung und die Stilisierung, die hier nicht behandelt werden. 151 Danto 1991, S. 48. 152 Vgl. Goodman 1990, S. 65 f. 153 Vgl. Asemissen/Schweikhart 1994, S. 228. 154 Vgl. Steinbrenner 1999, S. 141 ff. 155 Vgl. Goodman 1990, S. 65 ff. 156 Vgl. Asemissen/Schweikhart 1994, S. 226.
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Das Umschlagen bezeichnet einen Wechsel in der Nutzung medialer Parameter – etwa eine abrupte Änderung der Lautstärke als Ankündigung eines akustischen Zitats oder ein Wechsel in der Farbigkeit (etwa schwarzweiß zu bunt) bei einem visuellen Zitat. Im Sinne eines materialbezogenen Umschlagens setzt Kasimir Malewitch bei seinem Werk „Komposition mit Mona Lisa“ (1914) das Bildzitat in Szene. Auf die Collage ist eine ramponierte Reproduktion der Mona Lisa geklebt, mit roter Farbe durchgestrichen und überschichtet mit einem russischen Zeitungsinserat: „Wohnung abzugeben in Moskau“.157 Bei der Unterbrechung wird eine wahrnehmbare Lücke, Leerstelle oder Pause (z.B. im Sinne einer musikalischen Generalpause in einer Komposition)158 hergestellt, die das Zitat ankündigt. Häufig kommen bei Zitaten mehrere Markierungen zum Einsatz. Die vorgestellte Kategorisierung ermöglicht eine Betrachtung nicht-sprachlicher Markierungsmethoden jenseits der Schriftkategorie der Anführungszeichen. Markierungen stellen ein Lenkungsinstrument in der Zitatrezeption dar und können als ‚Eyecatcher‘ im Zeichenfluss funktionieren. Sie fungieren als Interpretationshilfe für den Rezipienten, indem sie signalhaft eine Referenz anzeigen. In erster Linie versucht der Zitatproduzent mittels einer Markierung auf die Deutung des Rezipienten Einfluss zu nehmen; er bleibt jedoch im dynamischen Gefüge von Artefakt und Rezipient auf dessen Sinnproduktion angewiesen.159 Ebenso wie die Zitate selbst sind auch ihre Markierungen zeit-, kontext- und damit wissensgebunden. Dieser Umstand lässt sich beispielsweise an der Rezeptionsgeschichte von literarischen Texten und deren Transfer in andere Sprach- und Kulturräume zeigen. Aufgrund des anderen Vorwissens der rezenten Adressaten nehmen häufig die Herausgeber oder der Autor selbst Anpassungen in der Markierungsdeutlichkeit des Werkes vor, um Hinweise auf zitierende Bezugnahmen zu erhalten.160
157 Vgl. Asemissen/Schweikhart 1994, S. 228 f. 158 Vgl. Amon 2011, S. 429. 159 Vgl. Helbig 1996, S. 143 ff. 160 Vgl. Broich 1985, S. 45 f.
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2.7 Z ITAT
ALS
S TÖRUNGSAUSLÖSER
Was lösen Zitate aus? Damit etwas als Zitat wahrgenommen und erkannt wird, muss es die Aufmerksamkeit des Rezipienten erregen und in gewisser Weise störend wirken. Um die Wirkung eines Zitats beim Rezipienten zu beschreiben, greife ich auf die Transkriptionstheorie zurück und zwar auf den noch nicht behandelten Aspekt der Störung. Im Kontext von transkriptiven Verfahren treten prinzipiell zwei Kommunikationszustände auf: Störung und Transparenz.161 Das Zitat wird nachfolgend konzipiert als produktiver Auslöser von Störungen im Rezeptionsprozess. Störung als Begriff ist in erster Linie aus klassischen Kommunikationsmodellen im Anschluss an Claude E. Shannons und Warren Weavers mathematische Kommunikationstheorie162 bekannt. Shannon und Weaver begreifen eine Störung im Kommunikationsvorgang als Unfall, der im Abgleich mit einer vorsprachlich-mental vorliegenden Redeintention und -ausgestaltung korrigiert und repariert werden kann. Die Störung muss beseitigt werden, um eine ungehinderte Informationsübertragung wieder herzustellen. Diese Störungsidee steht im Kontext einer metaphorischen Auffassung von Kommunikation als Austausch von Inhalten über einen Kanal oder Container, die in der alltagsweltlichen Vorstellung von Sprache präsent ist, aber auch im Wissenschaftsdiskurs immer noch vorhanden ist.163 So begreift man das sprechende Subjekt als autonom in seiner inneren Sprachplanung. Der Rezipient hingegen ist am Sprachproduktionsprozess nicht beteiligt. Störungen in dieser Einwegkommunikation werden durch Repairhandlungen korrigiert und wirken nicht auf die Sprachplanung zurück.164 Jäger resümiert die beschriebene Störungsauffassung folgendermaßen:
161 Vgl. Jäger 2004a; Jäger 2010b. 162 „Wie beeinflussen Störungen die Genauigkeit der Nachricht, die schließlich das Ziel erreicht? Wie kann man die unerwünschten Effekte der Störungen auf ein Minimum beschränken und bis zu welchem Grad können sie ausgeschaltet werden?“ Shannon/Weaver 1976, S. 17. 163 Vgl. dazu Auer 2013, S. 16 f. Zur Kritik an der Transportmetapher vgl. Jäger 1997, S. 207 ff. 164 Vgl. Jäger 2004a, S. 41 ff.
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„Störungen sind niemals Verstörungen des Sprachsubjektes selbst, sondern grundsätzlich innere Planungs- oder Performanzdefekte, die auf den verschiedenen Stationen von der Äußerungsplanung zur Ausführung auftreten (und prinzipiell durch ent165
sprechende Repairs ausgeschaltet werden) können.“
Entgegen dieser Auffassung von Störung als korrekturbedürftigem Fehler (Störung als Unfall – Störungu) führt die Transkriptionstheorie Störung als produktives Moment ein. Als transkriptive Störung (Störungt) ist diese essentiell im kommunikativen Geschehen. Die Neufassung des Störungsbegriffs ist mit einer anderen Konzeption des Sprachsubjektes und seiner Interaktion mit dem Rezipienten verbunden: „Sie [die Störungen; A.U.] ermöglichen die Ausfaltung der zu Redebeginn unartikulierten Intention im Zuge interaktiver Verständigungshandlungen.“166 Bedeutung kann demzufolge nur im kommunikativen Miteinander erzeugt werden. Diese Kommunikationsauffassung, der hier gefolgt wird, wendet sich explizit gegen das oben skizzierte Sender-Empfänger-Modell der Kommunikation. Gegen die Transportidee, dass ein Sender Inhalte und Sinn kodiert, über einen Kanal sendet und der Empfänger diese dekodiert, sind mehrere Argumente anzuführen: ‚Sinn‘ ist keine Entität, die im Laufe des Kommunikationsprozesses verschoben wird, er ist vielmehr Effekt einer Interaktion mit dem Hörer, der eine aktive Rolle einnimmt. Während der Sprecher beim Sprechen auch sich selbst hört und damit ein ständiges SelfMonitoring erfährt, trägt auch der Hörer zur Sinnkonstitution bei.167 Entsprechend diesem semiologisch-konstruktivistisch ausgerichteten Ansatz versteht Jäger Störung als wesentlichen Zustand von Kommunikation.168 Einen ähnlichen Standpunkt vertreten auch Albert Kümmel und Erhard Schüttpelz, die Störung als „konstitutiv für die Entstehung neuer Ordnungen“ beschreiben und nach der „‚Kreativität der Störung‘“ fragen.169 Insgesamt betrachtet erfährt der Terminus der Störung – konträr zu der eher ne-
165 Jäger 2004a, S. 45. 166 Jäger 2004a, S. 46. 167 Vgl. Jäger 2000, S. 12 ff.; Schneider 2006, S. 75 ff. 168 Vgl. Jäger 2001b, S. 18 ff. 169 Kümmel/Schüttpelz 2003, S. 9 u. S. 11. Dieser Gedanke findet sich unter anderem bei Gregory Bateson, Michel Serres und Michel Foucault. Vgl. Bühler 2011, S. 8 f.
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gativen Konnotation in klassischen Kommunikationsansätzen – in der letzten Zeit eine Neubelebung als produktiver Leitbegriff der Medientheorie und der Kulturwissenschaften.170 Transkriptive Störungen stellen Pausen im kommunikativen Geschehen dar, Phasen der Bearbeitung, die als „semantische Aushandlungsbühne für die sprachliche Sinnkonstitution“171 fungieren – etwa in der semantischen Klärung eines verwendeten Begriffs. Semantik wird zwischen dem Sprecher, der sich selbst hört und seine Aussagen transkribiert, und dem Hörer, der im Diskurs ständig die Rede des Anderen transkribierend weiter konstruiert und Bedeutungen erfragt, verhandelt. Im Moment der Störung werden also sprachliche Einheiten ‚stillgestellt‘, relevant gesetzt und ihr Sinn in transkriptiven Vorgängen interaktiv zu klären versucht, um so wieder in einen ungestörten Modus der Transparenz einzutreten. Transparenz bezeichnet dabei die Momente der Kommunikation, in denen Semantik nicht thematisiert werden muss und Wissen implizit bleiben kann, da aus Sicht der Beteiligten ein gemeinsamer Wissenshorizont vorhanden ist. Störungen und ihre transkriptiven Bearbeitungen sind nicht nur essentielle Prozeduren der Produktion von Sinn in der mündlichen Interaktion, sondern ebenfalls in der schriftlichen Kommunikation sowie in anderen medialen Systemen.172 Das Verhältnis von Störung und Transparenz gehört zu den Grundfragen der Medientheorie: Diskutiert werden Störungsmomente, in denen Medien sichtbar werden in ihrer ansonsten latenten ‚Durchsichtigkeit‘ des Gebrauchs, sowie die Übergangsmomente und Spannungsverhältnisse zwischen Transparenz und Opazität.173 Die Funktion medialer Systeme besteht grundsätzlich darin, sich selbst in der Nutzung zum Verschwinden zu bringen und folglich transparent zu sein. „Ein Medium erfüllt dann optimal seinen Dienst, wenn es als transparent, durchsichtig gelten kann. Wohlgemerkt: Dies ist ein Phänomen des Gebrauchs, etwas, das sich nicht auf Me-
170 Vgl. z.B. Bäumler/Bühler/Rieger (Hg.) 2011; Rautzenberg/Wolfsteiner (Hg.) 2010. 171 Jäger 2004a, S. 46. 172 Vgl. Jäger 2004a, S. 47 ff. 173 Vgl. Rautzenberg/Wolfsteiner 2010, S. 12. Zur Interdependenz von Transparenz und Opazität vgl. Rautzenberg 2009, S. 245.
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dien ‚an sich‘, vielmehr auf Medien im Vollzug ihrer Funktion bezieht.“174 Demzufolge zeigen sich die Medialitätsqualität und die Materialitätseigenheiten erst im Moment der Störung und werden Gegenstand der Kommunikation. Transparenz als Gegenbegriff bezieht sich dabei nicht „auf die Gläsernheit des Zeichenausdrucks, sondern darauf, dass das ‚durchsichtige‘ Medium in seiner inhaltskonstitutiven Leistung aufgeht“.175 Somit gilt: Störung macht die Materialität des medialen Systems sichtbar, Transparenz das Mediatisierte. Momente der Störung und der Transparenz sind keine Eigenschaften eines Zeichensystems, sondern Zustände, zwischen denen Kommunikation oszilliert.176 Betrachtet man die kommunikativen Folgen einer Störung, so lassen sich Störung und Transparenz auch als Evidenzzustände177 einer Interaktion beschreiben: Semantische Evidenz, verstanden als das unmittelbar Einleuchtende, entpuppt sich als Ergebnis sinnstiftender Referenzen, die jedoch nur im Moment der Störung sichtbar werden.178 Der Transparenzmodus, der Zustand epistemischer Evidenz, wird verlassen, und die Kommunikationspartner treten in einen Diskurs ein. Mit epistemischer Evidenz bezeichnet Jäger den unproblematischen Status, in dem Semantiken unhinterfragt akzeptiert werden. „Für Evidenz dieses Typs gilt, dass das semiotische Verfahren, dem sie sich verdankt, unter bestimmten Bedingungen selber unsichtbar bleibt, weil es hinter seiner Evidenz erzeugenden Wirkung verschwindet.“179 In der Störung der epistemischen Evidenz sind transkriptive Aktivitäten notwendig, um die Störung zu bearbeiten. Das Ergebnis transkriptiver Verfahren ist eine diskursive Evidenz, „die sich diskursiver, in der Regel in prozeduralen Grammatiken organisierter Mittel wie Beweis, Argumentation und Erklärung bedien[t].“180 Gerade solche Formen diskursiver Evidenzproduktion fordern Zitate heraus, wenn sie als Störungsauslöser fungieren. Ich vertrete die These, dass Zitate als produzenteninitiierte Störungsauslöser im Zeichenfluss funk-
174 Krämer 2010, S. 217, Hervorhebung im Original. 175 Jäger 2004a, S. 49. 176 Vgl. Jäger 2004a, S. 61 f. 177 Siehe dazu Jäger 2006b, S. 45 ff. 178 Vgl. Jäger 2008b, S. 310 ff. 179 Jäger 2008b, S. 313. 180 Jäger 2008b, S. 312.
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tionieren, die vom Rezipienten transkriptive Aktivität fordern. Besonders der Gedanke einer Störung als Störungt, die als Pause im kommunikativen Geschehen produktiv semantische Aushandlungsprozesse anstößt, macht das Wirken eines Zitats auf den Rezipienten deutlich. Das Konzept der Störung, das in der Transkriptionstheorie bereits für sprachliche und andere mediale Systeme angelegt ist, für nicht-sprachliche Zitate zu adaptieren, bedeutet weiterhin, Zitatvorgänge eingebettet in Kommunikationsprozesse zwischen Zitatproduzent, Zitatartefakten und Zitatrezipient zu betrachten. Allerdings scheint der Störungsansatz für Zitaterscheinungen zunächst kontraintuitiv zu sein. So schreibt Peter Geimer über Störphänomene in der Geschichte der Fotografie: „Störungen sind der Inbegriff dessen, was sich nicht herstellen läßt. Sie treten ein. Ihr Charakteristikum ist: Abwesenheit von Intention.“181 Dieses Element des Unvorgesehenen ist quasi das Gegenteil einer Zitatpraktik aus Produzentensicht. Demzufolge ist einschränkend zu sagen, dass das Zitat Störungen induzieren kann, die die Rezeption irritieren, und zwar in einer inszenierten, artifiziellen Form. In diesen Störmomenten muss der Rezipient innehalten, Bezüge erkennen und interpretieren. Nach einer semantischen Klärung kann ein ‚transparenter Bedeutungsmodus‘ wieder hergestellt werden. Im Gegensatz zu den von Geimer beschriebenen Störungen als Unfallmomente, also den Störungenu, sind Zitate folglich als Störungent aus Produzentenperspektive herstellbar. Ob sie auch als produktive Störmomente beim Rezipienten wirken und ihm diskursive Evidenzgewinnungen abverlangen, ist nicht gesichert oder steuerbar. Den Ablauf rezipientenseitiger Bearbeitungen einer kommunikativen Störung beschreibt idealtypisch Jörg Helbig. In seiner Untersuchung der Markierung von Intertextualitätserscheinungen zeigt er auf, wie Markierungen die Interpretation des Rezipienten lenken und Leistungen der Bedeutungskonstruktion fordern. Helbig skizziert den Prozess der Rezeption wie folgt: • • •
„Irritation durch Wahrnehmung eines Störfaktors im Verlauf der Rezeption Identifizierung des Störfaktors als Referenzmarkierung Identifizierung des Referenztextes
181 Geimer 2002, S. 326.
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• • •
Aktualisierung von Konnotationen, die im Zusammenhang mit dem Referenztext freigesetzt werden Übertragung relevanter Konnotationen auf den präsenten Text Schlußfolgerungen für die Interpretation“182
Was er hier schematisch entwickelt, entspricht in der Sache dem transkriptiven Verfahren der Störungsbearbeitung. Kombiniert man nun die Frage nach Markierungen als unterschiedlich gestaltete Methoden der Hervorhebung von Zitaten mit der Störungsthematik, so kann man postulieren: Die Hervorhebung eines zitierenden Verweises, der aus einem Zusammenhang herausführt, über ihn hinaus auf eine andere Skriptur deutet, kann sowohl über eine Markierung des Zitats als Initiator als auch über das Zitat selbst als Indikator erfolgen. Somit muss von unterschiedlichen Auslösern einer Störung als Kristallisationspunkte der Aufmerksamkeit ausgegangen werden. Das Zitat als Transkription induzierender Störungsauslöser ist nur funktionsfähig, wenn es auch als Störungsmoment und Indikator eines Verweises auf eine andere Skriptur wahrgenommen wird. Anderenfalls läuft der Transparenzmodus der Kommunikation für den Rezipienten unbehindert weiter. Zitate in ihrer Funktion als produktive, transkriptive Störungen zu fassen, bedeutet, ihr Potenzial der Irritation sowie ihre sinnstiftende Funktion als ‚Orte‘ der Bedeutungsaushandlung herauszustellen. Dieses Störwirken von Zitaten lässt sich mit Benjamin Bühlers Charakterisierung von Störfällen allgemein kennzeichnen: „Erstens irritieren und unterminieren sie [die Störfälle; A.U.] gegebene Ordnungsformen; zweitens konstituieren, organisieren und stabilisieren solche Fälle Wissensordnungen und drittens manifestieren sich mit ihnen diskursive und soziale Ein- und Ausschlussmechanismen.“183
182 Helbig 1996, S. 162. 183 Bühler 2011, S. 9.
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2.8 Z ITAT
ALS
ABDUKTIONSAUSLÖSER
Wie wirken Zitate auf den Rezipienten? Hier geht es um die diskursive Evidenzproduktion des Rezipienten. Bislang sind mit dem Begriff der Publikumsbedingung die Voraussetzungen eines Zitaterkennens mit den Abstufungen des Erkennens, dass zitiert wird und was zitiert wird, beschrieben worden. Was passiert nun konkret im Fall einer durch ein Zitat hervorgebrachten Störung, wie geht ein Rezipient damit um? Diese Frage lässt sich mithilfe des Schlussfolgerungstyps der Abduktion beantworten. Peirce führt die Abduktion als dritte formallogische Inferenzform neben der Deduktion und Induktion ein und bezeichnet damit ein erklärendes Hypothesenaufstellen für einen ungewöhnlichen, überraschenden Umstand. Er geht davon aus, dass das gesamte Denken als schlussfolgerndes Interpretieren von Zeichen zu betrachten ist.184 Im Anschluss daran beschreibt Uwe Wirth, wie Störungsereignisse in Interaktionen abduktive Operationen in Gang setzen, die Ursachenklärungen und Behebungsoptionen von Störungen beinhalten. „Abduktive Prozesse sind also der modus operandi einer ‚transkriptiven Bearbeitung‘ von kommunikativen ‚Störstellen‘.“185 Demzufolge können Störmomente von Kommunikation Transkriptionen in der Form abduktiven Schließens hervorrufen. Gemäß Umberto Eco sind drei Varianten abduktiven Hypothesenaufstellens zu differenzieren: übercodierte, untercodierte und kreative Abduktionen.186 Die übercodierte Abduktion läuft quasi in einem automatischen Prozess ab, beispielsweise wenn der Rezipient im Leseprozess Buchstabenverdrehungen im Geschriebenen mental korrigiert. Somit liegen auch ungestörten Kommunikationssituationen schwache abduktive Schlussfolgerungen zugrunde.187 Im Fall der untercodierten Abduktion muss aus mehreren Möglichkeiten gewählt werden, etwa bei der Interpretation eines Wortes in einem Äußerungszusammenhang. Bei der kreativen Abduktion ist ein besonders hohes Maß an abduktiver Leistung vonnöten, da keine Regeln oder
184 Vgl. Wirth 1995, S. 405 f. 185 Wirth 2010, S. 397, Hervorhebung im Original. 186 Vgl. Eco 1985, S. 299 ff. 187 Vgl. Wirth 2010, S. 397.
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Gesetze angewendet werden können, sondern ein neues Gesetz, eine neue Regel gefunden werden muss.188 Darauf aufbauend verstehe ich Zitate als produktive Störungsauslöser, die abduktive Leistungen beim Rezipienten provozieren können. Der Rezipient stellt eine erklärende Hypothese darüber auf, welche Funktion ein Zitat im Gesamtzusammenhang übernimmt und welche semantischen Implikationen mit dem Zitierten verbunden sind. So wird eine neue Idee eingeführt, das Kennzeichen der Abduktion, welches sie von den anderen Formen logischen Schließens unterscheidet.189 In diesem Punkt zeigt sich die kreative Wirkungsfähigkeit von Zitaten, indem sie den Zitatrezipienten zu abduktiven Prozessen herausfordern. Die zitatinduzierten Abduktionen können in den drei genannten Formen der Inferenz auftreten. Übercodierte Abduktionen bestehen bei zitierenden Verweisen, die zu Stereotypen geronnen sind und ohne Quellenbezug funktionieren. Diese Stereotypenbildung geschieht wahrscheinlich im Zusammenspiel solcher Faktoren wie der Prägnanz oder Güte einer ästhetischen oder technischen Lösung, der kulturellen Bedeutung der Skriptur sowie der Menge der zitierenden Wiederaufnahmen. „Was oft genug zitiert wird, beruft keine Autorität der Autorschaft mehr, sondern die Wiederholtheit, die es zum Gemeinplatz macht, und dessen Wiederholbarkeit.“190 Diese Zitate sind so bekannt, dass geradezu automatisch eine Assoziation in Gang gesetzt wird. Übercodierte Formen der Abduktion löst beispielsweise das Gemälde der „Mona Lisa“ (1503-1506) von Leonardo da Vinci aus. Das Bild erfuhr im Laufe der Jahrhunderte als Vorbild und Maßstab der Porträtmalerei vielfältige künstlerische Wiederaufnahmen, von Raffael im 16. Jahrhundert bis Corot im 19. Jahrhundert. Im 20. Jahrhundert wurde das Kunstwerk Ausgangspunkt einer zitierend-ironischen Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte: Marcel Duchamp versah eine Postkartenreproduktion der Gioconda mit einem Schnurrbart und betitelt sie mit „L.H.O.O.Q.“ (1919);191 Kasimir Malewitsch verwendete eine Reproduktion der Mona Lisa in seiner
188 Vgl. Eco 1985, S. 299 ff.; Wirth 2010, S. 397 f. 189 Vgl. Peirce 1965, 5/171. 190 Menke 2001, S. 676. 191 Die Buchstabenfolge ist im Französischen gleichlautend mit „Elle a chaud au cul.“, im Deutschen etwa zu übersetzen mit „Ihr ist heiß am Arsch.“
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Collage „Komposition mit Mona Lisa“ (1914) und strich sie mit roter Farbe durch; Andy Warhol stellte das Porträt im Siebdruckverfahren dreißig Mal auf einer Leinwand nebeneinander und betitelte das Werk mit „Thirty are better than one“ (1963). Auch außerhalb des Kunstdiskurses avancierte die Mona Lisa zu einer Zitatikone, beispielsweise in diversen Anzeigenwerbungen.192 Banksy schließlich verlagerte die Mona Lisa mit einem Raketenwerfer auf der Schulter als Street-Art-Bild in den öffentlichen Raum von Soho (2001).193 Selbst in ihrer Abwesenheit, nach dem Diebstahl des Bildes aus dem Louvre im Jahre 1911, wurde die Mona Lisa in der Pariser Öffentlichkeit breit rezipiert und in Kabaretts, Reklamen und Postkartenmotiven parodiert.194 Diese Beispiele demonstrieren, dass die Mona Lisa in unterschiedlichsten Kontexten über Jahrhunderte hinweg immer wieder als Inspirationsquelle für zitierende Transkriptionen gedient hat und offensichtlich zu den Popikonen eines westlichen, kulturellen Gedächtnisses gehört. In der Musik, um noch ein anderes Beispiel zu erwähnen, zählt etwa Johann Sebastian Bachs geistliche Vokalmusik zu den westlichen Zitatikonen, die verschiedenste musikalische Strömungen im 20. Jahrhundert aufgriffen195, etwa in Form von B-A-C-H-Zitaten.196 Neben diesen Beispielen gibt es eine Vielzahl weniger eindeutige und offensichtliche Zitationen, die untercodierte oder kreative Abduktionen hervorrufen können; je nach Wissen des Rezipienten fallen diese unterschiedlich aus. Generell stellt das Zitat als störungsinduzierender Auslöser abduktiver Inferenzen jenes „überraschende[…] Phänomen[…]“ dar, „welches in die Erwartungshaltung des Interpreten ‚einbricht‘.“197 Dabei hängt die Wirkungskraft des Zitats einerseits vom Störpotenzial im kommunikativen Geschehen, sozusagen seinem Aufmerksamkeitswert ab, andererseits davon, inwiefern der Rezipient das Angebot zur Interpretation annimmt. Hinzu kommt als entscheidender Faktor die „abduktive [...] Kompetenz“198 des
192 Vgl. Lüthy 1995, S. 27 ff; Belting 1998, S. 310 ff.; Ullrich 2007, S. 30 f. 193 Vgl. Kap. 2.2.1. 194 Vgl. Belting 1998, S. 311 ff.; Lüthy 1995, S. 32. 195 Vgl. Gruber 1998, Sp. 2411. 196 Vgl. Amon 2011, S. 430. 197 Peirce 1965, 6/469; Übersetzung bei Wirth 2000, S. 137. 198 Wirth 2000, S. 136.
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Rezipienten, die als Bestandteil kommunikativer Kompetenz nicht nur auf einem interpretatorischen In-Beziehung-Setzen von „Intention, Konvention und Kontext“199 beruht, sondern auch auf einem zitatbezogenen Vorwissen. Denn als erklärende Hypothese ist der abduktive Prozess gestützt auf Vermutungen, die wir auf der Grundlage unserer Erfahrungen machen – natürlich nicht nur im Fall des Zitats, sondern auch bei anderen kommunikativen Handlungen.200 Abduktionen sind Formen des Hypothesenaufstellens, die nie eine letztendlich gültige Gewissheit bringen können. Das bedeutet, dass selbst im Fall der übercodierten Abduktion, der quasi-automatischen Reflexion, stets alternative Lösungen denkbar sind.201 „Deduction proves that something must be; Induction shows that something actually is operative; Abduction merely suggests that something may be.“202 Setzt man die abduktive Kompetenz in Beziehung zum Begriff der „transkriptiven Intelligenz“203 so kann die transkriptive Intelligenz als basale Fähigkeit des bearbeitenden Umgangs mit Skripturen auf Produzentenund Rezipientenseite verstanden werden. Die abduktive Kompetenz hingegen bezeichnet speziell die rezipientenseitigen Aktivitäten und fasst somit begrifflich den angesprochenen Aspekt der Interpretationskompetenz der Rezipienten als Teil des kommunikativen Gedächtnisses.204
2.9 Z USAMMENFASSUNG Die theoretischen Grundlagen zur Beschreibung nicht-sprachlichen Zitierens setzten sich aus zeichentheoretischen, sprachphilosophischen, medienund kulturwissenschaftlichen, symboltheoretischen sowie intertextuellen Überlegungen zusammen. Insbesondere wurden Jägers Transkriptionstheorie, Aspekte aus theoretischen Überlegungen von Assmann, Derrida, Austin, Goodman, Peirce und ihre argumentativen Weiterentwicklungen bei
199 Wirth 2000, S. 136. 200 Vgl. Wirth 2010, S. 396. 201 Vgl. Eco 1985, S. 296. 202 Peirce 1965, 5/171, Hervorhebung im Original. 203 Jäger 2008a, S. 116. 204 Vgl. Kap. 2.2.2.
