Fiskus, Kirche Und Staat Im Konfessionellen Zeitalter (Schriften Des Italienisch-deutschen Historischen Instituts in Trient, 7) (German Edition) 3428082508, 9783428082506

KELLENBENZ, H. / P. PRODI, EDS.: FISKUS, KIRCHE UND STAAT IM KONFESSIONELLEN ZEITALTER. BERLIN, 1994, 395 p. figuras.Enc

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German Pages 395 [396] Year 1995

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Fiskus, Kirche Und Staat Im Konfessionellen Zeitalter (Schriften Des Italienisch-deutschen Historischen Instituts in Trient, 7) (German Edition)
 3428082508, 9783428082506

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Fiskus, Kirche und Staat im konfessionellen Zeitalter

Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient Band 7

Fiskus, Kirche und Staat im konfessionellen Zeitalter

Herausgegeben von

Hermann Kellenbenz Paolo Prodi

Duncker & Humblot · Berlin

Italienisch-Deutsches Historisches Institut in Trient Fiskus, Kirche und Staat im konfessionellen Zeitalter 27. Studienwoche 21.-25. September 1987 Leiter der Studienwoche Hermann Kellenbenz Paolo Prodi Italienische Ausgabe Fisco religione Stato nell'eta confessionale (Annali dell'Istituto storico italo-germanico in Trento. Quademo 26), il Mulino, Bologna 1989 Übersetzung der italienischen Texte Judith Elze Friederike C. Oursin Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Istituto Storico Italo-Germanico (Trento): ... Studienwoche I Italienisch-Deutsches Historisches Institut in Trient. - Berlin : Duncker und Humblot Früher Schriftenreihe NE: . . . Studienwoche 27. Fiskus, Kirche und Staat im konfessionellen Zeitalter ; [21.- 25. September 1987]. - 1994 Fiskus, Kirche und Staat im konfessionellen Zeitalter ; [21. - 25. September 1987] I hrsg. von Hermann Kellenbenz ; Paolo Prodi.- Berlin : Duncker und Humblot, 1994 ( .. . Studienwoche I Italienisch-Deutsches Historisches Institut in Trient ; 27) (Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient ; Bd. 7) ISBN 3-428-08250-8 NE: Kellenbenz, Hermann [Hrsg.]; Istituto Storico Italo-Germanico (Trento): Schriften des Italienisch-Deutschen ... Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0939-0960 ISBN 3-428-08250-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANSI-Norm für Bibliotheken

Vorwort

Dieser Sammelband greift die Thematiken eines vorausgehenden Bandes dieser Reihe auf, welcher Fragen der Auffindung finanzieller Mittel durch die werdenden Staaten am Anfang der Neuzeit untersucht hatte (Finanzen und Staatsräson in Italien und Deutschland in der frühen Neuzeit, hrsg. von Aldo De Maddalena - Hermann Kellenbenz, HIST 4, Berlin 1992). Der vorliegende Band widmet sich insbesondere der Beziehung zwischen dem religiösen Bereich und den obrigkeitlichen Gewalten des frühneuzeitlichen Staates, wobei die Rolle des Fiskus im Mittelpunkt steht. Abgesehen von einigen Hinweisen auf neuere Literatur, liegen die Arbeiten die Bilanz einer Studientagung des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient zum Thema "Fiskus, Kirche und Staat im konfessionellen Zeitalter" aus dem Jahr 1987- hier in deutscher Sprache genauso vor, wie sie 1989 auf Italienisch erschienen (Fisco, religione e Stato nell'eta confessionale. Annali dell'Istituto storico italo-germanico in Trento. Quademo 26, Bologna 1989). Besonderer Dank gebührt Prof. Dr. Bernd Roeck, der mit seinen hilfreichen Hinweisen und kritischen Eingriffen so manche Schwierigkeit aus dem Weg geräumt hat, die dem Übersetzen von wissenschaftlichen Arbeiten inhärent ist.

Inhaltsverzeichnis

Paolo Prodi Einführung

9

Hermann Kellenbenz Fiskus, Kirche und Staat im konfessionellen Zeitalter.

21

Marco Bianchini Die Besteuerung in der Neuscholastik und in den politischen Schriften in Italien im 16. und 17. Jahrhundert

37

Karlheinz Blaschke Fiskus, Kirche und Staat in Sachsen vor und während der Reformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

Meinrad Schaab Territorialstaat und Kirchengut in Südwestdeutschland bis zum Dreißigjährigen Krieg. Die Sonderentwicklung in der Kurpfalz im Vergleich mit Baden und Württemberg

71

Othmar Pickt Fiskus, Kirche und Staat in Innerösterreich im Zeitalter der Reformation und Gegenreformation (16/ 17. Jahrhundert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

Ernst Schubert Staat, Fiskus und Konfession in den Mainbistümern zwischen Augsburger Religionsfrieden und Dreißigjährigem Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Gerhard Immler Finanzielle Beziehungen zwischen Kirche und Staat in Bayern zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges . . . . . . .

141

8

Inhaltsverzeichnis

Rainer Postel Kirchlicher und weltlicher Fiskus in norddeutschen Städten am Beginn der Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .

165

Kersten Krüger Die Staatsfinanzen Dänemarks und Schwedens im 16. Jahrhundert. Ein Strukturvergleich . . . . . . . . . . . . . . . .

187

Gauro Coppola Fiskus, Finanz und Religion: Der Staat Mailand von Carlo bis Federige Borromeo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 Roberto Bizzocchi Steuerpolitik und kirchliche Immunität in der Toskana der Medici zwischen Republik und Großherzogtum (15./ 18. Jh.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

255

Giuseppe Dei Torre Die Kirchenpolitik der Republik Venedig in der Neuzeit: Das Steuersystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

279

Aurelio Musi Fiskus, Religion und Staat in Süditalien (17./18. Jahrhundert) . . . . . . . . ·. . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .

311

Wolfgang Reinhard Papstfinanz, Benefizienwesen und Staatsfinanz im konfessionellen Zeitalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Aldo Mazzacane Giambattista De Luca und die "Gesellschaft für Ämterkauf". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

373

Verzeichnis der Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395

Einführung Von Paolo Prodi•

"Fiskus, Kirche und Staat"- "Fisco, religione e Stato": Wie man sehen kann, gibt es eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem deutschen und dem italienischen Titel des Seminars; und dieser Unterschied ist nicht ohne Bedeutung, es wurde viel über diese Begriffe diskutiert Der Begriff "religione", im italienischen Titel im Sinne von "Konfession", von "religio", kann neben jenem deutschen in "Fiskus, Kirche und Staat" auch eine eigene Bedeutung annehmen. Der kulturelle Vergleich, der sich mit der Wahl dieses Themas eröffnet, bedeutet zugleich ein Wagnis: nämlich einzudringen in ein neues Gebiet historischer Reflexion. Nicht neu, was die einzelnen Komponenten des Diskurses anbelangt, sondern neu in der Art und Weise, wie diese Komponenten zueinander in Beziehung gesetzt werden. Dieses Seminar, so scheint mir, ist die Vereinigung zweier Studienwochen, die das Institut in der Vergangenheit ausgerichtet hat: Einerseits eine Reihe von Seminaren zum Thema "Finanzen und Staatsräson", "Der Staat, die Gesellschaft und das Geld", worin der Versuch gemacht wurde, die wirtschaftsgeschichtlichen und wirtschaftlich-staatlichen Aspekte des ausklingenden Mittelalters und der frühen Neuzeit zu untersuchen; andererseits Seminare zu den Themen "Das Konzil von Trient als Drehscheibe der europäischen Politik", "Kirchliche Strukturen in Italien und in Deutschland vor der Reformation", die versucht haben, Licht auf die Entwicklung und die Strukturen der Kirche in diesem Zeitraum zu werfen. Die vorliegende Arbeit möchten wir am Zusammenfluß dieser beiden Strömungen ansiedeln. In gewisser Hinsicht geht es um einen interkulturellen Vergleich. Die Betonung liegt auf wirtschaftlichem Terrain, Aufmerksamkeit gebührt aber auch dem komplexen Gewebe des Politischen, Religiösen und Kirchlichen. Es wird also ein komplexer Zugriff versucht, es geht nicht um vereinzelte neue Erkenntnisse. Wir sind uns der Lücken des aktuellen Forschungsstandes und in unserer Konzeption bewußt. Ich hoffe, daß diese schließlich um so klarer sein mögen, denn wenn unsere Arbeit gut vonstatten geht, wird sie uns die bestehenden Lücken erst recht vor Augen führen. Natürlich dürfen die Ausgangsannahmen nicht rein abstrakt sein, sie müssen auf einer festen Grundlage ruhen. Zusammenfassend möchte ich unsere Ausgangshypothesen hier schematisch darstellen .

Deutsch von Friederike C. Oursin.

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Paolo Prodi

Zum einen soll ein Zeitraum von der Mitte des 15. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts umrissen werden. Damit kann man die Epoche der Konfessionalisierung benennen, wenn wir einen Ausdruck verwenden wollen, der die traditionellen Begriffe "Reformation" und "Gegenreformation" nicht einschränkt, sondern sie auf gewisse Weise umgreift und überwindet. Es handelt sich um die Zeitspanne, die von der Entstehung des frühmodernen Staates geprägt ist: die erste Annahme ist, daß es in dieser Zeit einen Zusammenhang gibt zwischen der Formierung der staatlichen Strukturen und der der neuen Territorialkirchen. Lange vor der radikalen, von der Reformation provozierten, Spaltung- schon mit der gegen den Konziliarismus siegreichen Allianz von Papsttum und Fürsten um die Mitte des 15 Jahrhunderts - und mit dem Beginn der Konkordatspolitik sehen wir nicht nur eine regionale Umgestaltung der kirchlichen Strukturen, sondern auch interne Wandlungen. Die zweite Annahme ist, daß der neue Staat sich nicht darauf beschränkt, sich Kirchengüter anzueignen, sondern schon vor der Reformation dazu neigt, das eigene Interesse und auch die Kontrolle auf den kirchlichen Apparat insgesamt auszudehnen. Hierbei handelt es sich um ein Thema, das in den letzten Jahren in Deutschland und Italien aufgegriffen worden ist; die aus diesem Forschungsinteresse resultierenden Arbeiten haben neue Horizonte aufgetan1 . Wir möchten versuchen, auf diesem Weg weiterzugehen. Dabei wollen wir der Hypothese folgen, daß sich der Staat nicht nur Besitz aneignete, es nicht allein um Ausbeutung und externe Kontrolle ging, sondern daß sich der Staat, indem er sich konfessionalisierte, auf irgendeine Weise selbst zur Kirche wird ("Verwirklichung des Staats") und zwar insofern, als er sich nicht auf eine externe Rolle als Aneigner oder Ausbeuter von Gütern beschränkt, sondern in Theorie und politischer Praxis in gewisser Hinsicht ein neues Wesen annimmt. Umgekehrt säkularisiert sich die Kirche gleichzeitig durch diese Osmose, indem sie sich die innersten Funktionen des wirtschaftlichen, des politischen und staatlichen Lebens einverleibe. In diesem Interpretationsrahmen muß das

Siehe z.B. für Deutschland P . Mikat, Bemerkungen zur Reformation, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kan. Abt. , 98 (1981), S. 264-309; für Italien A. Prosperi, "Dominus beneficiorum": il conferimento dei benefici ecclesiastici tra prassi curiale e ragioni politiche negli Stati italiani tra '400 e '500, in: P. Prodi I P ]ohanek (Hrsg.), Strutture ecclesiastiche in Italia e in Germania prima d ella Riforma (Annali dell'Istituto storico italo-germanico. Quademo 16), Bologna 1984, S. 51-86; G. Chittolini, Stati regionali e istituzioni ecclesiastiche nell'Italia centrosettentrionale del Quattrocento, in: Storia d'Jtalia, Annali, IX, Torino 1986, S. 147-193. Vgl. jetzt für die Toskana die exemplarische Untersuchung von R. Bizzocchi, Chiesa e potere nella Toscana del Quattrocento (Annali dell'Istituto storico italo-germanico. Monografia 6), Bologna 1987; zur Lombardei die Skizze von G. Chittolini, La politique ecclesiastique des ducs de Milan, in: A. Stegman (Hrsg.), Pouvoir et institulians en Europe au XVI siede (27° Colloque International d'Etudes Humanistes, Tours), Paris 1987, S. 65-74. Eine erste Illustration dieser Hypothese - mit Vorschlägen und vielfältigen Hinweisen - liefert der Band ].Pb . Genet I B . Vincent (Hrsg.), Etat et Eglise dans la genese de l'etat moderne (Actes du colloque organise par le CNRS et la Cäsa Veläzquez,

Einführung

11

Problem der Expansion der öffentlichen Finanzen und der Steuererhebung nicht nur im Hinblick auf Einziehung und Ausbeutung der Kirchengüter betrachtet werden, auch nicht allein als erforderliche Einnahmen zum Aufbau neuer staatlicher Strukturen: Es müssen auch die ionersten Wechselbeziehungen untersucht werden. Wie wichtig Besteuerung und Konfiskation kirchlicher Besitztümer für den modernen Staat waren, ist bekannt. In letzter Zeit haben diese Themen eine äußerst intensive Berücksichtigung erfahren - angefangen mit H.J. Cohn "Government in Reformation 1520-1560". In der Einleitung wird explizit das Problem aufgeworfen, ob der spanische Staat in langfristiger Perspektive von der Besteuerung des Klerus mehr profitiert habe, als die protestantischen Obrigkeiten vom Verkauf des Kirchenbesitzes3 . Der Bogenneuerer Publikationen zum Thema reicht bis zu dem Sammelwerk "Genese de l'etat moderne . Prelevement et redistribution" 4 Man muß sich der Entwicklungen dieses Fragenkomplexes in den letzten Jahren bewußt werden und versuchen, den gesamten Kontext in die Betrachtungen miteinzubeziehen. Als Ausgangspunkt möchte ich auf das berühmte zehnte Kapitel des 1. Buches von Badins "De Republica" verweisen, wo das Thema "Finanzen" in den Mittelpunkt der Problematik frühneuzeitlicher Staatskonstruktion gestellt wird5. "Auch die Befugnis, den Untertanen Steuern und Abgaben aufzuerlegen oder einzelne davon auszunehmen, wurzelt in der Gesetzgebungsgewalt und der Befugnis zur Gewährung von Privilegien. Es ist zwar unrichtig, daß ein Staat ... ohne Steuern nicht existieren könne; ... Wenn aber ein Bedürfnis für ihre Einführung oder Aufhebung besteht, so ist dazu allein derjenige in der Lage, der die souveräne Gewalt innehat". Die Steuerhoheit ist eines der grundlegenden Attribute der Souveränität. Um nochmals auf meine Äußerungen zu den leitenden Hypothesen einzugehen: ich glaube, daß in der letzten Zeit ein wichtiger Fortschritt stattgefunden hat, und zwar sowohl was die Analyse des Begriffs "Fiskus" selbst und die juristische Reflexion darüber, als auch was sein Verhältnis zu den spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen politischen Lehren anbelangt. Die Begriffsanalyse hat so meiner Meinung nach eine sehr interessante und wichtige Ausweitung erfahren, was sich in der historischen Interpretation noch nicht ganz niedergeschlagen hat. Die Lehre der Juristen des Zeitalters des Gemeinen Rechts unterscheidet nicht nur den Fiskus vom Privatbesitz der Fürsten und erkennt ihm auf der Grundlage des römischen

Madrid 30 nov .- 1er dec. 1984), Madrid 1984, bes. die Beiträge von J. Verger, j.C. Schmitt, j. Bossy, W. Reinhard, C. Fernandez Albaladejo, G. Chittolini (das Resümee stammt von ]. Chiffoleau und B. Vincent).

Hf. Cohn, Government in Reformation 1520-1560, London 1971, bes. S. 16-18. Genese de l'etat moderne. Prelevement et redistribution, publie par ].Ph. Genet I M. Le Mene, Paris 1987 (Actes du Colloque de Fontevrand 1984). ]. Bodin, Sechs Büch er über den Staat, eingel. und hrsg. von P.C. Mayer-Tasch, München 1981, S. 313.

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Paolo Prodi

Rechts eine ewige und von den jeweils auf Zeit agierenden Souveränen unabhängige Rechtspersönlichkeit zu; sie entwickelt für den Fiskus auch neue Dimensionen, indem dieser als persona mystica definiert wird. So werden in das Herz des neuen Staates selbst Ausdrücke und Begriffe übertragen, die aus der Theologie und dem kanonischen Recht stammen und die in den vorausgegar'lgenen Jahrhunderten auf die kirchlichen Strukturen angewandt wurden6 . Es handelt sich nicht um allein rein instrumentale, aseptische Verpflanzungen, sondern um folgenreiche begriffliche Umschichtungen, welche das Denken und die politische Praxis verändern. E.H. Kantorowicz hat diese Verbindung auf geniale Weise erfaßt, in einem Aufsatz, der den vielsagenden Titel "Christus-Fiskus"7 trägt. Dessen Quintessenz ist: sehr wichtig sei für den Begriff neben den Wurzeln im römischen Recht der Beitrag der Religion; das trage sich verstärkt im 13. Jahrhundert zu. Der Fiskus begegne als persona ficta, abstrakt, aber real, und unabhängig von der Person des Souveräns, unabhängig von der Person des Amtsinhabers. Die Parallele, "Christus-Fiskus", die sich aus den Werken der Glossatoren ergibt, scheint zwar abstrus, aber sie wird zum Fundament dieser neuen Wirklichkeit, die in den folgenden Jahrhunderten ihre Umsetzung in Theorie und Praxis der neuen Souveränität finden wird. Dieses Konzept ist nicht nur sehr wichtig, um die Krone, als persönliches Ziel, von dem Individuum , das sie trägt, zu unterscheiden, und so das Amt des Souveräns von seiner Person, unterschieden zu sehen; es befähigt auch zur Unterscheidung innerhalb der Ideen und der kollektiven Mentalitäten selbst; verhilft zur Einsicht in die komplexe Dynamik des Religiösen und des Politischen, dann des Wirtschaftlichen. Darauf habe ich eingangs hingewiesen, als ich die Ausgangshypothesen dieses Seminars formulierte . Kantorowicz erinnert an einen Prozeß, der 1441 am Londoner Finanzgerichtshof stattfand; hier machte im Verlauf der Debatte ein gewisser Paston eine Bemerkung, die in einen Satz Eingang fand, der es zu Berühmtheit brachte : "Was Christus nicht in seine Tasche steckt, steckt der Fiskus in die seine" - "quod non capit Christus capit fiscus". Es geht also im Kern darum, den Staatseinnahmen eine gewissermaßen heilige und religiöse Dimension zu verleihen. Dies kommt im Denken Bractons zum Ausdruck, im Gedanken vom Fiskus als einer "res quasi sacra". Dies ist auch die Definition, die in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters dominiert. Aber diese Umformung, diese Osmose ist keine rein theoretische Angelegenheit und unsere Studienwoche

H. Coing, Europäisches Privatrecht, I, München 1985, S. 266-267. Coing selbst verweist auch auf die großangelegte und innovative Untersuchung von B . Clavero, Hispanus fiscus, persona ficta. Concepci6n del sujeto politico en el jus commune moderno, in: Quaderni fiorentini, 11-12 (1982-1983), S. 95-167. Zur Ausgestaltung des Begriffs im römischen und im mittelalterlichen Recht sieh e das Stichwort "fisco" im Novissimo digesto italiano, VII (1967), S. 381-386 von U. Coli I F. Di Rienzo. 7 E.H. Kantorowicz , Christus-Fiskus, in: Synopsis. Festgabe für Alfred Weber, Heidelberg 1948, S. 223-235 (auch in: Mourir pour Ia patrie et autres textes, Paris 1948, S. 58-73).

Einführung

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sollte konkrete Einsichten suchen, wie sie sich verwirklichen. Es ist dies kein Problem reiner Güterverwaltung: wir sehen eine Straße, die auch zum "pro patria mori" führt, also zur Formierung der Religion des Vaterlandes, auch wenn an ihrem Anfang das Interesse als auf wirtschaftliche Aspekte der öffentlichen Finanzen beschränkt erscheinen mag. Vielleicht der Hauptpunkt für jene letzten Jahrhunderte des Mittelalters ist die Verbreitung der Idee eines unpersönlichen Vermögens, das kirchlich oder weltlich sein mag oder von nicht näher bestimmter Art. Auch dann kann weltliches Gut jahrhundertealte Charakteristika von Heiligkeit, kirchliches säkulare Aspekte beibehalten. Der Kirchenbesitz (und in gewisser Weise auch der des Fiskus) erweist sich als kollektives Eigentum, das nicht an einzelne Inhaber des Kirchenamtes gebunden ist, ja nicht einmal an die kirchliche Struktur als solche. Ich erinnere an Wilhelm von Ockhams Definition, für den die Kirchengüter "prima et principalissime post Deum sunt communitatis fidelium quoad dominium et proprietatem"8 - wo die Trennung zwischen dem Aspekt der Administration, dem Mißbrauch und der Zugehörigkeit hingegen äußerst scharf ist. Diese Zugehörigkeit stellt die persona .ftcta im Verhältnis zum Papst und zum Souverän her; nicht in Gestalt einzelner Personen sondern als Vertreter der Gemeinschaft der Gläubigen: es ist also die Gemeinschaft tout-court, die zum Hauptdarsteller nicht nur in der religiösen sondern auch in der politischen Sphäre heranwächst. Ich denke, daß wir diesen Zusammenfluß des römischen Rechts einerseits mit der christlichen Auffassung andererseits bei der Konstruktion der neuen Seele der modernen Politik noch einmal betonen müssen. Gegenstand dieses Seminars wird also nicht nur das Problem der Kontrolle über die Kirchengüter, ihrer Nutzung, ihrer Enteignung sein, auch wenn dies natürlich ein zentrales Thema bleiben wird: ich glaube, daß wir - das ist wenigstens als Vorschlag gedacht- uns einerseits die Bemühungen der Kirche vergegenwärtigen sollten, die eigenen Güter der Autorität des Fiskus zu entziehen. Die gesamte Thematik der realen Immunität des Klerus sollte von neuem aufgegriffen werden (wobei die italienische Forschung dazu ziemlich veraltet ist; die deutsche Situation kenne ich andererseits nicht); auch die Thematik der bekannten Kontroversen um die Jurisdiktion, die nach den Reflexionen der vergangenen Jahre auf dem aktuellen Stand behandelt werden kann. Ich glaube aber auch, daß der Zeitpunkt gekommen ist, einen Schritt weiter zu gehen, tiefer in den Gegenstand einzudringen. Weiterhin halte ich es für wichtig, sich beim Prinzip der Besteuerung, als neuem Element in der Geschichte der Neuzeit, aufzuhalten; die Verbindung mit der Formierung der 8 ]. Mietbke, Ockhams Weg zur Sozialphilosophie, Berlin 1969, S. 458-466 ("Das dominium am Kirchengut"); ders., Repräsentation und Delegation in den politischen Schriften Wilhelms von Ockham, in: A. Z immermann (Hrsg.), Der Begriff der Repräsentation im Mittelalter. Stellvertretung, Symbol, Zeichen , Bild, Berlin 1979, S. 163-185.

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Paolo Prodi

persona .ficta des Fiskus zu betrachten und folglich auch das Problem der moralischen - noch vor der juristischen - Legitimität der Steuererhebung zu diskutieren. Dies nun ist eine weniger untersuchte Fragestellung. In der mittelalterlichen Tradition muß der Souverän normalerweise vom eigenen Einkommen leben, nur für bestimmte Zwecke können den Untertanen Lasten auferlegt werden, Steuern erhoben werden: Für besondere oder zeitlich begrenzte Angelegenheiten wie Kriege, den Bau von Mauern, Straßen usw., aber nicht um das Adernetz, die lebensnotwendige Lymphe, die der neue Staat mit seinen teuren Apparaten täglich benötigte, aufzubauen. Der Kampf, der um die Legitimität der Steuererhebung entbrennt und den der Staat erst nach einem säkularen Kampf, gewinnen sollte, wird die Lebensweise der europäischen Gesellschaft verändern und dann zu jenen Entwicklungen des folgenden Zeitalters der Reformen führen, auf das sich sonst allein die Aufmerksamkeit der Historiographie zu konzentrieren scheint. Aber das tiefste Problem liegt im Wandel der finanzpolitischen Bewußtseinsbildung, der sich in diesem Zeitalter meiner Meinung nach vollzieht: wir können es das konfessionelle Zeitalter nennen. Besonders Marco Bianchini wird sich mit dem Problem der Neuscholastik mit ihren theoretischen Durchdringongen befassen- wir werden also die Möglichkeit haben, Überlegungen zu den Grundzügen der Besteuerung anzustellen. Ich möchte nun darauf hinweisen, daß diese Diskussion nicht nur theoretisch bleibt, auch nicht in den Jahren zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert, die den großen Moment der intellektuellen Ausgestaltung erleben. Sie wird, im Gegenteil, höchst konkret in einem Kampf, der in der Kontroverse um die Veröffentlichung der Bulle "In coena Domini" - insbesondere während des Pontifikats von Pius V. - vielleicht seinen letzten und dramatischsten Ausdruck fand. Hierbei handelte es sich bekanntlich um eine Bulle, die am Gründonnerstag eines jeden Jahres veröffentlicht wurde und die Exkorrununikation von besonderen Personengruppen vorsah. Diese Übung hatte bis weit ins 14. Jahrhundert zurückreichende Wurzeln; bis 16279 entwickelte sich die endgültige Form, welche die Bulle unter Urban VIII. gewann. Aber schon zur Zeit Julius' II., 1511 , finden wir die Ausformulierung der verschiedenen Kategorien der Exkorrununizierten relativ vollständig: verurteilt werden Häretiker, dann jene, die sich an das Allgemeine Konzil wenden, Piraten, Besetzer der Ländereien der Kirche usw. Punkt V ist es, der uns interessiert: Er bezieht sich auf diejenigen, die in ihren Staaten neue Steuern erheben. Lesen wir die Formulierung Pius' V. von 1568: "Item excommunicamus et anathemizamus omnes, qui in terris suis nova pedagia seu gabellas, praeterquam in casibus sibi a iure seu ex speciali sedis

Es existieren keine ne ueren Untersuchungen zur Abendmahlsbulle - abgesehen von Stichworten in den verschiedenen Nachschlagewerken vgl. K. Pfaff, Beiträge zur Geschichte der Abendmahlsbulle vom 16. bis 18. Jahrhundert, in: Römische Quartalschrift, 38 0930), S. 23-76.

Einführung

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apostolicae licentia permissis, imponunt vel augent, seu imponi vel augeri prohibita exigunt" 10 Dies ist Punkt V der Bulle, die, so in der Substanz schon von Julius II. erlassen, bereits Anlaß zu Streitigkeiten über die konkrete Souveränität einiger Fürsten11 gegeben hatte. Aber die großen Kontroversen, die sich mit der Publikation der Bulle nach dem Konzil von Trient in den verschiedenen europäischen Staaten entspannten, gewannen eine grundsätzliche Bedeutung: es ging um das Problem der Besteuerungsbefugnis, der Erhebung von Steuern und Gefällen, auf denen die konkrete weltliche Souveränität der Staaten und des Papsttums beruhte. Es ist an dieser Stelle unmöglich, der Geschichte dieser Klausel der Bulle und ihren Auswirkungen im einzelnen nachzugehen. Päpstliche Versuche, über das Steuerwesen Kontrolle zu behaupten, fanden unter Pius V. ihre größte Intensivierung; bereits unter Gregor XIII. findet sich eine - später bestätigte - Formulierung, die im wesentlichen dem Verzicht der Kirche darauf, auf dem Gebiet der Steuererhebung Gesetze zu erlassen, gleichkommt. An Stelle der Einfügung "praeterquam in casibus .. permissis" steht nun der Ausdruck "ad id potestatem non habentes": nur für nicht souveräne Staaten bleibt die Verurteilung bestehen. Aber auch folgendes ist interessant: in derselben Abendmahlsbulle wird das Prinzip der Souveränität direkt mit der Fähigkeit, Steuern auszuschreiben, verbunden. Es wird also das Problem der von den Baronen oder von den Vertretern des alten Feudalismus geforderten Abgaben in den Mittelpunkt gerückt. In gewisser Weise gibt es eine Art Allianz auch auf dem Gebiet der Besteuerung - wenngleich um einen hohen Preis und nicht unumstritten du rch die alle Kräfte auf das weitaus beschränkte re und kümmerliche Ziel der Verteidigung der Immunität der eigenen Güter vor der staatlichen Besteuerung konzentriert werden. Als Beispiel für die Auseinandersetzungen, die im diplomatischen Verkehr konkret ausgefochten wurden, verweise ich auf den Briefwechsel zwischen dem Nuntius in Venedig, Giovanni Antonio Facchinetti, und dem Papstnepoten Micheie Bonelli, der die päpstliche Außenpolitik lenkte, vom Mai 1569, also zur Zeit Pius' V. In anderen Schreiben ereifert sich der Nuntius über die neuscholastischen Autoren, von denen heute die Rede sein soll: diese großen französischen und spanischen Theoretiker, so sagt er, zögen eigentlich die weltliche Souveränität von Christus und Papst über das Universum in Zweifel; da sie großen realen Einfluß auch auf die venezianischen Politiker ausüben, seien sie gefährlich. Darüber hinaus schreibt er: "Tutta la premura di questi signori , per quello ehe potei eomprendere dalle parole di Sua Serenita, eonsiste nel eapo delle gabeHe e di datii, et m'avidi ehe haveano fatto studiare questa diffieolta, dieendomi d'haver inteso ehe i Pontefiei non havevano eome prineipi temporali maggior autorita d'imporre datii et gravezze a i popoli di quello ehe havevano gli altri signori seeolari; et sieome i papi pro tempore non s'erano astenuti da dette impositioni, ehe eosl Sua Serenita, eon Ebd., S. 37. Vgl. P. Prodi, Relazioni diplomatiehe fra il dueato di Milano e Roma sotto il du ea Massimiliano Sforza 051 2-1 515), in: Aevum, 30 (1956), S. 477. 10

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Paolo Prodi

questo esempio et degli altri prencipi, era stato lecito di fare il medesimo, massime ehe se 'I mettere questi dazi e gabeHe fasse peccato in se i pontefici similmente non havriano continuato di farlo ... "12 (Die Sorge dieser Herren (des venezianischen Senats) wie ich aus den Worten Seiner Durchlaucht entnehmen konnte, liegt im Punkt der Gefälle und Zölle. Ich habe bemerkt, daß sie dieses Problem untersuchen ließen und sie sagten mir, sie hätten verstanden, daß die Päpste keine größere Autorität als die weltlichen Fürsten, anderen Völkern Zölle und Steuern aufzuerlegen, besaßen; und da die Päpste zeitweilig auf diese Auflagen nicht verzichtet hätten, so habe Ihre Durchlaucht es für rechtens erachtet, - dieses Beispiel und das der anderen Fürsten vor Augen - das gleiche zu tun; denn sollte es an sich Sünde sein, Zölle und Gefälle zu erheben, so hätten die Päpste sie weiter nicht erhoben .. .)

