Zweierlei Zugehörigkeit. Der jüdische Kommunist Leo Zuckermann und der Holocaust [1. ed.] 9783666302572


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German Pages 357 [355] Year 2024

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Zweierlei Zugehörigkeit. Der jüdische Kommunist Leo Zuckermann und der Holocaust [1. ed.]
 9783666302572

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Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow

Philipp Graf

Zweierlei Zugehörigkeit Der jüdische Kommunist Leo Zuckermann und der Holocaust

Vandenhoeck & Ruprecht

Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2024 Vandenhoeck & Ruprecht, Robert-Bosch-Breite 10, D-37079 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA , USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Brill Wageningen Academic, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Mit 16 Abbildungen Umschlagabbildung: »Porträt des Staatssekretärs Dr. Leo Zuckermann«, fotografiert von Abraham Pisarek im Schloss Schönhausen in Berlin (1950). © SLUB Dresden / Deutsche Fotothek / Abraham Pisarek. Umschlaggestaltung: SchwabScantechnik, Göttingen Lektorat: Marcel Müller, Leipzig Satz: textformart, Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-666-30257-2

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Einleitung Berlin 1952, oder: »Wer ist der deutsche Slansky?« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Kapitel 1 Neutralisierung von Herkunft (1908–1939) . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1.1 Restitution und Wiedergutmachung I: Höhepunkt einer Verwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1.2 Helft Sowjetrußland! oder Judentum ex negativo: Porträt einer Generation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1.3 Mit eigener Agenda: Eintritt in die KPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1.4 Paris, »Hauptstadt des Antifaschismus« . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 1.5 Spezialist für Flüchtlingsfragen: Ein Kommunist in Évian . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Kapitel 2 Wiederaneignung von Herkunft (1940–1947) . . . . . . . . . . . . . . 93 2.1 Restitution und Wiedergutmachung II: Das mexikanische Interregnum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2.2 Marseille, Nadelöhr von Flucht und Emigration . . . . . . . . . . . 98 2.3 »In welchem Land ist der Faschismus nicht wild und barbarisch?« – Erste Nachrichten . . . . . . . . . . . 113 2.4 Das »schreckliche Geheimnis«: Reaktionen auf die Vernichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2.5 »Eine völlig neue Situation«: Zur Entstehung des Restitutionsprogramms . . . . . . . . . . . . . . 162

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Kapitel 3 Politischer Spielraum in der »Zwischenzeit« (1947–1953) . . . . . . 185 3.1 Restitution und Wiedergutmachung III: Schlüsseljahr 1948 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3.2 Im Zentrum der Macht: Die Entstehung des VdN-Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 3.3 »Unter dem tiefen Eindruck der nazistischen Judenverfolgung habe ich Fehler gemacht …« – Ächtung und Demission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 3.4 »Aufbau des Sozialismus« oder die »nationalistische Volte«: Zum zweiten Mal Flucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 Epilog Zweierlei Zugehörigkeit, oder: Zur Anziehungs- und Bindekraft des Kommunismus . . . . . . . . . 259 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Archive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Zeitungen und Zeitschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Quellensammlungen, Erinnerungen und Literatur vor 1945 . . . . . . . 325 Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349

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Vorwort

Mit einem dramatischen Schlussakkord setzt Philipp Grafs politische Biografie über Leo Zuckermann ein. Im Moment des Wissens um die Gefahr, ein ultimatives Opfer der stalinistischen Säuberungen zu werden, flüchtet der jüdische Jurist im Dezember 1952 gemeinsam mit seiner Familie aus Ostberlin. Die Zeitspanne von den 1920er Jahren bis in die 1950er Jahre fokussierend, versteht der Autor seinen Protagonisten »als Sonde für die Geschichte des Kommunismus im 20. Jahrhundert  […], mit deren Hilfe sich sowohl die Wahrnehmung jüdischer Fragen durch die kommunistische Bewegung bis zum Zweiten Weltkrieg als auch ihre Reaktion auf die Vernichtung des europäischen Judentums en détail verfolgen lässt«. Graf hat eine Figur gewählt, deren wechselvolle biografische Stationen es ermöglichen, eine umfassende Geschichte mit transnationalen Dimensionen zu erzählen, die in Debatten über die Reaktion auf die Judenverfolgung und später Judenvernichtung eine bedeutende Rolle spielte, und die sich in be­sonderem Maße eignet, die allgemeine Ereignisgeschichte in den indivi­ duellen Werdegang einzuflechten. Diesen macht der Verfasser in einer beständigen Pendelbewegung nachvollziehbar: Zuckermanns Kindheit und Jugend in Elberfeld, wo er als Spross einer traditionellen jüdischen Kaufmannsfamilie russisch-polnischer Herkunft aufwächst, seine Mitgliedschaft in der SPD und ab 1928 in der KPD. Er fährt fort mit dem Pariser Exil nach der Machtübertragung auf Hitler. Dort wirkte Zuckermann als Verteidiger für Georgi Dimitroff, den Angeklagten im Reichstagsbrandprozess, und arbeitete im Rahmen des Internationalen Asylrechtsbüros und der Konferenz von Évian in der Hilfe für Flüchtlinge aus Europa, besonders Deutschland. In seinen Exiljahren in Mexiko während des Zweiten Weltkrieges trat er mit wachsendem Engagement für die »jüdische Sache« ein. Es folgt die Schilderung der Rückkehr in die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) nach Kriegsende und der steilen Karriere in der jungen DDR als Leiter der Präsidialkanzlei Wilhelm Piecks im Rang eines Staatssekretärs, bevor sich Zuckermann mit der überhasteten Flucht in den Westen und dem erneuten Exil in Mexiko von der Geschichte verabschiedete. Dabei ist sein physischer Lebensweg vom inneren Schwanken zwischen der angestammten jüdischen Herkunft, der angenommenen kommunistischen Identität und der Wiederaneignung der jüdischen Zugehörigkeit begleitet – von Prozessen, die Philipp Graf als »Konversionen« bezeichnet. 7

Ebenso Teil der biografischen Pendelbewegung ist Zuckermanns Initiative zur kollektiven Entschädigung der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus, die er 1948 als Gesetzentwurf in der SBZ einbrachte. Systematisch zeigt Graf, dass in der SBZ/DDR durchaus auch, wie es in den Westzonen der Fall war, an Programmen zur Entschädigung und »Wiedergutmachung« gearbeitet wurde. Hier komplettiert die Darstellung die jüngere Forschung zur deutschen Restitutionsgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg und verkompliziert zu Recht das in dieser Hinsicht häufig zu eindeutig gezeichnete Bild. Das letztendliche Scheitern der Initiative wiederum belegt, wie gleichgültig die kommunistische Staatsführung gegenüber der NS -Verfolgung und Vernichtung der Juden dann eben doch blieb. Das gleichermaßen komplexe wie fragile Verhältnis der Juden zur DDR ruft der Verfasser ein letztes Mal auf, wenn er Zuckermanns zunehmend lebensbedrohlichem Status als Westemigrant folgt, der diesen und seine Familie schließlich zu einer zweiten Flucht veranlasste. Nach 6-jähriger Abwesenheit kehrte der Jurist und Politiker zurück nach Mexiko, wo er sich fortan als Buchhändler und Importeur fremdsprachiger Literatur betätigte. Die unter dem Eindruck der Nachrichten über die Judenvernichtung ab Ende der 1930er Jahre sichtbar gewordene Annäherung an jüdische Themen, das stetige Austarieren des Pendels zwischen Nähe und Ferne zur jüdischen Zugehörigkeit, beschied er zugunsten eines andauernden Abstandes. Die enigmatische Figur Leo Zuckermanns zu entschlüsseln und dabei Zweifel zuzulassen, ist Programm der gesamten Studie. Philipp Graf nähert sich seinem Protagonisten stets mit Bedacht, er schlägt ein breites S­ pektrum an Interpretationen für dessen überraschenden und widersprüchlichen Werde­gang vor und geht dabei auf Distanz zu Schwarz-Weiß-Bildern. Die Figur Zuckermann füllt sich so mit Leben und erzeugt Mitgefühl für ihr Hin-und-hergerissen-Sein, was bei einem kommunistischen Funktionär mit dogmatischer Weltanschauung nicht unbedingt zu erwarten ist. Ihr Wirken wird in das Verhältnis des Kommunismus zum jüdischen Schicksal und zur Vernichtung eingebunden, wie gleichzeitig die kommunistische Auseinandersetzung mit ebendiesen Fragen in Echtzeit und retrospektiv eine Problematisierung erfährt. Hierin liegt das große Potenzial der Studie zur Verallgemeinerung und ihr Wert, auch ein Kommentar zur neueren und kritischen Biografieforschung zu sein. Yfaat Weiss

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Leipzig / Jerusalem, im Frühjahr 2024

Danksagung

Die vorliegende Studie entstand im Rahmen des am Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow angesiedelten Forschungsprojektes »Eine neue Geschichte der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung«, das die Hans-Böckler-Stiftung zwischen 2016 und 2021 gefördert hat. Eine frühere Fassung des Manuskriptes wurde im Juni 2022 als Habilitationsschrift an der Fakultät für Geschichte, Kunst- und Regionalwissenschaften der Universität Leipzig angenommen. Als Gutachter fungierten Yfaat Weiss, Dirk van Laak und Jan Gerber, Mitglieder der Kommission unter dem Vorsitz von Rose Marie Beck waren zudem Alfons Kenkmann und Detlev Brunner. Ihnen allen sei für ihr Engagement und ihre Unterstützung herzlich gedankt. Zugleich gilt mein Dank dem Vorsitzenden des wissenschaftlichen Beirates der Böckler-Forschungsgruppe Wolfgang Uellenberg-van Dawen sowie der Leiterin des Schwerpunktes »Geschichte der Gewerkschaften« der BöcklerStiftung Michaela Kuhnhenne für die mir gewährte Unterstützung. Die Arbeit entstand über den Zeitraum von mehreren Jahren am DubnowInstitut in Leipzig, weshalb ich gleich drei Direktorinnen und Direktoren zu großem Dank verpflichtet bin. Mein Dank richtet sich zunächst an Dan Diner, der mein Interesse an Fragen sowohl der Wahrnehmung des Holocaust durch die deutschsprachige Arbeiterbewegung als auch an den Bedingungen und Modi jüdischer Zugehörigkeit entscheidend geprägt hat, und auf den meine Aufmerksamkeit für eine Person wie Leo Zuckermann, die in ihrer Biografie beide Pole verbindet, eigentlich zurückgeht. Besonderer Dank gebührt auch Raphael Gross, der sich dem Vorhaben in seiner Zeit, als er dem Institut vorstand, aufgeschlossen gegenüber zeigte und dessen Aufnahme in das Vorhaben der Böckler-Stiftung zustimmte. Yfaat Weiss hat die Arbeit mit der Übernahme der Institutsleitung sodann ebenso vorbehaltlos angenommen und sich zudem freundlicherweise zur formalen Betreuung bereit erklärt. Für diese Zugewandtheit und das anhaltende Interesse, die kritische Begleitung der Arbeit und die Möglichkeit, sie im Rahmen der Publikationen des Instituts nun auch veröffentlichen zu können, danke ich ihr von Herzen. Ohne die intellektuelle Heimat, die das Dubnow-Institut und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für mich darstellen, hätte diese Untersuchung nicht in der vorliegenden Form entstehen können. Ich danke insbesondere Jan Gerber als Leiter der Böckler-Forschungsgruppe und Elisabeth Gallas 9

als Leiterin des Forschungsressorts »Recht« für die über die Jahre erfahrene inhaltliche Diskussionsbereitschaft, Unterstützung und Freundschaft. Auch meinen Ressortkolleginnen und -kollegen sowie den Mitgliedern der Forschungsgruppe gebührt Dank für die wiederholte Gelegenheit zur Präsenta­tion der Arbeit. Zugleich spreche ich der wissenschaftlichen Redaktion des Dubnow-Instituts, insbesondere ihrer Leiterin Petra Klara GamkeBreitschopf, sowie Marcel Müller meinen Dank aus für die gleichermaßen professionelle wie verständnisvolle Begleitung des Drucklegungsprozesses beziehungsweise das wie immer exzellente Lektorat. Zahlreiche Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner haben zum erfolgreichen Abschluss des Manuskriptes beigetragen, indem sie Fragen beantworteten, Material zur Verfügung stellten oder anderweitig mit Rat und Tat behilflich waren. Hierfür danke ich insbesondere Lukas Böckmann (Leipzig), Eckart Boege (Veracruz), Lutz Fiedler (Berlin), Andrée Fischer-­ Marum (1941–2023), Daniela Gleizer (Mexiko-Stadt), Renata von Hanffstengel ­(1934–2018), Andreas Herbst (Berlin), Jeffrey Herf (Washington, D. C.), Fritz Pohle (Hamburg), Anna Pollmann (Berlin), Ulrike Schrader (Wuppertal), Dieter Schwartze (Halle / Saale), Hermann Simon (Berlin), Matthias Wolf (Berlin) sowie den Angehörigen der Zuckermann-Familie, insbesondere Marc-Michel, Erik und Yuri Zuckermann (alle Mexiko-Stadt) beziehungsweise Alex Zuckerman (Berlin). Zudem sei einer Reihe von älteren Freundinnen und Freunden gedankt, mit denen ich vor nunmehr gut zwei Jahrzehnten Gelegenheit hatte, unter anderem auch Aspekte der Geschichte der Arbeiterbewegung diskutieren zu dürfen, darunter Katharina Hamann, David Jünger, Sebastian Kirschner, Jonas Pfau (1972–2006), Christian Schmidt, Ulrich Schuster, Jennifer Stange und Jens Winter. Im Grunde reiften Anfang der 2000er Jahre aus Diskussionen in diesem Kreis der Wunsch und die Idee, die Wahrnehmungsgeschichte des Holocaust in der Arbeiterbewegung an einem historischen Beispiel zu untersuchen; nicht zuletzt, weil damals, ein Jahrzehnt nach dem Epochenbruch von 1989/90, eine ganze Reihe neuerer Publikationen zur Geschichte beispielsweise der KPD erschienen, die nahelegten, diese hätte den Holocaust nicht wahrgenommen, weil sie letztendlich eine antisemitische Partei gewesen sei. Auf diese Fragen eine differenzierte Antwort zu geben, hoffe ich mit der vorliegenden Studie einzulösen. Schließlich wäre ohne den Rückhalt meiner Familie diese Arbeit nicht möglich gewesen. Der wärmste Dank gilt deshalb Robin, Marc und Ulrike. Philipp Graf

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Leipzig, im Frühjahr 2024

Einleitung

Berlin 1952, oder: »Wer ist der deutsche Slansky?«

Am 7. Januar 1953 titelten westdeutsche und internationale Zeitungen mit einem aufsehenerregenden Aufmacher aus der Viermächtestadt Berlin. Wie am Vortag durch Meldungen verschiedener Nachrichtenagenturen bekannt geworden war, hatte sich mit Leo Zuckermann (1908–1985) offenbar ein hochrangiges Mitglied des SED -Regimes gemeinsam mit seiner Familie in die westlichen Sektoren abgesetzt.1 Dort war der Flüchtige kein Unbekannter. Als »prominenteste[r] Staats- und Verfassungsrechtle[r] der deutschen Sowjetzone«,2 vor allem aber als der »frühere Chef der Präsidialkanzlei des Sowjetzonenpräsidenten Pieck«3 hatte sich Zuckermann ab den späten 1940er Jahren auch in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands einen Namen als linientreues Aushängeschild des SED -Regimes gemacht, weshalb er in den Augen westlicher Beobachter ganz selbstverständlich zur »kommunistischen Prominenz der Sowjetzone« zählte.4 Dass sich die Nachricht von Zuckermanns Flucht wie ein »Lauffeuer« (so die Neue Zürcher Zeitung) in Westberlin verbreitete, hing damit zusammen, dass SED -Funktionäre, zumal hochrangige, der DDR nur höchst selten den Rücken kehrten. Zwar war Zuckermann einer von gleich drei Staatssekretären, die die DDR in den Jahren 1951 bis 1953 verließen.5 Während es sich jedoch bei Wilhelm Bachem (CDU) und Hans Wermund (LDP) um Mitglieder bürgerlicher Parteien handelte, die als solche dem Führungsanspruch der SED von vornherein mit Argwohn begegnet waren, war Zuckermanns Flucht insofern ungewöhnlich, als sich mit ihm ein altgedienter Kader der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und nicht unbedeutendes Mitglied der SED -Parteinomenklatur absetzte. Deren Verbundenheit mit der Partei der Arbeiterklasse war in der Regel selbst bei grundlegenden Konflikten so stark ausgeprägt, dass eventuelle »politische Bauchschmerzen« über den Kurs der Führung, wie Wolfgang Leonhard wenig später in seiner berühmt gewordenen Abrechnung Die Revolution entlässt ihre Kinder (1955) zu Protokoll gab, niemals einem außerhalb der Partei Stehendem anvertraut, geschweige denn mit »Landesverrat« beantwortet wurden.6 Darüber, was Gravierendes vorgefallen sein musste, dass der Vorzeigekommunist Leo Zuckermann zum Republikflüchtling geworden war, machte 11

die westliche Presse indes widersprüchliche Angaben. Ein Teil der Meldungen konzentrierte sich fälschlicherweise darauf, in Zuckermann das Opfer eines Machtkampfes innerhalb der SED -Führung zu sehen, dem bald noch andere hochrangige Funktionäre wie Franz Dahlem oder Anton Ackermann folgen würden.7 Ganz in der Logik des Systemkonfliktes werteten sie seine Flucht deshalb als Beleg für die angeblich voranschreitende Erosion des Pankower Regimes.8 Andere Zeitungen zogen hingegen eine Verbindung zu den wenige Tage zuvor, am 4. Januar, im Parteiorgan der SED Neues Deutschland veröffentlichten Lehren aus dem Prozeß gegen das Verschwörerzentrum Slansky, in denen Zuckermann namentlich erwähnt worden war.9 In diesem spätstalinistischen Schauprozess im benachbarten Prag, aus dem die SED -Führung glaubte, auch für die DDR »Lehren« ziehen zu müssen, waren Ende November 1952 mehrere Mitglieder der Führungsriege der tschechoslowakischen kommunistischen Partei KPČ angeklagt und zum Tode verurteilt worden.10 In Erwartung ähnlicher Vorgänge in der DDR sei Zuckermann deshalb als Erster der im Neuen Deutschland genannten »prominenten Funktionäre« der SED geflohen.11 Letztere Berichte kamen der Wahrheit am nächsten, wenngleich sie übersahen, dass Zuckermann bereits Mitte Dezember 1952, und damit noch vor Veröffentlichung der Lehren, geflüchtet war. Zudem  – und das ist ent­ scheidender – konnte Zuckermann nicht einfach als ein weiteres potenzielles Opfer stalinistischer Verfolgung in der DDR gelten, das, wie die Berichte nahelegten, mehr oder minder willkürlich in den Fokus der sich scheinbar zyklisch ereignenden Parteisäuberungen im sowjetischen Block geraten war. Denn den westlichen Beobachtern war angesichts Zuckermanns Reputation als Musterkommunist entgangen, dass der Vorwurf, er habe sich analog zu den Prager Angeklagten »zionistischer Vergehen« schuldig gemacht, nicht einer gewissen Plausibilität entbehrte. In der Tat war Zuckermann geflohen, weil er sich in einer kurzen Zeitspanne im und nach dem Zweiten Weltkrieg in einer für Kommunisten höchst erstaunlichen Weise zugunsten jüdischer Anliegen verwandt hatte. Im mexikanischen Exil und als Mitarbeiter im Parteivorstand der SED in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) hatte er sich sowohl für die Rückgabe des von den Nazis geraubten jüdischen Vermögens eingesetzt als auch die Gründung eines jüdischen Staates in Palästina befürwortet. Diese Vergangenheit war es, die Zuckermann 1952, als unter Parteigenossen in Ostberlin die Frage »Wer ist der deutsche Slansky?« kursierte,12 fürchten ließ, zum idealen Angeklagten eines ostdeutschen Schauprozesses zu werden und sein früheres Engagement analog zur Mehrheit der Prager Verurteilten womöglich mit dem Leben zu bezahlen. Hinzu trat, dass er selbst jüdischer Herkunft war. 12

In der Tat waren Leo Zuckermanns Mitte der 1940er Jahre vertretenen Forderungen nach der Restitution jüdischen Vermögens und der Notwendigkeit eines jüdischen Staates an der Reflexion dessen, was später Holocaust genannt wurde, gebildet gewesen. Im mexikanischen Exil hatte die deutschsprachige kommunistische Parteigruppe um den hohen KPD -Funktionär Paul Merker (1894–1969), der Zuckermann zwischen 1941 und 1947 angehörte, in Anbetracht der Wahrnehmung der überall im deutschen Herrschaftsbereich sich vollziehenden Ermordung der Juden eine weitreichende Unterscheidung hinsichtlich des Charakters der Verfolgung politischer und jüdischer Opfer Hitlers getroffen. Während erstere  – also Antifaschisten (und unter ihnen vornehmlich Kommunisten), aber auch Angehörige beispielsweise des christlichen Widerstands  – aufgrund einer freien Entscheidung verfolgt worden seien, die dementsprechend zumindest dem Prinzip nach widerrufbar blieb, sei die Vernichtung der Juden allein aufgrund ihrer rassisch begründeten Zugehörigkeit zu einem Kollektiv erfolgt, das heißt, sie war total, da ihr selbst dann nicht zu entkommen war, wenn man sich selbst nicht länger als Jude verstand.13 Auf dieser Grundlage hatten Zuckermann und andere Angehörige des mexikanischen Exils ab 1942 die »Wiedergutmachung« der den Juden entstandenen Schäden und Vermögensverluste für moralisch geboten gehalten und ihnen erstmals auch einen eigenen Staat zugestanden. Die Besonderheit der Verfolgung der Juden als Kollektiv hatte sich in ein deren Folgen abzumildern suchendes politisches Programm unter kommunistischen Vorzeichen übersetzt, das Zuckermann nach seiner Rückkehr in die SBZ im Jahr 1947 auch dort vertrat. Damit freilich kontrastiert Zuckermanns Beispiel in exponierter Weise die landläufige Wahrnehmung, wonach der Holocaust in der politischen Kultur der DDR (sowie der kommunistischen Bewegung) keinen Platz hatte. Bekanntermaßen war deren Bereitschaft  – oder ihr Vermögen  –, der Vernichtung der europäischen Juden die Bedeutung eines Kernereignisses des Weltkrieges einzuräumen und diese Erkenntnis entsprechend in ihre politische Agenda zu integrieren, äußert gering. Das staatliche Zeremoniell der DDR etwa betonte die Erinnerung an den kommunistischen Widerstand und das Leid der sowjetischen Bevölkerung, ging über das jüdische Schicksal für gewöhnlich jedoch hinweg.14 Forderungen nach materieller Rückerstattung jüdischen (Privat)Vermögens und Entschädigungen lehnte die DDR-Führung bis 1989 mit dem Hinweis ab, die Wurzeln des Faschismus seien im Arbeiter- und Bauernstaat beseitigt.15 Auch gegenüber Israel legte man eine feindselige Haltung an den Tag, die Vergleiche des jüdischen Staates mit Hitler-Deutschland bemühte und selbst vor militärischer Unterstützung für dessen Gegner nicht zurückschreckte.16 Allenfalls in Nischen – in der Literatur,17 im Film18 13

oder in persönlichen Reflexionen –,19 stets jedoch unterhalb der staatlichen Ebene, konnte sich eine Erinnerung an Auschwitz neben der an Buchenwald Ausdruck verschaffen.20 Leo Zuckermann, dies zeigt nicht allein seine aufsehenerregende Flucht, bildete in dieser Konstellation eine bemerkenswerte Ausnahme. Dies wohlgemerkt nicht in Bezug auf den reellen Niederschlag der offiziellen Erinnerungskultur in vierzig Jahren DDR , wohl aber hinsichtlich der Zwangsläufigkeit, mit der der Holocaust dort eine Leerstelle bildete. Denn nicht nur Zuckermanns Engagement (und mit ihm das einer ganzen Reihe von Mitstreitern) belegt für einen kurzen Zeitraum die Möglichkeit einer gegenteiligen Entwicklung; selbst die SED -Parteiführung hatte im Januar 1948 einem maßgeblich von Zuckermann ausgearbeiteten Gesetzentwurf zugestimmt, der unter bestimmten Einschränkungen die Rückgabe geraubten jüdischen Eigentums an die vormaligen Besitzer beziehungsweise deren Erben in der SBZ vorsah.21 Damit indes ging eine Berücksichtigung, ja Empathie gegenüber der jüdischen Erfahrung einher, wie sie eine kommunistische Partei selten zuvor und niemals danach an den Tag legte. Weshalb aber nahm ein KPD - beziehungsweise SED Mitglied wie Leo Zuckermann das jüdische Schicksal wahr? Wieso gelang ihm dies und anderen nicht? Und warum gab selbst das Zentralsekretariat der SED einem Restitutionsgesetz wie dem von Zuckermann vorgelegten zwischenzeitlich seinen Segen, integrierte also zumindest zeitweilig die jüdische Erfahrung in das Projekt einer sozialistischen Gesellschaft? Das vorliegende Buch rekonstruiert, weshalb der überzeugte Kommunist Leo Zuckermann für kurze Zeit zur treibenden Kraft einer Anerkennung des jüdischen Schicksals innerhalb der kommunistischen Bewegung wurde  – wieso und unter welchen Umständen eine Wahrnehmung des Holocaust in der deutschsprachigen Arbeiterbewegung zumindest zeitweise also doch möglich war. Zuckermanns politische Biografie wird zu diesem Zweck als Sonde für die Geschichte des Kommunismus im 20. Jahrhundert begriffen, mit deren Hilfe sich sowohl die Wahrnehmung jüdischer Fragen durch die kommunistische Bewegung bis zum Zweiten Weltkrieg als auch ihre Reaktion auf die Vernichtung des europäischen Judentums en détail verfolgen lässt. Zur Erklärung der sich in Zuckermanns Biografie personifizierenden Ausnahme sei das Bild zweier in den Jahren 1942/43 bis 1948/49 zusammentreffender Achsen, einer weltanschaulichen und einer ethnischen, herangezogen. So erscheinen Zuckermanns bemerkenswerte Einlassungen zum Charakter der nationalsozialistischen Judenverfolgung, zur »Wiedergutmachung« und zur Zukunft eines jüdischen Staates genau genommen als eine vertikale Irritation in der ansonsten horizontal der Zukunft zustrebenden Vorstellungswelt marxistischer Tradition – als ein kurzes Zeitfenster von etwa der Mitte des 14

Zweiten Weltkrieges bis zum Anheben des Kalten Krieges 1948/49, in dem »den Juden« entgegen landläufiger Vorstellungen des marxistischen Kanons der Status eines Kollektivs zuerkannt wurde. Ursächlich für jene zwischenzeitliche Verunsicherung von Zuckermanns Weltbild war – wie bereits angedeutet – die Nachricht vom Holocaust: Dessen Spezifik einer präzedenzlosen Vernichtung aller Juden unabhängig von ihrer »Klasse« löste bei ihm eine Art Wiederaneignung seiner zuvor mit dem Eintritt in die KPD abgelegten Zugehörigkeit zum Judentum aus, die ihn fortan im Namen des jüdischen Kollektivs – wenngleich aus marxistischer Perspektive – auch darauf basierende politische Forderungen entwickeln und vertreten ließ. Die Annahme einer signifikante Wirkung entfaltenden politisch-zeitlichen Konstellation wird dadurch unterstrichen, dass Zuckermanns Haltung im Hinblick auf die 1940er Jahre so ungewöhnlich gar nicht war. In gewisser Weise kann sein Engagement – auch wenn ihm das wahrscheinlich nicht in Gänze bewusst war, geschweige denn er einer solchen Deutung zugestimmt hätte – als genuin kommunistischer Beitrag zu einer im gesamten Judentum dieser Zeit verhandelten Neudefinition des Selbstverständnisses nach der Katastrophe bezeichnet werden. Jene Neubestimmung hatte sich spätestens ab 1941 in verschiedensten jüdischen Kreisen entwickelt.22 Nicht nur per definitionem dazu bestimmte jüdische politische Organisationen wie der World Jewish Congress (WJC) oder das American Jewish Committee befassten sich mit Konzeptionen für die Nachkriegszeit, auch die jüdischer Politik für gewöhnlich unverdächtigen Angehörigen des in den Vereinigten Staaten exilierten Instituts für Sozialforschung wandten sich, wie der 1944 abgeschlossene Schlüsseltext Dialektik der Aufklärung, vor allem aber das Kapitel »Elemente des Antisemitismus«, nahelegen, in jener Zeit jüdischen Themen zu,23 wobei neben anderem der spezifische Charakter der nationalsozialistischen Verfolgung ursächlich war: Da die Nationalsozialisten danach trachteten, aller Juden auf der Welt habhaft zu werden, um sie zu ermorden, generierten sie unter den vormals diasporisch und politisch heterogen verfassten Judenheiten ein in dieser Form neuartiges kollektives Zusammengehörigkeitsgefühl. Was vor dem Weltkrieg eine Minderheitenposition (etwa der Zionisten oder der Bundisten) dargestellt hatte, bildete nun ein einigendes Band aller Judenheiten.24 Ausdruck dieses neuen, über ideologische Grenzen hinweg reichenden Gemeinschaftsgefühls wurde die über jeden Zweifel erhabene Unterstützung eines jüdischen Staates im britischen Mandatsgebiet Palästina, die noch in der Zwischenkriegszeit eine periphere, in jedem Fall nicht mehrheitsfähige Position dargestellt hatte. Die Katastrophe löste eine grundlegende Veränderung im kollektiven Selbstverständnis der Juden als Juden aus und zog offensichtlich selbst einen Vorzeigekommunisten wie Leo Zuckermann in den Bann.25 15