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Böhn und Wirth sowie das semiotisch-intertextuelle Zitatkonzept von Posner zur Theoriebildung herangezogen. Ansatzpunkt waren zwei auf der Basis der Forschungsliteratur identifizierte Probleme des wissenschaftlichen Umgangs mit dem Phänomen nichtsprachlicher Zitate: erstens der metasprachliche Schriftbezug in der Behandlung nicht-sprachlicher Zitate und zweitens der Theoriemangel im Umgang mit der Kategorie Zitat (Kapitel 2.1). In Reaktion darauf wurde anhand verschiedener Forschungsfragen eine neue Perspektive entwickelt. (1) Wie lässt sich das Zitieren beschreiben? (Kapitel 2.2): Zitieren ist als transkriptiver Prozess darstellbar, bei dem ein Präskript/Skript, das zu Zitierende, aus seinem Kontext herausgelöst, transkribiert und als Transkript Zitat in einen anderen Kontext eingefügt wird. Das Skript ist in gewisser Weise erst das Ergebnis der Anwesenheit des Transkripts. Während das Transkript durch seine Existenz und Interpretationsbehauptung das Skript semantisch kontaminiert, kann Letzteres von seinem Interventionsrecht Gebrauch machen und eine andere Lesart gegen die des Zitats stellen. In drei Punkten wurde die Transkriptionstheorie für die Beschreibung nicht-sprachlichen Zitierens produktiv gemacht: erstens in Bezug auf die transkriptive Logik, die das Zitieren charakterisiert. Sie zeigt sich darin, dass mittels Bearbeitungen verschiedenster Artefakte in einer Kultur Sinn inszeniert wird. In dieser Hinsicht steht das Zitieren neben anderen Bearbeitungspraktiken wie etwa Parodieren, Kommentieren usw. Zweitens ist das etablierte transkriptionstheoretische Vokabular zur Bezeichnung einzelner Momente im Zitierverfahren sinnvoll. Mit den Begriffen Präskript/ Skript und Transkript lassen sich medientranszendent verschiedene Zustände innerhalb des Zitierverfahrens beschreiben. Damit ermöglicht die medientheoretische Fundierung der Theorie drittens, medienneutral Aussagen über das grundlegende Verfahren des Zitierens zu machen, die dann medienbezogen-kontextuell hinsichtlich ihrer Besonderheiten spezifiziert werden können. Dabei ist das Zitierte weder verfahrens- noch medienneutral, sondern erfährt stets semantische Verschiebungen. Das Verfahren des Zitierens führt zu Sinnproduktionen unterschiedlicher Art, die zusammenfassend als Effekte des Zitierens bezeichnet wurden. Effekte des Zitierens äußern sich darin, dass prä-existente Skripturen re-kontextualisiert und damit readressiert und re-semantisiert werden für ein anderes Publikum. Das Aufgreifen von Skripturen kann den Adressatenkreis prinzipiell vergrößern
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oder verkleinern und insofern spezifische Lesbarkeiten von Skripturen erstellen oder löschen. Das Zitat und damit die Effekte einer Transkription sind abhängig von der Publikumsbedingung – dem zitatspezifischen Vorwissen und der transkriptiven Intelligenz der Rezipienten, ein Zitat als solches zu erkennen und zu deuten. Der Rezipient nimmt die Zuschreibung ‚Zitat‘ vor und erzeugt dadurch dessen Status. In Bezug auf den Zitatproduzenten führt der Akt des Zitierens zu einer Positionierung, die durch den Verweis auf eine andere Skriptur und ihren semantischen Gesamtzusammenhang semantisch uneinholbar ist. Das Zitat steht als kulturelle Organisationsform und Aktualisierungsformat von Skripturen zwischen dem kulturellen und kommunikativen Gedächtnis. Es speist sich aus den Skripturen des kulturellen Gedächtnisses, ist zugleich als Zitierpraktik und Zitatinterpretationspraxis Teil des kommunikativen Gedächtnisses und konstituiert sich in der Interdependenz der beiden Gedächtnisformate. Das Zitat fungiert als Erinnerungsfigur, die auf Faktoren wie Gruppe, Zeit und Raum bezogen ist und spezifische Erinnerungsgemeinschaften erzeugt. Die zitierende Auseinandersetzung mit Materialien des kulturellen Gedächtnisses lässt sich hinsichtlich der verwendeten Strategien mit drei Begriffen differenzieren als Formen der Partizipation, der Abwehr und der Transformation. Das Erinnern ist auch mit dem Vergessen im Sinne von Prozessen des Umsemantisierens im Zitat verknüpft. (2) Was kann überhaupt zitiert werden? (Kapitel 2.3): Zitierbar ist alles, was durch Gebrauch und Kontext zum Zeichen gemacht wird. Zitieren erfordert Segmentierbarkeit, Versetzbarkeit, Re-Kontextualisierbarkeit von Zeichen und damit die Möglichkeit der Iteration, das heißt eine Wiederholung, die stets mit Andersheit verbunden ist. Gerade in der Differenz zur Wiederholung zeigt sich der ‚Witz‘, das semantische Umdeutungspotenzial des Zitats. Zitate besitzen eine ‚Kraft zum Bruch‘ mit Kontexten. Diese offenbart sich in der möglichen Funktionsvielfalt des Zitats, das nicht mehr zwingend an konventionelle Bedeutungen gebunden ist; etwas Neues kann an die Stelle rücken. (3) Wodurch ist das nicht-sprachliche Zitat gekennzeichnet? (Kapitel 2.4): Hier stand das nicht-sprachliche Zitat als Ergebnis eines Transkriptionsprozesses im Mittelpunkt. Um seine Merkmale herausarbeiten zu können, wurden drei Vorentscheidungen getroffen: Das indirekte Zitat wurde
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erstens als Normalfall für nicht-sprachliche Zitate gesetzt. Zweitens zeigten die Ergebnisse in der Forschungsliteratur, dass eine pragmatische Ausrichtung in der Bestimmung von Merkmalen nicht-sprachlicher Zitate zielführender ist als syntaktische Kategorien anzusetzen. Drittens wurde entgegen anders lautender Vorschläge in der Literatur der Begriff des Zitats für nicht-sprachliche Verweisformen beibehalten, um an den Sprachgebrauch anzuknüpfen und davon ausgehend den Terminus zu profilieren. Das Zitat als solches konstituiert sich in erster Linie über seine Funktion des Verweisens auf die Ausgangsskriptur, als ‚rückwärtsgewandte‘ Bewegung. Der verweisende Rückgriff auf das Zitierte erfolgt über die Erwähnung, kann aber auch vom Gebrauch des Zitierten begleitet sein. Die Verweisfunktion des Zitats steuert die Identifizierung der Identität von Zitiertem und Zitat. Das zweite Merkmal besteht im Enthaltensein des Zitierten im Zitat in der Form struktureller oder inhaltlicher Wiederaufnahmen. Enthaltensein, im Sinne der buchstäblichen Wiederholung in der Schrift, ist in dieser Form in nicht-sprachlichen Skripturen meist nicht gegeben, dennoch spielt das Konzept eines wörtlichkeitsähnlichen Zitierens auch bei Bildern, Musik oder Architektur eine wichtige Rolle. Diesbezüglich wird die These vertreten, dass wörtlichkeitsähnliches Zitieren auf einer partiellen Gleichheit beruht, die wir gelernt haben, als besonders starke Ähnlichkeit zu sehen. Ähnlichkeit, als symmetrische Beziehung zwischen Zitatvorbild und Zitat, ist hier nicht als ontologische Kategorie zu verstehen, sondern als gradueller Effekt einer rezipientenseitigen Fähigkeit, des vergleichenden Sehens. Letzteres ist abhängig von Kontext, Vorwissen und Kultur. (4) Was wird im Zitat wiederholt? (Kapitel 2.5): Zitate können danach klassifiziert werden, worauf sie referieren. Grundsätzlich sind sowohl Types (Systembezüge) als auch Tokens (einzelne Vorkommnisse) zitierbar. Die Erscheinungsweisen des Zitats, die sich aus der Art des Verweises auf das Zitierte ableiten, wurden charakterisiert als Typezitat, Tokenzitat und Codezitat. (5) Wie werden nicht-sprachliche Zitate markiert? (Kapitel 2.6): Zitatmarkierungen sind ein fakultatives Mittel der Referenzanzeige und dienen der Rezeptionslenkung. Sie können als Teil des Zitierten oder dieses rahmend in unterschiedlichen Deutlichkeitsgraden auftreten. Markierungen erscheinen als Varianten eines Codewechsels. (6) Was lösen Zitate aus? (Kapitel 2.7): Damit Zitate wirken können, müssen sie im Zeichenfluss stören. Ich verstehe das Zitat als produzenten-
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seitig initiierter Störungsauslöser in der Rezeption einer Skriptur. Störung, verstanden als produktives Moment im Kommunikationsprozess, als transkriptive Störungt, wird durch ein Zitat induziert oder auch durch eine Zitatmarkierung initiiert. In diesen Störmomenten von Kommunikation, die generell durch ein Wechselspiel der Zustände der Störung, ihrer transkriptiven Bearbeitung und Momenten der Transparenz gekennzeichnet ist, steht der Zeichencharakter der Skriptur im Vordergrund und wird thematisch; Medialität und Materialität von Skripturen werden sichtbar. Wenn Zitate als Störungsauslöser wirken, wird der Status epistemischer Evidenz verlassen und der Rezipient muss diskursiv Evidenz herstellen. (7) Wie wirken Zitate auf den Rezipienten? (Kapitel 2.8): Mit dieser Frage wurden die rezipientenseitigen Aktivitäten im Zitierprozess, die Formen diskursiver Evidenzgewinnung, fokussiert. Wenn die Publikumsbedingung gegeben ist und das Zitat eine Störung auslöst, kann das Zitat abduktive Leistungen beim Rezipienten herausfordern. Abduktion als dritter Schlussfolgerungstyp neben Deduktion und Induktion bezeichnet ein erklärendes, kreatives Hypothesenaufstellen für überraschende Aspekte. Drei Formen der Abduktion können unterschieden werden: übercodierte Formen der Abduktion (hier liegen stereotype Zitate vor, die mehr oder weniger automatisch Inferenzen beim Rezipienten in Gang setzen), untercodierte Abduktionen (mehrere Zitatinterpretationsmöglichkeiten stehen zur Wahl) und kreative Abduktionen (es ist keine Regel vorhanden, so dass ein hohes Maß abduktiver Inferenz zur Zitatdeutung vonnöten ist). Die semantische Wirkung von Zitaten entfaltet sich in einem Zusammenspiel des Störpotenzials des Zitats, der Aktivität des Rezipienten und seiner zitatbezogenen abduktiven Kompetenz. Die abduktive Kompetenz erfasst die rezipientenspezifischen Anforderungen bei der Zitatzuschreibung, während die transkriptive Intelligenz die allgemeine Fähigkeit, bearbeitend und thematisierend mit Skripturen umzugehen, auf Seiten des Zitatproduzenten und Zitatrezipienten benennt.
3. Nicht-sprachliches Zitieren: Ein Modell
3.1 D AS M ODELL
UND SEINE
B ESTANDTEILE
Die zentralen Elemente des Zitierprozesses, die im vorangegangenen Kapitel im Rückgriff auf verschiedene theoretische Positionen herausgearbeitet wurden, werden im Weiteren zusammengeführt, um ein analytisches Modell auszuformulieren. Es beinhaltet eine zweifache Ausrichtung, einerseits die Darstellung des nicht-sprachlichen Zitierverfahrens und andererseits die Kategorisierung nicht-sprachlicher Zitatformen. Damit verknüpfen sich zwei Perspektiven: zum einen die Perspektive des Zitatproduzenten mit der Sicht auf den Gesamtprozess, wie Zitieren entsteht und welche Folgen es hat. Zum anderen wird die Perspektive des Zitatrezipienten eingenommen. Hier steht das Zitatprodukt im Mittelpunkt, das erst durch die transkriptive Zuschreibung des Rezipienten zu einem solchen wird. Das Modell orientiert sich an sechs Fragen, die zum Teil in der Theorieentwicklung diskutiert wurden; nun werden sie zu größeren Frageeinheiten zusammengefasst, zueinander in Beziehung gesetzt und zugespitzt. Makroperspektivisch ist zu fragen: Wie funktioniert der Gesamtprozess des nicht-sprachlichen Zitierens? Dazu wird die Genese des Zitats als transkriptiver Prozess beschrieben, in dem Einflussnahmen zwischen dem Zitierten und dem Zitat bestehen. Um den Prozess des Zitierens im Einzelnen nachvollziehen zu können, müssen, ausgehend von dieser Globalperspektive, wesentliche Beziehungsverhältnisse innerhalb des Zitierverfahrens fokussiert werden. Dazu gehören die Beziehungen zwischen Skript und Zitat, Zitat und Zitatrezipient sowie Zitat und Gedächtnis, die die Makroperspektive um verschiedene mikroperspektivische Zugänge ergänzen. Die erste der mikroperspektivischen Zugänge betrifft die Verhältnisbestimmung von Skript zum Zitat und beantwortet die zweite Frage des Mo-
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dells, wie sich das nicht-sprachliche Zitat konstituiert. Daran schließt sich die dritte Frage an, welche Formen des Zitats existieren. An vierter Stelle steht die Frage, was gegeben sein muss, damit ein Zitat funktioniert. Dies kann über das zentrale Beziehungsverhältnis zwischen Zitat und Zitatrezipient beantwortet werden. Fünftens ist die Frage nach den Konstitutionsbedingungen des Zitats in einen größeren Kontext zu stellen: Welche kulturellen Voraussetzungen besitzt das Zitieren? Dazu wird das Zitat in Beziehung gesetzt zum Begriff des Gedächtnisses. Mit der sechsten Frage wird die Reihe der Einzeldarstellungen abgeschlossen: Es wird erneut eine Makroperspektive auf das gesamte Verfahren eingenommen und an die erläuterten Einflussrichtungen der ersten Ebene angeknüpft. Welche semantischen Effekte bringt das Zitieren hervor? Diese Effekte werden im Rekurs auf die einzelnen Elemente und Akteure des Zitierverfahrens spezifiziert. Damit wird eine synthetische Sicht auf das Zitieren möglich. Die sprachliche Darstellung der relevanten Beziehungsund Wirkungslinien innerhalb des Zitierverfahrens unterstützen Visualisierungen. Sie greifen auch bildlich in den unterschiedlichen Kreisdarstellungen den Recycling-Gedanken des Zitierens als kreative Wiederaufnahme und Sinngebung auf. (1) Zitieren als Transkriptionsprozess: Wie funktioniert der Gesamtprozess des nicht-sprachlichen Zitierens? Der Prozess des Zitierens besitzt eine transkriptive Logik (Abb. 10). So vollzieht sich das Zitieren im Akt des Herauslösens einer Skriptur aus einem Zusammenhang, ihrer Bearbeitung und Einfügung in einen anderen Kontext. Dabei besteht der Ausgangspunkt zitierender Bearbeitung in einer Skriptur im Zustand des Präskriptes/Skriptes; dem im Transkriptionsprozess entstandenen Zitat ist der Zustand des Transkriptes zuzuschreiben.1 Entscheidend in der Verfahrensdarstellung ist die Beziehung zwischen dem Skript und dem Transkript. Zum einen besteht eine Verbindung in die Richtung des Transkriptionsvorgangs vom Präskript zum Transkript. Dieser Vorgang des transkriptiven De- und Re-Kontextualisierens und Bearbeitens erzeugt semantische Effekte und ist als iterativer und zugleich fortschreitender Prozess zu verstehen, an den sich weitere Transkriptionsschleifen ad infinitum anschließen und so in kulturelle Sinngenerierungsverfahren ein-
1
Vgl. Kap. 2.2.
E IN M ODELL
NICHT - SPRACHLICHEN
Z ITIERENS | 123
reihen können. Zum anderen, und damit als weiterer Wirkungskreis semantischer Effekte, bestehen zwischen Ausgangsskriptur und Zitat wechselseitige Einfluss- und Wirkungsrichtungen. In Richtung auf das Transkript wirkt das Interventionsrecht des Skriptes als Möglichkeit des Infragestellens behaupteter Interpretationen. Der Zitatproduzent kann also gleichberechtigt mit anderen Rezipienten Interpretationen anbieten. In die entgegengesetzte Richtung verläuft die semantische Kontamination des Skriptes durch die Existenz des Zitats und durch die Interpretation seitens des Rezipienten.2 In der Visualisierung zeigt der waagerechte Pfeil den Transkriptionsprozess in materieller Hinsicht an, während die gebogenen Pfeile semantische Einflussrichtungen zwischen Skript und Transkript darstellen. Abbildung 10: Zitieren als Transkriptionsprozess
Quelle: Eigene Darstellung
(2) Die Zitatkonstitution: Wie konstituiert sich das nicht-sprachliche Zitat? Wenn man die Beziehung zwischen Skript und Zitat näher betrachtet, dann lässt sich über dieses Verhältnis das nicht-sprachliche Zitat bestimmen
2
Die Darstellung der semantischen Kontamination und des Interventionsrechts in der Visualisierung in gleich gestalteten Pfeilen soll keine Aussage darüber machen, ob die beiden gleichwertig oder in ähnlich starkem Maße auftreten. Beides ist abhängig vom konkreten Transkriptionsverfahren und dem Kontext. Hier geht es nur um die Visualisierung der unterschiedlichen Einflussrichtungen.
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(Abb. 11): Vom Zitat zieht sich eine Beziehungslinie zum Skript, da das Zitat wesentlich dadurch charakterisiert ist, dass es auf das Skript Bezug nimmt. Diese Verweisfunktion kann mittels Erwähnen oder/und Gebrauchen des Skriptes erfolgen. In umgekehrter Richtung ist das Zitat gekennzeichnet durch die Verbindung vom Skript zum Zitat und zwar über das Enthaltensein struktureller oder inhaltlicher Elemente des Skriptes im Zitat. Abbildung 11: Die Zitatkonstitution
Quelle: Eigene Darstellung
Die Betrachtung der Position des Zitats im Zitiervorgang erfolgt von den Rändern zum Kern: Das Zitat ist eingebettet in einen bestimmten Kontext, der sich im Kontrast zum Zitat dadurch auszeichnet, nicht referierend zu sein. Von diesem kann es signalhaft abgetrennt werden, indem das Zitat mit diversen Mitteln markiert wird. Dies geschieht durch verschiedene Formen des Codewechsels. Zu nennen sind Markierungsmethoden wie die Skriptur in der Skriptur, die fokussierende Gliederung, das Umschlagen von medialen Parametern und die Unterbrechung, die die Unterscheidung von Zitat und Kontext räumlich oder zeitlich sichtbar macht.3 (3) Die Zitatklassifizierung: Welche Formen des Zitats können unterschieden werden? Die Ränder des Zitats ergeben sich aus der Rahmung durch
3
Vgl. Kap. 2.4 u. 2.6.
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Kontext und Markierung. In der Beschreibung des Zitierverfahrens folgt darauf logisch die Beschreibung des Kerns (das heißt des Zitats selbst), die Klassifizierung von Zitaterscheinungen (Abb. 12). Das Zitat in der indirekten Form stellt den Normalfall nicht-sprachlichen Zitierens dar. Als Sonderfall gilt die Explizitheit des Zitats, eine der Wörtlichkeit sprachlicher Zitate ähnliche Erscheinungsform des nicht-sprachlichen Zitierens. Hierbei handelt es sich um Zitate, die eine partielle Gleichheit mit dem Zitierten aufweisen; als Rezipienten haben wir gelernt, diese im vergleichenden Sehen als ähnlich zu erkennen. Diese Variante des Zitierens korreliert mit einer besonders ausgeprägten Version des Enthaltenseins struktureller und inhaltlicher Elemente des Skriptes im Zitat. Abbildung 12: Die Zitatklassifizierung
Quelle: Eigene Darstellung
Um Zitate hinsichtlich verschiedener Erscheinungsformen zu diskriminieren, ist eine Unterscheidung in der Art des Zitatbezugs auf das Skript entscheidend, der sich entlang der oben beschriebenen Verweisfunktion ereignet. Während Erwähnen und Gebrauchen unterschiedliche Formen des
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Umgangs mit dem Skript bezeichnen, geht es hier um die Frage, worauf bei einer zitierenden Wiederaufnahme des Skriptes Bezug genommen wird. Als Kategorisierung des Zitats werden drei hauptsächliche Varianten differenziert, die auf der grundlegenden Unterscheidung einer Type- oder Tokenbezogenheit des Zitats beruhen: Einmal wird der Typus, das System an sich, und einmal ein konkretes Vorkommnis einer Skriptur zitiert. Daraus ergeben sich die Zitatformen Typezitat und Tokenzitat. Als weitere Möglichkeit ist das Codezitat in seinen Unterkategorien Subcodezitat, Stilzitat und Formzitat zu nennen. Jede Subkategorie des Codezitats stellt einen anderen Bezug in den Vordergrund. Zwar können bei einzelnen Zitatbeispielen mehrere Bezugsaspekte vorliegen und miteinander interagieren; zentral ist aber meist der Bezug auf einen Hauptaspekt. Die drei Varianten des Codezitats treten sowohl in type- als auch in tokenbezogenen Versionen auf.4 (4) Die Zitatkriterien: Was muss gegeben sein, damit ein Zitat funktioniert? Betrachtet man den Zitierprozess auf interaktionaler Ebene, so kommen die Positionen des Zitatproduzenten und des Zitatrezipienten mit ins Spiel. Der Zitatrezipient ist die entscheidende Position im Zitierverfahren (Abb. 13): Zwischen Zitat und Rezipient wirkt die sogenannte Publikumsbedingung, da das Erkennen und damit das Wirken eines Zitats auf dem zitatbezogenen Vorwissen und der Kenntnis des Rezipienten aufbaut. Voraussetzung dafür sind abduktive Leistungen des Rezipienten, die, abhängig vom Konventionalisierungsgrad des Zitats, die Form unter-, übercodierter oder kreativer Abduktionen annehmen können. Die allgemeine Publikumsbedingung des Zitats lässt sich ausdifferenzieren in verschiedene Abstufungen. Die Skala des Rezipierens reicht vom Nicht-Erkennen eines Zitats über das Erkennen, dass etwas zitiert wird, bis hin zum Erkennen, was zitiert wird, in unterschiedlichen Ausprägungen. Dieses Erkennen ist auch davon abhängig, welchen Bezugspunkt der Rezipient für eine Referenz setzt; mit anderen Worten, was der Rezipient als Ausgangsskript identifiziert und dem Zitat zuordnet. Die Zuschreibung ‚Zitat‘ ist wesentlich abhängig von der Rezipientenaktivität, so dass es nur gesehene (erkannte) und nicht gesehene Zitate gibt. Aus der Festsetzung, das Zitat als rezipientenabhängige Kategorie anzunehmen, folgt, dass es keine
4
Vgl. Kap. 2.4.2 u. 2.5.
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Fehlzuschreibungen von Zitaten geben kann, sondern nur mehr oder weniger berechtigte, begründete Zitatzuschreibungen in bestimmten Kontexten, die in diskursiven Handlungen geteilt oder ausgehandelt werden. Zwischen Zitat und Rezipient bestehen bidirektionale Beziehungen. Das Zitat kann als produzenteninitiierter Störungsauslöser im Zeichenfluss fungieren, der Interpretationsaktivitäten beim Rezipienten herausfordert. Zur Verstärkung dieses Störpotenzials setzen Zitatproduzenten häufig Markierungen von Zitaten ein, um diese vom Kontext abzuheben. Vom Rezipienten zum Zitat verläuft die Richtung der rezipientenseitigen Abduktionsleistungen als Antwort auf das Zitat als Störungsauslöser, wenn die generelle Publikumsbedingung gegeben ist. Die Störung stellt die produzentenseitig initiierte Voraussetzung und die Abduktion die rezipientenseitige Voraussetzung für das Funktionieren eines Zitats dar.5 Abbildung 13: Die Zitatkriterien
Quelle: Eigene Darstellung
5
Vgl. Kap. 2.2.2, 2.2.3, 2.7 u. 2.8.
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(5) Zitat und Gedächtnis: Welche kulturellen Voraussetzungen besitzt das Zitieren? Das Zitat kann als Erinnerungsfigur gelten, die gruppenbezogen sowie räumlich und zeitlich gebunden ist und als Re-Konstruktion von Vergangenheit fungiert. Es stellt eine grundlegende Organisationsform des kulturellen Gedächtnisses dar und situiert sich zwischen dem kulturellen und dem kommunikativen Gedächtnis (Abb. 14). Voraussetzung für das Funktionieren einer Zitierhandlung ist zum einen ein ‚Reservoir‘ an Skripturen, das im kulturellen Gedächtnis vorhanden ist und auf welches Zitatproduzent und Zitatrezipient in ihren jeweiligen Wissensbeständen zugreifen. Drei Strategien des Umgangs mit den Skripturen des kulturellen Gedächtnisses wurden unterschieden: die partizipative, die abwehrende und die transformierende Nutzung von Skripturen. Zum anderen werden kulturelle (Diskurs-)Praktiken für das Zitat benötigt, die im kommunikativen Gedächtnis verankert sind. Dazu gehört die Fertigkeit des Zitierens als Produktionstechnik ebenso wie die Praktik und das Wissen einer Zitatinterpretation als abduktive Kompetenz. Kulturelles und kommunikatives Gedächtnis stehen dabei in einem engen Austausch- und Bedingungsverhältnis, in dessen Zusammenspiel sich das Zitat konstituiert.6 Abbildung 14: Zitat und Gedächtnis
Quelle: Eigene Darstellung
6
Vgl. Kap. 2.2.2.
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(6) Semantische Effekte des Zitierens: Welche semantischen Effekte bringt das Zitieren hervor? Im letzten Element des Modells werden die mikroperspektivischen Zugänge zu einer integrierenden Gesamtperspektive zusammengefügt, so dass alle Verfahrensbestandteile und Akteure des Zitierens in einen Zusammenhang gesetzt werden. Bezieht man den Zitatproduzenten und -rezipienten in die Betrachtung ein, so können die in der ersten Darstellung genannten Wirkungsrichtungen zwischen Skript und Zitat um weitere Wirkungsrichtungen erweitert werden (Abb. 15). Zusammenfassend handelt es sich um semantische Effekte, um Sinnproduktionen, die auf sämtliche Elemente und Akteure des Zitierverfahrens wirken, auf den Zitatproduzenten und Zitatrezipienten, auf das Skript und das Zitat. Abbildung 15: Semantische Effekte des Zitierens
Quelle: Eigene Darstellung
Die semantische Wirkung auf den Zitatproduzenten basiert auf seiner Positionierung durch das Zitieren und die Auswahl des speziellen Zitats. Diese Positionierung, die unweigerlich mit einer Zitation verbunden ist, ist in gewisser Weise semantisch riskant. Zwar können Deutungshinweise beispielsweise durch Markierungen oder metasprachliche Erklärungen gegeben werden; letztlich führt jedoch der Rezipient interpretative Zuschreibungen durch. Die Wirkung des Verfahrens auf den Zitatrezipienten bezieht sich auf die genannten Abduktions- und Interpretationsleistungen, die ein Zitat beim Rezipienten provozieren und auf diese Weise den semantischen Horizont erweitern können. In Bezug auf das Skript wurde bereits die semantische Kontamination durch den Akt des Zitierens genannt, die eine Re-Adressierung beinhalten kann. Das Zitat schließlich wird re-kontextualisiert durch die Interaktion
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mit seiner ‚neuen Rahmung‘. Vom Zitat geht in irgendeiner Weise eine störende Wirkung auf den Zitatrezipienten aus, so dass er abduktiv tätig wird. Alle semantischen Effekte sind abhängig von den diskursiven Aktivitäten der Rezipienten.7 Die beschriebenen Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen, die Einflussnahmen und Wirkungsrichtungen im Zitierprozess konstituieren das Gesamtverfahren und sein Zitatprodukt. Zusammengenommen ergeben sie das Modell, das die Frage nach dem Funktionieren nicht-sprachlichen Zitierens beantwortet.
3.2 E RKENNTNISGEWINNE
DES
M ODELLS
In welchen Punkten bestehen Erkenntnisgewinne dieser Modellierung? Macht man den Forschungsfortschritt an den hier eingeführten Schlagwörtern fest, dann sind für das nicht-sprachliche Zitieren die Prozesshaftigkeit des Verfahrens, die Sinnerzeugung und die Publikumsbedingung zu nennen. Für die Betrachtung nicht-sprachlicher Zitatprodukte stehen die Kategorisierung von Zitat- und Markierungsformen im Vordergrund. Was bedeutet das im Einzelnen? Die Nutzung der Transkriptionstheorie als Rahmenkonzept zur Beschreibung nicht-sprachlichen Zitierens macht es möglich, den Verfahrenscharakter des Zitierens als sinnproduzierende Praktik eines Rekurses auf vorhandene Skripturen herauszustellen. In der medienneutralen Formulierung des Zitierens offenbart sich die verbindende transkriptive Verfahrenslogik differierender Zitaterscheinungen in Musik, Bild, Architektur usw. Dabei wird in besonderem Maße der Prozesscharakter kultureller Sinnerzeugung deutlich, die durch De- und Rekontextualisierungen und Bearbeitungen von Skripturen stetig weiterentwickelt wird.8 Sinn wird weder als ontologisch noch als statisch gedacht. Zitieren ist in diesem Zusammenhang eine grundlegende Praktik, Semantik weiter zu spinnen.9 Sie ist wesentlich abhängig vom Kenntnisstand und den Interpretationsleistungen des Rezi-
7 8
Vgl. Kap. 2.2.1, 2.2.2 u. 2.2.3. In diese Richtung argumentiert auch Kailuweit 2009, S. 27; Steinseifer 2011, S. 176.
9
Vgl. zum Zitieren als Kulturtechnik Kap. 5.