Hier sind wir wieder bei dem von mir schon früher behandelten Thema des Papsttums als Prototyp und Modell des neuen Staates, der dahin tendiert, sich alles einzuverleibenn Der Venezianer antwortet 1569 genauso, wie es eirlige Jahrzehnte später Paolo Sarpi - auf in sich schlüssigere Weise - tun wird- daß nämlich der Papst mit gutem Beispiel als erster vorangegangen sei. Er sei der erste, der die Kombirlation weltlicher und geistlicher Macht ausnutzte; jene Ausweitung der politischen Machtsphäre - was die anderen Souveräne nachzuahmen suchten. Wäre es wirklich Sünde, könnte er selbst es nicht tun, wenn nicht, stünde es auch uns offen. Der Staatssekretär und Papstuepot Bonelli antwortet, daß "zweifelsohne Unser Herr aufgrund seirles Amtes als Oberhirte des Erdkreises für den Schutz der Völker im allgemeinen Sorge tragen kann, ja mehr noch dazu angehalten ist, und so wie er es für angebracht hält, kraft seiner Autorität ihre Sorgen zu lirldern hat, an denen sie schuldlos leiden" ["non e dubbio ehe Nostro Signore, per l'offitio suo di pastore universale, puo, anzi e tenuto, di provedere alla irldennita deipopoll ir1 generale e di rimediare ir1 quei modi ehe si conviene con l'auttorita sua alle gravezze ehe patiscono indebitamente"P 4. Der Papst bekräftigt also seirle spezifische Aufgabe, für das Wohlergehen der Völker Sorge zu tragen: zur Kontrolle der Steuererhebung bedarf es noch der universalen Autorität des Papstes, eben um Mißbräuche, die Ausplünderung der Völker zu vermeiden. Der Nuntius antwortet einige Tage später, nachdem er mit den venezianischen Senatoren und dem Dogen Rücksprache gehalten hat, nochmals, daß auch diejenigen, welche die zeitliche und die universale Souveränität des Papstes in Zweifel ziehen, sich dem Standpunkt des Heiligen Stuhls anschließen können. Er versucht also zu differenzieren und ir1 die fiskalische Problematik auch jene Doktrin einfließen zu lassen - die dann als "Bellarmins Lehre" von der indirekten Macht Konturen gewirlnt. Sie betont die Funktion jener moralischen Kontrolle,

12 A. Stella (Hrsg.), Nunziature di Venezia, IX, (Fonti per Ia storia d'Italia, 117) Roma 1972, S. 60: G.A. Facchinetti an M. Bonelli, 11 . Mai 1569. 13 Vgl. P. Prodi, Il sovrano pontefice. Un corpo e due anime: la monarchia nella prima eta moderna (Annali deli'Istituto storico italo-germanico. Monografia 3), Bologna 1982, bes. die abschließ enden Seiten. 14 A . Stelia (Hrsg.), Nunziature di Venezia, IX, S. 66 (Brief vom 18. Mai 1569).

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die dem Papst zusteht, um die Ausbeutung der Völker zu verhindern: auch wenn der Papst als Erbe Christi die universale Macht im zeitlichen Sinn über das irdische Universum nicht innehat, kann er über seine moralische Kompetenz die Staaten kontrollieren. Der Nuntius schreibt ausdrücklich: "... La consideratione ehe mi fa V.S. ill.ma sopra Ii datii et gabeHe e vera e manifesta, non solamente a chi siegue l'opinione ehe communemente e ricevuta da ' canonisti, ehe Ia giurisditione de' prencipi temporali depende da Sua Beatitudine, ma ancora chi tiene ehe non deriva dalla sua Sede Apostolica, m a nasca da quei princip! ehe Ii danno. Aristotile et tutti filos ofi morali, cioe dal consenso de' popoli, Ia quale opinione e stata abbracciata da' Francesi come dal Soto, Francesco di Vittoria et altri, pensando forsi cosl d'aggrandire piü. l'auttoritä dei re loro. Dico ehe detta consideratione e vera e manifesta, perehe nessuno pone in clubbio ehe Nostro Signore per l'offitio di pastore universale non possi et non debba provedere all'indennita dei popoli in generale et di rimediare, con quei modi ehe si convengono all'autoritta sua, alli aggravii ehe patiscono indebitamente, potendosi massimamente mostrare ehe l'imporre queste gravezze e molte volte non solamente contra le constitutioni civili et canoniche, ma etiamdio contro Ia !egge politica, naturale et divina; et se i popoli conoscessero il beneficio ehe potriano ricevere in cio dalla protettione della Sede Apostolica, questo solo dovrebbe essere un possente stimolo et legame a fare ehe riverissero con ogni obedienza l'auttorita di Nostro Signore. Ma poiche i principi tuttinon possono sentire di levare et restringere le facoltä di accrescere le loro entrate, et questa tale sopraintendenza di Nostro Signore Ii pare formidabile, et i popoli in gran parte sono devenuti heretici, et molti cattolici ciechi et ignoranti, Sua Beatitudine conosce Ia qualitä del negotio et Ia calamitä di questi tempi. lo non voglio giä promettere ehe si possa ottenere qua ehe questi signori si debbano astenere dall'imporre datii et gabelle, ma credo ben ehe Nostro Signore, con Ia solita patienza et providenza sua, poträ, per mezo di questa bolla, rimediar a molti et molti abusi ehe si sono introdutti in questo Dominio contro Ia giurisditione ecclesiastica" 1s [... Die Betrachtung Ihrer hochgeehrten Durchlaucht zu den Zöllen und Gefällen ist wahr und offensichtlich, nicht nur für denjenigen, welcher der Meinung an15 Ebd., S. 67-68 (Brief vom 20. Mai 1569). Die Abendmahlsbulle beschäftigt den Nuntius auch in den folgenden Monaten; seine Bemühungen konzentrieren sich darauf, den Verantwortlichen der venezianischen Politik zu beweisen, daß d er neue Text keine bemerkenswerten Veränderungen gegenüber den Versionen früherer Päpste enthalte, während die Venezianer antworten, daß sich die politischen Bedingungen geändert hätten: "Di piü., i popoli, per i tempi passati, non erano desti a considerare certi interessi loro, come si trovano adesso et i rispetti dei Stati sono d'altra natura di quello ch'erano gia; onde avviene ehe noi non possiamo permettere Ia pubblicatione della bolla ... " (ebd., S. 67, aus dem Brief von G .A. Facchinetti an M. Bonelli, 7. Dezember 1569). Auch in diesen Verhandlungen - die an sich schon eine Untersuchung wert wären - bleibt das Thema der Steuererhebung zentral, und die Gegenleistungen werden auch im Bereich der Besteuerung des Klerus gesucht (ebd., S. 198199, Brief an M. Bonelli, 4. Februar 1570): "Della bolla In coena Domini questi dimandano, come saria a dire una tacita concessione di poter esigere datii da preti e cose simili per trovargli Ia strada; Nostro Signore sara servito di nuovo et piü. aggravi questo Dominio Ia bolla di Sua Beatitudine di quel ehe facessero le pubblicate da Clemente, Paolo Terzo, Giulio Terzo, Marcello, Paolo Quarta et Pio Quarta di santa memoria, perche, volendo l'ambasciatore parlare de' capi compresi nelle balle precedenti, se gli puo chiuder Ia bocca non mostragli ehe questo in alcun modo non dee ascoltarsi poiche le dette balle si sono pubblicate continuamente ogn 'anno il giovedi

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Paolo Prodi

hängt, die normalerweise von den Kanonisten erhalten wird - daß nämlich die Rechtsprechung der weltlichen Fürsten von Seiner Heiligkeit abhängt, sondern auch für denjenigen, der dafürhält, daß sie von den Fürsten stammt. Dies wird von Aristoteles und allen Moralphilosophen, also vom Konsens der Völker, deren Meinung von den Franzosen und auch von Soto, Francesco de Vitoria und anderen angenommen wurde, getragen. Sie meinen vielleicht, auf diese Weise die Autorität ihrer Könige zu vergrößern. Ich sage, daß diese Betrachtung wahr und offensichtlich ist, da niemand in Frage stellt, daß Unser Herr in seinem Amt als Oberhirte des Weltkreises nicht für die Unversehrtheil der Völker im allgemeinen Sorge tragen kann und muß; (es obliegt ihm), mit den Mitteln, die in seiner Macht liegen, die Sorgen zu lindern, an denen sie unverschuldet leiden, da das Aufbürden dieser Lasten oft nicht nur den weltlichen und kanonischen Gesetzen widerspricht, sondern auch dem politischen, natürlichen und göttlichen Gesetz; und wenn die Völker nur den Vorteil kennen würden, der ihnen aus dem Schutz des Heiligen Stuhls hierin erwachsen würde, so sollte das allein ein starker Anreiz dazu sein, der Autorität unseres Herren voll und ganz zu gehorchen. Doch wollen die Fürsten alle nichts davon hören, auf die Möglichkeit zu verzichten, ihre Einnahmen zu erhöhen, oder sie einzuschränken, und diese Oberaufsicht Unseres Herren erscheint ihnen schrecklich; die Völker größtenteils ketzerisch, viele Katholiken blind und dumm geworden. Seine Heiligkeit weiß um die Art dieses Handels und um die Heimsuchungen, welche diese Zeiten mit sich bringen. Ich möchte nicht versprechen, daß sich hiermit erreichen läßt, daß diese Herren davon absehen müssen, Zölle und Gefälle zu erheben, aber ich glaube doch, daß unser Herr mit der bei ihm üblichen Geduld und Voraussicht vermittels dieser Bulle bei vielen Mißbräuchen Abhilfe schaffen kann, die in diesem Herrschaftsgebiet wider die kirchliche Rechtsprechung eingeführt wurden.]

Die neue Linie, die sich durchsetzt und die der Nuntius dem Papstnepoten und damit dem Papst empfiehlt, ist also diejenige einer "Schutzaktion", die nicht mit dem Anspruch des Papstes auf geistliche und weltliche Macht gleichzusetzen ist, sondern ihre Legitimation aus der ethischen Grundlage, aus dem Schutz der Unterdrückten gegenüber dem langen Arm des Staates beziehen kann. Den Beschluß dieser Episode bildet natürlich die offizielle Weigerung santo nella chiesa patriarcale; onde, dovendo essi trattare solamente in parole ehe Sua Beatitudine habbia aggiunte nella bolla, il negotio si restringe ne sara forse irnpossibile circa dette parole trovar dichiaratione ehe possi sodisfar loro senza pergiuditio della Sede Apostolica, o pure, se paresse a Sua Beatitudine, publicar questo anno una bolla conforme a quelle degli antecessori pontefici, perche, se bene nelle publicate da Sua Beatitudine vi e qualehe differenza di parole, pur, quanto all'essentia et effetto, contengono le medesirne prohibitioni. Non dico gia ehe quella parola seu gabellas aggiunta a quel pedagia et alcune altre ehe tendono alla derogatione de' privilegi non possino essere di molto momento, ma non havendo mira Nostro Signore di voler in questa calamita de' tempi restringere a' principi Ia faculta d'irnporre datii, non sara forse contro Ia mente di Sua Beatitudine ommettere quella parola seu gabellas; et ancorche i principi malte volte irnponendo datii peccano mortalmente, non pero per ogni sorte di delitto Nostro Signore e S. Chiesa usa Ia severita di queste censure; et quanto a' privilegi, se non bastassero le derogationi delle bolle antecedenti, non sono Iegate mani a Sua Beatitudine ehe, inherendo a' canoni antichi et alla mente del sacro Concilio di Trento, non le possi far ad ogni suo volere con una bolla a parte. Conosco bene eh e del partito di pubblicar Ia bolla, conforme a quelle dei pontefici antecedenti, non bisogni dar punto d'intentione all'ambasciatore o a questi signori, ma vedere ehe vi cadino da loro et accettarlo poi se parera salutare".

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der Republik, die Bulle zu veröffentlichen - und zwar an erster Stelle gerade wegen ihres die Besteuerung betreffenden Kapitels: Venedig hatte von seiner Gründung an das Recht Zölle und Gefälle zu erheben und will das gewiß jetzt nicht in Frage gestellt sehen. An dieser Stelle kann die Frage des Verhältnisses zwischen dieser Kontroverse und jener um die direkte und indirekte Macht des Papstes nicht weiter vertieft werden. Ich glaube, es genügt, die Tiefendimension der Reflexion über den Fiskus aufgezeigt und gesehen zu haben, daß sie mit der allgemeinen Auseinandersetzung um das Problem der Ideologie der Kirche in Zusammenhang zu bringen sind. Es bleibt notwendig, sich erneut mit dem Statut der Kirchengüter in den Gebieten, die der Römischen Kirchetreu geblieben sind16 , auseinanderzusetzen; mit der Bedeutung und der wirtschaftlichen wie politischen Tragweite, welche die Einverleibung der Kirchengüter in den Staat hatte und folglich ihren Beitrag zur Entstehung der modernen Politik in den der Reformation zugefallenen Staaten zu überdenken. Dabei werden auch die neuen Funktionen des Staats, die in der vorhergehenden Epoche nicht zu seiner Kompetenz gehörten, zu berücksichtigen sein; soziale Kontrolle, Fürsorge, Bildung, im Grunde genommen die Bemühung, den neuen Mensch en ganz zu modellieren. Verweltlichung der Kirche und Verkirchlichung des Staats, dies bildet eigentlich den Komplex des wechselseitigen Austausches, dessen Wurzeln wir in den nächsten Tagen näher untersuchen wollen. Es ist dies, was ich eingangs über die Ausweitung des Konzeptes selbst und über die politische Praxis sagen wollte: die Frage der Modeliierung des Menschen in seiner Ganzheit ist mit der Lösung des fiskalischen Problems verbunde n.

16 Intelligente Anstöße zur italienischen Lage in E. Brambilla, Per una storia materiale delle istituzioni ecclesiastiche, in: Societä e storia, 24 (1984), S. 395-450.

Fiskus, Kirche und Staat im konfessionellen Zeitalter Von Hermann Kellenbenz

I.

Das Thema unseres Seminars bewegt sich um drei Stichworte. Es geht um das Verhältnis zwischen dem religiösen Bereich und den obrigkeitlichen Gewalten, die wir mit dem Begriff des Staats umschreiben, und es geht dabei im Besonderen um die Rolle des Fiskus. Als zeitlichen Rahmen haben wir uns das konfessionelle Zeitalter vorgenommen, in dem sich die folgenschweren Vorgänge der Reformation und Gegenreformation oder katholischer Reform abspielten. Das geogra phisehe Feld bilden einerseits die Staatenwelt der Appenninenhalbinsel, andererseits das Reich und seine Territorien, wobei wir, die eine Gruppe, uns auf die Probleme nördlich der Alpen bechränken wollen. Bezüglich der Definition des Begriffs Fiskus wollen wir die heutige Auffassung verwenden, wie sie sich seit dem 18. Jahrhundert allgemein verbreitet hat. Wir verstehen so unter Fiskus die Gesamtheit der staatlichen Einkünfte und das staatliche Finanzvermögen. Bei unseren Referaten geht es also um die finanziellen Aspekte des Verhältnisses von Kirche und Staat1. Wie auf der Appenninenhalbinsel haben wir in Deutschland in dem betrachteten Zeitraum nicht einen Staat, sondern ein Gemenge von Staatsgebilden, wobei die Verhältnisse in Deutschland gekennzeichnet sind durch den Dualismus zwischen dem König/Kaiser und dem Reich. Dem König, der mit der Kaiserkrönung seine zusätzliche Sanktion als Herrscher des Reichs erhält, steht das Reich als Inbegriff der ständischen Gesamtheit gegenüber. Das dualistische System von Kaiser und Reich hat seit dem Ausgang des Mittelalters seine volle Ausprägung erhalten, wobei das Reich vertreten ist durch die hierarchisch gegliederten Stände der Kurfürsten und Fürsten, Prälaten, Herren und Städte, die sich zu gemeinsamen Beratungen auf den Reichstagen treffen . Für unsere weitere Betrachtung ist von besonderem Interesse, die Tatsache, daß im Rahmen der Reichsstandschaft, wie sie sich seit der Matrikel von G. Neusser, Artikel "Fiskus", in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (HRG), I, Berlin 1971, S. 1135-1139.

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Worms präsentiert, die Geistlichkeit in drei Gruppierungen erscheint: unter den Kurfürsten, unter den Fürsten und unter den sogenannten Ständen. Bei den letzteren wird wieder genauer differenziert zwischen Prälaten, Grafen, Herren und Städten. Die Wormser Matrikel zählt insgesamt 384 Stände auf. Sie gliedern sich in folgende Gruppen: 7 Kurfürsten, 49 geistliche Reichsfürsten (außer vier Erzbischöfen, von denen drei Kurfürsten sind, 45 Bischöfe, dann 31 weltliche Reichsfürsten, 65 Prälaten (d.h Pröpste und Äbte), 14 Äbtissinnen, 4 Ordensballeien, 137 Grafen und Herren, 84 Freie und Reichsstädte 2 .

II.

Dies führt uns weiter zur Frage, wie es im Reich zu den besonderen Verflechtungen zwischen dem Staat (bezw. den öffentlichen Gewalten, die im Sinne des späteren Staates wirkten) und der Kirche kam . Es hing damit zusammen, daß es im Lauf der Generationen dem hohen Adel, den Fürsten und Grafen, in hohem Maße gelungen war, sich die Übertragung der kirchlichen Benefizien zu sichern. Einige Stichworte genügen, um die Entwicklungslinie anzudeuten: einmal das Wormser Konkordat von 1122, das die (allerdings kanonisch frei zu wählenden) Reichsbischöfe und Reichsäbte als geistliche Fürsten "mit einer vergleichbaren Rechtsstellung neben die weltlichen Großen" stellte. Dann die "Confoederatio cum principibus ecclesiasticis" Kaiser Friedrich II. von 1220. Sie verminderte den königlichen Einfluß in den geistlichen Herrschaften und ermöglichte diesen den Ausbau eigener Landesherrschaften, die sich von denen der weltlichen Fürsten nur dadurch unterschieden, daß sie gleichzeitig ein geistliches Amt wahrnahmen. Daß Friedrich Barbarossa Herzogtümer in geistlicher Hand errichtete, so in Westfalen zugunsren des Erzbischofs von Köln und in Franken zugunsren des Bischofs von Würzburg, hat diese Entwicklung begünstigt, und seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts haben wir gerade in den geistlichen Landesherrschafen bemerkenswerte Ansätze territorialer Organisation, die sich auch in fiskalischer Hinsicht auswirkte. Andererseits brachte die Doppelstellung von geistlichem Würdenträger und weltlichem Fürsten Eigentümlichkeiten mit sich, die die Landesherrschaft stabilisierten, aber auch wieder begrenzten. Es kam wohl nicht zu den oft verhängnisvollen Landesteilungen. Der geistliche Landesherr war gewählter Fürst und von seinem Wahlgremium, dem Domkapitel, abhängig. Der Einfluß der Domkapitel kam zum Ausdruck in Wahlkapitulationen und Kontrollrechten, was sich besonders hinsichtlich der Finanzen äußerte . Im allgemeinen war es nicht möglich, den Stiftsadel zu besteuern und damit in den Untertanenverband einzufügen. Man hat auf die Schwächen der Repräsentanten der Reichskirche gegenüber den auf dem dynastischen Prinzip beruhenden weltlichen Fürstenstaaten A. Ger/ich, Reichsstände, Reichsstandschaft, in: HRG, III, S. 760 ff.

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hingewiesen und die ersteren als anachronistische Erscheinungen bezeichnet. Andererseits muß man die Leistungen des Kirchenstaats hinsichtlich des territorialstaatlichen Ausbaus beachten3 . In ähnlicher Weise wie die geistlichen Fürsten bemühten sich die Inhaber der weltlichen Territorien, den Besitz der in ihrem Territorium gelegenen Kirchen von sich abhängig zu machen. Die Wechselfälle der Epoche des Schismas und der Konzilien begünstigten diese Tendenzen. Juristische Titel wie die Vogtei, das Patronat und das kirchliche Lehen verstanden verschiedene Fürsten mit Hilfe päpstlicher Privilegien zu festigen. Solche Privilegien äußerten sich am deutlichsten im Bereich der Besteuerung und der Einschränkung des Erwerbs von Gütern der "toten Hand". So kam es, daß die fürstlichen Kammern in wachsendem Maß mit den Einkünften aus dem Bereich der kirchlichen Güter rechneten4 . 111.

Um diese Bestrebungen besser zu verstehen, empfiehlt es sich einen Blick auf den Ausbau des fürstlichen Territorialstaats in der Periode vor Beginn der Reformation, d.h. insbesondere seit dem 15. Jahrhundert zu werfen. Wir haben uns daran gewöhnt, in einer mehr allgemeinen Formulierung vom Ausbau des fürstlichen Territorialstaats im Übergang vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit zu sprechen und zwar auf Kosten der bisherigen Stadtwirtschaft Dabei ist der Gegensatz zwischen der Territorialwirtschaft und der Stadtwirtschaft als Folge der Diskussion über die Stufentheorie gerne überbetont worden. Eine eingehendere Betrachtung der Verhältnisse im Reich hat gezeigt, daß man die Anfänge einer Territorialwirtschaft im 13. Jahrhundert nicht übersehen darf. Diese Ansätze wurden nach einer Krisenphase von verschiedenen Territorialherren im Lauf des 15. Jahrhunderts weiter ausgebaut. Die Landesherrschaft muß also durchaus als mitbestimmender Faktor des Wirtschaftslebens betrachtet werden. Hier interessiert uns besonders die Politik gegenüber der Kirche. In einer Reihe von Territorien, so in der Mark Brandenburg, in Pommern, Schleswig-Holstein, Sachsen und Österreich enstanden die Anfänge eines landesherrlichen Kirchenregiments 5 Vgl. A . Angermeier (Hrsg.), Säkulare Aspekte der Reformationszeit, unter Mitarbeit von R. Seyboth (Schriften des Historischen Kollegs, 5), München I Wien 1987, S. 10 f. Dazu H. Lutz, ebd., S. 16 f.; W Reinhard, ebd. S. 107 f., betont den Gegensatz zwischen Reichskirche und Kirchenstaat mit Verweis auf P. Prodi, II sovrano pontefice. Un corpo e due anime. La monarchia papale nella prima eta moderna (Annali dell'Istituto storico italo-germanico. Monografia 3), Bologna 1982. 4

H.-]. B ecker, Kirchengut, in: HRG, li, Berlin 1978, S. 753 ff.

H. Spangenberg, Territorialwirtschaft und Stadtwirtschaft Ein Beitrag zur Kritik der Wirtschaftsstufentheorie (Historische Zeitschrift, Beiheft 24), München I Berlin 1932, S. 14 ff.; 0. Hintze, Die Epochen des evangelischen Kirchenregiments in Preußen, in: Historische Zeitschrift, 97 (1906); A. Werminghoff, Neuere Arbeiten über das

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Die Parteiungen innerhalb der Kirche begünstigten diese Tendenz. Mit Hilfe von pacta conventa, Zugeständnissen an die Fürsten, suchten die Päpste ihre Position gegenüber dem Konzil zu stärken. Martin V. begann mit dieser Politik 1418 in Konstanz. Eugen IV. fuhr damit fort. Der Habsburger Friedrich III. schloß so im Jahre 1443 ein Konkordat mit der Kirche, das ihm verschiedene Rechte hinsichtlich des Kirchenregiments in den Österreichischen Territorien einräumte. Sein Ziel war es, die Österreichischen Territorien aus der Abhängigkeit vom Bischof von Passau zu lösen. Das gelang ihm zwar nicht, aber er setzte dann zwei neue Bistümer in Wien und in Wiener Neustadt durch (1469) 6 Die sogenannte Obödienzfrage ermöglichte es Papst Eugen IV. und seinen Unterhändlern, durch Zugeständnisse in den sogenannten Fürstenkonkordaten vom Februar 1447 die Front der auf Verwirklichung der konziliaren Idee drängenden Fürsten, voran der Kurfürsten, zu durchbrechen7 In diesem Zusammenhang gelang es Herzog Bogislaw X. von Pommern mit Hilfe von z.T. gelehrten Räten und einer modernisierten Kanzlei, die weitgehend verpfändeten Besitzungen und Hebungen wieder der herzoglichen Verwaltung zu unterstellen und aus den alten Vogteien herzogliche Ämter mit Amtshauptleuten zu machen sowie das Steuer-, Münz- und Gerichtswesen neu zu regeln. Dem Adel gegenüber wurde das Lehensrecht strenger gehandhabt, die Rechte und Zollfreiheiten, wo es ging, eingeschränkt. Dazu fügte sich die Sorge für Handel und Wandel und den Ausbau des Verkehrswesens. Insbesondere, und das interessiert uns hier am meisten, machte der Herzog seinen Einfluß auf die Verwaltung der Klöster und Kirchengüter geltend. In Rom erreichte er die Einsetzung seines Rats Dr. Martin Karith zum Koadjutor des Bistums Kammin, der dann auch als Bischof (bis 1521) das Stift nach den Wünschen des Herzogs regierte8 . Nehmen wir noch das Beispiel Hessen hinzu , das zumal hier einen Platz auszufüllen hat, der durch den unerwarteten Tod unseres verehrten Kollegen Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland während des späteren Mittelalters, in: Historische Vierteljahrschrift, (1908), S. 173 ff.; U. Stutz, Die Anfänge des Landeskirchenturns am Niederrhein, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein, 55 (1908). 6 K. Lecbner, Österreich, in: Geschichte der deutschen Länder, Territorien- Ploetz, 1.: G. W Sante (Hrsg.), Die Territorien bis zum Ende des Alten Reiches, Würzburg 1964, S. 463. A. Werminghoff, Nationalkirchliche Bestrebungen im deutschen Mittelalter, 1910, S. 22 ff., 33 ff., 86 ff.; E. Conci, La Chiesa cattolica e i vari Stati. Per una storia del diritto concordatario, Napoli 1954; H.E. Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte, 4. Auf!. Köln I Graz 1964, H. Conrad, Deutsche Rechtsgechichte, Karlsruhe 1986, S. 179 ff. , 292 ff., 317 f.; H.-j. Becker, Konkordat (Mittelalter und Neuzeit), in: HRG, I!, S. 10671070. E. Bütow, Staat und Kirche in Pommern im ausgehenden Mittelalter, in: Baltische Studien, Neue Folge, 14 (1910), S. 114 ff.; R . Schmidt, Das Stift Cammin, sein Verhältnis zum Herzogtum Pommern, ebd., Neue Folge, 61 (1975), S. 23 ff.; ders., Bogislaw X., Herzog von Pommern, in: Lexikon des Mittelalters II, München etc. 1985, S. 326-328.

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Ingomar Bog leer geblieben ist. Die Situation in Hessen ist insofern schon bemerkenswert, als dem Landgrafen im Erzbischof von Mainz ein Würdenträger gegenüber stand, der eine Erniedrigung zum Landesbischof, wie sie in anderen Territorien möglich gewesen war, von vorn herein als aussichtslos erscheinen ließ9 . Eine besondere Schwäche der Landgrafschaft Hessen lag darin, daß sie stark zersplittert war. Arbeiteten die Landgrafen zielbewußt auf eine Verminderung dieser Zersplitterung hin, so war ihr gefährlichster Gegner bei diesem Bestreben eben der Erzbischof von Mainz, der als Landesfürst ebenfalls nach Abrundung seines Territoriums bestrebt war. Weitab von dem um den unteren Main zentrierten Hauptkomplex des Erzstifts, nämlich nördlich vom hessischen Territorium, lag das mainzische Eichsfeld. Die Überlegenheit des Landgrafen Ludwig I. bei einer bewaffneten Auseinandersetzung im Jahre 1427 sicherte das Übergewicht der Landgrafschaft gegenüber dem Erzstift für die weitere Zukunft. Dazu brachte die Mainzer Stiftsfehde der Sechziger Jahre des 15. Jahrhunderts der Landgrafschaft erheblichen Zuwachs an Besitz. Trotz der Spannungen, die zuletzt (1521) in einem Vertrag beigelegt wurden, blieben dem Erzbischof mancherlei rechtliche Handhaben in der Landgrafschaft, die sich fiskalisch ausbeuten ließen. Das bezog sich einmal auf die geistliche Gerichtsbarkeit, an der allerdings auch die sogenannten Archidiakone, voran die zu Amöneburg und Fritzlar, teilhatten. Das war ein schweres Hindernis beim Ausbau der Landesherrschaft 1424 beschwerte sich Landgraf Ludwig über die Ladung von Leuten an die geistlichen Gerichte zu Mainz, Höchst, Fritzlar und Amöneburg: seine Leute würden derart betrogen, daß er den Schaden, den das Land dadurch erlitt, auf mehr als 3000 Gulden jährlich anschlug. Der Gottesdienst werde leichtfertig bei geringen Vergehen niedergelegt. Wenn nur ein einziger Mensch in den Bann geriet, wurde dieser sogleich auf die ganze Gemeinde ausgedehnt, was wohl lediglich wegen der hohen Absolutionskosten geschehe. Um die Absolution zu erlangen, müsse jeder dem Richter geben, was dieser verlange. Er (so der Landgraf) "kenne keine Sache, sie sei noch so weltlich, welche die geistlichen Richter nicht vor ihr Forum zögen". Er wisse recht wohl, daß dies alles nur des Geldes und der Bedrückung wegen geschehe. Die erste für das ganze Land gültige Gerichtsordnung hielt noch am Grundsatz fest, daß geistliche Sachen an geistliche Gerichte und weltliche Sachen an weltliche Gerichte gehörten. Doch ging das weitere Streben nach Ausschaltung des "Rekurses" an geistliche Gerichte. So verbot die Gerichtsordnung von 1497 unter Strafe, Klage bei ausländischen weltlichen oder geistlichen Gerichten zu erheben. Zwar faßte ein Vertrag zwischen Mainz und Hessen von 1502 nocheinmal die alten Grundsätze auch hinsichtlich des Rekurses an die geistlichen Gerichte bei Rechtsverweigerung zusammen, tatsächlich ging aber der Einfluß der geistlichen Gerichte seit der Jahrhundertwende stark zurück. Seit 1500 hatte die Landgrafschaft im hessiW Heinem eyer, Territorium und Kirche in Hessen vor der Reformation, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte, 6 0956), S. 138-163; ders., Die Territorien zwischen Reichstradition, Staatlichkeit und politischen Interessen, in: H. Angermeier (Hrsg.), Säkulare Aspekte der Reformationszeit, S. 77-89.