Noch dazu konnte sich Zuckermann in seinem Engagement für die jüdische Sache in Einklang mit der Parteilinie wähnen, obschon in erster Linie der sowjetischen. So legte die dezidiert projüdische Haltung der Sowjetunion in jenen Jahren nachgerade nahe, dass es opportun, wenn nicht gar erwünscht sei, sich für Anliegen einzusetzen, die die Juden als Kollektiv betrafen. Schließlich hatte Stalin nach dem deutschen Überfall im Sommer 1941 die Gründung eines Jüdischen Antifaschistischen Komitees (JAK) angeregt, das vor allem in der westlichen Hemisphäre Unterstützung für die Rote Armee organisieren sollte und seinerseits unter den sowjetischen Juden zu einer Art Renaissance eines kollektiven Selbstverständnisses beitrug.26 Da die Mobilisierung gegen die Deutschen jedoch nicht nur das Sammeln von Spenden, sondern auch den Verweis auf ihre Verbrechen umfasste, geriet die Beschäftigung mit der Judenvernichtung für geraume Zeit – wenn auch mit stark instrumentellen Zügen und nur unter bestimmten Vorzeichen  – zur sowjetischen Parteilinie. Insbesondere in seiner Zeit im mexikanischen Exil war Zuckermann dieser Haltung nahezu exklusiv ausgesetzt. Von der deutschen KP-Führung in Moskau um Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck, die an einer Verbindung nach Mexiko kein Interesse zeigte, war die Merker-Gruppe nämlich abgeschnitten. Stattdessen unterhielt man in Mexiko-Stadt unter anderem enge Kontakte zum sowjetischen Botschafter Konstantin Umansky, der – selbst jüdischer Herkunft – sich etwa dafür eingesetzt hatte, dass die Vertreter des JAK, unter ihnen der Volksheldstatus genießende Moskauer Schauspieler Solomon Mikhoels, während ihrer mehrmonatigen Welttournee im August 1943 in Mexiko-Stadt Station machten.27 Diese zunächst den Kriegsanstrengungen dienende, heute kaum mehr zur Kenntnis genommene projüdische Haltung Stalins hielt, wie auch der Parteinahme der Sowjetunion für den UN-Teilungsplan von 1947 entnommen werden kann, über Zuckermanns Rückkehr nach Deutschland hinaus an, bevor sie ab Ende 1948 innenpolitischen Erwägungen und dem radikalen Kurswechsel der sowjetischen Nahostpolitik zum Opfer fiel.28 Auf einer marxistisch grundierten, horizontal-chronologischen Achse rahmen indes zwei Konstellationen jenes Zeitfenster, deren Betrachtung die Bedeutung der »Zwischenzeit« (Dan Diner) im Denken Leo Zuckermanns erst Konturen gewinnen lässt.29 Zum einen muss ein Weltbild, bevor es irritiert werden kann, zunächst eingeübt werden. Und in der Tat war der bemerkenswerten, für einen deutschen Kommunisten eigentlich nicht vorgesehenen Wiederaneignung jüdischer Herkunft knapp zwei Jahrzehnte zuvor die Hinwendung zum Kommunismus im Sinne einer Neutralisierung derselben vorangegangen. Jedenfalls hatte Zuckermann in der sozialistischen Bewegung eine Bilderbuchkarriere absolviert. Seine politische Heimat hatte 16

er, nach Mitgliedschaft in der Sozialistischen Arbeiter-Jugend (SAJ, 1923) und der SPD (1927), endgültig 1928 mit dem Eintritt in die KPD gefunden. Hier wurde er, aus Elberfeld, einer traditionellen Hochburg der deutschen Arbeiterbewegung, stammend, im Ruhrgebiet aktiv, wo ihn die Partei mit der politischen Schulung von Mitgliedern betraute. Ab 1933 im Pariser Exil, wirkte Zuckermann, von Haus aus Staatsrechtler, als Rechtsberater im Verteidigungskomitee für Georgi Dimitroff, den Angeklagten im Reichstagsbrandprozess, danach im Internationalen Thälmann-Komitee und ab 1936 im Internationalen Asylrechtsbüro, einer von der Kommunistischen Internationale (Komintern) gesteuerten Vorfeldorganisation der Internationalen Roten Hilfe. Angesprochen auf seine jüdische Herkunft hätte Zuckermann zu diesem Zeitpunkt sicher geäußert, dass sie ihm nichts bedeute. Diese gleichermaßen vehemente wie typische Zurückweisung von Herkunft durch Anverwandlung an die sozialistische Bewegung teilte Zuckermann freilich mit einer ganzen Generation junger (nicht nur) deutscher Juden, wie an der Häufung von Juden in den sozialistischen Parteien, in der Komintern, aber auch unter linksgerichteten Schriftstellern und Künstlern der Zwischenkriegszeit ablesbar ist.30 Wenn man so will, stellte der Eintritt in die KPD den radikalsten Schritt zu einer Neutralisierung von Herkunft dar, mit dem sowohl die als überlebt geltende bürgerliche Welt des (deutschen) Judentums als auch – ähnlich einem Gleichheitsversprechen – der Antisemitismus der Umgebungskultur hinter sich gelassen werden sollte.31 Zugleich folgte aus ihm, dass jegliche jüdische Partikularität fortan für gegenstandslos erachtet und für gewöhnlich bekämpft wurde. Zum anderen fand Zuckermanns Engagement für die jüdische Sache im Sommer 1949 ein jähes Ende – zumindest nach außen. Hatte er noch nach seiner Rückkehr im Juni 1947 jüdische SED -Mitglieder zum Eintritt in die jüdischen Gemeinden aufgefordert und diesen Schritt gemeinsam mit seiner Frau selbst vollzogen  – auch dies für sich genommen eine unerhörte Ausnahme –, war er ab Mitte 1949 in jüdischen Fragen nicht länger öffentlich zu vernehmen. Ein letztes Mal meldete er sich im Juni 1949 mit einem Zeitungsartikel zu Wort, in dem er bezeichnenderweise die Sowjetunion – »die Befreier von Maidanek und Auschwitz«  – gegen den »angeblichen« Vorwurf des Antisemitismus verteidigte, den angesichts der einsetzenden Kampagne gegen »Kosmopolitismus« westliche Zeitungen erhoben.32 Schon Zuckermanns Reaktion auf das endgültige Scheitern des maßgeblich von ihm ausgearbeiteten Gesetzes zur Restitution wenige Tage vor Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 ist nicht länger bekannt – um die Bestimmungen zur Rückerstattung beziehungsweise Entschädigung bereinigt, hatte das Zentralkomitee ob der bevorstehenden Staatsgründung hastig lediglich eine 17

Verordnung über Renten und andere sozialfürsorgerische Leistungen für Verfolgte des Faschismus verabschieden lassen.33 Empfand Zuckermann dies als Niederlage? Oder nahm er das Scheitern hin, weil er verstand, dass sich die Lage geändert hatte und drängendere Probleme, wie etwa die Gründung der DDR , höhere Priorität genossen? Hatte er der Frage gar ohnehin nie viel Bedeutung beigemessen und sie im Sinne der zuverlässigen Erfüllung der Parteilinie allein als Pflichtaufgabe verstanden? Wie nachhaltig also war jene Erschütterung seines Weltbildes eigentlich gewesen? Fraglos verweist Zuckermanns plötzliches, bis zum Ende seiner Zeit in der DDR (und darüber hinaus) währendes Schweigen in dieser Frage, das mit der gleichzeitig erfolgenden Kehrtwende der Sowjetunion in der Palästinafrage und mit dem Beginn der Verfolgung von Westemigranten innerhalb der SED einherging, prominent auf die Rolle des Kalten Krieges. Er verschloss jenes Zeitfenster wieder, in dem das Selbstverständnis als Parteikommunist zumindest für einen kurzen Augenblick die gleichzeitige Identifikation als Jude zugelassen hatte. Gleichwohl stellt sich die Frage, weshalb genau Leo Zuckermann zwischenzeitlich eine andere Entwicklung nahm als seine Mitstreiter. Gab es etwas Spezifisches an ihm und seiner Biografie, das es ihm leichter machte, den Charakter der nationalsozialistischen Verfolgungspolitik zu erkennen und ihn aus bestimmten Gründen hierfür empfänglicher werden ließ? Weshalb fanden nicht mehr deutsche Kommunisten zu vergleichbaren Einsichten? Und warum bildete der Holocaust nur ein Randthema in der DDR? Auch diesen Fragen lässt sich mittels der Rekonstruktion der politischen Konversionen Leo Zuckermanns nachgehen. Mit dieser Zielstellung rückt das vorliegende Buch eine Person in den Mittelpunkt, deren zuweilen schillernde, in jedem Fall bewegte Biografie – nicht zuletzt aufgrund ihrer Flucht – einiges Interesse hervorgerufen hat, über die eine Monografie dennoch bislang fehlte.34 Dass der »seinerzeit prominenteste Jude in der SED« (Jay  H.  Geller) in der DDR-Geschichtsschreibung seiner Republikflucht wegen ein Tabuthema blieb, dürfte dabei kaum überraschen.35 Da er zudem, anders als nicht minder prominente »Renegaten« wie Wolfgang Leonhard, Heinz Brandt oder Alfred Kantorowicz, weder einen Augenzeugenbericht noch Tagebücher veröffentlichte,36 fiel er auch westlich des Eisernen Vorhangs bis Mitte der 1980er Jahre dem Vergessen anheim.37 Erst nach dem Ende der DDR , als insbesondere deren stalinistische Frühzeit die Aufmerksamkeit der Historiografie auf sich zog, geriet er wieder verstärkt in den Blick.38 Dass die sich nachgerade aufdrängende, detaillierte Rekonstruktion der politischen Konversionen Leo Zuckermanns vom Verteidiger Georgi D ­ imitroffs zum Anwalt des jüdischen Volkes indes nicht eher in einem Buch untersucht 18

wurde, geht schließlich auf die für gewöhnlich zeitgebundenen Forschungsinteressen zurück, die dem Holocaust als Zivilisationsbruch und Kernereignis des Zweiten Weltkrieges erst mit geraumem zeitlichem Abstand Aufmerksamkeit zuteilwerden ließen. Schon der Pionier der Untersuchung des lateinamerikanischen Exils, der DDR-Historiker Wolfgang Kießling, der bereits ab Ende der 1960er Jahre ein reges Interesse insbesondere an Paul Merker entwickelte, war in seiner Bearbeitung des Gegenstandes den politischen Maßgaben der ostdeutschen Geschichtswissenschaft gefolgt, die dem Holocaust in der Darstellung der NS -Vergangenheit keine besondere Bedeutung einräumte.39 Und auch bundesdeutsche Historiker, die sich ab den späten 1970er Jahren mit dem mexikanischen Exil befassten, taten dies primär aufgrund eines neu artikulierten Interesses der westdeutschen Öffentlichkeit am deutschsprachigen Exil an sich, wobei nicht die Wahrnehmung des Holocaust, sondern institutionelle und organisatorische Aspekte dominierten.40 So befragte 1978 der deutsche Anthropologe Eckart Boege in einer Reihe mehrstündiger Interviews Zuckermann zwar ausführlich zu dessen Werdegang innerhalb der kommunistischen Bewegung, sparte jedoch die sich heute aufdrängende Frage nach seinem Engagement für jüdische Belange aus.41 Nach dem Ende der Blockkonfrontation 1989/90 verstand es die Geschichts­ wissenschaft dann durchaus als ihren Auftrag, sich den lange ausgeblendeten jüdischen Anteilen der DDR-Geschichte zuzuwenden, die es nun gleich einem bislang tabuisierten Kapitel aufzuarbeiten galt.42 Die Forschung richtete ihren Fokus nicht von ungefähr primär auf jene von der SED -Führung initiierten Säuberungskampagnen der frühen 1950er Jahre, mit der Zeit der Verfolgungen ab 1949/50 und den Anschuldigungen gegen Noel H. Field im Zentrum.43 Auch das mexikanische Exil um Paul Merker, das als ein zentraler Ausgangs- und Kristallisationspunkt der Anfeindungen gegen Westemigranten lokalisiert wurde, erfuhr nun noch einmal eine verstärkte Aufmerksamkeit,44 inklusive verschiedener Verweise auf Leo Zuckermann als einen seiner prägendsten Angehörigen.45 Eingehende Analysen der Frage, weshalb kommunistische Funktionäre wie dieser oder Paul Merker im mexikanischen Exil zu derartigen Einsichten bezüglich der jüdischen Frage gelangt waren, resultierten daraus jedoch nicht – was genau in Mexiko dazu geführt hatte, dass Parteisoldaten wie Merker und Zuckermann plötzlich nicht länger auf traditionelle Interpretationsmuster in der kommunistischen Deutung der »Judenfrage« zurückgriffen beziehungsweise diese offenbar durchlässig geworden waren, blieb unbeantwortet.46 Mit dem zeitlichen Abstand von heute lesen sich nicht wenige dieser Studien zum Komplex »Die DDR und die Juden« letztlich als Beschäftigung mit der Frage, wie antisemitisch die DDR gewesen sei  – als Arbeiten also, 19

die die DDR entweder des Antisemitismus zeihen,47 oder solche, die eine Art »Ehrenrettung« betreiben.48 So, wie die deutsche Zeitgeschichtsforschung im Zuge der Wiedervereinigung ganz allgemein darüber stritt, welchen Cha­ rakter die untergegangene DDR nun hatte: Unrechtsstaat und zweite Diktatur auf deutschem Boden oder historisch legitimes sozialistisches Experiment – wobei wenig überraschend westdeutsche Forschungen die Deutungshoheit ausübten –, standen auch die Arbeiten zur Geschichte der Juden in der DDR und zu verwandten Themen unter jenem Vorbehalt. Die Pole lagen dabei denkbar weit voneinander entfernt: Hier der Vorwurf, Juden in der DDR seien willfährige Diener des SED -Regimes gewesen,49 dort der Versuch, nachzuweisen, es hätte in der DDR keinen Antisemitismus gegeben.50 Ungeachtet der in solchen Urteilen zum Ausdruck kommenden Unschärfen, die nur wenig zwischen antizionistischen, antisemitisierenden und offen antisemitischen Tendenzen der SED unterscheiden, rekurrierten diese Untersuchungen der Manifestation linker Judenfeindschaft nach 1945 offenbar durchaus auf die Vernichtung der Juden als Folie – eine Motivation, die untergründig von der Wucht des Holocaust angeleitet ist, der vor- wie nachgelagerte Zeiten in seinen Bann zieht.51 Ein weiterer Grund dafür, dass die Person Zuckermanns bislang unter dem Radar blieb, war im Scheitern der Restitutionsgesetzgebung 1948/49 in der SBZ / DDR begründet, deren Besonderheit schlichtweg übersehen wurde. Dass die Geschichte der »Wiedergutmachung« von NS -Unrecht in der Bundesrepublik mittlerweile als umfassend erforscht gelten kann, war das Resultat eines langen Weges.52 Die nunmehr alle Facetten ausleuchtende Literatur würdigt in Breite etwa den für beide Seiten schwierigen Prozess der Ausarbeitung des Luxemburger Abkommens, die verschiedenen Nachbesserungen des Bundes­ entschädigungsgesetzes (BEG) oder die Auswirkungen der »Wiedergut­ machungsleistungen« auf die Entstehung der jüdischen Gemeinden in Westdeutschland.53 Auch der nicht zu unterschätzende Einfluss des Abkommens auf die Entwicklung der deutsch-israelischen Beziehungen, ja in Bezug auf die Langzeitwirkung einer letztlich weitgehend gelungenen (beziehungsweise materiell zumindest in weiten Teilen erfolgten) Vergangenheitsbewältigung in der Bundesrepublik ist mithin erforscht und anerkannt.54 Hinsichtlich der SBZ indes haben die letztendlich erfolglosen Bemühungen von Merker, Zuckermann und anderen, die Juden als Gruppe zu begreifen und ihnen Entschädigungs- beziehungsweise »Wiedergutmachungsleistungen« zukommen zu lassen, dazu geführt, dass die mit dem zeitweiligen Einverständnis der SED -Führung einhergehende Ausnahme wie auch die ihr vorausgehende Genese derartiger Forderungen unter Kommunisten angesichts des westdeutschen »Erfolgsmodells« verblassten, ja unbeachtet blieben. Zwar existieren 20

gelegentliche Verweise, wo und unter welchem Eindruck diese Konzepte entstanden.55 In wessen Nähe jedoch Zuckermann und Merker sich damit begaben, und dass ihre Bestrebungen um Restitution Teil eines weltweiten Phänomens waren, wurde in der Diskussion über die »Wiedergutmachungsproblematik« bislang nicht wahrgenommen. Verortet man Leo Zuckermann indes innerhalb dieser Konstellation, gerät der sowjetische Machtbereich in den Blick, der bislang, abgesehen von Beispielen vornehmlich in Polen,56 dem Schauplatz der Katastrophe, als Terra incognita hinsichtlich jenes sich kollektiv äußernden neuen jüdischen Selbstverständnisses nach Auschwitz galt. In der Tat sind in jüngster Zeit immer mehr Beispiele zutage gefördert worden, die derartige, unter dem Kalten Krieg in Vergessenheit geratene Manifestationen betreffen.57 Offenbar lebten jedoch nicht nur unter den sich volksdemokratisch homogenisierenden Staaten in Ost- und Mitteleuropa, nachdem 1946 Tausende jüdische Holocaustüberlebende in Reaktion auf neue Pogrome in Polen und Ungarn gen Westen geflohen waren, Versuche fort, jüdische Erfahrungen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges juristisch, politisch und kulturell angemessen zu fassen.58 Wie Zuckermann, aber auch das Beispiel des nichtjüdischen Kommunisten Paul Merker zeigt, fanden sie auch in der Öffentlichkeit der SBZ eine nicht unerhebliche Resonanz. Insofern ist diese räumlich erweiterte Perspektive angetan, noch einmal einen neuen Blick auf die Haltung der deutschsprachigen Arbeiterbewegung bezüglich der Wahrnehmung des Holocaust zu werfen. Denn dass die Vernichtung der europäischen Juden keinen Platz in der Erinnerung dieser, und hier insbesondere jener der DDR hatte, wurde bislang vorwiegend mittels zweier Faktoren erklärt, die jene Versuche allerdings nicht zur Kenntnis nahmen. Als erster Grund ist häufig eine gleichsam intentionale, den Anforderungen der Zeit geschuldete Ausblendung betont worden, die ihren Hintergrund im Konzept des »verordneten Antifaschismus« gehabt habe. Dieser sei seitens der SED primär als Herrschaftsinstrument eingesetzt worden, um angesichts einer Bevölkerung, die sich nicht selbst befreit hatte, politische Legitimität zu stiften.59 Was als Grund zweifelsohne in Betracht zu ziehen ist, ging gleichwohl mit einer Ausschließlichkeit einher, die den Blick auf weitere Faktoren verstellte. So konzentrierten sich weite Teile der Forschung zur Frühgeschichte der DDR , die nach deren Ende wesentlich vom Impuls der Aufarbeitung der SED -Diktatur motiviert war, auf die Darstellung von Institutionen, Herrschafts- und Strukturverhältnissen und grenzten zugleich ihren Untersuchungszeitraum stark ein – auf die Zeit ab 1945 beziehungsweise 1949.60 Derart wurde nicht nur die unmittelbare Nachkriegszeit vor Gründung der DDR – jene »Zwischenzeit« – nicht als eigenständige Epoche begriffen; auch, dass beispielsweise der Antifaschismus nach 1945, war er nun 21

verordnet oder nicht, in der Erfahrungswelt der SED -Führung nahtlos an das Jahr 1933 anschloss, diesem also von vornherein etwas Ausschließendes innewohnte, geriet nicht in den Blick.61 »Nach Hitler wir!« aber hatte die deutsche Arbeiterbewegung kurz vor der Machtübertragung an die Nationalsozialisten als Parole ausgegeben, weshalb genau genommen zu vernachlässigen war, wofür dieser eigentlich stand. Eine der Tendenz nach ähnlich monokausale Erklärung boten ferner Argu­ mentationen an, die die bisweilen feindliche Haltung der SED -Führung gegenüber Juden und jüdischen Fragen (und damit einhergehend Ansprüchen etwa auf »Wiedergutmachung«) vornehmlich weltanschaulich, das heißt in der Ideologie des Marxismus begründet, deuteten.62 Dabei waren auch diese, meist in den 1990er Jahren entstandenen Arbeiten zweifelsohne von der Verstörung darüber angetrieben, zu erklären, »wie es nur sieben Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus dazu kommen konnte, daß sich ein ›Antizionismus‹ mit offen antisemitischen Zügen in der Propaganda äußern und gar in Verfolgungen münden konnte – und das ausgerechnet in jenem deutschen Teilstaat, der sich als sozialistischer und wesenhaft antifaschistischer Staat verstand«.63 Die zur Begründung vorgebrachte Affinität kommunistischer Ideologie zu antisemitischen Welterklärungen, die per se angelegt gewesen sei, sich in Zeiten nationalistischer Propaganda jedoch auch offen auf Juden als einen der deutschen Kultur »fremden« Einfluss kaprizieren konnte, übersieht allerdings Verschiedenes. Nicht nur wertet sie äußere Einflüsse – in diesem Fall den anhebenden Kalten Krieg beziehungsweise die mit der deutschen Teilung verbundene Frage nach der Legitimität des SED -Regimes – eher gering; sie kann zudem nicht erklären, weshalb sowohl erwiesene Kommunisten wie Zuckermann als auch die SED -Führung zwischenzeitlich das Gegenteil vertraten und plötzlich zu Parteigängern jüdischer Anliegen wurden.64 An Leo Zuckermann und seinen politischen Wandlungen gerät somit ein weiterer Faktor in den Blick, der aus kommunistischer Perspektive sowohl die eigentlich nicht vorgesehene Hinwendung zu jüdischen Fragen als auch das Abrücken von ihnen – und damit den Platz des Holocaust in der Geschichte der Arbeiterbewegung an sich  – erklären kann. Tatsächlich gehen neuere Ansätze zur Rezeption des Holocaust davon aus, dass der Stellenwert, den die Judenvernichtung nach dem Krieg einnahm, nicht allein in zeitgenössischen Anforderungen und weltanschaulichen Überzeugungen seinen Ursprung hatte, sondern ebenso – wenn nicht sogar stärker – in parallel zum Ereignis verlaufenden oder vorgelagerten Arsenalen von Erfahrung und Erkenntnis.65 So ist dargestellt worden, dass die Wahrnehmung des jüdischen Schicksals in den europäischen Nachkriegsgesellschaften auch von jeweils eigenen, in die Vorzeit zurückreichenden nationalen Erfahrungsbeständen bestimmt 22

und zuweilen überlagert wurde – in Frankreich etwa von der Verstrickung in das Vichy-Regime, das die Mehrheit der Franzosen nach 1945 als von außen oktroyiertes Sonderkapitel von sich wies; in Osteuropa hingegen von den Folgen der sowjetischen Besatzung, die beispielsweise in Polen, den baltischen Staaten und Ungarn die eigene Wahrnehmung als Opfer hervor-, Fragen möglicher Kollaboration jedoch zurücktreten ließ.66 Der vornehmlich entlang der sozialen Frage determinierte Begründungszusammenhang des anhebenden Kalten Krieges, der die historischen Gedächtnisse ab den späten 1940er Jahren gleichsam überfror, tat sein Übriges, die ohnehin mit erheblichen Widerständen belegte Erinnerung an die Ermordung der Juden zu verschütten. Der Arbeiterbewegung, die nach 1945 in den Ostblockstaaten staatstragend wurde, kommt in dieser Konstellation eine herausgehobene Stellung zu, schließlich bildet sich der Zusammenhang von vorgelagerter Erfahrung und Nichtwahrnehmung des Holocaust an ihr besonders deutlich ab: Ihr ausgesprochen langes historisches Gedächtnis, dessen Ursprünge bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückreichen, deutet  – verbunden mit einem unaufhaltsam in die Zukunft strebenden Weltbild – jedenfalls auf eine besonders wirksame wie folgenreiche Vorprägung hin.67 Hinweise auf die Wirkung jener Kategorie der »Erfahrung« auf die Geschichte der Linken gab es unter Rückgriff auf die ab den 1980er Jahren populär werdende Gedächtnisgeschichte zuhauf.68 So etwa darauf, dass sich die DDR-Geschichte wie eine mystifizierte Territorialisierung der Geschichte der KPD, eine staatgewordene Engführung der Weimarer Erfahrung lesen lasse.69 Ferner ist früh angemerkt worden, dass nahezu alle Politiker der ersten Generation der SED -Führung ihre biografische wie weltanschauliche Prägung in der KPD der 1920er und 1930er Jahre oder noch früher erhalten hatten und die Nachkriegszeit primär vor diesem Erfahrungshintergrund gestalteten (ein Befund, der wenig überraschend in ähnlicher Weise für die Bundesrepublik gilt).70 Auch die lange Tradition des deterministischen Geschichtsbildes in der deutschen Arbeiterbewegung, das ein Begreifen eines Ereignisses wie A ­­ uschwitz, das sich herkömmlichen Auffassungen von Vernunft und Rationalität entzog, erheblich erschwerte, wurde mehrfach aufgerufen.71 Exemplarisch lässt sich der Gewinn eines solchen erfahrungsgeschichtlichen Zugriffs an der Geschichte Louis Fürnbergs und F. C. Weiskopfs – in vielerlei vergleichbare Weggefährten Leo Zuckermanns in der kommunistischen Bewegung – im Schatten des Prager Slánský-Prozesses entnehmen.72 Hier wurde die landläufige Wahrnehmung des Prager Schauprozesses als spätstalinistisches, zuvorderst dem Kalten Krieg geschuldetes Tribunal kürzlich um die Betrachtung des untergründigen Fortwirkens von Nationalitätenkonflikten zwischen Tschechen, Slowaken, Deutschen und Juden aus der Zwischen23

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kriegszeit ergänzt, die nicht zuletzt trotz – oder wegen – des Holocaust nach 1945 noch einmal wirksam wurden. In Bezug auf die SBZ und die DDR führt das vorliegende Buch demnach Arbeiten fort, die zur Erklärung der Leerstelle des Holocaust die Bedeutung von Erfahrung anmerkten, sie jedoch nicht explizit behandelt haben.73 Übertragen auf Leo Zuckermann bedeutet dies, dass man seinem bemerkenswerten Engagement für das jüdische Kollektiv von Mitte bis Ende der 1940er Jahre nur gerecht wird, wenn man die Vor-, und in gewissem Sinne auch die Nachgeschichte einbezieht. Dies betrifft nicht nur die Rekonstruktion der als Neutralisierung von Herkunft vollzogenen Abwendung vom Judentum hin zum Kommunismus und die zeitweilige Irritation dieser Konversion im mexikanischen Exil, sondern insbesondere die Eigenheiten in Zuckermanns Biografie, die diese Wandlung begünstigten. So ist dem Fakt, dass Zuckermanns Eltern aus Polen stammten und sich erst 1905 in Deutschland niederließen (und er selbst auf einer Reise zu Verwandten in Lublin geboren wurde), womöglich mehr Bedeutung beizumessen als bislang angenommen. Jedenfalls gab er später an, in seinem Elternhaus mit Residuen der jüdischen Tradition – der jiddischen und hebräischen Sprache, Festen des jüdischen Kalenders, koscherer Küche und anderem mehr – konfrontiert gewesen zu sein, von denen er sich in seiner Jugend zwar radikal distanzierte, die ihn aber dennoch prägten.74 Nicht von ungefähr verweisen die sichtbar werdenden Überreste jüdischer Tradition im Elternhaus Zuckermanns auf die Geltung eines sich stärker als nationales Kollektiv verstehenden jüdischen Selbstverständnisses, wie es die jüdischen Lebenswelten des östlichen Europa bis weit in das 20. Jahrhundert hinein und im Gegensatz zur weithin assimiliert-säkularen jüdischen Erfahrung in West- und Mitteleuropa bestimmte.75 Demnach dürfte Zuckermanns stärkere Vertrautheit mit Residuen jüdischer Kollektivität ausschlaggebend gewesen sein, ihn für die Verfolgungserfahrung der Juden als Gruppe empfänglicher zu machen, und dies bereits vor der ab 1942 ruchbar werdenden planmäßigen Vernichtung. Dann wäre etwa sein politisches Engagement der 1930er Jahre, als er als Vertreter des Pariser Asylrechtsbüros beispielsweise auf der Konferenz von Évian im Juli 1938 hautnah mit dem Schicksal der jüdischen Flüchtlinge aus dem Reich in Berührung kam, neu zu bewerten, und dies ungeachtet der Tatsache, dass er sich hier noch strikt im Sinne der Parteilinie positionierte.76 Und auch dass sich Zuckermann im mexikanischen Exil mit seiner Konzeption kollektiver Restitution jüdischen Eigentums Positionen annäherte, ja von diesen inspiriert wurde, denen ihrerseits die kollektivjüdische Erfahrung des östlichen Europa als politisches Programm zugrunde lag,77 würde dann nicht länger verwundern. Vielmehr erschließt sich hier ein neuer, bislang oftmals übersehener Resonanzraum für die Kontextua­ 24

lisierung der Geschichte der KPD, ja der SED, der die Zwischenkriegszeit als Ereignisraum ernst nimmt. Genau genommen erlaubt die Untersuchung einer derartigen Prägung eine erkenntnisleitende Kontrastierung mit der hegemonialen Erfahrung im Deutschen Reich, wo ethnische Gemengelagen innerhalb der KPD – anders als etwa in der Tschechoslowakei – eigentlich nie eine nennenswerte Rolle spielten, sondern die soziale Frage in ihrer reinsten Form im Zentrum stand.78 Welcherart derlei Gedächtnisräume und lebensweltliche Erfahrungen die Wahrnehmung des Holocaust durch einen Angehörigen der kommunistischen Bewegung strukturierten, lässt sich an Leo Zuckermann gleichermaßen exemplarisch wie paradigmatisch rekonstruieren. Recht eigentlich fokussiert das Buch somit auf widerstreitende Selbstverständnisse in seiner Biografie, insofern es von einem Nebeneinander zweier Zugehörigkeiten ausgeht, einer kommunistischen und einer jüdischen. Nicht eine von beiden ist heranzuziehen zur Erklärung dafür, weshalb der Musterkommunist Leo Zuckermann 1952 die DDR fluchtartig verließ, sondern beide und wie sie sich zu unterschiedlichen Zeiten bedingten, überlagerten oder auch im Wege standen.79 Dieses Spannungsverhältnis darzustellen und zugleich zur Erklärung des Platzes, der dem Holocaust in der kommunistischen Bewegung zukam, fruchtbar zu machen, ist Aufgabe dieser Studie.