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pienten. Mit dem Konzept der Störung werden Wirkungen von Zitationsvorgängen fokussiert. Die allgemeine Darstellung des Zitierverfahrens, die sowohl Zitieren als medienübergreifendes Verfahren als auch vergleichend in konkreten, medial gebundenen Zitatvarianten integriert, betrifft auch das Zitatprodukt. Für das nicht-sprachliche Zitat wurde so eine Kategorisierung der möglichen Zitatformen und Markierungsarten erstellt, ohne den Fokus auf schriftsprachliche Erscheinungsformen zu verengen. Das Modell trägt in seinen Schwerpunktsetzungen – der medienübergreifenden Verfahrensbeschreibung mit Augenmerk auf die semantischen Effekte und die Bedeutung des Rezipienten sowie der systematischen Einordnung nicht-sprachlicher Zitate und ihrer Markierungen – zur Überwindung der beiden genannten Defizite der Zitatforschung, dem Theoriemangel und dem (Schrift-)Sprachbezug, bei. Die inhaltliche und auch visuell realisierte Gliederung des Modells in sechs Einzeldarstellungen ermöglicht es, die Makro- und Mikroperspektive auf das Zitieren zu verbinden. Worin besteht der Neuheitswert der theoretischen Modellierung? Erstens ist dieser in der schematisierten Darstellung des Funktionierens nichtsprachlichen Zitierens zu sehen, die im Rückgriff auf unterschiedliche theoretische Herangehensweisen und ihre systematische Zusammenführung in dieser Fragestellung entwickelt wurde. Darüber hinaus sind verschiedene Schwerpunkte zu nennen, die bisher in dieser Form nicht Teil der Forschung waren. Dazu gehören zweitens die Spezifizierung der Rezipientenrolle, besonders in der hier entwickelten Idee des Zitats als transkriptiver Störungsauslöser und in dem Ansatz der durch Zitate evozierten Abduktionsleistungen des Rezipienten. Drittens wurde die existierende Zitatklassifikation dahingehend weiter ausgeführt, dass die verschiedenen Varianten des Codezitats benannt und in ihrer Type- und Tokenbezogenheit explizit unterschieden wurden. Viertens ist zwar in der Literatur bereits über das Verhältnis von Zitat und Gedächtnis reflektiert worden,10 aber bisher nicht in der Verortung des Zitats zwischen kulturellem und kommunikativem Gedächtnis als Interdependenzverhältnis der beiden Gedächtnisformate. Ebenso wurden bislang nicht das zitatbezogene produzenten- und rezipientenseitige Wissen und die Fertigkeiten als Teil des kommunikativen
10 Vgl. Böhn 2001a, S. 105 ff.
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Gedächtnisses formuliert. Fünftens besitzt die schematische Darstellung des Gesamtprozesses in seinen semantischen Effekten auf alle ‚Beteiligten‘ des Zitiervorgangs, Zitatproduzent und Skript mit eingeschlossen, einen gewissen Neuheitswert. Inwiefern ist das Modell exklusiv für den Prozess nicht-sprachlichen Zitierens konzipiert oder ebenso für sprachliches Zitieren gültig? Die Beschreibung des Prozesses an sich und die Benennung seiner fundamentalen Elemente im Rahmen des Modells sind prinzipiell auf das sprachliche Zitieren anwendbar. Das Gleiche gilt für das Störungspotenzial von Zitaten und die abduktiven Leistungen, die ein Zitaterkennen und -interpretieren erfordern, sowie die semantischen Effekte des Gesamtprozesses. Die Differenzierung in drei Zitatformen basiert auf dem Sprachzeichenkonzept von Type und Token. Demzufolge sind auch Type-, Token- und Codezitate in der Sprache möglich, allerdings in anderer medialer Ausprägung als etwa bei bildlichen oder musikalischen Zitaten. Ein gewichtiger Unterschied, und darin liegen besonders die Probleme in der Untersuchung nicht-sprachlicher Zitate, besteht zum einen in der Markierung von Zitaten und in der Wörtlichkeit des Zitierens. Während Markierungen in der Schrift im Laufe der Jahrhunderte vereinheitlicht wurden, sind nicht-sprachliche Markierungen in geringem Maße konventionalisiert und deshalb nur tendenziell beschreibbar in verschiedenen typischen Methoden des Zitatherausstellens. Der Wörtlichkeit sprachlicher Zitate vergleichbare Phänomene sind zwar im Bereich nicht-sprachlichen Zitierens präsent, aber sehr viel schwieriger zu erfassen und wurden hier durch das Konzept der Explizitheit des Zitats gekennzeichnet. Die Universalität des Ansatzes macht es weitergehend möglich, nichtsprachliche und sprachliche Zitiererscheinungen gleichermaßen zu betrachten. Zwar wurde das nicht-sprachliche Zitieren zur Profilierung seiner Kennzeichen vom sprachlichen Zitieren getrennt; grundsätzlich handelt es sich aber um dasselbe Verfahren. In der medientheoretischen Fundierung wurde betont, dass mediale Produkte, also auch Zitate, meist multimedial verschränkt sind und sich in Austauschverhältnissen konstituieren. In dieser Relationierung von Sprache zu anderen medialen Systemen, die durch die medienneutrale Beschreibung gegeben ist, besteht der wesentliche Beitrag des Modells zu einer Theorie des Zitierens, die bisher weder als disziplinenübergreifendes Konzept existiert noch etabliert ist.
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Während das folgende Kapitel die universale Ebene verlässt und am Anwendungsfall der Architektur die Spezifika einer medialen Ausdifferenzierung nicht-sprachlichen Zitierens diskutiert (Kapitel 4), folgt dieser ‚Froschperspektive‘ eine ‚Vogelperspektive‘ in Kapitel 5. Hier wird in der Auseinandersetzung mit dem Zitieren als Kulturtechnik wieder die Makroperspektive eingenommen, um weitere essentielle Aspekte einer Theorie des Zitierens herauszuarbeiten.
4. Architektur: Gebaute Zitate
4.1 E INFÜHRUNG
ZUM
S YSTEM ARCHITEKTUR
Zum System Architektur sind einführende Überlegungen in drei Punkten anzustellen: Die erste betrifft das Verhältnis von Architektur und Sprache beziehungsweise Architektur und Zeichen (Kapitel 4.1.1). Architektur und Sprache wurden in der Forschung in theoretischer, begrifflicher und methodischer Hinsicht zueinander in Beziehung gesetzt. In diesen vielfältigen Diskurs reiht sich diese Untersuchung gebauter Zitate ein und positioniert sich zu den bisherigen architekturtheoretischen Arbeiten. Die zweite Überlegung bezieht sich auf Architektur als mediales System (Kapitel 4.1.2): Ansatzpunkt im theoretischen Teil war es, von einem medienübergreifenden Verfahren nicht-sprachlichen Zitierens und eben solchen Kennzeichen nicht-sprachlicher Zitate auszugehen, die medialitätsspezifisch zu differenzieren sind. Hierfür muss das mediale System Architektur charakterisiert werden, um die Spezifika gebauter Zitate herausarbeiten zu können. Die Betrachtung von Architektur als medialem System ist drittens eng verknüpft mit der Frage nach der Bildlichkeit von Architektur oder allgemeiner nach dem Verhältnis von Architektur und Bild (Kapitel 4.1.3). Diese Relation ist besonders für die Analyse gebauter Zitate relevant, da bildliche Repräsentationen von Architektur für die Produktion und Rezeption von Zitaten eine wichtige Rolle spielen. Aufbauend auf dieser Verhältnisbestimmung von Architektur zu Sprache, Medium und Bild erprobe ich das Modell in seinen sechs Bestandteilen an architektonischen Beispielen (Kapitel 4.2 bis Kapitel 4.7) und fasse die Ergebnisse zusammen (Kapitel 4.8).
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4.1.1 Zum Verhältnis von Architektur und Sprache Betrachtet man die umfangreiche Literatur zum Verhältnis von Architektur und Sprache, so sind zwei Aspekte für die Untersuchung gebauter Zitate bedeutsam – erstens die architektursemiotische Diskussion des Zeichenstatus von Architektur und zweitens die Frage der Sprachähnlichkeit von Architektur sowie ihre Implikationen für die Zitatanalyse. (1) Architektur als Zeichen: In den 1960er Jahren entwickelte sich in der Rezeption der klassischen semiotischen Ansätze nach Ferdinand de Saussure, Charles Sanders Peirce und Charles Morris die Forschungsrichtung der Architektursemiotik. Semiotische Ansätze wurden auf die Architekturtheorie und Urbanistik angewendet.1 Der Erfolg der Architektursemiotik stand zum einen im Zusammenhang einer Kritik am Funktionalismus, seiner Negation von nicht funktionsgeleiteter ‚Bedeutung‘ und ‚Kommunikation‘ – Termini, die für die Semiotik zentral sind – und stellte zum anderen eine Reaktion auf die Anfänge einer beziehungsreichen Architektur der Postmoderne dar, die mit herkömmlichen Theorien nicht mehr beschreibbar schien. „Die Suche nach einer verständlichen und bedeutungsvollen ‚Sprache der Architektur‘ wird die Entwurfstechniken der folgenden […] Jahrzehnte ganz erheblich beeinflussen und unter dem Signum der ‚Postmoderne‘ einer ganzen Epoche der Architekturgeschichte ihre Prägung geben.“2
Dabei steht die entworfene und gebaute Architektur in Wechselbeziehung zur semiotischen Theoretisierung der Architekturbetrachtung. Architektur als Zeichen wird beispielsweise untersucht in puncto Formen (Säule, Giebel), Funktionen (Tür, Wand, Dach) oder konstruktive Elemente (Material, Stütze) – als Einzelzeichen, im Zusammenwirken der Zeichen, unter Einbeziehung von Ort und Kontext oder unabhängig davon. Claus Dreyer verortet die verschiedenen Ansätze zur Architektur in einem semiotischen Dreieck mit den Seiten Funktion, Form und Bedeutung. Während eine funktionalistische Perspektive auf die Architektur den Zusammenhang von Form und Funktion als Semantik untersucht, betrachtet
1
Vgl. z.B. Dorfles 1971; Barthes 1976.
2
Dreyer 2009, S. 182.
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die ikonologische Perspektive die Beziehungen zwischen Form und Bedeutung als Hermeneutik. Sozialkritisch-pragmatisch orientierte Ansätze widmen sich der Relation zwischen Funktion und Bedeutung. Die semiotische Herangehensweise schließlich verbindet alle drei Dimensionen des architektonischen Zeichens und betrachtet ihre Wechselbeziehungen.3 Einen solchen Ansatz verfolgt Umberto Eco in seiner Semiotik der Architektur und gibt damit wesentliche Impulse zum architektursemiotischen Diskurs.4 Ausgehend von der These, dass „alle Kulturphänomene Zeichensysteme sind“ und „Kultur im wesentlichen Kommunikation ist“5, wird auch die Architektur als Zeichensystem behandelt. Elemente der Architektur (z.B. eine Treppe) werden meist durch ihre Gebrauchsfunktion definiert. Eco hingegen setzt diese Funktion in Relation zum Begriff der ‚Kommunikation‘. Ein Element „teilt die zu erfüllende Funktion mit“6 – auch im Moment seiner Nichtnutzung oder im Fall der Mitteilung einer Funktion, die aber real nicht vorliegt (etwa bei angedeuteten Fenstern in einer Fassade). Das architektonische Element denotiert laut Eco die Funktion und konnotiert weitere Funktionen und damit verbunden Bedeutungen gemäß bestimmter kultureller Codes. Historisch können sich Verschiebung, Verlust und Überschreibung der Funktionen von architektonischen Objekten ereignen.7 Dieser Aspekt der Funktions- und damit auch Bedeutungsänderung von architektonischen Elementen spielt auch bei gebauten Zitaten eine Rolle. Der angesprochene ‚Code‘, verstanden als konventionell geregeltes architektonisches Zeichen(sub)system, ersetzt dabei in der architektursemiotischen Diskussion den traditionellen Begriff des ‚Stils‘.8 Wie lässt sich der Umgang mit Symbolen in der gebauten Architektur beschreiben? Zu dieser Frage wurde in der zum Klassiker avancierten Studie „Lernen von Las Vegas“ eine Unterscheidung von Architektur als Symbol und Architektur, die Symbole verwendet, eingeführt. Die Architekten Robert Venturi, Denise Scott Brown und Steven Iszenour differenzierten
3
Vgl. Dreyer 2009, S. 180 f.
4
Vgl. Eco 2002, S. 293 ff.
5
Eco 2002, S. 295, Hervorhebung im Original.
6
Eco 2002, S. 298, Hervorhebung im Original.
7
Vgl. Eco 2002, S. 296 ff.
8
Vgl. Dreyer 2009, S. 192 f.
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hier konzeptionell zwischen dem Haus als Ente, einer Architektur, die eine symbolisch aufgeladene Skulptur darstellt und dem Haus als dekorierten Schuppen. Beim dekorierten Schuppen beschränken sich der Schmuck und die Verwendung von Zeichen auf die Fassade; die dahinter liegende Struktur- und Raumaufteilung des Bauwerks ist zweckgebunden. In diesem Fall fungiert die Fassade als Ornament, um Assoziationen beim Betrachter zu wecken. Ihre eigene Architektur, betrachtet am Beispiel des „Guild House“ (1960-1963), bezeichnen die Architekten als „[z]itierende Architektur“9, als dekorierten Schuppen, der mit verschiedenen Assoziationen und bauhistorischen Formen spielt. Fasst man die architektursemiotische Debatte zusammen, so zeitigten die semiotischen Ansätze, die in die Architekturanalyse und -praxis einwanderten, Effekte wie die postmoderne Hinwendung zu einer Kommunikationsfähigkeit von Architektur. Zwar kann grundsätzlich jede Architektur kommunizieren. Das Neue besteht in der Konzeption von Architektur als Zeichen, das von Rezipienten interpretiert werden kann. Damit gehen vermehrte Bezüge auf die Bauhistorie und eine gesteigerte Verwendung von Zitaten in Bauten einher, besonders in der Postmoderne.10 Die Architektursemiotik ist in ihrer Entwicklung eng verbunden mit der Rezeption postmoderner Architektur und verschwindet mit dem Rückgang postmodernen Bauens weitestgehend aus der Theoriediskussion.11 So treten die Diskussionen um den Zeichenstatus von Architekturelementen oder von Stadt im Allgemeinen in den Hintergrund: Teilweise sind semiotische Prinzipien zum architekturtheoretischen Standard geworden, teilweise haben sich auch Grenzen des semiotischen Erklärungspotenzials für die Architekturbetrachtung gezeigt. Grundsätzlich hat sich das Forschungsinteresse von einer Systembetrachtung der Architektur beispielsweise zur Analyse von Zeichenpraktiken verlagert.12 Für die Untersuchung gebauter Zitate sind folgende Erkenntnisse des architektursemiotischen Diskurses basal: neben der grundlegend angenommenen Zeichenhaftigkeit von Architektur ist besonders die konzeptuelle Verbindung von Architektur mit ‚Kommunikation‘ (eines Bauwerks mit
9
Venturi/Scott Brown/Izenour 1979, S. 121.
10 Vgl. Dreyer 2009, S. 200. 11 Vgl. Baumberger 2010, S. 12. 12 Kamleithner 2011, S. 254.
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seinen Nutzern) ausschlaggebend, um das Zitat als Interaktionsformat mit den Rezipienten von Architektur zu verstehen. Dazu gehört auch, Zitate hinsichtlich ihrer Formen, Funktionen und Bedeutungen zu untersuchen. Der Begriff des ‚Codes‘ wurde bereits im Modell beim Codezitat eingeführt und wird hier mit dem Gegenstand Architektur verknüpft. Darüber hinaus ist die Auseinandersetzung mit der Denotation und Konnotation architektonischer Elemente im zitierenden Spiel mit Funktionen relevant, besonders im Aspekt des Erwähnens und Gebrauchens von Architekturelementen im Zitat. Die Unterscheidung von Bauwerken als Enten und Bauwerken als dekorierte Schuppen für die postmoderne Architektur ermöglicht es, den unterschiedlichen Umgang mit Ornamenten und zitierenden Verweisen zu erfassen. Die architektursemiotischen Grundlagen spezifizieren die Modellierung des nicht-sprachlichen Zitierens für den Objektbereich der Architektur. Architektur wird somit in Beziehung gesetzt zu den Begriffen Zeichen, Bedeutung, Kontext, Publikum und Rezeption. (2) Architektur und Sprache: Die architekturtheoretischen Forschung bringt Architektur und Sprache in unterschiedlicher Weise in Zusammenhang:13 Einerseits bedient man sich sprachbezogener Begriffe und Konzepte zur Beschreibung architektonischer Phänomene. Jencks verwendet in seiner Analyse des Ausbildungszentrums „Olivetti“ in Haslemere (James Stirling 1969) die linguistische Stammbaummethode, um dem Bauwerk zugesprochene Metaphern (z.B. ein Briefkasten, Bus oder Wohnwagen) zu erfassen.14 Andererseits wird ‚Sprache‘ beziehungsweise ‚Text‘ konzeptionell als Modell herangezogen und folglich Architektur als Sprache gedacht. So wird theoretisch über die ‚Stadt als Text‘15, über Analogien zwischen Sprache und Stadt, ausgehend von Saussures Unterscheidung von langue und parole16, reflektiert oder auch praktisch eine ‚textuelle Architektur‘ in der
13 Vgl. als Überblick Dreyer 2003, S. 3247 ff. 14 Vgl. Dreyer 2009, S. 187 ff. Zum Metapherngebrauch in der Architekturtheorie vgl. Hnilica 2012. 15 Vgl. Schneider 1976. 16 Vgl. Trabant 1976.
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Anwendung eines dekonstruktivistischen Ansatzes anvisiert.17 In der Analyse postmoderner Bauwerke wird von der ‚Sprache der postmodernen Architektur‘ gesprochen, von ihren Metaphern, ihrer Syntax und Semantik.18 Ich definiere Architektur weder als Sprache noch als sprachähnlich, sondern als mediales System mit einer Eigenlogik. Die vielfach diskutierte Frage, in welchen Punkten Architektur Gemeinsamkeiten mit der Sprache aufweist, spielt hier keine Rolle. Wichtig ist hingegen festzuhalten, dass seit den 1970er Jahren in der architekturtheoretischen Rezeption postmoderner Bauwerke Sprache als Modell sowie linguistisch-semiotische Ansätze Verwendung fanden und demzufolge auch der Begriff und das Konzept des Zitats geläufig wurden. 4.1.2 Architektur als mediales System Die Architekturtheorie hat den Medial Turn bislang nur vereinzelt aufgenommen, so dass die Medialität von Architektur noch wenig diskutiert worden ist.19 Schäffner begreift Architektur als eine Medientechnik und beschreibt Informationsflüsse sowie Transportströme, ihre technischen Bedingungen sowie die architektonischen Realisierungen dieser technischen Vorgaben, um nur ein Beispiel einer medialen Konzeption von Architektur zu nennen.20 Im Weiteren geht es um zitierende Verweise materieller Bauobjekte; das heißt virtuelle oder fiktive Architekturen sind nicht Gegenstand der Untersuchung. Gemäß einer Definition von Leon Battista Alberti setzt sich Architektur grundlegend aus sechs Elementen zusammen: „die Gegend, der Grund (die Baustelle), die Einteilung (Grundriß), die Mauer, die Decke und die Öffnung.“21 Nehmen wir die in der Einleitung formulierten Kennzeichen medialer Systeme, nämlich die spezifischen Materialitäten, Apparaturen und Darstellungsformen hinzu, ergibt sich folgendes Szenario: Gebaute Architektur be-
17 Vgl. Schwarz 1995, S. 19 ff. 18 Vgl. Jencks 1978, S. 39 ff. 19 Vgl. als Kritik an diesem Zustand Ruhl 2007, o.S. 20 Vgl. Schäffner 2010, S. 137 f. 21 Alberti 1975, S. 21.
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sitzt eine bestimmte Materialität (z.B. Massivbau oder Skelettbau, Materialien wie Beton, Stahl, Glas, Stein), die mittels verschiedener Apparaturen hergestellt (von den Stiften und Computerprogrammen im Entwurfsprozess bis hin zu diversen Baumaschinen) letztendlich die Darstellungsform ‚gebauter Raum‘ ergibt. Diese architektonische Grundkonstellation erweitere ich um vier Aspekte, die Architektur als mediales System kennzeichnen und damit auch die Rahmenbedingungen für gebaute Zitate vorgeben. Dazu zählen die Ortsgebundenheit von Architektur, ihre Raumbezogenheit, der Nutzungsund Interpretationsmodus im Umgang mit Architektur sowie die multimediale Verwobenheit von Architektur. (1) Die Ortsgebundenheit: Bauwerke sind, abgesehen von Fällen temporärer Architektur, anders als Bilder oder Filme in ihrer Materialität ortsgebundene Artefakte. Dabei weisen Architekturen nicht nur eine grundsätzliche Ortsgebundenheit auf, sondern sind auch ortsspezifisch in dem Sinne, dass sie mit ihrer jeweiligen Umgebung interagieren und so in bestimmter Weise wirken.22 Bei einigen gebauten Zitaten wird diese Ortsgebundenheit explizit zum Thema gemacht. „Raum [wird] als differentia specifica gegenüber der Malerei, der Bildhauerei, der Literatur [gesehen]. Ihre Definitionen rühmen die Einzigartigkeit dieses Mediums, und obwohl Plastiken und Gemälde doch manchmal räumliche Eigenschaften aufweisen dürfen, ist andererseits doch eine plastische oder malerische Architektur unannehmbar: der Raum ist heilig.“23
(2) Die Raumbezogenheit: Diese Diskussion, inwiefern sich die Architektur malerischer oder skulpturaler Mittel bedient oder darin aufgeht oder ob nicht doch das Genuine der Architektur, frei nach August Schmarsow, in der Gestaltung von Raum liegt, ist immer noch virulent.24 Der Raum ist eine wesentliche Kategorie für die Architektur – auch wenn in der rezenten
22 Vgl. Baumberger 2010, S. 474. 23 Venturi/Scott Brown/Izenour 1979, S. 16 f. 24 Vgl. Böhme 2002, S. 410 ff; vgl. zu den Anfängen der Raumdiskussion bei Schmarsow und Wölfflin im 19. Jahrhundert bis zur ihrer heutigen Rezeption in der Architekturtheorie Wagner 2004.
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Architekturtheorie bisweilen das Raumparadigma zugunsten eines Bildparadigmas in den Hintergrund rückt.25 ‚Raum‘ ist dabei keine einmalig festgelegte Größe. Vielmehr hat sich in der Architekturtheorie in der Rezeption kulturwissenschaftlicher Raumdebatten die Einsicht durchgesetzt: „Raum ist nicht statisch, er entsteht in der lebendigen, leiblichen Bezogenheit von Mensch und Welt.“26 Das Erfahren von Architektur ist demzufolge auf den Körper angewiesen, auf unsere Bewegungen in Räumen – in Bauwerken und vor Bauwerken. Dabei beinhaltet das körperliche Erleben und die Sinneswahrnehmung von Architektur auch „Vorstellungsbilder und Wissen aus Erfahrung. […] Anschauung ist immer eine Einheit von Wahrnehmen, Erinnern, Verstehen und Wissen.“27 Betrachtet man nun gebaute Zitate, so weisen sie, im Gegensatz zu den meisten anderen nicht-sprachlichen Zitaten, die Besonderheit auf, dreidimensional und damit begehbar zu sein. Auf diese Weise wird eine andere körperliche Erfahrung von Zitaten möglich als etwa in der Anschauung eines Tafelbildes oder Textes. Gebaute Zitate gehen also nicht in der Oberfläche auf, sondern sind räumlich verfasst. Selbst Fassaden stellen in den meisten Fällen nicht einfach nur Flächen dar;28 Fassadenzitate sind demnach auch nicht flächig. Darüber hinaus kann sich ein gebautes Zitat z.B. ebenso auf einen Grundriss oder auch auf den Fußboden in einem Gebäude beziehen. So sind Zitate grundsätzlich in allen Bereichen von Architektur anzutreffen. (3) Der Nutzungs- und Interpretationsmodus im Umgang mit Architektur: „Architektur ist kultisch, sie ist Mal, Symbol, Zeichen, Expression. Architektur ist Kontrolle der Körperwärme – schützende Behausung.“29 „Zwecklose Gebäude gibt es zwar, aber sie sind keine Architektur, sondern bloße Spielereien. Die Zweckfunktion ist ein unentbehrlicher Aspekt jedes Gebäudes.“30 Gebaute Architektur funktioniert anders als beispielsweise Bilder oder Filme, da sie in erster Linie praktische Funktionen
25 Vgl. Janson 2008, o.S. 26 Hauser 2011, S. 192. 27 Arnheim 1998, S. 26. 28 Vgl. Beyer/Burioni/Grave 2011, S. 14. 29 Hollein 1970, zitiert nach Pehnt 1986, o.S. 30 Arnheim 1998, S. 27.
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(Wohnen, Arbeiten, Einkauf, Freizeit usw.) erfüllen muss.31 Architektur kann daneben auch Zeichenfunktionen übernehmen und in diesen wahrgenommen werden. So unterscheide ich in der Rezeption von Bauwerken zwei Arten des Umgangs mit ihnen: zum einen der Nutzungsmodus und zum anderen der Interpretationsmodus. Der Nutzungsmodus besteht im Wohnen und Leben der Menschen in und mit Architekturen. Dieses Verhältnis von Mensch und Architektur gestaltet sich folgendermaßen: Architektur „bewegt sich [...] zwischen einem Maximum an Zwang (du mußt so wohnen) und einem Maximum an Verantwortungslosigkeit (du kannst diese Form gebrauchen, wie du willst).“32 So gibt Architektur zum einen in ihrer Wegeführung und Raumaufteilung etwa Bewegungsabläufe und Nutzungen der Gebäude bis zu einem gewissen Grad vor. Architektur kann somit bestimmte Verhaltensweisen ‚anweisen‘, beispielsweise in den disziplinierenden Architekturen der Gefängnisse, aber auch in den Bibliotheken des 19. Jahrhunderts, die in ihrer Architektur der Überwachung des Lesers gewisse Parallelen zu Gefängnisbauten als Panopticon aufweisen.33 Zum anderen kann die vorgegebene Struktur durch Menschen anders als geplant genutzt werden. Darüber hinaus verändern sich Nutzung und Funktion eines Gebäudes im Laufe der Zeit – wie auch Eco herausstellte – und diese verändern das Gebäude. Die Architektur wird bearbeitet, es wird angebaut und weggerissen. Diese Effekte des Einwirkens von Mensch, aber auch Natur auf Architektur zeigt beispielhaft der Architekturfotograf Iwan Baan. Er fotografiert Bauwerke von Stararchitekten wie Zaha Hadid oder Rem Koolhaas – im Gegensatz zur gängigen Architekturfotografie – nicht solitär, sondern stellt sie im Kontext dar – wie Menschen mit diesen Gebäuden umgehen und sie nutzen. Zu seinen Fotografien der Reißbrett-Städte Brasília und Chandigarh, die als creatio ex nihilo – zumindest, was den bebauten Raum betrifft – entstanden, schreibt Cees Nooteboom: „Auf Architekturzeichnungen wächst kein Gras zwischen den Steinen. Beton blüht nicht aus, Rost ist nicht Teil des Entwurfs. [...] Auf Architekturzeichnungen ist es
31 Die Diskussion um Architektur als Kunst wird hier nicht behandelt. 32 Eco 2002, S. 333, Hervorhebungen im Original. 33 Vgl. zum Gefängnis als Panopticon Foucault 1976, S. 256 ff.; zu den Bibliotheken des 19. Jahrhunderts Wagner 2008, S. 121 ff.
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immer still, in Städten nie. In Städten wohnen keine Zeichnungen, sondern Menschen, unberechenbare Individuen, die jeden Moment die für sie erdachte Ordnung stören können und die Stille auf diesen Zeichnungen durchbrechen“.34
Der Interpretationsmodus als zweite Art des Umgangs mit Architektur bezieht sich auf die Momente, in denen wir Architektur als solche wahrnehmen und über ihre Zeichenhaftigkeit und Bedeutungen reflektieren und diese interpretieren. In diesen Momenten ist nicht etwa das Bauwerk als schützende Hülle für den Menschen relevant, sondern sein Zeichenstatus. In diesem Modus werden auch gebaute Zitate als solche sichtbar und bedeutsam. Beyer, Burioni und Grave unterscheiden zwei Modi des Umgangs mit Architektur, zum einen das „intuitive[…], leiblich-räumliche[…] Erfahren von Architektur“, zum anderen das „aufmerksame[…] Betrachten“, das die Autoren auf die Bildlichkeit von Architektur beziehen. Da auch die Wahrnehmung der Bildlichkeit von Architektur an eine Leiblichkeit und Raumwahrnehmung gebunden ist, sprechen sie im zweiten Fall von einem aufgestörten Wohnen.35 Demgegenüber wird hier vertreten, dass der Interpretationsmodus leiblich-räumlich erfolgt, aber nicht auf die bildliche Wahrnehmung von Architektur reduziert ist, auch wenn sie in der Rezeption von Zitaten eine wichtige Rolle einnimmt. Vielmehr kann der interpretierende Blick auf Architektur auch raumbezogen erfolgen. Unterscheidendes Kriterium für den Nutzungs- und Interpretationsmodus ist die thematisierende Auseinandersetzung mit Architektur im Falle des Interpretationsmodus und der Gebrauch von Architektur im Falle des Nutzungsmodus. Natürlich können diese beiden Modi eng nebeneinander liegen oder ineinander übergehen. Auch kann das einmal wahrgenommene Zeichenprogramm eines Gebäudes eine bestimmte Atmosphäre erzeugen, die sich positiv oder negativ auf den Modus des Wohnens in diesem Gebäude auswirkt. Entscheidend ist in unserem Zusammenhang allerdings nur der unterschiedliche Umgang mit Architektur (nutzen oder Zeichen interpretieren) in Bezug auf das Erkennen von Zitaten. (4) Die multimediale Verwobenheit: Zunächst ist von einer Pluralität architektonischer Erscheinungsformen auszugehen: Architektur existiert in Skizzen, Plänen, Visualisierungen und Modellen im Entwurfsprozess, als
34 Nooteboom 2013, S. 21 f. 35 Beyer/Burioni/Grave 2011, S. 19 f.
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reales Gebäude an einem konkreten Ort, in der Präsentation und Rezeption in Beschreibungen, Fotografien, Gemälden, Zeichnungen usw. Ohne diese verschiedenen Manifestationen als Darstellungs- und Wissensformen von Architektur definieren zu wollen, können mit Blick auf diese Fülle zwei Gesichtspunkte herausgestellt werden: Erstens sind die architektonischen Manifestationen nicht identisch (der Grundriss eines Gebäudes zeigt etwas anderes als die Fotografie seiner Frontseite), sondern erzeugen je eigene Architekturen und spezifische (Welt-)Sichten auf Architektur.36 Dies haben Boschung und Jachmann exemplarisch an der Darstellungsform des Diagramms gezeigt, das spezifische Erkenntnisse und Evidenzen als Diagrammatik der Architektur generiert.37 Zweitens spielen architektonische Manifestationen als Vermittlung realer Bauwerke eine wesentliche Rolle: Aufgrund solcher Faktoren wie der Ortsgebundenheit von Architektur und die den menschlichen Maßstab überschreitende Größe von Bauwerken, die sich im Begehen und Umgehen nicht in Gänze erschließen, werden Gebäude häufig in vermittelter Form zugänglich gemacht, z.B. über verschiedene Bildarten oder virtuell begehbare Präsentationen von Architektur in 3D-Modellen. Im Folgenden werden Bauwerke und ihre Zitatformen anhand von fotografischen Darstellungen, die spezifische Ausschnitte und Ansichten von Bauten herstellen, diskutiert. Hierbei handelt es sich, wie bereits im Theoriekapitel angesprochen, weder um verfahrensneutrale noch um medienneutrale Prozesse des Darstellens von gebauter Architektur in fotografierter Architektur, sondern um Transkriptionen.38 Ausgehend von der Vielfalt der Erscheinungsformen von Architektur ist festzuhalten, dass Architektur grundlegend multimedial ist, da sie mit Bildern, aber besonders auch mit Sprache (mündlich und schriftlich, im Entwurfsprozess und in der Rezeption) interagiert. Dieses Kennzeichen ist natürlich nicht singulär für das mediale System der Architektur. Für gebaute
36 Aus dieser medientheoretischen Perspektive auf visuelle Repräsentationen, die aufgrund ihrer spezifischen medialen Struktur unterschiedliche Architekturen beziehungsweise Architekturbilder konstituieren, ist Jörg H. Gleiter zu widersprechen, der von einer Spiegelung der Architektur in den verschiedenen Bildverfahren spricht. Vgl. Gleiter 2008, S. 45. 37 Vgl. Boschung/Jachmann (Hg.) 2013. 38 Vgl. Kap. 2.2.3.