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sehen Hofgericht ihre oberste Instanz. Ein anderer Fragenkomplex bezog sich auf die Sicherung der Vogteigewalt über die Klöster, soweit dies noch nicht geschehen war. Tatsächlich befanden sich am Ende des 15. Jahrhunderts fast alle Klöster des nordhessischen Raums in der Vogteigewalt der Landgrafen. Des weiteren gab es, wie in anderen Territorien, Bemühungen, dem zunehmenden Grundbesitz der "toten Hand" entgegenzutreten. So verbot Landgraf Wilhelm der Jüngere im Jahre 1491 unter Strafe, weltliche Güter an geistliche Personen zu verkaufen. Und die Klosteraufsicht, wie sie der Landesherr bis in die Zeit Philipps des Großmütigen ausübte, besagte, daß die Klöster wie die übrigen Stände zu den allgemeinen Lasten des Landes herangezogen wurden. Das zeige n z.B. die Leistungen an den Landgrafe n während des Bauernkriegs. Damals schrieb der Schwäbische Bund eine Anlage von 182.000 Gulden aus und ermächtigte seine Stände, die Summe an Geld oder Silber "bey irn gaistlichen stifften, capittuln, clöster und pfarrern, unnder inen gesessen, an mosteranzen unnd andern gezierden von silber" aufzubringen. Entsprechende landgräfliche Erlasse belegten die Klöster mit einer Zwangsanleihe. Die Deutschordensballei Hessen z.B. mußte 150 Mark aufbringen , an barem Geld, Silberwerk oder Gold. Im Frühjahr 1525 erfolgte eine Aufzeichnung des hessischen Kirchen- und Klosterbesitzes . Heinemeyer sah diese Maßnahme "im Zusammenhang mit der überkommenen Kirchenpolitik der Vorfahren Philipps und nicht als eine Vorbereitung der erst zwei Jahre später erfolgten Säkularisation"10 Wenn Phitipp seine Maßnalune mit dem Auslaufen vieler Mönche und Nonnen und der damit verbundenen Gefahr begründete, daß kirchlicher Besitz entfremde t wurde , so verweist Heinemeyer da rauf, daß sie auch den landesherrlichen Einfluß auf die Verwaltung des Kirchen- und Kloste rgutes verstärken konnte. Hier sieht er eine Parallele zu Kursachsen, mit dem eine Erbverbrüderung bestand. In Kursachen erfolgten unter Friedrich dem Weisen ebenfalls Maßnalunen, die auf eine verstärkte Kontrolle des Kirchenbesitzes hinausliefen. Dazu gehörte z.B . der Anspruch, die Klosterrechnungen zu prüfen sowie die klösterlichen Vermögensverwalter ein- und abzusetzen 11 . Es beleuchte t eine n vielfach über Hessen hinausgreifenden Zustand , wenn Heinemeyer beto nt, daß sich die Landeshoheit der Landgrafen bereits am Vorabend der Reformation über weite Be reiche des kirchlichen Lebens erstreckte, ohne daß von einer hessischen Landeskirche gesprochen werden könnte und daß bereits starke Brücken sichtbar wurden, die von der spätmittelalterlichen Kirchenpolitik zum landeskirchlichen Regiment d er lutherischen Landeskirchen hinüberführten Hinsichtlich der Steu erpolitik der Landeshe rre n gegenüber de r Geistlichkeit in der vorreformatorischen Zeit gibt es wenig neuere Arbeiten . Mir steht hie r eine Studie über die Staatssteuern in den niederrheinischen Herzogtümern W Heinemeyer, Territorium und Kirche, S. 161. P. Kirn, Friedrich der Weise und die Kirche, in : W. Goetz (Hrsg.), Beiträge zur Geschichte des Mittelalters und d er Neuzeit, 30, 1930, S. 36 ff. 12 W Heinemeyer, Territorium u nd Kirche, S. 162 ff. 10

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Jülich und Berg zur Verfügungn Hier zählten die Prälaten im Gegensatz zu anderen Territorien nicht zu den Landständen, die es hier spätestens seit dem ausgehenden 14 Jahrhundert gab. Der Landesherr berief sie, wenn es um Steuerbewilligungen ging, zu besonderen Versammlungen zusammen. Während die Landstände zu den landständischen Steuern herangezogen wurden, wurde von der Geistlichkeit eine sogenannte Rentensteuer erhoben, eine Art Einkommensteuer, nachweisbar zum erstenmal 1440, dann wieder 1505, 1526, 1529, 1532, 1535, 1542, 1552, vornehmlich für Verteidigungszwecke des Reichs. Ab 1526 wurde ein fester Satz erhoben, der zwischen dem sechsten und zehnten Pfennig lag und damit niedriger war als die Steuer der weltlichen Stände. Den größten Teil der bewilligten Steuern übernahmen in der Regel die Klöster und Bruderschaften. Pastoren und Vikare, die jährlich keine 50 Gulden Einkommen hatten, blieben 1582 und später ganz befreit. Neben diesen ärmeren gab es aber auch wohlhabendere Geistliche, die ihre Pfarrei an andere Geistliche verpachteten. In diesem Fall wurden Verpächter und Pächter veranlagt (so 1522). Der Kölner Klerus, der in den Herzogtümern über großen Besitz verfügte, bemühte sich, von der Rentensteuer ausgenommen zu werden, was aber die Regierung wegen der Konsequenzen für die andere Geistlichkeit möglichst zurückwies. Auch hier haben wir das Streben, den Besitz der "toten hand" möglichst einzuschränken. So durften nach einem Gesetz von 1478 Geistliche keine schatzfreien Rittergüter erwerben. Weitere Gesetze in diesem Sinn erfolgten in den Jahren 1511, 1514 und 1520 Die Frage der Besteuerung der Geistlichen spielte in der Bauernkriegsdiskussion eine wichtige Rolle. Die Untertanen des Fürstbischofs von Augsburg forderten "gmain landsteuer ... sollent die gaistlichen wie die weltlichen schuldig sein". Ähnlich wurde am Hochrhein in der Grafschaft Rheinfelden gegen den Komtur des Deutschordenshauses in Beuggen die Aufhebung der Steuerfreiheit der Geistlichen verlange 4 . Daß die Geistlichkeit in den TerritorienJülich und Berg keine eigene Prälatenbank bilde te, um ihre ständischen Interessen gegenüber dem Landesherrn zu vertreten, ist ein Sonderfall der im Spätmittelalter so komplizierten Verfassungsgeschichte der deutschen Territorien. Wo die Prälaten Mitglieder der Landstände waren, vertraten sie auf den Landtagen die gesamte Geistlichkeit. In den weltlichen Territorien gehörten die landsässigen Bischöfe, die Vertreter der Stifte und Klöster (Pröpste, Äbte und Äbtissinnen) dazu. In de n geistlichen Territorien kam dem Domkapitel von vorn herein eine herausragende Position 13 St. Wagner, Staatssteuern inJülich-Berg. Von der Schaffung der Steuerverfassung im 15. Jahrhundert bis zur Auflösung der Herzogtümer in den Jahren 1801 und 1806 (Kölner Vorträge und Abhandlungen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 27), Köln 1977. 14 P. Blickle, "Der Sturn halb ist unser Begeruns zu ringen". Die Bedeutung des Steuerwesens für den Bauernkrieg von 1525, in: U. Schultz (Hrsg.), Mit dem Zehnten fing es an. Eine Kulturgeschichte der Steuer, München 1986, S. 143-152.

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zu. In Köln ging der sogenannte Stiftsadel soweit, daß er sich in eine Grafenund eine Ritterkurie teilte. In Hildesheirn trennten sich Domkapitel und Prälatenstand. Zu den wichtigsten Rechten der Landstände gehörten, wie schon erwähnt, die Steuerbewilligung, vor allem bezüglich der Reichssteuern15 . Für unser Thema von Belang sind noch die Reichstage als ständische Vertretung gegenüber dem Kaiser, namentlich die Reichstage von 1495 bis 1521 , auf denen die Diskussionen über die finanziellen Belange zu Beschlüssen führten, die für die weitere Entwicklung grundlegende Bedeutung erlangen sollten. Mit den Römermonaten und den Kammerzielern wurden Mittel gefunden, die es gestatteten, den dem Reich drohenden Kriegsgefahren vor allem von Seiten der Türken und von Seiten Frankreichs zu begegnen und ein dem direkten Einfluß des Kaisers entzogenes oberstes Reichsgericht zu finanzieren. Der Römermonat knüpfte an die alte Verpflichtung der Reichsglieder an, sich am Romzug des Königs zu beteiligen, der in Rom vom Papst zum Kaiser gekrönt werden mußte. Als Berechnungsgrundlage diente die Reichsmatrikel, d .h. eine Liste der von den Reichsständen zu erbringenden Leistungen, zunächst durch Stellung von Truppen. Eine solche Reichsmatrikel begann man seit 1422 aufzustellen, als es darum ging, die Hussitengefahr abzuwehren. Mit der Erstellung und Weiterführung der Reichsmatrikel ergab sich von Fall zu Fall die Frage, welches Territorium reichsunmittelbar war, besonders seit 1471, als die zum Matrikularbeitrag "angeschlagenen Stände" zur Abwendung der Türkengefahr ermächtigt wurden, ihr Heereskontingent durch Steuern zu finanzieren. Dies sollte "nach Gehalt und Gelegenheit der Zinß, Nuz und Gült, so Im (dem Landesherrn) in sein Cammer und zu seinem Fürst!. Wesen dienen". Dabei benutzten die Landesherren die Gelegenheit, auch Grafen, Bischöfe und Äbte zur Steuer heranzuziehen. In der Folgezeit ergaben sich zahlreiche Streitigkeiten um die sogenannte "Exemtion" solcher Herrschaftsträger von der Reichssteuer und gleichzeitig darum, ob sie Landsassen oder reichsunmittelbar waren16

IV.

Radikale Änderungen traten mit der Reformation ein. In den Territorien, die sich zur lutherischen Lehre und anderen reformatorischen Richtungen be15 G. Oestreich, Geist und Gestalt des frühmodernen Staats, Berlin 1969; V. Press, Steuer, Kredit und Repräsentation. Zum Problem der Ständelbildung ohne Adel, in: Zeitschrift für Historische Forschung, 2 (1975), S. 59 ff. ; 0. von Rehden-Doh na, Landständische Verfassungen, in: HRG, II, S. 15-78 ff. 16 ]. Sieber, Zur Geschichte des Reichsmatrikelwesens im ausgehenden Mittelalter (1422-1521), 1910;]. Müller, Veränderungen im Reichsmatrikelwesen um die Mitte des 16. Jahrhunderts, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg, 23 (1896), S. 115 ff.; D. Witloweit, Matrikel, in: HRG, lll, S. 389-391; P. Moraw, Der "Gemeine Pfennig". Neue Steuern und die Einheit des Reichs im 15. und 16. Jahrhundert, in: U. Schutz (Hrsg.), Mit dem Zehnten fing es an, S. 130-142; P. Schmid, Reichssteuern, Reichsfinanzen und Reichsgewalt in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: H. Angermeier (Hrsg.), Säkulare Aspekte der Reformationszeit, S. 153-198.

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kannten, wurde ein großer Teil der kirchlichen Güter säkularisiert17 Einiges davon blieb wohl für kirchliche Zwecke vorbehalten, vor allem für den Unterhalt der Kirchen und Schulen und um die Pfarrer zu besolden. Im Herzogtum Hannover wurde eine Klosterkammer geschaffen, die sich unter der Aufsicht der Regierung religiösen und karitativen Zwecken widmete. Ein großer Teil der säkularisierten Güter kam allerdings der fürstlichen Kammer zugute und diente u.a. dazu, die Schulden bei den Landständen zurückzuzahlen. Ein wichtiges Problem ergab sich aus der Tatsache, daß die karitativen Einrichtungen der katholischen Kirche verschwanden. Hier mußte man neue Lösungen suchen. Zum Teil fand man sie in besonderen Kassen. Sie wurden gespeist von den Renditen des Kirchenguts oder nahmen wohltätige Stiftungen in Anspruch. Das früheste Beispiel ist die Wittenberger Beutelordnung, die schon 1522 unter dem Einfluß von Karlstadt geschaffen wurde . Im nächsten Jahr folgte entsprechend einer Anregung von Martin Luther die Erstellung der Kastenordnung für das Städtchen Leisnig. Zur selben Zeit oder wenig danach erhielten verschiedene große Städte ähnliche Einrichtungen, so Augsburg und Nürnberg im Jahre 1522, Straßburg und Breslau 1523 Im No rden des Reichs liefert Harnburg ein wichtiges Beispiel. Die zeitliche Verzögerung ist wohl bezeichnend für das Gefälle nach Norden zu . Hier begann im August 1527 das Kirchspiel St Nikolai mit der Erstellung einer Gotteskastenordnung und im Dezember beschlossen Rat und Bürgerschaft die Neuerung von St Nikolai für die drei anderen Kirchspiele zu übernehmen. In jedem Kirchspiel gab es 13 Armenvorsteher, die zusammen ein Kollegium der Achtundvierzig bildeten. Später wurde daraus ein Kollegium der Sechzig. Aus ihrer Mitte kamen drei Seniores oder Oberalterleute, die als Vertreter der Gemeinde in Kirchen- und Schulsachen den Senat überwachten. Schließlich wurde noch eine fünfte Kasse als "allgemeiner Gotteskasten" geschaffen und zwar für die Angelegenheiten der Klöster und Spitäler. Im Oktober 1538 kam Dr. Johannes Bugenhagen, der gerade die neuen Kirchenverhältnisse in Braunschweig ordnete, nach Hamburg, und nach einer Arbeit von acht Monaten erhielt Harnburg eine für den künftigen Zustand maßgebende Kirchenordnung. Ein Superintendent als oberstes Haupt und eine gemeinsame Kasse trugen zur Vereinheitlichung des Ganzen bei. Die Domschule, die im Johanniskloster untergebracht war, wurde ersetzt durch das Johanneum, einen neuen Typ der Gelehrtenschule. Dem Schulwesen widmete Bugenhagen besondere Aufmerksamkeit. Außer der Late inschule im Johanniskloster sollte eine deutsche Schule geschaffen werden und in jedem Kirchspiel eine Schule für die Töchter, die die Schule ein oder zwei Jahre lang besuchen sollten, aber nur eine oder zwei Stunden am Tag. Bugenhagen sah auch eine Bibliothek vor, die nicht nur gute, d.h. theologische Bücher enthalten sollte, sondern auch nichttheologische, wissenschaftliche Literatur. Das Ganze sollte gekrönt werden durch e ine Art Akademie, e ine Idee, 17

H.-j. Becker, Kirchengut.

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die allerdings erst 1613 mit der Errichtung des akademischen Gymnasiums verwirklicht werden sollte. Das Ganze zeigt, wie die Neuordnung aus einer Kombination reformatorisch-theologischen und humanistischen Gedankenguts erfolgte. Dabei dienten die durch die Säkularisierung erhaltenen Mittel als materielle Basis. Die Veränderungen fanden im Mai 1529 ihre Sanktion durch Senat und Gemeinde. Die Kirchenordnung und der sogenannte lange Rezeß bildeten für die Zukunft die Grundlage für die enge Verbindung zwischen weltlichem Regiment und Kirche . Der niedere Klerus wurde zufriedengestellt, indem man ihm entsprechende Zahlungen machte, die Spitäler wurden Einrichtungen der Stadt Zwei Klöster (Franziskaner und Dominikaner) wurden aufgehoben. Gewisse Schwierigkeiten bereiteten die Nonnen des Konvents von St. Johannis in Harvestehude, der vor den Mauern der Stadt lag. Die Gebäude wurden niedergerissen und die reichen Besitzungen in Holstein sequestriert. Die Einkünfte daraus bildeten einen Schatz für den Unterhalt von Witwen und nicht verheirateten Töchter angesehner Bürgerfamilien. Probleme bereiteten die Präbendare des Domkapitels. Als Angehörige des Bremer Erzbistums beharrten sie auf ihrer Unabhängigkeit von der Stadt und beschafften sich vom Kaiser entsprechende Schutzbriefe. Daraus entwickelte sich ein Prozeß am Reichskammergericht Nach 35 Jahren endete dieser mit einem Vergleich. Den Präbendaren, die inzwischen meist Lutheraner geworden waren, wurden ihre weltlichen Rechte zurückgegeben. Der Dom blieb ihre besondere Kirche, allerdings mit einem lutheranischen Prediger. Sie blieben im Besitz der geistlichen Stiftungen, mit Ausnahme von 600 Mark für Schulzwecke. Auch blieben ihnen die Einkünfte an Getreide und Abgaben aus den Dörfern der Stadt. Das Kapitel hatte große Besitzungen im Herzogtum Holstein. Dort verlor es zunächst die geistliche Gerichtsbarkeit. Seine Dörfer gingen später an den Grafen von Schauenburg und den Herzog von HolsteinGottorf über18 . Ich habe das Beispiel Harnburg herausgegriffen, weil damit zugleich eines der kompliziertesten Verfassungsverhältnisse illustriert wird. Die Stadt selbst, angesehenes Mitglied des hansischen Städtebundes, war keineswegs im selben Maße freie Reichsstadt wie Lübeck, vielmehr beanspruchten die Herzöge von Holstein die Lehensherrschaft Landesherren waren die Könige von Dänemark und die Herzöge von Gottorf. Erst 1618 erreichte die Stadt vom Kaiser die Anerkennung ihrer Reichsunmittelbarkeit, ohne daß das Haus Oldenburg seine Ansprüche ganz aufgegeben hätte. Das Domkapitel aber gehörte, wie schon angedeutet, zum Erzbistum Bremen. Auch in Hastein und dem mit ilun seit 1460 vereinigten Herzogtum Schleswig war der Weg zur Landeskirche schon vor der Reformation ein gewisses Stück vorangeschritten. Der Landesherr war ähnlich wie Städte, freie Landgemeinden 18 H. Reincke, Hamburg. Ein Abriß der Stadtgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bremen 1926, S. 43 ff.; E. Fecldersen, Kirchengeschichte Schleswig-Holsteins, I!: 1517-1721, Kiel 1935, 1. Lieferung, S. 69 ff., 75 f.; G. Apel, Die Güterverhältnisse des hamburgischen Domkapitels, Harnburg 1934, S. 75 ff.

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und Adelige Patron verschiedener Kirchen. Insbesondere übte der König von Dänemark als Oberlehensherr des Herzogtums Schleswig ein besonderes Patronatrecht über das einzige Bistum im Lande Schleswig aus . Das wirkte sich natürlich in der Art aus, wie die Präbenden besetzt wurden. Dazu kam der Anspruch auf die Schutzherrschaft über die Klöster, die Einchränkung des geistlichen Grundbesitzes und der geistlichen Gerichtsbarkeit. Vom angestrebten Ziel der Landeskirche war man damit allerdings noch weit entfernt. Dagegen sprachen eine Reihe von Tatsachen. So griffen auch die Bistümer Ripen, Odense, Lübeck und Harnburg-Bremen in die Herzogtümer herein. Außerdem gab es keine einheitliche Landesherrschaft Seit 1490 waren die Herzogtümer in einen königlichen und einen herzoglichen gottorfischen Anteil aufgeteilt. Dazu kamen bis 1559 die Bauernrepublik der Dithmarscher und bis 1640 die den Schauenburgern gehörende Herrschaft Pinneberg. rn den Herzogtümern setzte sich die Reformation im Lauf der zwanziger Jahre durch . Die Haderslebener Artikel von 1528 bildeten die älteste Kirchenordnung im Norden und lieferten den Keim für die dänisch-norwegische und die schleswig-holsteinische Landeskirche. rn der Herrschaft Pinneberg wurde die Reformation allerdings erst 1561 durch einen Verwaltungsakt des Landdrosten eingeführt. rn den Herzogtümern senkte der Landesherr (Herzog Christian, der spätere König Christian m. als Statthalter) die Zehnten der Bauern und belegte das Kirchen- und Klostergut im Februar 1526 mit hohen Steuern. Dann setzte ein starker Säkularisierungsprozeß ein. rn den Städten wurden die Klöster der Bettelorden aufgehoben. Nur einige Frauenklöster blieben zur Aufnahme von Töchtern des Adels erhalten. Ebenfalls blieben die Domkapitel mit ihren Einkünften bestehen, mit Ausnahme des Kollegiatstifts von Hadersleben. Luther selbst empfahl Christian rrr. diese als Unterkunft für alte Prediger oder Gelehrte. Den Durchbruch führte dann Christian herbei, nachdem der Kampf um die dänische Krone zu seinen Gunsten entschieden war. 1536 konnte er in Dänemark die Reformation durchsetzen, wobei die Einziehung des Kirchenguts und große Bewilligungen an den Adel als Zugmittel dienten. Bugenhagens Kirchenordnung von 1537 schloß sich eng an die Haderstebener Artikel an, so daß in "vieler Hinsicht ein reines Staatskirchentum" entstand. Unter Mitarbeit von Bugenhagen wurde die für Dänemark gültige Kirchenordnung in etwas abgeänderter Form auch für die beiden Herzogtümer von deren Ständen angenommen. Dadurch wurde die evangelische Kirche der Herzogtümer zur Staatskirche . Von den sechs Kapiteln der Ordnung interessieren hier besonders diejenigen über die Schulverhältnisse, den Unterhalt der Prediger und der Armen, die Emeriti, Mönche und Nonnen, den Bischof und die Visitationen und die Kapitelschule in Schleswig19 19 E. Feddersen, Kirchengeschichte Schleswig-Holstein, li, S. 8 ff.; 0 . Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, 8. Auf!., Kiel l 981, S. 16; G.E. Hojjinann I K. Reumann, Die Herzogtümer von der Landesteilung von 1544 bis zum Kopenhagener Frieden von

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V. Mit dem Wort Kirchenordnung ist einer der wichtigsten Termini für die durch die Reformation veränderten Verhältnisse gefallen. Alle Territorien, die zur neuen Lehre übergingen, erließen meist gegen Ende des Veränderungsprozesses eine solche Kirchenordnung. Schleswig-Holstein ist dabei verhältnismäßig spät daran. Zu den ältesten Kirchenordnungen, die mit landesherrlicher Autorität ausgestattet waren, gehört diejenige des Franz Lambert von Avignon für Hessen von 1526, die aber auf Veranlassung von Luther keine Rechtsverbindlichkeit erlangte. Ins selbe Jahr fallen die Ordnungen von Schwäbisch-Hall und dem Land Hadeln. Dann folgen Braunschweig (1528), Harnburg (1529), Lübeck (1531), Pommern (1534), Braunschweig-Wolfenbüttel (1543). Dabei bildeten sich verschiedene Familien heraus, innerhalb deren eine das Modell bildete, so die norddeutsche, für die Bugenhagen maßgeblich war, dann die Nürnberger oder die Emdener von 1571, sie für die reformierten Kirchenz0 . U.a. findet man in der Kirchenordnung Angaben über die Ausbildung, Prüfung, Ordination und Installation von Pfarrern und ihre Besoldung, über das Schul- und Armenwesen (mit den schon erwähnten Kastenordnungen) und über die Verwaltung des kirchlichen Grundbesitzes und Vermögens. Vielfach wurden die Kirchenordnungen durch weitere Ordnungen ergänzt, wenn entsprechende Anordnungen in der Kirchenordnung selbst fehlten, so über das Schicksal der Klöster, das Schul- und Stipendienwesen. Eng hing die Entstehung der Kirchenordnungen mit den Visitationen zusammen, die mit dem Jahr 1526 einsetzten und sich vielfach durch das ganze Jahrhundert hindurch fortsetzten. Dabei nahm nun der Landesherr das bisherige bischöfliche Visitationsrecht in Anspruch. Die Visitatoren, meist Theologen und Juristen, hatten u.a. die Aufgabe, nicht nur das Verhalten, sondern auch die Versorgung der Pfarrer, das Schulwesen, die Verwaltung der Pfarr-, Kirchen- und Klostergüter zu überprüfen. In gewisser Hinsicht faßten die Kirchenordnungen die Ergebnisse der Visitationen zusammen. Ein weiteres Stichwort in diesem Zusammenhang ist das der Landeskirchez1 . Mit der Reformation setzt sich im Alten Reich das territorialstaatliche Prinzip verstärkt durch, wobei in den Landständen die Prälaten (soweit sie nicht säkularisiert und ausgeschieden waren) dem absolutistischen Zweck des Landesherrn dienstbar gemacht wurden. Vom fiskalischen Bereich her gesehen haben die Landstände noch mehr als bisher die Aufgabe zur Finanzierung be-

1660 (V Pauls I 0 . Klose, Geschichte Schleswig-Holsteins, 5 Bde.), Neumüster 1986, 2. Lieferung, S. 92 ff.; H. Kellenbenz, Schleswig in der Gottorfer Zeit 1544-1721, Schleswig 1985, S. 211 ff. zo H. Niebergall, Kirchenordnung, in: HRG, II, S. 762-771. Zl W Goebell, Landeskirche, in: HRG, II, S. 1396 ff.

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souderer Ausgaben und zur Tilgung von Schulden beizutragen. Die Entwicklung, die mit der Reformation verstärkten Auftrieb erhielt, findet eine erste Sanktion mit dem Augsburger Religionsfrieden von 155522 . In ilun wurde die freie Religionsübung für die katholischen und die augsburgischen (d.h. lutherischen) Religionsverwandten verankert. Kalvinisten und Zwinglianer blieben zunächst noch ausgeschlossen. Die Bekenntniswahl durften ausschließlich die Reichsstände, nicht die Untertanen treffen. Bemerkenswert war dabei für unser Thema das reservatum ecclesiasticum, die von Ferdinand als Vertreter seines Bruders Karl durchgesetzte Einschränkung, die die Lutheraner nicht anerkennen wollten. Sie bestimmte, daß diejenigen geistlichen Reichsstände (Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Prälaten), die den katholischen Glauben aufgaben, eo ipso ihre Territorien und Kirchenämter (Erz- und Hochstifte, Abteien, Prälaturen) verloren. Ein Paragraph des Augsburger Religionsfriedens garantierte den Reichsständen den Besitz von kirchlichen Gütern und Rechten nach dem Stand des Passauer Vertrags vom August 1552, der dem Fürstenaufstand ein Ende setzte. Der Augsburger Religionsfrieden wurde das reichsrechtliche Fundament dafür, daß neben dem Katholizismus nunmehr das lutherische Bekenntnis als gleichberechtigt anerkannt wurde . Damit wurde die kirchliche Jurisdiktionsgewalt der Bischöfe in den Gebieten, die sich der Reformation zugewandt hatten, durch das landesherrliche Kirchenregiment ersetzt. Das territoriale Kirchenwesen wurde nach dem Grundsatz cuius regio eius religio ausgerichtet. Der Nachteil der Landeskirche lag darin, daß sie keine eigene Rechtspersönlichkeit besaß. Sie war wohl selbständig gegenüber den angrenzenden Landeskirchen, aber nicht gegenüber dem Landesfürsten, der sie in seine Behördenorganisation einfügte, vor allem mittels des Konsistoriums oder ähnlicher Einrichtungen. Das erste Konsistorium wurde 1539 in Wittenberg eingerichtet23 . Auch in den katholischen Territorien verstärkte sich die Tendenz zur Ausbildung des Landeskirchentums, namentlich in der Phase der sogenannten Gegenreformation24. Die katholische Kirche erluhr auch in der folgenden Zeit noch Einbußen. Erst nach den Auseinandersetzungen des Dreißigjährigen Kriegs (einschließlich dem Restitutionsedikt von 1629) brachte der Westfälische Frieden von 1648 eine weitere Klärung. Er setzte als Normaltag, als zeitliche Grenze, für die erfolgten Veränderungen den 1. Januar 1624 fest. Alle Erwerbungen von kirchlichen Gütern und Stiften seit dem Religionsfrieden von 1555 durch die Protestanten wurden damit bestätigt. Im Übrigen blieb es den Religionsparteien überlassen, wie sie mit dem Kirchengut verfuhren. Aufgrund der Kirchenvogtei auf katholischer Seite und der cura religionis auf protestantischer beanspruch22 F. Merz bacher, Augsburger Religionsfriede, in: HRG, I, S. Religionsfriede, Augsburger, in: HRG, III, S. 869 ff. 23 A. Er/er, Konsistorium, in: HRG, I!, S. 1106 ff. 24 C. Link, Kirchenrecht, in: HRG, I!, S. 791.

259 f.; M . Hecke/,

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ten die Landesherren die Oberaufsicht über das Kirchengut und bemühten sich auch weiterhin, sei es durch Amortisationsgesetzgebung oder durch Säkularisation, den Bestand der Kirche zu schmälern25 . VI.

Ich habe mich in diesen einleitenden Ausführungen zunächst einmal bemüht, das komplizierte Verhältnis zwischen Staat und Kirche im Alten Reich in der vorreformatorischen Zeit darzulegen. Die fiskalische Seite spielte dabei immer eine Rolle. Dabei ist deutlich geworden, daß wichtige Entscheidungen im Zusammenhang mit der Ausbildung des modernen Staats bereits das einleiteten, was dann endgültiges Ergebnis der Reformation werden sollte26 .

Anhang 1. Mit der Ausbildung des spätmittelalterlichen Territorialstaats eifolgten in verschiedener Hinsicht Ansätze zu einer künftigen Landeskirche, deren Aufgabe es u.a. war, die landständische Geistlichkeit zu den fiskalischen Leistungen des jeweiligen Territoriums heranzuziehen. 2. Mit der Reformation verstärkte sich die Tendenz zum Ausbau der Landes-

kirche in den protestantisch gewordenen Territorien.

3. Die mit der Reformation erfolgten Veränderungen begünstigten die Einbe-

ziehung des kirchlichen Apparats in die fiskalische Erfassung des Territoriums. Dabei kann man drei Sektoren unterscheiden:

a) den Diözesanbereich; b) den Klosterbereich; c) den Gemeindebereich. Im Diözesanbereich hatten die Veränderungen zur Folge, daß ganze Bistümer verschwanden (Schleswig) oder einen großen Teil ihres bisherigen Landbesitzes verloren (Worms). Besonders gravierend war der Verlust an die großen norddeutschen Fürstendynastien in der Form von Sekundogenituren.

Im Klosterbereich kam es zur Aufhebung, zur Umwandlung in adlige Versorgungsanstalten oder zu höheren Schulen (Schulpforta). Im Gemeindebereich ist die hervorragende Rolle verschiedener Reichsstädte als Wegbahner der Reformation zu beachten. Die besonderen Lei25

F. Merz bacher, Kirchenzehnt, in: HRG, I!, S. 831.

Ich habe im Verlauf der Diskussion versucht, die Entwicklung in einem Schema darzustellen, das im Anhang abgedruckt ist. 26

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stungen lagen hier in der materiellen Sicherstellung des Pfarramts, in der Errichtung von Schulen und in den Bemühungen um die Armenfürsorge. 4. In den katholisch gebliebenen Territorien haben wir, angeregt durch das Vorgehen der protestantischen Fürsten, einen ähnlichen wenn auch nicht so radikalen Ausbau des fürstlichen Fiskalismus auf Kosten der Kirche durch Säkularisation von Klöstern und Beanspruchung sonstiger kirchlicher Ressourcen. 5. Starke Einbußen erlitt die Reichskirche. Das Restitutionsedikt von 1629 brachte wohl eine teilweise Rückführung der verlorengegangenen Bistümer, aber der Kampf um die rechtliche Anerkennung, vor allem um Sitz und Stimme im Reichstag blieb im wesentlichen erfolglos (Westfälischer Friede).