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Kapitel 1

Neutralisierung von Herkunft (1908–1939)

1.1  Restitution und Wiedergutmachung I: Höhepunkt einer Verwandlung Im April 1948 publizierte Leo Zuckermann in der traditionsreichen, seit 1946 wieder in Berlin verlegten Wochenschrift Die Weltbühne einen schlicht Restitution und Wiedergutmachung überschriebenen Artikel. Der nur drei Seiten zählende Text stellt in gewisser Weise, in qualitativer wie chronologischer Hinsicht, den Höhepunkt seines Engagements für die jüdische Sache dar. Ausgehend von der Beobachtung, dass verschiedene Gesetzesvorhaben zur »Wiedergutmachung« nationalsozialistischen Unrechts in allen vier Besatzungszonen mit »großem Interesse diskutiert« würden, wobei diese Diskussionen »manchmal den Charakter heftiger Polemik angenommen« hätten, beabsichtigte Zuckermann nichts weniger, als hinsichtlich dieser Frage »über den wahren Charakter des Problems aufklärend [zu] wirken«. Ganz Jurist definierte er zunächst, auf wen sich die »Wiedergutmachung« erstrecke – »auf die politisch Verfolgten und auf die Juden« –, führte dann die Gründe dafür aus und legte dar, welche Ansprüche sich daraus ergäben.1 Hinter der trockenen juristischen Sprache verbarg sich politischer Sprengstoff. In Bezug auf die erste Gruppe von Anspruchsberechtigten, die politisch Verfolgten, machte Zuckermann geltend, sie hätten den Kampf gegen den Nationalsozialismus »aus freiem, eigenem Entschluß« geführt, weshalb er »notwendigerweise das Risiko auf Verfolgung, Verlust der Freiheit, der Gesundheit und des Lebens« eingeschlossen habe. Der »Lohn« für derartige Entbehrungen bestehe deshalb bereits darin, »selbst ein Teil der neuen, werdenden Staatsordnung [zu sein] und an der Neuordnung der Dinge« teilzu­haben. Begleitend möge der neue Staat selbstverständlich Maßnahmen ergreifen, um die »physischen und sozialen Wunden«, die diese Antifaschisten »infolge ihres Einsatzes für die Interessen des deutschen Volkes erlitten [hätten]«, zu heilen.2 »Grundsätzlich anders«, so Zuckermann, stelle sich das Problem für »die ehemals verfolgten und politisch nicht aktiven Juden« dar. Während Antifaschisten das Risiko der Verfolgung bewusst auf sich genommen hätten, »verfolgte, beraubte und ermordete« man die Juden einzig aus dem Grund, 27

»weil sie Juden waren, nicht aber, weil sie gegen das 3. Reich konspirierten«. Es habe sich bei ihrer Verfolgung also »nicht um die Beseitigung eines politischen Gegners im Innern« gehandelt, vielmehr sei ihnen als Gruppe ein »Krieg erklärt« worden. Aufgrund dieser spezifischen, keine Ausnahme kennenden »Ausrottung« hielt Zuckermann umfangreiche Restitutions- beziehungsweise Ersatzleistungen für geboten, als deren Empfänger er zwei Gruppen auswies, »ausgewandert[e] Juden« und »Juden, die ihren festen Wohnsitz in Deutschland haben«. Ansprüche der ersten Gruppe, deren Angehörige als Ausgewanderte nicht mehr Teil des deutschen Staatsverbandes waren, sollten dabei nicht in Form der »Restitution der einzelnen Vermögensobjekte« realisiert werden, sondern als Schadensersatz an ein Kollektiv. Als dessen Vertretungsinstanz sah er »einen jüdischen [Staat]« in Palästina, der nach den Beschlüssen der Vereinten Nationen vom 29. November 1947 (UN-Teilungsplan) bereits unmittelbar auf seine Errichtung hinstrebe. Für Juden beziehungsweise jüdische Rückkehrer, die jedoch beabsichtigten, ihren Wohnsitz dauerhaft in Deutschland zu nehmen, erachtete Zuckermann unterdessen die »Rückgabe des ihnen von den Nazis geraubten Eigentums« für möglich oder, sollte es nicht mehr ermittelt werden können, dessen Entschädigung.3 Als Leo Zuckermann diese Zeilen verfasste, war er nicht irgendwer. Im Frühjahr 1948 bekleidete er die Position eines Hauptreferenten der Abteilung Landespolitik beim Parteivorstand der SED in Berlin, das heißt, er zeichnete in leitender Funktion für die Durchsetzung der Parteiinteressen gegenüber den Verwaltungen der Länder verantwortlich. Sein Arbeitsplatz lag im Haus der Einheit, der Parteizentrale im Berliner Stadtzentrum, wohin er Tag für Tag von einem Fahrer chauffiert wurde, und auch seine Tätigkeit als juristischer Berater und Redenschreiber für den heimlichen Parteichef Walter Ulbricht signalisierte die Zugehörigkeit zur Parteinomenklatur. Umso mehr waren seine Einlassungen in der Weltbühne höchst erstaunliche Bekundungen, zumal er wiederholt in der ersten Person Plural sprach, mithin so etwas wie die Parteilinie wiederzugeben vorgab. In seinem Artikel stellte er zudem nicht nur Reparationen an einen zu gründenden jüdischen Staat in Aussicht; zugleich kündigte er – wenngleich mit der Einschränkung »im Rahmen der Neuordnung« – an, dass die »Arisierungen« jüdischen Vermögens auf dem Gebiet der SBZ rückgängig gemacht würden. Konkret bezog er sich hierbei auf jenen Entwurf eines »Wiedergutmachungsgesetzes« für die SBZ von Anfang des Jahres, der am 26. Januar 1948 die Zustimmung des Zentralsekretariats der SED gefunden hatte, und der neben sozialfürsorgerischen Leistungen für alle Verfolgten zudem Maßnahmen zur Rückerstattung beziehungsweise Entschädigung geraubten Eigentums vorsah.4 Obwohl sein Artikel auf den ersten Blick also ein gewöhnlicher Debattenbeitrag für die auch in den West28

zonen gelesene Weltbühne zu sein schien – und ein solcher ja auch war, da er die zu jener Zeit in ganz Deutschland diskutierte Frage der »Wiedergutmachung« in Einklang mit der Haltung der SED zu bringen suchte –, gewann er über die Tagespolitik hinaus tiefergehende Bedeutung. Aus historischer Perspektive betrachtet, verfocht Zuckermanns kurzer Text genau genommen ein genuin sozialistisches Programm zur Restitution jüdischer Vermögenswerte in Deutschland  – und war damit ein Beitrag zur Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit, wie er auf dem Gebiet der späteren DDR bekanntermaßen vierzig Jahre lang ausblieb, und erst 1990 wieder mit dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (dessen Verabschiedung allerdings bereits aus Gründen der Rechtssicherheit im Hinblick auf die anstehende Wiedervereinigung erfolgte) unternommen wurde.5 Im Nachhinein überrascht an Zuckermanns Beitrag nicht nur, dass innerhalb der SED für einen gewissen Zeitraum offenbar Stimmen geduldet, ja unterstützt wurden, die das jüdische Schicksal während des Zweiten Weltkrieges ernst nahmen. Denn dass sich ein deutscher Kommunist – selbst wenn er jüdischer Herkunft war – überhaupt derart für jüdische Angelegenheiten verwandte, kommt in der Rückschau einem Tabubruch gleich. Zwar hatte es innerhalb der deutschsprachigen kommunistischen Bewegung wiederholt Versuche gegeben, unter jüdischen Linken Anhänger für die Partei zu werben, so etwa in der Propagierung einer jüdischen Sowjetrepublik im Fernen Osten der Sowjetunion, in Birobidschan, die ab Ende der 1920er Jahre auch in Deutschland eine nennenswerte Unterstützungsbewegung generiert hatte. Das alles geschah freilich unter dem Vorzeichen, kollektive jüdische Merkmale abzulegen und Juden als Arbeiter endlich »produktiven« Tätigkeiten zuzuführen.6 Alles in allem jedoch war das Verhältnis der Kommunisten zu den Juden – angefangen bei Marx’ Studie Zur Judenfrage (1843/44) – von einer Mischung aus Gleichgültigkeit und Ablehnung geprägt gewesen. Dessen berühmtes Diktum, wonach eine »Organisation der Gesellschaft, welche die Voraussetzungen des Schachers […] aufhöbe, [auch] den Juden unmöglich« machen würde, kann als Keimzelle der fortan zum Dogma geronnenen Position innerhalb des traditionellen Marxismus angesehen werden, wonach die »Judenfrage« (und mit ihr der Antisemitismus) ein zu vernachlässigendes Problem darstelle, das mit dem Übergang in die sozialistische Gesellschaft verschwinden würde.7 Das zumindest hatten Generationen deutschsprachiger sozialistischer Parteitheoretiker von August Bebel8 und Karl Kautsky 9 über Otto Bauer10 bis hin zu Otto Heller11 bis in die Zeit der Weimarer Republik stets aufs Neue postuliert. Jedenfalls hatte der Antisemitismus, geschweige denn seine Spezifik innerhalb der nationalsozialistischen Weltdeutung, keinen eigenständigen Platz in den Analysen der KPD erhalten, und auch für eine 29

besonders emphatische Reaktion auf die Lage der deutschen Juden ab 1933 waren die deutsche Arbeiterbewegung und die KPD nicht bekannt. Einzig im Zuge der Novemberpogrome veröffentlichte die Parteiführung 1938 eine der wenigen, den Antisemitismus verurteilenden Erklärungen.12 Selbst nach dem Zweiten Weltkrieg sahen hochrangige Parteifunktionäre wie Walter Ulbricht die vermeintliche Aufgabe des Antisemitismus fortgesetzt darin, die Arbeitermassen von den wahren Schuldigen ihrer Ausbeutung – einer Handvoll Industrieller und Großagrarier – abzulenken.13 Dass sich ein Kommunist derart mit jüdischen Fragen beschäftigte und für die Juden als Kollektiv Partei ergriff, war also ungewöhnlich. Zudem erstaunen insbesondere jene Passagen, in denen Zuckermann von den Juden ganz selbstverständlich als »Volk« sprach. »Das jüdische Volk hat die gleichen Ansprüche auf Wiedergutmachung wie die anderen überfallenen Völker«, heißt es etwa in seinem Artikel, oder: »Der Nazistaat hatte dem gesamten jüdischen Volk den Krieg erklärt.«14 Seine Auffassung von Juden als Volk, also als distinktes ethnisches Kollektiv, das zudem auf einen Staat hinstrebe, und nicht länger als eine »Kaste von Händlern«, deren Tage gezählt seien, stellte das in dieser Hinsicht geltende zentrale Dogma der Partei über die Juden nachgerade auf den Kopf. Der junge Friedrich Engels etwa, der sich nicht sicher war, »ob sie überhaupt zu einer Nationalität gehören«,15 hatte die Juden 1851/52 noch nicht einmal zu den »geschichtslosen« Völkern der Tschechen, Kroaten, Bulgaren, Ukrainer und anderen mehr gezählt, die im Zuge des Ausgreifens des Kapitalismus dem Untergang geweiht seien.16 Lenin wiederum hatte 1903 in Diskussion zeitgenössischer Thesen des Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbundes (Bund) dekretiert, die »in wissenschaftlicher Hinsicht in keiner Weise haltbare Idee eines besonderen jüdischen Volkes« sei »ihrer politischen Bedeutung nach reaktionär«.17 Und auch Stalin hatte 1913 in Entgegnung auf den Austromarxisten Otto Bauer davon gesprochen, die »jüdische Nation [höre] zu existieren« auf.18 Während die höchsten Autoritäten der kommunistischen Bewegung also davon ausgingen, dass die Juden entweder keine Nation bildeten oder dabei waren, diesen Charakter endgültig zu verlieren, betrachtete Zuckermann die Juden – wie er offenbar aus ihrem Schicksal unter den Nazis abgeleitet hatte – nicht länger allein als Vertreter einer zur Assimilation bestimmten »Kaste«. Vielmehr nahm er nunmehr an, die Juden hätten aufgrund der ihnen zuteilgewordenen Verfolgung den Status eines ethnischen Kollektivs angenommen, woraus sich zudem kollektive Ansprüche ableiteten. Mit einer solchen Position stellte sich Zuckermann nicht nur außerhalb des marxistischen Kanons. Auch in den Reihen der KPD / SED nahm er damit eine Außenseiterrolle ein, insofern ihm die Integration des jüdischen Schicksals während des Zweiten Weltkrieges in eine sozialistische 30

Zukunftsperspektive offenkundig ein Anliegen war, der Holocaust in seinem Weltbild also, anders als bei der Mehrheit der Parteiführung, eine Reaktion nach sich gezogen hatte. Noch verwunderlicher sind Zuckermanns Aussagen vor dem Hintergrund, dass er selbst zu jener Kohorte junger Juden in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehörte, die das im Kommunismus aufgehobene Versprechen vom Verschwinden einer jüdischen Nation dankbar aufgenommen hatte. Der in die Zukunft gerichtete Internationalismus der kommunistischen Bewegung, der Klasse über Ethnos stellte, hatte ihnen verheißen, Vergangenheit – und damit Herkunft  – spiele keine Rolle mehr.19 Egal welche Gründe für diese »Konversionen« im Einzelnen ausschlaggebend waren – die als rückständig wahrgenommene jüdische Tradition, der Antisemitismus der Umgebungskultur, die als »überholt«, wenn nicht »verkommen« erachtete bürgerliche Welt der zu Wohlstand gelangten Eltern oder ein dem Judentum inhärenter ethischer Auftrag zur Verbesserung der Welt  –, für gewöhnlich stellte die »rote Assimilation« eine unwiderrufliche Entscheidung dar.20 Zwar mochte diese im Alter im Privaten aufweichen, jedoch nur in seltensten Fällen – etwa bei dem österreichischen Kommunisten Bruno Frei (1897–1988) – führte sie zu offener Parteinahme für jüdische Anliegen. Dieser äußerte in seiner Autobiografie Der Papiersäbel (1972) nicht nur äußerst freimütig, dass A ­ uschwitz sein marxistisches Weltbild erschüttert habe; 1967 war er auch federführend daran beteiligt, die Kommunistische Partei Österreichs davon abzuhalten, angesichts des Sechstagekrieges in den Chor der Ostblockstaaten einzustimmen, die Israel verurteilten.21 Umso mehr stellt Leo Zuckermanns Artikel Restitution und Wiedergutmachung aus dem Jahr 1948 und die darin zum Ausdruck kommende Parteinahme für die Juden als Kollektiv ein seltenes Dokument einer Zurücknahme dieser Neutralisierung von Herkunft dar. Vor welchem Hintergrund sich diese unterdessen einst vollzogen hatte, ist nachfolgend Gegenstand des Kapitels.

1.2  Helft Sowjetrußland! oder Judentum ex negativo: Porträt einer Generation Im Frühjahr 1922 ereignete sich im Hause des Rabbiners Joseph Norden (1870–1943) in der Genügsamkeitsstraße 7, Elberfeld, ein veritabler Eklat. Über Wochen stellte der Postbote, sehr zum Unmut des Rabbinerehepaares, »Hunderte von großen und kleinen Paketen mit Werkzeug, wenig gebrauchten Schuhen, Anzügen und Kleidern, auch mit Wäsche« zu.22 Die unerwartet 31

zahlreichen Spenden gingen auf einen Aufruf des 18-jährigen Rabbinersohnes Albert Norden (1904–1982) vom Februar zurück, den dieser in den von ihm gemeinsam mit Erich Glückauf publizierten Rundbriefen für die radikal-sozialistische jüdische Jugend veröffentlicht, und für die er – ohne deren Wissen – die Adresse der Eltern im Gemeindehaus als Sammelstelle angegeben hatte.23 Sein Appell trug den bezeichnenden Titel Helft Sowjetrußland! und rief dazu auf, die Sowjetbevölkerung nach vier Jahren des Bürgerkrieges und einer verheerenden Hungerkatastrophe beim Wiederaufbau des Landes – in Nordens Worten: bei der Verwirklichung des »messianische[n] Ideal[s]« – zu unterstützen.24 Die eingegangenen Spenden leitete Norden zu diesem Zweck an die Internationale Arbeiterhilfe in Berlin unter der Leitung Willi Münzenbergs weiter, der die anschließende Verteilung oblag. Im adoleszent-rebellischen Portfolio des späteren Mitglieds des Politbüros der SED Albert Norden stellte die Spendenaktion, die zum wiederholten Male die Frage aufwarf, ob der Sohn nicht besser der elterlichen Wohnung zu verweisen wäre, nur einen weiteren Höhepunkt weithin sichtbarer Konfrontationen mit dem Elternhaus dar. Nach einem Schulverweis wegen politischer Betätigung zwei Jahre zuvor hatte Norden es nicht nur ausgeschlagen, das Abi­ tur an einem anderen Gymnasium nachzuholen, sondern sich auch der von seinem Vater angedachten akademischen Ausbildung verweigert. Stattdessen absolvierte er, um es seinen proletarischen Genossen des Kommunistischen Jugendverbandes (KJVD) gleichzutun, ab 1920 eine Lehre als Schreiner.25 Auf gründliche Art und Weise, so ist man versucht zu sagen, gedachte Norden, dadurch seiner Klasse zu entkommen. Zugleich nahm er durch diesen Schritt eine Neutralisierung seiner jüdischen Herkunft vor, während das Wohl des Sowjetvolkes – der neue Träger des erwähnten messianischen Ideals – in einer quasireligiösen Verlängerung den Platz eines vakant gewordenen Glaubens ausfüllte. Für den 1908 geborenen, vier Jahre jüngeren Leo Zuckermann sind ähnliche Auseinandersetzungen mit seinem Elternhaus dokumentiert, wenngleich nicht in der Drastik eines Albert Norden. Ein Dreivierteljahr vor dem Eklat im Hause Norden, im Juni 1921, hatte Zuckermann eben jenem Joseph Norden, seinem Rabbiner, schriftlich den Austritt aus der Jüdischen Gemeinde Elberfeld erklärt – glaubt man seinen Angaben, just einen Tag nach der noch auf Bitten seiner Eltern begangenen Bar Mizwa.26 Möglich war dies durch zwei Gesetze geworden, die Jugendlichen mit Vollendung des 14. Lebensjahres die Religionsmündigkeit zuerkannten und somit die Mitgliedschaft in religiösen Körperschaften freistellten.27 Auch die daraufhin vollzogene Hinwendung zur sozialistischen Bewegung teilte Zuckermann mit Norden: Während dieser bereits 1918, im Alter von 14  Jahren, der Freien Sozialistischen Jugend 32

(einem Vorläufer des KJVD), und 1921 schließlich der KPD beigetreten war, wurde Zuckermann 1924 16-jährig zunächst Mitglied der Sozialistischen Arbeiter-Jugend und 1927 der SPD, bevor er 1928 mit dem Übertritt zur KPD endgültig seine politische Heimat fand. Im Laufe ihres Lebens kreuzten sich die Wege der beiden noch des Öfteren. Als Mitarbeiter der KP-Zirkel im Pariser Exil der 1930er Jahre verkehrten sie nicht nur dienstlich, sondern auch freundschaftlich miteinander; Ende der 1940er Jahre wiederum standen sie als aufstrebende, aus dem Exil zurückgekehrte SED -Funktionäre in etwa auf derselben Stufe der Karriereleiter  – der von Zuckermann bei seinem noch aus der Elberfelder Zeit stammenden Spitznamen »Conny« gerufene Norden als hochrangiger Pressefunktionär der SED, Zuckermann als Jurist im Parteivorstand. Dass Albert Norden 1922 ausgerechnet sein Elternhaus, das dieselbe Adresse hatte wie der Sitz der Synagogengemeinde Elberfeld, als Sammelstelle für seinen Spendenaufruf angab, ist allerdings mehr als eine Kuriosität. Beispielhaft kommt darin ein Phänomen zum Ausdruck, das oftmals konstatiert worden ist: das einer weithin sichtbaren Verbindung von Juden mit dem Kommunismus.28 Denn gleich Norden und Zuckermann rebellierte in der Zwischenkriegszeit eine ganze Generation junger deutschsprachiger Juden, Männer wie Frauen, gegen ihre Elternhäuser, ließen das Judentum hinter sich und wandten sich der sozialistischen, in vielen Fällen der kommunistischen Bewegung zu. Genaue Zahlen existieren nicht, doch lässt sich an der Reihe bekannter jüdischer Parteimitglieder wie Alexander Abusch, Hanns und Gerhart Eisler, Ruth Fischer, Werner Hirsch, Alfred Kantorowicz, Jürgen Kuczynski, Heinz Neumann, Werner Scholem oder Anna Seghers – um nur die prominentesten der um 1900 Geborenen zu nennen – ablesen, dass Juden innerhalb der deutschen kommunistischen Bewegung offenbar besonders sichtbar vertreten waren.29 Dabei war das Phänomen nicht auf Deutschland beschränkt, wie bereits die Geschwister Eisler, aber auch deutschsprachige Kommunisten wie Bruno Frei, Leo Katz, Egon Erwin Kisch, Arthur Koestler oder Manès Sperber nahelegen – diese stammten eigentlich aus Österreich, Ungarn beziehungsweise aus der Tschechoslowakei, hatten jedoch in der Zwischenkriegszeit die Nähe zur ungleich potenteren deutschen KP gesucht. Und nicht zuletzt in den Reihen der Bolschewiki,30 der Komintern,31 wie auch der ungarischen Räterepublik32 waren Juden vertreten, bisweilen überproportional im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil. Das Phänomen blieb zudem zeitlich nicht auf die Zwischenkriegszeit fixiert  – bereits unter den Veteranen der deutschen Sozialdemokratie waren stets namhafte jüdische Parteimitglieder gewesen, Ferdinand Lasalle ebenso wie Eduard Bernstein oder Rosa Luxemburg. Weshalb aber übte der Kommunismus eine derartige 33

Anziehungskraft aus, dass Tausende junger Juden Anfang des 20. Jahrhunderts überall in Europa in die kommunistischen Parteien strömten? Was genau bewog einen Jugendlichen wie Leo Zuckermann dazu, im Alter von 13 Jahren seinen Austritt aus dem Judentum zu erklären und sich stattdessen dem Sozialismus zu verschreiben? Und welche Rolle spielten dabei die jüdischen Elternhäuser? Der zunächst naheliegende Eindruck, diesen Schritten hätte eine gewisse Zwangsläufigkeit innegewohnt, wie man sie der frappierenden Häufung vergleichbarer Biografien entnehmen kann, geht dennoch fehl. Dies belegt, wie Mirjam Zadoff eindrücklich herausgearbeitet hat, der Fall der deutsch-jüdischen Familie Scholem, deren gleich vier Söhne Anfang des 20. Jahrhunderts jeweils ganz unterschiedliche politische Lebensentwürfe ausbildeten.33 Während Werner (geb. 1895) Mitte der 1920er Jahre als Leiter der Organisations­ abteilung der KPD zeitweise zu einem der einflussreichsten Kommunisten jüdischer Herkunft in der Weimarer Republik avancierte, ging sein nicht minder berühmter Bruder Gershom (Gerhard, geb. 1897) früh den entgegengesetzten Weg, indem er sich zionistischen Positionen zuwandte und 1923 – eher eine Ausnahme unter den deutschen Juden – gar die Emigration nach Palästina vollzog. Damit an Varianz innerhalb einer Familie nicht genug, wählten die beiden älteren Brüder Reinhold (geb. 1891) und Erich (geb. 1893) den mehrheitlich beschrittenen Weg ihrer Generation. Weitgehend assimiliert, war ihnen ihr Judentum Konfession geworden, während sie kaufmännische Berufe erlernten und (besonders Reinhold)  politisch nationalliberalen Positionen nahestanden. Für Gershom war es auch in hohem Alter nicht ersichtlich, weshalb Werner und er den jeweils eigenen, derart entgegengesetzten Weg eingeschlagen hatten.34 In nuce stellten die vier Scholems gleichwohl innerhalb einer Familie das Tableau möglicher Lebensentwürfe jüdischer Deutscher zu Beginn des 20. Jahrhunderts dar, mit der Nuance, dass die jüngeren Geschwister gegen das Elternhaus aufbegehrten, die älteren nicht. Eine ähnliche Dramatik wie bei Werner Scholem, dessen Vater den Kontakt zu ihm abbrach und ihn (bis auf den Pflichtanteil) enterbte,35 ist für Leo Zuckermann wie gesagt nicht überliefert. Der Austritt aus der jüdischen Gemeinde sei – außer von Rabbiner Norden – bald vergessen gewesen; bis zu seiner Emigration 1933 lebte Zuckermann unter dem Dach der Eltern, die ihm auch das Studium finanzierten.36 Dennoch gab es durchaus Meinungsverschiedenheiten im Hause Zuckermann. So ist hinsichtlich der Berufswahl der Söhne die bezeichnende Anekdote des Bruders Rudolf überliefert, der aufgrund einer ausgesprochen künstlerischen Begabung eigentlich Architektur hatte studieren wollen, dessen Wunsch vom Vater jedoch mit den Worten beschieden wurde: »Als Jude muss man in einem freien Beruf arbeiten. Das 34

lehren uns die Erfahrungen aus dem 19. [Jahrhundert].«37 Ungeachtet der Tatsache, dass auch Architektur zu den freien Berufen zählte, war damit gemeint, dass eine Tätigkeit als selbstständiger Arzt oder Anwalt – dies hatte zumindest die Berufsstruktur der deutschen Juden seit der Reichsgründung 1871 gezeigt  – geeigneter schien, antisemitischen Diskriminierungen am Arbeitsmarkt zu entgehen, die in Hochschulen, öffentlichem Dienst oder dem Militär nach wie vor bestanden.38 Beide Brüder fügten sich dieser Maxime und studierten Medizin beziehungsweise Rechtswissenschaften, womit sie, wenngleich generationell schon etwas versetzt, den traditionellen Weg zahlreicher deutscher Juden in die freien Berufe einschlugen.39 Größere Konflikte, wie sie sich in anderen jüdischen Elternhäusern jener Zeit ereigneten, blieben jedoch aus. So störte sich Albert Norden insbesondere daran, dass sein Vater monarchistisch eingestellt war und noch zu Beginn des Ersten Weltkrieges ein Loblied auf Wilhelm  II. publizierte.40 Das Zerwürfnis Werner Scholems mit seinem Vater entzündete sich unterdessen wesentlich an dessen Wunsch, einen kaufmännischen Beruf zu erlernen, obwohl klar war, dass die beiden älteren Brüder dereinst das elterliche Unternehmen übernehmen würden.41 Anna Seghers (1900–1982) wiederum musste dafür kämpfen, sich hauptberuflich der Schriftstellerei widmen zu können, da sich ihr Elternhaus von ihr die Übernahme des familiengeführten Antiquitäten- und Kunsthandels erhoffte und ihr das Schreiben wohl nur als Hobby zustehen wollte.42 Zuckermanns Eltern hingegen standen der SPD und pazifistischen Positionen nahe,43 das heißt, sie gaben für den Sohn kein vergleichbares Feindbild ab wie andere Väter (weniger die Mütter) seiner Zeit.44 In diesem Aspekt gleicht Zuckermanns familiärer Hintergrund offenbar mehr dem der mit ihm befreundeten Juristin Hilde Neumann (geb.  Rosenfeld, gesch.  Kirchheimer, 1905–1959), deren  – ungleich prominenterer – Vater Kurt Rosenfeld als sozialistischer Reichstagsabgeordneter seiner Tochter zumindest in Sachen politischer Vorbildwirkung nur wenig Abschreckung bot, ja vielmehr Vorbild gewesen sein dürfte.45 Der letztlich ausgebliebene Bruch im Hause Zuckermann ist womöglich auch darauf zurückzuführen, dass Leos Eltern, Samuel (1878–1942) und Sophie Zuckermann (geb. Maus, 1885–1942), eigentlich aus dem Russischen Reich beziehungsweise aus Polen stammten, also keine deutschen Juden im klassischen Sinne waren. Sie waren 1905, gleich Tausenden anderen Juden aus dem östlichen Europa, infolge der Pogrome im selben Jahr sowie mit dem Wunsch nach wirtschaftlichem Aufstieg ins Deutsche Reich ausgewandert und hatten sich zunächst im Ruhrgebiet niedergelassen. Der Vater war im oberschlesischen Oppeln geboren, hatte jedoch seine Jugend in Odessa verlebt; die Mutter stammte aus Lublin. Nach einer Ausbildung des Vaters zum Mechaniker in Düsseldorf übersiedelte die Familie um 1907 in das nahe35

gelegene Elberfeld im Bergischen Land, wo der Vater einen kleinen Laden und eine Werkstatt für Nähmaschinen und Fahrräder eröffnete. Darin war er offenbar so erfolgreich, dass die Familie von der Vorstadt zunächst nach Barmen und dann in die bürgerlich geprägte Luisenstraße in der Elberfelder Altstadt umzog, und sich sodann die Frage, was die Söhne studieren sollten, überhaupt erst stellte.46 Ein wohlhabendes, gar vermögendes gutbürgerliches Elternhaus, das um die Jahrhundertwende oftmals den sozialen Hintergrund deutscher Juden bildete, war dies gleichwohl nicht. Mittel und sozialer Status von Samuel Zuckermann entsprachen eben nicht dem von Robert René Kuczynski, dem Vater Jürgen Kuczynskis, der als Ökonom und Statistiker von Rang weltweite Bekanntheit genoss;47 nicht dem von Arthur Scholem, der in Berlin eine florierende Buchdruckerei mit einem Dutzend Angestellten betrieb;48 und auch nicht dem Walter Hirschs, dem Vater des Thälmann-Sekretärs Werner Hirsch, der als Richter am Landgericht Berlin tätig war.49 Mit seinem bescheidenen Wohlstand wiederholte Samuel Zuckermann vielmehr zeitversetzt den beispiellosen gesellschaftlichen Aufstieg in die Mittelschichten, den die deutschen Juden zwei Generationen zuvor seit der Reichsgründung 1871 und dem damit einhergehenden Fallen letzter juristischer und wirtschaftlicher Schranken erlebt hatten, und der den Ausgangspunkt dafür bildete, dass ihre Kinder und Enkel in kaufmännischen Tätigkeiten oder den freien Berufen reüssieren konnten.50 Während Werner und Gerhard Scholem bereits der vierten Generation ehemals polnischer Juden angehörten, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts in Berlin niedergelassen hatten,51 war es im Fall Samuel Zuckermanns nun an den Söhnen, diesen Aufstieg – gleich den Eltern, wenn nicht den Großeltern ihrer jugendlichen deutschen Mitstreiter – mithilfe der ihnen zugedachten Professionen des Juristen beziehungsweise des Mediziners zu vollenden. Die mit diesen Stellungen für gewöhnlich einhergehende bürgerliche Saturiertheit bildete jedoch einen der Hauptgründe, weshalb sich die Kinder nach der Jahrhundertwende von der bürgerlichen Welt ihrer Eltern abwandten – eine Saturiertheit, die die Eltern von Leo Zuckermann noch nicht erreicht hatten. Deren gesellschaftliches Fortkommen stellte sich vielmehr – Schicksalsschläge inbegriffen52 – als Lohn harter Arbeit dar, weswegen für Zuckermann nur wenig Anlass bestanden haben mochte, dagegen über ein Maß an zeitlos-jugendlicher Auflehnung hinaus zu revoltieren. Dass ihm die »bürgerliche Atmosphäre« zu Hause »verhaßt« gewesen sei, wie Albert Norden es später von seinem Elternhaus schilderte,53 dürfte jedenfalls übertrieben sein. Denn noch in einem weiteren Aspekt glichen Zuckermanns Eltern nur wenig dem weitverbreiteten Bild der arrivierten deutschen Juden, das deren 36