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Zitate ist das besonders enge Verhältnis zwischen Architektur und Bild entscheidend. 4.1.3 Zum Verhältnis von Architektur und Bild Zwischen Architektur und Bild bestehen vielfältige Beziehungen. In der Abwendung von einem Kultur-als-Text-Modell beschäftigt sich auch die Architekturtheorie, wenn auch eher vereinzelt, mit den Auswirkungen des Iconic Turns für die Architekturbetrachtung sowie mit der Frage einer Bildlichkeit von Architektur. Beyer, Burioni und Grave unterscheiden zwei Herangehensweisen an die Bildlichkeit von Architektur in der Forschungsliteratur: zum einen existiert ein semiotischer Bildansatz, der Architektur in ihren zeichenhaften Verweisen im Barock, in der Renaissance und Postmoderne untersucht. Die Bildlichkeit drückt sich in dieser Sichtweise im zeichenhaften Bildcharakter von Architektur aus. So analysiert Jencks die Ikonizität zeitgenössischer Bauwerke, speziell die Bildmetaphern, die Bauten in der Rezeption zugesprochen werden. Beispielsweise rezipierte die Presse Frank Gehrys Guggenheim Museum in Bilbao (1993) unter anderem als Fisch, als paillettenbesetzte Meerjungfrau und als narzisstischer Schwan.39 Zum anderen gibt es eine Tendenz, Architektur aus der Perspektive des Betrachters als Bild zu beschreiben, als (Ober-)Fläche, die abgegrenzt ist. Beide Positionen zur Bildlichkeit von Architektur sehen die Autoren kritisch, da sie jeweils nur Teilausschnitte von Architektur berücksichtigen. Sowohl die Betrachtung von bildsemiotischen Aspekten als auch der Flächigkeit von Architektur vernachlässigen die räumliche Komponente der Baukunst.40 In der gegenwärtigen Architekturpraxis lässt sich grundsätzlich eine kritische Einstellung zu Bildern und ihren Wirkungen feststellen; beispielsweise wird die zunehmend medial vermittelte Wahrnehmung von Architektur kritisiert. Die Bildwirkung einer Architektur des Spektakels lasse die Unmittelbarkeit der konkreten Architekturerfahrung und die Beschäftigung mit dem Bauen an sich, bezogen auf Konstruktion, Form und Funktion, in den Hintergrund rücken.41 Die Architekten Herzog & de Meuron verwerfen
39 Vgl. Jencks 2005, S. 11. 40 Vgl. Beyer/Burioni/Grave 2011, S. 10 ff. 41 Vgl. Langer 2007, S. 156 ff.
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demzufolge den Bildbegriff für die Architektur, da er einerseits der Komplexität des Bauens und Wohnens nicht gerecht werde. Andererseits bestehe die Gefahr, die Eigenlogik der Architektur zu vernachlässigen. „Architektur ist Architektur – das hat Aldo Rossi gesagt. [...] Bilder müssen durch das Medium Architektur ihre Bildkraft erhalten, ihre Fähigkeit zu sprechen, zu trösten, zu heilen. Uns interessiert [...] keine Sprache außerhalb des Mediums Architektur; wir machen keine Collage, wir versuchen ganzheitliche, spezifische Architekturen zu schaffen.“42
Auch der Architekt Rem Koolhaas äußert sich negativ zu der vermehrt anzutreffenden Bildhaftigkeit der gebauten Architektur. Seit dem sogenannten ‚Bilbao-Effekt‘ – Gehrys Aufsehen erregendes Guggenheim Museum zog große Besuchermassen nach Bilbao und wirkte als Tourismusmagnet – beauftragten Städte Stararchitekten damit, Architekturen zu schaffen, bei denen das Markenpotenzial, die Vermarktungsfähigkeit und der Bildwert im Vordergrund stünden, um so Besucher anzuziehen.43 In der Architekturtheorie wird das Bild seit der Moderne, so konstatiert Jörg H. Gleiter, seit der Diskussion um Oberfläche und Kern und der Absage an das Ornament, ‚verdrängt‘. Dabei enthielt die Architekturtheorie immer schon eine Bildtheorie – auch wenn inzwischen mit dem Digital Turn und den neuen Grenzen der Machbarkeit von Architektur vermehrt Bildfragen in den Vordergrund rücken.44 Damit steht auch zur Debatte, wie sich die Architekturtheorie zur Bildhaftigkeit von Architektur verhält, in welchem Verhältnis Architektur und Bild zu beschreiben sind. „Es müsste um eine Art der Bildlichkeit gehen, die in der Architektur wirksam ist, ohne ihr das Architektonische zu nehmen.“45 Janson plädiert demzufolge für den Begriff des architektonischen Bildes, mit dem er das situationsbezogene Wahrnehmen und Erleben von Architektur beschreibt und damit wie Beyer, Burioni und Grave die leiblich-räumliche Komponente integriert. Abgesehen davon, wie die Architekturforschung und die Architekten selbst den Gebrauch von Bildern einschätzen, stehen jedoch das Vorhandensein von
42 Herzog & de Meuron 1985, zitiert nach Ursprung 2012, S. 142. 43 Vgl. Koolhaas 2006, S. 107. 44 Vgl. Gleiter 2008, S. 43 f. 45 Janson 2008, o.S.
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Bildern unterschiedlicher Provenienz und das Operieren mit Bildern an den unterschiedlichen Stellen des Architekturwerdungsprozesses außer Frage. Im Weiteren differenziere ich drei Bereiche des Erscheinens von Bildern der Architektur – als Sammelbegriff für visuelle Repräsentationen unterschiedlichster Art: erstens die Produktion, zweitens die Rezeption und drittens die Vermittlung von Architektur. (1) Die Produktion von Architektur: Den Entwurfsprozess begleiten genuine Bildpraktiken als Inspirationsquellen und bringen zugleich diesen erst hervor (beispielsweise Skizzen, Perspektiven, Axonometrien, Grundrisse, Schnitte, Aufrisse und Renderings). Bilder produzieren im Entwurfsprozess eine spezielle Form der Evidenz in der Legitimierung der Folgerichtigkeit und Angemessenheit einer gefundenen architektonischen Lösung: „Bilder scheinen die Instanz zu sein, die den Zusammenhang der Entscheidungen beim Entwerfen sichert, nachdem Stil durch die Fragmentierung der Gesellschaft seine Grundlage verloren hat.“46 Dabei wirken sich die bildlichen Darstellungsformen einer Epoche, historisch betrachtet, eklatant auf die Entwurfsprozesse aus, etwa technische Entwicklungen wie der Buchdruck in der Renaissance oder Fotografie und Film in der Moderne.47 (2) Die Rezeption von Architektur: Die fertiggestellten Bauwerke können diverse Bildwirkungen hervorrufen, etwa die Fassade als Bild, das Gebäude als Bild oder eine Bildherstellung um das Bauwerk herum. Eine Nutzung der Fassade als Bildfläche findet sich z.B. bei der Bibliothek der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde (1993-1996). Die Architekten Herzog & de Meuron ließen die gesamte Fassade des Gebäudes, die Beton- und Glaselemente, nach fotografischen Vorlagen des Künstlers Thomas Ruff mit Bildthemen zu Politik, Kultur, Geschichte und Wissenschaft bedrucken.48 Gebäude als Bilder liegen bei den sogenannten iconic buildings vor, die als Solitäre einen starken, öffentlichkeitswirksamen Bildeffekt erzeugen. Zu den Bildwirkungen zählen auch die metaphorischen Bilder, die wir uns als Betrachter von Architektur machen, um sie zu beschreiben und zu charakterisieren – etwa wenn das Bundeskanzleramt in Berlin (1995-2001) aufgrund seiner äußeren Gestalt als „Waschmaschine“ benannt wird oder
46 Steinmann 1988, zitiert nach Langer 2007, S. 157. 47 Vgl. Beyer/Burioni/Grave 2011, S. 11 ff. 48 Vgl. Levene 2005, S. 300.
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eine Bushaltestelle von Peter Eisenman am Elisenbrunnen in Aachen (1998) bei der Bevölkerung „Frittenzange“ heißt. Einen Bildeindruck können Bauwerke nicht nur in ihrer Außenwirkung erzeugen; auch in umgekehrter Blickrichtung, von innen aus dem Gebäude heraus nach draußen, produzieren Bauten Bilder. In der Renaissance wurden beispielsweise in Bauwerken Aussichtsfenster in die Landschaft als gerahmte Natur und damit als Bilder inszeniert.49 Ähnliche Verfahren finden sich in der zeitgenössischen Architektur. So entsteht beim Kultur- und Kongresszentrum in Luzern (1993-2001) von Jean Nouvel durch das über den Vierwaldstädter See ragende Dach des Gebäudes der Eindruck eines Bilderrahmens, der das ‚Tafelbild‘ der schweizerischen Landschaft rahmt.50 (3) Die Vermittlung von Architektur: Die Vermittlung steht prinzipiell mit der Rezeption von Architektur im Zusammenhang. Hier geht es aber nicht um die ‚direkte‘ Wahrnehmung eines Gebäudes in der raum-zeitlich gebundenen körperlichen Anschauung, sondern um Vermittlungsformen: So wird gebaute Architektur vielfach über Fotografien und ähnliches rezipiert. Für die Architekten selbst ist die fotografische Inszenierung ihrer Bauwerke in Fachzeitschriften und ähnlichem von großer Bedeutung, um wahrgenommen zu werden.51 Wie steht die Interdependenz von Architektur und Bild zum Phänomen des architektonischen Zitats? Ich vertrete die These, dass gebaute Zitate in besonderem Maße über Bilder entwickelt, aber auch darüber rezipiert werden. Der Entwicklungsprozess eines gebauten Zitats lässt sich im Werk der Architekten Herzog & de Meuron nachvollziehen, die die gesamte Entstehung ihrer Entwürfe inklusive des Bildmaterials transparent und in Ausstellungen öffentlich zugänglich machen. Im Katalog zur Ausstellung „Herzog & de Meuron. Naturgeschichte“ findet sich z.B. auch die Fotografie eines Gullydeckels in Basel, der als Inspirationsquelle für ein gebautes Zitat an einem Wohnhaus in Basel diente.52 Solche explizit genannten Zitatvorlagen sind eher selten, da die wenigsten Architekten ihren Architektur- und Formfindungsprozess offen legen. Die weitere Betrachtung verschiedener Zitatbeispiele wird zeigen, dass für bestimmte Zitatsorten Bilder im Entwurf
49 Vgl. Blum 2011, S. 178 ff. 50 Vgl. Keazor 2011, S. 405 f. 51 Vgl. Böhme 2002, S. 412. 52 Vgl. Kudielka 2002, S. 290; vgl. Kap. 4.3.
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vonnöten sind, beispielsweise beim Zitat eines Grundrisses oder einer historischen Fassadengestaltung. Für die Rezipientenseite erschließt sich das gebaute Zitat eines Grundrisses nicht in erster Linie über das Betrachten und Begehen des Bauwerks, sondern im Nebeneinanderstellen von Grundrissen. Hierbei spielt die von Beyer, Burioni und Grave angesprochene Betrachtung der Flächigkeit von Architektur, Architektur als Bild, gerade für das Erkennen und Aufzeigen von Zitaten eine wichtige Rolle. Da Gebäude an spezifischen Orten materiell situiert sind, sind Abbildungen ein Mittel des vergleichenden Sehens, des Zitatdemonstrierens und Zitaterkennens. In einigen Zitatfällen scheint es nötig, dass man bei fotografischen Darstellungen zum Zitaterkennen auch ähnliche Perspektiven auf Skript und Transkript einnimmt. Hinzu kommt, dass in der realen Anschauung des Gebäudes der Standort des Betrachters einen wesentlichen Faktor darstellt. Der Kunsthistoriker Dagobert Frey beschreibt diesen bildhaften Umgang mit Architektur treffend: „Ein Architekturwerk muß aber keineswegs architektonisch betrachtet werden. Es ist sogar bezeichnend, daß der Laie vielfach mehr zu einer malerischen Auffassung neigt, daß er mehr die zufälligen Gruppierungen und Überschneidungen, die bildmäßigen Ausschnitte, die ‚malerischen Winkel‘ sucht und bevorzugt. Das Wesentliche dieser malerischen Betrachtung liegt bezeichnenderweise in der bildmäßigen Isolierung und Distanzierung. [...] er [der malerische Winkel A.U.] ist vielmehr an einen bestimmten Standpunkt, von dem er zur Geltung kommt, an einen bestimmten Ausschnitt gebunden. Man beachte, wie eine Architektur, durch einen rahmenden Torbogen oder ein Fenster gesehen, sofort bildhaften, malerischen Charakter annimmt.“53
Zwar bezieht Frey seine Ausführungen nur auf Laien der Architekturbetrachtung und macht in seinem Text eine, hier nicht vertretene, Opposition von Bilderleben und Raumerleben auf, aber die grundlegende Beschreibung eines bildzentrierten Umgangs mit Architektur ist passend resümiert. Wesentlich für diese Bildbetrachtung von Architektur vor Ort ist der Hinweis, dass visuelle Erfahrung von Architektur stets mit körperlicher Er-
53 Frey 1946, S. 99.
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fahrung verknüpft ist.54 Damit werden Raum und Bild hier nicht als Gegensätze, sondern als miteinander interagierend verstanden. Das bedeutet aber auch, dass die Rezeption von gebauten Zitaten über Bilder andere Wirkungen erzeugt, als die oben beschriebene Rezeption vor Ort, im Raum „leibliche[r] Anwesenheit“. Denn: „Wir spüren, was das für ein Raum ist, der uns umgibt. Wir spüren seine Atmosphäre.“55 Diese Atmosphären, die durch Architekturen erzeugt werden, wirken sich auch auf die Wahrnehmung von gebauten Zitaten in den gebauten Räumen aus. Demzufolge ist zu differenzieren zwischen der – möglicherweise bildlich strukturierten – Betrachtung von Zitaten in der leiblichen Anwesenheit in atmosphärischen Räumen und der Rezeption von gebauten Zitaten über Bilder. Aufbauend auf den skizzierten Rahmenbedingungen gebauter Zitate wende ich das in Kapitel 3 entwickelte Modell nicht-sprachlichen Zitierens auf verschiedene Beispiele der Architekturgeschichte an.
4.2 ARCHITEKTONISCHES Z ITIEREN T RANSKRIPTIONSPROZESS
ALS
Das Verfahren des Zitierens in der gebauten Architektur lässt sich makroperspektivisch an der zitierenden Wiederaufnahme einer Fassadengestaltung, über Zeit und Raum hinweg, darstellen. In diesem Beispiel wird eine zitierende Linie von Rom nach Berlin, vom 16. Jahrhundert ins 20. Jahrhundert gezogen: Der Architekt Aldo Rossi hat bei der Planung des „Quartier Schützenstraße“ in Berlin (1994-1998) in der Gestaltung einer Fassade auf ein historisches Vorbild zurückgegriffen. Als Präskript, als Vorlage des Zitats, dient die Innenhoffassade des „Palazzo Farnese“ in Rom (ab 1513 geplant), begonnen durch Antonio da Sangallo d.J., umkonzipiert und fertiggestellt durch Michelangelo Buonarrotti (Abb. 16).56
54 Vgl. Beyer/Burioni/Grave 2011, S. 12 ff.; Janson 2008, o.S. 55 Böhme 2006, S. 110 f., Hervorhebung im Original. 56 Vgl. Markschies 2003, S. 60.
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Abbildung 16: Michelangelo Buonarrotti: Palazzo Farnese, Rom, Innenhof, ab 1513
Quelle: Markschies 2003, S. 61
Aus diesem Präskript isoliert Rossi ausschnitthaft drei Achsen der Fassade und integriert diese in den Baukomplex in Berlin als eine Schaufassade zur Straßenseite (Abb. 17). Diese Schaufassade ist also das Transkript des transkriptiven Prozesses der Bezugnahme auf eine historische Hoffassade. Der Transkriptionsprozess ist mit den semantischen Einflussrichtungen, dem Interventionsrecht und der semantischen Kontamination, verbunden. Die semantischen Wirkungsrichtungen – das Interventionsrecht und die semantische Kontamination: Rossi hat offensichtlich auf die Wirkung des zitierten Palazzo Farnese im neu bebauten Gebiet in Berlin gesetzt: „Er wollte der deutschen Neorenaissance der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts einmal das Original gegenüberstellen, in Form des ihm als Idealbild erscheinenden Palazzo Farnese.“57 In die Richtung vom Skript zum Transkript soll das Renaissanceideal semantisch wirken und auf den Neubaukomplex ausstrahlen. Die postmoderne Geste des Herauslösens aus dem historischen Kontext und Kombinierens mit zeitgenössischen, bunten Nachbarfassaden kontaminiert semantisch das Skript. Zudem verwendet Rossi die Fassade als dekorierter Schuppen: sie wird als Schmuckfassade
57 Jaeger 2001, S. 61 f.
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zitiert und weist nur in Teilen eine strukturelle Verbindung mit der Raumgestaltung hinter der Fassade auf. Abbildung 17: Rossi: Quartier Schützenstraße,
Berlin, Schaufassade, 1995-1998
Quelle: Eigene Fotografie
Abbildung 18: Ferstel: Universität Wien, Arkadenhof, 1873-1884
Quelle: Eigene Fotografie
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Die bauhistorische Bedeutsamkeit des Skriptes zeigt sich daran, dass diese Fassade bereits im 19. Jahrhundert in einem ganz anderen Zusammenhang zitiert wurde: Der Architekt Heinrich von Ferstel zitierte in der Gestaltung des Arkadenhofs der Universität in Wien (1873-1884) ebenfalls die römische Hoffassade (Abb. 18). In Wien wird die Fassadengestaltung für alle vier Fassaden des Arkadenhofs verwendet; die Elemente der Fassadengliederung werden reduziert und die Fensterflächen vergrößert, aber der Hofcharakter wird, im Gegensatz zu Rossis Fassadenornament, in seiner Gesamtstruktur übernommen. In klassizistischer Manier knüpft Ferstel an die Tradition des italienischen Humanismus an und zitiert die Farnesefassade in einer Hommage, um die neu gebaute Universität in Wien zu legitimieren.58 Der Bau der Universität steht im Kontext der Konzipierung der Ringstraße in Wien als Symbol des österreichischen Liberalismus mit den Eckpfeilern für Recht und Kultur: dem Parlament, dem Rathaus, dem Burgtheater und der Universität, die alle in einem der Bauaufgabe entsprechenden Stil gestaltet wurden. „Ist es mit der Antike beim Parlament die Beschwörung der antiken Demokratie, so ist es mit dem Gotik-Zitat in der Architektur des Rathauses der bewußte Anschluß an mittelalterliche Rathäuser als erste architektonische Manifestationen eines freien Stadtbürgertums. Hinter der Neo-Renaissance der Universität steht die Vorstellung von der Renaissance als erster Blütezeit des Humanismus, der in dem neuen Universitätsgebäude weitergepflegt werden soll.“59
Im gebauten Zitat in Wien steht eine etwas andere Form der semantischen Kontamination als in Berlin im Vordergrund: Das Skript wird im Rückblick der zitierenden Transkription als nachahmenswertes und stilbildendes Bauwerk, als Repräsentant einer prototypischen Renaissancebauweise und damit als Ausgangspunkt einer Tradition konzeptualisiert. Auf diese Weise wird dem Skript nicht nur der Status eines ‚Originals‘ zugeschrieben, sondern dieses auch besonders in Szene gesetzt als Vorbild. Ein Interventionsrecht des Skriptes könnte, wenn man Michelangelos Fassade als Skript und Rossis Fassade als Transkript ansetzt, in der Infragestellung der ornamentalen Verwendung der zitierten Fassade bestehen. Da-
58 Vgl. Haiko/Reissberger 1989, S. 247 f. 59 Haiko 1998, S. 77.
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gegen ließe sich einwenden, dass das Transkript nicht nur funktionslos schmückend eingesetzt wird, sondern die Funktion einer baugeschichtlichen Reflexion der Architektur Berlins hat: Inhaltlich kontrastiert Rossi die Berliner Neo-Renaissance mit der ‚echten‘ Renaissance. Ob diese Fassadengestaltung nicht doch dem Ornamentalen verhaftet ist, wäre in weiteren transkriptiven Kommentierungen auszuhandeln.
4.3 D IE Z ITATKONSTITUTION In einem zweiten Schritt beantwortete das Modell die Frage, wie sich das nicht-sprachliche Zitat über die Verweisfunktion des Zitats auf das Skript und das Enthaltensein des Skripts im Zitat konstituiert. Die Verweisfunktion: Betrachten wir die Verweisfunktion des Zitats an einem Wohn- und Geschäftshaus in der Schützenmattstraße in Basel (19841993) (Abb. 19). Herzog & de Meuron zitieren in der Fassadengestaltung ein Element der Alltagswelt, einen schweizerischen Gullydeckel (Abb. 20).60 Die Schaufassade zur Straße verweist also in ihrer Wellenstruktur auf die Gestaltung eines Gullydeckels und ist als gusseiserne, aufklappbare Vorhangkonstruktion dem Gebäude vorgelagert. Erwähnen und Gebrauchen: Das Verweisen im Zitat auf das Skript kann mittels Erwähnen oder auch begleitet vom Gebrauch erfolgen. Diese Unterscheidung in erwähnendes und gebrauchendes Verweisen ist essentiell für die Betrachtung von Zitaterscheinungen in der Architektur, da Architektur neben möglichen Symbolfunktionen vorrangig Zweckfunktionen erfüllt. Dementsprechend spielt das Gebrauchen eine wichtige Rolle. Das Erwähnen beinhaltet eine verweisende Auseinandersetzung mit der Bedeutung eines Architekturelementes. Was wird in dem genannten Beispiel erwähnt? Das zitierte Skript, ein bestimmter Gebrauch des Skripts oder der semantische Gesamtzusammenhang, in dem das Skript steht? Erwähnt wird der Kanaldeckel als funktionaler Teil schweizerischer Gestaltung des öffentlichen Raumes, als Typus. Insofern könnte man vielleicht sagen, dass hier der Gebrauch, aber auch solche semantischen Zusammenhänge wie Form, Materialität, Urbanität, Funktionalität oder auch schweizerische Eigenheiten erwähnt werden.
60 Vgl. Langer 2007, S. 162.
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Abbildung 19: Herzog & de Meuron: Schützenmattstraße, Basel, Straßenfassade, 1984-1993
Quelle: Eigene Fotografie
Abbildung 20: Gullydeckel, Basel
Quelle: Eigene Fotografie
Gebrauchen hingegen bedeutet, die Funktion des Zitierten wieder aufzugreifen und neben der Re-Semantisierung im Zitieren auch eine ReFunktionalisierung anzustreben. Das Spektrum des Umgangs mit der ur-
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sprünglichen Funktion des Skriptes reicht von der Funktionsübernahme bis hin zur Betonung der Funktionslosigkeit, bei der es um die Ausstellung der reinen Form geht. Hier zeigt sich insbesondere die ‚Kraft zum Bruch‘, die Funktionsänderung, die das Zitat durch die Handlung der De- und ReKontextualisierung erhalten kann. Bei der Zitatfassade des Stadthauses in Basel stellt sich das Gebrauchen wie folgt dar: Während die primäre Funktion des Gullydeckels, das Wasser abfließen zu lassen, im Zitat keine Rolle spielt, wird in gewisser Weise an die Schutzfunktion, dass z.B. kein Laub oder andere Gegenstände in die Kanalisation gelangen, angeknüpft: Im gebauten Zitat dienen die Klappläden, die die wellenförmige Struktur des Kanaldeckels aufgreifen, als Sonnenschutz und gleichzeitig als Sichtschutz zur Straße.61 Als weiteres Beispiel für ein Gebrauchen des Skripts im Zitat lässt sich der Wohnkomplex „Antigone“ (1978-2000) in Montpellier von Ricardo Bofill anführen. Bofill versteckt die Wendeltreppen zu den Häuserblocks in riesenhaft vergrößerten dorischen Halbsäulen. Während in der antiken Architektur Halbsäulen keine statische Funktion besaßen und als Dekoration sowie Gliederungselement der Fassade dienten, wird in diesem Zitat die Halbsäule zu einem wesentlichen konstruktiven Bestandteil des Bauwerks und zugleich prominent in Szene gesetzt als Verweis auf ein antikes Formenrepertoire.62 Das Enthaltensein: Die Verweisfunktion des Zitats hängt mit dem Enthaltensein zusammen, da sie das Feststellen eines Enthaltenseins struktureller und inhaltlicher Elemente des Skriptes im Transkript lenkt. Als Strukturwiederholung kann der zitierende Rückgriff auf eine bestimmte (technische) Baulösung gelten. Ein inhaltliches Enthaltensein liegt vor, wenn beispielsweise Fassadenelemente auch wieder in einer Fassadengestaltung integriert werden und somit an einem thematisch ähnlichen Platz zum Einsatz kommen. In diesem Fall wird dann nicht nur das Formelement als Baulösung aufgegriffen, sondern auch sein Bauzusammenhang. Denkbar ist aber auch, zitierte Formen inhaltlich anders einzusetzen, so dass ein neuer Gebrauch, etwa in der oben beschriebenen Funktionsänderung, entsteht.