Die Besteuerung in der Neuscholastik und in den politischen Schriften in Italien im 16. und 17. Jahrhundert Von Marco Bianchini•

Von der Domäne zu den Steuern In seiner "Storia delle dottrine finanziarie in Italia" erinnert Giuseppe Ricca Salerno daran, daß zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert "der Übergang von der Domanialfinanz des Mittelalters zur Finanz ... , die hauptsächlich auf Steuern gründete"\ stattfand. Es handelt sich um einen völlig unsystematischen Wandel, der vom wachsenden Bedarf der öffentlichen Einrichtungen ausgeht. Die neuen Tendenzen manifestieren sich in einem gewissen Sinne in zwangsläufig so verlaufenden Entwicklungen: in den wiederholten "Versuchen, direkte, besondere und objektive Steuern einzurichten, wie die Grundsteuer; in der großangelegten Entwicklung, die man den Verbrauchssteuern (Akzisen) und den Grenzzöllen zukommen ließ; sowie in der größeren Verbreitung und der verbesserten Organisation im Bereich des Regalienwesens", also in der Besteuerung pro Kopf, des Viehs, der Häuser, der Feuerstellen und so weiter 2 . Abgesehen von den beachtlichen Belastungen für die Wirtschaft der privaten Haushalte prägen die Neuheiten die Regeln der Politik; Sie bringen Probleme für die Rechtsprechung, werfen Fragen der Legitimität und was die Rechte, Pflichten, was Rollen und Funktionen anbelangt, auf. Es ist daher nicht verwunderlich, daß in der reichen politischen Literatur der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und der ersten Jahrzehnte des 17. die Frage der öffentlichen Finanzen im Vordergrund steht und direkt oder indirekt eine breite Palette von grundlegenden Problemen philosophischer, juristischer, politischer und wirtschaftlicher Natur miteinbezogen wird.

Deutsch von Friederike C. Oursin.

G. Ricca Salerno, Storia delle dottrine finanziarie in Italia, 2. Auf!. , Palermo 1896. Neuer ist E. Stumpo, Economia naturale ed economia monetaria: l'imposta, in: Storia d'Italia. Annali 6, Torino 1983, S. 521-562. G. Ricca Salerno, Storia delle dottrine, S. 84.

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Marco Bianchini

Die Neuscholastik

Aus dem Meer der Schriftsteller der Epoche ragen die Theologen der Neuscholastik wegen des weiten Horizonts ihrer Lehren und wegen ihrer systematischen Fähigkeit heraus. Vor dem Hintergrund derselben Ereignisse, die zur Behauptung der Nationen-Staaten und der Reformation führen, finden die katholischen Schulen nach der Krise von Humanismus und Renaissance ihre Einheit in der gemeinsamen Inspiration am Denken Thomas von Aquins wieder. Die Wiederaufnahme des Thomismus, die im Konzil von Trient ihre ersten Früchte trägt, ist hauptsächlich das Werk italienischer und spanischer Theologen. Das größte Verdienst unter ihnen gebührt den Dominikanern der Schule von Salamanca. Sie zeichnen sich hauptsächlich auf der spekulativen Ebene, durch die Interpretation der aristotelisch-thomistischen Lehren in ihrer Allgemeinheit aus. Die Protagonisten der Verbreitung der neuen theoretischen Synthese an den wichtigsten europäischen Universitäten sowie ihrer Anwendung auf zeitgenössische Fragen sind jedoch die Jesuiten, die den Problemen juristischer Natur besondere Aufmerksamkeit schenken. Ihr Beitrag auf diesem Gebiet ist zu jener Epoche von derartiger Wichtigkeit, daß er einen grundlegenden Schritt im Entstehungsprozeß des modernen okzidentalen Rechts markiert. Aufgrund der fundamentalen Bedeutung der Neuscholastik ist es unvertretbar, zu behaupten, daß sie Ausdruck irgendeiner nationalen oder lokalen Perspektive ist Sie liefert, da sie den Universalistischen Dimensionen der Kirche Ausdruck verleiht, im Gegenteil Prinzipien, die dazu bestimmt sind, zu Maßstäben für die gesamte Menschheit zu werden. Trotzdem stammen die konkreten Beispiele, deren sich der einzelne Theologe bedient, nicht nur aus der Vergangenheit, sondern auch aus der Beobachtung der lokalen Gegebenheiten, die - wie wir gesehen haben - vorwiegend italienisch und spanisch sind. An zweiter Stelle kann die Organisation der Wirtschaft und der Gesellschaft eines Landes, wo die Kirche so tiefe Wurzeln hat, wie in Italien, sicherlich das Maßstäbe setzende Gebäude der kirchlichen Doktrinen nicht ungestraft ignorieren. Folglich sind die Auffassungen der Juristen und Moralisten der Scholastik ein integraler und grundlegender Teil der Reflexion in Sachen Besteuerung: sie sind authentische Interpretationen der katholischen Lehre, direkt - falls italienischer Provenienz - oder indirekt. Das Recht und die Justiz

Was die Diskussion über den Fiskus im 16. und 17. Jahrhundert betrifft, so hat das, was de Roover allgemeiner über das wirtschaftliche Denken im Ancien regime gesagt hat, Gültigkeit: "Economics, in the modern sense, occupied a very subordinate position and was still viewed as an ethical and legal matter involving the application of naturallaw to civil contracts.

Die Besteuerung in der Neuscholastik

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What the Doctors in the Middle Ages were really interested in was to determine the rules of justice governing social relations. Following Aquinas, they distinguished two kinds of justice: distributive justice, which regulated the distribution of wealth and income, according to the place of the individual in society, and commutative justice, which applied to the reciprocal dealings between individuals, that is, to the exchange of goods and services. In other words, economic matters perlairred to justice "3

Und in Sachen Gerechtigkeit verdanken wir die wichtigsten Beiträge der Neuscholastik den Werken dreier Jesuiten, den Patern Mariana, Suarez und Bellarmino. Im Zusammenhang einer Diskussion über die allgemeinere Frage der bürgerlichen Gesetze fragen sie sich, wie weit diese den Christen - vor dem Riebtstuhl seines Gewissens, in conscientiae foro - moralisch zwingen, sich ihnen anzupassen. Die delikate Angelegenheit hat ihre Wurzeln in der grundlegenden Frage nach den Quellen der weltlichen Macht, welche ihrerseits das Thema der Autorität des Papstes in seiner doppelten Rolle als geistliches Oberhaupt und weltlicher Herrscher impliziert. Die entsprechenden Antworten sind wohlbekannt: die Autorität der politischen Herrscher kommt aus der menschlichen Gemeinschaft. Die weltliche Macht ist also nie absolut, sie gilt innerhalb der Grenzen des Naturgesetzes und kann auch nur innerhalb der Grenzen, die das Naturrecht zieht, ausgeübt werden. Dieses schreibt den Regierenden vor, der Bevölkerung "das natürliche Glück" zu sichern; sie hat das Recht, "in Frieden, Gerechtigkeit und ohne Mangel an jenen Gütern" zu leben, "die dazu nötig sind, das leibliche Leben zu bewahren und welche die Gemeinschaft betreffen"4. Unter den weltlichen Herrschern bezieht allein der Papst seine Macht direkt von Gott. Abgesehen davon, daß er direkte Jurisdiktion über das "Erbe Christi" hat, kann er folglich die Staatsgeschäfte der anderen Souveräne leiten und kontrollieren, zu geistlichen Zwecken. Und aus denselben Gründen hat er die "absolute Gewalt, über die weltlichen Güter aller Christen zu verfügen"5. Wie bei Thomas von Aquin stehen sich eine Iex divina und eine Iex humana gegenüber: die erste soll "omnes homines virtuosos" und so der Erlösung würdig machen; die zweite soll "temporalis tranquillitas civitatis" bewahren und "ea quae destruunt humanum convictum" verhindern. Und da ein "habitus qui ordinatur ad finem ultimum sit principalior" hat das von der kirchlichen Hierarchie verwaltete göttliche Gesetz für den Christen höheren Wert6 R. de Roover, Scholastic Economics, in: Q uarterly Journal of Economics, LXIX (1955), 5.161-190; jetzt in: Business, Banking and Economic Thought in Late Medieval and Early Modern Europe, Chicago I London 1976, S. 307-308.

F. Suarez , Tractatus de Legibus ac Deo Legislatore, Lyon 1619, Kap. XI, 8, S. 142. R. Bellarmino, De controversiis christianae fide i adversus hujus temporis haereticos, Venetiis, apudjoh annem Malachinum, 1721, editio ... juxtavenetarn anni 1599, Bd. I, Buch V, Kap. I, Kap . VI. S. Thomae Aquinatis, Summa theologiae, 2•-2•e, q. 122. art. 1; P -2ae, q. 98, art. 1; 2•-z••, q. 77, art. 1; z•-2••, q. 47, art. 11.

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Im Verhältnis zur thomistischen "Summa" und erst recht gegenüber der aristotelischen "Ethik" und der "Politik" gibt es jedoch bei den Gelehrten der Neuscholastik einige eklatante Unterschiede. An erster Stelle wird eine dritte Art Gesetz, und zwar die Iex oeconomica - "quae est de his quae pertinent ad bonum commune domus vel familiare" - auf einen eindeutig untergeordneten Stellenwert im Verhältnis zur Iex bumana verbannt. Die Untertanen werden jetzt für panes reipublicae gehalten - während bei Aquin die umgekehrte Möglichkeit nicht ausgeschlossen wurde7 Und während einerseits dem staatlichen Handlungsspielraum eine größere Autonomie eingeräumt wird, wenn es darum geht, die Grenzen zwischen den Kompetenzen der weltlichen und geistlichen Herrscher auszumachen (was z.B. in diesen Jahrzehnten in den reformierten Ländern geschieht) - wird andererseits mit einer in der Vergangenheit nie dagewesenen Intensität auf der Pflicht des weltlichen Gesetzgebers bestanden, das Naturgesetz zu respektieren. Man sagt, daß das bürgerliche Gesetz nur dann gerecht sei und nur dann moralisch verpflichte, wenn es mit dem Diktat der Natur konform gehe. Diese Konformität wird am Maßstab dessen beurteilt, was die rationale Untersuchung ("ratio recta") vorschlägt und auch daran gemessen, was für die Gesellschaft opportun und nützlich ("expediens et utile") erscheint. Mit anderen Worten, so wird präzisiert, sei natürlich jene Norm gerecht, welche sich aus den Charakteristika des Falles, der in Anbetracht des Gemeinwohls geregelt werden soll, ergibt ("cuius obligatio oritur ex natura rei"). Die Neoscholastik sorgt so dafür, das Naturgesetz mit der "rational diagnosis, with reference to the Common Good, of the cases . . . which we observe in research or practice"8 , zu identifizieren. Das ist ein Zugriff, der - so ist beobachtet worden - den Weg nicht nur für die Sozialwissenschaften, sondern auch für zwei fruchtbare Lehrmeinungen ebnet, die im 18. Jahrhundert zur vollen Reife kommen werden: Jene, die das Naturgesetz mit dem "ursprünglichen" oder "primitiven" Stadium der Menschheit in Verbindung bringt, und jene, die es an die unveräußerlichen Rechte des Individuums bindet; ein Individuum mit Rechten und Pflichten, das - und dies ist wert, betont zu werden - in den Schriften der Moralisten des 16. und 17. Jahrhunderts bereits ungewöhnliche Wichtigkeit angenommen hat. Das Gericht des Gewissens, jenes innere Forum, das der Gläubige anrufen muß, um zu entscheiden, ob er sich willig dem Diktat der bürgerlichen Gesetze unterwerfen oder es unbeachtet lassen soll - oder auch, ob er bei der Gesetzgebung das Naturrecht respektieren soll oder nicht, dieses Gericht des Gewissens ist tatsächlich eine Innovation von bemerkenswerter Bedeutung . Der Einzelne, in gewisser Weise - und sei es auch nur in der Erwartung, sich mit dem Beichtvater zu treffen - sein eigener Richter geworden, verspürt nun das Bedürfnis, die Natur und die Folgen der

8

Ebd., 2•-z••, q. 47, art. 11 . j.A. Schumpeter, History of Economic Analysis, 6. Aufl., London 1967, S. 109.

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eigenen Handlungen mit den Waffen des forschenden Verstandes oder des Glaubens zu verstehen. Die Steuergerechtigkeit Das Problem der Abgaben wird ausführlich in den summae des 16. und 17. Jahrhunderts de Justitia et jure behandelt. Die bekanntesten Autoren sind Leonard de Leys, Juan de Lugo und insbesondere Luis Molina. Sie gehen die Frage aus derselben Perspektive an wie die bürgerlichen Gesetze und verpflichten so den Steuerzahler moralisch ("ut tributa sint justa, ac debeantur in conscientiae foro") 9 Die Antwort wird grundsätzlich von drei Bedingungskategorien abhängig gemacht: ex agente, im Hinblick auf denjenigen, der die Steuern auferlegt; ex .fine, im Hinblick auf den Zweck, zu welchem diese erhoben werden; und als letztes ex jom1a, also ausgehend vom quantitativen Verhältniss zwischen dem Ziel, das erreicht werden soll, und der Last, die dem Einzelnen aufgebürdet wird. Was das erste Problem betrifft, so wird die Abgabe für gerecht erachtet, wenn sie von einer legitimen und souveränen Autorität erhoben wird. Genannt werden "Imperatores, Reges et concilia universalia" sowie "respublicae liberae ut sunt ... Venetorum, Genuensium et aliae similes". In die Gattung der "concilia universalia" wird auch der Papst eingeordnet, der in seiner Funktion als kirchliches Oberhaupt, weltliche Macht über die Untertanen anderer Herrscher allein zu geistlichen Zwecken hat. In seiner Qualität als weltlicher Herrscher hat der Papst hingegen genau wie jede andere weltliche Autorität Jurisdiktion über die Kirchengüter, wo immer sie sich befinden, und über die eigenen Vasallen, zu denen etwa der König von Neapel gezählt werden kann10 Was den Zweck betrifft, kann dieser nur im gemeinen Nutzen und öffentlichen Bedürfnis bestehen- es geht um "utilitatem ac necessitatem publicam". Vorausgesetzt, daß "Princeps est propter populum" und es nicht das Volk ist, welches in der Funktion des Fürsten existiert, wird ausdrücklich die Legitimität von Abgaben ausgeschlossen, die - privat - die Person, die Familie und die Freunde des Machthabers begünstigen. Angesichts der Tatsache, daß die Besteuerung nur für präzise öffentliche Zwecke gerechtfertigt wird, ist sie nur in dem Maß und für den Zeitraum zu akzeptieren, der für die Erfüllung dieser Funktion notwendig ist. Nun gibt es unter den Funktionen einige gewöhnliche, sich wiederholende, wie die Aktivität der "öffentlichen Minister" und die Instandhaltung des L. Molinae, De justitia et jure, Coloniae Agrippinae, sumptibus Hermanni Mylii, 1613, 6 Bde., Bd. III, pars prior, disp. 666. 10

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Baubestandes der Städte, andere hingegen sind außerordentliche, wie die bewaffnete Verteidigung oder die Bauten und Einrichtungen, die es aus "Nutz und Notwendigkeit" zu errichten gilt Dementsprechend gibt es gewöhnliche und außergewöhnliche Aufkommen. Unter die ersten fällt die Wahl vorrangig auf Zölle und Verbrauchssteuern oder auf jene Einnahmen, "quae ex mercibus solvere coguntur mercatores"n Die dritte Bedingung, derzufolge die Besteuerung - dem Gewissen nach für rechtens zu erachten ist, ist, daß die "Form" respektiert werde, also die Angemessenheit. Dies bedeutet, daß die Auslage der Privatpersonen quantitativ mit dem Bedarf übereinzustimmen hat und daß diese Summe so verteilt wird, daß eine "aequalitas proportionis geometricae inter personas, quibus imponitur" gewahrt wird. Mit anderen Worten; es muß jeder Einzelne belastet werden, in direktem Verhältnis zu dem in seinem Besitz befindlichen Vermögen- nach der "facultas virium"- und es muß bedacht werden, daß Bürger, die aufgrundder von ihnen ausgeübten Funktionen besondere Vorteile genießen, auch eine diesen größeren Vorteilen entsprechende Steuerlast übernehmen müssen. Aus diesem Grund wird es für angebracht gehalten, die Ausgaben für Militär und Polizei, die Garanten eines friedlichen Warenverkehrs, hauptsächlich den Händlern und ihren Kunden aufzubürden12 .

Rechte und Pflichten Wenn alle diese drei Bedingungen respektiert werden, ist die Steuerpflicht, als Ausdruck der Beziehung, welche die Bürger untereinander mittels der souveränen Autorität bindet, eine moralische Pflicht. Noch genauer ist sie eine moralische Pflicht, indem jeder seinen persönlichen Beitrag zu leisten hat, und zwar im Verhältnis zu seinen jeweiligen Möglichkeiten, im Austausch für die Vorteile, die ihm das gesellschaftliche Leben beschert. Sich dieser Pflicht entziehen, bedeutet, "lethaliter in materia furti" zu sündigen, den Rechtsnormen nicht zu entsprechen, die in den Beziehungen zwischen Privatleuten respektiert werden müssen. Diese Verpflichtung hat ihre Grundlage im Naturgesetz, welches das reibungslose Funktionieren der bürgerlichen Korporation, worin der Mensch notwendigerweise lebt, regelt. Normen von ähnlichem Ansehen gibt es auch für die weltlichen Autoritäten. Diese, erst einmal mit Macht und Recht ausgezeichnet, werden zugleich Träger von Pflichten, die die Sphäre der Beziehungen zwischen dem Untertan und dem Regierenden des Gemeinwesens berühren. Der Souverän, der seine Vorrechte seiner Rolle als "administer, defensor, custos ac rector" verdankt, ist gehalten, das öffentliche Vermögen vorsichtig und ehrlich zu administrieren. Ebd., disp. 667. Ebd., disp. 668. Zur aristotelischen Proportionalität: S. Todd Lowry, The Archaeology of Economic Ideas, Durharn 1987, S. 183, 189, 192 und 194. 11

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Nur in äußerst schwerwiegenden Fällen kann er es veräußern; er muß sich bei seinen Unterhalts- und Repräsentationskosten einschränken und sich außerdem davor in acht nehmen, mit öffentlichen Mitteln persönliche Zwecke zu verfolgen. Die sich immer weiter verbreitende Praxis, die öffentlichen Ämter zu verkaufen, die auch im Kirchenstaat gängig ist, wird als schädlich erachtet. Amtspersonen seien, so wird dieser Übung entgegengehalten, aufgrund persönlicher Qualitäten auszuwählen: die Eignung resultiere aus ihrer "sapientia, industria, strenuitate", fromm haben sie zu sein, sie sollen die Wahrheit lieben und den Geiz verabscheuen13 . Steuern können nur für Zwecke auferlegt werden, die wirklich Notwendigkeiten und Bedürfnissen entsprechen, die allen Bürgern gemein sind. Es handelt sich also, in juristischer Fachterminologie, um unteilbare Güter und Dienste und um solche Ziele, die nicht auf andere Art - entweder indem man sich anderer öffentlicher Mittel bedient, die schon zur Verfügung stehen, oder der Werke Privater und nichtstaatlicher Einrichtungen- erreicht werden könnenH Gegen eine alles durchdringende absolutistische Einmischung der Souveräne unterstützen die Scho lastiker in der Tat die Unantastbarkeit de r Güter und Einkommen all derjenigen, die schon, selbständig, Funktionen vo n allgemeinem Nutzen ausüben oder ausüben können. Dies trifft natürlich auf die Kirche zu, die um die Seelsorge bemüht ist und sich, als Einrichtung, um die Unterstützung und den Unterhalt der "Armen in Christo" kümmert. Das gleiche gilt für Leute wie Soldaten, Ärzte, Rechtsgelehrte und Literaten, die so für die Gemeinschaft grundlegende Aufgaben ausführe n w ie die militärische Verteidigung, die Verbreitung der guten Sitten, die Regierung der res pubblica und die Gesundheit1 s. Vom Fiskus unantastbar sind aber nur solche Güter und Einkommen, die zur Durchführung von Aufgaben von allgemeinem Nutzen bestimmt sind. Jeder mögliche Überschuß, der auf den Markt kommt und Profit abwirft, ist steuerpflichtig . Was die Güte r der Kirchen betrifft, so sind diese in ihrer Gesamtheit "Be sitz der Armen" und als solche gänzlich immun. In Fällen beso nderer allgem einer Notwendigkeit und allgemeinen Nutze ns können sie jedoch zu Beitragszahlungen herangezogen werden: dies gilt für diejenigen kolle ktiven Ausgaben, die sich auf den Besitz des Klerus vorteilhaft auswirken können, wie es die Verteidigung vor Naturkatastrophen sein kann, die Urbarmachung, die Pflasterung öffentlicher Flächen, die Bewässerung u .s.w .: aber nie geht das ohne die vorbeugende Zustimmung des zuständigen Bischofs 16

1l L. Lessius, De justitia aliisque virtutibus morum, libri 4, Lugduni, sumptibus Claudii Larjot, 1630, Sectio V, cap. XXXII, S. 332-336. 14 L. Molin ae, De justitia, disp. 667. 15 Ebd., disp. 671 und 673. 16 Ebd., disp . 672.

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Die "Materie" der Abgabe

Die Schriftsteller de Justitia et de jure äußern sich auch zu den Grenzen der Besteuerung und den angemessensten Steuerquellen. Was ersteres anbelangt, läßt sich sagen, daß sie sich allein aus dem kollektiven Bedürfnis ergaben in einem solchen Ausmaß, daß der Fürst nicht nur die Verfügbarkeit allen Besitzes der Privatleute, sondern auch die ihrer Person selbst fordern kann. Der Papst besitzt seinerseits und für geistliche Zwecke eine - wie gesagt wurde - unbegrenzte "potestatem disponendi de temporalibus rebus omnium christianorum" 17 Der Einzelne und der Privatbesitz können, mit anderen Worten, höheren Zwecken geopfert werden. Normalerweise wird man dennoch darum bemüht sein, den Steuerzahlern nur einen Teil ihrer Einkünfte zu entziehen, genauer gesagt, eine Quote jenes Teils, der den normalen Bedarf übersteigt. Man ist in der Tat der Ansicht, daß die Steuereinnahmen vorzugsweise "aus all dem, was aus Gründen des Handelsgeschäfts im Großen [negotiationis causa] transportiert und verkauft wird" 18 zu stammen haben. Hingegen ist einerseits unbedingt das Risiko zu vermeiden, die Armen auf unerträgliche Weise zu belasten, welche - da sie keine eigenen Ressourcen besitzen - gezwungen sind, sich vom Markt zu ernähren; und andererseits, jene Güter zu besteuern, die nur zu dem Zweck getauscht und transportiert werden, dem häuslichen Lebensunterhalt zu dienen. Deshalb wäre die Besteuerung von Gütern lebenswichtigen Bedarfs abzuschaffen ("ad quotidianum usum et ad sublevandam propriam necessitatem"). Und aus denselben Gründen elementarer Gerechtigkeit werden die "Kontributionen" und "Kollekten" verurteilt, die unterschiedslos und in gleichem Maße auf allen lasten19 . In diesen Vorschlägen sind zwei Perspektiven der Betrachtung konvergent: eine betrifft die "Form" der Abgabe, die im Verhältnis zu den Möglichkeiten jedes Einzelnen stehen muß; die andere die "Materie", derzufolge Steuern ungerecht seien, die Lebensmittel wie "panis, potus communis civium, caro et similia" 20 treffen. In normalen Zeiten ist also natürliches Reservoir der Steuererhebung der Bereich der Luxuswaren, oder besser, die gesamte Sphäre des Handelsverkehrs -ausgenommen der Güter des lebenswichtigen Bedarfs-, die von spekulativen Interessen lebt; also jene, die man heute, in der Terminologie Braudels, als "Kapitalismus" bezeichnen könnte. Die Scholastiker wußten sicher um das Phänomen der Übertragung von Steuern, um die den Händlern offenstehende Möglichkeit, die Steuerlasten auf 17 18

19 20

R. Bellarmino, De controversiis, Buch V, Kap. VI. L. Molinae, De justitia, disp. 669. Ebd. L. Lessius, De justitia, Sectio V, cap. XXXIII .

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den Endverbraucher abzuwälzen. Dieser Umstand wird jedoch als geringeres Übel betrachtet, insofern als auf diese Weise keine vitalen Funktionen getroffen werden und die Käufer es auf jeden Fall vorziehen, ihren Steuerpflichten auf diese Weise nachzukommen, als periodisch dieselbe Summe in Form eines Tributs aufgebürdet zu erhalten21 . Es gibt sodann, in jedem Fall, ein Korrektiv für die Gier des Kaufmanns; nämlich die Gewissenspflicht, die Waren zum gerechten Preis zu verkaufen und ebenso wie jeder andere Bürger zum Gemeinnutz beizutragen. Es wird also die Aufgabe des Beichtvaters sein, unmoralisches Verhalten zu korrigieren22 Der Kirchenhierarchie kommt so tatsächlich die Aufgabe zu, sich als Schiedsrichter in die Wechselbeziehungen unter Bürgern, sowie zwischen jenen und den Fürsten zu stellen und je nach Gewicht der Schuld geistliche Strafen aufzuerlegen. Was die Beziehungen zwischen Privatmann und Privatmann betrifft, wird der Beichtvater als Beschützer der kommutativen Gerechtigkeit auftreten, Rat geben, urteilen und strafen, wer sich zum Schaden anderer und der gesamten Gemeinschaft seiner Pflichten entzieht. Außerdem werden die Gläubigen bei Anschlägen des Fürsten auf die verteilende Gerechtigkeit in ihren Priestern das Instrument finden, mit dem sie sich den unrechtmäßigen Forderungen widersetzen können. Die Interventionsmöglichkeit der Kirche rechtfertigt sich aus dem Umstand, daß die fiskalische Fra ge auch eine moralische Tatsache ist. Sie ist eine Frage des Gewissens und hat somit einen geistlichen Charakter23 ; sie ist auch legitimiert, weil sich die Theologen im 16./17. Jahrhundert als privilegierte Interpreten eines Naturgesetzes verstehen, das höher steht und weiter greift als der Wille von Einzelnen oder Nationen. Das Naturrecht scheint auch in den weltlichen Herrschaften der Kirche und in gewissem Maße für die Beziehungen der universalen Gemeinde der Gläubigen zu gelten. Hier ist jeder Christ dazu aufgerufen, zu den Bedürfnissen seiner Diener Gottes mit dem zehnten Teil der Einnahmen beizutragen ("de fructibus ... decimam"). Der Abgabepflicht unterworfen- ihre "Materie" -ist in diesem Fall jede Ertragsquelle ("patrimonium et vires"), die Früchte trägt: Mittellose und Arme sind daher ausgenommen. Die Form der Steuererhebung - ein prozentualer Anteil des Einkommens - garantiert jene Proportionalität, die eine der Grundvoraussetzungen der Steuergerechtigkeit ist. Es fehlt aber nicht an Gründen, den Zehnten vorzuziehen: so wird behauptet, er ließe sich mit großer Leichtigkeit einziehen - im Gegensatz zu einer jährlichen proportional zum Reichtum eines jeden ausgeschriebenen Steuer, die nur schwer

21 L. Molinae, De justitia, disp. 667 . 22 Ebd. 23 Ebd ., disp. 666, 671 u . 674.

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eingefordert werden könne und gewiß nicht ohne Unruhen oder Klagen ("perturbatione et quaerimonia") entrichtet werde24 . Eine Stimmenvielfalt im Italien des 16. und 17. Jahrhunderts Die gegenreformatorischen [deale der Verfasser der Abhandlungen de Justitia et iure gehen von der Unterwerfung des politischen Handeins unter die Moral aus und der Moral ihrerseits unter die Religion. Sie sehen die Unterwerfung des Bürgers unter den Souverän, der das Naturrecht respektiert, dann des Souveräns unter den Papst, des lnterpreten einer höheren Iex divina. Der Handlungsspielraum des Staates wird so von zwei Regelsystemen eingeschränkt, einerseits dem der bürgerlichen Gesellschaft, und dem der Gemeinschaft der Christen andererseits. Weder von der einen noch von der anderen jedoch zeichnen sich deutliche Konturen ab: das Privateigentum ist so zu schützen, daß die Beziehungen der Bürger untereinander nicht verändert werden, aber dieses Privateigentum kann geopfert werden; ein Menschenleben ist heilig, der Verzicht darauf aber kann gefordert werden. Die Grenzen verlagern sich, mit anderen Worten, von Fall zu Fall. Und da einer der Maßstäbe geistlicher Natur ist, werden die einzelnen Fälle allesamt zu Gewissensfragen, die als solche der kirchlichen Gerichtsbarkeit unterworfen sind. Anders wäre die Situation gewesen, wäre es zur Entwicklung einer detaillierteren Theorie vom Staat und folglich zu einer Abgrenzung der Unabhängigkeitsund Autonomiesphären gekommen: in diesem Fall hätte sich der Raum der Verfügungsgewalt deutlich verringert und die Verantwortung für die Politik wäre nicht auf einen einzelnen, einen Fürsten oder Rat, gefallen, sondern auf einen ganzen, unpersönlichen Organismus. Die Personalisierung der Politik in der Figur der Regierenden, die bei den spanischen Scholastikern deutlich wird, ist in Italien noch ausgeprägter, wo sich vom Ende des 16. Jahrhunderts bis in die ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts hinein eine blühende Literatur um die an den Prinzipien der Gegenreformation inspirierte "ragion di Stato" entwickelt. Giovanni Botero ist das Haupt der Schule; Ciro Spontane, Girolama Franchetta, Federico Bonaventura, Antonio Palazzo, Ludovico Zuccolo, Ludovico Settala und Scipione Chiaromonti gehören zu ihren bekanntesten Vertretern. Nach Botero faßt die Staatsräson Fürsten und Staat auf wie einen Handwerker und seinen Werkstoff [",a Ragione di Stato suppone il prencipe e lo Stato - quello quasi come artefice, questo come materia"f 5 Wie Frachetta es ausEbd., disp. 663, 667 u. 669. G. Botero, Della ragion di Stato, con tre libri delle "Cause della grandezza e m agnificenza delle citta" e un "Discorso sulla popolazione di Roma", hrsg. von L. Firpo, Torino 1948, S. 55. 24

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drückt, ist sie eine "genaue Regel, vermittels derer man alle Dinge regiert, und gemäß der Nützliches von jenen eingefordert wird, von denen es abhängt" ["essa e una diritta regola, colla quale si governano tutte le cose, secondo ehe richiede l'utile di colui, a cui appartengono"]. Ein Nutzen , wie noch Mitte des 17. Jahrhunderts Raffaele dalla Torre sagen wird, den der Fürst mittels einer vorherbestimmten Sequenz von jeweils neukalkulierten Handlungen verfolgt und daher nicht, indem er einer den Dingen entsprechenden Natur folgt, "sondern per Zufall" ["ma per accidente"] 26 Und es geschieht in der Hauptsache auf der Grundlage dieser "Zufälle", die dem Herren d er Stadt w iderfahren können, und eben nicht auf jener einer steuerpolitischen Vernunft, wenn die möglichen Quellen der Staatseinnahmen aufgestellt und klassifiziert werden. Die Regeln, die sich aus der Lektüre der kurz und bündig formulierten Seiten über die Staatsfinanzen entnehmen lassen, sind tatsächlich nicht zahlreich und nicht besonders elaboriert: Perso nensteuern (Kopfsteuer) seien zu venneiden, um die Armen nicht zu belasten; Sachsteuern auf unbewegliche Güter zu beschränken; von allen Steuerkategorien seien jene zu bevorzugen, die Luxusgüte r und Vergnügungen träfen ; falls der Fürst sich von Unte rtane n Geld borgen müsse , seien Kapital und Zinsen pünktlich zurückzuzahlen27 Tatsächlich wird zu verstehen gegeben, daß der Fürst einen großen Handlungsspielraum habe, vorausgesetzt, er überzeuge sich davon, daß es für die Staatsräson keine erlaubten Handlungen gäbe, die nicht auch das Gewissen gutheiße ["lecite per ragion di Stato altre per co nscienza"]28 . Folglich gibt man sich damit zufrieden , "humiliarsi innanzi la Divina Maesta, e da lei riconoscere il Regno, e l'obedienza de' popoli ... non metter mano a negotio, non tentar impresa, no n cosa nissuna, ch'egli non sia sicuro esser conforme alla !egge di Dio ... Per lo ehe sarebbe necessario, ehe il Prencipe non m ettesse cosa nissuna in deliberatione nel conseglio di Stato, ehe non fosse prima ventillata in un conseglio di conscienza, nel quale intervenissero Dottori ecce llenti in Teologia ed in ragione canonica; perehe altram ente caricara la conscie nza sua, e farä. delle cose, ehe bisognera p oi disfare, se non vorra dannare l'anima sua e dei successori"29 . [sich vor d er Göttlich en Majestät zu erniedrigen, zu erkennen, daß b ei ihm das Königtum ist, der Gehorsam d er Völker ... kein Geschäft in Angriff zu nehmen, keine Unternehmung, nichts zu versuchen, von dem m an nicht sicher sei, es sei in Übereinstimmung mit Gottes Gesetz Und so sei es nötig, daß der Fürst im Staatsrat keine Angelege nheit zur Beratung stelle, die nicht vorher im Rat des Gewissens überlegt w orden wäre - daran sollten sich vorzügliche Gelehrte der Theologie und des kanonische n Rechts b eteiligen . Denn andernfalls w ird er se in Gewissen beladen und Sachen tun, die er dann w ieder ungeschehen machen muß, will er nich t seiner Seele un d der seiner Nachfolger schade n.] 26 Vgl. U Gobbi, L'economia politica negli scrittori italiani del secolo XVI-XVII , Milano 1889, S. 86-87.