Kinder so zur Auflehnung herausforderte  – als »Ostjuden« und russische Staatsbürger war ihre Assimilation an die deutsche Umgebungskultur noch nicht abgeschlossen.54 Zwar wuchs Leo Zuckermann ganz selbstverständlich in einer deutschen Umgebung auf, in die ihn zu integrieren die Eltern qua Sprache, Bildungsweg, Habitus und Berufswahl ausdrücklich bemüht waren – ein Rest an Differenz blieb jedoch vorhanden. Emblematisch kommt dies in dem Fakt zum Ausdruck, dass sich Samuel Zuckermann als russischer Staatsangehöriger mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges einmal wöchentlich bei den Behörden in Elberfeld zu melden hatte. Zwar wurde diese Auflage bald ausgesetzt, da er in der ganzen Stadt bekannt war und wohl auch die preußischen Beamten keine Gefahr in ihm sahen. Die Episode löste jedoch Nachfragen des jungen Leo aus, weshalb der Vater sich zu melden habe, und führte zu der überraschenden Erkenntnis, »passmässig Russe« zu sein, was ihm vorher nicht bekannt gewesen war.55 Dies erlaubte ihm möglicherweise, wie bewusst auch immer, einen neuen Blick auf die patriotisch-militaristische Mobilisierung der Jahre 1914/15, an der er als Grundschüler durch das Absingen von Soldatenliedern, häufigen Schulausfällen und zahlreichen Aufmärschen zunächst teilhatte, aus dem die Eltern – und er selbst – jedoch genau betrachtet als Staatsangehörige des Kriegsgegners herausfielen, und dies obwohl sie politisch höchstwahrscheinlich auf der Seite Deutschlands standen. Für die Vergehen jedenfalls, die die Kinder deutsch-jüdischer Elternhäuser jener Zeit ihren Eltern als idealtypischen Vertretern des deutschen Bürgertums anlasteten, waren Zuckermanns Eltern, anders als die deutsch assimilierten und national eingestellten Zeitgenossen Arthur Scholem oder Joseph Norden, nur bedingt haftbar zu machen. Die Gründe für Leo Zuckermanns erstaunlichen Austritt aus dem Judentum im Alter von nur 13 Jahren dürften demnach primär weniger auf innerfamiliäre Konflikte zurückzuführen sein als vielmehr auf äußere Faktoren. Dazu zählte in erster Linie  – und dies verband ihn wiederum mit seinen Altersgenossen – die Erfahrung des Ersten Weltkrieges als außerordentlicher Katalysator politischer Bewusstseinswerdung, zumal für einen Heranwachsenden. Alles, was den Ersten Weltkrieg gemeinhin als Zäsur der Moderne auszeichnet  – die Rückkehr überwunden geglaubter Zustände von Mangel und Hunger, die Entgrenzung des Krieges, die anhaltende Erosion der politischen Ordnung, kurz: das gewaltsame Ende des langen 19. Jahrhunderts –,56 schlug sich auch in Zuckermanns Lebensrealität nieder. Nach eigenen Angaben wurde er erstmals um 1915 direkt mit dem Leid des Krieges konfrontiert, und zwar in Form des Schicksals jüdischer Arbeitsmigrantinnen, die in einer Werkstatt im Hinterhaus der elterlichen Wohnung in der Munitionsherstel­ lung tätig und sichtlich von dem Kontakt mit giftigen Stoffen gezeichnet 37

waren. Dies kam nicht von ungefähr, waren in Elberfeld, dem Stammsitz des Chemiegiganten Bayer, doch Dutzende Firmen in der Herstellung von Muni­tion und anderen kriegswichtigen Gütern tätig. Auf die Frage, weshalb die immer hagerer werdenden Frauen gelbe Gesichter und Hände bekamen, habe ihm die Mutter erstmals auseinandergesetzt, was »Krieg, Greuel, Verwundete usw.« bedeuteten.57 Während dies bei dem 7-jährigen Zuckermann zunächst nicht mehr als Mitleid auslöste, jedoch noch keine »politische[n] Erkenntnisse« nach sich zog, reagierten andere seiner späteren Mitstreiter, die bereits fortgeschrittenen Alters waren, auf vergleichbare Erlebnisse entschiedener. Albert Norden, dem die kriegswichtige Bedeutung von Firmen wie Bayer in Elberfeld natürlich bekannt war, erinnerte sich später – bereits ideologisch überformt – daran, dass ihn der Anblick einer »Schicht bedenkenloser und laut feiernder Kriegsgewinnler, für die alle Tage Sonntag war, und auf der anderen Seite Tausender ausgemergelter Arbeiterfrauen und -mädchen, von denen ein Großteil mit quittegelben Gesichtern herumlief«, zutiefst empörte und sein Gerechtigkeitsempfinden herausforderte.58 Anna Seghers wiederum, die materiell in unbekümmerten Verhältnissen aufwuchs, reagierte ihrerseits im Mainz des Weltkrieges mit Scham auf die Allgegenwart kriegsbedingten Elends und verzichtete fortan darauf, sich über die Maßen gut zu kleiden, weil sie Menschen »mit schlechten Schuhen« nicht brüskieren wollte.59 Bald trafen Zuckermann die Auswirkungen des Krieges direkter. Zum einen machte sich die desolate Versorgungslage bemerkbar, die vermehrt zu Hunger führte, den auch der Vater mit seinen häufigen Verkaufsreisen durch die Dörfer des Bergischen Landes, auf denen er nach Möglichkeit Lebensmittel zu ergattern suchte, nur bedingt zu lindern vermochte. 1916/17, im sogenannten Kohlrübenwinter, wurde deshalb zunächst der Bruder, bei dem aufgrund von Mangelernährung Blutarmut diagnostiziert worden war, und dann auch die Mutter für die Dauer eines Jahres auf eine vom Internationalen Roten Kreuz finanzierte Kur in die Schweiz geschickt. Zum anderen riss der Krieg Lücken in die Reihen der oberen Semester von Zuckermanns Schul­kameraden, von denen sich offenbar nicht wenige 1914 im Zuge des nationalistischen Taumels als Kriegsfreiwillige gemeldet hatten und gefallen waren. Mehr als sechzig Jahre später erinnerte sich Zuckermann noch immer daran, dass sie unter die »neuaufgekommenen Maschinengewehre« geraten und verblutet seien – also eines äußerst grausamen Todes gestorben waren.60 Albert Norden wiederum machte die Verlusterfahrung in seinem unmittelbaren Familienumfeld, als sein Bruder Hans 1926 als 18-Jähriger nach langem Siechtum an den Folgen einer im letzten Kriegsjahr erlittenen Schussverletzung starb, die ihm die Nase weggerissen, ihn also auf furchtbare Weise entstellt hatte.61 38

Parallel, und dabei nicht weniger von Bedeutung, wurde Zuckermann Zeuge der Erosion der politischen Ordnung. Zunächst nahm die patriotische Stimmung an der Schule angesichts von Hunger und Stellungskrieg merklich ab. Dort kam es vermehrt zu Diskussionen, die sich am autoritären Verhalten und körperlichen Bestrafungen seitens der Lehrer entzündeten, unter denen sich viele Reserveoffiziere fanden. Neu war freilich, dass sich die Schüler gegen Züchtigungen zur Wehr setzten, und dafür, anders als früher, offenbar auch nicht länger bestraft wurden.62 Zugleich machte sich der zunehmende Unmut über den Stellungskrieg, das Fehlen der Männer oder die Rationierungen bei gleichzeitigem Preisanstieg auf den Straßen Luft. So beschreibt Zuckermann als ein politisches Erweckungserlebnis eine auf dem Heimweg von der Schule wahrgenommene Auseinandersetzung in der Elberfelder Friedrichstraße, bei der Frauen kurzerhand die Ladung eines Militärwagens – Kartoffeln – in Besitz nahmen und unter sich aufteilten. Als daraufhin berittene Polizei einschritt und mit flachem Säbel gegen die Frauen vorging, habe sich eine regelrechte Straßenschlacht entwickelt, an der sich nach Zuckermanns Angaben spontan auch die minderjährigen Schüler beteiligten, indem sie mit allem, was sie in die Hände bekamen, die Polizisten bewarfen. Auf die zu Hause folgende Schelte für die Teilnahme an dem Zwischenfall habe Zuckermann entgegnet, er habe nicht zulassen wollen, »dass man wegen Kartoffel[n] mit Säbeln gegen Frauen vorging«.63 Nicht weniger Eindruck hinterließen schließlich die revolutionären Unruhen im Herbst 1918, die nach der Ankunft von Matrosen aus Kiel um den 8./9.  November in Elberfeld das Ende des Kaiserreiches und seiner Autoritäten herbeiführten. Mehrere Tausend Elberfelder Bürger, meist Arbeiter, wohnten in diesen Tagen der Einrichtung eines Arbeiter- und Soldatenrates bei, dessen Bedeutung noch dadurch bekräftigt wurde, dass in die Massenversammlungen die Nachrichten von der Abdankung Wilhelms II. wie auch die Ausrufung der Republik fielen.64 Diese revolutionäre Stimmung prägte nicht nur für Monate das öffentliche Leben der Stadt; sie habe sich, so Zuckermann, nicht zuletzt am Gymnasium gespiegelt, wo sich in jeder Klasse ein »Schülerrat« gebildet habe, aus dem fortan ein Vertreter an den Lehrerkonferenzen teilgenommen habe.65 Das Abdanken der alten Ordnung zeigte sich endgültig daran, dass den Offizieren der demobilisierten, ehemals kaiserlichen Armee bei ihrem Rückzug durch Elberfeld die Rangabzeichen abgenommen wurden. Ob sich Zuckermann – als 10-Jähriger –, wie von ihm erinnert, daran ebenso beteiligte wie an der Verteilung von beschlagnahmtem Pferdefleisch an die notleidende Bevölkerung, sei dahingestellt; gleichwohl war dieser sich während der Novemberrevolution vielerorts vollziehende Akt der offenen Rebellion scheinbar so prägend, dass er sich nachhaltig in sein Gedächtnis einschrieb.66 39

Albert Norden resümierte den Einfluss des Ersten Weltkrieges in seinen Erinnerungen pointiert mit den Worten: »Kriegsjahre zählen in der Entwick­ lung eines Menschen oft doppelt und dreifach.«67 Ähnlich sind die Auswirkungen des Krieges auf den jugendlichen Zuckermann nicht zu unterschätzen, selbst wenn dieser aufgrund seines Alters viel stärker in der Beobachterrolle war. In jedem Fall dürfte die Konfrontation mit den Ereignissen der Jahre ab 1914 früher als gewöhnlich eine politische Meinungs- und Bewusstseinsbildung nach sich gezogen haben, wie sie in der außerordentlich frühreifen Entscheidung eines 13-Jährigen, gegen den Willen der Eltern seiner Religions­ zugehörigkeit zu entsagen, dann ihren Höhepunkt fand. Auf einen solch frühen Grad politischer Reife hatte wiederum auch das Elternhaus Einfluss, indem es Zuckermann in diesem Prozess, gleich ob bewusst oder unbewusst, unterstützte. Zweimal in der Woche trafen sich im Hause Zuckermann Freunde der Familie – unter ihnen bisweilen Rabbiner Norden – zu geselligen, von Leo später »Open House« genannten Zusammenkünften, bei denen Schach gespielt, über Politik diskutiert oder Auslegungen des Talmud vorgenommen wurden.68 Auf den jungen Leo Zuckermann mochten diese Abende nicht nur deshalb Eindruck hinterlassen haben, weil er schon als Jugendlicher an ihnen teilnehmen durfte und so später zu Bett musste. Sie vermittelten dem Heranwachsenden auch – so ist anzunehmen – die Selbstverständlichkeit, eine politische Meinung zu bestimmten Ereignissen zu entwickeln, und befähigten ihn dazu, sich rhetorisch zu üben. In gewisser Weise bereitete das Elternhaus Zuckermann demnach den Boden für den Austritt ihrer Söhne aus dem Judentum selbst. Einen weiteren äußeren Grund, dem Judentum den Rücken zu kehren und sich der sozialistischen Bewegung zuzuwenden, stellte schließlich der im Gefolge des Ersten Weltkrieges äußerst virulente Antisemitismus dar. In Zuckermanns Erinnerung führte gar ein direkter Weg von der Konfron­ tation mit dem Judenhass seiner Umgebung zu einer Beschäftigung mit der materialistischen Gesellschaftstheorie. Als einschneidendes Erlebnis gibt Zuckermann eine Auseinandersetzung mit einem Mitschüler in der Oberstufe, also um 1923/24 an, der sich als Angehöriger des Jungdeutschen Ordens, eines völkischen, in der Tradition der Freikorps stehenden Jugendbundes zu erkennen gegeben hatte und in diesem Sinne politische Diskussionen an der Schule führte. Als Zuckermann sich an diesen beteiligen wollte, sei er von seinem Mitschüler »sehr höflich«, aber bestimmt darauf hingewiesen worden, ihm sei die Diskussion deutscher Probleme nicht gestattet, da er als Jude nicht »deutsche[n] Blut[es]« sei. Stattdessen solle er sich um »›Jüdische Probleme‹ kümmern«.69 Nach eigenen Angaben ließ Zuckermann diese Episode äußerst perplex zurück. Womöglich war daran so schockierend, dass es sich hier 40

mitnichten um einen Ausdruck von Vulgärantisemitismus handelte, dem Zuckermann bisweilen auch an der Schule ausgesetzt war, und gegen den er sich, wenn erforderlich, körperlich zur Wehr setzte.70 Hier stellte vielmehr ein Mitschüler in vermeintlich wissenschaftlich-objektiver Weise seine Zugehörigkeit zum deutschen Volk in Abrede, und dies verstörenderweise in nachgerade zuvorkommender Form. Gewiss irritierte die Begegnung Zuckermanns Weltbild derart, dass er die nächste Biologiestunde nutzte, um seinen Lehrer zu fragen, ob es tatsächlich verschiedene Arten von Blut gäbe, auf die »weisse, schwarz[e], gelbe und andere Rassen zurückgingen«.71 Während die Antwort des Lehrers, es gäbe »keine verschiedenen Menschenrassen«, wohl aber »verschiedene Ethnien«, Zuckermann zunächst beruhigt habe, war der Vorfall dennoch Anlass, sich eingehender mit dem »Rassenproblem« zu befassen, was er tat, indem er sich die zur Verfügung stehende Literatur zu diesem Thema – »von rechts bis zu den sozialistischen Büchern« – beschaffte und eingehend studierte. Das erwachte Interesse wiederum führte ihn in das nahe der elterlichen Wohnung gelegene Parteihaus der SPD in Elberfeld und eine dort untergebrachte Buchhandlung, deren Leiter Zuckermann, nachdem er dessen Wissensdrang gewahr geworden war, fortan auf relevante, auch über die »Rassenfrage« hinausgehende Literatur aufmerksam machte.72 Auf diese Weise kam Zuckermann mit dem sozialistischen Schrifttum seiner Zeit in Berührung, wobei er sich als erste bewusste Lektüre an August Bebels kanonischen Bestseller Die Frau und der Sozialismus erinnerte.73 Die 1879 erstmals veröffentlichte Schrift  – ein Kompendium, das die Position der Sozialdemokratie zur Frauenfrage entwarf sowie generell und mit stark utopischen Zügen die sozialistische Gesellschaftstheorie entfaltete – vermittelte ihm nach eigener Darstellung »einen neuen Einblick in die menschliche Geschichte«. Auf dieser Grundlage begegnete er fortan nicht nur Anwürfen des Antisemitismus, sondern erklärte zunehmend, sehr zum Leidwesen seines Geschichtslehrers, auch die Welt an sich. 16-jährig war Leo Zuckermann in der sozialistischen Bewegung angekommen, ein Schritt, dem er 1924 durch den Eintritt in die sozialistische, der SPD nahestehende Jugendorganisation SAJ zudem institutionell Ausdruck verlieh. Wenngleich Zuckermann seinen Weg zur sozialistischen Bewegung im Nachhinein äußerst geradlinig darstellte, wird dieser dadurch nicht weniger nachvollziehbar. Als unmittelbarer Auslöser sprach der Vorfall mit seinem Mitschüler Fragen an, die ihn ohnehin beschäftigten. So war das Klassenzimmer sicherlich nicht der einzige Ort, an dem Zuckermann mit antisemitischen Einstellungen konfrontiert wurde. Neben ausdrücklicher Unterstützung seitens einzelner Lehrer erfuhr der begabte Schüler, etwa bei der Benotung seiner schulischen Leistungen, Diskriminierung aufgrund seiner Herkunft.74 Hinzu 41

trat das Wissen um die historische Dimension des Judenhasses. Im Zuge der Offenlegung, dass sein Vater – wie er selbst – »passmässig Russe« sei, war das Gespräch auch auf die Pogrome gekommen, die der Vater in seiner Jugend in Odessa erlebt hatte, so wie die Pogrome von 1905 ja der Anlass für die Eltern gewesen waren, das Russische Reich zu verlassen.75 Und die Zurückweisung durch den Mitschüler erneuerte schließlich die ohnehin vorhandene Erfahrung der Differenz, wobei der Ausschluss aus dem deutschen Volk nicht länger, wie noch während des Weltkrieges, eine veränderbare staatsbürgerliche Frage darstellte, sondern nun sogar unveränderlich auf Kriterien der Rasse beruhen sollte. Die Hinwendung zum Sozialismus war vor diesem Hintergrund, zusätzlich zu den Vorprägungen des Elternhauses und der Erfahrung des Ersten Weltkrieges, in gewisser Weise folgerichtig. Genau genommen schloss sich Zuckermann damit einer Bewegung an, die glaubhaft versichern konnte, Antisemitismus zum einen in ihren Reihen nicht zu dulden und zum anderen Zustände herzustellen bestrebt war, in denen es keinen Judenhass mehr geben würde. Dass sich die Arbeiterbewegung gegen den Antisemitismus aussprach, lebte nicht nur der »Arbeiterkaiser« August Bebel vor, über den Zuckermann soeben den Zugang zum Sozialismus gefunden hatte. Dessen (ihm fälschlicherweise zugeschriebenes) Diktum disqualifizierte den Antisemitismus bekanntermaßen als »Sozialismus der dummen Kerls«,76 das heißt, sprach ihm nicht zwingend jegliche Berechtigung ab, wandte sich jedoch ausdrücklich nicht gegen Juden als solche. Damit mochte Bebel der Wahrnehmung junger Juden wie Zuckermann entgegenkommen, in deren Augen Juden  – wie an ihren Eltern abzulesen war – natürlich Repräsentanten und Nutznießer des Kapitalismus darstellten, die jedoch gleichermaßen der Überzeugung waren, dass der in Aussicht gestellte Übergang zum Sozialismus die »jüdische Frage« ein für alle Mal obsolet machen würde. Die indifferente Haltung gegenüber Juden als Juden wiederum entsprach den Erfahrungen, die man mit dem Arbeitermilieu gemacht hatte. Jürgen Kuczynski (1904–1997) etwa wusste aus der Zeit seines Studiums in Erlangen Mitte der 1920er Jahre zu berichten, dass ihm von einem Freund angeraten wurde, seine Mahlzeiten nicht in der Mensa der Universität einzunehmen, wo ihn antisemitisch eingestellte Studenten mit Sicherheit »herausprügeln würden«, sondern in der von Arbeiterfamilien frequentierten Volksküche, wo ihm in seiner Erinnerung dann »wirklich nicht [ein] Hauch von Antisemitismus« begegnet sei.77 Ob dies tatsächlich der Fall war, sei dahingestellt, vergleichbare Erfahrungen machte jedoch auch Zuckermann bei der SAJ, wo er wegen seiner bürgerlichen Herkunft zunächst zwar mit Misstrauen beäugt worden sei, man ihn dann aber vorbehaltlos aufgenommen habe.78 Und selbst 42

wenn man Antisemitismus in der Arbeiterbewegung, den es natürlich trotzdem gab, begegnete, war er mit Verweis auf die soziale Frage relativ leicht zu entkräften: Selbst wenn die Juden zu bestimmten Zeiten ihre soziale Stellung ausgenutzt hätten, gelte es, diese Missstände zu überwinden und nicht, sie festzuschreiben. Auch hier gab August Bebel das Vorbild ab, dessen Schriften Zuckermann nicht nur entnehmen konnte, dass im Sozialismus »die religiösen Organisationen und mit ihnen die Kirchen allmählich verschwinden«, sondern fortan auch »der Mensch als Mensch« die Zukunft bestimmen werde.79 Dem Sozialismus als Utopie wohnte in diesem Sinne ein äußerst attraktives Gleichheitspostulat inne, das versprach, Fragen der Herkunft künftig irrelevant zu machen. Am Ende ist – eingedenk jedweder Kontingenz – nicht klar zu bestimmen, welcher Faktor den entscheidenden Einfluss auf Leo Zuckermanns Austritt aus dem Judentum und auf seine Hinwendung zur Arbeiterbewegung ausübte: die Vorprägungen durch das Elternhaus, die Erfahrung des Ersten Weltkrieges oder die Konfrontation mit dem Antisemitismus. Dass es nicht zuerst oder primär der Antisemitismus war, zeigt sich bereits darin, dass der von Zuckermann als einschneidender Vorfall erinnerte Konflikt mit seinem Mitschüler zeitlich deutlich nach seinem Ausscheiden aus der jüdischen Gemeinde lag. So mag die Erfahrung der Ausgrenzung der Herkunft wegen zwar folgerichtig zur sozialistischen Bewegung geführt haben, die Gründe für eine Distanzierung vom Judentum aber waren bereits früher angelegt. Ungeachtet dessen verschränken sich in Zuckermanns Entwicklung zwei Konstellationen, die in dieser oder vergleichbarer Form auch auf andere Juden seiner Alterskohorte zutrafen, die die Nähe zur Arbeiterbewegung suchten. So war die Welt des Judentums seiner Eltern, selbst wenn sie eine stark reduzierte, säkularisierte Version davon lebten, offenbar nicht länger attraktiv für einen von den Erschütterungen des Ersten Weltkrieges geprägten Jugendlichen. Als Heranwachsenden hatten ihn nach eigener Aussage an den hohen jüdischen Festen und Feiertagen, auf deren Einhaltung die Mutter pochte, wenngleich sie die letzten Residuen jüdischer Tradition im Hause Zuckermann darstellten, »nur das bessere Essen und die ausgezeichneten Kuchen und Bäckereien« interessiert.80 Ähnlich dürfte es sich mit dem Religionsunterricht verhalten haben, an dem er in Vorbereitung auf die Bar Mizwa zwar obligatorisch teilnahm, von dem aber anzunehmen ist, dass er nicht viel mehr als eine Pflichtaufgabe darstellte. Denn auf die drängenden Fragen der Zeit hielt das Judentum als Religion keine Antworten bereit, zumindest nicht für einen aufgeschlossenen, politisch frühreifen Jugendlichen, von dem angenommen werden kann, dass er seine Umgebung – noch ganz ohne sozialistisches Weltbild – danach beurteilte, wie sie sich zu den in 43

seinen Augen akuten Gegenwartsfragen, zu Krieg oder Frieden, zu Armut oder Bereicherung, zu Autorität oder Mitbestimmung positionierte. Vielmehr trat ihm das Judentum seiner Zeit, zumal in Person seines Rabbiners, des monarchistisch eingestellten Joseph Norden, genau so gegenüber: anachronistisch, autoritär und als Repräsentant der alten Ordnung. Für einen Heranwachsenden, der aus nächster Nähe gerade den Untergang des Kaiserreiches als Ablösung alter Autoritäten erlebt hatte, stellte das Judentum als Religion zu befolgender Rechtsvorschriften eine denkbar schlechte Alternative dar. Damit entsprach Zuckermann im Übrigen dem reichsweiten Trend, machten in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg doch überdurchschnittlich viele Jugendliche von der erstmals gesetzlich geregelten Möglichkeit Gebrauch, mit Erreichen der Religionsmündigkeit selbstbestimmt den Austritt aus Kirchen oder Synagogengemeinden erklären zu können.81 Eine nicht unwesentliche Prägung durch die jüdische Lebenswelt nahm er dennoch mit, und das galt wohl gleichermaßen für seine jüdischen Mitstreiter – ein ethisch grundiertes Interesse an der Welt. Traditionelle jüdische Werte wie Fürsorge, Gelehrsamkeit, Gerechtigkeit oder Wohltätigkeit – im Falle seiner Eltern auch Pazifismus  –, wie sie ihm über Erzählungen des Vaters, die pazifistische Einstellung der Mutter und nicht zuletzt die Diskussionskultur des Elternhauses vermittelt worden waren, mochten recht eigentlich die Grundlage gebildet haben, die Welt überhaupt mit politischen Augen zu sehen. Während das traditionelle Judentum unter diesen Umständen für einen Heranwachsenden nur mehr wenig Anregungen bereithielt, hatte Zuckermann dennoch Fragen, die einer Beantwortung harrten. Der Unwille, der jüdischen Welt weiterhin formell anzugehören – beziehungsweise diesen Bund durch die Bar Mizwa zu bekräftigen –, war jedoch offenbar so ausgeprägt, dass er nicht einen stillen Rückzug wählte, der ihm als Jugendlichem, zumal in einem säkularen Haushalt, sicherlich offen gestanden hätte, sondern dass er sich bemüßigt sah, die Loslösung auch in einem bewussten, fast schon öffentlich zu nennenden Akt zu vollziehen. Viel sprach dafür, diesen Fragen innerhalb der Arbeiterbewegung nachzugehen. Zusätzlich zu dem im Elternhaus ausgebildeten Interesse an der Gegenwart repräsentierte die Linke das Versprechen einer besseren Welt, in der die Gräben des Weltkrieges überwunden und die Zukunft gerecht eingerichtet sein würden, in jenen Jahren wohl am überzeugendsten; zumal nahezu alle anderen politischen Lager aufgrund des virulenten Antisemitismus und damit einhergehender offener oder verklausulierter Zugangsbeschränkungen für Juden als Option praktisch ausschieden.82 Die Hinwendung zum Sozialismus kam demnach der Ausfüllung einer Leerstelle gleich, die durch die Lossagung vom Judentum entstanden war. Vor allem aber versprach der 44

Eintritt in die sozialistische Bewegung die größtmögliche Distanzierung von der jüdischen Herkunft, gleich ob diese nun aus politischen Überzeugungen, aus Scham über den bürgerlichen Hintergrund oder aus Bekanntschaft mit dem Antisemitismus angestrebt wurde.