61 Vgl. zum Sonnen- und Sichtschutz die Architekturbeschreibung in Levene 2005, S. 128. 62 Vgl. Collomb 1997, S. 7.
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Wie gestaltet sich das Enthaltensein am Beispiel des Basler Wohnhauses? Das Skript, hier der Gullydeckel, steht in einem Alltagskontext, aus dem er transkribierend herausgelöst wird. Strukturell ist das Wellenmuster, das Gusseisenmaterial und die Farbigkeit im Zitat enthalten; allerdings wird das Skript von der horizontalen Straßenebene quasi nobilitierend in die vertikale Gebäudefassade gekippt, das Muster ist vertikal in die Länge gezogen, dupliziert und bedeckt die gesamte Straßenansicht des Gebäudes. Ein inhaltliches Enthaltensein liegt nicht vor. Die Markierung von gebauten Zitaten: Das Kanaldeckelzitat in Basel betrifft nur die Fassadengestaltung, so dass es ausschnitthaft eingesetzt wird und sich von seinem nicht referierenden Kontext, dem Rest des Gebäudes, durch einen Codewechsel abgrenzt. Diese Trennlinie des Zitats zu seinem Baukontext kann durch verschiedene Markierungsmittel seitens des Zitatproduzenten signalhaft hervorgehoben werden. Auch im Bereich der Architektur liegen Methoden der Zitatmarkierung vor. Die architektonischen Markierungen sind entweder Teil des Zitats selbst oder rahmen es. Im Modell wurden die Methoden Skriptur in der Skriptur, die fokussierende Gliederung, das Umschlagen medialer Parameter und die Unterbrechung genannt. In unterschiedlicher Weise geht es also um ein „Abheben vom architektonischen Kontext“63. Die Skriptur in der Skriptur: Eine solche Markierung liegt bei dem diskutierten Beispiel des Fassadenzitats von Aldo Rossi vor: Die Fassade ist auf beiden Seiten von einer, im Stil mit der historischen Gestaltung kontrastierenden Steinreihe als Rahmung flankiert und auf diese Weise sichtbar von den Nachbarhäusern abgesetzt. Das Gesims hat zudem erkennbar keinen Anschluss, so dass das Gebäude wie aus einem größeren Gebäudezusammenhang herausgeschnitten wirkt. Die fokussierende Gliederung: Beim Museum für Angewandte Kunst (MAK) in Wien steht ein Architekturzitat im Fokus, das, vom Gebäude abgerückt, in den öffentlichen Raum auf den Bürgersteig am Stubenring hinein ragt, das sogenannte „Tor zum Ring“. Diese Torgestaltung steht im Kontext verschiedener Eingriffe in das von Heinrich von Ferstel entworfene Museumsgebäude (1867); in der Auseinandersetzung mit der histori-
63 Baumberger 2010, S. 442 f.
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schen Bausubstanz schufen verschiedene Architekten unter anderem ein „Tor zum Garten“, einen Verbindungsbau und ein Café im Inneren.64 Beim „Tor zum Ring“ zitierte der Architekt und Künstler James Wines im Jahre 1992 in expliziter Form das Gebäude des MAK: Ein Fassadenstück mit Fenster und dazugehörigem Sockel scheint geradezu aus dem historischen Gebäude herausgelöst und ist als Solitär diagonal vor eine Ecke des Museums platziert. Dahinter befindet sich ein neuer Zugang zum Museum und zur Museumsbuchhandlung, was die Beschriftung ‚Buchhandlung‘ im Sockelbereich des Zitats angezeigt. An der Stelle des heutigen Eingangs befand sich vorher ein wie das Zitat gestaltetes Fenster. Mit diesem in den Weg gestellten Zitat des dahinter liegenden Bauwerks wird also auf den neuen Museumszutritt aufmerksam gemacht. Dieses Fassadenzitat weist sowohl ein strukturelles als auch ein inhaltliches Enthaltensein des Skripts im Zitat auf und zwar in der Fenster- und Sockelgestaltung sowie in der zitierten Fassadensituation. In diesem Zitat entsteht der markierende Fokus durch den Gegensatz von Gebäude und davor stehendem, scheinbarem Bestandteil des Gebäudes. Dieser Eindruck entsteht durch das starke Enthaltensein des Skripts und die Explizitheit des Zitats. Dieses Beispiel stellt den eher seltenen Fall dar, dass das Zitat nicht integrativer Bestandteil des Bauwerks selbst ist; vielmehr fungiert es als Bildwerk oder Skulptur. Setzt man die Zweckfunktion von Architektur an, so liegt hier keine tragende Funktion vor, sondern eine indexikalische Funktion des Hinweisens auf die dahinter befindlichen Räume in dem sprachlichen Hinweisschild ‚Buchhandlung‘. Das Umschlagen medialer Parameter: Das Umschlagen medialer Parameter kann sich in der Architektur z.B. auf Materialien, Farben oder Größenverhältnisse beziehen. So unterscheidet sich die Zitatfassade im Quartier Schützenstraße in Berlin in der Farbgestaltung eindeutig von den sie umgebenden Fassaden, die ebenso Teil des Entwurfs waren. Während letztere in verschiedenen poppig-bunten Farben gehalten sind, orange, grün und rot, ist die Zitatfassade in einem gedeckten Grauton gehalten, mit Weiß abgesetzt und erhält so eine historische Anmutung. Auch die Veränderung von Größenverhältnissen kann auf ein Zitat hindeuten. Bofill verwendet bei der bereits genannten Wohnanlage in Mont-
64 Vgl. Sarnitz 2003, S. 46.
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pellier klassische Formen, indem er sie grotesk maximiert;65 Säulen und Kapitelle entsprechen nicht mehr den gängigen Maßstäben und wirken damit signalhaft. Die Unterbrechung: Eine Markierung als Unterbrechung im Bauwerk zeigt sich im Wohn- und Geschäftshaus am Neuen Markt (2001-2002) in Potsdam von Nicola Fortmann-Drühe (Abb. 21). Der Neubau referiert auf seinen barocken Vorgängerbau an dieser Stelle: Friedrich II. ließ als point de vue in der Sichtachse von Schloss Sanssouci eine Fassadenarchitektur (um 1755) in Anlehnung an den „Palazzo Thiene“ in Vicenza von Andrea Palladio errichten (Abb. 22). Dieses im Zweiten Weltkrieg zerstörte Gebäude von Johann Gottfried Büring zitiert Fortmann-Drühe in der dem neuen Gebäude vorgelagerten Fassade.66 Das Thema der barocken Kulissenarchitektur greift die Architektin dadurch auf, dass sie die neue Fassade räumlich vom zeitgenössisch gestalteten Haupthaus abrückt ist und sie dadurch als Kulisse zu erkennen gibt. Hier lenkt folglich die räumliche Lücke, die von innen als Balkon zwischen Fassade und Haus begehbar ist, die Aufmerksamkeit auf das Zitat. In diesem Beispiel wird die Komponente Raum, als ein Kennzeichen des medialen Systems Architektur, thematisiert und genutzt, um das gebaute Zitat zu markieren. Somit sind der Raum und der Bezug darauf ein wichtiger Inszenierungsbestandteil des gebauten Zitats. Zugleich ist in diesem Fassadenzitat eine fokussierende Gliederung in umgekehrter Richtung zu konstatieren. Oberhalb der Sockelzone sind die Wandflächen in der Fassade ausgespart, so dass die dahinter liegende zeitgenössische Glasfassade sichtbar wird. So gibt das räumlich vorgelagerte Zitat den Blick auf seinen, mit ihm kontrastierenden Baukontext frei. Die markierende Gliederung fokussiert hier also nicht das Zitat, sondern seinen rahmenden Hintergrund. Als drittes Mittel kann man hier auch ein Umschlagen medialer Parameter konstatieren und zwar in der Wahl des Materials: Die Fassade ist, entgegen ihrer historischen Anmutung, aus einem zeitgenössischen Werkstoff, aus Betonwerkstein, hergestellt. Mithilfe dieser Gegensätze – bezogen auf den Raum sowie auf den Einsatz der Materialien Glas und Beton – wird das Fassadenzitat als solches signalisiert.
65 Vgl. Collomb 1997, S. 7. 66 Vgl. Welker 2004, S. 214; Schäche 2003, S. 17 ff.
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Abbildung 21: Fortmann-Drühe: Am Neuen Markt, Potsdam, 2001-2002
Quelle: Eigene Fotografie
Abbildung 22: Büring: Am Neuen Markt, Potsdam, um 1755 (Aufnahme um 1911)
Quelle: Schäche 2003, S. 21
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4.4 D IE Z ITATKLASSIFIZIERUNG 4.4.1 Vom Typezitat bis zum Codezitat Ausgangspunkt der Zitatklassifikation war es, Zitate in den Normalfall des indirekten Zitats und den Sonderfall der Explizitheit des Zitats zu unterscheiden. Das indirekte Zitat: Eine indirekte Form des Zitierens liegt beim „Bundeskanzleramt“ (1995-2001) in Berlin vor (Abb. 23). Im südlichen Gebäudetrakt gruppierten die Architekten Axel Schultes und Charlotte Frank mehrere Rundsäulen so, dass der Eindruck eines zur Spree offenen Stützenwaldes entsteht. Diese Anordnung der Betonsäulen ist ein Zitat des Parlamentsgebäudes von Le Corbusier in Chandigarh (Indien 1950-1964).67 Semantisch knüpft das Kanzleramt an das Vokabular der klassischen Moderne an und erwähnt zugleich mit dem Verweis auf das paradigmatische Architekturbeispiel eines Parlamentsgebäudes in symbolischer Weise demokratische Werte. Die Architekten zitieren hier insofern indirekt, als sie nicht die spezifische Raumlösung, die Säulen- und Kapitellform von Chandigarh wieder aufgreifen, sondern nur die Anordnung der Säulen zu einem Stützenwald. Interessant ist an dem Beispiel, dass sich Schultes und Frank in der speziellen Form der Rundsäulen mit Lichtkapitellen, bei denen die Kapitelle durch Ausschnitte in der Decke, durch die das Licht fällt, gebildet werden, selbst zitieren – als typebezogenes Formzitat. Diese zu einem Stützenwald angeordneten ‚Lichtsäulen‘ finden sich ebenso in den Bauwerken „Kunstmuseum Bonn“ (1985-1992) sowie in der Kondolenzhalle des „Krematoriums Baumschulenweg“ (1997-1998) in Berlin (Abb. 24).68 Hier steht das Enthaltensein eines strukturellen Elements im Zitat im Vordergrund; inhaltlich liegen heterogene Bausituationen vor. Man kann diese Wiederverwendung einer einmal gefundenen architektonischen Lösung für unterschiedliche Bauaufgaben als pragmatisch oder auch als stilbildende Maßnahme bezeichnen.
67 Vgl. Dreyer 2001, o.S. 68 Vgl. auch Ullrich 2012b, S. 321 f.; zum Krematorium vgl. Jaeger 2001, S. 181 f.
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Abbildung 23: Schultes, Frank: Bundeskanzleramt, Berlin, 1995-2001
Quelle: Bolk 2001, S. 23
Abbildung 24: Schultes: Krematorium Baumschulenweg, Berlin, Kondolenzhalle, 1997-1998
Quelle: Jaeger 2001, S. 182
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Man kann ebenso aufgrund dieses Selbstzitats eine semantische Verbindung zwischen den Bauwerken Museum, Bundeskanzleramt und Krematorium ziehen und sich z.B. fragen, ob der architektonische Kontext und das jeweilige Umfeld diese Säulen ausreichend situieren oder ob etwa der Bezug zum Krematorium semantisch kontaminierend auf das Bundeskanzleramt wirkt. Die Explizitheit des Zitats: Im Fall der Explizitheit des Zitats ist eine partielle Gleichheit, ein stark ausgeprägtes Enthaltensein des Skriptes im Zitat vorhanden, die wir als ähnlich erkennen – abhängig von unserem Wissen, Kontext und unserer Kultur. Diese direkte Form des Zitierens liegt bei dem oben beschriebenen Haus am Neuen Markt in Potsdam vor. Hier sind strukturell die Gestaltung der Sockelzone, der Kolossalordnung, der Fensterrahmung und des Hauptgesimses enthalten und darüber explizit zitiert, lediglich einige Schmuckelemente fehlen. Inhaltlich handelt es sich um eine Fassadensituation vergleichbar mit dem Skript. Im Unterschied zu dieser Übernahme in der Gestaltung ist die gesamte Fassade in Beton ausgeführt und somit auf der Kontrastfolie unseres Wissens über historische Fassaden als modernes Zitat erkennbar. An diesem Beispiel zeigt sich auch in besonderem Maße die Ortsbezogenheit von Architektur, die als eines der Kennzeichen des medialen Systems Architektur eingeführt wurde. Die Ortsgebundenheit und das geschichtlich Ortspezifische macht die Architektin zum Thema, indem sie den barocken Vorgängerbau, der an diesem Ort stand, im neuen Gebäude zitiert. Demnach liegt hier ein Zitatfall vor, bei dem sich die Ortsgebundenheit von Architektur am gebauten Zitat ablesen lässt und in Bezug auf die Geschichte des Ortes wesentlich das Konzept des Entwurfs prägt. Zugleich wird an diesem Beispiel die multimediale Verwobenheit von Architektur offensichtlich. Das barocke Gebäude existierte zum Zeitpunkt der Planung des Neubaus bereits seit Jahrzehnten nicht mehr. Folglich konnte das Zitat nur mithilfe historischer Fotografien und Pläne hergestellt werden. Auch die Referenz des Vorgängerbaus auf den Palazzo Thiene erfolgte über bildliche Darstellungen und zwar über die Abbildungen der Entwurfsunterlagen von Andrea Palladio in den „I quattro libri dell’architettura“. Friedrich II hatte die Vorgabe gemacht, dass Büring sich an Palladios abgedruckten Plänen orientieren sollte. Da der Architekt Büring den Palazzo, der in Vicenza in bestimmten Teilen anders realisiert wurde als im abge-
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druckten Entwurf, nicht realiter kannte, unterschied sich die Fassade in Potsdam unfreiwillig von ihrem ‚Original‘.69 Im Modell wurden drei Klassen von Zitaten nach der Art des Bezugs auf das Skript identifiziert: Type-, Tokenzitate und Codezitate. Das Typezitat: Diesbezüglich kann der genannte Wohnkomplex „Antigone“ in Montpellier als Beispiel angeführt werden. Der Architekt Bofill zitiert in dieser Anlage, konzipiert für 5000 Bewohner, bei der Gestaltung der Fassaden großflächig den Klassizismus in seinem gesamten Formenrepertoire: Giebel, dorische Säulen, Geschossgesimse und Pilaster als horizontale und vertikale Gliederungen der Fassaden. Nicht ein konkretes Gebäude dient in diesem Fall als Skript, sondern der Typus des klassizistischen Bauens an sich. Die Architekturelemente werden dabei postmodern verfremdet und umfunktioniert, indem beispielsweise die dorischen Halbsäulen – wie beschrieben – riesenhaft vergrößert werden. Weiterhin fungiert ein maximiertes Kranzgesims, das untypischerweise von der Fassade abgerückt ist, als Sonnenschutz.70 Bofill äußerte dazu: „Ich wollte dem Menschen zurückgeben, was er seinen Göttern gab: den Archetypus des Tempels auf eine Sozialwohnung übertragen, die Erhabenheit und die Feierlichkeit des Religiösen zugunsten der einfachsten Menschen einsetzen.“71 Das Tokenzitat: Ein Tokenzitat liegt bei der Neuen Staatsgalerie in Stuttgart (1977-1984) von James Stirling vor: Im Grundriss referiert Stirling auf die Grundrissgestaltung des Alten Museums (1824-1828) von Karl Friedrich Schinkel (Abb. 25). Wie bei Schinkel sind die Räume in einer Enfilade im Rechteck um eine zentrale Rotunde angeordnet (Abb. 26). Im Gegensatz zum Vorbildbau ist der rechteckige Museumsbau nach vorne hin geöffnet.72 Der Tokenbezug besteht darin, dass die Staatsgalerie auf ein konkretes, existierendes Gebäude Bezug nimmt.
69 Vgl. Schäche 2003, S. 23 f. 70 Vgl. Collomb 1997, S. 6 ff. 71 Bofill 1981, zitiert nach Collomb 1997, S. 7. 72 Vgl. Dreyer 1992, S. 47.
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Abbildung 25: Schinkel: Altes Museum, Berlin, Grundriss 1. Geschoss, 1824-1828
Quelle: Rodiek 1984, S. 17
Abbildung 26: Stirling: Neue Staatsgalerie, Stuttgart, Grundriss Galeriegeschoss, 1977-1984
Quelle: Rodiek 1984, S. 15
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„Ich möchte [...] auf Schinkels ‚Altes Museum‘ verweisen, welches ich als prototypisch für die Museen des 19. Jahrhunderts ansehe. Sie besitzen Merkmale, die ich anziehend finde, wie beispielsweise eine Enfilade von Räumen im Gegensatz zu frei fließendem Raum; sogar kleine Räume haben eine gewisse Monumentalität. Für eine Stadt ist es absolut notwendig Wahrzeichen zu haben, denn eine Stadt ohne Monumente würde überhaupt keinen Ort darstellen. Für mich hat Monumentalität nichts zu tun mit Größe oder Stil, sondern ausschließlich mit Präsenz“.73
Damit knüpft die Staatsgalerie als neu gebautes Museum an das Paradebeispiel deutscher Museumsarchitektur an. Besonders das Rotundenmotiv gehört zu den Charakteristika der Museumsbauten der Romantik, das wiederum auf die Rotunde des „Pantheons“ in Rom verweist.74 Stirling sagt selbst dazu: „Natürlich ist es nicht mehr akzeptabel, reinen Klassizismus zu bauen. So ist in diesem Gebäude das zentrale Pantheon kein kulminierender Raum, sondern einfach Leere, ein Raum als ‚non-space‘, statt einer Kuppel hat er nur eine Öffnung zum Himmel.“75
Bei diesem Beispiel befindet sich das Zitat nicht, wie bei den bisherigen Beispielen, an der Oberfläche, an der Fassade. Dieses Zitat eines Grundrisses ist hingegen begehbar und betrifft die gesamte Gebäudegestaltung. Es erschließt sich aber höchstwahrscheinlich selten im Begehen der einzelnen Räume, sondern eher in der graphischen Darstellung, in der Grundrissskizze. In diesem Fall ist sowohl beim Entwurf des Zitats als auch bei der Rezeption der Bezug auf die Grundrissdarstellung nötig, so dass hier eine spezielle Form architektonischer Multimedialität vorliegt. Das Subcodezitat: Ein besonders prägnantes Beispiel für diese Zitatkategorie findet sich in Nouméa in Neukaledonien. Dort baute der Architekt Renzo Piano (Büro Renzo Piano Building Workshop) im Auftrag der französischen Regierung als Geschenk an die Ureinwohner Neukaledoniens, die Kanaken, das „Kulturzentrum Jean-Marie Tjibaou“ (1991-1998) (Abb. 27). Es handelt sich dabei um zehn, in einer Reihe angeordnete Pavillons,
73 Stirling 1984, S. 15, Hervorhebung im Original. 74 Vgl. Rodiek 1984, S. 17. 75 Stirling 1984, S. 16.
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die eine korbähnliche Holzkonstruktion als Hülle besitzen und wie in einer Dorfstruktur gruppiert sind.76 Piano zitiert die traditionelle Flechtbauweise der kanakischen Dörfer und kombiniert diesen kulturellen Code des Kanakenvolkes mit einer modernen, technologischen Architektur. Dieses Subcodezitat ist typebezogen, da es auf den allgemeinen Typus dieses Kulturcodes referiert und nicht auf spezielle Ausprägungsformen desselben. Auch in diesem Zitat wird – wie in Potsdam – das Ortsspezifische zum Leitgedanken des Entwurfs. Abbildung 27: Piano: „Kulturzentrum Jean-Marie Tjibaou“,
Nouméa, 1991-1998
Quelle: Jodido 2005, S. 279
Das Stilzitat: Stil in der Architektur kann begriffen werden „als unbewußtes Ergebnis einer meist kollektiven Bemühung: er ist nur für den losgelösten Blick der Historiker a posteriori erkennbar, und zwar als die Gesamtheit der figurativen Ausdrucksformen einer Epoche, einer Kultur und einer Tradition.“77 Ein Stilzitat findet sich in der Neuen Staatsgalerie in Stuttgart in der Fassadengestaltung. Hier sind im Sockelgeschoss scheinbar zufällig einige Quader aus der Wand herausgefallen und liegen davor auf dem Rasen, so
76 Vgl. Kossel 2004, S. 194. 77 Lampugnani 1996, S. 10.
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dass der Besucher in die Tiefgarage blicken kann (Abb. 28). Dieses Arrangement zitiert die ebenso inszenierte Ruinenarchitektur des 18. Jahrhunderts sowie die künstlichen Ruinen der Architektengruppe „SITE“ (Sculpture in the Environment).78 Diese hatten für das Versandhaus „Best“ in den 1970er Jahren eine Reihe von Showrooms als Shoppingarchitektur mit Ruinencharakter entworfen. Dazu gehörte das „Notch-Projekt“ (1977) in Sacramento, Kalifornien, bei dem aus dem geschlossenen Kubus wie zufällig eine Ecke herausgebrochen war. Die Ecke diente als Eingang zum Showroom und konnte ein- und ausgefahren werden.79 Abbildung 28: Stirling: Neue Staatsgalerie, Stuttgart, Wand
Quelle: Jencks 1987, S. 273
Der Verweis der Neuen Staatsgalerie in Stuttgart auf den Stil inszenierter Ruinenarchitekturen – im 18. und im 20. Jahrhundert – konstituiert das ty-
78 Vgl. Dreyer 1992, S. 47. Zur Ruinenarchitektur im 18. Jahrhundert vgl. z.B. Schulze 1998, S. 25 ff. 79 Vgl. Welzbacher 2004, S. 258.
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pebezogene Stilzitat.80 Stirling erwähnt die Ruinenarchitektur nicht nur, sondern gebraucht sie auch und verbindet sie mit einer neuen Funktion, denn das bauhistorische Zitat hat die Funktion, die Tiefgarage zu entlüften.81 Als tokenbezogene Stilzitate können die Fassadenzitate des Palazzo Farnese in Wien und Berlin gelten. Sie nehmen auf eine spezifische, vorbildhafte Fassadengestaltung Bezug. Zugleich geht es besonders in Wien schwerpunktmäßig um den Stilbezug und seine semantischen Implikationen: Der ideale Stil für eine Universität, als gedachter Zusammenhang zwischen der Bauaufgabe und der Wahl des Stils, wird ausgestellt, um die humanistischen Werte der Universität über die architektonische Gestaltung zu verdeutlichen. Die Unterscheidung zwischen Subcodezitat und Stilzitat kann sich je nach Zusammenhang als schwierig erweisen. Hierzu ist es wichtig festzuhalten, dass ein Stilzitat Eigenschaften eines Subcodezitats aufweisen kann, aber nicht jedes Subcodezitat auch ein Stilzitat ist, da in der Architektur neben stilbezogenen Codeverweisen auch auf organische, geometrische Codes oder High-Tech-Codes referiert werden kann.82 Damit ist der Codebegriff breiter als der Stilbegriff, den ich hier in der Zitatklassifizierung zur Differenzierung beibehalte, auch wenn er in der Architektursemiotik teilweise durch den Codebegriff ersetzt wurde. Das Formzitat: Im Fall des Basler Stadthauses von Herzog & de Meuron handelt es sich um ein Formzitat mit Typebezug, denn es wird nicht auf einen bestimmten Gullydeckel in Basel referiert, sondern auf die typische Gestaltung schweizerischer Gullydeckel.
80 Da Stirling verschiedene Zitate in der Neuen Staatsgalerie vereint, wird dieser Entwurf in seiner Gesamtheit in der Literatur auch als Architekturcollage bezeichnet. Vgl. z.B. die Diskussion bei Rodiek 1984, S. 42; Krämer 1998, S. 202 ff. Die Collage wird darüber definiert, dass architektonische Elemente als Fragmente und zufällige objets trouvés, ihrer ursprünglichen Bedeutung beraubt, in neue Kontexte eingefügt werden und nicht mehr auf ihren Ursprungszusammenhang verweisen. Durch die Zusammenstellung der Fundstücke entsteht eine neue Bedeutung. Vgl. Krämer 1998, S. 227. 81 Vgl. Rodiek 1984, S. 19. 82 Vgl. als Beispiel die Diskussion der Subcodes beim Guggenheim Museum in Bilbao Dreyer 1998, S. 43.
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Warum ist dieser Fall nicht als Typezitat zu bezeichnen? Der starke Formbezug, der sich im strukturellen Enthaltensein der Wellenlinien, der Materialität und der Farbigkeit im Zitat ausdrückt, spricht dafür, den Formaspekt als relevanten Bezug herauszustellen. Einen vorrangigen Aspekt anzunehmen, der im zitierenden Bezug in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt wird, erscheint sinnvoll, auch wenn die Abgrenzungen im Einzelfall zu diskutieren sind. Ein tokenbezogenes Formzitat ist in Wien zu finden: Dieses gebaute Zitat betrifft nicht nur einen Gebäudeteil, sondern die gesamte Außengestaltung des Bauwerkes: Beim Entwurf der Hauptbücherei Wien (1999-2003) zitierte der Architekt Ernst Mayr die „Casa Malaparte“ (1938-1942) auf Capri von Adalberto Libera (Abb. 29).83
83 Vgl. Sarnitz 2003, S. 93; Ullrich 2012a, S. 202.
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Abbildung 29: Libera: Casa Malaparte, Capri, 1938-1942
Quelle: McDonough 2000, S. 191
Abbildung 30: Mayr: Hauptbücherei Wien, 1999-2003
Quelle: Eigene Fotografie
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Der Zitatverweis besteht in dem rechteckigen, langgezogenen Baukörper, der auf der einen Seite über eine, die gesamte Gebäudebreite einnehmende Freitreppe begehbar ist (Abb. 30). Hier finden vom Skript zum Transkript mehrere Re-Semantisierungen statt: von privat zu öffentlich, von rural zu urban, vom Kontext Landschaft und Meer hin zu Stadt und Verkehr. Die große Freitreppe wird aus dem Zusammenhang eines Privathauses, das vereinzelt über den Klippen am Meer steht, auf ein öffentliches Gebäude im städtischen Raum Wiens übertragen und ist umgeben von Verkehr: Der mehrspurige Wiener Gürtel umschließt das Gebäude, darunter befindet sich eine U-Bahn-Haltestelle. Die Freitreppe verbindet den Urban-Loritz-Platz vor der Bücherei mit dem Bibliotheksgebäude, schafft so eine Verlängerung des öffentlichen Raumes nach oben und zugleich einen Aussichtspunkt über Wien. 4.4.2 Der architektonische Sonderfall der Spolie In verschiedenen Epochen der Baugeschichte findet sich die Baupraxis, Bestandteile eines historischen Bauwerkes in ein neues Gebäude zu integrieren. Diese Materialübernahmen werden als Spolien bezeichnet. Vergleicht man in der Frage der Materialübernahme verschiedene mediale Systeme und ihre Hervorbringungen, so entspricht der Spolienpraktik das filmische Materialrecycling des Found-Footage-Genres. In der Malerei existiert etwa das Prinzip der Collage, in der Musik das Verfahren des Samplings.84 Als ein Zitatkriterium wurde das Enthaltensein struktureller und inhaltlicher Elemente genannt. Vergleichbar mit dem Fall des analogen Bildes ist das Zitierte im gebauten Zitat nicht exakt repliziert. Zwar kann nach einem Muster oder Plan ein Gebäude oder ein Teil davon noch einmal errichtet werden, aber es sind stets neue Materialien und andere örtliche Gegebenheiten. Demzufolge stellt sich die Frage, ob die Spolie in ihrer realen Übernahme von Baumaterial in andere Kontexte nicht die genaue Entsprechung eines direkten Zitats in der Architektur ist – zumal sie in der Literatur bisweilen als Zitat eingeordnet wird.85
84 Vgl. dazu Kap. 1.2. 85 Vgl. etwa Dreyer 1992, S. 41; Baumberger 2010, S. 436 ff.
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Wie steht also die Kategorie des gebauten Zitats zum Fall der Spolie? Hierzu ist zu klären, was eine Spolie ist. Es existieren drei unterschiedlich weite Definitionen: Erstens gilt in einem weiten Sinne jedes wiederverwertete architektonische Material als Spolie. Dabei spielen der Originalitätsgrad des Stückes, die Gründe seiner Wiederverwendung und der Aufstellungsort (verdeckt oder sichtbar) keine Rolle. Zweitens werden im kunstwissenschaftlich engeren Sinne nur die Architekturelemente als Spolien bezeichnet, deren fremde Herkunft an der Oberfläche erkennbar und welche für den Betrachter sichtbar angebracht sind. Hier wird folglich historisches Material mit einem bestimmten Ziel in Szene gesetzt. Drittens werden nur die Artefakte als Spolien benannt, die als Trophäen an Plätzen, Bauwerken und Denkmälern der Sieger einer kriegerischen Auseinandersetzung angebracht werden. Sie fungieren als Siegeszeichen oder als Demonstration der Machtübernahme. In der französischen Revolution beispielsweise wurden Steine aus der im Jahre 1789 zerstörten Pariser Bastille als Trophäen des gestürzten ancien régime in alle Regionen Frankreichs gebracht, verbaut oder auch zu Schmuckstücken verarbeitet – quasi als tragbares Siegeszeichen.86 Bei den Erscheinungsformen von Spolien sind drei Arten zu unterscheiden, erstens die Materialreliquie, zweitens die Spolie als topographischer Verweis und drittens als historischer Verweis. Während Materialreliquien, auch als Kontaktreliquien, z.B. auf das Heilige Land verweisen, wurde im Sinne eines topographischen Bezugs im späten 18. Jahrhundert die Unterscheidung von ‚heimischen‘ und ‚fremden‘ Materialien geopolitisch-ideologisch besetzt. Granit galt als besonders deutsches, heimisches Material. So wurde in Berlin die ursprüngliche Sandsteinfront des Mausoleums für Königin Luise im Jahre 1826 durch ‚vaterländisches‘ Granit ersetzt. Beim „Chicago Tribune Tower“ (erbaut durch Raymond Hood und John Mead Howells 1923) verbaute man, um zugleich Heimatverbundenheit und Weltläufigkeit zu demonstrieren, im Sockelbereich sowohl Steine aller US-amerikanischen Bundesstaaten als auch Elemente so berühmter Bauwerke wie des Kölner Doms, der Westminster Abbey, des Arc de Triomphe in Paris und des indischen Taj Mahals.87
86 Vgl. Raff 1994, S. 95. 87 Vgl. Raff 1994, S. 75 ff.
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Eine Spolie in der Funktion eines historischen Verweises befand sich an der Fassade des Staatsratgebäudes der DDR (Roland Korn 1962), in die das Portal IV des Berliner Stadtschlosses eingebaut wurde. Auf dem Balkon dieses Portals, bekannt als „Karl-Liebknecht-Portal“, hatte Karl Liebknecht im Jahre 1918 die „Sozialistische Republik“ ausgerufen. In Erinnerung an diesen Akt und als Symbol für die (auch architektonisch) Gestalt gewordenen Ziele Liebknechts in Form des Staatsrates und der DDR im Allgemeinen diente diese Spolie als eine Art Siegertrophäe. Dabei musste das Portal stark rekonstruiert werden, da nur noch wenig originale Bausubstanz vorhanden war.88 Warum werden Spolien überhaupt verwendet? Ihre Funktionen sind vielfältig: Ökonomische Gründe und Kostenersparnisse sind ebenso vertreten wie die fehlende Kunstfertigkeit, neue Kunstwerke zu kreieren. Die Spolie fungiert in diesen Fällen sozusagen als Notbehelf. Darüber hinaus sind bestimmte semantische Erwägungen relevant; beispielsweise wird versucht, an die Symbolkraft eines historischen Gebäudes anzuknüpfen oder diese durch den Akt der Wiederverwertung zu zerstören. Hinzu kommt die Funktion der Erinnerung an historische Vorbilder.89 Wie diese symbolischen Verweise in der Baugeschichtsforschung interpretiert werden, lässt sich an einem Beispiel aus dem Mittelalter, der Epoche, in der Spolien besonders häufig Verwendung fanden, illustrieren. Es gab „zwei Möglichkeiten [...], die Weihe [eines Bauwerks; A.U.] sich zu erzwingen. Einmal konnte man ein verehrtes Vorbild zu kopieren trachten oder aber sich bemühen, Teile der alten Bauten zu übernehmen, gleichsam Baureliquien zu transferieren. Dieser Vorgang, oft in der mittelalterlichen Baukunst zu beobachten, kann mehr als künstlerische Armut oder Verlegenheit bedeuten. Er kann als unbewußte Fortsetzung eines Kontinuums, als Übertragung von Reliquien oder auch als bewußte Aufnahme einer Tradition wegen der geschichtlichen Bedeutung der Glieder gelten.“90
So ließ Karl der Große für seine Pfalzkapelle in Aachen antike Säulen, Basen und Kapitelle aus Rom und Ravenna kommen und im Oktogon einbau-
88 Vgl. Meuser 1999, S. 18 f. u. 35 f. 89 Vgl. Raff 1994, S. 73. 90 Bandmann 1979, S. 145.
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en. Wie diese Verwendung kostbarer Marmorsäulen im Mittelalter zu deuten ist, ist in der Forschung strittig. Gängige Meinung ist es, in der Versetzung der Säulen in die Aachener Pfalzkirche einen gezielten Bezug auf Rom und damit die Markierung eines karolingischen Herrschaftsanspruchs und die Einreihung in eine politische Tradition zu sehen. Als Materialreliquie und topographischen Verweis konnte Karl mithilfe des kaiserlichen Materials Porphyr sowie über den Herkunftsort der Elemente aus den Kaiserpalästen in Rom und Ravenna an das römische Kaisertum anknüpfen. Thomas Raff spricht hier von „semantischer Verweiskraft“91, Bandmann von „in Teilstücken transferiert[es Rom; A.U.]“92, Werner Jacobsen von einem „Kunstprogramm, welches die politischen Ambitionen Karls dieser Jahre [einen imperialen Machtanspruch zu demonstrieren; A.U.] flankierte.“93 Dagegen besteht für Günther Binding keine Bedeutungsträgerschaft in der Verwendung von Spolien in Aachen. Zu den Motiven des Spoliengebrauchs sind keine mittelalterlichen Schriftquellen vorhanden. Demzufolge kommt er zu dem Schluss, dass es sich bei der behaupteten symbolischen Bedeutung um nachträgliche Zuschreibungen, meist neuzeitliche Interpretationen handelt. Vielmehr stehen seiner Meinung nach die Ausstellung der Kostbarkeit des Materials und der Mühe, diese nach Aachen zu schaffen, als Beweis des unermüdlichen Einsatzes Karls des Großen im Vordergrund und fungieren damit als Frömmigkeitsbeweis. Damit ist allerdings auch eine Bedeutungsträgerschaft verbunden, was Binding jedoch nicht diskutiert. So sieht Binding als wesentliche Funktion die kostbare Schmückung der Pfalzkappelle.94 Als Bedeutungsträger dienen die Säulen nach Binding nur insofern, als sie als Bestandteil der Ausstattung mittelalterlicher Kirchen eine symbolische Funktion inne hatten: „Zudem sind sie [die Säulen; A.U.] im christlichen Verständnis Bedeutungsträger, nämlich Sinnbilder für die Apostel, Propheten und Bischöfe, die die aus lebendigen Steinen (lapides vivi), den Gläubigen, gebildete ecclesia spiritualis tragen.“95
91 Raff 1994, S. 86. 92 Bandmann 1979, S. 145 93 Jacobsen 1996, S. 156. 94 Vgl. Binding 2007, S. 18 ff. 95 Binding 2007, S. 9, Hervorhebung im Original.