Ebd ., S. 72-73. G . B otero, Della ragion di Stato, S. 52. 29 Vgl. M . Bian chini, La riflessione economica nell'Italia seicentesca, in: Cheiron, 3, S. 31-50, hier S. 41. 27

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Die italienischen Gelehrten der Theologie und des kanonischen Rechts wie Marcello Megalio, Andrea Molfesino, Bartolomeo Gasparini sind auch in Steuersachen gut bewandert und vertreten im wesentlichen dieselbe Linie wie die spanischen Juristen. Auch sie behaupten, daß die Abgabe um gerecht zu sein, die wohlbekannten Bedingungen von agente, fine, forma und mate1ia erfüllen muß 30 . Nicht alle italienischen politischen Schriftsteller sind jedoch der gleichen Meinung wie die tridentinischen Moralisten. Paolo Sarpi verteidigt in seinem "Discorso sopra le contribuzioni dei Chierici" die Republik Venedig, deren theologischer Verteidiger er ist. Er kritisiert den Anspruch Roms, sich in die Staatsangelegenheiten einzumischen und die Steuerimmunität des Kirchenguts zu schützen. Besonderer Gegenstand seiner Opposition ist die Bulle "In coena Domini", in der Pius V. die Besteuerung des Klerus ohne päpstliches Einverständnis zu den Gründen für eine Exkommunikation rechnet. Die Argumentation des Venezianers lautet wie folgt: der Fürst, entsprechend dem Papst, hat als weltliches Oberhaupt die Macht, alle Güter seiner Herrschaftsgebiete zu besteuern. Wenn es zulässig ist, ein geweihtes Gebäude aus militärischen Gründen zum Verteidigungsbollwerk umzufunktionieren, so muß es noch eher legitim sein, im Bedarfsfall ungeweihtes Gut des Klerus zu verwenden; da es Normen im kanonischen Recht gibt, welche den Verkauf von Kirchengerät zum Freikauf von Gefangenen erlauben, wäre es doch nur opportun, dem Risiko vorzubeugen und dem Klerus zu erlauben, sich regelmäßig an den Ausgaben zur bewaffneten Verteidigung zu beteiligen. Und analog dazu : Wenn die Mitglieder des Klerus dazu verpflichtet sind, Wachdienste in einer belagerten Stadt zu leisten, könnten sie doch mit einem besseren Rechtstitel zu Geldzahlungen herangezogen werden. Paolo Sarpi geht im wesentlichen von den in der Ordnung der Kirche gültigen Regeln aus und leitet daraus die Vernünftigkeit und Legitimität der Besteuerung der Güter des Klerus durch den Staat ab31 . Auch der Neapolitaner Carlo Cala wird um die Mitte des 17. Jahrhunderts, allerdings auf der Grundlage der Patristik eine ähnliche Stellung beziehen. Seine Meinung ist, daß der Klerus verpflichtet sei, das bürgerliche Gesetz "in temporalibus et politicis, praesertim circa vectigalia et tributerum contributionem" zu beachten. Diese Verpflichtung betrifft nicht nur das Vermögen des Klerus sondern auch den Kirchenbesitz selbst32 . Aus einem von den Arglistigkeiten der Staatsräson geprägten Gesamtbild ergeben sich also Zeugnisse für einen harten und offenen Zusammenstoß zwischen der Kirche und den italienischen Staaten. Jedenfalls sche inen sie alle 30 M. Megalius, Compendium totius institutionis peregrinae, Mutinae, apud lulianum Cassianum, 1624, 2 Bde., 2, S. 73-79; vgl. auch U. Gobbi, L'economia politica,

S. 348. 31

Vgl. G. Ricca Salerno, Storia delle dottrine finanziarie, S. 149-150.

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Ebd., S. 159.

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darin übereinzustimmen, daß eine regelmäßige Besteuerung einzurichten sei, deren Gegenstand teils der weltliche Immobilienbesitz und besonders die zirkulierenden Handelsgüter der handeltreibenden Schichten sein solle. Es ist nicht schwer zu erraten, daß Besitzende und Kaufleute die ihnen geltende Aufmerksamkeit nicht gerade schätzen. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts werden Proteste aus den Rängen des Adels laut. Der Genueser Micheie Merello erklärt sich zum Beispiel gegen jede periodische oder konstante Besteuerung, während er im Gegenteil das "Istituto della Compera di San Giorgio" lobt. Von Bürgervertretern geleitet, die der Republik Geld geborgt hatten, besorgte es die Verwaltung der Gefälle, die bis zu deren kompletter Tilgung an die Rückerstattung der öffentlichen Schulden gebunden waren. Auf diese Weise, sagt man, konnte Genua es vermeiden, seinen Bürgern "ewige Steuern" aufzuerlegen. Ähnlicher Meinung ist Gaspare Contarini aus Venedig, der Autor des erfolgreichen Buches "De magistratibus et Republica venetorum". Er besteht nicht nur auf der Notwendigkeit, dem Staat die Zwangsanleihen zurückzuzahlen, indem auf die Einnahmen gewisser Gefälle zurückgegriffen wird, sondern auch auf der Zahlung der Zinsen an die Gläubige~3 . Staat, Kirche und Adel stimmen alle in einem Punkt überein: immer und auf jeden Fall Waren und Händler zu besteuern, worüber sich natürlich die Betroffenen zu beklagen beginnen, sobald sie etwas zu sagen haben. Von der Mitte des 17. Jahrhunderts an werden recht zahlreiche besorgte Stimmen laut, welche die durch das übermäßige Gewicht der Zölle und Gefälle für den Handel entstandenen Schäden beklagen. Giovanni Maria Tridi aus Corno schreibt dazu eine "Informazione del danno proceduto a Sua Maesta et alle citta dello Stato dall'imposizione dell'estimo della Mercantia, et dall'accrescimento del terzo del Datio, et dall'introduzione delli panni di lana, et altre merci forestiere; et all'incontro dell'utile ehe ne risulterebbe a levarli". Und Carlo Girolama Cavazzi della Somaglia fordert in seinem "Alleggiamento dello Stato di Milano perle imposte e loro Ripartimenti" eine starke Verringerung der Steuerlast und deren Umverteilung34 Dann gibt es noch jene, die wie der Händler Sirnone Giogalli aus Venedig im letzten Drittel des Jahrhunderts - nicht nur eine Herabsetzung der Zölle auf ein Minimum verlangen, sondern auch eine Begünstigung des freien Handelsverkehrs für Fremde, schließlich eine Verringerung der Abgaben für Manufakturen. So soll die flaue, durch die Ansprüche der öffentlichen Finanzen e rschöpfte Wirtschaft des Staates wieder angekurbelt, ihr eine Atempause gegönnt werden3s. 33 U. Gobbi, L'economia politica, S. 60-61 und S. 125-126; C. Contareni, De republica venetorum, libri 5, editio I! auctior, Lugduni Batavorum, ex Officina Elzeviriana, 1628, S. 214. 34 35

U. Gobbi, L'economia politica, S. 326-327. G. Ricca Salerno, Storia delle dottrine finanziarie, S. 159-160.

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Schlußbetrachtungen Die literarischen Quellen, derer sich die Ideengeschichte bedient, liefern nie eine direkte Bezeugung der Tatsachen und sind auch kein passiver und treuer Spiegel: sie sind immer bis zu einem gewissen Grad Gesprächspartner, die sich von Instrumenten und Materialien unterschiedlicher und oft fernster Abstammung nähren und am Gang der Dinge wie Akteure teilnehmen. Diese Warnung gilt besonders dann, wenn Themen diskutiert werden, die Spielball starker Interessen sind: mehr als je können in diesen Fällen die schriftlich überlieferten Ideen Streitgegenstand eines im Gang befindlichen Konfliktes sein. Nun ist im Fall der Besteuerung im 16. und 17. Jahrhundert der bei weitem angriffslustigste Akteur auf dem Schlachtfeld die Kirche: sie geht zum Frontalangriff auf jede autokratische Forderung - besonders seitens des Staates- über. Auf der Ebene der Ideen scheint ihre Strategie auf die Sakralisierung der gemeinschaftlichen Funktionen hinausgelaufen zu sein; es ging ihr um die Beschränkung der Verantwortlichen auf die Rolle von "öffentlichen Bediensteten", um die Betonung der Jahrhunderte währenden Rolle kirchlicher Einrichtungen, besonders derjeniger, welche die Armen schützen und nähren, sowie jener, die für die Verbreitung des Glaubens und der moralischen Prinzipien verantwortlich sind. Und sie betonte den Gehorsam gegenüber dem "menschlichen Gesetz" - das immer öfter dem Naturrecht gegenübergestellt wird- und natürlich gegenüber dem höheren "göttlichen Gesetz". Dies führt zur- wenn auch nicht totalen- Aufgabe der aristotelisch-thomistischen Unterscheidung zwischen agibilia und jactibilia: zwischen menschlichen, veränderlichen und unvorhersehbaren Ereignissen und natürlichen, geordneten und auf wissenschaftliche Kenntnis zurückführbaren Ereignissen. Ein Übergang, der - instrumental - aus der Notwendigkeit erwachsen war, um die öffentlichen Personen, einen Wall aus universal gültigen Regeln zu errichten, vermittels derer Grundlage zwischen Recht und Unrecht unterschieden werden konnte - zwischen guten, zu unterstützenden, und schlechten, zu verhindernden, Taten. Nachdem die anspruchsvollen, theoretischen Ziele für das Verhalten der Staatenlenker abgesteckt worden waren, gönnt man sich jedoch in der Praxis einen großen Diskussionsfreiraum -was die Lösungen der Einzelfragen anbelangt - wobei sich die Kirche jedoch das letzte Wort ausbedingt. Im Tausch dafür, daß der Fürst kirchlichen Schutz annimmt und im Namen der Rolle, die er spielen muß, akzeptiert die Kirche es jedoch, daß der Fürst einen Teil des Reichtums der Privaten, der Händler, Kaufleute oder Vasallen, dem Zugriff seines Finanzapparates unterwirft. Im Interessenstreit zwischen Boden und Handel wird dabei dem Handel der Vorteil zugesprochen. Das Recht auf Steuerprivilegien- in Form des Rechts zur Steuererhebung oder, bescheidener von Steuerimmunität - ist zwar zugelassen, geht aber auf Kosten des autokratischen Souveräns des Staates, auch für alle anderen Personen, die in der sozialen Körperschaft Aufgaben des Gemeinnutzens innehaben. Begünstigter ist vor allem die Kirche, aber auch das Militär und die Exponenten der freien Künste. Das wirtschaftliche Ideal der Selbstgenügsamkeit, wie es sich bei Aristoteles und dem hl. Thomas von Aquin findet, wird so weitgehend von der

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Ebene der Familie, des oicos, auf jene der öffentlichen Funktionen übertragen. Und es muß gesagt werden, daß hinter dieser Übertragung wahrscheinlich mehr zu sehen ist, als die Sorge um den Schutz des Jahrhundertwerkes der Kirche: es ist nicht auszuschließen, daß es sich insgesamt um eine Interpretation der im Gang befindlichen Veränderungen handelt, wir der Fragmentierung einer sozialen Doktrin gewahr werden, wo der Deklassierung des "Hauses" als Kern des sozialen Organismus konvergent ist, daß dem Individuum und den Institutionen mehr Raum- und Verantwortung- eingeräumt werden. Analog hierzu scheinen sich auch nicht alle Diskussionen um die Besteuerung in "technischen" ethischen, juristischen und politischen Bewertungen zu erschöpfen. Das Interesse der Scholastiker an der "Natur der Dinge" führt zu Betrachtungen, die ein wesentlicher Bestandteil des Gepäcks des zukünftigen Finanzwissenschaftlers sein werden: es handelt sich um das Konzept der Steuerübertragung; jenes der "sanftesten" Art der Besteuerung oder die Idee der unteilbaren Güter und Leistungen; schließlich wird die keineswegs neue, indes vertiefte, deutlicher artikulierte Idee der Proportionalität der Steuerlast bekräftigt. Es gibt also nicht wenige neue Elemente, besser Anzeichen für einen Übergang. Für die Ebene des wirtschaftlichen Denkens, der umfassenden Visionen wirtschaftlicher Prozesse, bleibt jedoch der Zweifel, ob es sich tatsächlich um einen mentalitätsgeschichtlichen Sprung handelt, um den Übergang von den unbeweglichen Szenarien der griechischen Philosophen zu den insgesamt beweglicheren der ersten Ökonomen, die ein Jahrhundert später ihre ersten umfassenden Versuche machen sollten. Die große Sorge um die Fragen der Gerechtigkeit - um Bewahrung, Wiederherstellung, Harmonie unter den Teilen-, gibt eindeutig einer statischen Optik den Vorrang. Gleichwohlläßt jener "Nutzen" - um erneut klare Urteile zu vermeiden - der sich im Gesamt des bonum commune zur "Notwendigkeit" gesellt, einen Schimmer der Idee des Fortschritts erahnen. Außerdem erfolgt der Güterumlauf im Kopf der Schriftsteller inzwischen unverrückbar in zwei autonomen Kreisen: die für die Fortdauer von Individuen und Institutionen notwendigen Güter - die normalerweise vom Fiskus nicht antastbar sind - und die überflüssigen Güter werden voneinander unterschieden. Das stellt uns eine Konzeption vor Augen, welche die Existenz eines Bereichs, in dem es Menschen, Güter und Dienstleistungen im Überfluß gibt, gegenüber einer Sphäre des Notwendigen für möglich hält - auch wenn es dem Denken schwerfällt, die besser beherrschbaren Gestade einer Konzeption, welche von einem insgesamt stabilen Gleichgewicht von Bevölkerung und Ressourcen spricht, zu verlassen. Die Kirche, mit einer umfangreichen Lehre gewappnet, nicht ohne Schlauheit und Zweideutigkeiten, kämpft ihren Kampf mit einer Strategie der Restauration, gleichzeitig der tiefgehenden Veränderungen. Gegenüber einer solchen Machtentfaltung scheint in Italien die Reaktion des weltlichen und abweichenden Denkens - soweit wir bis jetzt sehen können - schwach zu sein (sehen wir einmal von Sarpi ab) Geteilt zwischen traumähnlicher Idealisierung der Vergangenheit, unrealistischen Projekten für den "besten Staat", unwahrscheinlichen Utopien und

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"ehrenhaften Heucheleien", verschanzen sich die italienischen Gebildeten auf verlorenen Verteidigungsstellungen. Sie gehen nicht wirklich auf die praktischen Fragen ein, zu denen eben an erster Stelle auch die Besteuerung gehört36 Nur die Schicht der Kaufleute beginnt sich um die Mitte des 17. Jahrhunderts klar und deutlich Gehör zu verschaffen. Aber man könnte sagen, daß es sich um die ersten Scharmützel eines neuen Krieges handeln müsse, der sich als endlos und zermürbend ankündigt, und nicht um die Eröffnung einer neuen Front in einem ausklingenden Streit.

36 Vgl. L. Wid mar (Hrsg.), Scrittori politici d el '500 e '600, Milane 1964, Introduzione, S. 10 und M. Bianchini, La riflession e econo mica, S. 45.

Fiskus, Kirche und Staat in Sachsen vor und während der Reformation Von Karlheinz Blaschke

Das Wort "Fiskus" bezeichnet heute das staatliche Finanzwesen, d .h. die gesamte Vermögensmasse, die aus Bargeld, Sachwerten und Liegenschaften besteht und sich im Eigentum des Staates befindet. Die staatliche Gewalt ist seit dem 19. Jahrhundert die einzige öffentliche Gewalt, sie hat alle anderen früher vorhanden gewesenen öffentlichen Gewalten beseitigt: die adlige Grundherrschaft, die Gemeide, die Kirche. Die ausschließliche Anwendung des Begriffs "Fiskus" auf das Vermögen des Staates kann demzufolge erst seit dem 19. Jahrhundert gelten, für die Zeit davor muß von einem öffentlichen Finanzwesen ausgegangen werden, das auf mehrere Inhaber öffentlicher Gewalt verteilt war. Landesherrschaft und Staat, Grundherrschaft, Gemeinde und Kirche übten öffentliche Gewalt aus und waren dadurch in der Lage, die ihnen angehörenden, bzw. die ihnen unterworfenen Menschen zu finanziellen Leistungen heranzuziehen und somit je einen eigenen Fiskus darzustellen. Für die frühe Neuzeit ist infolgedessen ein staatlicher, ein grundherrlicher, ein kommunaler und ein kirchlicher Fiskus festzustellen. Nach diesen Vorüberlegungen ergibt sich ein Verständnis des Themas in der Weise, daß Staatsfiskus und Kirchenfiskus in ihren Beziehungen zueinander zu untersuchen sind. Es geht um das Verhältnis zwischen Staat und Kirche in bezug auf die öffentliche Vermögenslage. Dabei ist das Wesen des Staates eindeutig: Er ist die oberste weltliche Gewalt, die "niemand über sich hat außer Gott" Qean Bodin). Unter "Kirche" ist hier nur die für geistliche Zwecke bestimmte Institution oder Organisation zu verstehen, in der es im Gegensatz zum Staat auf die Erfüllung der eigentlichen, von Jesus Christus als dem Begründer "seiner Kirche" (Matth. 16,18) gewiesenen Aufgabe der Verkündigung, der Seelsorge und der Diakonie ankommt. Ein mit zinstragenden Besitzungen ausgestattetes Kloster gehört mit seiner Güterverwaltung zum grundherrliehen Fiskus, weil es in dieser Hinsicht auf der gleichen funktionalen Ebene wie eine adlige Grundherrschaft steht; nur seine Almoseneinkünfte sind Teil des Kirchenfiskus. Die Finanzverwaltung eines geistlichen Fürstentums ist ein Staatsfiskus, denn sie entspricht in ihren Aufgaben und ihrer Arbeitsweise völlig der Finanzverwaltung eines weltlichen Fürsten, bzw. eines Staates und dient rein weltlichen Zwecken . Es ist sogar denkbar, daß in einem geistlichen Fürstentum erhebliche Spannungen und Gegensätze zwischen der staatlichen Finanz-

54

Karlheinz Blaschke

verwaltung und dem Vermögen der Kirche, d.h. also zwischen Staats- und Kirchenfiskus entstehen, obwohl der Landesherr als Bischof auch der geistliche Oberhirte der in seinem Fürstentum gelegenen Kirchen ist. Ein Fiskus kann nur dort entstehen, wo es eine produktive Bevölkerung gibt, die in irgendeiner Form gesellschaftlich organisiert ist, sei es auf herrschaftliche, sei es auf genossenschaftliche Weise. Jeder Fiskus gleich welcher Art ist eine Institution zur Verwaltung gesellschaftlichen Reichtums. Für das abendländische Europa ist der Dualismus der gesellschaftlichen Organisiertheit in zwei Bereichen kennzeichnend, die im Grundsatz unabhängig voneinander bestehen und zwei Bereichen menschlichen Daseins entsprechen: dem weltlichen und dem geistlichen Bereich. Weltliche Institutionen und Organisationen brauchen materielle Mittel zu ihrer Unterhaltung und zur Erfüllung ihrer weltlichen Zwecke und müssen daher den gesellschaftlichen Reichtum in Anspruch nehmen, sei es in Form freiwilliger Beiträge, sei es durch Anwendung von Zwang. Die geistliche Existenz des Menschen als Individuum oder auch innerhalb einer Gemeinschaft ist ohne materielle Grundlagen denkbar, wenn sie sich in einer rein spirituellen Zuwendung zum Heiligen äußert oder wenn sie vollkommen in die weltliche Sozialstruktur integriert ist. Innerhalb der christlichen Kirche westlich-römischer Prägung hat aber die Ausübung der Religion ein stark ausgebildetes Gemeinschaftsleben hervorgerufen, das trotz seiner vielen Beziehungen zum weltlichen Bereich und zu den Inhabern der weltlichen Gewalt sich zu einem selbständigen sozialen System entwickelt und schließlich eine straff aufgebaute Hierarchie von Gemeinschaften und Ämtern hervorgebracht hat. Damit entstand auch im Bereich der Kirche der Bedarf an materiellen Mitteln zur Aufrechterhaltung des Systems. Auch die Kirche mußte darauf bedacht sein, an der Nutzung des gesellschaftlichen Reichtums beteiligt zu werden. So hat unter den europäischen Bedingungen das Nebeneinander eines weltlichen und eines geistlichen Bereichs zwei selbständige fiskalische Systeme entstehen lassen. Beide sind mit verschiedenen Aufgaben versehen und dienen unterschiedlichen Funktionen, aber beide sind ihrer materiellen Ausstattung nach auf die gleichen materiellen Grundlagen angewiesen, die ihnen die Gesellschaft in ihrer jeweiligen geschichtlichen Ausprägung darbietet. Dabei brachte es die starke Religiosität des mittelalterlichen Menschen mit sich, daß die Kirche nicht nur unmittelbar von den produktiven Menschen materielle Zuwendungen erhielt, sondern ihr auch noch von den Inhabern der weltlichen Gewalt ein Teil der dort angesammelten materiellen Güter übereignet wurde. Die weltlichen Herren schenkten Grundstücke, Bauernstellen, Dörfer und ganze Herrschaftsgebiete an kirchliche Institutionen, sie stifteten regelmäßige Einkünfte und später Kapitalien, um ihr Seelenheil und dasjenige ihrer Familien zu befördern. Während nun das fiskalische System auf der geistlichen Seite allein von der Kirche ausgefüllt wird, zeigt jenes der weltlichen Seite eine Gliederung in

Fiskus, Kirche und Staat in Sachsen

55

Anlehnung an die Inhaber der öffentlichen Gewalt, nämlich an die drei Institutionen von Landesherrschaft und Staat, Grundherrschaft und Gemeinde. Diese Aufgliederung gilt vor allem für das europäische Mittelalter. In der hier zu behandelnden Zeit des 16. Jahrhunderts hatte sich die spätmittelalterliche Landesherrschaft schon in so starkem Maße zum frühmodernen Staat weiterentwickelt, daß Grundherrschaft und Gemeinde in die staatliche Gewalt eingebaut und ihr dienstbar gemacht waren, wenn sie auch noch eine gewisse traditionelle Selbständigkeit der Form nach bewahren konnten. Das Schema 1 versucht in bildlieber Form, das fiskalische Gesamtsystem am Ende des Mittelalters verständlich zu machen, wobei von den Verhältnissen in Mitteldeutschland ausgegangen wird. Hierbei zeigt sich die grundlegende Tatsache, daß jeder Fiskus in einer konkreten geschichtlichen Umwelt besteht und daher von den wirtschaftlichen Gegebenheiten seiner Zeit abhängig ist. Deshalb ist in Mitteldeutschland die allgemeine Entwicklung im hohen Mittelalter von naturalwirtschaftliehen Anfängen ausgegangen und hat sodann im Laufe des späten Mittelalters einen geldwirtschaftlichen Ausbau erlebt. Das erklärt sich aus der Tatsache, daß im Raum östlich der Eibe-Saale-Grenze eine dauerhafte Organisation der Gesellschaft erst im 10. Jahrhundert einsetzte und erst nach der Mitte des 12. Jahrhunderts in ihren eigentlichen Aufbau eintrat. Sie mußte sich daher in ihren Anfängen der damals noch vorherrschenden Naturalwirtschaft bedienen, während in ihrem späteren Ausbau in immer stärkerem Maße die Geldwirtschaft wichtig wurde, die sich seit der Entstehung des Städtewesens in diesem Raum nach 1150 ausbreitete 1 Die naturalwirtschaftliehen Grundlagen wurden aber nicht beseitigt, sondern blieben auch nach der Einführung der Geldwirtschaft weiterhin bestehen, so daß am Ende des Mittelalters ein mehrschichtiges gemischtes Finanzsystem bestand. Der Bargeldumlauf nahm zu, der Bedarf der öffentlichen Gewalten an Bargeld stieg an, so daß sie alle bestrebt sein mußten, sich neue Bargeldeinkünfte zu verschaffen. Die Finanzgeschichte des späten Mittelalters wird von diesem Vorgang wesentlich mitbestimmt. Die einzelnen Bereiche das öffentlichen Finanzwesens haben auf die Herausforderung durch die Geldwirtschaft in unterschiedlicher Weise reagiert. Am einfachsten war das für die städtischen Gemeinden, denn ihre Finanzen gründeten sich von Anfang an auf Bargeldeinkünfte, so daß sie keine qualitativ neuen Verhältnisse einzuführen brauchten. Am ungünstigsten war die Lage für die Grundherrschaft, weil sie als ein typisches Ergebnis der Feudalordnung am engsten mit der Naturalwirtschaft verbunden war und ihre wirtschaftlichen Grundlagen vorwiegend auf Naturaleinkünften und Arbeitsleistungen beruhten. Sie war daher von der Entwicklung benachteiligt, so daß der niedere Adel, der allein von den Erträgen seiner Grundherrschaft lebte, in seiner gesellschaftlichen Stellung ernstlich bedroht war. Die feudalen Leistungen der Bauern, die formaljuristisch als Gegenwart für die Leihe von nutzbarem Land Zum Problem allgemein vgl. A . Dopsch, Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft in der Weltgeschichte, Wien 1930; Neudruck Aalen 1968.

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?tadtrat

I

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Städtegeld

Marktgebühren Erbgeschoß

Bürgergebühren

/

I

.

Gemeinde

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I 1\\

Landesfürst

I

I

1

Subsidium

I Bischof I

Kirche

Schenkungen

spätes Mittelalter

Dorf-Dos Gau-Dos

10.-11. Jahrh.