1.3  Mit eigener Agenda: Eintritt in die KPD Aus heutiger Perspektive war die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) vom Ende der 1920er Jahre, der sich Leo Zuckermann 1928 anschloss, eine nur wenig einladende Partei. Zwar hatte sie sich unlängst von dem ab 1925, seit der Reichspräsidentenwahl anhaltenden Tief in der Wählergunst (das im Wesentlichen ihr Kandidat Ernst Thälmann zu verantworten hatte)  erholt und bei der Reichstagwahl im Mai 1928 wieder signifikant zugelegt (10,6 Prozent).83 Gleichwohl fragt man sich, was trotz des ihr anhängenden Odems zentralistischer Führung, absoluter Moskauhörigkeit, ständiger Kurswechsel und damit zusammenhängender Parteiausschlüsse, die selbst ihre Mitglieder nicht mehr nachzuvollziehen in der Lage waren, ihre politische Anziehungskraft ausmachte.84 Ihre soziale Basis bestand größtenteils  – zu mehr als 80 Prozent – aus (meist) ungelernten Arbeitern und auch intellektuell bot sie keine Feinkost, wie nicht zuletzt dem Wahlaufruf jenes Frühjahres 1928 zu entnehmen ist. Dieser strotzte nur so vor ideologischen Phrasen, republikfeindlichen Einlassungen, argumentativen Verkürzungen und selbstsuggestiven Prophezeiungen.85 Was aber bewog dann einen jungen, erwiesenermaßen intelligenten Sozialisten wie Leo Zuckermann, 1928 von der SPD just zu dieser Partei überzuwechseln? Über Zuckermanns Übertritt von der SPD zur KPD ist nur wenig bekannt, ja nicht einmal, zu welchem Zeitpunkt im Jahr 1928 er genau erfolgte.86 Das konkrete Datum zu kennen, wäre indes nicht uninteressant. Ab Frühjahr 1927 hatten die Kommunisten, wie sich an Erfolgen bei Kommunalwahlen in Hamburg (17,0 Prozent) und Königsberg (22,4 Prozent) gezeigt hatte, ihre Attraktivität ausbauen können, was auch darauf zurückzuführen war, dass sie im Rahmen einer zurückhaltenden Einheitsfront-Orientierung offener als früher auf linke Sozialdemokraten zugegangen waren.87 Dann folgte der erwähnte Stimmenzuwachs zur Reichstagswahl 1928, nach der freilich die SPD als stärkste Kraft erstmals seit 1923 wieder Regierungsverantwortung übernahm, und dies zu allem Überdruss im Bündnis mit der konservativen Deutschen Volkspartei (DVP), die in den Augen eines linken Sozialisten wie Zuckermann als Partei des personifizierten Industriekapitals ein rotes Tuch 45

sondergleichen dargestellt haben dürfte. Ab August 1928 schließlich sprach das Exekutivkomitee der Komintern offen vom »faschistischen« Charakter der Sozialdemokratie, womit nicht nur das Ende der »rechten« Einheitsfrontpolitik besiegelt, sondern endgültig auch der Stalinisierung der deutschen kommunistischen Partei der Weg bereitet war.88 Die genauere Kenntnis des Zeitpunkts von Zuckermanns Eintritt in die KPD ließe also Rückschlüsse auf eine spezifisch-zeitgebundene Motivation innerhalb dieses an einschneidenden Ereignissen nicht armen Jahres zu. Soweit ersichtlich ist, gründete Zuckermanns Übertritt zur KPD genau in diesen Fragen. Er habe sich 1928 mit einer Reihe von gleichgesinnten SPD Mitgliedern zum Eintritt in die KPD entschieden, erinnerte er sich 1983, weil ihnen »die Schlappheit der SPD gegenüber der NSDAP zuwider war«.89 An anderer Stelle führt er aus, dass er mit der Haltung der »SPD -Führung gegenüber den Kommunisten« nicht einverstanden gewesen sei, stattdessen habe er »heftig für den gemeinsamen Kampf aller Demokraten gegen den Faschismus […] agitiert«.90 Er warf also – und dies noch 1982/83 – der Parteiführung der SPD vor, die Nazis nicht entschieden genug bekämpft beziehungsweise sie als Gefahr unterschätzt zu haben, attestierte hingegen der KPD, in dieser Frage die richtige Haltung an den Tag gelegt zu haben. Die fehlende Bereitschaft der SPD zur Zusammenarbeit mit den Kommunisten wiederum kritisierte er als schweren Fehler. Im Kern bezog sich Zuckermann mit dieser Begründung auf die hochsensible Frage einer möglichen Kooperation von Kommunisten und Sozialdemokraten in der Abwehr des Nationalsozialismus in der Spätphase der Weimarer Republik, deren Ausbleiben bereits von Zeitgenossen, vor allem aber nach dem Zweiten Weltkrieg als historisches Versäumnis der deutschen Arbeiterbewegung ausgemacht wurde. Man denke etwa an die 1929 beziehungsweise 1931 erfolgten Neugründungen des linken Spektrums Neu Beginnen oder die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP), denen zur effizienteren Bekämpfung des Nationalsozialismus an einer Einheitsfront gelegen war,91 aber auch an die Begründungen, die KPD und SPD 1946 angesichts der Notwendigkeit einer Vereinigung zur SED anführten.92 Gleichwohl irritieren Zuckermanns Äußerungen, und zwar aus mehreren Gründen. Zunächst hatte 1928, wie nicht zuletzt die Reichstagswahl gezeigt hatte, keine unmittelbare Gefahr von rechts bestanden, zumindest nicht auf Reichsebene und im Vergleich zu den Anfangsjahren der Republik. Am Ende der stabilsten Periode Weimars hatte die in der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) organisierte monarchistische Rechte deutliche Verluste hinnehmen müssen (14,3 Prozent), während die NSDAP unter ferner liefen rangierte (2,6  Prozent); stattdessen hatten SPD (29,8 Prozent) und KPD (10,6 Prozent) dazugewonnen.93 Worin also der 46

Anlass bestanden hatte, weshalb die SPD sich 1928 deutlicher gegen den Nationalsozialismus hätte positionieren sollen, bleibt im Dunkeln. Irritierend ist zudem Zuckermanns Vorwurf an die SPD, nicht mit der KPD zusammenarbeiten zu wollen, und dies noch 1982, als er nachweislich wusste (und an anderer Stelle auch ausgeführt hatte),94 dass die KPD eine Mitschuld am Nicht-zustande-Kommen der sogenannten Einheitsfront trug. Die scharfe Positionierung der SPD gegen die Kommunisten entsprach zwar den Tatsachen, war aus ihrer Perspektive aber nur zu verständlich. Die KPD wollte die Republik lieber heute als morgen abschaffen und durch ein »Sowjetdeutschland« ersetzen; zu konstruktiver Übernahme von Regierungsverantwortung war sie, trotz in Aussicht stehender linker Mehrheiten, nicht bereit. Dies hatte ja das Hamburger Beispiel gezeigt, wo SPD und KPD bei der Bürgerschaftswahl 1927 die absolute Mehrheit erreichten, die KPD einer Koalition mit der SPD jedoch eine Absage erteilte.95 Zudem hatte die KPD ab Herbst 1927 bereits wieder vom Konzept der Einheitsfront Abstand genommen und stand kurz davor, ihr berüchtigtes Programm des »Sozialfaschismus« zu etablieren, das dann bis 1935 in markigen Worten die Sozialdemokratie als Hauptgegner der Kommunisten bekämpfte. Obwohl es 1925, im Zuge der Aufarbeitung des desaströs verlaufenen Hamburger Aufstandes von 1923, zu einer »Einheitsfront von oben und unten« und damit zu einer leichten Annäherung zwischen KPD und SPD gekommen war, endete diese Phase bereits im Spätherbst 1927 mit dem krankheitsbedingten Ausscheiden des moderaten KP-Führers Ernst Meyer.96 Ein halbes Jahr darauf, als Stalin an die Verfolgung seines innerparteilichen Kontrahenten Nikolai Bucharin ging, dem »rechte«  – sprich sozialdemokratische – Tendenzen unterstellt wurden, galt das Eintreten für eine Einheitsfront als Makel und schwerer politischer Fehler.97 Dieser neuerliche Schwenk der Parteilinie, der spätestens ab Frühjahr 1928 öffentlich zu vernehmen war,98 konnte auch Leo Zuckermann als einem zu dieser Zeit an der KPD Interessierten nicht entgangen sein. Es ist deshalb einerseits denkbar, dass Zuckermann in dieser Frage entscheidend von der Konstellation seiner Heimatstadt geprägt wurde, wo sich das politische Klima von jenem auf Reichsebene unterschied: Wenngleich nämlich Elberfeld und Barmen, das spätere Wuppertal, Hochburgen der Arbeiter­bewegung mit langer, bis zu Friedrich Engels zurückreichender Tradition waren, bildete die Stadt früh auch ein Zentrum der nationalsozialistischen Bewegung im Rheinland – mit Joseph Goebbels, bevor dieser Ende 1926 zum Gauleiter von Berlin bestellt wurde, als prominentestem Nationalsozialisten.99 In der Folge erlebte Wuppertal eine heftige politische Polarisierung, mit häufigen Demonstrationen, Ausschreitungen und sogar Todesopfern. Es ist deshalb wohl kein Zufall, dass Zuckermann als »geschichtlich praktisches 47

Beispiel« für das Gelingen der Einheitsfront eine Begebenheit aus Elberfeld erinnert, nämlich das Zusammengehen der paramilitärischen Verbände von Kommunisten und Sozialdemokraten, Rotfrontkämpferbund (RFB) und Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, anlässlich eines Goebbels-Besuches, aufgrund dessen die Linke die Oberhand in der Stadt behalten habe – und es Konflikte zwischen Reichsbanner und RFB fortan nicht mehr gegeben hätte.100 Der von Zuckermann angeführte primäre Beweggrund – der wider besseres Wissen an die SPD gerichtete Vorwurf, der Einheitsfront im Weg gestanden zu haben, beziehungsweise der Glaube, die KPD habe den Kampf gegen den Nationalsozialismus entschiedener geführt  – deutet allerdings noch auf etwas anderes hin: Er kann, abseits der konkreten zeitgenössischen Erwägungen, die damit verbunden waren, als Ausdruck seiner fortgesetzten politischen Sinnsuche verstanden werden, die mit dem Austritt aus dem Judentum 1921 begonnen hatte, die jedoch mit den Eintritt in die SAJ und die SPD offensichtlich noch nicht an ihr Ende gelangt war. Dafür spricht eine weitere von Zuckermann überlieferte Äußerung, wonach junge Kommunisten, die er während seines ab 1927 in Bonn aufgenommenen Jura-Studiums im Arbeiter-Turn- und Sportbund (ATSB) kennenlernte, »wegen ihrer guten theoretischen Kenntnisse einen tiefen Eindruck« auf ihn hinterlassen hätten.101 Dass Zuckermann, von dem wir erfahren haben, dass er sich bereits in jungem Alter in den sozialistischen Kanon vertiefte, wissbegierig war und sich deshalb von »guten theoretischen Kenntnisse[n]« angesprochen fühlte, ist nicht überraschend. Interessant ist hingegen, weshalb ihn das intellektuelle Niveau der SAJ, der er sich 1924 angeschlossen hatte, und dann der SPD, der er 1927 beigetreten war, offenbar nicht länger befriedigte. Auch wenn Kommunisten und Sozialdemokraten politisch Welten trennten, ist damit nicht gesagt, dass marxistische Schulung und theoretische Diskussionen, in gewisser Weise sogar das Fernziel einer sozialistischen Gesellschaft an sich, in den Reihen der SAJ und der SPD der Zwischenkriegszeit einen niedrigeren Stellenwert eingenommen hätten als in explizit kommunistischen Jugendgruppen wie dem KJVD oder der KPD. Nicht umsonst hatte Zuckermann die Jungkommunisten ja auch in einer der gesamten Arbeiterbewegung offenstehenden Vereinigung wie dem ATSB kennengelernt. Fand er möglicherweise also nicht nur ihre »guten theoretischen Kenntnisse«, sondern ihr stärker geschlossenes Weltbild und ihr kompromissloseres Auftreten attraktiv? In diesem Sinne äußerte sich später jedenfalls der Kommunist und bekannte Spanienkämpfer Kurt Goldstein (1914–2007), der Zuckermann, was seine politische Sozialisation betraf, in vielem ähnelte. Den Übertritt von der SAJ zum KJVD im September 1928, die für Goldstein »wichtigste und richtigste Entscheidung meines Lebens«, erklärte dieser wie folgt: 48

»Von der SAJ habe ich mitgenommen, daß die Politik der Sozialdemokratie, bei allem, was sie für die Arbeiterklasse an positiven Ergebnissen in den Arbeits- und Lebensbedingungen erkämpft, auch an demokratischen Rechten, nicht zu einer grundlegenden Veränderung der Gesellschaft und zum Sozialismus führt. […] Ich wurde also Jungkommunist.«102

Wie das Verlangen nach umfänglicherer theoretischer Bildung, aber auch die Unterschlagung der Sozialfaschismusthese zeigen, gewann die KPD also offenbar weniger als ernst zu nehmende politische Kraft an Bedeutung für Zuckermann – obwohl er durchaus glauben mochte, dass die Kommunisten den Kampf gegen den Faschismus besonders ernst nahmen –, sondern als Bewegung, die das Fernziel einer sozialistischen Gesellschaft überzeugender als andere Parteien vertrat. Damit erwies sie sich als Vertretung spezifischer Interessen, die mit Zuckermanns jüdischer Herkunft einhergingen. Denn er trat der KPD ja nicht als Angehöriger des Proletariats bei, der sein Klasseninteresse vertreten sehen wollte und sich ökonomische Absicherung oder Aufstieg erhoffte; was ihn neben dem Kampf gegen die Nazis, der ihn als Jude persönlich betraf, auch und gerade angezogen haben dürfte, war die in Aussicht gestellte Gleichheit, hinter der Fragen der Herkunft zurücktreten würden. In diesem Sinne verkörperten die »guten theoretischen Kenntnisse« der jungen Bonner Genossen offenbar mehr als nur fundiertes Wissen, nämlich so etwas wie die nur in den Reihen der KPD vorhandene »reine« Lehre. Zuckermann vertrat also, wie andere seiner jüdischen Mitstreiter, mit dem Übertritt zur KPD eine eigene Agenda, die ihn von »gewöhnlichen« Arbeitern unterschied. Dem entsprach bezeichnenderweise auch die weitere, überaus rege Beschäftigung mit jüdischen Themen innerhalb wie außerhalb der Partei – und hob ihn darin gleichzeitig von jüdischen Kommunisten wie Alexander Abusch, Gerhart Eisler oder Albert Norden ab. Genau genommen könnte man versucht sein zu sagen, der Schwerpunkt von Zuckermanns politischer Arbeit für die Partei habe, bis er Deutschland 1933 verließ, auf der »jüdischen Frage« gelegen, wenngleich er sich ihr unter negativen Vorzeichen näherte. Welche Tätigkeiten Zuckermann als Parteimitglied ab seinem Eintritt bis zu seiner Flucht im April 1933 ausübte, ist aufgrund der lückenhaften Quellenlage nur vage bekannt. Ab dem Sommersemester 1927 studierte er in Bonn,103 im Jahr 1928 auch für ein Semester in Berlin, und schloss sich der »Sozialistischen Arbeitsgemeinschaft« an, bei der er die »Grundlagen […] vom wissenschaftlichen Sozialismus« studierte; zeitgleich habe ihn die KPD Ortsgruppe Bonn als Lehrer in Arbeiterzirkeln eingesetzt.104 Dennoch hielt er enge Verbindungen nach Elberfeld, wo er während der vorlesungsfreien Zeit weiterhin wohnte und wohin er nach Abschluss des Studiums 1931 zurückkehrte. In seiner neuen politischen Heimat setzte er somit Tätigkeiten fort, die 49

er noch bei der SAJ beziehungsweise der SPD aufgenommen hatte – Schulungen, öffentliche Vorträge und Publizistik. Auf Vermittlung des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) in Barmen, den im Rheinland traditionell Kommunisten dominierten,105 hielt er Seminare über Historischen Materialismus, den italienischen Faschismus, aber auch zur »Judenfrage«; und da sein intellektuelles und rhetorisches Können offenbar überzeugten, heißt es, sei er bald als Redner zu Massenveranstaltungen nach Dortmund, Essen, Gelsenkirchen und in andere Städte des Ruhrgebietes geschickt worden.106 Bei derartigen Veranstaltungen, aber auch als Verfasser von Artikeln, sei Zuckermann unter dem (bezeichnendem) Pseudonym »Salzmann« aufgetreten, das er vor allem ab 1931 und außerhalb Elberfelds verwandte, um die Mitgliedschaft in der KPD zu verbergen.107 Eklatant an dieser ansonsten nicht ungewöhnlichen Parteikarriere ist die Häufung jüdischer Themen. In nicht weniger als drei Funktionen nahm Zuckermann zwischen 1927/28 und 1933 Aufgaben wahr, die in der einen oder anderen Weise die »jüdische Frage« aus sozialistisch-kommunistischer Perspektive zu beeinflussen suchten: als Vorsitzender des gemeinsam mit Freunden ins Leben gerufenen Deutsch-Jüdischen Jugendbundes, der streng antizionistisch eingestellt war und in dieser Hinsicht bald in Elberfeld aktiv wurde; im Umfeld der prosowjetischen Gesellschaft zur Förderung des jüdischen Siedlungswerkes in der UdSSR (Geserd), die der Unterstützung des Aufbaus einer autonomen jüdischen Region in Birobidschan diente und die auch in Barmen eine Abteilung unterhielt; und schließlich als Leiter eines im Parteiauftrag eingerichteten Jüdischen Arbeiter- und Kulturvereins, der unter in Wuppertal ansässigen jüdischen Einwanderern aus dem östlichen Europa kommunistische Agitation betrieb. Zuckermanns Aktivitäten im Deutsch-Jüdischen Jugendbund, als dessen Elberfelder Vorsitzender er sich bezeichnete, sind aufgrund äußerst spärlicher Quellen nur schwer zu bestimmen. Es handelte sich höchstwahrscheinlich um einen lokalen Ableger des sogenannten Schwarzen Haufens – einer sozialrevolutionär-libertären Gruppierung innerhalb der nichtzionistischen jüdischen Jugendorganisation »Kameraden, Deutsch-Jüdischer Wanderbund«, die sich 1925 in Königsberg gebildet und von dort aus im ganzen Reich Abteilungen gegründet hatte, bevor sie im Frühjahr 1927 aus der Mutterorganisation ausgeschlossen wurde und danach noch für knapp ein Jahr unter der Bezeichnung Bund Jüdischer Jugend aktiv war.108 Der Zusammenschluss galt, wahrscheinlich weil er die meisten Tabus brach, als radikalste aller jüdischen Jugendgruppen der Weimarer Republik, was sowohl den Lebenswandel betraf, der sich antibürgerlich und gemischtgeschlechtlich, und damit seiner Zeit voraus gerierte, als auch ein betont libertäres politisches Programm. Es ging 50

zunächst von einem ausgesprochen weiten Verständnis von Judentum aus, das nicht die Religions- oder Gemeindezugehörigkeit, sondern als einigendes Band allein die gemeinsame jüdische Herkunft auswies (wenngleich auch diskutiert wurde, ob ein Austritt aus der jüdischen Gemeinde nicht Bedingung für die Aufnahme werden müsse).109 Außerdem ermunterte der Schwarze Haufen explizit zu politischer Betätigung seiner meist aus bürgerlichem oder kleinbürgerlichem Hause stammenden Mitglieder und begründete dies mit ihrer sozialen Verantwortung: »Woher aber dieses Geld floß, daß unsere Väter als Unternehmer und Bankiers, als Ärzte und Kaufleute, als Rechtsanwälte und Beamte verdienten, darüber dachten wir nicht nach. […] Der Gedanke aber kam uns nicht, daß wir uns auch verantwortlich fühlen müßten für die gesellschaftlichen Grundlagen, die unser So-Sein erst ermöglichten.«110

Bis zu explizit sozialistischen, ja kommunistischen Tönen war es von dort aus nicht mehr weit, wie ein Debattenbeitrag vom November 1926 in den Blättern des Westfalen Gaus belegt, der sich für den Beitritt zu Gewerkschaften aussprach und offen für die »Organisierung in der K. P. D.« warb.111 Auf diese Weise bildete der Schwarze Haufen ein attraktives Sammelbecken für sinnsuchende Jugendliche, die sich auf Distanz zum traditionellen Judentum begeben hatten, aber dennoch so etwas wie ein jüdisches Selbstverständnis mit sich führten, auf das sie entweder von außen immer wieder gestoßen wurden oder mit dem sie sich im jüdisch-deutschen beziehungsweise zionistischen Lager nicht repräsentiert sahen. Auf jeden Fall habe der Deutsch-Jüdische Jugendbund »rasenden Zulauf der deutsch-jüdischen Jugend, [einschließlich] der ›ost‹[-]jüdischen Jugend«, auch in Wuppertal gehabt, wie Zuckermann schreibt.112 Fotografien aus jener Zeit zeigen diesen (sowie seinen Bruder) in der Tat vergnügt im Kreis von Gleichaltrigen, Männer wie Frauen gleichermaßen (Abb. 3). Ob es sich dabei um Mitglieder des DeutschJüdischen Jugendbundes handelt und ob Zuckermann in seiner Funktion als Vorsitzender des Bundes in Elberfeld tatsächlich klassische Vereinsaufgaben versah, wie die Organisation von Fahrten, Schulungen, Heimabenden etc., ist indes nicht überliefert. Verbürgt ist jedoch der jugendliche Furor, mit dem sich die Gruppe fortan gegen den Zionismus richtete: »Ab dieser Gründung«, merkte Zuckermann später an, »gab es keine zionistische Versammlung mehr [in Elberfeld], die zuendegeführt werden konnte.«113 Später äußerte er sich selbstkritisch, sie seien bei derartigen Störungen »Rowdies gewesen«, was ungefähr erahnen lässt, welchen Charakter die Gruppe gehabt haben muss.114 Dies deckt sich mit der Tatsache, dass Zuckermann seinem Vater, der zeitweilig zweiter Vorsitzender der Zionistischen Vereinigung Elberfelds gewesen sei, 51

solange zugesetzt haben soll, bis dieser von seinem Posten zurück- und aus der Vereinigung austrat.115 Im Übrigen schlossen sich – reichsweit – nicht wenige Mitglieder des Schwarzen Haufens nach dessen Auflösung im Frühjahr 1928 der KJVD oder der KPD an,116 was dem Übertritt Zuckermanns zur KPD (unter den oben geäußerten Einschränkungen) eine zusätzliche Note verleiht. Die Mitgliedschaft in einer jüdischen Jugendorganisation war zu einer Art Katalysator für die Hinwendung zur KPD geworden.117 Stärker parteipolitische Weihen erfuhren derartige Initiativen in der Organisation Geserd, die ab 1931 über einen Ortsverband in Barmen verfügte, dem wohl auch Zuckermann angehörte.118 1928 als deutscher Ableger der sowjetischen Organisation zur Landansiedlung werktätiger Juden (OZET) gegründet, sollte Geserd im deutschsprachigen Raum Unterstützung für das Projekt einer jüdischen autonomen Region im Fernen Osten der Sowjetunion, in Birobidschan, generieren.119 Dieses an der chinesischen Grenze, an zwei Seitenarmen des Amur, Biro und Bidschan, liegende Gebiet von der Größe der Niederlande hatte die Sowjetregierung im März 1928 ausgewählt, um einmal so etwas wie eine jüdische Sowjetrepublik zu werden. Ob die deutsche Sektion jemals nennenswerte Mittel, Sachspenden oder gar potenzielle Siedler aufbrachte, sei dahingestellt; letztlich scheint ihre Aufgabe zumindest in Deutschland ohnehin eher darin bestanden zu haben, junge Juden wie Nichtjuden für den Kommunismus zu gewinnen, weshalb sie sich auch als parteipolitisch nicht gebunden präsentierte. In der Tat erzeugte Geserd einiges an Aufmerksamkeit für das Siedlungsvorhaben in Birobidschan – und damit die als äußerst »fortschrittlich« dargestellte sowjetische Judenpolitik –, wie der reichen Publizistik und Vortragstätigkeit zu entnehmen ist, die ein Who’s who der kommunistischen Szene Berlins zu Beginn der 1930er Jahre darstellt. Künstler und Interpreten wie Johannes R. Becher, Ernst Busch, Hanns Eisler, Helene Weigel oder Erich Weinert nahmen wiederholt an Wohltätigkeitsveranstaltungen der Geserd teil.120 Vor allem aber stellte Geserd für eine ganze Reihe jüdischer KP-Mitglieder wie Bruno Frei, Otto Heller oder Leo Katz (aber auch Albert Norden)121 die willkommene Gelegenheit dar, sich, versehen mit dem Segen der Partei, jüdischen Fragen zuzuwenden und ihre Anschauungen zu Antisemitismus und Zionismus darzulegen. Birobidschan bot sich dazu aus mehreren Gründen an. Da war zunächst die Frage des Antisemitismus. Nicht umsonst hob Otto Heller (1897–1945), tschechischer Kommunist und deutscher Vorsitzender von Geserd, im Vorwort seines rasch zum Klassiker avancierten Buches Der Untergang des Judentums. Die Judenfrage, ihre Kritik, ihre Lösung durch den Sozialismus (1931) mit der Bemerkung an, es sei geschrieben, um »dem Klassenfeind eine Waffe aus der Hand zu schlagen«.122 Dies mochte angesichts der antisemitischen 52

Hetze der Nazis, die im Gefolge der Weltwirtschaftskrise neue Höhen erreicht hatte, eine gewisse Relevanz haben; dennoch ging er offenbar davon aus, dass der Antisemitismus eine Art berechtigten Kern besaß, insofern er sich an einer historisch bedingten Häufung von Juden in bestimmten ökonomischen Zweigen entzündete. Die »Judenfrage« war demnach eine soziale Frage, deren Lösung auf der Hand lag: Nur die sozialistische Revolution, die die Juden zu Proletariern machen würde, lasse den Judenhass verschwinden, oder, wie Heller sich ausdrückte: »Mit der Herrschaft des Privateigentums wird so manches Gespenst zu Grabe getragen.«123 Die zukünftige jüdische Siedlung in Birobidschan, so war Hellers Ausführungen zu entnehmen, werde als Krönung dieser »Umschichtung« fungieren: Während die 1917 vollzogene Diktatur des Proletariats und damit verbundene Verstaatlichungen, Kollektivierungen und Produktionskonzentrationen in der Hand des sowjetischen Staates bereits die ökonomischen Voraussetzungen des jüdischen Kastenwesens durchbrochen hätten, wodurch als Folge dem Antisemitismus die »gesellschaftlichen Grundlagen« entzogen worden seien und dieser »verschwinde«, kämen die jüdischen Hoffnungen schließlich in Birobidschan zur Blüte. »Der Palästinatraum wird längst schon der Historie angehören«, schloss Heller sein Buch, »wenn in Birobidjan Automobile, Eisenbahn, Dampfer fahren, die Schlote gewaltiger Fabriken rauchen und die Kinder einer freien, jüdischen Arbeiterund Bauerngeneration in blühenden Gärten herumspringen werden.«124 Birobidschan stelle in der Tat die einzig wahre Alternative zu Palästina – und damit zum Zionismus  – dar, wie man in Geserd-Kreisen nicht müde wurde zu betonen. Leo Katz (1892–1954) etwa, ein rumänisch-österreichischer Jude, der seit 1930 in Berlin lebte, resümierte als Fazit des 17. Zionistenkongresses 1931 in Basel, den er als »Groteske« bezeichnete, zweierlei: Angesichts des Arabischen Aufstandes von 1929 sei nun auch dem letzten Zionisten aufgegangen, dass die von der Führung genährte Illusion, »als sei Palästina ein unbewohntes Land«, nicht länger zu halten ist; zudem handele es sich beim Zionismus vor allem um ein Millionengrab, wie die Verschleuderung großer Spenden bei ausbleibendem Erfolg belege. »Lohnt es überhaupt, hier noch einen Vergleich zu ziehen mit der ungeheuren Produktivierungsarbeit, die unter den Juden der Sowjetunion vor sich geht?«, fragte Katz am Ende seines Beitrags denn auch rhetorisch.125 Somit bot Birobidschan die Möglichkeit, über tagesaktuelle Fragen hinaus der eigenen Gegnerschaft zum Zionismus Ausdruck zu verleihen, woran deutlich wird, dass hier unter kommunistischen Vorzeichen vornehmlich ein innerjüdischer Diskurs geführt wurde  – ein deutscher Arbeiter, der dem Siedlungswerk in Palästina indifferent gegenüberstand, musste schließlich nicht davon überzeugt werden, dass dieses »falsch« sei. Vielmehr überwiegt der Eindruck, das Abarbeiten am 53