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Auch Thomas Weigel geht davon aus, dass die Mehrzahl der im Mittelalter reichlich verwendeten Spolien nicht absichtsvoll im Sinne eines propagandistischen Mittels wiederverwendet wurde. Für ihn ist der ästhetischmaterielle Aspekt der Spolien ausschlaggebend, beispielsweise hinsichtlich Material, Farbe und Lichtreflexen bei Buntmarmorspolien.96 An dieser bauhistorischen Debatte wird deutlich, dass die Legitimität zeichenbezogener Interpretationen von historischer Architektur angesichts fehlender Schriftquellen, die eine solche Deutung belegen könnten, in Frage gestellt wird. Dies betrifft die Spolien- aber auch die Zitatdiskussion. So kritisiert etwa Cord Meckseper den geradezu inflationären Gebrauch des Begriffs Zitat in Studien zu mittelalterlichen Architekturen, in denen das Zitat als wesentliches Ausdrucks- und Demonstrationsmittel für Machtverhältnisse auf der Ebene der Baukunst konzeptualisiert wird. Seine Kritik bezieht sich vor allem auf das fehlende oder zu gering ausfallende Quellenund Bauwerksstudium bei den Zitatinterpretationen.97 Besonders im Kontext eines architektursemiotischen Ansatzes kam der Begriff des Zitats auf und fand in der Folge der Untersuchung postmoderner Architektur auch Eingang in die Deutung historischer Bauwerke, insbesondere des Mittelalters.98 Auch die Spolienforschung stieg in den 1980er Jahre im Interesse an einer Ikonologie und Semantik der Materialien sowie an den symbolischen Verweisfunktionen von Spolien sprunghaft an.99 „Dabei wird implizit vorausgesetzt, daß optisch erfahrbare Baumotive oder ganze Gebäude als begrifflich-kognitive Einheiten eindeutig und dauerhaft semantisierbar seien, als solche imitiert, kopiert oder neukombiniert werden könnten und somit einen prinzipiell eindeutig dechiffrierbaren architektonischen Text abgäben, der etwa komplizierte Herrschaftsverhältnisse, Allianzen und Absetzungen […] anzeigen könnte.“100
96
Vgl. Weigel 1996, S. 118 u. 127.
97
Vgl. Meckseper 1999, S. 67 u. 85.
98
So z.B. bei Felix Thürlemann, der im Rahmen einer semiotischen Analyse visueller Objekte des Mittelalters die Statue vor der Aachener Pfalz als Zitat des Reiterstandbildes vor dem Lateranpalast in Rom deutet. Vgl. Thürlemann 1977, S. 36.
99
Vgl. Poeschke 1996, S. 9.
100 Freigang 2010, S. 16, Hervorhebung im Original.
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Dementsprechend wird verschiedentlich darauf hingewiesen, dass etwa eine formale Ähnlichkeit nicht automatisch eine inhaltliche Bezugnahme impliziert und somit ikonographische Rekonstruktionen des Kontextes besonders wichtig sind. Dieser architekturinterne Diskurs, inwiefern Interpretationen historisch korrekt sind, ist für die leitende Fragestellung nicht maßgebend, da die grundlegenden Mechanismen des Zitierens und ihrer Wirkungen in Abhängigkeit von Rezipienten betrachtet werden. Dabei sind unterschiedliche Interpretationen als Transkripte grundsätzlich gleichberechtigt; erst in bestimmten kontextuell gebundenen wissenschaftlichen oder nicht-wissenschaftlichen Diskursen, um nur zwei Möglichkeiten der Rahmung zu nennen, erweisen sich bestimmte Transkripte, entsprechend den diskursiven Regeln, als weniger legitim als andere. Mit den Ausführungen zu Formen und Funktionen von Spolien ist nun die Frage zu beantworten, ob Spolien unter die Kategorie des Zitats zu subsumieren sind oder nicht. Wenn man vom Zitatkriterium der Verweisfunktion ausgeht, sind Spolien produzentenseitig in ihrer Funktion des Materialrecyclings nicht über den Verweis auf den Vorgängerbau, sondern über ihre Eigenschaften als Baumaterial in das neue Gebäude integriert. Im Fall eines semantischen Anknüpfens (affirmativ oder ablehnend) ist zwar ein Verweis vorhanden, aber er geschieht nicht in der übertragenen Form der zitierenden, das Skript konstituierenden Bezugnahme, sondern in der realen Versetzung einer Skriptur. Die Materialübernahme allein kann dabei nicht als Kriterium für ein Zitat gelten, da ein Enthaltensein des Zitierten im Zitat nicht für ein Zitat ausreicht. Zudem ist der Verweis nicht hergestellt durch das zeichenhafte In-Beziehung-setzen von Skript und Transkript; vielmehr erfüllen die Spolien eine Art Ikonenfunktion, indem das Skript nicht zeichenhaft, sondern als real anwesend gebraucht wird. Das zeigt sich besonders im Fall der Spolie als Material- und Kontaktreliquie. Demzufolge subsumiere ich die Spolie nicht unter dem Begriff des Zitats.
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4.5 D IE Z ITATKRITERIEN Im Modell wurde von der Frage ausgegangen, was gegeben sein muss, damit ein Zitat funktioniert. Im Mittelpunkt stand das Verhältnis zwischen Zitat und Zitatrezipient sowie die zentrale Rolle des Rezipienten in der Zuschreibung eines Zitatstatus. Die Publikumsbedingung: Auch in der Rezeption von Architekturzitaten muss die grundlegende Publikumsbedingung gegeben sein. Es muss also Rezipienten geben, die ein zitatbezogenes Vorwissen zum Skript besitzen. So müssen – wie z.B. in der Musik – Formen, Stile oder Codes durch Kanonisierung soweit bekannt sein, dass sie im Zitat wiedererkannt werden können. Da im Alltag der Nutzungsmodus von Architektur so präsent ist, ist es vielleicht in der Baukunst besonders schwer, massentauglich an bekannte Formen anzuschließen. Dabei können verschiedene vermittelnde sprachliche oder auch bildliche Formate (z.B. wissenschaftliche Aufsätze, Architekturzeitschriften, Kommentare der Architekten, Reiseführer und Informationstafeln vor Ort) über nicht bekannte Skripturen aufklären und ein Zitaterkennen ermöglichen. Das oben genannte Formzitat der Casa Malaparte in der Hauptbücherei Wien ist ein Beispiel dafür, dass die Publikumsbedingung in der öffentlichen Wahrnehmung des Bauwerks nicht gegeben war. In der Rezeption zur Eröffnung der Bibliothek war mehrfach metaphorisch von einem Bücherschiff die Rede, das über dem Verkehrsmeer schwimmt.101 Die Formassoziation mit einem Schiff scheint unmittelbarer zu sein und setzt zudem kein architekturhistorisches Wissen voraus. Ein Hinweis auf den Zitatbezug auf die Casa Malaparte findet sich nur in der Gebäudebeschreibung des Architekten selbst und im Architekturführer zu Wien von Sarnitz.102 Postmoderne Bauten, die besonders häufig Zitate aufweisen, folgen, wie Jencks schreibt, einer doppelten Codierung und sprechen auf diese Weise verschiedene Rezipienten und Nutzertypen an. Die Bauten im eklektischen Stil sind in der Hinsicht doppelt codiert, dass neue Techniken und traditionelle architektonische Muster kombiniert werden und sich die Architektur in ihrer Kommunikation sowohl an die Expertengruppe der
101 Vgl. z.B. Pfoser 2005, S. 5. 102 Vgl. Mayr 2005, S. 11; Sarnitz 2003, S. 93.
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professionellen Architekturrezipienten wendet als auch in ihren populären Elementen an den durchschnittlichen Rezipienten von Architektur richtet.103 Das Zitat als Störungs- und Abduktionsauslöser: Ausgehend von der Publikumsbedingung wurde postuliert, dass sich das Zitat durch sein Störpotenzial konstituiert. Das entwickelte Störungskonzept einer produktiven, transkriptiven Störung, die zum Auslöser rezipientenseitiger Abduktionsleistungen führen kann, lässt sich auch für den Fall der Architektur produktiv machen: Wendet man die beiden eingeführten Zustandsbeschreibungen der Störungt und der Transparenz auf den Umgang mit Architektur an, so entspricht der Nutzungsmodus von Architektur zum einen dem Zustand der Transparenz, indem nicht hinterfragtes Nutzen von Architektur stattfindet. Der Interpretationsmodus zum anderen lenkt den Blick auf die Störungsmomente, auf Architektur in ihrer Materialität, medialen Bedingtheit, in ihrem Zeichenstatus und damit auf ihre Zitathaftigkeit. Der Zustand der Latenz wird gestört und transkriptive Verfahren kommen im Interpretationsmodus zum Einsatz. „Eine eher intuitive, alltägliche Raumerfahrung, ein Wohnen, Bewohnen oder Benutzen, kann kurzzeitig in ein bewusstes Schauen umschlagen, das auf eine Auffälligkeit antwortet.“104 Als Beispiel für ein gebautes Zitat, das als Störungsauslöser fungiert, ist das Ruinenzitat an der Fassade der Neuen Staatsgalerie Stuttgart zu nennen. Der Fußweg für die Besucher des Museums führt direkt an diesem Zitat vorbei. Die glatte Wandfläche wird hier abrupt unterbrochen durch ein Loch in der Mauer, die Steine liegen davor auf dem Rasen. Irritierend an dieser Situation, die auf den ersten Blick wie eine Störung als Unfall, als zu behebende Baustelle erscheint, ist, dass die scheinbar herausgefallenen Steine so säuberlich auf dem Gras liegen und das anscheinend schon lange Zeit. Die Quader sind unversehrt, weisen keine Mörtelspuren auf, ebenso ist die Lücke glatt und ohne Abbruchspuren. Setzt man sich mit realen Störungen von Baugefügen auseinander (im Sinne von noch nicht vollendet, Baustelle oder schon zerstört), so stört die Inszeniertheit der Situation, die zu Interpretationen, zu abduktiven Leistungen herausfordert. Dabei ist sowohl ein Erkennen, dass zitiert wird, ohne zu wissen, auf welchen architekturhistorischen Diskurs referiert wird, als auch ein Erkennen, was zitiert wird (die Ruinenarchitektur) denkbar.
103 Vgl. Jencks 1990, S. 14 ff. 104 Beyer/Burioni/Grave 2011, S. 19.
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Während bei der Staatsgalerie die Erwartung gestört wird, dass die Mauern eines Gebäudes im Normalfall unversehrt sind, kann bei dem Haus am Neuen Markt im Potsdam das Fassadenzitat in seiner Materialität stören. Auf den ersten Blick reiht sich die Fassade in die historische Kulisse der anderen Fassaden des Platzes ein. Doch der Eindruck von Geschichtlichkeit wird durch das Betonmaterial der Fassade konterkariert, das offensichtlich kein historisches Baumaterial für diese Epoche sein kann. Zudem ist die Fassade nicht Teil des Gebäudes, sondern ihm vorgelagert und davon abgetrennt. Diese Aspekte können Störungen beim Rezipienten auslösen, ihn vom Nutzungsmodus von Architektur in den Interpretationsmodus ‚umschalten‘ lassen und zu Transkriptionen führen. Bei anderen gebauten Zitaten ist das Störungspotenzial weniger ausgeprägt. Das Grundrisszitat der Staatsgalerie ist nur zugänglich, wenn sich der Rezipient mittels bildlicher Darstellungen (Grundrisszeichnungen) oder sprachlicher Kommentare (Stirlings Aussagen, metasprachliche Architekturführer) das Bauwerk erschließt – oder der Rezipient hat einmal das Alte Museum besucht und kann sich aufgrund seiner dortigen Raumerfahrung an dieses Gebäude in der Neuen Staatsgalerie erinnert fühlen. In diesem Fall erfolgt das Erkennen nicht über spezielle Bilder, sondern über die Raumwahrnehmung in der leiblichen Anwesenheit. An dieser Stelle werden die beiden genannten Arten der Rezeption von gebauten Zitaten ersichtlich, im körperlichen Erleben vor Ort oder in der bildvermittelten Anschauung.105 Zum Fall der Erfahrung von Zitaten in der leiblichen Anwesenheit wäre der Zusammenhang von Raum, Zitat und Atmosphäre in der Rezeption von Architektur näher zu erforschen.106
4.6 Z ITAT
UND
G EDÄCHTNIS
Im Modell wurde das Zitat als Erinnerungsfigur zwischen dem kulturellen und dem kommunikativen Gedächtnis situiert.107 Das Anknüpfen an die Historie mittels eines gebauten Zitats zeigt sich exemplarisch in dem Fassadenzitat am Potsdamer Neuen Markt. Die Funktion des point de vue im städtebau-
105 Vgl. Kap. 4.1.3. 106 Zum Zusammenhang von Architektur und Atmosphäre vgl. Böhme 2006. 107 Vgl. allgemein zum Verhältnis von Architektur und Gedächtnis Tausch 2010.
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lichen Gesamtzusammenhang wird erinnert – ebenso in abstrakter Form die historische Gestaltung der Fassade, die im 18. Jahrhundert als Kulissenarchitektur geplant war und in dem Neubau auch als solche inszeniert wird. Zum Umgang mit Skripturen aus dem kulturellen Gedächtnis wurden drei Strategien genannt, die Partizipation, die Abwehr und die Transformation. Diese sind auch für den Bereich architektonischen Zitierens prägend: Ein partizipativer Umgang mit dem zitierten Bauwerk findet sich beispielsweise in der verehrenden Aneignung der Renaissance-Fassade des Palazzo Farnese in den Hoffassaden der Wiener Universität. Hier stehen das Einreihen des neuen Universitätsgebäudes in die humanistische Tradition sowie die Erinnerung daran im Vordergrund. Abwehrend im Sinne von überschreibend und Funktionen ändernd verfahren Herzog & de Meuron in ihrem Gebäude für das „Dominus Weingut“ in Napa Valley, Kalifornien (1995-1997). Hier liegt zwar kein Zitat vor, aber auch eine Form von Bezugnahme. Für die Fassaden verwendeten sie Steingabione, mit Steinen gefüllte Drahtkästen, die ursprünglich zur Befestigung von Dämmen und Deichen rein funktional verwendet wurden. Aus diesem Element des Tiefbaus wird ein Element des Hochbaus. Während die Gabione im Normalfall zur Beschwerung eines Hangs benutzt werden, werden sie bei diesem Gebäude als Mauern eingesetzt. Sie erhalten eine thermische Funktion im Abhalten von Hitze und Kälte, aber dienen gleichzeitig als Sonnenschutz, zur Belüftung und Belichtung. Darüber hinaus haben sie eine ästhetische Wirkung: Durch die Steinzwischenräume fällt das Sonnenlicht in den Innenraum und erzeugt Schattenspiele.108 Die Gabione sind mit Basalten aus der Gegend gefüllt, so dass auf diese Weise ein topographischer Bezug und eine Eingliederung in die Landschaft erzielt werden. Diese Umnutzung und semantische Änderung der Steingabione als ästhetisch ansprechendes Baumaterial war so erfolgreich, dass sie inzwischen bei Einfamilienhäusern zur Abgrenzung des Grundstücks zum Einsatz kommen und hauptsächlich mit dieser Nutzung assoziiert werden. Transformatorisch agiert der Architekt Renzo Piano, indem er die traditionellen Codes der Kanaken-Kultur in eine moderne Architektur überführt, allerdings nicht in einem übertrumpfenden Gestus, sondern in respektvoller Kombination von Alt und Neu.
108 Vgl. Levene 2005, S. 318.
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Mit einer ironisch-witzigen Haltung geht der Architekt Hermann Czech in seinem „Kleinen Café“ (1970-1974) in Wien vor. Czech verwendet in der Ausgestaltung des Cafés, das sein Konzept von Architektur als Hintergrund, die wirken soll, als wenn sie immer schon so gewesen wäre, zeigt, versteckt Ikonen der Architektur. Diese werden dadurch gebrochen, dass sie für ein Café auf engstem Raum zum Einsatz kommen. So verlegte er den Fußboden in derselben Manier wie in der österreichischen Nationalbibliothek in Wien. Eine kleine Treppe zu den Toiletten sollte eigentlich die charakteristische Form der berühmten Treppe der „Bibliotheca Laurentiana“ von Michelangelo in Florenz zitieren; dies ließ sich jedoch aus Gründen der Verkehrssicherheit in diesem architektonischen Kleinformat nicht realisieren.109 Wechselt man von der Betrachtung des kulturellen Gedächtnisses zum kommunikativen Gedächtnis, so findet sich produzentenseitig eine, die gesamte Baugeschichte durchziehende Technik, Zitate von Bauwerken oder von Hervorbringungen anderer medialer Systeme zu kreieren. Da hier keine Wirkungsgeschichte von gebauten Zitaten im Laufe der Jahrhunderte diskutiert wird, betrachten wir rezipientenseitig nur die heutige Situation. Diesbezüglich stellt sich die Frage, welche architektonischen Formen, Stile usw. als bekannt vorausgesetzt werden können, so dass sie als Zitat erkannt werden. Aufgrund des heterogenen Adressatenkreises kann dazu pauschal keine Aussage gemacht werden. Auch wenn architektonische Laien ein Bauwerk vielleicht nicht konkret historisch einordnen können, so besteht doch ein Wissen über die Historizität von architektonischen Formen, die beispielsweise mit Würdeformeln und Nobilitierung assoziiert werden. In diesem Sinne werben Firmen für Fertighauslösungen mit individuell zusammenzustellenden historisierenden Architekturversatzstücken. Einkaufzentren in den USA werden häufig als Kleinstädte entworfen, mit einem zentralen Platz und einem Uhrenturm, um eine verkaufsfördernde Atmosphäre mit historischem Flair zu schaffen. Hinter diesen Kulissenfassaden, den dekorierten Schuppen, befinden sich rein zweckgebundene Blockarchitekturen.110
109 Informationen aus einem persönlichen Gespräch mit Hermann Czech im Jahre 2007 in Wien. 110 Vgl. Wefing 2004, S. 87.
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4.7 S EMANTISCHE E FFEKTE
DES
Z ITIERENS
Mit Blick auf den gesamten Zitierprozess wurden im letzten Teil des Modells Wirkungsrichtungen auf alle Beteiligten des Zitierens dargestellt. Die Wirkungsrichtungen der Störung und Abduktion wurden bereits am Beispiel des Ruinenzitats an der Neuen Staatsgalerie veranschaulicht. Deswegen wird der Schwerpunkt auf das Verhältnis von Zitatproduzent, Skript und Zitat gelegt und an einem architektonischen Beispiel illustriert. Der „Köln-Turm“ im „MediaPark“ in Köln (1998-2001), entworfen von Jean Nouvel, fungiert als Landmarke im Stadtbild. Ein Bezug zum Ort wird in diesem Entwurf in mehrfacher Hinsicht hergestellt: einerseits sind auf der Fassade Ansichten der Stadt Köln zu sehen, z.B. der Kölner Dom. Diese Gebäude der Altstadt, die im realen Stadtzusammenhang in einiger Entfernung liegen, werden fotografisch herangeholt. In einem anderen Bauprojekt in Paris projizierte Nouvel die historischen Sehenswürdigkeiten mittels mehrfacher Spiegelungen so, dass die tatsächlich weit auseinander liegenden Bauwerke gespiegelt nebeneinander in der Fassade des Bauwerks zu sehen sind. Andererseits spielt Nouvel in diesen Fassadenbildern auf die Medien Fotografie (Stadtansichten auf der Fassade) und Film an und nimmt somit den MediaPark als Ort verschiedener Medienunternehmen, Radiosender, eines Fotografiemuseums sowie eines Cineplexes thematisch auf. Der Bezug zum Film wird darüber hergestellt, dass die auf dem Gebäude angebrachten Wolkenbilder eine Filmsequenz aus Jacques Tatis Film „Playtime“ (1967) zitieren. In einer Filmszene spiegeln sich reale Wolken in der Fassade des Pariser Flughafengebäudes. Darüber hinaus sind in einer späteren Sequenz des Films die historischen Bauten von Paris ebenfalls in modernen Glasfassaden gespiegelt. Die filmische Sequenz, in der Wolken an einem Gebäude vorüberziehen und auf der Glasfassade zu sehen sind, wird als Skript zitiert und damit die Jahrzehnte alte Filmszene re-adressiert. Der zitierende Bezug zum Film situiert und re-kontextualisiert den Köln-Turm in seinem medial geprägten Bauumfeld. Während Tati Glas als das zentrale Baumaterial der Moderne, das für Transparenz steht, karikiert und die Moderne als Ganzes kritisiert, verwendet Nouvel die auf Glas angebrachten Sehenswürdigkeiten in einer positiv konnotierten Inszenierung, um den altstadtfern gelegenen Köln-Turm in
GEBAUTE ZITATE | 185
den Stadtkontext einzubinden und an das Historische anzuknüpfen.111 Die Wolkenspiele an der Fassade tragen dazu bei, einen Eindruck von Bewegung und Leichtigkeit zu schaffen: „En montant le long de la façade, le regard est ainsi pris dans une dynamique ascensionelle et perçoit les images imprimées comme des séquences filmiques la silhouette de Cologne disparait progressivement, des nuages défilent, un avion passe.“112 Die Positionierung des Architekten durch den Rückgriff auf eine Filmszene ist durchaus gewollt und inszeniert: Nouvel versteht seinen Beruf als Architekt parallel zum Regisseur eines Films und hat in verschiedenen Entwürfen auf die Darstellungsmittel des medialen Systems Film (etwa in der Wiederaufnahme einer Filmfigur auf einer Fassade oder in der Umsetzung einer Filmhandlung als Grundprinzip für einen Entwurf) zurückgegriffen.113 Allerdings wurde das Filmzitat am Köln-Turm als Skript durch weitere, ‚weltpolitische Transkripte‘ semantisch kontaminiert. Dies zeigte sich in Folge der Ereignisse des 11. September 2001, im Jahr der Fertigstellung des Turms: Die auf der Fassade des Hochhauses angebrachten Bilder von in Wolken fliegenden Flugzeugen erhielten nach dem 11. September in der Außenansicht, aber vor allem auch im Blick aus dem Hochhaus nach draußen, eine neue, negative und beunruhigende Bedeutung. Die Leichtigkeit verwandelte sich in eine bedrohliche Szene. Bei dieser Nutzung der Fassade als Bild haben die massenmedial verbreiteten Fotografien aus New York, die sich in das kulturelle Bildgedächtnis weltweit eingegraben haben, als Transkriptionen auf die Wahrnehmung des Gebäudes gewirkt. Die semantische Kontamination war so eklatant, dass die Auftraggeber des Gebäudes über die Entfernung des Fassadenbildes als Intervention nachdachten. Letztlich wurde die Fassade so belassen.114
111 Vgl. Keazor 2011, S. 397 ff. 112 Projektbeschreibung auf der Webseite des Architekturbüros: http://www. jeannouvel.com (Zugriff 18.07.2013). 113 Vgl. Keazor 2011, S. 389 ff. 114 Vgl. Keazor 2011, S. 408 u. 420.