Stadtkirchen: - Geldeinkünfte 12.-13. Jahrh. - Kapitalstiftungen Dorfkirchen: - Getreide- und Viehzehnt Hufen-Dos

Ablaßgelder Stiftungen .,. Meßpfennige Stolgebühren

Bevölkerung

Bäuerliche Dienste

Naturaleinkünfte aus Domänen

Erbzinse von Domänenbauern

Geleitsabgabe Zoll, Bergzehnt

~~

.,. I

Landesherrschaft

Produktive

Bäuerliche Dienste

Naturaleinkünfte aus der Gutswirtschaft

Erbzinse von Gutsbauern

/

Ritterdienste Adliger Grundherr

I

Grundherrschaft

Das fiskalische System in der Organisation der Gesellschaft vor der Reformation

Schema 1

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Vl

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31,0 (28)

Dararie

Gesamtsumme:

6,3 29,2

Collectorien Pensionen, Benefizien, Kommenden

258,4

100,4

--

26,1

7,7

39,5

---

27,0 12,5

118,5

--

60,8+ 25,2 32,5

Kurie

aus: E. Stumpo, Il capitale finanziario a Roma,

~piritualien:

Monti Uffizi

außerordentliche Temporalien: Temporalien und Spiritualien:

Dezimen und Subsidien

Provinzen Provinzen Rom

ordentliche Temporalien:

Einnahmen

13,0 10,0 4,2 2,8 2,0 3,6 3,2 2/3 5 26,1

Heer und Flotte Nepotisms Bauten in Rom Annona Roms Militärhilfe für kathoL Staaten Tilgungen Gemeindeschulden Hilfe für kathoL Staaten Verzinsung von Krediten Verzinsung von Krediten

Nepotismus Bauten in Rom Verzinsung in Rom Militärhilfe für kathoL Staaten Sonstiges außerhalb Roms

9,0 6,0 5,6 2/3 5/8

Ausgaben in Rom od. Kirchenstaat 6,3 Ausgaben in Rom 26,3 Ausgaben außerhalb Roms 2,9

26,8 23,7 5,7 118,2

62,0

Provinzen Rom Ausland

Verzinsung von Krediten

Ausgaben

9

16,5 10,5

62,0

37,2 24,8

---

davon für Nepotismus

im Kirchenstaat außerh . Kirchenstaat

im Kirchenstaat außerh. Kirchenstaat

Tabelle 2 Schätzung des Budgetvolumens des Hf. Stuhles 1570-1660 (in Millionenscudi di moneta)

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Wolfgang Reinhard

360

Tabelle 3

Neapolitanische Bistümer päpstlicher Besetzung (keine Währungsangabe = neapolitanische Dukaten, sc = scudi di moneta Romani, fl = fiorini, dc = Kammerdukaten, aN= aurei Napolitani) Erzbistum Suffraganbistum exemtes Bistum Amalfi Capri Lettere Minori Bari Bitetto Bitonto Conversano Giovinazzo Lavello Minerbino Pollgnano Ruvo 1 Benevent Alife Aseoll Avellino Boiano Bovino Guardia Larino Lucera Montemarano Sant'Agata de' Goti San Severo Telese Termoll Trevico Vulturara (Brindisi) Ostuni 1 Capua Caiazzo Calvi Carinola Caserta Jsernia Sessa Teano Venafro

Ertrag laut HC IV (111)

Ertrag 1605 davon laut kuriale FBIV5 Disposition

1625: 1626: o.j.: 1615: 1604: 1611: 1593: 1605: 1611: 1605: 1606: 1619: 1646: 1645: 1625: 1620: 1626: 1613: 1615: 1617: 1610: 1609: 1611: 1608: 1615: 1608: 1626: 1607: 1613:

1.000 200 SC 500 dc 500 2.000 fl 1.000 1.800 1.000 1.000 400 400 1.200 800 6.000 800 1.000 2.700 1.500 3.000 700 2.100 1.800 800 1.100 3.000 SC 700 1.500 1.500 1.200

1.500 500 800 250 3.300 800 3.000 1.200 500 700 500 800 1.200 6.000 500 1.500 2.500 2.500 2.000 700 3.500 1.200 600 800 1.500 900 500 1.000 2.000

1.500

1604: 1622: 1617: 1623: 1622: 1626: 1606: 1624: 1617: 1621:

1.200 8.000 1.000 500 700 3.000 1.000 1.500 1.200 1.300

2.000 7.500 800 1.000 800 1.500 1.600 1.000 1.600 1.000

2.000 7.500 800

SC SC

3.300 800 1.200

12.00

2.500 2.000 3.500 1.200 800 1.500 500

1.500 1.600 1.000 1.600 1.000

Papstfinanz, Benefizienwesen und Staatsfinanz

361

Tabelle 3 (Fortsetzung) Ertrag laut HC IV (III) Chieti Penne-Atri Sora Sulmona Teramo Consa Lacedonia Muro Lucano S. Angelo de Lombardi Cosenza Martorano (Matera) Anglona Potenza Tricarico Venosa Napoli Ischia Nola (Otranto) Alessano Castro Lecce (Reggio) Bova Catanzaro Crotone Gerace Nicastro Nicotera Oppido Squillace Tropea Rossano (Salerno) Acerno Campagna-Sutriano Capaccio Marsico Nocera de' Pagani Nusco Policastro Sarno Santa Severina Belcastro Cariati-Cerenza Isola Strongoli Umbriatici

Ertrag 1605 laut FB IV 5

davon kuriale Disposition

3.000 1.000 1.000 1.000 1.000 5.000 700 1.200 1.000 4.000

2.500 400 1.000 700 600 5.000 300 1.500 1.500 7.000 1.500

1.500

6.000 1626: 2.000 1605: 4.000 1605: 1.400 1626: 12.000 1637: 1.000 1657: 3.500

4.000 2.000 4.000 1.500 9.500 600 1.800

4.000 2.000 4.000

1594: 1604: 1639:

600 1.600 3.000

700 800 2.500

1622: 1618: 1610: 1626: 1621: 1614: 1609: 1594: 1646: 1619:

700 2.000 1.800 3 000 2.500 1.200 2.000 2.350 4.100 2.000

600 2.000 1.200 2.600 3 000 3.500 1.200 2.000 4.000 1.600

1611: 1618: 1611: 1614: f621: 1614: 1610: 1618: 1624: 1609: 1658: 1610: 1621: 1611:

700 1.500 3.100 800 1.400 1.000 5.000 2.000 3.000 1.200 1.400 2.500 1.500 1.500

1592: 1621: 1609: 1621: 1609: 1622: 1625: 1623: 1622: 1623:

SC

SC

400 800 3.500 800 1.800 700 5.500 1.200 3.500 800 1.100 2.500 1.500 1.500

5.000 1.500 500

9.500 600 1.600 200 1.000 2.000 2.600 3.000 300 300 2.000 4.000 1.600 400

4.500 1.200 3.300 1.100 500

Wolfgang Reinhard

362

Tabelle 3 (Fortsetzung) Ertrag laut HC IV (III) Siponto-Manfredonia Vieste Sorrent Massalubrense Vico Equense (Tarent) Castellaneta (Trani) Andria Bisceglie Montepeloso Aquino Aversa Eisignano Cava Citta Ducale Fondi Gravina Marsi Melfi Mileto Molfetta Nardo Ortona Ravello SanMarco Troia Summen: mindestens

Ertrag 1605 laut FBIV5

davon kuriale Disposition

1622: 1618: 1612: 1605: 1611:

5.000 400 1.000 700 2o6 (!)

7.000 600 1.000 500 300

7.000 600

1618:

3.000

2.000

500

1626: 1609: 1605: 1608: 1644: 1611: 1622: 1609: o.j.: 1626: 1597: 1622: 1631:

1.500 1.000 1.000 800 6.500 1.400 3.000 300 650 1.200 aN 2.000 8.000 5.000

1617: 1624: 1603: 1624: 1626:

3.000 1.200 600 1.600 3.000

1.800 1.200 1.200 1.000 6.000 2.000 2.500 366 800 1.200 1.000 5.000 7 000 2.500 800 700 450 1.450 4.000

214.906

210.616

SC

FB N 5 span. Besetzung, HC von Rom besetzt. Da Pension von 1000 duc., kann Wert FB N V nicht zutreffen.

1.200 1.000 6.000 4.500

1.200 1.000 5.000 7.000 2.500 3.000 2

132.200 (=62,8%)

Papstfinanz, Benefizienwesen und Staatsfinanz

363

Tabelle 4

Neapolitanische Bistümer spanischer Besetzuni

(keine Währungsangabe = neapolitanische Dukaten, sc = scudi di moneta Romani, f1 = fiorini, dc = Kammerdukaten, aN= aurei Napolitani) Erzbistum/Bistum Acerra Aquila Ariano Brindisi Castellamare Cassano Gaeta Gallipoli Lanciano Matera Monopali Motula Oria Otranto Pozzuoli Reggio Calabria Salerno · Taranto Trani Trivento Ugento Summen: mindestens

Ertrag laut HC IV (III) 1606: 1622: 1624: 1605: 1605: 1617: 1605: 1622: 1610: 1611: 1608: 1622: 1620: 1606: 1617: ?

1.000 1.000 SC 3.000 3.000 1.000 5.000 1.000 3.000 800 2.500 5.000 2.000 1.500 4.000 SC 1.500

1612: 8.000 1605: 13.000 1607: 1.500 1622: 2.000 1616: 1.600 64.100

Ertrag 1605 laut FE IV 5

davon kuriale DisEosition

800 1.000 3.000 3.000 800 5.000 1.200 800 1.000 3.000 2.500 1.500 1.200 3.500 1.200 4.000 6.000 1.200 (?) 1.500 800 1.500 44.500 (= 100%)

5.000 4

spanische

3.000 800 1.200

300 3.5005

1.200

1.2006

9.700 (21,8%)

6.500

Dazu kämen 1605 theoretisch Ostuni, Potenza und Ruvo, die aber eindeutig von Rom selbst besetzt werden. 4

Königliche Nomination, aber ein Caetani. Königliche Nomination, aber ein Acquaviva, der Referendar utr. sig. Königliche Nomination, aber der Brüssel Nuntius(!) Frangipani.

364

Wolfgang Reinhard

Tabelle 5

Sizilianische Bistümer spanischer Besetzung Erzbistum/Bistum

Ertrag laut HC IV (!II)

Agrigento Catania7 Cefalu Mazara Messina Monreale Palermo Patti Siracusa

1594: 1605: 1621: 1605: 1618: 1612: s.a.: 1.609: 1.619:

Summen: mindestens

9.000 20. 000 6.000 12.000 10.000 50.000 3.000 12.000 9.000

duc. duc.

davon kuriale Dis osition

spanische 9.000

20.000

6.000

SC SC

duc. duc fl duc

10.000

50.0008 50.0008

SC

131.000 duc.

82.000

25.000

Keine königliche Nomination weil exemt? Aber mit königlicher Nomination!

Tabelle 6

Bistümer des Herzogtums Mailand Erzbistum/Bistum

Ertrag laut HC IV (111)

Alessandria Bobbio Corno Cremona Lodi Milano Novara Pavia Tortona Vigevano

1611: 1618: 1626: s.a.: 1616:

1.500 sc Romani 400 SC 3.500 SC 7.000 fl 5.800 sc Milanesi

1622: 1609: 1612: 1621:

6.000 sc Romani 8.000 2.000 SC 5.000 cud. ill. part.

Summen (ohne Mailand):

39.2009

davon kuriale Disposition 1.500 400 3.500 7.000 5.800 1.800 600 8.000 2.000 5 000 35.6009 (=90%)

Wertgleichheit der verschiedenen, z.T. unklaren Währungsangaben unterstellt!

365

Papstfinanz, Benefizienwesen und Staatsfinanz

Tabelle 7

Bistümer des Großherzogtums Toskana Erzbistum/Bistum

Ertrag laut HC IV (Ill)

Arezzo Borgo San Sepolcro Colle di Val d 'Elsa Cortona Fiesoie Firenze Grasseta Massa Marittima Montaleine Montepulciano: Pienza Pisa Pistoia Siena Savona Valterra Summen (Mindestwerte): 10

s.a.: 1605: 1613: s.a.: s.a.: 1605: 1606: 1611: 1607: 1623: 1631: 1636: 1599: 1615: 1624: 1617:

450 SC 1.650 SC 1.000 SC 800 duc. Toscani 500 SC 4.500 SC 2.000 SC 2.000 sc Toscani 800 SC 1.800 SC 1.500 sc Toscani 9.000 SC 3.500 SC 4.000 SC 700 SC 2.500 SC 36.700

davon kuriale Disposition 1.000 (!) 1.650 80010

800 10 1.80010 500 4.00010 70010 11.250 (= 30o/o)

Kurialen toskarnscher Herkunft; ohne diese betrüge die Summe 2.650, der Prozentsatz 7!

Tabelle 8

Bistümer des Kirchenstaates und des Herzogtums Urbino (Währung, wenn nicht anders angegeben, scudi) exemtes Bistum Erzbistum/ Suffraganbistum Alatri Amelia Anagni Ancona Ascoli Assisi Avignon Carpentras Cavaillon Vaison Bagnoregie Bologna Camerino Castro Chiusi Citta della Pieve

Ertrag laut HC IV (III) 1620: 600 1623: 800 1626: 1.000 1622: 5.000 1605: 4.000 1630: 1.300 1644: 6.500 1616: 5.500 1611: 3.000 s.a.: 600 fl 1621: 900 1651:12.000 1622: 1.000 1611: 1.600 1620: 753 1605: 900 (?) fl

davon kuriale Disposition

5.000 3.000 1.300 6.500 5.500 200 12.000 1.000 1.600

366

Wolfgang Reinhard

Tabelle 8 (Fortsetzung) exemtes Bistum Erzbistum/ Suffraganbistum Citta di Castello Civita Castellana-Orte Faenza Fano Ferentino Fermo Macerata-Tolentino Montalto Ri patransone San Severino Feerara Foligno Forll Gubbio Iesi Imola Montefiascone-Corneto Narni Nepi-Sutri Nocera-Umbra Orvieto Osimo Perugia Ravenna Bertinoro Cervia Cesena Comacchio Rimini Sarsina Recanati-Loreto Rieti Segni Spoleto Terni Terracina Tivoli Todi Urbino Fossombrone Montefeltro Pesaro Senigallia Veroll Viterbo Summen (Mindestwerte): ll

Ertrag laut HC IV (Ill) 1616: 1621: s.a.: 1626: s.a.: 1625: 1660: 1608: 1620: 1605:

1.000 700 800 (?) 2.000 900 5.000 1.500 1.600 600 1.000

davon kuriale Disposition 1.000 800 2.000 300 5.000 600 1.000

1623: 1.000

1.000

1604: 1644: 1630: 1610: 1622: 1605: 1644: 1642:

3.000 7.000 4.000 1.500 1.000 170 5.000 4.500

3.000 7.000 4.000 1.500 1.000 170 5.000 4.500

1645:13.000 1624: 2.000 aurei 1645: 4.000 1623: 2.000 1617: 1.200 1619: 3.400 1648: 900 1634: 2.600 1604: 1.000 aurei 1625: 100 s.a.: 2.400 1625: 1.200 1614: 1.000 1606: 1.600 s.a.: 2.500 1593: 3.000 1610: 3.000 1607: 1.000 1612: 3.000 1628: 5.000 1608: 400 1636: 5.000

13.000 2.000 4.000 2.000

( + )10

147.023

Ertrag nicht bekannt, aber an Kurialen vergeben.

(+)"

2.000 2.600 2.400 1.200 1.600 2.500 3.000 3.000 1.000 200 5.000 120.870 (= 82%)

Tabelle 9

A Cesarino A Pallotta A Spada Al Card. Nari Al Card. Ginetti Al Card. S. Honofrio 13 Al Card. Antonio A Trivulzio A Panfilio Al Card. Barberino Al Card. S. Sisto 14 Al Card. Gessi Mons. Bentivogli Al Card. Antonio Al Card. Antonio Al Card. S. Honofrio credo a un P.pe d'Este

Al Card. Colonna Antonio 12 Barberino

Arcivescovado di Bologna s'affitta Badia de Ia Tre Fontane Badia di S. Maria di Fossa nuova a Piperno co'l Palazzo Adriano di Sicilia Badia di S. Maria delle Grotte di Vitulano in Regno Badia di S. Maria della Ferrara in Regno Badia di S. MAria di RealVallein Regno Badia di S. Andrea di Brindisi Badia di S. Maria di Corazzo in Calabria Badia di S. Pietro d'Assisi Badia di S. Dionigi di Milano Badia di S. Celso di Milano Badia di S. Maria di Grottasolio di Milano Prepositura di Corsalago di Milano Badia di S. Maria della Vall'Alta di Bergamo Badia di S. Eufemia di Padova Badia di S. Gervasio et Protasio di Brescia Prepositura de S. Maria della Giara di Verona Badia di S. Silvestro di Nonantola Badia di S. Maria in Regola, et S. Mattia d'Imola Badia dell'Assunta di Maiola, et della S.ma Trinita di Carpannola di Reggio

(Biblioteca apostolica Vaticana, Barb.lat. 3206, fol. 441v-442r in scudi di moneta)

2.882

100 2.800 375

30 267 364 180 100 50 500 200 524 909 839 460 887 b.50

3.275 950

12.200 8.367 b.50 6.870 1.467 3.170 938 1.472 1.564 2.100 5.600 3.500 2.700 9.000 2.200 2.162 2 700 3 025 8.000 2.857

Carichi certi

Entrateper tutto un'anno

2.582

1.100 100 150 50 50 50 100 400 150 200 236 140 300 200 200 200 50 300

5.740 1.100 2.656 708 1.322 1.464 1.500 5.000 2.826 1.591 7.925 1.600 974 b.50 2.200 (!) 2.725 5.000 2.432

445 200

Resta netto per tutto un'anno 8.480 7.308 b.50

Carichi incerti

Sommario di tutte {'entrate di badie, et altro vacato permorte dell'Em .mo s.Card.l Ludovisi alli 18-novembre-1632, con Ii carichi ordinarii etstraordinarii

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14

13

12

Wahrscheinlich Laudivio Zacchia.

Antonio Barberini senior.

Antonio Barberini junior.

Somma di tutto

A. Card. Barberino Badia di S. Maria di Castiglione di Parma Al Card. Sacchetti Badia di S. Ilario di Galeata Al Card. S. Honofrio Badia di S. Lorenzo in Campo, et Priorato di Corinaldo Stato d'Urbino Havuto Card. Richelieu Priorato di S. Martino in Campo di Parigi Cancelleria, senza le Vacanze Barberino Piazza di S. Lorenzo in Damaso Barberino Barberino Servizii minuti della Cancelleria, per S. Gio., et Natale Antonio Uffizio del Sommista Barberino Signatura di Brevi di scudi 109 d'oro peso vecchio il mese, sono a moneta l'anno

Tabelle 9 (Fortsetzung)

113.100 b.50

1.726

2.300 7.000 12.000 400 300 1.800

3800 1.000

Entrateper tutto un'anno

15.392 b .50

2.000 432

150

Carichi certi

5.701

91.798

1.726

2.000 5 000 11.368 400 300 1.800

300 200

3.300 770

Resta netto per tutto un'anno

500 80

Carichi incerti

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2.

00

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Papstfinanz, Benefizienwesen und Staatsfinanz

369

Tabelle 10

Bene.ficia vacantia perobiturn Card. Antonii Barberini con indicazione dei successori e delle rendite (Archivio Segreto Vaticano, Pondo Carpegna 21, fol. 124-128 in scudi di moneta)

Camerlengo di Sta. Chiesa Prefettura di Brevi Abbadia delli tre Pontane Abbadia di Sti. Severio e Martirio d'Orvieto Abbadia di Sta. Croce di Sassovivo in Poligno Abbadia di Sta. Maria di Rombona inS. Severino Abbadia di Sta .. Maria di Cavello di Perrara Abbadia di S. Stefano di Vercelli Abbadia di Sta. Maria di Ceniolo in Brescia Abbadia di S. Dionisio di Milano Prepositura della Ghiera di Verona Commende di S. Giovanni del tempio di Savoli Commende del Zante e Cefalonia annui scudi

9.000 2.000 7.000 1.500 2.000 2.500 1.500 1.500 700 3.000 800 2.000 33.500

Altre vacanze in favore degl'infrascritti Abbadia di S. Sebastiano di Subiaco Priorato di Roma Abbadia di S. Lorenzo fuori le mura diRoma Abbadia di S. Croce di Sassoferro Abbadia di Nonantula Priorato della Maggine di Bologna annui scudi

Sig. Card. Carlo15 Sig. Card. Sigismondo Chigi Sig. Card. Rospigliosi Mons. Vaini Sig. Card. Rospigliosi Sig. card. Plavio Chigi

7.000 6.000 2.000 1.000 8.000 3.000 27.000

Pensioni vacate Sopra il vescovato di Perrara dell'Em.o Card. Leni Sopra l'abbadia del Sesto nel Venetiano dell'Em.o Card. Pio Sopra l'abbadia d'Ossero e Maggio, e S. Pietro d'Aquileia nel Venetiano a favore dell'Em.o s. Card. Delfino Sopra il vescovato di Verona di Mons. Pisani [Totale16 15

3.000 800 300 533,33 [4.633,33] 65.133,33]

Barberini. Dazu kommen ohne Zahlenangaben: Vicariato di Roma; zwei Abteien und ein Priorat ohne Einkünfte; fünfzehn Protektionen, darunter Loreto, Germanikum, Germania, S. Domenico, S. Pietro in Vincoli, S. Bemardo. Abgesehen von den Protektionen von S. Pietro in Vincoli und S. Bernardo gehen alle an Card. Altieri. 16

370

Wolfgang Reinhard

Tabelle 11

Cedole delle pensioni gia distribuite per tutto il mese di Marzo 1616, da Settembre 1615 in qua (Archivio Segreto Vaticano, Fondo Borghese I 60, fol. 381 Pensionen in Dukaten)

Conchen. Archidiaconatus de Hute

120

Conchen. parochialis de Moya Calaguritan. canonicatus, restava Conchen. simplex Seguntinen. canonicatus et cappellania maior

150

Abulen. decanatus

150

Pampilonen. tesoreria

60 25 50

150

Hispalen. simplicia Abulen. canonicatus

500 150

Illerden. prioratus

200

Calaguritan. canonicatus

50

Urgellen. Archidiaconatus et canonicatus Hispalen. et Gadicen. tria simplicia

100

Giennen. tria simplicia

200

SO

Oscen. canonicatus

45

Aurien. canonicatus

25

Al vescovo Albanese Al Serpa scudier di S. Sta Al figlio di Cristoforo Busse di Danimarca Al sonator di Cimbalo Al Castratino A quello di Monfortino, ehe haveva patito l'incendio della Casa Al secretario delle lettere latine Al palafrenier Cacciatore Al pomar Al medico di Frascati Al figlio di Cesari Manni neofito Al scopatore della Libreria Vaticana Al sonator di violino A Innocentio della Tiorba Al Scanardo Al padre de Vanni gia Cameriere extra muros A Paulo Guazzino Julio Saveli neofito Giovanni Delfino Al vescovo di Cipri Alli figli di Ciaillet scrittore ap.co morto Als. Card. Crescentio Al nipote di Mons. di Foligno A Lucantonio Eustachio Cameriere Al Bareie lnglese convertito con Ia farniglia Al figlio del viagnorol del s. Card.le Al figlio del fattor della villa del s. Card.le All'aiutante di Camera del s. Principe Alli giovani di secret.a di Mons. di Foligno fu restituita la eedola a Quesada perehe mostro ehe li beneficii erano prima resginati dal possessore avnti moresse All'elemosiniero di S. Sta Don Silverio Cap.no Cristoforo di Belvedere figlio del fornaro Al Carduini figlio di mr. Geranimo Al fontana sottoforciere remanent Al Tadeo Dondola p.re de Careerati del S. Offitio

70

30 20

30 30 25 50 40

30 30 30

20 40

30 30 20

30

43 42

30

35

500 50 100 200 25 25

30 20

60 60 25

30 25

30

15 25

Papstfinanz, Benefizienwesen und Staatsfinanz

371

Tabelle 11 (Fortsetzung)

Illerden. Archidiaconatus et canonicatus

80

Legionen. sirnplicia Caurien. canonicatus

50 50

Oxomen. tesoreria et canonicatus Collegiatae Illerden. decanatus et canonicatus Aurien. parochialis de Villar Tirasonen. canicatus Collegiate Giennen. prioratus et portio Oscen. canonicatus Albaracinen. parochialis del Cuerbo Usselen. parochialis Hispalen. sirnplex de Moron Legionen. canonicatus Cartaginen. parochialis Giennen. Archidiaconatus de Ubeda Terulen. canonicatus

40 200 15 20 30 75 50 50 300 75 50 100 30

Caesaraugustan. parochialis Turritan. parochialis Palentin. canonicatus

25 30 100

Palentin. canonicatus

100

Astoricen. parochialis Arboren. parochialis

25 25

Hispalen. dua simplicia

50

Gerunden. Cameraria di Roda 40 17 18

All'Alfiere del s. Curtio Caffarello A Odat scrittore delle balle del S. Card.le es. Principe Al Sinceri fiscal del S. Offitio Al sottoguardarobba remanent Al guardarobba del s. Card. Al Datario di N.S.

40 40 50 30 20 40 200

Al figlio del Ranuccio scalco del gia card. Mantica

35

Al Benigno familiare del s. Card.le A Giorgio Teologo del duca Teschinen17 A Cornelio Staulcro Hiberno A Scipione Cristoforo d'Ascoli A Medoro Patriarca medico Al Medico di S. Sta AlMemoli Alli giovani di segretaria sotto il vescovo All'interprete dell'Amb.re Giapponese18 Al figlio di Bartalarneo Quadrio

30 75 25 25 50 100 100 100 75 50

Al nepote del vescovo di Foligno ultra alia 50 su pradicta fu restituita Ia cedola perehe il canonicato non vaca ma ci era Ia coadiutoria P. Atanasio monaco greco A Mro. Ortensio cuoco del s. Card.le Al]ozzio

remanent Al Crucifero di S. Sta remanent A Fabritii Verallo neofito Al Caldaro Lettore della lingua Hebraica nella Sapienza A Egidio Vivario Revisore delle Commiss.i di Signatura di Justitia A Ettore e Ludovico Ottoni da Matelica

Auf dessen Empfehlung. AufEmpfehlung des Königs von Voux.

100 25 30 60 40 60 40 25 25 50 40

Giambattista De Luca und die "Gesellschaft für Ämterkau~' Von Aldo Mazzacane •

1.

Es ist das Verdienstneuerer Studien, den Beitrag des Kirchenstaates in den ersten Jahrhunderten der Neuzeit zur Bildung jener politisch-institutionellen Form, die wir - trotz, wenn auch nicht immer überzeugender, Kritik - den modernen Staat nennen, genauer definiert zu haben. Vor allem hat Paolo Prodi1 die Parallelität des Entwicklungsprozesses des neuen Monarchiemodells des Papsttums einerseits und der Konzentration der Macht in den Händen der Fürsten verschiedener Länder Europas andererseits betont. Weiterhin ging es ihm um die aktive Rolle der "päpstlichen Monarchie" als einem Experimentierfeld der Politik. Hier werden Tendenzen der Handhabung der Macht offenbar, die auch in anderen im Entstehen begriffenen Staaten wahrnehmbar sind, ihnen manchmal auch vorausgehen. Die Darstellung der römischen Kirche als Prototyp des modernen Staates wurde - so Prodi - von der Historiographie weitgehend akzeptiert: und zwar aufgrundihrer verwaltungstechnischen Methoden, des Aufbaus der Regierungsorganisation, des Gerichtswesens, schließlich des Finanzapparats und des Steuersystems. Daneben sei auf die bereits im theologischen und kanonistischen Denken des Mittelalters entwickelten Souveränitätstheorien zu verweisen. Dies habe jedoch nicht zur notwendigen Vertiefung der Problematik der institutionellen Aspe kte der Machtausübung und der Entwicklung der juristischen Ordnung in der Neuzeit geführt. Der Zusammenstoß der kanonischen Ordnung mit den entstehenden neuen rechtlichen Gegebenheiten, mit den sich verdichtenden staatlichen Strukturen, sei "gänzlich unerforscht" geblieben; dasselbe gelte für das auf der praktischen ebenso wie auf der begrifflich-theoretischen Ebene zu beobachtende Auseinanderdriften der legislativen Aktivität der universalen Kirche und jener des territorialen Fürstentums. Und es gelte auch für die Entstehung eines Systems gewissermaßen päpstlich-staatlichen öffentlichen Rechts, das sich deutlich vom päpstlich-universalen kanonischen Recht unterscheide. Deutsch von Friederike C. Oursin. P. Prodi, 11 sovrano pontefice. Un corpo e due anime: la monarchia papale nella prima eta moderna (Annali dell'Istituto storico italo-germanico in Trento. Monografia 3), Bologna 1982.

374

Aldo Mazzacane

Auch unter den Zeitgenossen kam eine komplexere theoretische Sicht dieser Wandlung der päpstlichen Monarchie und der Gestalt des Papstes selbst nur mühsam zustande; ebenso fehlte es an einer theoretischen Reflexion über das neue Gewicht, das die weltliche Herrschaft in der Kirche gewonnen hatte; oft wurde sie noch allein als Annex der universalen Rolle der Kirche gesehen. Die Doppelnatur des Papsttums, d.h. seine relative Autonomie als Fürst gegenüber jener als Vicarius Christi, fand keine begriffliche Fassung, obwohl sie von kritischen Intellektuellen wie Machiavelli und Guicciardini, desgleichen von aufmerksamen, eifahrenen Diplomaten wie den venezianischen Botschaftern- Paruta ragt unter diesen hervor - inunerhin erkannt wurde . Und es kam auch zu keiner damit korrespondierenden politischen Lösung. So trug das Problem zu einer Verwirrung zwischen Geistlichem und Weltlichem bei, die inuner mehr einen Widerspruch, einen Grund für Schwäche und Verfall darstellte. Es ist kein Zufall, wenn Pietro Basadonna noch 1664 auf die Notwendigkeit hinwies, "St. Peters Schiff . . nach einem ganz anderen Modell" als dem ursprünglichen zu konstruieren, nämlich indem die "Gesetze des Apostolats durch die politischen" ersetzt würden2 Man muß auf das Werk De Lucas warten, um Reflexionen und Analysen zu den Besonderheiten des Kirchenstaates und zu seiner konkreten juristischen Realität- zu den Lehen, Autonomien, Immunitäten, der Justizverwaltung, dem Finanzwesen und so weiterzu finden. Erst mit De Lucas Schriften begegnet ein organisches und kohärentes System seiner institutionellen Strukturen. Dies beginnt mit der Definition der Pluralität formaler Figuren, welche in der physischen Person des Papstes vereint sind; fährt fort mit dem Versuch , aus de r "mixtura" der verschiedenen curiae die Prinzipien zu erkennen, um so eine eigentümliche, im Vergleich zur Organisation der weltlichen Fürstentümer indes gefährliche und anomale, Vermischung aufzulösen3 .

2. Das Werk De Lucas fügt sich in die Ausläufe r einer Tradition, welche die Stadt Rom lange als kosmopolitischen Schnittpunkt ansah, als Sitz eines der wichtigsten Höfe Europas, der "politische und diplomatische Schule [war], Schule ethischen Verhaltens und guten Benehmens, der Mode und Bräuche, des literarischen und künstlerischen Geschmacks"4. Das Bild der Stadt als internationale Hauptstadt, als Modell für die große n Monarchien wurde getrüb t durch eine politische und finanzielle Krise, welche die Zerbrechlichkeit der wirtschaftlichen und sozialen Strukturen , auf de nen der Staat ruhte, augenscheinlich machte: sie zeigte die ungelösten Probleme, die ihn zu ersticken drohten, die radikalen Widersprüche, die einer Entwicklung wie bei den anEbd., S. 53. Ebd., S. 74 ff. Ebd., S. 103.

Giambanista De Luca und die "Gesellschaft für Ämterkauf"

375

deren europäischen Staatsformierungen im Wege standen. Das Pontifikat Innozenz' XI., mit dem die intensivste Phase der öffentlichen Tätigkeit De Lucas zum Großteil zusammenfiel, stellte unter diesem Aspekt den letzten Versuch dar, den Staat zu reformieren und dessen drohenden Verfall zu verhindern5. Kurz darauf sollte der Untergang einsetzen: das zeigt sich in auffallender Weise auf der juristisch-institutionellen Ebene, im Inneren an den außer Kontrolle geratenen Immunitätsprivilegien und was die auswärtigen Verhältnisse anbelangte, an der Verschärfung der Fragen konkurrierender Jurisdiktion und der Pfründe. Das Ausmaß der Krise und die dringende Notwendigkeit zu Reformen führten zu jenen Auffassungen, welche die theoretischen Reflexionen und das politische Handeln De Lucas inspirierten. Die Krise war Voraussetzung seiner unvoreingenommenen Analyse der konstitutionellen Realität des Papsttums und der Gesetzgebungsvorhaben, die der Neugestaltung der Regierungsorgane dienen sollte. Dazu kam eine andere Überzeugung: nämlich die, es sei notwendig, die Rechtswissenschaft neu zu begründen. De Luca entwickelte eine scharfe Sicht, vielleicht die klarste des gesamten europäischen 17. Jahrhunderts, welche die Natur des gesamten Systems des Gemeinrechts und der Wandlungen, die sich darin vollzogen hatten, urnfaßte. Der Primat des römischen Rechts war inzwischen untergegangen: "La mistura della !egge canonica e della feudale, come anco di tante leggi di diversi principati ed altre municipali, e di malte conclusioni derivate da sola tradizione de' dottori, o da una certa equita non scritta, hanno alterato talmente questa facolta, ehe se ritornassero al mondo i medesimi Triboniani, Teofili e Dorotei non Ia riconoscerebbero" 6. [Die Mischung des kanonischen Rechts und des Lehnrechts, wie auch die so vieler Rechte verschiedener Fürstentümer und Städte, und vieler Entscheidungen, die abgeleitet sind allein aus der Tradition der Rechtsgelehrten oder aus einer gewissen nicht schriftlich formulierten Billigkeit, haben dieses Fach so sehr verändert, daß, kehrten dieselben Triboniani, Theophili und Dorothei auf die Welt zurück, sie es nicht wiedererkennen würden.]