Zionismus diente dazu, sein Beharren auf jüdisch-kollektiven Merkmalen zu diskreditieren, die Kommunisten jüdischer Herkunft angetreten waren, in Abrede zu stellen beziehungsweise hinter sich zu lassen. Interessanterweise stellte Katz dabei die Notwendigkeit eines solchen »jüdischen« Territoriums nicht infrage: Die Kritik an dem Siedlungsprojekt in Palästina lautete ja nicht, dass dadurch die Rechte einer vorhandenen Bevölkerungsgruppe missachtet würden, sondern allein, dass das Land bereits bewohnt sei.126 Womöglich rief Birobidschan auch deshalb besonderes Interesse hervor, weil damit eigentlich ein Zugeständnis an die nationale Herkunft verknüpft war. Zumindest konnte die in Aussicht gestellte Einrichtung einer eigenständigen »jüdischen« Verwaltungseinheit als ein sowjetisches Entgegenkommen an die nationalen Aspirationen der Juden gelesen werden, wenngleich unter kommunistischen Vorzeichen. Genau genommen sollten kollektive jüdische Merkmale in Birobidschan ja nicht per se verdammt werden, wie die Ausweisung eines eigenen Territoriums und die Erlaubnis zum Gebrauch des Jiddischen nahelegen, obwohl sie durch die Sowjetisierung, und hier in erster Linie durch die Produktivierung, eingehegt werden sollten. Dass der Plan später an der Realität scheiterte und Birobidschan nie umfassende Unterstützung erfahren sollte, steht auf einem anderen Blatt.127 Gleichwohl sprach die Frage des eigenen Selbstverständnisses am Ende auch die mit Birobidschan, also die mit der »sozialistischen Lösung der Judenfrage« in der Sowjetunion verbundene Vision der klassenlosen Gesellschaft an, in der Juden als solche, oder besser ihre als »negativ« erachteten Merkmale, auf lange Sicht verschwinden würden. Die am Ende der 1920er Jahre ganz allgemein grassierende Sowjetbegeisterung deutschsprachiger Kommunisten, deren Anhänger in den Worten Arthur Koestlers »als Zeichen der Gnade den Anblick des Dnepjrdamms und eine dreiprozentige Zunahme der sowjetischen Roheisenproduktion [erflehten]«,128 erhielt unter jüdischen Vorzeichen nämlich noch eine weitere Dimension. Nachgerade euphorisch berichtete etwa Leo Katz von einer Reise, die ihn 1930 in die Hauptstadt der Weißrussischen Sozialistischen Sowjetrepublik, nach Minsk, geführt hatte, das sich hinsichtlich der Präsenz seiner zahlenmäßig starken jüdischen Bevölkerung dem Anschein nach inzwischen gravierend von einer Stadt wie Warschau unterschied.129 Würde man auf Warschaus Bahnhof, sobald man ihn betrete, von Juden bedrängt, die einen zu einem Geschäft überreden wollten, habe er solcherart »verzweifelt[e] Aufdringlinge« in Minsk »[a]ngenehm vermißt«. Während die Juden immer noch 50 Prozent der Minsker Bevölkerung bildeten, so Katz, seien sie inzwischen in modernsten Fabriken beschäftigt, hätten also ihre unsichere Existenz von gestern gegen die Gewissheit getauscht, nun »Herr der Fabrik« zu sein. Angesichts der real zu besichtigenden »Umschich54

tung« hielt Katz nicht nur fest, die vormals typische »Luftexistenz« jüdischer Kleinhändler und Handwerker sei verschwunden.130 Er verstieg sich sogar zu der Aussage, dass Bethäuser und Synagogen aus Mangel an Interessierten inzwischen »verwaist« seien  – »der Arbeiter [hat] für die Religion nichts übrig«.131 In der Tat muss es Katz so erschienen sein, als habe er mit Minsk bereits die von ihm und seinen jüdischen Genossen erträumte klassenlose Zukunft besucht. Wie sehr dies letztlich ein Ringen mit der eigenen jüdischen Herkunft darstellte, bemerkt man zudem an Heller, der Birobid­schan in Anlehnung an die Tora (Lev 20,24) euphorisch als das Land bezeichnete, »[w]o der Honig fließt«, als das Land also, das den Israeliten versprochen wurde.132 Leo Zuckermann wies keine derartige Nähe zur deutschen Zentrale von Geserd auf wie Otto Heller oder Leo Katz. Trotzdem dürfte er mit den Ansichten vertraut gewesen sein und sie in hohem Maße geteilt haben. Er verkehrte in Barmen freundschaftlich mit dem dortigen Geserd-Leiter Emil Hirsch,133 einem linken Sozialdemokraten, und war offenbar involviert, Otto Heller im Januar 1933 zu einem Vortrag nach Wuppertal zu holen.134 Auch Rudolf Zuckermann erinnerte sich später, sein Bruder sei für die Geserd aktiv gewesen und habe ihn auf Veranstaltungen aufmerksam gemacht.135 Unter den zahlreichen jungen, der Arbeiterbewegung nahestehenden Juden in Wuppertal zeigte dieses Engagement offenbar Wirkung. Als Mitglieder eines Jüdisch-Sozialistischen Jugendbundes im November 1932 einen Vortrag des Präsidenten der Zionistischen Vereinigung für Deutschland Kurt Blumenfeld störten, der auf Initiative zionistischer Kreise in den Räumen der Synagogengemeinde Elberfeld stattfand, verteilten sie bezeichnenderweise Flugblätter der Geserd.136 Diesen Personenkreis hatte Zuckermann zugleich im Visier, als ihm um 1931 von der Partei in Wuppertal die »politische und schulische Leitung« des Jüdischen Arbeiter- und Kulturvereins übertragen worden war.137 Er richtete sich an etwa vierzig Personen, wohl junge Erwachsene, denen Zuckermann nach seiner Erinnerung »Erziehungsunterricht im theoretischen Sinne«  – vermutlich also »ML«, Marxismus-Leninismus  – erteilte.138 Sie waren ostjüdischer Herkunft, das heißt Kinder der zahlenmäßig nicht unerheblichen jüdischen Einwanderer aus dem östlichen Europa, die Elberfeld und Barmen seit der Jahrhundertwende aufgenommen hatte, und die sich als Arbeiter oder kleine Selbstständige meist in der Textilbranche verdingten.139 Von wem diese Initiative zur weiteren Einflussnahme auf die jüdische Arbeiterschaft ausging, ist nicht zu eruieren; doch ist die Frage nach dem Anteil der KPD interessant. So überrascht es angesichts späterer Zeiten, in denen eine vergleichbare Offenheit gegenüber jüdischen Themen innerhalb der kommunistischen Bewegung nicht länger denkbar war, inwieweit hier per Parteiauftrag einer jüdischen 55

Partikularität Raum geboten wurde, sich zu entfalten  – und eine solche wurde in einem jüdischen Kulturverein, auch wenn es sich um Arbeiterkultur handelte, dann doch gepflegt. Oder reagierte die Partei, womöglich sogar auf Initiative Zuckermanns, schlicht darauf, dass die stark von der Arbeiterbewegung geprägte ostjüdische Community in Wuppertal »falschen«, etwa linkszionistischen Positionen zuneigte, denen es entsprechend zu begegnen galt? Für einen eher instrumentellen Zugang, der auf der demografischen Besonderheit Wuppertals beruhte, spricht, dass das Thema in der Parteipresse des Ruhrgebietes und des Bergischen Landes ansonsten nicht präsent war. Eine Einladung an deutsche Arbeiter, einmal an einer spezifischen Veranstaltung etwa zum Erfolg des Aufbauwerkes in Birobidschan teilzunehmen, ließ sich der kommunistischen Tagespresse Rheinland-Westfalens jedenfalls nicht entnehmen.140 Für die KPD jener Jahre, zumal für ihre jüngeren Mitglieder, war ein derartiger, vor allem von Otto Heller entfachter Aktionismus dennoch grundlegend für ihr Verständnis der »Judenfrage« und des Antisemitismus, wie auch ihrer Überwindung. Dies baute natürlich auf älteren Erzählungen auf, die von Marx über Bebel und Kautsky bis hin zu Lenin und Stalin reichten.141 Gleichwohl popularisierte Heller Argumente, auf die in der Folgezeit immer wieder Bezug genommen wurde, wenn es galt, Antisemitismus zu erklären: als Ablenkungsmittel und soziale Frage, die mit der Vergesellschaftung der Produktionsmittel verschwinden würde, und auf ein »abgelenktes« Proletariat, das gar nicht antisemitisch sein könne beziehungsweise schnell vom Gegenteil zu überzeugen sei. Da diese Argumente den Segen der Parteiführung erhielten, oder zumindest nicht ihren Widerspruch erregten, konnten sie auch als Parteilinie verstanden werden.142 Schon deshalb mochte Zuckermann ihnen angehangen haben. Dennoch bleibt, und das verbindet ihn mit Personen wie Otto Heller und Leo Katz, ein nicht auflösbarer Rest. So kann sein überdurchschnittlicher Aktionismus, innerhalb der Partei Antworten auf die »jüdische Frage« zu geben, als Bemühung gedeutet werden, andere von seinem Schritt der erfolgreichen Abwendung vom Judentum zu überzeugen und sich so selbst der Ablösung weiter zu vergewissern. Schließlich hätte er, wie ihm andere Parteimitglieder jüdischer Herkunft vorlebten, das Thema gänzlich aufgeben können, da kein Grund bestand, sich weiter damit zu beschäftigen. In diesem Sinn aber sprechen seine Aktivitäten für eine weitergehende, wenngleich verborgene Geltung seiner Zugehörigkeit. Eine dritte und letzte Besonderheit schließlich, die auf eine spezifische Konstellation von Leo Zuckermanns Eintritt in die KPD hindeutet, stellen sein Jurastudium und die sich daran anschließende Promotion dar. Innerhalb der KPD war er mit einer derartigen Ausbildung, sieht man von anderen, 56

wahrscheinlich ebenfalls jüdischen Mitgliedern ab, mehr oder minder allein. Im Jahr 1927 besaßen nur 0,9 Prozent der Parteimitglieder einen Hochschulabschluss und nur 2,2 Prozent übten eine Tätigkeit in den freien Berufen aus – die Mehrheit bildeten mit 80 Prozent gelernte oder ungelernte Arbeiter.143 Auf einer akademischen Ausbildung und dem Eintritt in die freien Berufe seiner beiden Söhne hatte Samuel Zuckermann jedoch bestanden, da beides in seinen Augen den größtmöglichen gesellschaftlichen Aufstieg bei gleichzeitiger Sicherheit vor diskriminierenden Berufsbeschränkungen versprach.144 Entstand aus den unterschiedlichen Klassenzugehörigkeiten, die das Studium zementierte, jedoch so etwas wie ein Gewissenskonflikt für Leo Zuckermann in Bezug auf seine neuen Mitstreiter? Wenn auch nichts dergleichen überliefert ist, kann man durchaus davon ausgehen, dass die Frage Zuckermann nicht unbekannt war, wie seine Erinnerung an die Aufnahme in die SAJ gezeigt hat, wo er aufgrund der höheren Bildung zunächst misstrauisch beäugt worden war.145 Albert Norden, für den der Konflikt aufgrund der bürgerlichen Herkunft seines Vaters eine noch größere Rolle spielte, behalf sich in dieser Frage mit Beistand bei der größten vorstellbaren Autorität: Marx und Engels. Diese hatten hinsichtlich der Durchlässigkeit von Klassengrenzen im Manifest der Kommunistischen Partei formuliert: »In Zeiten endlich, wo der Klassenkampf sich der Entscheidung nähert, nimmt der Auflösungsprozeß innerhalb der herrschenden Klasse, innerhalb der ganzen alten Gesellschaft, einen so heftigen, so grellen Charakter an, daß ein kleiner Teil der herrschenden Klasse sich von ihr lossagt und sich der revolutionären Klasse anschließt, der Klasse, welche die Zukunft in ihren Händen trägt.«146

Womöglich kam es der Partei sogar gelegen, dass Zuckermann eine Karriere als Jurist anstrebte. Schließlich erweiterte man auf diese Weise den eigenen Wirkungskreis und konnte Personen in gesellschaftlich wichtigen Funktionen positionieren, wie das Beispiel Elberfeld deutlich macht. Dort, wie auch anderswo, legte die örtliche KP-Führung Wert auf die Infiltrierung strategisch relevanter Bereiche, etwa die sogenannte Zersetzungsarbeit im Polizeiapparat.147 Eine derartige Betätigung ist für Zuckermann zwar nicht überliefert, obgleich zwei Mitglieder des von ihm geleiteten Jüdischen Arbeiter- und Kulturvereins, Jakob Gilberg und Izchock Gerszt, dem berüchtigten Geheimdienst der KPD, dem sogenannten M-Apparat, angehört haben sollen.148 Dennoch ist denkbar, dass Zuckermanns beruflicher Werdegang von der Partei, wenn nicht unterstützt, so doch gebilligt wurde, mit dem Ziel, ihn später einmal verwenden zu können. Mit dem Antritt des Vorbereitungsdienstes als Referendar beim Amts- und Landgericht Düsseldorf im Frühjahr 1931 strebte er nämlich das Zweite Juristische Staatsexamen an, das neben 57

der Rechtsanwaltstätigkeit auch zur Ausübung eines Amtes als Richter und Staatsanwalt berechtigte. Der Preis für derartige Informationsgewinne war freilich, dass Zuckermanns Parteizugehörigkeit »geheim« bleiben musste, wie er selbst schrieb. Da er 1931, bei Antritt der Stelle als Referendar, »den Eid auf die Verfassung geleistet« hatte, war ihm jede öffentliche Sympathiebekundung für die KPD, die die Republik ablehnte, fortan untersagt.149 Die mit Studium (einem Klassenprivileg) und Referendariat (dem Schwur auf die Verfassung) bereits aufscheinenden Auffälligkeiten in der Vita eines gewöhnlichen KP-Mitglieds kommen recht deutlich auch in Zuckermanns Dissertationsschrift zum Ausdruck. Was auf den ersten Blick als reine Qualifikationsarbeit erscheinen mag, entpuppt sich auf den zweiten nämlich als erstaunliches Bekenntnis zu Verfassung und Republik. Zuckermanns gut vierzig Seiten starke Schrift, die er nach bestandener Doktorprüfung am 27. Juli 1932 noch im selben Jahr veröffentlichte, trug den trocken-juristischen Titel Der Reichsaußenminister. Untersuchungen über die staats- und völkerrechtliche Stellung des deutschen Reichsaußenministers.150 In konziser Weise behandelte sie die Frage, welche Kompetenz dem Reichsaußenminister im Verhältnis zu Reichskanzler, Kabinett, Reichstag, Reichspräsident und dem Reichsrat zukam, wobei Zuckermann insbesondere auf die Befugnisse des Reichsaußenministers gegenüber dem Reichspräsidenten abhob. Ihm war es offenbar wichtig, herauszuarbeiten, dass der in der Weimarer Verfassung vorgesehene Entscheidungsspielraum des Außenministers größer war als gemeinhin angenommen. Zwar obliege dem Reichspräsidenten die völkerrechtliche Vertragsschließungsbefugnis, also das letztendliche Recht auf Ratifizierung von Verträgen, darüber hinaus aber könne »der Reichspräsident [weder] in die Amtsführung des Außenministers eingreifen, noch dem Minister Dienst­anweisungen erteilen«,151 da dieser letztlich dem Reichstag verantwortlich sei. Hinsichtlich der speziellen Befugnisse des Reichsaußenministers innerhalb des Kabinetts schloss Zuckermann: »Der wirkliche Machtbereich des Außenministers ragt über seine juristische Kompetenz weit hinaus.«152 Was aussieht wie eine staatsrechtliche Fingerübung zur Erlangung des Doktorgrades  – und eine solche in erster Linie ja auch war  –, hatte einen realpolitischen Kern. Genau genommen bezogen sich Zuckermanns Ausführungen auf die Präsidialkabinette, die ab März 1930 in der Weimarer Republik an der Tagesordnung waren, und unter Berufung auf Artikel  48 der Reichsverfassung als Minderheitenkabinette mithilfe präsidialer Not­ verordnungen regierten, das heißt Abstimmungen im Reichstag umgingen.153 Zuckermann sah diese Maßnahmen, die unter anderem auf den erklärten Willen des Reichspräsidenten und weiterer Vertreter des Ancien Régime zurückgingen, vor allem aber die sozialpolitischen Zugeständnisse von 1918/19 58

zurücknahmen sowie die SPD von der Regierungsverantwortung fernhielten, auch von staatsrechtlichen Versuchen flankiert, langfristig »die Selbständigkeit des Reichskanzlers dem Staatsoberhaupt gegenüber einzuschränken«,154 sprich Präsidialkabinetten, wenn nicht -diktaturen den Weg zu bereiten. Er beharrte deshalb darauf, dass sie sich »mit der von der Verfassung geschaffenen rechtlichen Ordnung nicht in Einklang bringen« ließen;155 mehr noch, führte er aus, ihnen müsse »auf das bestimmteste vom Standpunkt unserer republikanisch-parlamentarischen Verfassung entgegengetreten werden«.156 Diese freimütige Verteidigung »unserer« Verfassung erstaunt dann doch. Zwar lässt sich fragen, ob Zuckermann mit dem von ihm problematisierten Verhältnis zwischen Reichspräsident und Reichsaußenminister überhaupt richtig lag, schließlich bestand das Verhängnis der Präsidialkabinette unter Heinrich Brüning, und später unter Franz von Papen, weniger in einer Frontstellung zwischen Reichspräsident und Kanzler, sondern vielmehr in deren gemeinsamer Gegnerschaft zur SPD und zum Parlament. Dessen ungeachtet überrascht trotzdem, weshalb Zuckermann als Kommunist und Partei­ mitglied derart offen, fast schon emphatisch Partei für die Republik ergriff. Ganz allgemein setzte die KPD ja auf das Auseinanderbrechen Weimars und hoffte dieses zu beerben, und auch konkret focht sie zwar Gesetze an, die durch Notverordnungen zustande gekommen waren, doch nicht aus republikanischem Verantwortungsbewusstsein, sondern aus taktischem Kalkül und in der Hoffnung, die Krise der Republik werde ihr den Weg an die Macht ebnen.157 Handelte Zuckermann in seinem Urteil also allein auf Geheiß seiner Betreuer, die ihm einen derartigen positiven Bezug auf die Weimarer Ordnung nahelegten?158 Dass er als Student den Gepflogenheiten des Faches zu entsprechen hatte, spielte sicherlich eine Rolle, dennoch wird man den Eindruck nicht los, hier hätten sich zugleich Erfahrungen Bahn gebrochen, die mit seiner kommunistischen Parteimitgliedschaft nur wenig gemein hatten: eine alte, nämlich die des ehemaligen Sozialdemokraten und Mitglied des Reichsbanners, sowie eine neue, die des angehenden Staatsrechtlers, in dessen juristischem Verständnis geltendes Recht über Weltanschauung ging. Dies kann als weiterer Beleg für die deutlich eigene Spezifik von Zuckermanns Eintritt in die KPD im Jahr 1928 gelesen werden. Am Ende definierte sich dieser Eintritt am stärksten über ein ideologisches Interesse an der KPD und eben nicht über ein Klasseninteresse. Diesem kam er allenfalls nach, insofern er seine bürgerliche Karriere mit Studium und Promotion fortsetzte, während unter ähnlichen Umständen zur Partei gekommene jüdische Kommunisten wie Albert Norden oder Gerhart Eisler eine akademische Ausbildung ausschlugen beziehungsweise abbrachen, um sich als von der Partei besoldete Journalisten der Zeitung Die Rote Fahne ganz in 59

den Dienst der Arbeiterklasse zu stellen. Was Zuckermann stattdessen an der KPD anzog, war zum einen deren Eigendarstellung als einzig ernst zu nehmende Kraft, die gegen die Nazis kämpfte. In der Tat vermochte die radikal auftretende KPD diesen Kampf rhetorisch wohl überzeugender als die SPD zu vermitteln, man denke nur an die wenig später, im Herbst 1929 ausgegebene Parole »Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft!«, die das Lebensgefühl eines jungen politisierten Erwachsenen besser auszudrücken in der Lage war als behäbige, in den Farben der Republik gehaltene patriotische Aufrufe. Zum anderen darf nicht vergessen werden, dass es sich um einen Übertritt von der SPD handelte. Als solcher zeigt diese »Konversion« das noch nicht erreichte Ende von Zuckermanns politischer Bewusstseinsbildung an; offenbar hatte ihm etwas am politischen Programm der Sozialdemokratie gefehlt. Dies mochte neben seinem noch jungen Alter vordergründig mit seiner Wahrnehmung von deren antifaschistischer Einstellung zu tun haben. Vergegenwärtigt man sich jedoch, dass Zuckermanns Interesse an sozialistischer Politik mit dem Eintritt in die KPD 1928 zwar seinen vorläufigen Höhepunkt fand, an sich jedoch weiter zurückreicht, so erschließt sich auch, weshalb er noch 1928 in eine Partei eintrat, der zu diesem Zeitpunkt aufgrund ihrer stalinistischen Verhärtung andere  – man denke etwa an Arthur Rosenberg159  – bereits entsetzt den Rücken kehrten. Im Gegensatz zur SPD, die in Weimar vor dem Dilemma stand, sich zwischen Revolution oder Republik entscheiden zu müssen, weshalb ihr von links außen stets der Vorwurf gemacht wurde, eine Kompromisspartei zu sein,160 hatte die KPD diese Entscheidung bereits durch ihre Gründung getroffen: Für sie zählte stets nur die Übergabe der Produktionsmittel an die Arbeiter, und damit die Aufhebung der Klassengesellschaft – ein Ziel, das aus nicht vollständig zu ergründenden Motiven am Ende auch auf Leo Zuckermann die größte Strahlkraft ausübte.

1.4  Paris, »Hauptstadt des Antifaschismus« Der 1. April 1933, der Tag seiner fluchtartigen Ausreise aus dem Deutschen Reich, war für Leo Zuckermann in der Tat der Beginn eines, wie er später schrieb, »neuen Lebens«.161 Wenige Wochen zuvor, in Anbetracht der Machtübertragung an die Nationalsozialisten, hatte er sich gezwungen gesehen, seine Stellung als Gerichtsreferendar am Amts- und Landgericht Düsseldorf von einem Tag auf den anderen aufzugeben. Ende Februar 1933 hatte Zuckermann von einem ihm bekannten Nationalsozialisten, der Anfang der 1930er Jahre offenbar einen seiner Kurse im DGB -Haus in Elberfeld besucht 60

hatte, den Hinweis erhalten, dass seine Verhaftung unmittelbar bevorstehe.162 Er rief daraufhin seine Freundin an und täuschte mit ihr, da das elterliche Wohnhaus in Elberfeld bereits unter Observation gestanden habe, einen Kinobesuch vor. Nachdem seine Bewacher angesichts des augenscheinlich profanen Anlasses das Interesse an ihnen verloren hätten und abgedreht seien, begab sich Zuckermann, ausgestattet nur mit einer Zahnbürste, zum Bahnhof, und fuhr für einige Tage nach Düsseldorf zu einem Onkel und von dort weiter nach Hamburg, wo er ebenfalls bei Verwandten unterkam. Ende März brachte ihm, wie er sich erinnerte, seine Mutter einen gültigen Pass, ein französisches Visum und Barmittel nach Hamburg, und am 31. März nahm Zuckermann den Nachtzug nach Köln, um von dort am nächsten Tag nach Paris weiterzureisen. Den Beginn seines »neuen Lebens« konnte er deshalb so genau datieren, weil am 1. April eine neue Ausreiseregelung für das Deutsche Reich bekannt gemacht wurde, die einen vorab einzuholenden »Sichtvermerk« verlangte – wie Zuckermann erschrocken der Tageszeitung entnahm, als er bereits im fahrenden Zug saß. Nur aufgrund des Rufes »Alles in Ordnung« eines desinteressierten preußischen Polizeibeamten sei er an der deutsch-­ belgischen Grenze einer Festnahme entgangen, die ihm bei genauerer Prüfung durch einen ebenfalls anwesenden SA-Mann womöglich gedroht hätte.163 Auf welchem Wege es Zuckermann gelang, in Paris Kontakt zu exilierten Vertretern der deutschen KP aufzunehmen, ist nicht überliefert. Kam er mit Empfehlung, ja auf Anweisung der Partei und wusste, wo er sich zu melden hatte? Spielte der Zufall eine Rolle, wie bei seinem ebenfalls 1933 nach Paris emigrierten Bruder Rudolf, der durch einen Elberfelder Bekannten, den er in Paris auf der Straße traf, erfuhr, dass auch Leo in der Stadt weilte? Oder wurde er zunächst bei einer der zahlreichen Flüchtlingsorganisationen vorstellig, etwa der französischen Sektion der Roten Hilfe, die ihn dann weiter an die Partei vermittelte? Überraschend ist jedenfalls, wie problemlos er offenbar Anschluss fand. Er drang nicht nur bis zu den konspirativ tätigen Parteistrukturen der Exil-KP vor; noch im Sommer wurde er dem Verteidigungskomitee der Angeklagten des Reichstagsbrandprozesses als Rechtsberater zugewiesen, das sich zum Ziel gesetzt hatte, von Paris aus den bevorstehenden Prozess vor dem Leipziger Reichsgericht gegen Marinus van der Lubbe, Georgi Dimitroff, Blagoi Popow, Wassil Tanew und Ernst Torgler juristisch und propagandistisch zu begleiten. Damit war Zuckermann in den Kreis hochkarätiger deutschsprachig-kommunistischer Emigranten vorgedrungen, die Paris, vergleichbar ganzen Generationen deutscher Exilanten vor ihnen, zum Zentrum ihrer Aktivitäten gegen Hitler auserkoren hatten. Zu ihnen gehörten illustre Personen wie der »rote Hugenberg« Willi Münzenberg, der federführend die Aktivitäten des Dimitroff-Verteidigungskomitees organisierte; ferner 61

hochrangige Kader der KPD wie Wilhelm Pieck, Franz Dahlem und Wilhelm Florin, die Mitte Mai die Auslandsleitung der KPD etablierten; sowie eine ganze Reihe Funktionäre und Intellektuelle jüdischer Herkunft, in deren Kreisen sich Zuckermann bald ganz selbstverständlich bewegte. Neben den zuvor Genannten traf er in Paris unter anderem auf die Journalisten Alexander Abusch, Bruno Frei, Alfred Kantorowicz, Otto Katz, Hans Schrecke und den ihm bereits bekannten Albert Norden, aber auch auf die Juristin Hilde Neumann und die späteren »Renegaten« Arthur Koestler und Manès Sperber.164 Der Anschluss an dieses Milieu bescherte ihm im Gegensatz zu zahlreichen mittellosen Flüchtlingen, die gezwungen waren, sich über Monate ohne Anlaufstelle und Arbeit in Paris durchzuschlagen, ein Auskommen, das es ihm zunächst erlaubte, in der französischen Hauptstadt ein vergleichsweise unbesorgtes Leben zu führen. Mehr noch, angefangen bei seiner Tätigkeit im Verteidigungskomitee, verfügte Zuckermann fortan über einen Zugang zur Führung der Arbeiterbewegung, der einfachen Parteimitgliedern von KPD, SPD und SAP für gewöhnlich versagt blieb. Zu seinen prominenten Genossen, Vorgesetzten und Bekanntschaften zählten neben Münzenberg Wilhelm Pieck, ab 1935 in Vertretung Thälmanns immerhin Parteivorsitzender, und Jelena Stassowa, eine ehemalige enge Kampfgefährtin Lenins und Vorsitzende der Internationalen Roten Hilfe (IRH),165 aber auch Kurt Rosenfeld, der vormalige Verteidiger Rosa Luxemburgs,166 oder Rudolf Breitscheid, der »stille Außenminister« der SPD.167 Und nicht nur das: Das unfreiwillig abrupte Ende seiner noch in Wuppertal angestrebten Karriere als Rechtsanwalt oder Beamter im deutschen Justizdienst bedeutete vorerst das Ende der Zeiten einer geregelten bürgerlichen Existenz. Sein »neues Leben« würde fortan endgültig das eines Berufsrevolutionärs sein. Zur reibungslosen Gewöhnung an die neuen Lebensumstände mochte unterdessen die Ehe beitragen, die Zuckermann im Laufe des Jahres 1933 mit der französischen Staatsbürgerin Lydia Staloff (1910–1982) einging, einer Tochter russisch-jüdischer Einwanderer, die mit der kommunistischen Partei sympathisierte und 1931 ein Studium der Philologie an der Sorbonne abgeschlossen hatte.168 Sie erlaubte eine rasche Integration in den französischen Alltag, der manchem deutschen Flüchtling, der des Französischen nicht mächtig war, sonst nur schwer gelang. Da Staloff durch Zuckermanns Vermittlung bald als Sekretärin zum DimitroffVerteidigungskomitee stieß und in dieser Funktion auch am Leipziger Prozess teilnahm, bevor sie am 14. Oktober 1933 zunächst verhaftet und dann ausgewiesen wurde, erhielt Zuckermann zusätzlich intime Einblicke in die höheren Ebenen der kommunistischen Bewegung.169 Aus dem Elberfelder Nachwuchskommunisten war gleichsam über Nacht ein aufstrebender Funktionär mit Tuchfühlung zur Parteiführung geworden. 62