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4.8 Z USAMMENFASSUNG Wie verhält sich das entwickelte Modell zu den Zitatforschungen in der Architekturtheorie? Größtenteils liegen in den disziplinären Arbeiten Einzelfallstudien bezogen auf Bauwerke (Neue Staatsgalerie in Stuttgart), Architekten (Stirling oder Hollein), Stile (eklektizistischen Bauen der Postmoderne) oder Epochen (Mittelalter) vor.115 Theoretische Beschreibungen der Kategorie Zitat stehen nicht im Vordergrund. Eine Ausnahme bildet hier Dreyers Arbeit zu Zitaten in der zeitgenössischen Architektur. Seine Einteilung von Zitaten nach zitierten Systemen, ob nun Architektur Architektur zitiert oder Kunst und Natur, entspricht in etwa der hier verwendeten Einteilung in intra- und intermediale Zitate. Weiterhin nimmt Dreyer eine Auflistung von architektonischen Elementen vor, die Gegenstand eines Zitats sein können. Die Liste reicht von Einzelelementen wie Tür, Fenster, Säule über Motive (Palladio-Motiv), Strukturen- und Kompositionsschemata (die von Räumen umgebene Rotunde bei Stirling), Typologien (venezianische Villen), Stile (Barock) bis hin zu Konstruktions- und Materialbesonderheiten (Stahl, Glas).116 Diese Einteilung bezieht sich auf spezifische Mittel der Architektur. Demgegenüber ist die verwendete grundlegende Unterscheidung in Type-, Token- und Codezitate zugleich basaler und medienübergreifender. Zudem gehen die von Dreyer gewählten Kategorien teilweise in den im Modell enthaltenen Zitatklassen auf (z.B. die Stilzitate), teilweise können sie die basalen Klassen spezifizieren und damit für den Bereich der Architektur konkretisieren (z.B. das Typezitat, untergliedert in oberitalienische Laubenganghäuser, venezianische Villen usw.). Was bei Dreyer nicht vorkommt, aber eine wichtige Unterteilung darstellt, ist die Unterscheidung von Codezitaten hinsichtlich ihrer Type- oder Tokenbezogenheit. Damit lässt sich, quer zu der Differenzierung bei Dreyer, beschreiben, wie mit Stilen, Motiven oder Einzelelementen umgegangen wird, ob sie als Typus behandelt werden oder ob auf ein Motiv in der Konkretisierung eines bestimmten Bauwerks Bezug genommen wird. Die Anwendung des Modells nicht-sprachlichen Zitierens auf den Fall gebauter Architektur hat folgende Ergebnisse hervorgebracht: Prinzipiell ist
115 Vgl. Kap. 1.2.3. 116 Vgl. Dreyer 1992, S. 55.
GEBAUTE ZITATE | 187
das entwickelte theoretische Instrumentarium mit seinen terminologischen Prägungen für den Objektbereich Architektur nutzbar und ermöglicht es, verschiedene Formen des Zitierens zu beschreiben. In diesem Kapitel wurde verschiedene gebaute Zitate behandelt: Sowohl intramedial gebaute Zitate (z.B. das Fassadenzitat bei Rossi) wurden beschrieben als auch intermediale Zitate (z.B. das Filmstillzitat bei Nouvel). Diskutiert wurden Zitatarchitekturen vom 18. bis ins 21. Jahrhundert, die zitierend auf Skripturen bis ins 16. Jahrhundert zurückgriffen. Zitatbeispiele aus Deutschland, Frankreich, Schweiz, aber auch Neukaledonien und USA wurden dargestellt; sowohl ‚Großzitate‘, die das gesamte Bauwerk betreffen (die Hauptbücherei in Wien als Zitat der Casa Malaparte), als auch ‚Kleinzitate‘, die sich auf Teile eines Gebäudes beziehen (das Ruinenzitat an der Neuen Staatsgalerie Stuttgart), wurden behandelt. Bezüglich der Bauaufgaben waren Privatbauten (Wohn- und Geschäftshaus in Basel und Potsdam) und öffentliche Gebäude (verschiedene Museen) vertreten. Die Zitate traten in allen Bereichen der Bauwerke auf; Grundrisse wurden ebenso zum Gegenstand und zum ‚Ort‘ eines Zitats wie Fassaden und die gesamte Außenhaut eines Gebäudes. Da also eine gewisse Breite in der Zitatuntersuchung hergestellt wurde (bezogen auf die Faktoren Zeit, Raum, Bauaufgabe, Zitatart und Zitatort), kann behauptet werden, dass das Modell auf unterschiedliche architektonische Konstellationen anwendbar ist. Damit ist das Verfahren architektonischen Zitierens – mehr oder weniger losgelöst von einer bauhistorischen Einordnung – darstellbar und semantische Wirkungen sind beschreibbar. Mit dem Modell wird es möglich, auf eine Epoche bezogen oder auch epochenübergreifend Strategien und Vorgehensweisen des Zitierens, etwa im Hinblick darauf, worauf Bezug genommen wird, zu vergleichen. Die konzeptuelle Herangehensweise, dass das Zitierverfahren im Allgemeinen medienübergreifende Kennzeichen aufweist, die konkreten Zitatvorkommnisse allerdings medienspezifische Ausdifferenzierungen in ihrer Gestaltung aufweisen, stellte sich in der Anwendung auf die Baukunst als sinnvoll heraus. So zeigten sich die gebauten Zitate geprägt durch solche medialen Kennzeichen der Architektur wie die Ortsgebundenheit, Raumbezogenheit und die multimediale Verwobenheit. In manchen Entwürfen wird mit diesen medialen Faktoren gespielt und sie werden in der Gestaltung des Zitats explizit thematisiert – wie etwa beim Ortsbezug des Fassadenzitats in Potsdam, das als Erinnerungsfigur auf seinen Vorgängerbau verweist.
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Als fruchtbar erwies sich das Störungskonzept für die Architekturwahrnehmung. Das Potenzial von Zitaten, Störungen auszulösen, ist für das mediale System Architektur von Bedeutung, da Architektur in erster Linie Zweckfunktionen erfüllt und im Alltag im Nutzungsmodus wahrgenommen wird. Hier ist also das Auslösen von Störungen relevant, um den Rezipienten zu einem Interpretationsmodus und zu abduktiven Leistungen anzuregen. Mit den Begriffen der Störung und der Abduktion lässt sich folglich der Interpretationsmodus im Fall gebauter Zitate beschreiben.
5. Szenarien des Zitierens
Auf die Froschperspektive, die in der Anwendung des Modells auf konkrete architektonische Zitatbeispiele eingenommen wurde, folgt die Vogelperspektive: Die Vielfalt sprachlichen wie nicht-sprachlichen Zitierens wird in einem Punkt zusammengeführt als Kulturtechnik charakterisiert (Kapitel 5.1) und ihre basalen Funktionen erläutert (Kapitel 5.2). Wie sich dabei das Verhältnis von Zitat zum ‚Original‘ gestaltet, wird unter dem Stichwort ‚Zitieren als Sekundärpraktik‘ geklärt (Kapitel 5.3). Diese Kennzeichnung des Zitierens als Kulturtechnik liefert wichtige Anhaltspunkte für eine allgemeine Theorie des Zitierens.
5.1 Z ITIEREN
ALS
K ULTURTECHNIK
Zitieren wurde im Theoriekapitel bereits als Kulturtechnik des kommunikativen Gedächtnisses gekennzeichnet, die sowohl Praktiken des Produzierens als auch des Rezipierens von Zitaten beinhaltet und die auf die Skripturen des kulturellen Gedächtnisses zurückgreift.1 Dass diese Produktionspraktiken des Zitierens Fertigkeiten und Wissen beinhalten, die zu differenzieren sind und nicht gleichermaßen im konkreten Fall vorliegen müssen, lässt sich mit Gilbert Ryles Unterscheidung von Können (knowing how) und Wissen (knowing that) fassen. Ryle betont, dass dem Wissen ein Können vorausgeht.2
1
Vgl. Kap. 2.2.2.
2
Vgl. Ryle 1997, S. 33 ff.
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Allerdings sind Kulturtechniken häufig älter als ihre Identifizierung als solche sowie ihre begriffliche Prägung. „Bilder und Statuen inspirierten erst nach Jahrtausenden einen Begriff des Bildes; bis heute kann gesungen und musiziert werden ohne Tonbegriffe oder Notensysteme. Auch das Zählen ist älter als die Zahl.“3
Gleiches gilt auch für das Zitieren, das etwa als Praktik des Verweisens durch die gesamte Architekturgeschichte hindurch präsent ist, aber erst im 20. Jahrhundert als Zitat benannt und Gegenstand der Forschung wird. Was ist nun unter dem Begriff der ‚Kulturtechnik‘ konkret zu verstehen? In der medienwissenschaftlichen Debatte wird der Terminus allgemein gesprochen gefasst als „Praktiken und Verfahren der Erzeugung von Kultur, die an der Schnittstelle von Geistes- und Technikwissenschaften ansetzen und als Bedingung der Möglichkeit von Kultur überhaupt be-griffen werden.“4 Maye weist darauf hin, „dass es ein spezifisch kulturtechnisches Handeln ohne Artefakte (Werkzeuge, Medien) und Symbole (Sprache, Zeichen) nicht geben kann.“5 Mit einer Definition von Sybille Krämer lassen sich Kulturtechniken dahingehend spezifizieren, dass es sich um semiotische Praktiken handelt, die unsere kognitiven und kommunikativen Handlungsspielräume vergrößern. Krämer geht davon aus, dass immaterielle Dinge Inkorporationen benötigen, diese aber nicht nur Verkörperungen darstellen, sondern die Dinge dadurch erst wahrnehmbar machen. „In kulturellen Praktiken bringen wir Inkorporationen nicht nur hervor, sondern geben sie weiter, bewahren sie auf, verändern sie und schließlich: löschen sie auch wieder aus. Denn durch Inkorporationen wird Immaterielles, wie Bedeutungen oder Sinn, aber auch Wissen und Information nicht nur sichtbar und hörbar, sondern im buchstäblichen Sinne auch handhabbar gemacht: Das ist der Kunstgriff semiotischer Praktiken.“6
3
Macho 2009, S. 179.
4
Maye 2010, S. 121.
5
Maye 2010, S. 135, Hervorhebung im Original.
6
Krämer 2009, S. 167.
S ZENARIEN
DES
ZITIERENS | 191
Die Auseinandersetzung mit Kulturtechniken geht auf Marcel Mauss zurück, der im Jahre 1934 Körpertechniken als erste Form der Kulturtechnik (beispielsweise die Prägung des Gehens durch das Tragen von Schuhen) beschreibt, die gesellschaftlich geformt und erlernt werden. „Ich bezeichne mit Technik eine traditionelle, wirksame Handlung [...]. Es ist notwendig, dass sie traditionell und wirksam ist. Es gibt keine Technik und keine Überlieferung, wenn es keine Tradition gibt.“7 Hier kommt der Aspekt einer Langzeitperspektive sowie der kulturellen Wirksamkeit zur Bestimmung von Kulturtechnik hinzu. Zitieren ist sowohl diachron als auch synchron und in allen medialen Systemen vorhanden. Historisch lässt sich beispielsweise die Praxis des Zitierens in der europäischen Schriftgeschichte in theologischen und juristischen Abhandlungen, in künstlerischen Texten und rhetorischen Zitatsammlungen bis in die Antike zurückverfolgen.8 Dass Zitieren als Kulturtechnik dabei nicht auf die Hochkultur beschränkt, sondern als grundlegendes Prinzip in allen Domänen von Kultur wirksam ist, zeigt sich beispielsweise im Phänomen des verfremdenden Zitierens und des Prinzips der Bricolage in Jugendsprachen.9 Der Stellenwert des Zitierens in der heutigen Alltagskultur zeigt sich etwa in der Ratgeber- und Lebenshilfeliteratur in Publikationen wie „Reden ist Silber, Zitieren ist Gold. 2500 prägnante Zitate für Beruf und Karriere“10 oder „Zitate für jeden Anlass. Die passenden Worte schnell gefunden; mit Originalzitaten aus aller Welt; extra: fernöstliche Weisheiten“11. Wer zitiert, ist also offenbar für alle Rede- und Textanlässe gerüstet. Die Kulturtechnik Zitieren hat zwar keinen so basalen Charakter wie die von Mauss beschriebenen Körpertechniken – obwohl auch Körperbewegungen zitiert werden können – oder wie die Schrift als Kulturtechnik. Insofern sind bei den Kulturtechniken wahrscheinlich Abstufungen hinsichtlich ihrer Reichweite und Bedeutung zu machen. Dennoch stellt das Zitieren eine relevante Aneignungsform vorhandener Skripturen in einer Kultur dar. Dies wird in zentralen Funktionen des Zitierens sichtbar.
7
Mauss 2011, S. 330, Hervorhebung im Original.
8
Vgl. Berg 2000, S. 13 ff.
9
Vgl. z.B. Neuland 2007, S. 17 f.
10 Rusch/Hirson 1999. 11 Hirson 2011.
192 | G EBAUTE ZITATE
5.2 F UNKTIONEN
DES
Z ITIERENS
Im Weiteren werden vier Funktionen eingeführt, die in der Hauptsache die Zitatproduzentenseite betreffen: erstens das Metaisieren, zweitens die Auseinandersetzung mit Vorhandenem, drittens die selektive Adressierung sowie viertens das Zitieren als ‚Bedeutungsmaschine‘. (1) Zitieren als Metaisieren: „[J]egliches Zitat und jegliche zitierende Anspielung beinhaltet immer auch eine Auseinandersetzung mit dem gesamten Zeichensystem“.12 Was Withalm in Bezug auf den Film formuliert, gilt generell für Systeme, in denen Zitate zur Anwendung kommen. Zum einen ist das Verfahren des Zitierens eine Auseinandersetzung mit der Zeichenhaftigkeit und Zitierbarkeit einer Skriptur. Zum anderen stellt das Zitieren auf einer Metaebene eine Auseinandersetzung mit dem medialen System, in dem ein Zitat produziert wird, dar. Im Fall intermedialen Zitierens findet auch eine Beschäftigung mit dem medialen System, aus dem zitiert wird, statt. So besitzt das Zitieren die Funktion des Metaisierens. Ausgehend vom Begriff der Metasprache und dem Vermögen der Metasprachlichkeit, das als „konstitutive Eigenschaft [...] der Sprache überhaupt“13 (sowohl in literaler als auch oraler Form) gelten kann, sind Verfahren der Metareflexion auch in anderen medialen Systemen aufzufinden. Solche Metaisierungen müssen nicht unbedingt sprachlich erfolgen.14 ‚Metaisierung‘ ist damit als „transgenerisches und transmediales Phänomen“15 zu verstehen und zeichnet sich durch eine Ebenendifferenz von Objekt- und Metaebene aus. Von Letzterer wird auf einzelne Elemente und Objekte des medialen Systems – oder im Fall intermedialer Referenzen auf die Elemente eines anderen Systems – Bezug genommen und das System oder seine Teile thematisiert. Dabei besteht ein implizites oder auch explizites Systembewusstsein.16 Die Funktion des Metaisierens besteht darin, dass das mediale System sowie seine spezifischen Ausdrucksmöglichkeiten, Bedingungen und Formen im Zitat reflektiert werden. Dadurch, dass eine zitierende Bezugnahme hergestellt wird, wird nicht einfach z.B. ein Type nur wiederholt, sondern
12 Withalm 1992, S. 220. 13 Jäger 2004c, S. 336. 14 Vgl. Hauthal et al. 2007, S. 2. 15 Wolf 2007, S. 25. 16 Vgl. Wolf 2007, S. 31.
S ZENARIEN
DES
ZITIERENS | 193
er wird thematisiert und durch verschiedene Handlungen (Auswahl des Types, Integration in einen neuen Kontext, sprachliche Ergänzungen usw.) kommentiert. Zudem bezieht der Zitatproduzent dazu Stellung – affirmativ oder ablehnend. Eine Skriptur wird isoliert und mit dem Gestus „seht her, dies ist ein Zitat“, eventuell verstärkt durch Markierungen, ‚ausgestellt‘ und damit auf einer Metaebene behandelt. Denn in erster Linie wird das Zitierte im neuen Kontext erwähnt und in manchen Fällen auch gebraucht.17 Wenn etwa der Architekt Jean Nouvel bei seinem Entwurf zum Umbau des französischen Pavillons für die Biennale in Venedig im Jahre 1992 eine Sequenz des Films „Alien“ (Ridley Scott 1979) in Architektur umsetzt, dann reflektiert er damit filmische Mittel und die Möglichkeit des ‚starren‘ medialen Systems Architektur, Handlungen darzustellen und in gewisser Weise auch erzählend zu wirken. Nouvel hatte im Entwurf die Filmhandlung, wie ein Alien im menschlichen Körper heranwächst und daraus ausbricht, architektonisch transkribiert. In diesem nicht realisierten Entwurf wollte er den vorgegebenen Pavillon von 1912 in seiner Außenhülle erhalten und von innen an vier Ecken durch eine neue Form, einen Metallkubus, aufsprengen, der sich schließlich, in einem mehrjährigen Prozess, über die Reste des Pavillons hinweg bis zum Canale erstrecken sollte.18 Mit diesem filmischen Motiv diskutiert Nouvel die spezifischen Ausdrucksformate von Film und Architektur (als bewegtes Bild mit einer Handlungssequenz vs. ortsgebundener, gebauter Raum). (2) Zitieren als Auseinandersetzung mit Vorhandenem: Da Zitieren Vorhandenes recycelt und darauf Bezug nimmt, ist damit ein gewisses Verständnis prä-existenter Skripturen einer Gesellschaft verbunden. Sie werden als Wert betrachtet, der es begründet, sich zitierend mit ihnen auseinanderzusetzen. Darin zeigt sich eine Vergewisserung von Geschichte und Vergangenheit, die nicht homöostatisch verfährt, sondern in erster Linie einer Bewahrung dient, wie bereits die Kennzeichnung des Zitats als Erinnerungsfigur deutlich machte.19 Zitieren kann kanonbildend wirken und Zitatikonen generieren, so dass es als Organisationsform von Wissen fungiert. 20
17 Vgl. Kap. 2.4.2. 18 Vgl. Keazor 2011, S. 392 f. 19 Vgl. zu architektonischen Beispielen des Zitats als Erinnerungsfigur Kap. 4.6. 20 Vgl. zum Umgang mit Skripturen des kulturellen Gedächtnisses Kap. 2.2.2.
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Will man nun genauer beschreiben, wie die Kulturtechnik des Zitierens in der Auseinandersetzung mit Artefakten funktioniert, so bietet sich ein Ansatz von Uwe Wirth an. Wirth knüpft an Derridas Konzept des Aufpfropfens an, das Prozesse des Schreibens, Zitierens und Aufpfropfens in eins setzt. Er entwirft die Pfropfung als grundlegende Figur des Wissens21, die zugleich auch Kulturtechnik ist.22 Die Pfropfung stellt eine Übergangsfigur dar. Dementsprechend können mit ihr die Schnittstellen textueller, medialer, epistemischer und kultureller Art im Rahmen einer allgemeinen Greffologie beschrieben werden – „greffer“ bedeutet nach Derridas epistemologischer Herleitung „schreiben“ und „aufpfropfen“ zugleich. Ausgangspunkt ist eine botanische Veredelungstechnik, bei der eine Wirtspflanze angeschnitten, eine andere Pflanze aufgesetzt und mit ersterer verbunden wird. Wirth bestimmt drei wesentliche Elemente des Pfropfens: das Kultivieren als Veredelung, das Konservieren als dynamische Variante des Kopierens und Versetzens sowie das Re-Konfigurieren als Gestaltung der Schnittstelle zwischen den Pflanzen. Ziele sind eine qualitative sowie mengenmäßigen Steigerung des Ertrages, die Beschleunigung des Wachstumsprozesses sowie eine Steuerung des botanischen Prozesses.23 Das ‚greffologische‘ Konzept lässt sich auf das Zitieren anwenden: Es macht den grundlegenden Mechanismus des Zitierens, mit prä-existenten Skripturen zu verfahren, in den Aspekten des Kultivierens, des Konservierens sowie Re-Konfigurierens beschreibbar. Diese drei Aspekte können unterschiedlich stark im konkreten Zitieren vertreten sein. Das Kultivieren ist hier nicht normativ als Veredelungsprozess zu verstehen, sondern im Sinne einer semiotischen ‚Kultivierung‘; das heißt, dass eine Skriptur durch Gebrauch zum Zeichen gemacht und zitiert wird. Konservieren beinhaltet die De- und Rekontextualisierung im Zitieren, aber auch die Wiederholung und Veränderung von Skripturen. Beim zitierenden Re-Konfigurieren stellt sich die Frage, wie die Schnittstelle zwischen Zitat und neuem Kontext gestaltet ist. Diese Nahtstelle kann durch Codewechsel als Störungsauslöser und durch verschiedene Markierungsformen hervorgehoben und signalisiert werden.
21 Vgl. Wirth 2006. 22 Vgl. Wirth 2011. 23 Vgl. Wirth 2011, S. 9 ff.
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Im Fall des Fassadenzitats im Quartier Schützenstraße in Berlin besteht das Kultivieren darin, dass Rossi die Innenhoffassade des Palazzo Farnese als Zeichen behandelt, welches er als Teil des gebauten kulturellen Gedächtnisses als zitatwürdig auswählt.24 Das Konservieren zeigt sich in der wiederholenden Versetzung der Fassade von Rom nach Berlin. Rossi hat bei dieser Fassade eine sehr deutliche Re-Konfiguration vorgenommen, indem er die Zitatfassade in einen Rahmen einfasst und farblich von seiner Bauumgebung absetzt. (3) Zitieren als selektive Adressierung: Im Zusammenhang des Zitats als Erinnerungsfigur wurde darauf hingewiesen, dass Zitate Erinnerungsgemeinschaften kreieren. Wer Zitate verwendet, möchte in den meisten Fällen, dass diese gesehen und interpretiert werden. So besitzen Zitate eine appellierende Funktion an potenzielle Adressaten, gedeutet zu werden. Da das Zitaterkennen die Publikumsbedingung25 voraussetzt, wirkt es als Selektionsmechanismus der Adressierung und schafft auf diese Weise Erinnerungsgemeinschaften, bei denen die Zugehörigkeit durch das Zitatwissen reguliert und damit eine Abgrenzung zu Nichtwissenden geschaffen wird – z.B. das wissende Lachen des Publikums, das bei einer Aufführung die musikalischen Anspielungen des Komponisten erkennt. Versucht man die Menge der Erscheinungsorte des Zitierens zu ordnen, so könnte man zwischen wissenschaftlichen und juristischen Texten auf der einen Seite, die bestimmten institutionalisierten Normen und Regeln des Zitierens mit vorwiegend argumentativer Funktion folgen, und künstlerischen Formen auf der anderen Seite unterscheiden, die sich eher durch spielerische Freiheit und Normverstoß auszeichnen.26 Je nach Einsatzgebiet sind bei der Kulturtechnik des Zitierens die Regeln des Zitierens, deren Nichteinhaltung sanktioniert wird, genau vorgegeben – etwa im Wissenschaftsbetrieb oder im deutschen Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, das in § 51 die Möglichkeiten und Grenzen einer zitierenden Replikation in Abwägung der Interessen des All-
24 Vgl. zu diesem Beispiel Kap. 4.2. 25 Vgl. Kap. 2.2.2. 26 Peter V. Zima nutzt eine solche Unterscheidung, um im Anschluss daran literarische Zitate in der Moderne und Postmoderne gegenüberzustellen. Vgl. Zima 2000, S. 297 f.
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gemeinwohls und dem zu schützenden Urheberrecht des Zitaturhebers regelt.27 Die oben genannte Unterscheidung von Zitierbereichen reicht nicht weit, denn auch der Kunstdiskurs ist dem Urheberschutz28 sowie verschiedenen institutionellen Zwängen unterworfen, in denen Zitate als „Instrumente des Kampfs um Reputation und Prestige“29 eingesetzt werden. Dies zeigt sich nicht zuletzt in der immer wieder gefällten Entscheidung, was zitiert wird. Gutenberg und Poole beschreiben diesen Umstand mit dem Begriff der ZitierFähigkeit. Einerseits bezeichnet ‚Zitier-Fähigkeit‘ die Selbstermächtigung des Zitatproduzenten zu zitieren. Diese Fähigkeit ist kulturell und sozial geregelt. Andererseits umreißt der Begriff die gesellschaftlich kanonisierten Ein- und Ausschlussmechanismen, was und wer zu einem Zeitpunkt als zitationsfähig erachtet werden. Im Zitieren und ebenso im dezidierten NichtZitieren als Zeichen einer Nicht- oder Missachtung manifestieren sich also gesellschaftliche Mechanismen von Macht, Autorität und Autorschaft.30 Gleichzeitig werden solche Autoritätssetzungen durch die Kulturtechnik Zitieren erst hervorgebracht, etwa bei der mehrfach zitierten Fassade des Palazzo Farnese, die zu einem Ideal der Renaissancearchitektur avancierte. (4) Zitieren als ‚Bedeutungsmaschine‘: Hier geht es um die produzentenseitigen semantischen Funktionen des Zitierens. Greift man nochmal auf das Konzept der Aufpfropfung zurück, die eine Ertragssteigerung, die Beschleunigung des Wachstumsprozesses sowie die Steuerung des botanischen Prozesses bewirkt, so entspricht der Ertragsmaximierung die Bedeutungserzeugung durch das Zitieren. Sie stellt einen semantischen Überschuss, eine weitere semantische Komponente, die ohne das Zitat nicht vorhanden wäre, her. Der semantische Überschuss beim Kulturzentrum in Neukaledonien von Renzo Piano besteht in der ‚Verortung‘ des Bauwerks, indem das Gebäude über das Zitat mit der Kultur der Kanaken verbunden wird und so zugleich auf seine Bestimmung hinweist.31
27 Vgl. http://www.gesetze-im-internet.de/urhg/__51.html (Zugriff 30.07.2013). 28 In der deutschen Rechtssprechung finden sich Fälle gerichtlicher Entscheidungen zur Zulässigkeit von Bildzitaten. Vgl. etwa Blume Huttenlauch 2010. 29 Beekman/Grüttemeier 2000, S. 8. 30 Vgl. Gutenberg/Poole 2001, S. 15 f. u. S. 27. 31 Vgl. zu diesem Beispiel Kap. 4.4.1.
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Die Beschleunigung des Wachstums liegt in einer Art semantischen Abkürzung, die das Zitat ermöglicht ohne einen Gesamtzusammenhang in seiner Breite entwickeln zu müssen. Vielmehr kann mit einem prägnanten Zitat nicht nur ein bestimmtes Skript, sondern ein semantischer Horizont als Ganzes in einem anderen Kontext aufgerufen werden, indem auf das Zitatwissen eines Adressatenkreises aufgebaut wird. Demzufolge kann es entlastend und ökonomisch, im Sinne von effizienzsteigernd, wirken. Der dritte Aspekt, das Pfropfen als kontrollierter, kalkulierter Vorgang zur qualitativen Verbesserung ist nur teilweise mit dem Zitieren in Einklang zu bringen. Der bewussten Steuerung im botanischen Pfropfvorgang steht der geradezu anarchische Charakter des Zitierens gegenüber, das semantisch ein Element des nicht Beeinflussbaren enthält. Der Zitatproduzent kann durch verschiedene Methoden versuchen, die Rezeption zu lenken, etwa durch Markierungen. Doch letztlich ist die Wirkung des Zitats nicht kontrollierbar. Mit der Hoffnung des Zitatproduzenten, das Zitat möge semantisch wirken und bestimmte Wirkungen als ‚Bedeutungsmaschine‘ erzielen, verbinden sich verschiedene Funktionen, die dem Zitat als Zitierprodukt zugesprochen werden. Das Spektrum reicht von der Funktion des verehrenden und den Zitatproduzenten zugleich legitimierenden und nobilitierenden Herbeirufens und Postulierens von Autorität über die Funktion abgrenzenddistanzierender, ironischer Kommentare bis hin zu schmückenden Funktionen. Während Ferstel verehrend die Fassade des Palazzo Farnese in der Universität in Wien verwendet, zitiert Czech sie im Entwurf des Kleinen Cafés in Wien ironisch, indem er auf bedeutende historische Bauwerke, z.B. die Hofbibliothek, im architektonischen Kleinformat eines profanen Caféhauses verweist.32 Beim Zitieren stellt sich stets die Frage, wie mit den zitierten Skripturen im eigenen Werk umgegangen wird: Schon Montaigne forderte, Zitate zur Stützung der eigenen Argumentation zu verwenden, anstatt sich hinter zitierten Autoritäten zu verstecken.33 So begleitet die Zitatnutzung historisch vielfach eine Reflexion über Schaden und Nutzen des Zitierens sowie über das Verhältnis von ‚eigener‘ und ‚fremder Stimme‘ in Skripturen.34
32 Vgl. zu den Beispielen Kap. 4.2 und Kap. 4.6. 33 Vgl. Berg 2000, S. 25. 34 Vgl. Kany 2004, S. 1345 ff.
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5.3 Z ITIEREN
ALS
S EKUNDÄRPRAKTIK
Betrachtet man die Relation von ‚eigener‘ und ‚fremder‘ Stimme, so stellt sich unweigerlich die Frage, in welchem Verhältnis das Zitat zum ‚Original‘35 steht. Diesbezüglich bietet die Transkriptionstheorie eine Antwort: Der Prozess der Transkription macht erst das Original als solches, als Bezugsobjekt zugänglich. Zwar besteht das Präskript bereits vor dem Einsatz einer Transkription. Doch erst die zitierende Bearbeitung konstituiert diskursiv das Präskript als Skript. Dementsprechend sind „‚Originale‘ immer Skripte unter Transkriptionen“36. Wenn Peter Pütz erläutert, wie erst eine mehrmalige Repetition einer Skriptur ihre Autorität hervorbringt37, so lässt sich dieser Gedanke transkriptionstheoretisch zuspitzen: Im Nachhinein, im Rückbezug auf das durch den transkriptiven Vorgang erzeugte Skript wird dieses in den Status eines Originals versetzt und adressierbar. Die zeitliche – und in der westeuropäischen Vorstellung häufig hierarchisch gedachte oder ästhetisch gewichtete – Beziehung von Original und Sekundärform38 wird in der Transkriptionstheorie umgekehrt zugunsten der Praktiken des Sekundären39. Fehrmann et al. fassen mit diesem Begriff mediale Prozeduren, die jegliches Wiederholen von Bestehendem explizit zum Thema haben und im alltäglichen Gebrauch, in kultur- und naturwissenschaftlichen sowie künstlerischen Diskursen zum Einsatz kommen. Dabei sind diese Reproduktionstechniken bezogen auf den Kontext und den medialen Rahmen, in denen sie stattfinden.40 In dieser Perspektive zeigt sich,
35 Hier wird weder die Angemessenheit der Begriffe ‚eigen‘ und ‚fremd‘ diskutiert noch die strittige Frage, inwiefern der Originalbegriff angesichts digitaler Aneignungspraktiken zu verwerfen oder doch beizubehalten ist. 36 Jäger 2008a, S. 117. 37 Vgl. Pütz 1999, S. 694. 38 In der westlichen Sichtweise erfahren Sekundärpraktiken im Zuge digitaler Reproduktionen erst seit einiger Zeit eine Aufwertung. Birgit Mersmann beschreibt im Rekurs auf die Bildkultur im ostasiatischen Raum, wie dort die kategoriale und ästhetische Unterscheidung von Original und Wiederholungsformen keine bedeutende Rolle spielt, da letztere geradezu als Primärpraktiken betrachtet werden. Mersmann 2004, S. 224 ff. 39 Vgl. Fehrmann et al. 2004, S. 7. 40 Vgl. Fehrmann et al. 2004, S. 10 ff.