Dies war eine eindeutige, unumstößliche Tatsache, von der ausgehend man die hundertjährige Darlegung der Rechtsordnungen neu überdenken mußte, um deren leitende Prinzipien anderswo zu suchen: "a far bene il conto, delle dieci parte di quel ehe si pratica, forse appena una sola nasce dalla chiara ed espressa disposizione delle sudette leggi antiehe comuni, si ehe Je altre nove nascano da leggi o consuetudini, o pure da quelle regale e conclusioni, Je quali ne tempi moderni per i Tribunali e per il senso p iu comune Obwohl es Untersuchungen einzelner Aspekte gibt, kann man nicht sagen, daß dem Pontifikat Innozenz' XI. bis jetzt eine erschöpfende historiegraphische Interpretation widerfahren wäre. Die jüngst erschienene bescheidene Arbeit von Rj. Maras, Innocent XI Pope of Christian Unity, Notre Dame, Ind. 1984, ersetzt die klassische Rekonstruktion Pastors nicht. Vgl. auf jeden Fall den kurzen Abriß von C. Donati, La Chiesa di Roma tra antico regime e riforme settecentesche (1675-1760), in: Storia d'ltalia Einaudi, Annali 9, hrsg. von G. Chittolini I G. Miccoli, Torino 1986, S. 721-773. 6 G.B. De Luca, II Dottor Volgare, Proemio, XI, 2; in der Ausgabe Florenz 1839, I, S. 59.

376

Aldo Mazzacane de professori si sono cavate da un gran miscuglio di diverse leggi, e dalla confusione di tante questioni e diversita d'opinioni sopra l'intelligenza e l'interpretazione delle sudette antiehe leggi comuni"7• [Um die richtige Rechnung aufzumachen: von zehn möglichen rechtlichen Handlungen, entsteht vielleicht nur eine einzige aus der klaren und ausdrücklichen Disposition des obengenannten alten Gemeinrechts; so daß die anderen neun aus Gesetzen oder Gewohnheiten entstehen oder auch aus jenen Regeln und Entscheidungen, welche in modernen Zeiten durch die Gerichtshöfe oder die allgemeinste Meinung der Professoren aus einem großen Mischmasch der verschiedenen Rechte gezogen wurden; und (auch) aus der Verwirrung so vieler Fragen und Meinungen über den Sinn und die Interpretation des obenerwähnten Gemeinrechts.]

Auch das Thema des Finanzwesens griff De Luca auf: beispielsweise mit den wichtigen Schriften über die Ämterkäuflichkeit und die Staatsschuldscheine (luoghi di monte)8 ; dann als handelnder Staatsmann durch wiederholte Eingriffe in das System der Einnahmen der apostolischen Kammer, der römischen Annona oder auch der Abgabenbefreiung9 All dies wurde von ihm einerseits vor dem Hintergrund von politischen und administrativen Reformvorschlägen betrachtet, andererseits aus der Perspektive des gewagten Versuchs, eine neue Enzyklopädie des juristischen Wissens zusammenzustellen und ihre spezifischen logischen Strukturen zu formulieren. Die Kohärenz dieses komplexen Projekts zur Rationalisierung des Rechts ist nun nicht nur aus De Lucas Haltung zu den großen institutionellen und administrativen Fragen zu sehen, sondern auch am Fall eines geringeren "Rechtsinstituts" wie der compagnia d'ufficio zu erkennen. Er wollte es der ins Detail gehenden Kasuistik der reinen Praktiker entziehen, um es voll und ganz in die Koordinaten einer rechtstheoretisch reifen Synthese einzufügen.

3. Trotz des Ruhmes, der dem Werk De Lucas seit seinem ersten Erscheinen zuteil wurde- ein Ruhm, der bis heute besteht-, fehlt eine zufriedenstellende Rekonstruktion seiner Biographie 10 Deshalb ist es erforderlich, sich kurz damit zu befassen. G.B. De Luca, Difesa della lingua italiana, Dragondelli, Roma 1675, S. 35-36. G.B. De Luca, Tractatus de officiis venalibus vacabilibus Romanae Curiae ... cui accedit alter tractatus de locis montium non vacabilibus Urbis, ex Typ. Rev. Cam. Apost., Romae 1682 (später nachgedruckt). 9 Diese äußerst umfassende Initiative, die aber der Geschichtsschreibung im Grunde kaum bekannt wurde, ist in den zeitgenössischen Avvisi und Diari aufs genauste dokumentiert, und insbesondere durch die römischen Depeschen der Diplomaten der wichtigsten europäischen Höfe. Besonders hervorhebenswert ist die Serie: Paris, Ministere des Affaires Etrangeres, Archive diplomatique, Correspondence politique, Rome, t. 246 ff; zumindest zu ergänzen durch die Berichte aus Rom nach Wien und Venedig. 10 Die Hauptdaten im Folgenden aus meinem Stichwort in: Dizionario biografico degli ltaliani, dort die Einzelnachweise.

Giambattista De Luca und die "Gesellschaft für Ämterkauf"

377

Der künftige Kardinal war 1644 nach Rom gekommen und hatte sich dort zuerst als Auditor des Fürsten Ludovisi niedergelassen, dann als Anwalt mit schnell wachsendem internationalen Ruhm. Schon die vorausgehenden Erfahrungen an der Universität und an den Gerichten von Neapel - die seine intellektuellen Züge maßgeblich prägten - hatten ihn dazu geführt, sich mit den gravierenden Mängeln im Unterrichtswesen und im Berufsleben zu befassen. In seinen erst später veröffentlichten Werken kritisiert er so ständig und zum Teil unter Berufung auf Beispiele aus dem Königreich Neapel die "reinen Scholastiker und den reinen Buchstabenglauben", die "Pedanten", die sich in den Schulen verschanzt hätten, wo die "Klosterkultur"11 das Sagen habe und man nichts über die immer wieder begegnenden Gegenstände im konkreten Rechtsleben lerne; wo man nicht einmal etwas über die "höchsten" und "vornehmsten" Fächer, wie die Gerichtsverfassung und Kompetenzkonflikte sowie das Lehensrecht hören Noch "lasterhafter und dümmer" erschienen ihm die "reinen Praktiker", die riskierten, die Jurisprudenz zu einer Scheinvorstellung verkommen zu lassen, zu einer Komödie von "leeren Gepuderten" oder tükkischen "Winkeladvokaten" . Das große Ansehen der Anwaltschaft und ihre bedeutenden Vorteile hinderten ihn nicht daran, die größte "Unordnung unserer Zeit" darin zu sehen, "das Fach nicht auch in theoretischer Hinsicht zu studieren, nach seinen Prinzipien und Begriffen, sondern nur über Traditionen oder Repertorien, durch Studium der modernen Autoritäten und Entscheidungen, nach Art der Papageien oder vielmehr jener Musiker, die nach Gehör singen und nicht nach Wissenschaft und der Kenntnis der Noten und musikalischen Regeln"13 . Das Aufgebe n des wohlgeregelten Studiums de r Theorie ("ben regolato studio della teorica") bewirkte , daß die Juristen nicht mehr Wissenschaftler auf Grund von Regeln und Prinzipien ("scientifici per regale e principj") waren: unfähig, genau zu unterscheiden und die Gesetze und Doktrinen in passender Weise anzuwenden ("distinguere e congruamente applicare le leggi e le dottrine"), fischen sie, wie mit dem Blasrohr einige Ausdrücke zusammen ("vanno pescando, come per ciarabottana, aleuni detti"), die unordentlich zusammengestellt sind. Sie geben sich damit zufrieden, den Part des Kompilators oder des Kopisten ("la parte di collettore o di copista") einzunehmen14 . Die Ausübung des Anwaltsberufes betrachtete er also nicht als ein Gewerbe mit sicheren Aussichten für das eigene Glück oder für das des "Hauses". Auch nicht nur als einen Beruf, der immer wieder durch die Umstände, die 11 Die Kritik an der scholastischen Tradition stellte eine Konstante unter den neapolitanischen Intellektuellen dar: sie findet sich auch bei D'Andrea, Valletta und sogar beim ,Diaristen' Fuidoro (Innocenzo D'Onofrio). 12 Als Beispiel einer glänzenden Untersuchung der neuen Anforderungen an das Studium der Jurisprudenz infolge des Wandels der Rechtsordnungen vgl. Theatrum Veritatis et Iustitiae, X.V, I, 35 (in der Ausg. Venetiis 1716, apud P. Balleonium, S. 110 ff.). 13 G.B. De Luca, Dello stile legale (1674), VI, 10; in der zit. Ausg. des "Dottor Volgare", IV, S. 668. 14 G.B . De Luca, Dottor Volgare, I, S. 49 ff.

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Zwänge der Prozesse gebunden ist, intellektuell dem Verfahren und den Bräuchen der verschiedenen Gerichte untergeordnet. Fundamental war nach seiner Auffassung vielmehr das Bestreben, einen lebendigen Fluß zwischen der direkten Erfahrung aus der juristischen Praxis und der historischen, politischen und begrifflichen Reflexion über die Wirklichkeit des Rechts und seine wichtigsten Nervenstränge wiederherzustellen. Im 17. Jahrhundert wurde der allgemeine Verfall der Universitäten und der der Professorenschaft offensichtlich. Sie verloren ihren Vorrang als Bewahrer und Garanten der Lehren über Umfang, Natur und Funktionieren der Rechtsordnungen durch ihre großzügigere interpretatio, die weiter war als die einfache Etablierung des Kriteriums der Übereinstimmung von Regel und Tatbestand15 . So wurden die wichtigsten Gerichtshöfe und die Kanzleien der bedeutendsten Rechtsanwälte zu Zentren der Rechtskultur16 , zu Stätten der Bildung und der Diskussion, zu geeigneten Orten, um der juristischen Lehre Orientierung zu verschaffen und die soziale Rolle der Juristen als politischer Kraft und regierender Schicht zu definieren. De Luca hatte eine hohe Meinung vom Anwaltsberuf, genauso wie ein anderer süditalienischer Intellektueller, Francesco D'Andrea, mit dem er in loser Verbindung stand. D'Andrea wird in seinen weitverbreiteten und wohlwollend aufgenommenen "Avvertirnenti ai nipoti" eine vollständige, umfassende Verteidigung des Anwalts zusammenfassen17 . Beide gaben viel auf den staatsbürgerlichen Wert der Jurisprudenz, "weil die Handlungen der Juristen nicht allein darin bestehen, zu urteilen, ob der Weinberg oder das Schilf mehr dem einen als dem anderen gehört, ... sondern über das Leben der Menschen Recht zu sprechen, Ratgeber der Fürsten und Republiken im obersten Regierungsgremium zu sein"18 . Ihre direkte Beteiligung an der Politik folgte natürlich ebenso aus dieser Auffassung, wie das Vorhaben, die Rechtswissenschaften neu zu begründen; dabei sollte eine erneuerte Beziehung zu anderen Wissenschaften hergestellt werden, um der Jurisprudenz einen Zugang zum Parnaß zu eröffnen, der schwierig geworden war19 . Es war also kein Zufall, wenn sich sowohl D'Andrea als auch De Luca mit Eifer in eine "politische 15 Vgl. sinngemäß: M. Sbriccoli, L'interpretazione dello statuto. Contributo allo studio della funzione dei giuristi nell'eta comunale, Milano 1969.

16 Auf die Bedeutung der gerichtlichen Rechtsschöpfung auch im Zeitalter des späten Gemeinrechts hat G. Gorla in zahlreichen Schriften wiederholt verwiesen, (gesammelt in dem Band: Diritto comparato e diritto comune europeo, Milano 1981). 17 Publiziert von. N. Cortese, I ricordi di un avvocato napoletano del Seicento, Francesco D'Andrea, Napoli 1923. Zum Autor siehe zuletzt mein Stichwort in: Dizionario biografico degli ltaliani. 18 G.B. De Luca, Il Dottor Volgare, t. I, S. 28. 19 G.B. De Luca, Dello stile legale, S. 644: "Che pero sebbene i maestri de' precetti politici e morali, ed anche l'una e l'altra !egge, civile e canonica, ed i loro primi interpreti, nostre guide, insegnano la riverenza dovuta all'antichita, e ehe per lo piu le innovazioni e le riforme producano disordini ed inconvenienti: nondimeno cio va inteso quando le antieh e usanze non siano giunte al grado della corruttela, sieche deviino dalla ragione, la quale dev'essere la maestra e regolatrice delle umane azioni. Cosl pare ehe segua nello stile dello scrivere de' leggisti: attesoche sebbene anche da!

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Schlacht" stürzten, in welcher um die institutionellen Strukturen des Staates und die kulturelle Ordnung gefochten wurde. Sie machten in einer historisch orientierten Jurisprudenz die Waffe aus, mit der das "Recht" zu beherrschen war; dabei nahmen sie die Methoden der "neuen Wissenschaft" in Gebrauch. Ihre neue Jurisprudenz war ebenso notwendig für Fürsten, Magistrate und Minister, um gut zu regieren, wie für die "Techniker" - Räte, Anwälte und Richter, auf daß sie sich mit einem ausreichenden Arsenal an Wissen der außerordentlichen Komplexität der rechtlichen Ordnungen stellen konnten. Die Analogien zwischen dem Denken der beiden Juristen wurzelten, abgesehen davon, daß es sporadische persönliche Kontakte gab, auch fest in bester süditalienischer lehnsrechtlicher und "jurisdiktionalistischer" Tradition. Doch bezeichnen diese Gemeinsamkeiten nicht auch gleiche Schicksale. Francesco D'Andreas Reformbestrebungen vollzogen sich in arbeitsamer, aber dramatischer Isolation- im Neapel der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, das erschöpft war von der Pest des Jahres 1656 und von der schweren Last der sozialen Mißstände, belastet mit Schwierigkeiten auf dem Gebiet kultureller Beziehungen20 und der Enge der politischen Perspektiven. Hin und her gerissen zwischen den sich widersprechenden Lebenszielen eines ministero togato oder einer unabhängigen Existenz als Intellektueller, gewann D'Andreas Beziehung zur politischen Realität Neapels und zu seinem eigenen kulturellen Umfeld einen konfliktgeladenen Charakter. Zeitweilig zeigte er sich schroff, zumeist erbittert und aufgebracht. Die späthumanistische Bildung seiner Jugendzeit und der intensive Umgang mit der neuen experimentellen Wissenschaft regten ihn zu spekulativen Untersuchungen an, die er nie abschloß. Meditationen in Zurückgezogenheit, die sich kaum rekonstruieren lassen, erfüllten seine letzten Tage. De Luca - andererseits - spielte eine erstrangige Rolle bei den Geschehnissen des Pontifikats von Innozenz XI. Und dies in einer Stadt wie Rom, die immer noch ein Zentrum war, wo vielfältige internationale Erfahrungen zusammenströmten; wo die Präsenz eines Gerichtes wie der Rota die Möglichkeit bot, die Substanz des Systems des späten Gemeinrechts und die neuen, normativen (und nicht nur theoretischen) Funktionen, welche die Urteile der wichtigen Gerichtshöfe und der Konsilienliteratur angenommen hatten, gegeneinander abzuwägen. Als einer der wichtigsten Mitarbeiter des Papstes Odesealchi seit dessen Wahl im September 1676 unterstützte De Luca Innozenz' Programm durch eine reiche Produktion von Entwürfen und Berichten, die principio ehe Ia !egge fu ridotta a forma di scienza, o facolta, lo stile di questi professori non fu molto ameno, ne grato agli altri letterati, i quali pero gli negano Ia bella stanza in Parnaso, collocandoli per grazia speciale in un vile tinello al di fuori, per pascersi della scolatura della broda ehe avanza nella loro cucina". 20 Das Thema taucht ab 1675 häufig in den Briefen D'Andreas an den Fürsten Gian Andrea Doria auf, die in Rom, Archivio Doria-Pamphilj, scaff. 15 ff. aufbewahrt sind. Zur allgemeinen Geschichte Neapels in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts: G. Galasso, Napoli spagnola dopo Masaniello, Firenze 1982.

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archivalisch gut belegt ist. Er widmete alle Energie der politischen Aktivität, insbesondere den zentralen Strukturproblemen des Kirchenstaates. Gleichzeitig bezog er aus seinem "Theatrum Veritatis et Iustitiae" Material und Inspiration für seine juristische und soziale Vision, die er in zahlreichen Schriften in italienischer Sprache veröffentlichte. Aber die Schwierigkeiten auf seinem Weg waren enorm. Die Erfolge blieben partiell und auf Randgebiete beschränkt, und sogar sein Glück beim Papst neigte sich einem Ende zu 21 . Sein Reformprogramm scheiterte im großen und ganzen. Der anspruchsvollste Reformansatz betraf das Staatssekretariat, in dem er die Abschaffung des Nepotismus durchsetzen wollte. Die Reform wurde unter Innozenz XII. zu Ende geführt, unter Beteiligung von De Lucas Schüler Ansaldo Ansaldi. Die Ernennung zum Kardinal, die ihn im September 1681 erreichte, entzog ihn nicht einem Klima tiefer Gegensätze, von Rivalitäten und wachsendem Mißtrauen, das geschürt wurde von seinen Stellungnahmen zu Immunität und Gerichtsverfassung, wo er beispielsweise einen harten Kampf gegen die "franchigie" der Botschafter und die "patentati" des Heiligen Offiziums führte . Auch zeigte er eine riskante Neigung zu den Erwägungen Frankreichs in der aufsehenerregenden "querelle de la regale" 22 . Die Rechts- und Verwaltungsreform, von ihm herbeigesehnt und nicht nur als eine wirtschaftliche und finanzielle, sondern auch als eine moralische und soziale Erneuerung verstanden, versandete so in den Untiefen der Faktionen, der persönlichen Feindschaften, der Interessenkonflikte zwischen den Mächten, den Parteien und Clans. Nicht einmal das "Theatrum", das dazu bestimmt war, für mehr als ein Jahrhundert als ,Autorität' zu gelten, entkam der päpstlichen Zensur: 1690, sieben Jahre nach dem Tod De Lucas, leitete die Indexkongregation ein Untersuchungsverfahren gegen einige Teile des "Theatrum" ein, das zwar nicht zu Indizierung führte, aber das Mißtrauen der ultraorthodoxen Kreise gegenüber einem energisch für Neuerungen eintretenden Werk belegt23 .

4. Schon der Titel "Theatrum Veritatis et Iustitae"24 verweist auf die enzyklopädischen Ambitionen des Werkes, womit es sich in die wichtigsten kulturellen Strömungen des Jahrhunderts einfügte. 21 C. Donati, La Chiesa, S. 729, hebt gerade das Unglück, die Kaltstellung und den Tod De Lucas Qanuar 1683) als "Symbol einer Zäsur und einer Unterbrechung der aktivsten Phase in lnnozenz' Pontifikat" hervor. 22 Die reichhaltige Literatur zum Thema hat der von De Luca bekleideten Rolle, der die archivalischen Quellen eine gewisse Relevanz zuweisen, meist nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt. Die ganze Angelegenheit wurde von P. Biet, Les Assemblees du Clerge et Louis XIV (1634-1693), Rom 1972, verfolgt. 23 Vgl. A. Lauro, I! cardinale G.B. De Luca. Diritto e riforme nello Stato della Chiesa (1676-1683), Napoli 1991. 24 In Rom in 15 Folio-Bänden bei Eredi Corbelletti 1669 bis 1673 veröffentlicht, durch ein "Supplementum" von vier Bänden erweitert und mehrmals nachgedruckt. Zu weitem Hinweisen siehe mein Stichwort in: Dizionario biografico degli Italiani.

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Die Metapher des Theaters kommt bei De Luca häufig vor. Sie folgt einer festen humanistischen Tradition25 und ist Symbol für die Einheit des Wissens, Spiegel der stets zweideutigen, unsicheren Wirklichkeit und beliebt in der Literatur des Barock, besonders der spanischen26 Die eigene Rolle auf der Bühne der Welt gut zu spielen war für ihn in seinem strengen Pessimismus die einzige Möglichkeit, mit den wahren "Wahrscheinlichkeiten" umzugehen; für den Juristen hieß dies, Wahrheit und Gerechtigkeit ins Zentrum der Darstellung zu rücken. Unter einem somit absichtlich bedeutungsschweren Titel vereinte das Werk eine breite Auswahl der Gutachten, die De Luca im Verlauf seiner beruflichen Tätigkeit abgegeben hatte, als Anwalt einer Partei, pro veritate oder als Schiedsrichter. Die Komposition des Werkes verrät Eingriffe wahrscheinlich von Mitarbeitern seiner Kanzlei, von denen einige unbekannte Praktiker blieben und andere zu verdienterem Glück aufstiegen. Und tatsächlich war die Kanzlei des Monsignore, genannt "avvocato primario", die Werkstatt, in der ein wissenschaftliches Programm Form annahm, das zu den bedeutendsten auf dem Gebiet des juristischen Wissens in der Neuzeit gehört. Ausgestattet mit einer beachtlichen, liebevoll gepflegten Bibliothek27 und von zahlreichen Anwälten frequentiert, stellt diese Kanzlei einen organisatorischen Typus dar, der praktische Anwaltstätigkeit mit dogmatisch-theoretischer Reflexion vereinte. Diese Reflexion formulierte im Sinne der "neuen Jurisprudenz" die leitenden Grundsätze aus der Rechtsprechung der höheren Gerichtshöfe. In aufeinanderfolgenden Bänden des Theatrum werden die discursus vota, decisiones oder consilia - gesammelt, redigiert und in zunehmendem Maße in Gestalt theoretischer Abhandlungen abgefaßt. Eine später veröffentlichte "Summa"28 sowie der "Dottor Volgare"29 stellen den Versuch dar, ein geschlossenes juristisches System anzubieten, fern von den gängigen Konsiliensammlungen, an welche das "Theatrum" prima Jacie noch erinnerte00 Viele Vgl. F.A. Yates, Theatre of the World, Lenden 1969. Eine sehr reiche Analyse bei j.A. Maravall, La cultura del Barroco, Barcelona 1983, bes. S. 471 ff. 27 Testamentarisch zusammen mit den Manuskripten dem Kardinal Benedetto Pamphilj (Roma, Archivio Doria-Pamphilj, scaff. I, b. 10, 19. Januar 1683) vermacht, in dessen römischen Palast an der via del Corso sie einen ganzen Saal beanspruchte, ging die Sammlung 1768 - auf dem Weg einer Transaktion- von den Doria auf die Colonna, in deren Haus sich dann ihre Spuren verlieren, über. 28 G.B. De Luca, Summa sive Compendium Theatri Veritatis et Iustitiae, typ. B. Lupardi, Romae 1679 (15 Bände in Kleinoktav). Sie wurde dann als Anhang an die einzelnen Bände der Nachdrucke des .,Theatrum" reproduziert. 29 G.B. De Luca, 11 Dotter Volgare, ovvero il compendio di tutta la !egge civile, canonica, feudale e municipale neUe cose piu ricevute in pratica, G. Corvo, Roma 1673. 30 Als Belege der breiten Anerkennung dieser Literatur vgl. die Beiträge zum Abschnitt "Rechtsprechungs- und Konsiliensammlungen", in: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 2, München 1976, S. 1111 ff. (insbesondere jenen von M. Ascheri). 25

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seiner Aspekte kommen dem Typus der Consiliensammlung nahe: die kasuistische Natur des Materials, die nicht immer eindeutige Ordnung, genaue Zusammenfassungen- deren großen Wert der Autor selbst an verschiedenen Stellen hervorhebt und die das Nachschlagen in diesem zum praktischen Gebrauch gedachten Repertorium erleichtern. Unter den vielen Gründen für seinen Erfolg war diese Brauchbarkeit für die Praxis sicherlich nicht zweitrangig31. Dennoch ist das "Theatrum" keineswegs nur eine Sammlung von Entscheidungen und Consilien, und als solche wurde es auch nicht verstanden. Jede Rechtsmeinung wird dort nach einer bündigen und typisierenden Darstellung des Sachverhalts, des Jactum, zusammengefaßt; dabei werden im jeweiligen Streitfall die vertretenen oder vertretbaren dogmatischen Positionen dargestellt. Die Diskussion von Pro und Contra, ein Muß für die forensische Literatur, verzichtet radikal auf jede Aufzählung von auctoritates- eine Neuheit, die von vielen Zeitgenossen kritisiert wurde -, um sich auf das Herausschälen der juristischen Prinzipien zu konzentrieren, deren rechtstechnische Qualität im Lichte eines Kriteriums der "Wahrscheinlichkeit" erprobt wird. Zu deren Begründung dienen die tatsächlichen Umstände der Fälle- geographischer, historischer, politischer und wirtschaftlichen Art. Inzwischen weit von der scholastischen und aristotelischen Tradition entfernt, und genauso von der Argumentationsweise der Juristen des späten "Commento"32, hatte der Probabilismus De Lucas den Charakter eines allgemeinen methodologischen Ansatzes, der seine Arbeit mit der gesamteuropäischen Gründungsbewegung des modernen experimentellen wissenschaftlichen Denkens verband33 . 31 In der Rezeptionsgeschichte De Lucas nimmt auch das seltsame und bescheidene, aber keineswegs unbedeutsame vierbändige Werk von G.A. Serra, Cause civili agitate dall'eminentissimo card. G.B. De Luca ed esaminate, G. Bortoli, Venezia 17521758 seinen Platz ein. Der fromme Kapuziner, ein glühender Bewunderer der ,.Difetti della giurisprudenza" von Muratori, hatte darin vor, aus den Schriften des Kardinals ,.tutti Ii principj della Legge" und gleichzeitig das Modell der "eloquenza" herauszuarbeiten. 32 Auf diesen Gleisen bewegte sich der Traktat noch, keineswegs ohne nennenswerte Neuerungen, von einem bedeutenden Kanonisten der Römischen Kurie: vgl. P. Fagnani, De opinione probabili tractatus, ex Commentarüs super Decretalibus seorsum recusus, sumpt. Io. Casonis, Romae 1665. Es sollte vielleicht auch daran erinnert werden, daß die Frage des Probabilismus im Zentrum heftiger theologischer Streitigkeiten stand. 33 Ein Literaturhinweis zum Thema ist hier nicht angebracht. Es mag ein Hinweis ausreichen auf Bj. Shapiro, Probability and Certainty in Seventeenth-Century England. A Study of the Relationship Between Natural Science, Religion, History, Law, Literature, Princeton (N.J.) 1983; hier wird gerade das Zirkulieren derselben Motive in verschiedenen Wissenszweigen hervorgehoben. Es verdient daran erinnert zu werden, daß F.M. Renazzi (Storia dell'Universita di Roma, Bd. 3, Roma 1805), das Werk De Lucas vor den Hintergrund des starken Aufschwungs der Mathematik und der Naturwissenschaften stellte.

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Es würde zu weit führen, diesen Aspekt im einzelnen auszuführen. Einige Passagen zu Beginn des "Dottor Volgare", aus denen bereits eindeutig der überaus originelle Aufbau hervorgeht, mögen genügen. "Essendo per lo piu Je operazioni dell'umano intelletto problematiche ... , quindi ehe l'umana prudenza ... suol eleggere Ia parte piu preponderante, perche, se maggiori si stimeranno gli effetti buoni, e profittevoli alla Repubblica eleggendo una strada, questa si stimera Ia buona e lodevole; e all'incontro, mala e biasimevole quella, ehe si giudica dover prodorre effetti piu cattivi ehe buoni" 34 .

e,

[Da nun die Operationen des menschlichen Verstandes fragwürdig sind .. ., folgt daraus, daß die menschliche Weisheit .. . sich die vorteilhaftere Partei wählt, weil, wenn die Wirkungen einer bestimmten Wahl für den Staat besser und vorteilhaft sind, man diese für gut und lobenswert halten wird; und, im Gegenteil, für schlecht und zu tadeln jene Wahl, die mehr schlechte als gute Wirkungen erzeugt.]

Es sind nicht die ontologischen Prämissen oder die metaphysischen Grundlagen der Überlegungen, sondern die "Wirkungen", aus welchen sich der Kriterienkatalog ergibt, nach welchem die Diskurse der Juristen und der Justizverwaltung und die Regierung des Fürsten zu bewerten sind. Für die Völker "mache es wenig aus, mehr dem einen als einem anderen untertan zu sein. Aber in erster Linie ist wichtig, daß sie gut regiert werden, mit guter und sorgfältiger Verwaltung der Justiz, die den bürgerlichen Frieden und die Freiheit des Handels bewahrt, aus der die Reichtümer und die Bedeutung jenes Fürstentums entstehen" 35 .

5. Der Wert, der dem wirtschaftlichen Aspekt beigemessen wird, ist vorrangig

im Werk De Lucas und strukturiert auch die systematische Ordnung, nach der

die Rechtsgebiete im "Theatrum" angeordnet sind. Im Kern werden hier die Muster romanistischer Provenienz fallen gelassen. Zum Teil allerdings - und es konnte gar nicht anders sein - kehren sie innerhalb der einzelnen Abhandlunge n wieder, gleichzeitig auch jene, die von der lehnsrechtliehen und kanonistischen Literatur abhingen, außerdem lebendiger und präsenter waren, als jede andere Quelle. Die aus der Kasuistik bezogenen begrifflichen Elemente werden durch ein topisches, mit Analogien arbeitendes Verfahren, nicht durch ein logisch-deduktives verbunden. Sie gruppieren sich um die zentralen Fragen der wirtschaftlichen Ve rhältnisse Privater untereinander sowie zwischen Privaten und Staat. Die programmatische Absicht, nicht nur auf der wissenschaftlichen Ebene, ist eindeutig: Es war erforderlich, die Prinzipien zu bestimmen, welche die Dynamik des Rechts tatsächlich regulierten . Lehen, Gerichtsverfassung sowie Übertragung oder Bindung von Besitz, beweglichem wie unbeweglichem; Fragen des Handelsrechts; die Situation der Geistlichen, insbeson34

S. 11). 35

G.B. De Luca, Dottor Volgare, Proemio, I, 1 (in der Ausgabe Florenz 1839, I, Ebd., I, 23 (S. 18).