Innerhalb dieses Milieus profilierte sich Zuckermann bald als versierter und verlässlicher Mitarbeiter der Komintern – denn diesem Netzwerk miteinander verknüpfter, nur schwer zu entwirrender, stets aber von Moskau aus geführter kommunistischer (Tarn-)Organisationen gehörte er nun bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges an. Nach dem überraschenden Freispruch Dimitroffs am 23. Dezember 1933 wurde Zuckermann, der sich mittlerweile den Nom de Guerre Leo (auch Léon) Lambert zugelegt hatte, im Januar 1934 an das daraufhin gebildete Thälmann-Befreiungskomitee überstellt, das fortan seine Energie darauf richtete, auch die Freilassung des inhaftierten KPD -Vorsitzenden zu erwirken. 1935 wechselte Zuckermann zur ebenfalls in Paris beheimateten westeuropäischen Zentrale der IRH, bevor er ab Juni 1936 als Sekretär die Geschäfte des von der IRH ins Leben gerufenen Asylrechtsbüros führte.170 In all diesen Organisationen, die sich einerseits dem Kampf gegen Hitler-Deutschland widmeten, andererseits die französische Öffentlichkeit – mehr oder minder verdeckt – für die Sowjetunion einnehmen sollten, zeichnete Zuckermann sich als äußerst linientreuer Mitarbeiter aus. Gehorsam reiste er im Spätsommer 1934 für einige Monate nach Barcelona, um dort aus dem Nichts »ein katalanisches Komitee nach dem Pariser Muster aufzubauen«,171 setzte also den entbehrungsreichen Auftrag um, sich im kommunistischen Außendienst zu bewähren, wie ihn Manès Sperber in seiner Autobiografie Bis man mir Scherben auf die Augen legt hinlänglich beschrieben hat.172 Nicht weniger angepasst rechnete er 1937 mit dem »Uebel des Trotzkismus« ab, indem er – am Vorabend der in Moskau einsetzenden Schauprozesse – nicht näher bezeichneten trotzkistischen »Elementen« vorwarf, »wie Ratten am Volkskörper« »die Aufrechterhaltung des Friedens [zu] sabotieren [und] das Leben und das Glück von Millionen aufs Spiel [zu] setzen«.173 Womöglich trifft also auch auf Zuckermann, der diese Linientreue im Nachhinein durchaus problematisierte,174 zu, was der Mitte der 1930er Jahre häufig in Paris weilende KPD -Kader Jürgen Kuczynski über seine Selbstwahrnehmung jener Jahre als »parteitreuer kleiner Funktionär« äußerte: »Nein, ich will kein Urteil über mich in dieser Zeit fällen. Ich war eine bedeutungslose Gestalt, ein kleiner braver Kommunist ohne Konflikte und ohne besondere geistige Leistungen […].«175 Eine nach außen sichtbare Beschäftigung mit jüdischen Themen sucht man bei Zuckermann in dieser Zeit vergebens. Zwar war er zu einer solchen selbstverständlich nicht verpflichtet  – dennoch überrascht, dass die Auseinandersetzung mit der Problematik nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten und seiner Flucht nach Frankreich derart abrupt abbricht, wo sie doch noch ab dem Eintritt in die KPD 1928 ein wiederkehrendes Thema seiner politischen Tätigkeiten dargestellt hatte. Dabei lag sie im Frühjahr 63

1933 gleich mehrfach auf der Hand. So bildete der Fakt seiner jüdischen Herkunft womöglich einen, wenn auch nicht den Hauptgrund für die Flucht aus Deutschland. In diesem Sinne jedenfalls schilderte Zuckermann später die Praxis der Partei, nach 1933 über die Emigration von gefährdeten Genossen zu entscheiden. Während als generelle Maxime gegolten habe, »da zu bleiben«, um notfalls im Untergrund politische Arbeit zu leisten, hätte es nur zwei Kriterien gegeben, aufgrund derer einer Ausreise von Kadern zugestimmt worden sei: Bekanntheit politischer Funktionäre und daraus resultierende höhere Gefährdung für Leib und Leben sowie »wenn die Leute jüdischer Abstammung waren«.176 Diese Vorsichtsmaßnahme dürfte die Partei freilich weniger aus Sorge um das Wohlergehen ihrer jüdischen Mitglieder getroffen haben, als vielmehr aufgrund von Überlegungen zur Absicherung der seit der Machtübertragung gebotenen politischen Arbeit im Untergrund.177 Ferner erstaunt Zuckermanns Abwendung von dem Thema natürlich, weil ihm der antisemitische Furor der Nazis, wie wir aus seinen Erfahrungen der 1920er Jahre wissen, nicht entgangen sein kann: persönlich nicht, denkt man an die zahlreichen hasserfüllten Racheakte, die bekannte linke Funktionäre jüdischer Herkunft ganz besonders trafen, wie etwa den am 7. März 1933 in Wuppertal auf offener Straße erschossenen, mit Zuckermann bekannten SPD -Funktionär Oswald Laufer;178 aber auch ganz allgemein nicht, wiesen die ersten antijüdischen »Maßnahmen« der Nazis, der Boykott vom 1. April und das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 ja unmissverständlich darauf hin, dass die Judenpolitik der neuen Regierung gleichbedeutend mit der schrittweisen Rücknahme der Emanzipation der Juden in Deutschland war. Warum aber deutete Zuckermann dann das Jahr 1933 nicht als antisemitisches Fanal, dem es politisch entsprechend zu begegnen galt? Weshalb spielte der Kampf gegen den Antisemitismus in seinen wie in den Aktivitäten seiner häufig selbst jüdischen Mitstreiter keine Rolle? Bedenkt man, unter welchem Eindruck ein Kommunist wie Zuckermann angesichts der »Machtergreifung« stand, ist der Abbruch der Beschäftigung mit jüdischen Themen letztlich nicht mehr so erstaunlich – tatsächlich und in seiner Wahrnehmung war der Antisemitismus in der frühen NS -Politik zunächst kein zentraler Faktor. So mochten der Boykott vom 1. April, den Zucker­mann im Übrigen aufgrund seiner Ausreise nicht mit eigenen Augen sah, wie auch das Berufsbeamtengesetz aus Perspektive der besorgten Zeitgenossen nur als zwei Ereignisse unter vielen des Frühjahres 1933 erscheinen. Dass die Nazis ihren hinlänglich bekannten Forderungen nach Zurück­ drängung der Juden aus dem Wirtschaftsleben Taten folgen ließen, überraschte nicht wirklich, zumal der Boykott auf einen Tag begrenzt blieb und keinen großen Widerhall in der Bevölkerung fand. War ihrem judenfeind64

lichen Programm damit aber nicht Genüge getan? Und erschienen – zumal einem ausgebildeten Staatsrechtler wie Zuckermann – andere Schritte nicht gravierender in Bezug auf ihre politische Wirkung, also etwa die infolge des Reichstagsbrandes erlassene Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat, die die Freiheitsrechte erheblich einschränkte und faktisch das Verbot der KPD nach sich zog, das Ermächtigungsgesetz vom 24. März, das die Gewaltenteilung aufhob und Hitler persönlich gesetzgebende Kraft übertrug, oder das Verbot der Gewerkschaften am 2. Mai? Zudem überlagerte die politische Verfolgung die, die der Herkunft wegen erfolgte. Dies legte bereits die Chronologie der Ereignisse nahe. Zunächst kamen Machtergreifung, Reichstagsbrand und Ermächtigungsgesetz, erst danach Boykott und Berufsbeamtengesetz. Zugleich wurde diese Hierarchie dadurch bestätigt, wer primär den Nazis in den ersten Monaten ihrer Herrschaft zum Opfer fiel: Linke und Intellektuelle, wobei Kommunisten unter ihnen die stärkste Fraktion stellten. Schätzungen gehen davon aus, dass in der Verhaftungswelle, die sich vom Reichstagsbrand ausgehend bis zum Verbot der Gewerkschaften im Mai 1933 erstreckte, allein in Preußen mehr als 27 000 Kommunisten als »Schutzhäftlinge« in die neu errichteten Konzentrationslager (KZ) eingeliefert wurden, die »wilden« Verfolgungen aus der Anfangsphase nicht eingerechnet. Über die Zahl der Opfer, die an den Folgen von Folter oder durch Hinrichtungen starben, gibt es keine genauen Angaben.179 Unter den Inhaftierten der frühen Verfolgungen mochten nicht wenige Juden gewesen sein; dennoch fällt in jene Zeit, ausgelöst von der mitunter bestialischen Brutalität und dem zahlenmäßig exorbitanten »Blutzoll«, nicht von ungefähr der Beginn des wirkmächtigen kommunistischen Narrativs, das die Wahrnehmung, Hitlers erstes Opfer gewesen zu sein, konservierte und abweichende Erfahrungen anderer Opfergruppen nachhaltig ausschloss.180 Zuckermann vereinigte diese brisante Ausgangskonstellation in seiner Person: Die Verfolgung, die ausschlaggebend war für seine Flucht – die drohende Verhaftung im Zuge der Kommunistenhatz nach dem Reichstagsbrand  –, richtete sich gegen ihn als Kommunisten und nicht als Juden, auch wenn er wohl eine Ahnung davon hatte, dass seine jüdische Herkunft nicht von Vorteil gewesen sein würde, wäre er den Nazis in die Hände gefallen. Genau genommen standen Zuckermann und der Kreis, in dem er in Paris politisch aktiv wurde, damals also noch unter dem Eindruck der Kämpfe von Weimar. Eindrückliches Moment dieser enggeführten Interpretation ist das im August 1933 vom Dimitroff-Komitee herausgegebene Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitler-Terror. Dieser, der Form nach Münzenbergs Presseimperium entsprungene Bestseller, der mehr als 55 Auflagen erlebte, deutete den Reichstagsbrand vom 27./28. Februar als perfide Verschwörung 65

der Nazis, die Macht an sich zu reißen, wobei die Redaktion auch vor Halbwahrheiten und Unterstellungen nicht zurückschreckte: So sei es Göring und Goebbels mittels des homosexuellen, drogenabhängigen Rätekommunisten Marinus van der Lubbe, einem »Lustknaben« des SA-Chefs Röhm, nicht nur gelungen, den Reichstag anzuzünden, sondern dies als Tat der Kommunisten erscheinen zu lassen.181 Zusätzlich zu dieser reißerischen Kon­struktion, die trotz mangelndem Wahrheitsgehalt selbst die internationale Presse wiederholte,182 kam im Braunbuch erstmals die Meistererzählung zum Ausdruck, der Reichstagsbrand und die sich anschließende Repression gegen die Linke wären dem kommunistischen Triumph über Hitler – sei es durch Massenaktion der Proletarier, sei es durch die bevorstehenden Reichstagswahlen am 5. März – zuvorgekommen.183 Dahinter stand die gleichermaßen Wunschdenken wie tiefe Überzeugung ausdrückende Annahme, die Machtübertragung an Hitler sei nur eine Episode auf dem Weg der Arbeiterklasse zur Macht, ikonisch ausgedrückt in der bereits in der Endphase der Weimarer Republik selbst unter Sozialdemokraten verbreiteten Losung »Nach Hitler – wir!«.184 Darin kam einmal mehr die enggefasste Faschismusanalyse der KPD zum Vorschein. Trotz eines guten Drittels der Stimmen, die die NSDAP bei den Reichstagswahlen vom November 1932 erzielt hatte,185 betrachtete sie die Nazis weiterhin nicht als eigenständige Bewegung mit einem spezifischen politischen Programm und einer breiten Wählerbasis, sondern als Werkzeug in den Händen des Monopolkapitals, das allein danach trachte, die Arbeiterrechte weiter einzuschränken und dem dazu alle Mittel recht waren.186 Dementsprechend wurde die Machtübertragung an Hitler zunächst auch nicht als gravierender Einschnitt betrachtet, der das Fortbestehen der Demokratie ernsthaft gefährdete und nach einer neuen Politik verlangte, sondern vielmehr als willkommene Möglichkeit zur Eskalation. Während sich die SPD ihrerseits den Generalstreik als letztes Mittel für einen offenen Verfassungsbruch vorbehielt, befürwortete ihn die KPD in der irrigen Annahme, die Arbeiter würden bloß darauf warten, loszuschlagen  – eine Politik, der die Partei (mit Konjunkturen) eigentlich Zeit ihres Bestehens angehangen hatte.187 Daher verstand denn auch die Führung der Komintern die politische Krise in Deutschland im Frühjahr 1933 nicht als »ernst[e] Situation«, von deren erfolgreicher Meisterung »die ganze geschichtliche Entwicklung« abhänge, wie dies immerhin der untergetauchte Parteiführer Thälmann kurz vor seiner Verhaftung noch am 25. Februar 1933 nach Moskau gemeldet hatte,188 sondern als »beste Situation im Verhältnis zur Sozialdemokratie, wie wir sie während einer ganzen Reihe von Jahren seit 1918, der Zeit der großen Abspaltungen von der Sozialdemokratie, nicht mehr hatten«.189 Auch Zuckermann, der als Mitarbeiter des Verteidigungskomitees mit den Recher66

chen zum Braunbuch vertraut war, hing zu dieser Zeit der weitverbreiteten Vorstellung an, das Pariser Exil werde ein kurzes bleiben. Im Frühjahr 1933 sei dort die Illusion verbreitet gewesen, dass »dieser Spuk« in sechs Monaten vorbei sein würde.190 Nicht zufällig entwickelte das Pariser Exil deshalb ab dem Frühjahr 1933 einen fieberhaften Aktionismus, der anfangs durchaus zu Optimismus ermunterte. Unter Anleitung der Komintern und der IRH begann der Münzenberg-Kreis eine breit angelegte Kampagne zur Skandalisierung der Verhältnisse in Deutschland, die auf verschiedenen Ebenen ansetzte und die Paris in den folgenden Jahren in den Rang einer »Hauptstadt des Antifaschismus« (Anson Rabinbach) erhob.191 Grundlage all dieser Versuche, auf die Öffentlichkeit einzuwirken, bildete die Einrichtung von Komitees. Neben dem Dimitroff-Verteidigungs- und später dem Thälmann-Befreiungskomitee waren die wichtigsten Organisationen das Weltkomitee gegen Krieg und Faschismus, das unter der Leitung des kommunistischen Schriftstellers Henri Barbusse stand, und Münzenbergs Welthilfskomitee für die Opfer des deutschen Faschismus. Die Reputation von Barbusse als einem der bedeutendsten französischen Literaten seiner Zeit zeigt an, dass dem Kreis um Münzenberg daran gelegen war, Prominente zu gewinnen. Die Ausrichtung des Welthilfskomitees beispielsweise war parteiübergreifend angelegt. Zu den Mitgliedern, Vorsitzenden oder Ehrenvorsitzenden zählten keine Geringeren als Albert Einstein, Lion Feuchtwanger, André Gide, Heinrich Mann, Lord Marley, Romain Rolland oder Joseph Roth. »[In] jedem Land«, mokierte sich Arthur Koestler später, besaß das Weltkomitee »einen Ausschuß von höchst achtbaren Leuten, von englischen Herzoginnen bis zu bekannten amerikanischen Journalisten und französischen Wissenschaftlern, von denen keiner je den Namen Münzenberg gehört hatte und von denen viele glaubten, die Komintern sei ein von Dr. Goebbels erfundenes Schreckgespenst«.192 Der Widerhall, der eine derartige Prominenz in der Presse erzeugte, war wiederum beachtlich. War die öffentliche Meinung gegen Hitler-Deutschland in den ersten Monaten nach der Machtübertragung ohnehin von Entrüstung geprägt, fand die Presse in den Aktivitäten Münzenbergs – angeleitet durch das Braunbuch – reichlich Stoff zur Berichterstattung, sei es im Leipziger Prozess gegen Dimitroff, der mehr und mehr zur öffentlichen Anklage ­Görings geriet, oder im zuvor einberufenen Londoner Gegenprozess, wo ein Unter­suchungsausschuss gleichermaßen renommierter wie unabhängiger Juristen die Nazis noch vor Beginn des ordentlichen Prozesses schuldig sprach und sie zur Widerlegung dieses Urteils zwang.193 Auch die Solidarität der internationalen Arbeiterbewegung war beachtlich. Deren Mitglieder und Organisationen verfassten Protestbriefe, mit denen sie das Gericht in Leipzig 67

oder deutsche Botschaften und Konsulate überzogen. Sie hielten zahllose Demonstrationen ab, wie die zeitgleich in New York, Chicago, London, Brüssel, Stockholm, Oslo und anderen Städten veranstalteten Großkundgebungen anlässlich des »Schuldspruchs« der Londoner Gegenkonferenz am 20. September mit allein Zehntausenden Teilnehmern in Paris;194 oder sie übten sich allgemein in Solidarität. Noch Jahrzehnte später erinnerte sich Zuckermann ergriffen, wie sich die internationalen Gewerkschaften der Eisenbahner, Hafenarbeiter und Binnenschiffer daran beteiligt hätten, Propagandamaterial ins Deutsche Reich zu schmuggeln, wie selbstverständlich ihnen der Kampf gegen den Faschismus ein Anliegen gewesen sei.195 Der Problematisierung des Antisemitismus der Nazis und seiner Bekämpfung konnten unter diesen Umständen nur ein peripherer Platz zukommen. Wenig überraschend verlief seine Deutung, wie entsprechende Passagen im Braunbuch zeigen, in altbekannten Bahnen. Zwar war den antisemitischen »Maßnahmen« erstaunlich viel Platz eingeräumt worden. Die Ausführungen von knapp 50 Seiten, die dem Journalisten Alfred Kantorowicz zugerechnet werden,196 bilden innerhalb des Braunbuches, nach dem zentralen Abschnitt »Die wahren Brandstifter«, das zweitlängste Kapitel. Nach einleitenden Worten über die Grundlagen des Naziantisemitismus zeichneten sie die Abfolge der judenfeindlichen Erlasse und Aktivitäten bis zum Frühsommer 1933 nach, wobei den Ausführungen »geprüfte« Augenzeugenberichte aus dem Reich zur Seite gestellt wurden, die die Objektivität des Werkes belegen sollten.197 Alles in allem atmete das Kapitel jedoch den Geist der kommunistischen Deutung der »Judenfrage«, wie sie die Endphase der Weimarer Republik bestimmt hatte. Bereits einleitend wurde deutlich, dass man im Judenhass Hitlers keine neue Qualität zu erkennen vermochte. Kantorowicz hielt explizit fest, der folgende »Bericht der Tatsachen« sei weitgehend unabhängig von den »Problemen der ›Judenfrage‹«. Man lehnte also ab, dass Hitler eine, wenn auch gefährliche, so doch konsistente Antwort auf die »Judenfrage« formulierte. Über eine solche verfüge nur die kommunistische Bewegung aufgrund ihrer Deutung des Problems als »soziale Frage«, deren Beantwortung »untrennbar verquickt mit der Analyse der allgemeinen gesellschaftlichen Verhältnisse« sei.198 Auch im Frühsommer 1933 deutete diese Analyse den Antisemitismus – wie sollte es anders sein – als »altes Mittel der herrschenden Schichten, die Unzufriedenheit der Massen mit einem Regime, unter dem sie verelenden, von den wirklichen Ursachen abzulenken«.199 Neuartigkeit gestand man dem Antisemitismus unter Hitler nur zu, indem man konstatierte, er sei nun dazu da, von der Unfähigkeit des neuen Regimes abzulenken, die für die ­»Verelendung« ursächlichen wirtschaftlichen Probleme zu lösen: »Man kann nicht allen nationalsozialistischen Anhängern Brot und Arbeit geben.« Aller68

dings ging man nicht davon aus, dass es sich bei den Eruptionen des Judenhasses seit der Machtübernahme um bloß »vorübergehende Ereignisse« handeln würde – und zwar nicht, weil sich hier eine Weltanschauung Bahn gebrochen hätte, die Anspruch auf Umsetzung erhebe, sondern weil der Antisemitismus das »systematische und im Rahmen des grossen Volksbetruges notwendige politische Mittel« darstelle: »[So] lange man den kleinbürgerlichen Massen erlaubt, die Juden zu verfolgen und zu verprügeln, so lange sind diese Massen abgelenkt von dem grossen Betrug, dessen Opfer auch sie sind.«200 Auch anderswo kamen ähnlich rationale Erklärungen für den Antisemitismus zum Vorschein. Aus der Tatsache, dass der Boykott vom 1. April sich nur über einen Tag erstreckt hatte, schlossen die Autoren, der Antisemitismus habe »Grenzen« – »nämlich da, wo der Profit in Frage steht. […] Die Nationalsozialisten haben zwar Grundsätze, aber sie waren stets bereit, sich diese Grundsätze abkaufen zu lassen.«201 Mochte dieser Argumentation, zumindest zum damaligen Zeitpunkt, noch ein Funken Wahrheit innewohnen, fürchteten die Nazis ja in der Tat die öffentliche Meinung des Auslandes und brachen den Boykott vorzeitig ab,202 ging der Text in seiner Deutung aber weiter. Genau genommen sei dem Boykott, da er sich in erster Linie gegen jüdische Proletarier und den jüdischen Mittelstand gerichtet habe, nicht aber gegen die »jüdischen Kapitalisten«, zu entnehmen, dass die Nazis gar nicht gegen den Kapitalismus als solchen antraten: »Es geht nicht gegen das Kapital, es geht nicht gegen den Besitz; es geht gegen den kleinen Mann: gegen den ›arischen‹ Arbeiter und Mittelständler, der betrogen wird, gegen den jüdischen kleinen Angestellten und Händler, der vernichtet wird.«203 Einmal mehr präsentierte sich die KPD als wahre Vertreterin der Interessen des »kleinen Mannes«. Den Anhängern Hitlers aber prophezeite sie, bald »aufgeschreckt« zu werden, »durch die unerbittliche Tatsache, dass im ›Dritten Reich‹ niemandem geholfen wird als den Kapitalisten, seien sie jüdischen oder nichtjüdischen Glaubens. Sie werden begreifen lernen durch das, was ihnen noch im Dritten Reiche bevorsteht, dass die ganze Judenhatz zu nichts anderem gedient hat, als sie abzulenken von dem Kampf gegen die wahrhaft Schuldigen, gegen das System des Kapitalismus.«204 Um zu bekräftigen, dass »die Judenfrage letztlich keine Rassenfrage, sondern eine Klassenfrage ist«, bemühte Kantorowicz abschließend Lenin und was dieser 1920, angesichts der Pogrome während des Russischen Bürgerkrieges prominent zum Ausdruck gebracht hatte: »Nicht die Juden sind die Feinde der Werktätigen. Die Feinde der Arbeiter sind die Kapitalisten aller Länder.«205 Im Sommer 1933 war damit für einen Kommunisten wie Kantorowicz oder Zuckermann das Thema erledigt. Auch die weitere Entwicklung war nur wenig angetan, an diesem, aus der Weimarer Zeit herüber ragenden peripheren Stellenwert des Antisemitis69

mus in der kommunistischen Zeitdiagnose etwas zu ändern. Dazu trug nicht zuletzt bei, dass sich die antijüdische Politik des NS -Regimes nach den Höhepunkten des Frühjahres 1933, zumindest was ihre besonders sichtbaren gewalttätigen Ausformungen betraf, weithin beruhigt hatte. Von den Nürnberger Gesetzen abgesehen, die im September 1935 die Degradierung der deutschen Juden von Bürgern zu Staatsangehörigen festschrieben, was aus diesem Grund aber selbst jüdische Zeitgenossen als eine Art Klärung des Status der deutschen Juden verstanden,206 nahm die Verfolgung der Juden im Reich erst wieder 1937 mit einer Reihe von Einschränkungen im Wirtschaftsund Bildungssektor an Fahrt auf, um im »Schicksalsjahr 1938«,207 wie noch zu zeigen sein wird, in eine neue Qualität umzuschlagen.208 Zwischen 1934 und 1936 führte dies zu der paradoxen Situation, dass mehrere Tausend deutsche Juden in das Reich remigrierten, weil sie die unsichere ökonomische Lage im Exil vor unlösbare Schwierigkeiten stellte, denen sie die Stellung als Minderheit in Deutschland vorzogen.209 Schließlich gaben die Konsolidierung Hitlers, die nach dem »Röhm-Putsch« im Juni 1934 entscheidend voranschritt, als auch die Vereidigung der Reichswehr auf den »Führer«,210 und damit einhergehend die sich langsam einstellende Gewissheit von der Dauerhaftigkeit des Exils, der Pariser Emigration nur wenig Veranlassung, sich dem vermeintlichen Nebenschauplatz der NS -Judenpolitik zuzuwenden. Zu einer der Fragen, die unzweifelhaft höhere Priorität genossen, zählte die Kampagne zur Befreiung Thälmanns, die im Februar 1934 begann, und an der Zuckermann bis zum Sommer 1936 in hohem Maße beteiligt war. Nach dem Freispruch Dimitroffs und – mit Ausnahme van der Lubbes – der weiteren Angeklagten hatte die Komintern den Fokus auf die Freilassung Thälmanns richten lassen, hatte der Leipziger Prozess doch eine exzellente Bühne zur öffentlichen Verurteilung Deutschlands abgegeben. Ähnlich wie beim Reichstagbrandprozess bot man auch hier ein halbes Dutzend fester Mitarbeiter auf, die unterschiedlichste Aktivitäten orchestrierten. Dazu zählten öffentliche Kundgebungen wie ein Pariser Volkstribunal gegen den deutschen Faschismus am 9. Mai 1934, die Herausgabe von Informationsmaterial, die Veranstaltung von »Thälmann-Kampftagen« anlässlich seines Geburtstages sowie die Entsendung von Delegationen nach Deutschland, die Thälmann und seine Haftbedingungen in Augenschein nehmen sollten.211 Besondere Aufmerksamkeit wurde der Deutschen Botschaft in Paris zuteil, wie Gesandtschaftsrat Joachim Kühn entnervt nach Berlin berichtete: »Nach wie vor gehen der Botschaft fast täglich Kundgebungen zu, in denen die Befreiung Thälmanns gefordert wird. […] Als Drahtzieher sind fast immer festzustellen das Komitee für die Befreiung Thälmanns, die Rote Hilfe oder die Liga für Menschenrechte.«212 70

Zuckermann, in den Quellen nur »Leo« genannt, kamen innerhalb des Komitees die Aufgaben zu, die im weitesten Sinne juristischen Charakter trugen. In seine Zuständigkeit fielen die Sammlung und Auswertung von relevantem Material zur Vorbereitung eines möglichen Prozesses, die Erarbeitung von Memoranden, etwa über die Verschärfung des Strafgesetzbuches im Reich, die Kontaktaufnahme zu Anwälten, die die Freilassung Thälmanns forderten, oder die sich als Verteidiger zur Verfügung gestellt hatten, aber auch die Erstellung einer Tarnschrift, die an führende Juristen im Reich verschickt werden sollte.213 Trotz dieses Aktionismus war der Thälmann-Kampagne kein vergleichbarer Erfolg beschieden wie den Bemühungen zur Freilassung Dimitroffs. Gleich zweimal, im März 1935 und im Juli 1937, sah sich die Komintern-Führung in Moskau genötigt, jeweils die Neubelebung der Thälmann-Kampagne zu veranlassen.214 Dies lag nicht nur daran, dass die Nazis offenbar aus dem Reichstagsbrandprozess gelernt hatten und es wohlweislich unterließen, Thälmann einen öffentlichkeitswirksamen Prozess zu machen. Es lag auch an Thälmann selbst, der als proletarischer Hardliner und starrer Gefolgsmann Stalins die »Sozialfaschismus«-Phase der KPD repräsentierte, was auf parteiferne Intellektuelle und Künstler, die sich noch 1933 für Dimitroff und den ihm widerfahrenen Skandal einer unberechtigten Inhaftierung eingesetzt hatten, womöglich weniger anziehend wirkte.215 Irgendwann im Jahr 1936 setzte sich deshalb wohl in Moskau die Erkenntnis durch, dass ein inhaftierter Thälmann der Bewegung mehr nützen mochte, was ihm im August 1936 eine vergebliche Ehre verschaffte: die Benennung einer der ersten Einheiten der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg als Thälmann-Bataillon.216 Ohnehin hatte sich die Aufgabe der Thälmann-Kampagne mittlerweile gewissermaßen vom vordergründigen Ziel der Freilassung des KP-Führers gelöst. Die in ihrem Zuge in verschiedenen europäischen Ländern ins Leben gerufenen Thälmann-Komitees wurden intern – ganz nach Maßgaben und Geschmack der Komintern – in erster Linie als Mittel betrachtet, Einfluss auf die antifaschistische Basis vor Ort auszuüben, diese also für die kommunistische Sache zu gewinnen. Ausgehend von Spanien und Frankreich, die als leuchtende Beispiele einer »wirklichen Volksaktion für den Frieden« galten, hieß es dazu in einem internen Papier vom Frühjahr 1935: »Die Lehre ist fuer alle anderen Laender, in denen die Bewegung noch nicht einen so grossen Umfang erreicht hat, dass die Thaelmannaktion, dass ein breites Thaelmannkomitee ein Schluessel der Einheitsfrontbewegung gegen Faschismus, Krieg und Terror ist.«217