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wie wichtig und kreativ wirksam die Praktiken des Sekundären, seien es nun Zitate, digitale Mashups oder Formen des Remixes, sind.41 Dirk von Gehlen beschreibt die Auszeichnung einer Skriptur als Original folgendermaßen: „Dieses [das Original im Verhältnis zu Sekundärformen; A.U.] ist kein binär zu unterscheidendes solitäres Werk (1), sondern ein in Bezüge und Referenzen verstrickter Prozess (2), und seine skalierte Originalität beruht immer auf Zuschreibungen und Konstruktionen (3), die man mit ihm verbinden will.“42
Abgesehen davon stellt sich gerade bei längeren Transkriptionsketten die Frage, an welcher Stelle der Original-Begriff anzusetzen ist – etwa wenn die Hamburger Band „Tocotronic“ in ihrem Song „Jenseits des Kanals“ in Titel und Liedtext aus Gustave Flauberts Roman „Bouvard und Pécuchet“ zitiert und dieser Songtitel wiederum neben anderen Titeln der Band in den Überschriften des Feuilletons der FAZ auftaucht.43 Letztlich ist die Originalzuschreibung vom rezipientenseitigen Standpunkt abhängig. Stellt man idealisiert Original und Zitat gegenüber, dann sind zwei Punkte für unseren Zusammenhang relevant: Erstens besteht zwischen Original und Zitat ein Abhängigkeitsverhältnis, denn das Primäre bedarf in seinem Status als Original des Sekundären und das Sekundäre wird als Zitat nur möglich im Rekurs auf das Primäre. In weiteren transkriptiven Bearbeitungen kann dabei das konstituierte Original interventionsrechtlich die Angemessenheit des Zitats und die Selbstermächtigung des Zitierenden kritisieren.44 Zweitens wird im Zitieren gerade auch die Distinktion von Original und Sekundärprodukt thematisiert und reflektiert, denn das Sekundäre definiert sich als ‚Zitat-von-X‘.
41 Zu Mashup und Remix vgl. Gehlen 2012. 42 Gehlen 2012, S. 174. 43 Vgl. Gehlen 2012, S. 24 ff. 44 Vgl. Kap. 2.2.1.
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5.4 Z USAMMENFASSUNG Zitieren wurde als in unterschiedlichen kulturellen Bereichen angewendete Kulturtechnik gekennzeichnet, die als semiotische Praktik vorhandene Skripturen zugänglich macht. Deutlich wurde an Beispielen, dass das Zitieren eine historische Dimension hat und gegenwärtig immer noch als Praktik gesellschaftliche Relevanz besitzt. Damit erfüllt das Zitieren die Bedingungen für Kulturtechniken von Mauss, nämlich traditionell und wirksam zu sein. Das Zitieren als Kulturtechnik wurde mit vier zentralen Funktionen verbunden, die Antworten darauf geben, warum das Zitieren so wirkmächtig ist: Erstens enthält es ein metareflexives Moment in der Thematisierung der zitierten Skriptur, aber auch des medialen Systems an sich. Zweitens geht das Zitieren mit einer Vorstellung von Vergangenheit einher, indem bestimmte Skripturen als zitierwürdig aus der Menge der Skripturen des kulturellen Gedächtnisses ausgewählt werden. Auf diese Weise organisiert das Zitieren Wissensbestände und erzeugt ein Verständnis von Vergangenheit. Die Auseinandersetzung mit Vorhandenem beinhaltet, greffologisch betrachtet, ein Kultivieren als semiotische Thematisierung, ein Konservieren im Sinne eines dynamischen Wiederholens sowie ein Re-Konfigurieren als Ausgestaltung der Nahtstelle zwischen Zitat und neuem Kontext. Drittens funktioniert das Zitieren als Erinnerungsfigur selektiv adressierend, da es Erinnerungsgemeinschaften bildet, die sich durch ein geteiltes Zitatwissen auszeichnen. Viertens kann das Zitieren als ‚Bedeutungsmaschine‘ einen semantischen Überschuss oder eine semantische Abkürzung bewirken. Mit der Hoffnung einer semantischen Wirkung werden Zitate mit heterogenen Zielen verwendet, von der Hommage bis hin zur Ornamentfunktion. Letztlich laufen diese Funktionen des Zitats auf die Frage hinaus, wie die Relation zwischen dem Zitat und seinem Vorbild zu beschreiben ist. Hierzu wurde festgehalten, dass das Transkriptionsverfahren des Zitierens in bestimmter Hinsicht erst das Präskript als ‚Original‘ erzeugt und zugänglich macht. Diese Sichtweise macht deutlich, wie essentiell Praktiken des Sekundären zur Originalstiftung sind. Beim Zitieren besteht ein mehrfacher Zusammenhang zwischen ‚Original‘ und Zitat: Einerseits ist das ‚Original‘ auf seine nachträgliche, transkriptive Identifizierung angewiesen und ande-
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rerseits konstituiert sich das Zitat nur über den Status des Abgeleitetseins. Dabei markiert die Figur des Zitats den Unterschied zwischen ‚Original‘ und Zitat.
6. Zusammenfassung und Diskussion
6.1 Z USAMMENFÜHRUNG
DER
E RGEBNISSE
Ausgangspunkt war die Frage, wie in einer Kultur Sinn erzeugt wird. Damit verbunden war die konzeptuelle Gegenüberstellung einer creatio ex nihilo und eines Recycling-Gedankens, dem sich auch das Zitieren unterordnen lässt. Da der Blick auf verschiedene kulturelle Ausprägungen des Zitierens zeigte, dass in der Sprache, aber ebenso in anderen medialen Systemen, Zitate genutzt werden und dabei eine wesentliche Rolle in der kulturellen Sinnproduktion einnehmen, wurde das bisher in der Forschung vernachlässigte Feld nicht-sprachlichen Zitierens in den Fokus gerückt. Die Ausgangsfrage lautete: Wie funktionieren nicht-sprachliches Zitieren und nichtsprachliche Zitate? Die Diskussion der vorliegenden Literatur zum Phänomen ‚Zitat‘ in Kapitel 1 ergab, dass das sprachliche Zitieren aus sprachphilosophischer, logischer, semiotischer und intertextueller Perspektive erforscht wurde – sowohl hinsichtlich einer theoretischen Konzeption des Zitats als auch hinsichtlich der Analyse linguistischer und literarischer Einzelfälle des Zitierens. Der Fall des nicht-sprachlichen Zitierens, die Menge der Bild-, Architektur-, Musik- und Filmzitate, ist in den einzelnen Disziplinen ebenfalls vielfältig Gegenstand der Forschung gewesen. Allerdings zeigt sich in diesem Zusammenhang eine fehlende theoretische Bestimmung des Zitatbegriffs sowie eine starke Orientierung am Schriftzitat – eine Zugangsweise, die den Blick auf die Eigenlogik des jeweiligen medialen Systems verstellen kann. Um dem abzuhelfen, wurde in Kapitel 2 – in der Kombination sprachund medienwissenschaftlicher, semiotischer, intertextueller und kulturwis-
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senschaftlicher Ansätze – ein theoretisches Instrumentarium zur Beschreibung nicht-sprachlichen Zitierens entwickelt, das in seinem Vokabular medienneutral formuliert wurde, um dann in der konkreten Anwendung die Eigenheiten medialer Systeme zu berücksichtigen. Erkenntnisgewinne lagen zum einen in der Integration bestehender Zitatansätze zu einer systematischen Beschreibung des Zitierens und zum anderen in bestimmten Konzepten, die für das Phänomen des Zitierens erstmalig erschlossen wurden: So wurden neben der transkriptionstheoretischen Einsicht in den Verfahrenscharakter des Zitierens und seiner Mediengeprägtheit unter anderem die Strategien des Zitierens, mit den Beständen des kulturellen Gedächtnisses umzugehen, in partizipative, abwehrende und transformative Vorgehensweisen gegliedert. Das theoretische Instrumentarium bildete die Grundlage für das Modell in Kapitel 3, das die zentrale Frage nach dem Funktionieren nichtsprachlichen Zitierens beantwortete: Auf der einen Seite wurden dazu das Verfahren dargestellt und die Bestandteile des Prozesses nicht-sprachlichen Zitierens beschrieben und auf der anderen Seite nicht-sprachliche Zitate klassifiziert. Dementsprechend besteht eine Leistung des Modells darin, Zitieren als Prozess in Verbindung zu bringen mit der transkriptiven Inszenierung von Sinn. Das Modell umfasste sechs Einzeldarstellungen, die unterschiedliche Aspekte fokussierten: Makroperspektivisch wurde in der ersten Darstellung das Zitieren als Transkriptionsprozess beschrieben, als Verfahren einer transkriptiven Bearbeitung von Skripturen, die das Transkript ‚Zitat‘ hervorbringt. Die Transkription geht mit semantischen Wirkungsrichtungen zwischen Ausgangsskriptur und Zitat einher, nämlich der semantischen Kontamination (vom Transkript zum Skript) und dem Interventionsrecht (vom Skript zum Transkript). Anschließend wurden mikroperspektivisch verschiedene Teilbeziehungen betrachtet. Die zweite Darstellung fokussierte die Zitatkonstitution: Während sich das Zitat über die Verweisfunktion, die in Form des Erwähnens und Gebrauchens auftritt, auf das Skript bezieht, ist das Skript über strukturelle und inhaltliche Elemente im Zitat enthalten. Die Hervorhebung des Zitats kann durch verschiedene Markierungsmethoden, von der Skriptur in der Skriptur bis hin zur Unterbrechung, verstärkt werden. Die dritte Darstellung diente der Zitatklassifizierung, die sich auf die Unterscheidung der Bezugsarten auf das Skript stützt. Basierend auf der
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Differenzierung des indirekten Zitierens von der Explizitheit des Zitierens als Sonderfall, wurden die Zitatklassen Typezitat, Tokenzitat und Codezitat mit den Unterkategorien Subcodezitat, Stilzitat und Formzitat eingeführt. Entscheidend in dieser Klassifizierung ist der vorherrschende Aspektbezug im Zitat. In der vierten Darstellung standen die Zitatkriterien im Beziehungsverhältnis zwischen Zitat und Zitatrezipient im Mittelpunkt. Die Zuschreibung eines Zitats setzt voraus, dass die Publikumsbedingung erfüllt ist. Weiterhin muss das Zitat störungsauslösend wirken und beim Rezipienten Abduktionen evozieren. Damit ist das Zitierverfahren in seiner Wirkung abhängig von der Aktivität des Rezipienten: Erst ein erkanntes Zitat ist in Wahrheit ganz Zitat geworden. Die kulturellen Voraussetzungen des Zitierens wurden im fünften Bestandteil des Modells in der Verhältnisbestimmung von Zitat und Gedächtnis herausgearbeitet. Dazu wurde das Zitat als Erinnerungsfigur begriffen, das auf das Zusammenspiel von kulturellem und kommunikativem Gedächtnis angewiesen und auf der Produktions- und Rezeptionsseite mit bestimmten Fertigkeiten und Wissensbeständen verbunden ist – diese wurden in Kapitel 5 als knowing how und knowing that des Zitierens spezifiziert. Aus einer Makroperspektive wurden im sechsten Teil die semantischen Effekte des Zitierens benannt, die nicht nur die Relationen zwischen Skript und Zitat, Zitat und Zitatrezipient betreffen, sondern auch auf den Zitatproduzenten, auf seine Positionierung zurückwirken. Da das Zitieren letztlich hinsichtlich rezipientenseitiger Bedeutungsstiftungen unkontrollierbar ist, wurde es als semantisch riskant bezeichnet. Das Modell zeichnet sich – neben der schematisierenden Darstellung nicht-sprachlichen Zitierens und der Kategorisierung seiner Zitat- und Markierungsformen – durch die Akzentsetzung auf die Rezipientenrolle, durch das Konzept des Zitats als produktiven Störungs- und Abduktionsauslöser sowie durch die Verortung des Zitats im Spannungsfeld von kulturellem und kommunikativen Gedächtnis aus. Obwohl der Schwerpunkt auf der Perspektive des Zitatrezipienten liegt, kommt speziell im Aspekt der Positionierung auch die Produzentenseite zum Tragen. Betrachtet man nicht-sprachliches und (schrift-)sprachliches Zitieren im Vergleich, so zeigen sich wesentliche Unterschiede in der Markierung und der ‚Wörtlichkeit‘ von nicht-sprachlichen Zitaten. Als entscheidendes Merkmal für Markierungen in nicht-sprachlichen Zitaten wurden Code-
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wechsel angesehen. Da sich ‚Wörtlichkeit‘ in nicht-sprachlichen Zitaten selten in der exakten Replikation der Schriftsprache äußert, wurde postuliert, dass in diesen Fällen die konstruierte Ähnlichkeit eines vergleichenden Sehens, eines Sehen als des Rezipienten, entscheidend ist. Mit diesem Konzept der Explizitheit des Zitierens wird eine Erklärungsmöglichkeit gegeben, wie nicht-sprachliche direkte Zitate funktionieren. Im vierten Kapitel wurde in der Auseinandersetzung mit dem Zitieren in der gebauten Architektur deutlich, dass das Modell auf unterschiedliche Architekturszenarien anwendbar ist und diese differenzierend beschreiben kann. Die These medienspezifischer Besonderheiten des Zitierens konnte bestätigt werden in der Ortsgebundenheit und Raumbezogenheit des architektonischen Zitierens, die eine bisher nicht beachtete Dimension, die Räumlichkeit des Zitierens, und damit die Begehbarkeit und körperliche Erfahrung von Zitaten in den Vordergrund rückte. Es zeigte sich, dass Architekten die medialen Spezifika bisweilen explizit in gebauten Zitaten thematisieren. Die multimediale Dimension von Architektur wurde an der Interdependenz von Architektur, Sprache und Bild herausgestellt. Besonders das Zusammenspiel mit Bildern in der Produktion, Rezeption und Vermittlung von Architektur wurde näher betrachtet. Bezüglich des gebauten Zitats wurde eine neue Differenzierung vorgenommen zwischen einer bildhaften Wahrnehmung von Architekturzitaten in der leiblichen Anwesenheit, die die Atmosphäre von Architektur erlebbar macht, und einer Rezeption von Zitaten anhand von Bildern, losgelöst vom realen Ort des Bauwerks. Diese beiden Rezeptionsweisen sind mit unterschiedlichen Wirkungsmöglichkeiten gebauter Zitate verbunden. Die eingeführte Unterscheidung eines Nutzungs- und Interpretationsmodus im Umgang mit Architektur machte ersichtlich, dass das Erkennen der Zeichenhaftigkeit von Architektur mit dem Störungspotenzial des Zitats zusammenhängt. Demzufolge erwies sich die Störungsidee für die Baukunst als hilfreiches Konzept, um zu beschreiben, wie Architektur auf Betrachter wirken kann. In Kapitel 5 wurde das Zitieren, sprachlich und nicht-sprachlich, als Kulturtechnik beschrieben, die sich durch vier zentrale Funktionen auszeichnet: Dazu gehören erstens die metaisierende Funktion als Thematisierung der zitierten Skriptur und des medialen Systems, zweitens die Funktion des Reflektierens von Skripturen und drittens die Funktion selektiv,
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ein- und ausschließend, zu adressieren. Die vierte Funktion besteht in semantischen Überschüssen und Abkürzungen, die durch die Bedeutungsmaschine Zitieren möglich werden. Zitieren als Praktik des Sekundären erzeugt einen Originalstatus des Skripts; dabei konstituieren sich Zitat und ‚Original‘ in einem wechselseitigen Bedingungsverhältnis.
6.2 I MPLIKATIONEN FÜR DIE F ORSCHUNG UND EIN AUSBLICK In welchen Hinsichten konnten Erkenntnisse für die Forschung generiert werden? Die theoretische Modellierung bietet Beiträge zu verschiedenen Forschungsbereichen, neben der genuinen Zitatforschung im weiteren Sinne auch für die Sprach-, Zeichen- und Medientheorie. Das entwickelte Modell schließt eine Forschungslücke, da weder umfassende theoretische Auseinandersetzungen mit nicht-sprachlichen Zitaten vorhanden sind noch eine disziplinenübergreifende, medienneutrale Betrachtung des nicht-sprachlichen Zitierens an sich. Das theoretische Instrumentarium stellt Anschlussmöglichkeiten für unterschiedliche disziplinäre Kontexte bereit – für die Architekturtheorie ebenso wie die Bild- oder Musikwissenschaft. In der allgemeinen Formulierung des Modells sind systemimmanente Betrachtungen (Zitieren in der Architektur in einer Epoche oder im Epochenvergleich), aber auch systemvergleichende Untersuchungen (Zitieren in der Architektur vs. Zitieren im Bild) mit dem theoretischen Vokabular als Überbau möglich. Es wäre auch eine Gegenüberstellung medialer Systeme denkbar: Lassen sich beispielsweise epochenbezogene Aussagen über die Kulturtechnik ‚Zitieren‘ in Bildern, Musik usw. machen? In der Verhältnisbestimmung des Untersuchungsgegenstands zur Sprache wurde gezeigt, dass die Modellierung eine Anwendung sowohl auf sprachliche als auch auf nicht-sprachliche Zitierprozesse ermöglicht. Damit stellt sie einen Ansatzpunkt für eine weiter zu entwickelnde Theorie des Zitierens zur Verfügung. Für die Sprachwissenschaft besteht eine Erkenntnis in der Tatsache, dass Begriffe, Kategorien und generell die Vorstellung des Zitierens als Verfahren geprägt sind vom Modell der Sprache, das als Paradigma wirkt.
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Allerdings gibt es Gründe, die Wirkmächtigkeit der Sprache beim Verfahren ‚Zitieren‘ in einem Punkt zu revidieren. In diesem Zusammenhang greife ich einen Gedanken aus der semiotischen Metaphernforschung auf, in dem es darum geht, dass die Metapher zeichensystemabhängige Ausdrucksformen besitzt, aber in erster Linie als sprachliches Phänomen verstanden wird. Als metaphorisches Prinzip, das auch in anderen Systemen zur Anwendung kommt, ist das Rezipieren von Metaphern jedoch nicht darauf angewiesen, dass wir den Umweg über eine sprachliche Metapher machen. „Wenn das so wäre, könnten wir mit visuellen Metaphern nur dann operieren, wenn wir sie als Zeichen auffassen, die, obwohl visuell dargeboten, eine sprachliche Struktur haben und wie diese funktionieren.“1 Das ist gerade nicht der Fall. Analog dazu ist auch für das nicht-sprachliche Zitieren zu konstatieren, dass das grundlegende Prinzip des Zitierens in allen medialen Systemen vergleichbar ist, die konkrete Rezeption jedoch unabhängig von der Vorstellung eines sprachlichen Zitats abläuft. Als Rezipient kann ich ein musikalisches Zitat verstehen, ohne dazu die Analogiefolie des sprachlichen Zitats heranzuziehen. Forschungsbedarf besteht weiterhin in der Herausarbeitung von Kontrasten, nämlich in der Frage der ‚Wörtlichkeit‘ und der Markierung von Zitaten – die Punkte, an denen sich sprachliche von nicht-sprachlichen Zitaten scheiden. Zeichentheoretisch wurde die Kategorisierung der Type- und Tokenbezogenheit der unterschiedlichen Codezitate eingeführt und für das System der Architektur beispielhaft aufgezeigt. Auch die Bildbeispiele im zweiten Kapitel ließen sich hinsichtlich dieses Aspektes differenzieren, so dass die Unterscheidung offenbar für verschiedene Zeichensysteme funktioniert und transparent macht, welche Art des Bezugs auf Skripturen jeweils vorliegt. Medientheoretisch wurde die bisher kaum unter medialen Gesichtspunkten betrachtete Architektur als mediales System eingeführt und anhand verschiedener Kennzeichen charakterisiert. Dabei wurde auch ihr enges Verhältnis zum System des Bildes beleuchtet und die Bedeutung von Bildern für gebaute Zitate herausgestellt. In diesem Sinne leistet die Untersuchung auch einen Beitrag zum Multimedialitätsdiskurs, da sie an einem wenig analysierten Objektbereich, der Architektur, die multimedialen Beziehungen zu Sprache und Bild in der Produktion und Rezeption von Archi-
1
Larsen 2003, S. 335.
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tektur am Beispiel von Zitaten skizziert. In diese Richtung könnten weitere Forschungen zur medientheoretischen Bestimmung des Verhältnisses von Architektur, Sprache und Bild anschließen. Für die Architekturtheorie erzeugt die disziplinenuntypische Herangehensweise, die zeichen- und medientheoretische Ansätze verknüpft, neue Perspektiven auf den Gegenstand der gebauten Baukunst und stellt ein Theorieinventar zum architektonischen Zitieren zur Verfügung, das in der Breite der Behandlung – in der Diskussion von Zitierprozess und Zitatprodukt, Zitat und Rezeption, Zitat und Gedächtnis – bis dato nicht vorlag. Zukünftig sind Fokussierungen verschiedener Einzelaspekte des Modells und seine Anwendung von Interesse. Dies betrifft die Eigenheiten medialer Systeme, bezogen auf das Zitieren, die Intermedialität des Zitierens, den Raumaspekt sowie das Verhältnis von Zitat und kulturellem Gedächtnis. (1) Die Eigenheiten medialer Systeme: Hier stellt sich z.B. die Frage, ob einzelne mediale Systeme Affinitäten zu bestimmten Strategien des Umgangs mit Skripturen des kulturellen Gedächtnisses oder zu bestimmten Zitatklassen aufweisen. Weiterhin ist zu vergleichen, ob die Möglichkeiten eines Interventionsrechts je nach medialem System unterschiedlich ausfallen, um darüber etwas über den gesellschaftlichen Umgang mit medialen Systemen zu erfahren. (2) Die Intermedialität des Zitierens: Was hier nur in den Beispielen angerissen werden konnte, sind die spezifischen Bedingungen intermedialen Zitierens. Hier wäre eine Kategorisierung zu entwickeln, welche Möglichkeiten der Transformation von Elementen und Bedingungen des einen medialen Systems in einem zweiten bestehen. Wenn beispielsweise Fotografien Tafelbilder zitieren, verweisen sie dann auf die Materialität des Malens, auf einen speziellen Bildaufbau, auf Kompositionsschemata oder auf tradierte Figurenkonstellationen wie etwa die christliche Pietà? (3) Der Raumaspekt des Zitierens: Über das Anwendungsfeld der gebauten Architektur wurde der Raumaspekt in die Zitatdebatte eingeführt. In diese Richtung sind besonders ‚anarchische‘ Formen der Bedeutungserzeugung, etwa Graffiti und Street Art, zu nennen. Diese nehmen den öffentlichen Raum, der durch offizielle, legitimierte Zeichen beherrscht wird, in
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Besitz und semantisieren ihn durch gesellschaftlich illegitime, transgressive Zeichen2 neu. Was passiert, wenn der Street-Art-Künstler El-Zeft, wie 2012 an einer Hauswand am Tahrir-Platz in Kairo geschehen, die Nofretete als Ikone der ägyptischen Kultur mit einer Gasmaske darstellt als politischen Kommentar zur Staatsgewalt und zur Rolle der Frauen in der „Revolution vom 25. Januar“? Und welche transkriptiven Umschreibungen ereignen sich, wenn „Amnesty International“ dieses Street-Art-Motiv für die deutschlandweite Kampagne für Frauenrechte und für die Aufklärung von Polizeigewalt verwendet, zusammen mit dem Slogan „MACHT MÄCHTIGEN DRUCK. FÜR ÄGYPTENS ZUKUNFT.“3, und auf Demonstrationen Pappmasken mit diesem Konterfei getragen werden? Wenn also ein Wandzitat von seinem topographischen Verweis auf den Ort des Geschehens, auf den es sich bezieht, losgelöst an verschiedenen Orten als Symbol des Widerstands genutzt wird? Vielleicht entsteht hier eine neue Zitatikone. Bei einer Demonstration im Januar 2013 anlässlich des Besuchs von Ex-Präsident Mursi in Berlin wurde die Figur der Nofretete mit Gasmaske vor dem Bundeskanzleramt aufgestellt, wenige Kilometer von ihrem ‚Original‘, das auf der Museumsinsel steht, entfernt. Damit wird das Original semantisch kontaminiert, nun im Dienste einer bestimmten politischen Botschaft. In gewisser Weise steht das Wandzitat von El-Zeft zwischen Bild und Architektur, da es ortsgebunden, aber auch ortsspezifisch ist und den Raum semantisch für seine Aussage nutzt. Hier ergibt sich ein neues Forschungsfeld, das Phänomen des Zitierens in Beziehung zu setzen zum Spatial Turn4 und die räumliche Komponente des Zitats sowie die Interaktion des Zitats mit dem Raum zu untersuchen. (4) Das Verhältnis von Zitat und kulturellem Gedächtnis: Ähnlich dem Bilderatlas „Mnemosyne“, in dem Aby Warburg das Fortbestehen der Antike in der europäischen Kultur anhand von Bildern unterschiedlicher Provenienz dokumentierte und erforschte5, wäre zu untersuchen, welche
2 3
Vgl. dazu Auer 2010, S. 295 f. https://www.amnesty.de/2013/4/18/was-soll-die-nofretete-mit-der-gasmaske (Zugriff: 26.07.2013).
4
Vgl. hierzu Bachmann-Medick 2006, S. 284 ff.
5
Vgl. Warnke (Hg.) 2000.
Z USAMMENFASSUNG
UND
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Skripturen aus dem kulturellen Gedächtnis gegenwärtig so wirkmächtig sind, dass sie als Zitatikonen (bezogen auf den Bereich der Bilder, der Musik, der Filme usw.) gelten können. Über die Zeit hinweg könnten an einzelnen Beispielen die Bezugnahmeketten und semantischen Veränderungen im Gebrauch bestimmter Skripturen nachgezeichnet werden.
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Danksagung
Dieses Buch ist die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die ich im Januar 2014 an der RWTH Aachen verteidigt habe. Mein erster Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Ludwig Jäger für seine langjährige Unterstützung und Förderung. In dem von ihm geleiteten Kulturwissenschaftlichen Forschungskolleg Medien und kulturelle Kommunikation in Köln war es mir als Promotionsfellow möglich, Einblicke in die medienwissenschaftliche Forschung zu erhalten. Meinem Zweitbetreuer Prof. Dr. Thomas Niehr danke ich für beständige und unkomplizierte Hilfe. Dankend erwähnt sei auch Prof. Dr.-Ing. Hartwig Schmidt, der mich darin bestärkte, Sprache und Architektur in ihren Beziehungen zueinander zu erforschen. Meinen Kolleginnen und Kollegen am Institut für Sprach- und Kommunikationswissenschaft der RWTH Aachen danke ich für fachlichen Rat und kollegiale Unterstützung; unter vielen sind Heiner Apel, Simone Heekeren und Andreas Corr zu nennen. Josefine Méndez und Katrin von Laguna verdanke ich ein angenehmes und produktives Arbeitsumfeld. Am Internationalen Forschungskolleg Kulturwissenschaften in Wien erhielt ich als Junior Fellow vielfältige Anregungen für meine Arbeit. Besonderer Dank gilt im Wiener Kontext Iris Mendel, die viele Schritte aufmunternd begleitet hat. In meiner Zeit am Forschungskolleg in Köln habe ich einige Impulse von Kai Marcel Sicks und Thomas Waitz erhalten, denen ich ebenfalls danken möchte. Für Korrekturarbeiten danke ich Almut Ullrich, Pascal Siegers und Conrad M. Siegers. Jonas Ullrich danke ich vielmals für die Hilfe bei der Visualisierung des Modells. Mein besonderer Dank geht an meine Eltern Almut und Walter Ullrich, die mich unermüdlich ermutigt und mir in so vielen Belangen geholfen haben. Meiner großen Familie, Heike Schumacher, Anke Ullrich, Jule Ullrich
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und Jonas Ullrich, danke ich für moralische Unterstützung und meiner kleinen Familie, Pascal und Luc, für Bestärkung und Geduld.
Edition Kulturwissenschaft Kathrin Ackermann, Christopher F. Laferl (Hg.) Kitsch und Nation Zur kulturellen Modellierung eines polemischen Begriffs August 2015, ca. 230 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2947-7
Gabriele Brandstetter, Bettina Brandl-Risi, Kai van Eikels Szenen des Virtuosen August 2015, ca. 328 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1703-0
Werner Hennings, Uwe Horst, Jürgen Kramer Die Stadt als Bühne Macht und Herrschaft im öffentlichen Raum von Rom, Paris und London im 17. Jahrhundert September 2015, ca. 270 Seiten, kart., ca. 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2951-4
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
Edition Kulturwissenschaft Thomas Kirchhoff (Hg.) Konkurrenz Historische, strukturelle und normative Perspektiven Mai 2015, 402 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2589-9
Gudrun M. König, Gabriele Mentges, Michael R. Müller (Hg.) Die Wissenschaften der Mode Mai 2015, 224 Seiten, kart., 24,99 €, ISBN 978-3-8376-2200-3
Elisabeth Mixa, Sarah Miriam Pritz, Markus Tumeltshammer, Monica Greco (Hg.) Un-Wohl-Gefühle Eine Kulturanalyse gegenwärtiger Befindlichkeiten Oktober 2015, ca. 300 Seiten, kart., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2630-8
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de