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dere unter dem Gesichtspunkt ihrer Pfründe: dies sind die Hauptpunkte, unter denen Gutachten und Konsilien vereint sind. Die im "Theatrum" verfolgte Gliederung wird im "Dottor Volgare" hauptsächlich dem "Zufall" zugeschrieben, doch läßt sich erkennen, daß doch eine "Vernunft"36, mit stichhaltigen Kriterien, hinter der Gliederung steht. Im 35. discursus, dem ersten Teil des 15. Bandes der Enzyklopädie, werden Art und Aufbau des Werkes in der Tat ausführlich beschrieben37 Aus leicht nachvollziehbaren historischen Gründen zeigte die neuzeitliche Welt eine Vermehrung von Regeln und juristisch relevanter Situationen, die fast alle im alten Rom unbekannt gewesen waren. So wurde von den zeitgenössischen Räten, Richtern und Anwälten eine weitaus größere Gelehrsamkeit, ein weitaus umfassenderer Sachverstand gefordert, als von den einst so gefeierten Rechtskundigen. Ebendiesen neuen Angelegenheiten - die vor Gericht am häufigsten vorkamen- war das "Theatrum" gewidmet. Die dem römischen Recht unbekannten Institutionen nämlich, Regalien und Gerichtsverfassung, werden in den ersten drei Bänden behandelt. Im 4. Buch geht es um Dienstbarkeit, Emphyteuse und locatio-conductio: den Römern zwar bekannte, aber inzwischen von Grund auf modifizierte Rechtsbegriffe. Den romanistischen Quellen unbekannt waren auch Fragen, die im 5. Buch behandelt wurden - Wucher, Wechsel, Zensus und societates officiorum. Der Inhalt des 6. Buches über die Mitgift hatte einen ganz anderen Aufbau als aus dem römischen Recht gewohnt. Mit Schenkungen, An- und Verkäufen sowie anderen Formen von Besitzübertragungen befaßte sich das 7. Buch unter den Gesichtspunkten, wovon "Ieges civiles non agunt". Im 8. Buch wurden Handelsgeschäfte, im besonderen Kreditwesen, Versicherungen und Wechselbriefe behandelt; im 9. ging es um Testamente und zwar auch in Anlehnung an den "odiernus usus", der deutlich vom römischen Recht abweicht. Im 10. werden Fideikommisse, im 11. Legate behandelt, zwischen welchen nur Unerfahrene keinen Unterschied erkennen "modica dignoscitur differentia inter antiquos et modernes". Die Bedeutung des kanonischen Rechts rechtfertigt die Beifügung der folgenden drei Bücher. Im letzten tauchen die Adnotationes practicae ad S. Concilium Tridentinum auf, beschränkt auf die juristischen Aspekte. Dieses Buch genoß großes Ansehen und wurde öfters, auch als selbständige Publikation, nachgedruckt. Das 15. und letzte Buch war dem Prozeßrecht gewidmet. Darin war in thematischem Zusammenhang eine Relatio Romanae Curiae forensis eingefügt: eine Beschreibung und Analyse der Zentralverwaltung des Kirchenstaates und der Kirche, die lange unübertroffen bleiben sollte. Es handelte sich also um ein ausgesprochen kasuistisches System, das geordnet war nach von wirtschaftlichen Interessen bestimmten Abschnitten, voll kühner Kritik an den "Schulen", voller Verachtung gegenüber den Fähigkeiten oder der Gerissenheit der Angehörigen eines ebenso mächtigen, wie in Verfall 36 37

Ebd., XI, 3 (5.60). G.B. De Luca, Theatrum, S. 109 ff.

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geratenen Gerichtswesens. Dies war das Modell, das De Luca für eine den kulturellen Verhältnissen seiner Zeit angepaßte, erneuerte Jurisprudenz vorschlug, eine Rechtswissenschaft, die fähig sein sollte, auf die Regierungen der Staaten und die Gesellschaftsordnung einzuwirken.

6. Kehren wir zu dem oben angekündigten Beispiel zurück: Die Behandlung des Themas der societates officiorum hat in De Lucas Werk geringen Stellenwert. Doch steht es in enger Beziehung zu den wissenschaftlichen, politischen und ideologischen Motiven, die es anregten. Der Verkauf von verschiedenen Ämtern war als gewohnheitsmäßige Praxis

im Kirchenstaat weitaus früher als in anderen europäischen Ländern üblich.

Die Übung ging mindestens auf das 15. Jahrhundert zurüc~8 . Vom Ende des 16. Jahrhunderts an funktionierte der Ämterverkauf letztlich wie ein wirkliches, spezifisches System der Emission von Staatsanleihen. Die Ämter wurden so gemäß einem Nominalwert in Form von umlaufenden Kreditbriefen verkauft, die auf dem Markt beachtliche Wertschätzung erfuhren. Sie wurden von einer starken Nachfrage genährt, die wiederum von der Beteiligung großer Bankhäuser und vom Interesse der die Ämter vergebenden Institution selbst stimuliert wurde. Zu der auf den Nominalwert ausgezahlten, zwar beträchtlichen, aber durch Inflation und aus anderen Gründen39 geminderten Vergütung gesellte sich für den Käufer die begründete Erwartung eines erheblichen Gewinns im Fall der Veräußerung gemäß dem geschätzten Wert der jeweiligen Amtsstellen. Nach den Regeln eines wirklichen Börsenspiels waren die Kreditscheine daher sowohl bei rein spekulativen Operationen nützlich, als auch wie wir noch sehen werden - bei Finanzierungsoperationen oder zur Dekkung von Risiken Dritter durch reale Garantien. Die Käufer von "vakanten" Ämtern überwiesen der Finanzverwaltung eine

im voraus festgelegte Summe. Sie übten die Ämter aus, indem sie ein Entgelt

kassierten, dessen Höhe man durch verschiedene Regelungen exakt zu bestimmen versuchte. Die äußerst lohnende Investition war anfangs nicht risikofrei: mit dem Tod des Inhabers hatte das Amt an die Verwaltung als voll verfügbar zurückzufallen. Dennoch nahmen mit der Einrichtung der rassegna (kurz gesagt: der Ermächtigung zur Übertragung des Amtes nach Verausla38 Außer dem "Tractatus de officiis" von De Luca habe ich für diesen Abschnitt hauptsächlich verwendet: F. Piola Caselli, Aspetti del debito pubblico nello Stato pontificio: gli uffici vacabili, in: Annali della Facolta di Scienze politiche dell'Universita di Perugia, neue Folge, XI (1970-1972), S. 101-170; sowie E. Stumpo, II capitale finanziario a Roma tra Cinque e Seicento. Contributo alla storia della fiscalita pontificia in eta moderna (1570-1660), Milano 1985, S. 219 ff. 39 De Luca setzte den Gewinn bei 8% an. Zu diesem durchschnittlichen Wert gelangt man letztlich auch über die Berechnungen von Enrico Stumpo.

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gung einer zusätzlichen Summe) im Laufe der Zeit solche Risiken tatsächlich ab. Zur Zeit De Lucas gingen nur 3% der Ämter effektiv an die Verwaltung zurück; die restlichen "WUrden urkundlich unter Lebenden übertragen oder sogar bei Todesfällen erblich erworben. Auch "WUrde diesen Praktiken durch die Regierungsorgane keine Hindernisse in den Weg gelegt. Dies führte schließlich zu einer schmerzlosen Konsolidierung der öffentlichen Verschuldung. Die verschiedenen Ämterkategorien - De Luca nennt ihrer drei, und beziffert sie auf insgesamt 3. 762 - erfuhren eine jeweils leicht differenzierte Behandlung. Sehr wichtig ist, daß für die 3.122 Ämter der 3. Kategorie keine Verpflichtung für den Besitzer festgesetzt "WUrde, die Funktion auch selbst auszuüben, und tatsächlich "WUrde sie normalerweise an einen Vertreter delegiert. Eine Einwilligung des Staates, was die Nominierung dieses Vertreters anbelangte, war nicht notwendig; folglich war das Amt leicht übertragbar. Die hier in Kürze erläuterten Charakteristika erklären das Zustandekommen eines richtiggehenden .,Aktienmarktes" ausreichend. Die Titel des Amtsbesitzes- in eindeutiger Unabhängigkeit von der wirklichen Ausübung der Ämter - zirkulierten auch in Bruchteilen und selbständig. Ihre Verwendung für die unterschiedlichsten Operationen war dadurch begünstigt. Seit dem 16. Jahrhundert, dann namentlich im 17. kam der Brauch auf, Gesellschaften für Ämterkauf (societates o.fficiorum) zu gründen. Ein Grund konnte sein, daß die Gesellschafter sich am Kauf des Amtes für einen nominalen Inhaber beteiligten und den Gewinn anteilmäßig aufteilten; ein anderer, daß ein Gesellschafter vorhatte, sich das notwendige Kapital zum Erwerb eines Amtes im eigenen Namen zu beschaffen; und schließlich konnte es sein, daß er - schon Amtsinhaber - ein gesichertes Darlehen mit den Besitzanteilen am Amt selbst aufnehmen wollte. Wenn der Vertrag nach dem schematischen Muster als recht einfach erscheint - er verfiel dann ab Mitte des 17. Jahrhunderts immer weiter und die Staatsschuldscheine (luoghi di monte) setzten sich mit ihren Vorteilen als Investitionsmöglichkeiten immer mehr durch -. gab er in Wirklichkeit Anlaß zu fortwährenden und schwer schlichtbaren Streitigkeiten, da er nicht unter die bekannten Rechtsfiguren zu rechnen war. Es handelte sich also um ein sichtbares, im Alltagsleben präsentes Faktum, mit dessen Qualifikation und Klassifizierung sich die Lehrmeinung schwenat. Und auch gesetzgeberische Initiativen erfolgten nicht schnell genug. Die Vorkehrungen Leos X. (1514), Pauls IV. (1555) und Pius' IV. (1560) hatten nur Teilaspekte betroffen, die besonders mit den Interessen der die Ämter vergebenden Einrichtung zu tun hatten, ohne daß ein Gesamttableau geschaffen worden wäre, auf dem alle Konflikte hätten analysiert und gelöst werden können. Vorschriften der Gesetzgebung, das theoretische System und die Gerichtspraxis waren nicht in Übereinstimmung, zu oft schienen sie sogar unterschiedliche Probleme zu betreffen, eine der Spannungen, die zu den Widersprüchlichkeiten im System des Jus commune gehörte.

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Giambattista De Luca lieferte eine endgültige Regelung des Rechtsinstituts und legte dessen allgemeines Profil genauso wie die strukturellen Prinzipien fest, auf die man zu rekurrieren hatte, um die Regeln ausfindig zu machen, die auf die zahlreichen Fälle der Praxis anzuwenden waren. Er fügte die ,compagnia d'ufficio' in seine Beschreibung und Interpretation des Rechts ein, das gegenüber der romanistischen Tradition von Grund auf neu entstanden war. Die compagnia stellte er als spezifische Rechtsform jenen Themenkomplexen zur Seite, die Fragen des Gewinns aus Geldgeschäften umfaßten: Wucher, Zinsen, Wechsel und Census. De Luca zeigte so, wie die empirische Erfassung von häufig vorkorrunenden Fällen zu Umarbeitungen der dogmatischen Lehren führte und auch Möglichkeiten eröffnete, Kategorien neu zu formen.

7. Bevor wir uns nun seinen einschlägigen Schriften zuwenden, ist ein Blick auf die wichtigsten Arbeiten, die zuvor dasselbe Problem behandelt hatten, angebracht. 1590 hatte sich Francesco Castracani ausführlich damit befaßt40 Sein "Tractatus" - gemäß den Methoden der romanistischen Rechtswissenschaft ausgeführt- untersuchte die verschiedenen Elemente des Vertrags anhand der anerkannten gemeinrechtlichen Doktrinen. Er stellte dazu von Fall zu Fall die Meinungen und die "Autoritäten" der Rechtsgelehrten und der Kanonisten zusarrunen, sowie gemeinrechtliche Kategorien und generelle Prinzipien, die nicht die spezifischen Charakteristika des Ämterkaufs betrafen. Es ist kein Zufall, daß Hinweise auf die Rechtsprechung der Rota fast ganz fehlen; und es ist auch kein Zufall, daß das Werk von Definitionen allgemeiner Art wie "Iex quare necessaria", dem Amtsbegriff, der potestas des Papstes usw. ausging. Außerdem wurde lange ausgeführt, daß der Vertrag prinzipiell unrechtmäßig sei, da er unter das Wucherverbot falle. Dennoch "ubi probabilis esset dubitatio, utrum contractus esset illicitus, vel usurarius, tune si contractus est solitus fieri publice et palam inter bonos et legales viros, tune talis contractus licitus iudicandus est" (Kap. IV) . In der Praxis war der Vertrag in Rom also üblich; die Gerichte wurden angerufen, um seine Erfüllung durchzusetzen. So blieb nur die Schlußfolgerung: "consuetudo et usus facere potest, quod contractus sit licitus". Castracani befaßt sich dann mit den Bedingungen für die Gültigkeit des Vertrages selbst (als erstes geht es ihm um die Formaha der päpstlichen Bullen). Als Vertragsgegenstand sah er das "periculum vitae" des Amtsinhabers. Er handelte ferner von den Vertragspartnern, von den Gründen für ein Auslaufen des Vertrages (heikel war insbesondere der Tod des Inhabers) , von der 40 F. Castracani, Tractatus de societatibus quae fiunt super officiis Romanae Ecclesiae, apud haer. M. Amadori, Romae 1590.

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Bürgschaft, der Übertragung, der Kündigung, der Gewinnauszahlung. Das gemeinrechtliche System blieb unverändert und seine Prinzipien geschützt: mit Rücksicht auf sie betonte Castracani schließlich sogar die - gemessen an diesem System - Fremdheit gewisser Handlungen; er bestand darauf, daß die Regeln dieses Rechtsinstituts ein Jus singulare darstellen. Obwohl weitläufig und voller Wissen - wenn auch unfähig, das Neue auf eine dem alten Wissen nicht untergeordnete Art zu behandeln- sollte sich der Traktat als wenig nützlich erweisen, eine Disziplin zu definieren, deren Ursprung in der Gewohnheit lag und nicht aus der dogmatischen Symmetrie einer romanistischen Tradition stammte - die sogar noch "quotidie alteratur cum novis pactis, conventionibus ac clausulis". Der abstrakt theoretische Charakter der Schrift Castracanis, die - und sei es auch mit einer gewissen Eleganz - darauf zielte, eher Themen des Jus commune aufzugreifen, als konkrete und konkret wirksame Aspekte, all das mußte Castracanis Traktat einer Jurisprudenz, die täglich dazu aufgerufen war, verwickelte Kontroversen zu lösen, als wenig brauchbar erscheinen lassen. Und so fand tatsächlich das eher bescheidene Werk des Giambattista Leonelli Bartolini, das eindeutig und ausnahmslos auf die Praxis beschränkte Absichten hatte, breitere Verwendung41 . Der "Tractatus de contractibus et societatibus officiorum"42 Virginia Boccaccis besaß einen anderen Ansatz. Sein Text ging von der Feststellung aus, daß der Vertrag eine Singularität darstelle, die in Rom gewohnheitsrechtlich eingeführt worden sei, und er bemühte sich darum, den Verdacht, solche Verträge seien grundsätzlich Wucher, zu entkräften. Dieses Argument kehrt in fast allen Schriften wieder, die diese Praxis legitimieren wollten. Boccacci stellt dar, wie ein solcher Vertrag rechtmäßig geschlossen wird: Zu Beginn seines Buches konzipierte er einen Formularvertrag, den er dann Punkt für Punkt analysierte. Und da dieses Formular in keiner der päpstlichen Konstitutionen enthalten war, die dieser Materie gewidmet waren, wurden diese schlicht beiseitegelassen. Er argumentierte im Sinne des "stylus Curiae". Neben den zahlreichen Bezügen auf die Literatur der Kommentatoren, waren vor allem die Urteile der römischen Rota wichtig. Mit deren Hilfe unterrichtete er die Partien, wie sie das Rechtsgeschäft gültig abschließen konnten. Einige der Urteile wurden dann im Anhang vollständig wiedergegeben. Mit einer streng exegetischen Methode, die eng den verschiedenen particulae des Formulars zugeordnet war, wurden die verschiedenen Fragen aufgerollt: die Art, einen Vertrag zu schließen, Subjekte, Dauer, daraus ableitbare Verpflichtungen und Zusatzklauseln, Überschreibung von Rechtstiteln, Kündigung, Bürgschaften, Beweise, mögliche Täuschungen usw. Boccacci stellte seine Gedankenführung, die Lehre und sein juristisches Wissen gelegentlich ohne strikte Ordnung, aber gleichwohl wirkungsvoll in den Dienst eines einzigen praktischen Ziels: die Gestaltung einer kor41 L. Leonellius Bartholinus, Glosa super Bulla Pii quarti de societate officiorum, apud P. Petrutium, Perusiae 1592. 1601 wurde die Schrift mit Erweiterungen in zweiter Auflage gedruckt. 42 Enthalten in V De Boccatiis, Tractatus tres, apud A. Zannettum, Romae 1598.

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rekten Vertragsurkunde, die geschützt sein sollte vor theologischen Beanstandungen und Betrügereien, die aus der schwierigen Welt der Geschäfte drohten. Mit einem Formular begann auch die Arbeit von Silvestro Zacchia43 . Technisch verbessert gegenüber demjenigen von Boccacci, stand sein Entwurf gleichfalls im Mittelpunkt seiner Arbeit. Der Autor stellte sich nun nicht mehr die Aufgabe, die Handhabung dieses Vertrags mit den Prinzipien des Jus commune in Einklang zu bringen. Die Zitate vernachlässigten so die wichtigsten Kommentatoren fast völlig, beriefen sich hingegen auf die Consilienliteratur und die Werke der Praktiker. Hauptquelle waren wieder die Urteile der Rota: die zweite Hälfte des Buches, umfangreicher als die erste, bestand ganz aus wörtlich wiedergegebenen Urteilssprüchen. Die weiteren Darlegungen beschäftigten sich mit solchen Sachverhalten, die vorwiegend zu Kontroversen Veranlassung gaben und die durch die herkömmliche Rechtsprechung und nicht mittels theoretischer Prinzipien beigelegt werden konnten. Sogar die traditionelle Befürchtung, es könne ein Wuchergeschäft zugrunde liegen, wurde nur flüchtig behandelt. Knapp fielen auch seine Bemerkungen zur juristisch-systematischen Stellung des Vertrages aus. Zacchias Werk sollte also ein genauer Leitfaden für die Gerichtspraxis, für die verschiedensten Fragen des forensischen Alltags sein. Es sollte als Werkzeug dienen, mit der verwickelten Gerichtspraxis umgehen zu können, indem es die jeweils geeigneten Maßnahmen in kasuistischer Gliederung - sowohl hinsichtlich seiner Anlage, als auch, was die Gliederung im Einzelnen betraf - vorschlug. Größere Ambitionen schienen hingegen mit einer umfangreichen quaestio des Sigismondo Scaccia44 verbunden zu sein. Die "societa d'ufficio"- sie figuriert unter den Handelsangelegenheiten größter Bedeutung - wurde tatsächlich in organischer Weise und mit Blick auf ihre Zwecke vollständig beschrieben. Dieses heute in Rom und in anderen Städten des Kirchenstaats sehr häufige commercium- "commercium hodie frequentissirnum" -, das von Leo X., Paul IV. und Pius IV. genehmigt wurde, besteht aus einer auf ein präzises Ziel gerichteten Tätigkeit gewisser Subjekte: "ut contrahantur societatern ad certurn ternpus, plerurnque ad sex rnenses, deinde ad beneplaciturn, curn disdicta quindecim dierurn, super officiis Rornanae Curiae, quae per obiturn vacant; in quibus alicui officiali datur nornine societatis certa pecuniae summa, super periculo vitae suae, vel cuiuslibet alterius personae certae; officialis autem promittit pro rata pecuniae sociurn participern facere fructuum sui officii, societate durante, quos etiarn conducit ad rationern duodecim pro centenario et, societate finita, prornittit restituere sortern". 43 S. Zacchia, De rnodo contrahendi societates super officiis Rornanae Curiae, sive ad forrnularn instrurnenti societatis officii Discursus, typ. Rev. Carn. Apost., Rornae 1619.

44 S. Scaccia, Tractatus de cornrnerciis et carnbio, (1. Aufl., Rornae 1629, ), sumpt. Bertanorurn, Venetiis 1650, S. 50 ff.

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Übrigens gibt es keinen Hinweis auf die "veteres scriptores". Sicher aber war, daß die Päpste zugestanden hatten, daß es mehrere Käufer eines Amtes geben könne : " ... ut possint esse plures unius officü emptores, dummodo in uno solo resideat titulus et emptio officii; quare is, qui in emptione officü confert proprias pecunias, efficitur pro rata socius, et particeps redituum illius officii una cum officiali". Im Laufe der Zeit lenkte die wachsende commerciornm necessitas, mehr noch "callida hominum astutia, anhelantium ad lucrum" den Vertrag auf andere Ziele: "hae societates fieri ceperunt etiam cum officiali, qui pecunia non indigeat ad em endum officium, siquidem fieri ceperunt cum officiali, qui officium jam emit, imo cum alio, qui nec emit, nec vult emere, sed p ecuniam quaerit pro su is necessitatibus, seu negotiis, aliquo tarnen officiali adhibito, qui in sui officii societate pecuniam illam accipiat".

Die ratiodes Vertrags lag in seiner Bequemlichkeit für die Verwaltung. Die realen Zinsen für die Vertragspartner abzüglich der Ausgaben wurden auf 8% kalkuliert. Manchmal lagen sie auch höher, bei bis zu 10%, 12%, besonders wenn eine , rassegna' vereinbart war, d .h. eine Übertragung des Amtes auf einen Stellvertreter. In Scaccias Ausführungen folgte eine gerrau gegliederte Untersuchung der Erfordernisse des Vertrags, entsprechend den Bullen, der Doktrin und der Rechtsprechung. Es fehlten auch nicht die Argumente, die selbst jene Regeln für gültig erklärten, welche auf irgendeine Weise dem Gemeinen Recht zu w idersprechen schienen ("quodammodo vulne rare jus commune ") . Da rau s e rgab sich- anstelle eine r ge rrauen Untersuchung de r Streitfrage n- der Versuch, das Rechtsinstitut in seiner allgemeinen Architektur und eingebettet in das umfassende System des Handels, des Kredits und der Darlehen zu umschreiben.

8. De Luca billigte Scaccias Klassifizierung nicht. Im "Theatrum", im "Dottor Volgare" und in der "Summa" definierte er die Konzeption des Vertrages vielmehr folgendermaßen45 :

"E forse singolare n ella Corte romana queste contratto di compagnia d'uffizio; ehe pero non e meraviglia se aleuni scrittori, e particolarmente i morali, o perehe non fossero pratici della Curia, o p erche, dimorando anche in Roma, nondimen o racchiusi ne' chiostri, n on praticassero il foro giudiziario, vi si sia no tanto intricati, credendo aleuni eh e cio contenga un contratto di mutuo sopra il p ericolo della vita, in maniera ehe in queste pericolo consista Ia sostanza del contratto, e ehe sia il suo subietto, o veramente ehe fosse una specie di sponsione anche proibita". 45 G.B. De Luca, Theatrum, V, p ars IV (wo es besonders den discursus XII zu beachten gilt; in der zit. Ausg. S. 21 fD; "Summa", V, p ars VI; "Dottor Volgare", lib. V, pt. IV (in der zit. Ausg. Il, S. 133 fD.

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[Dieser Vertrag über die ,compagnia d'uffizio' ist vielleicht einzigartig in Rom und es ist nicht verwunderlich, daß einige Autoren- insbesondere die Moraltheologen, auch solche, die keine Erfahrung mit der Kurie haben, oder solche, die, wenngleich sie sich in Rom aufhalten, nichtsdestoweniger in den Klöstern eingeschlossen, mit Gerichtspraxis nicht vertraut sind - sich in dieser Frage so verirrt haben, daß einige glauben, dieser (Vertrag) beinhalte einen Darlehensvertrag über die Gefahr des Lebens; derart, daß in dieser Gefahr der Kern des Vertrages bestehe und daß sie sein Subjekt sei; andere glauben, daß er eine Art verbotener Verpflichtung enthalte.]

Seiner Meinung nach handelte es sich um einen "wahren Gesellschaftsvertrag", den es gemäß der allgemeinen Natur der Gesellschaft ("generale narura della societa") selbst zu betrachten galt: "Der Zweifel der Moraltheologen und anderer, die in dieser Materie nicht erfahren sind, hat keinerlei wahrscheinliche Grundlagen" ("il dubbio de' morali, e degli altri i quali non sono pratici della materia, non ha fondamento alcuno probabile"). Der Vertrag kommt dadurch zustande, daß "einer das Geld gibt und der andere seine Arbeit wobei Nutzen und Schaden gemeinschaftlich sind" ("uno metta il denaro e l'altro l'opera ... della quale l'utile ed il danno sia commune"). Als Gegenstand hatte der Vertrag nicht das periculum vitae, sondern das Amt, um dessentwillen die Gesellschaft sich konstituierte. Das Risiko, "il pericolo", ist dabei üblich, der Errichtung einer Gesellschaft stets inhärent. So stand die Rechtmäßigkeit des Vertrages außer Frage, auch wenn, wie De Luca bewußt war, viele Autoren sie angezweifelt hatten. Die Perspektive, aus der Theologen und Moralphilosophen die Frage angingen, war seiner Meinung nach eine andere, als die der Juristen. Erstere betrachteten sie als eine des forum intern um, letztere als eine des forum extemum: "cuius iudex est homo, habens iudicandi arbitrium refrenatum intra cancellos legis praecipientis". Daher waren sie gehalten, nur nach Akten- und Beweislage ("secundum acta et probata") zu urteilen. Daraus ergibt sich eine sehr deutliche Schlußfolgerung: "E perc'i in questa materia si deve piuttosto deferire alle decisioni della Ruota romana ed al parere d e' giuristi versati nella curia e nelle materie forensi, di quello ehe ai morali, per lo piu religiosi, i quali non praticano Je materie forensi; ]asciando a loro, com'e di dovere, Ia parte di giudicare nel foro interno". [Und deshalb muß man sich in dieser Materie eher an die Entscheidungen der römischen Rota und an die Meinungen von Juristen halten, welche Erfahrung in Verwaltung und Justiz haben, als an jene der Moralphilosophen, die in ihrer Mehrheit Ordensleute sind, die mit Gerichtsangelegenheiten keine Erfahrung haben. Ihnen ist zu Recht die Aufgabe zu überlassen, im forum internum zu urteilen.]

Zweifelsohne hatten sich - auf arglistige Weise, "maliziosamente" - Praktiken eingeschlichen, die eine "proibizione" verdient hätten; da sie aber sehr alt und ausdrücklich von den päpstlichen Bullen erlaubt waren und allgemein mit "Wissen" und "Erlaubnis" des Papstes ausgeübt wurden, waren sie nicht anfechtbar- es sei denn, betrügerische Absicht konnte nachgewiesen werden. De Luca beschreibt die wichtigste der Formen, die er "oblique" nannte, welche gewohnheitsrechtlich entstanden war und gegen die es die meisten

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Vorbehalte gab. Oft gründete jemand eine solche Gesellschaft keineswegs zu dem Zweck, ein Amt zu erwerben, für das er Talent und Sachverstand, nicht aber die finanziellen Mittel hatte. Vielmehr trat als Gründer jemand auf, der schon länger im Besitz jenes Amtes war und sich mit anderen zusammenschloß, um dann zu anderen Zwecken bestimmtes Geld zu erhalten. Es war sogar gängige Praxis geworden, Verträge für eine "societa d'ufficio" mittels eines Strohmannes zu schließen. De Luca erläutert dies anhand eines komplizierten Beispiels: Tizio braucht Geld. Er will eine "Ämterkaufgesellschaft" (compagnia d'ufficio) gründen, weil so die Chance besteht, das Kapital zu beschaffen, ohne es zurückzahlen zu müssen. Die Konstruktion ist folgende: Er vereinbart mit Sempronio eine Darlehenssumme zu einem festen Zinssatz und auf bestimmte Dauer. Dann findet Tizio einen Angestellten, einen Notar oder irgendeinen anderen Amtsinhaber, der bereit ist, über sein Amt einen Gesellschaftsvertrag mit Sempronio zu schließen. Dafür erhält er von Tizio ein bestimmtes Entgelt und tritt im Verhältnis zu Sempronio als Darlehensschuldner (an Stelle von Tizio) auf. Tizio, der in Wirklichkeit der Schuldner ist, übernimmt nur die Rolle des Bürgen, daß der Amtsinhaber bei Auslauf des Vertrages die Schuld an Sempronio zurückzahlt. Sollte nun- und darin besteht Tizios Chance- der Vertrag vorzeitig durch den Tod des Amtsinhabers (oder aus anderen Gründen) beendet werden, wird Tizio von der Bürgschaft und damit von der Zahlungspflicht frei. Sodann listet De Luca andere mögliche "fraudi" auf. Er stellte fest, es sei sehr schwierig, angesichtsder Vielzahl der ungewöhnlichen Fälle ("casi insoliti") eine unumstößliche Regel aufzustellen. " ... una provvisione o !egge generale" sei deshalb wünschenswert, aber angesichts ihres FehJens sei es Aufgabe der Doktrin, jedenfalls allgemeine Richtlinien aufzuzeigen und den gewohnten Mißbrauch, blind auf dem Wege der Tradition weiterzugehen ("di camminare alla cieca con le tradizioni"), zu vermeiden. Insbesondere war es notwendig, die Kriterien bezüglich der Zinsen festzulegen, "da es heute notorisch ist, daß die uffizi vacabili kaum die Hälfte dessen, was sie von alters her einbrachten, abwerfen". Inzwischen beliefen sie sich real auf nur noch knapp 6%. Zahlreiche andere Diskurse des "Theatrum" untersuchten bis in Einzelheiten die kompliziertesten technischen Aspekte des Vertrags. Diese Ausführungen galten der Rechtspraxis und der Rota selbst als ,autoritativ': Ansaldo Ansaldi46 folgte treu dem Werk De Lucas, das lange zu den anerkannten Autoritäten de r Rechtsprechung ge hörte. Weder Darlehen, noch sponsio und noch weniger wucherischer Vertrag: De Luca identifizierte die "societa d'ufficio" vielmehr als wahre Gesellschaft und Teil der geltenden Rechtsordnung. Seine Vorstellung von dieser Rechtsordnung beruhte auf der Analyse der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnis46 Vgl. bes. den discursus 81 der "Discursus legales de commercio et mercatura"

(1. Aufl., Rom 1689), apud fratres Oe Tournes, Colo niae Allobr. 1751, S. 290 ff.

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se, ferner auf der Konstruktion von Lehrmeinungen, die sich aus der Gerichtspraxis ergaben, und schließlich auf einer realistischen Wahrnehmung des Staatszustandes. Ein Zustand, der Reformen nötig machte, für welche wiederum eine wissenschaftliche Bearbeitung Voraussetzung war. Dabei sollte sich die Wissenschaft nicht abgelebter Methoden bedienen. Den neuen, dem römischen Recht unbekannten Lebenssachverhalten war nach seiner Meinung nicht mit althergebrachten juristischen Modellen beizukommen und noch weniger mit einer ungeordneten Kombination beliebiger Kriterien oder mit improvisierten wirren Notbehelfen. Vielmehr tat eine theoretische Anstrengung not, die aus den Fällen allgemeine Prinzipien ableiten konnte, welche ihrerseits die erforderlichen legislativen Verbesserungen anleiten konnten.

Verzeichnis der Autoren Marco Bianchini, Universität Parma Roberto Bizzocchi, Universität Udine Karlheinz Blaschke, Universität Leipzig Gauro Coppola, Universität Trient Giuseppe Dei Torre, Universität Triest Hermann Kellenbenz, verstorben Kersten Krüger, Universität Harnburg Gerhard Immler, Unive rsität Augsburg Aldo Mazzacane, Universität Neapel Aurelio Musi, Universität Salern Othmar Pick!, Universität Graz Rainer Poste!, Universität Harnburg Paolo Prodi, Universität Bologna Wolfgang Reinhard, Universität Freiburg Meinrad Schaab, Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Stuttgart Ernst Schubert, Universität Göttingen