Das Vorbild dazu hatte unter anderem Zuckermanns Aufenthalt in Barcelona im Herbst 1934 geliefert, wo es seine Aufgabe gewesen war, potenzielle Sympa71

thisanten »zu bearbeiten« und auf die richtige Seite zu ziehen,218 er also nicht nur ein »antifaschistisches«, sondern gleichsam originäres Ziel der Komintern als Organisatorin der Weltrevolution verfolgte. Nicht weniger Aufmerksamkeit innerhalb des Pariser Exils beanspruchte ab der zweiten Jahreshälfte 1934 die bevorstehende Saarabstimmung. Der auf den 13. Januar 1935 terminierte Volksentscheid sollte über das weitere Schicksal der 1920 auf 15 Jahre dem Völkerbund unterstellten Region befinden; zur Wahl standen die Beibehaltung des Status quo als Mandatsgebiet oder der Anschluss an Deutschland beziehungsweise Frankreich. Nicht von ungefähr stilisierte die Exil-KPD die Abstimmung zu einer Abrechnung mit Hitler – anfangs sogar mit der Parole der »roten Saar«, was insofern haltlos war (und auch alsbald bereinigt wurde), als der Wahlzettel diese Option schlechterdings nicht vorsah. Dennoch waren die Hoffnungen auf einen Erfolg in der »Saarschlacht« nicht so weit hergeholt. Noch 1932 war die KPD aus den Landesratswahlen als zweitstärkste Kraft hervorgegangen – und das bezeichnenderweise vor der SPD.219 Vor diesem Hintergrund gewann die Saar als Gebiet, das nicht kampflos den neuen Machthabern überlassen werden sollte, an dem die Machtübertragung also in gewisser Weise aufgehalten, wenn nicht rückgängig gemacht werden konnte, auch an psychologischer Bedeutung. Um den Kampf zu unterstützen, entsandte die Pariser Auslandsleitung vorübergehend gleich mehrere Funktionäre aus der französischen Hauptstadt an die Saar, darunter Alexander Abusch, Lex Ende und Arthur Koestler.220 Zuckermann war in den Kampf um die Saarabstimmung insofern involviert, als er in seiner Tätigkeit als juristischer Berater für das Weltkomitee gegen Krieg und Faschismus von Barbusse, dem er 1934/35 parallel zu seiner Mitarbeit im Thälmann-Komitee zugeordnet war, in der Frage der Flüchtlinge aus dem Saargebiet zuarbeitete – freilich erst, als der Kampf dort bereits ver­loren war. Nach dem überraschenden, ja erdrutschartigen Sieg der Befürworter eines Anschlusses an Deutschland, die im Volksentscheid letztlich auf mehr als 90  Prozent der Stimmen gekommen waren, hatten Tausende politische Flüchtlinge, die Racheakte fürchteten, quasi noch am Wahltag begonnen, sich nach Frankreich abzusetzen. Ihrer Einteilung durch die französischen Behörden in Saarflüchtlinge, die, wenngleich sie im Süden des Landes Arbeitsdienst zu verrichten hatten, über gewisse Rechte verfügten, und in Flüchtlinge aus dem Reich, die in Lagern nahe der Grenze unter unzureichenden Bedingungen interniert worden waren und beständig ihre Ausweisung nach Deutschland fürchten mussten, galt ein Memorandum des Weltkomitees vom März 1935, an dem Zuckermann höchstwahrscheinlich mitgearbeitet hatte, über das er aber auf jeden Fall für die Pariser Exilpresse berichtete.221 Die an den Völkerbund gerichtete Denkschrift stellte nicht 72

nur den ersten Fall seines bald bestimmenden Arbeitsfeldes dar, im Auftrag kommunistischer (Tarn-)Organisationen auf internationaler Ebene gegen bestimmte Missstände Einspruch zu erheben; das Problem, mit dem er hier konfrontiert wurde, bewegte sich weiterhin auch gänzlich in den Kategorien politischer Verfolgung seit der Machtübertragung. Deutlich wird dies an der Frage der saarländischen Juden, die in dem Artikel keine Erwähnung finden: Zusatzbestimmungen zum sogenannten Römischen Abkommen vom 3. Dezember 1934 hatten den etwa 5000 Juden des Saargebietes, die aufgrund der Völkerbundhoheit von den ab 1933 im Reich geltenden antijüdischen Gesetzen ausgenommen gewesen waren, für den Zeitraum von zwölf (beziehungsweise 36) Monaten eine Sonderstellung zugestanden, die ihnen – im Gegensatz zu entsprechenden Bestimmungen im Reich – unter anderem den ungestörten Verkauf und die Mitnahme ihres Vermögens gestatten sollte. Diese Regelung schloss Härtefälle nicht aus; gleichwohl stellte sie eine rechtliche Absicherung dar und hob die Juden an der Saar damit zumindest auf dem Papier auf eine Stufe mit saarländischen Optanten.222 Aus diesem Grund fand sie wohl auch keinen Niederschlag in Zuckermanns Artikel, obwohl ihm der Ausnahmecharakter der Lösung, die auf Initiative internationaler jüdischer Organisationen zustande gekommen war, und die Ende des Jahres 1934 einige Aufmerksamkeit in der internationalen Presse hervorrief, qua seiner Tätigkeit nicht entgangen sein dürfte.223 Im Frühjahr 1935 galt sein Interesse jedoch in erster Linie den politischen Flüchtlingen aus dem Reich, die im Vergleich zu Saarländern – die Juden eingeschlossen – über keinerlei »Privilegien« verfügten und in Frankreich am schlechtesten gestellt waren. »Solange man geflüchtete Antifaschisten in Kasernen und Lagern unterbringt«, schloss Zuckermann seinen Artikel, »ihnen Bewegungsfreiheit, Recht auf Arbeit, kulturelle und gewerkschaftliche Betätigung im Asyllande versagt, so lange [sic] behandelt man die Kämpfer für Freiheit und Frieden nicht besser als internierte Gefangene, so lange kann von Asylrecht nicht gesprochen werden.«224 Schließlich war ein weiteres Ereignis der frühen Emigrationszeit angetan, den Blick vergleichsweise unbeirrt in die Zukunft zu richten: die sich in den Jahren 1934/35 materialisierende Idee der Einheits- beziehungsweise Volksfront. Trotz ihres ernüchternden, ja niederschmetternden Misserfolgs war es nicht zuletzt die Saarkampagne gewesen, die den Weg dazu bereitet hatte: Dort waren SPD und KPD gemeinsam mit einigen linken Splittergruppen im Sommer 1934 erstmals ein Bündnis eingegangen, um den drohenden Sieg der Deutschen Front abzuwenden, das saarländische Bündnis aus deutschnatio­ nalen Parteien und NSDAP, das für den Anschluss an das Reich warb. Überhaupt schienen die Zeichen auf Überwindung des jahrzehntealten Gegensatzes 73

zu stehen, den nicht wenige Zeitgenossen, Kommunisten wie Sozialisten gleichermaßen, als Makel und Hauptgrund für die Niederlage von 1933 ansahen. Nachgerade spontan, vor allem aber parteiübergreifend hatten französische Arbeiter die viel zitierte »Einheitsaktion« vorgelebt, als sie im Februar 1934 nach Ausschreitungen rechter Demonstranten in Paris, die als faschistischer Putschversuch interpretiert worden waren, den Generalstreik ausriefen. Den lauter werdenden Rufen nach antifaschistischer Geschlossenheit der Linken gab im Juni sogar die Komintern nach, als sie die Führung der französischen Kommunisten anwies, mit der Section française de l’Internationale ouvrière (SFIO), der Partei der radikalen Sozialisten, zusammenzuarbeiten.225 Und auch innerhalb der deutschen Parteiführung war im Herbst 1934 ein Kampf um die Frage entbrannt, welche Haltung hinsichtlich der Einheitsfront einzunehmen sei, wobei ideologische Annahmen über die Notwendigkeit eines geeinten Vorgehens mit fraktionellen Erwägungen, für welche Linie sich die Komintern entscheiden solle, einhergingen.226 Nach Moskau zitiert, wurde die neue Leitung um Pieck, Ulbricht und Dahlem Ende Januar 1935 schließlich dazu verpflichtet, »in breitem Masstab die Taktik der Einheitsfront mit allen sozialdemokratischen Gruppen und Organisationen zur Organisierung des Kampfes gegen das faschistische Regime auf dem Boden konkreter Tagesforderungen der Arbeitermassen zu entfalten«.227 Den Höhepunkt dieses historischen Paradigmenwechsels bildete der VII.  Kongress der Komintern im Juli / August 1935 in Moskau, auf dem der zum neuen Vorsitzenden bestellte »Held von Leipzig«, Georgi Dimitroff, die veränderte Linie für alle sichtbar darlegte. Von Angriffen auf die Sozialdemokratie war, bis auf die obligatorische Feststellung ihrer historischen Schuld am Aufkommen des Faschismus, keine Rede mehr. Stattdessen erklärte eine der Resolutionen »die Herstellung der Einheitskampffront der Arbeiterklasse [zur] wichtigste[n], nächstliegende[n] Aufgabe der internationalen Arbeiterbewegung«, der fortan durch »gemeinsame Aktionen mit den sozialdemokratischen Parteien, den reformistischen Gewerkschaften und anderen Organisationen der Werktätigen  […] auf Grund kurzfristiger oder dauernder Abkommen« Folge zu leisten sei.228 Ziemlich genau zur selben Zeit, als die Komintern in Moskau tagte, war Leo Zuckermann bereits mit konkreten Aufgaben zur Umsetzung der neuen Linie betraut. Als Mitglied der Deutschen Sektion der Internationalen Juris­ tischen Vereinigung gehörte er im Sommer 1935 für einige Zeit dem Vorläufigen Ausschuss einer Deutschen Volksfront an, der sich zu dieser Zeit aus pazifistischen, sozialistischen und kommunistischen Persönlichkeiten des Pariser Exils konstituierte.229 Anfang August 1935 hatte ihn die KPD Auslandsleitung dann als Emissär nach Prag entsandt, um dort beim Partei74

vorstand der Exil-SPD, konkret bei Erich Ollenhauer, dessen Bereitschaft zur Teilnahme an einer »Konferenz für Unabhängigkeit und Freiheit« zu sondieren, die im Zeichen der Volksfront in der Schweiz stattfinden sollte.230 Während Zuckermanns Vorsprechen zunächst nicht viel mehr bewirkte, als dass Ollenhauer Rudolf Breitscheid anwies, sich einen Eindruck über den Pariser Ausschuss zu verschaffen, kam der Parteiauftrag für Zuckermann höheren Weihen gleich. Er hatte inzwischen offenbar nicht nur das Vertrauen der Parteiführung erworben, die ihn mit zunehmend wichtigeren Aufgaben betraute. Er konnte sich auch geehrt schätzen, ja bestätigt fühlen, an einer derart historischen Initiative mitzuwirken. Erinnert man sich daran, dass Zuckermann einst als Motivation für seinen Eintritt in die KPD die »Schlappheit« der SPD -Führung gegenüber den Nationalsozialisten angegeben hatte,231 sah er sich mittlerweile selbst in die Position versetzt, hochrangige Vertreter der Exil-SPD vom Gegenteil zu überzeugen. Der Eindruck, auf der richtigen Seite zu stehen beziehungsweise »in der gegenwärtigen historischen Etappe« der »wichtigste[n], nächstliegende[n] Aufgabe der internationalen Arbeiterbewegung« nachzugehen, mochte schließlich dadurch bestätigt worden sein, mit welcher Anerkennung der Komintern-Kongress derartige Initiativen zur Herstellung der Einheitsfront – und damit indirekt Zuckermanns Mitarbeit im Dimitroff- und Thälmann-Komitee, vor allem aber seine Reise nach Katalonien – mittlerweile bedachte. Den »Schulter an Schulter kämpfenden kommunistischen und sozialdemokratischen Arbeitern Frankreichs« sowie dem »gemeinsame[n] bewaffnete[n] Kampf der sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeiter in Österreich und Spanien« attestierte Dimitroff in Moskau daher, »Werktätigen der anderen Länder  […] ein heldenhaftes Beispiel« abgegeben und »mobilisierenden Einfluß« auf die »Einheitsfrontbewegung im Weltmaßstabe« ausgeübt zu haben.232 Welch größeres Lob hätte man einem jungen Kommunisten wie Leo Zuckermann aussprechen können? Für Referenzen auf jüdische Partikularität, die Zuckermann bis 1933, wenn auch unter negativen Vorzeichen, in kontinuierlicher Form kundgetan hatte, gab es unter diesen Umständen nur wenig Raum, an die Oberfläche zu treten. Nicht nur bestand für sie kaum konkreter Anlass; die Gegenwart legte andere Prioritäten nahe. Dennoch war die Frage der Herkunft nicht einfach abhandengekommen und sei es allein, dass sie sich in Form von sozialen Präferenzen ausdrückte. Schließlich hatte Zuckermann mit Lydia Staloff ganz selbstverständlich eine Jüdin geheiratet, und sein Freundeskreis in Paris bestand zu jener Zeit vornehmlich aus Kommunisten jüdischer Herkunft. Insofern kann hier ein weiteres Mal der eingangs zitierte Jürgen ­Kuczynski herangezogen werden. Bezeichnete dieser die frühen 1930er Jahre »keineswegs [als] die beste Zeit meines Lebens, aber [als] eine schöne Zeit, 75

persönlich mit Abusch, mit Norden«,233 und gab so en passant zu verstehen, dass die jüdischen Kommunisten in der Partei – aus welchen Gründen auch immer – offenbar am liebsten unter sich verkehrten, kann für Zuckermann im Pariser Exil in gewisser Weise dasselbe konstatiert werden. Dies legen zumindest seine teils engen, aus dieser Zeit stammenden Freundschaften zu Alexander Abusch, Gerhart Eisler, Hilde Neumann, Albert Norden und wohl auch Jürgen ­Kuczynski nahe. Obgleich die Frage der Herkunft in jener ideologisch womöglich »reinsten« Phase Leo Zuckermanns gewissermaßen »schlief«, verschaffte sie sich nichtdestotrotz latent Geltung.

1.5  Spezialist für Flüchtlingsfragen: Ein Kommunist in Évian Im Sommer 1936 wurde Leo Zuckermann innerhalb der IRH ein neues Arbeitsgebiet zugewiesen, das er bis zum Beginn des Weltkrieges im September 1939 hauptberuflich ausübte. Es handelte sich um die Stelle des beigeordneten, sprich geschäftsführenden Sekretärs des Bureau internationale pour le respect du droit d’asile et l’aide aux réfugiés politiques (Internationales Bureau für Asylrecht und Flüchtlingshilfe, nachfolgend Asylrechtsbüro), das im Anschluss an eine Internationale Asylrechtskonferenz am 21. und 22. Juni 1936 in Paris eingerichtet worden war.234 Den konkreten Anlass dieser Konferenz hatte ein für Anfang Juli geplantes Zusammenkommen verschiedener Mitgliedsstaaten des Völkerbundes in Genf geboten, auf dem ein Flüchtlingsstatut für die Emigranten aus Deutschland verabschiedet werden sollte.235 Verglichen mit den Aktivitäten zur Schaffung einer parteiübergreifenden, antifaschistischen Massenbewegung, die die frühen 1930er Jahre bestimmt hatten, war die Initiative zur Einrichtung des Asylrechtsbüros, sprich die Befassung mit Asylrecht, Neuland für die IRH beziehungsweise die Komintern und entsprang einer Gemengelange aus drei Überlegungen. Zunächst verband sich mit ihr die Notwendigkeit, die steigende Zahl politischer Flüchtlinge in Europa, die aufgrund politischer Krisen und Verfolgung in Italien, Deutschland, Österreich oder Spanien in die Emigration gezwungen wurden und die bevorzugt Frankreich als Emigrationsziel wählten, zu unterstützen. Zuletzt hatten mehrere Tausend politische Flüchtlinge aus dem Saargebiet, die nach der Wiedereingliederung in das Deutsche Reich nach Frankreich geströmt waren, die dort ab 1933 mühsam etablierten Strukturen herausgefordert; zugleich stellten Ausweisungen von abgelehnten Flüchtlingen nach Deutschland ein zunehmendes Problem dar. Da die Sicherstellung ihres Aufenthaltes wie 76

auch ihr Unterhalt mit erheblichen finanziellen Aufwendungen für die IRH verbunden waren, wurde die Thematisierung des Asylrechts als Möglichkeit gesehen, die Lage mittelfristig zu entspannen. »Es ist zu hoffen«, äußerte sich die Emigrationsleitung der KPD im Frühjahr 1936, dass es durch die Einrichtung entsprechender Stellen »endlich moeglich ist, einen organisierten Kampf um das Asylrecht in Frankreich zu fuehren, mit der Perspektive, alle Freunde legalisieren zu koennen und ihnen soweit wie irgend moeglich Arbeit zu verschaffen«.236 Darüber hinaus stand die Einrichtung des Asylrechtsbüros im Zusammenhang mit dem im Sommer 1935 seitens der Komintern vollzogenen Schwenk zur Volksfrontorientierung, das heißt mit dem Zusammengehen von Kommunisten und Sozialisten mit bürgerlichen Linken in der Abwehr faschistischer Bedrohungen.237 Im Zuge dessen hatte auch die IRH, die Anfang 1936 eine gesteigerte »Solidaritätsbereitschaft« nicht kommunistischer Kreise ausgemacht haben wollte, die Parole ausgegeben, »breiteste einheitliche Volksbewegungen der Solidarität mit den Opfern des Faschismus oder der Reaktion zu schaffen, also gemeinsam mit den Sektionen der RH andere Organisationen der Arbeiter, Bauern, Intellektuellen, anderen Mittelschichten, Frauen etc. in die Aktion zu führen«.238 Frankreich, das seit Mai 1936 von einer Volksfrontregierung unter Léon Blum regiert wurde, bot dafür ausgezeichnete Voraussetzungen. Unter diesen Vorzeichen gelang es der IRH jedenfalls, als nominellen Leiter des Asylrechtsbüros den französischen Sozialisten und bekennenden Sowjet-Sympathisanten Paul Perrin (1891–1950) zu gewinnen, der in anderer Funktion dem von der Regierung Blum eingesetzten Centre de liaison des emigrés en France (Kontaktstelle für Emigranten in Frankreich) vorstand, das im Regierungsauftrag die Hilfe für die Flüchtlinge aus Deutschland koordinierte.239 Während das Asylrechtsbüro vorrangig französische, britische, belgische und holländische Organisationen vereinte, diente die zur gleichen Zeit gegründete Zentralvereinigung Deutscher Emigration (ZVE) dazu, die deutschen Hilfsorganisationen in Frankreich unter der Maßgabe der Volksfront zusammenzuführen und im besten Fall unter kommunistischen Einfluss zu bringen.240 Begünstigt wurde die Neuausrichtung der IRH schließlich von dem »äussere[n] Umstand«,241 dass im September 1935 der vom Völkerbund eingesetzte Hohe Kommissar für Flüchtlinge aus Deutschland, James  G.  McDonald, in einem aufsehenerregenden Rücktritt seinen Posten aufgegeben hatte.242 Während McDonald in seinem öffentlichen Rücktrittsschreiben die Untätigkeit der internationalen Staatenwelt angeprangert hatte, das Problem konzertiert einer Lösung zuzuführen, verstanden die Pariser Parteizirkel die im Raum stehende Neubesetzung des Postens des Hohen Kommissars als 77

ausgezeichnete Möglichkeit, den eigenen Einfluss zu vergrößern. »Es soll versucht werden«, hielt Ende Februar ein Protokoll einer gemeinsamen Sitzung von Vertretern der IRH, der KPD und der Auslandsleitung fest, »den neuen Kommissar nicht nur allgemein zu beeinflussen, sondern auch zu konkreten Zusagen zu bewegen.«243 Verbesserungen erhoffte man sich speziell in drei Bereichen: hinsichtlich des Aufenthaltsrechtes von Flüchtlingen, ihrer Ausstattung mit gültigen Papieren und der Zuteilung von Arbeitserlaubnissen. Denn zum Nachteil gereichte den etwa 14 000 politischen Flüchtlingen aus Deutschland, die sich zur Jahreswende 1935/36 in Frankreich aufhielten,244 dass keine international gültigen Normen für Asylsuchende existierten, potenzielle Aufnahmeländer nach eigenem Dafürhalten mithin nur Akte der Humanität vollzogen.245 Das erste international anerkannte Flüchtlingsstatut, das Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention), wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg, im Juli 1951, erlassen.246 Nur einzelne Gruppen hatten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts spezifische Rechte erhalten, allen voran die Emigranten aus Russland, denen 1922 mit der Einsetzung einer Behörde beim Völkerbund unter anderem ein Ausweisdokument, der sogenannte Nansen-Pass, zugeteilt worden war, der sie als Flüchtlinge auswies und ihnen ein Minimum an Schutz garantierte.247 Für die Emigration aus dem Reich hingegen existierten keinerlei derartige Bestimmungen. Als exilierte deutsche Staatsbürger, denen deutsche Behörden im Ausland keine Dokumente mehr ausstellten, waren sie zwar nicht zwingend staaten-, gleichwohl aber schutzlos und häufig von Ausweisung bedroht; auch einer Arbeit, die ihnen ein eigenständiges Einkommen gesichert hätte, konnten sie in der Regel nicht nachgehen. Im Vorfeld der geplanten Staatenkonferenz vom Juli 1936 hatten die Teilnehmer deshalb erwogen, die deutschen Flüchtlinge in den Geltungsbereich einer Konvention aufzunehmen, die am 28. Oktober 1933 zugunsten der Nansen-Flüchtlinge verabschiedet worden war.248 Diese ergänzte bestehende Abkommen aus den Jahren 1924 und 1928, etwa hinsichtlich des Verbotes von Ausweisungen, der Inanspruchnahme von Rechtshilfe oder der Empfehlung, ihnen in Sachen Wohlfahrt, Unterstützung und Besteuerung wohlwollend die landesüblichen Gesetze für Fremde angedeihen zu lassen. Die Aussicht, derartige rudimentäre, zudem nicht rechtsverbindliche Bestimmungen zur Grundlage für das angestrebte Flüchtlingsstatut zu machen, zog freilich scharfe Kritik der deutschen Emigrantenvereinigungen in Paris auf sich, wie eine ausführliche Broschüre belegt, die der Asylrechtskonferenz als Arbeitsgrundlage diente. Darin stellte der Vorbereitungskreis den Entwurf eines Flüchtlingsstatutes vor, dessen zentrale Forderungen fortan mit der offiziellen 78

Agenda des Asylrechtsbüros in eins fielen: Ein politischer Flüchtling dürfe »aus dem Land, in dem er Asyl gesucht hat, nicht ausgewiesen werden«, er habe Anrecht auf »Ausstellung eines Personalausweises« wie auch eines »Fremdenpass[es]«, er habe »das Recht, jedem Gewerbe nachzugehen«, unterliege den »Rechte[n] und Pflichten, die aus der Sozialgesetzgebung« des Immigrationslandes hervorgingen und genieße ferner »Koalitions-, Vereins- und Versammlungsrecht und das Recht der freien Meinungsaeusserung« sowie weitere Bestimmungen.249 Leo Zuckermann, dem als beigeordnetem Sekretär das Tagesgeschäft des Asylrechtsbüros oblag, nahm sich dieses Programms in bewährter Manier an. In seinen Aufgabenbereich, den er nach Angaben der Moskauer Vorgesetzten »sehr gut« erledigte,250 fielen die Kommunikation und Kontaktpflege mit den im Büro vertretenen Organisationen; die Beobachtung der internationalen Lage und Ausarbeitung entsprechender Memoranden; Öffentlichkeitsarbeit, darunter die Herausgabe eines zweimonatlich erscheinenden Information Service, wie auch die Orchestrierung von Kampagnen zugunsten internierter oder von Ausweisung bedrohter Emigranten.251 Als wichtigste Aufgabe erwies sich unterdessen die Mitarbeit im Liaison Committee beim Völkerbundkommissar für Flüchtlinge aus Deutschland, das sich nach der Neubesetzung des Postens durch den Engländer Sir Neill Malcolm im Herbst 1936 konstituiert hatte und von dessen 18 Sitzen einer für den Vertreter des Asylrechtsbüros reserviert war.252 Das Gremium, das sich etwa alle drei Monate in Genf, Paris, London, Brüssel oder Amsterdam traf, hatte keine exekutiven Befugnisse, sondern diente allein dazu, die Vorstellungen der Flüchtlingsorganisationen beim Hohen Kommissar zu vertreten und diesen entsprechend zu beraten. In Bezug auf Entscheidungen der Staatenwelt, wie etwa eine weitere Konferenz zur Fortentwicklung des Flüchtlingsstatutes im Februar 1938 in Genf, überreichte es mitunter auch Handlungsempfehlungen an das Kommissariat. Zwar gelang es Zuckermann und dem Asylrechtsbüro in dem Gremium nie so recht, ihren »›Kommunistenruf‹ loszuwerden«,253 doch es war der Komintern auf diese Weise geglückt, einigen Einfluss auf das wichtigste Beratergremium des Völkerbundes in der Flüchtlingsfrage auszuüben, und dies umso mehr, als die ZVE mit drei Stimmen ebenfalls vertreten war und überdies mit dem Kommunisten Leo Bauer (Deckname: Rudolf Katz, 1912–1972) den beigeordneten Sekretär des Beirates stellte. Für Zuckermann bedeutete die Position ferner einen enormen Zuwachs an Profilierung und Vernetzung, da sie ihn nicht nur mit Funktionären wie dem Hohen Kommissar persönlich, sondern auch mit Repräsentanten zahlreicher europäischer Staaten, des Völkerbundes und praktisch allen relevanten Hilfsorganisationen bekannt machte. Ein vertrauliches Memorandum des American Jewish Joint Distribution Committee 79

(Joint) jedenfalls, das im Juni 1938 die Mitglieder des Beirates charakterisierte, attestierte Zuckermann »einigen Einfluss aufgrund seiner Kontakte zu [französischen] Regierungskreisen« und führte ihn unter den »am meisten verlässlichen« Mitgliedern des Gremiums.254 Dennoch blieben die Aktivitäten des Asylrechtsbüros, wie bereits angedeutet, von einem starken instrumentellen Zug gekennzeichnet. Über den Leiter des Büros der IRH in Paris, den britischen Komintern-Kader Tom Bell, oder direkt von Wilhelm Pieck, der der IRH seit November 1937 vorstand, empfing man nicht nur Order aus Moskau, welche politische Linie zu verfolgen sei. Auch an den im Liaison Committee an den Tag gelegten Bemühungen wird erkennbar, dass die Aufgabe des Asylrechtsbüros in erster Linie darin bestand, den Einfluss der Komintern zu erweitern und die Interessen der Sowjetunion zu wahren. Dies führte mitunter zu absurden Situationen, wenn etwa Zuckermann als Vertreter des Asylrechtsbüros heftig gegen das Nansen-Amt polemisierte, in dessen »Schatten« sich angeblich  – so der Titel einer Broschüre aus seiner Feder – Weissgardisten, Spione und Terroristen tummelten, die im Dienste Deutschlands und anderer faschistischer Staaten stünden.255 Obwohl ihm geläufig gewesen sein dürfte, dass ein nicht unerheblicher Teil der Nansen-Passinhaber auch Jahre nach ihrer Emigration – insbesondere in Frankreich, dem mit Abstand am häufigsten angesteuerten Aufnahmeland – noch ein prekäres Dasein fristete,256 verwandte das Asylrechtsbüro unbeirrt einiges an Energie darauf, im Sinne der Sowjetunion für die endgültige Liquidation des Amtes zu werben, und es nicht etwa in einem vergrößerten Hohen Kommissariat für Flüchtlinge aufgehen zu lassen.257 Nicht minder durchsichtig war der Versuch des Asylrechtsbüros, auch die IRH in den Beirat zu kooptieren: Neben einzelnen sachbezogenen Einlassungen zeichnete sich Zuckermann in der Anfangszeit vornehmlich dadurch aus, dass er mindestens dreimal den entsprechenden Antrag stellte, die IRH aufzunehmen, den die Mitglieder allerdings stets aufs Neue abschlägig beschieden oder vertagten.258 Im Frühjahr 1938 wurde der zaghafte Erfolg, als der die neuartige Arbeit des Liaison Committee insofern bewertet werden kann, da erstmals Nichtregierungsorganisationen aktiv an der Ausarbeitung einer Flüchtlingskonvention beteiligt worden waren, durch die Ereignisse in Österreich überholt. Während noch im Februar auf einer Genfer Staatenkonferenz eine weitere Flüchtlingskonvention  – nicht zuletzt auf Drängen des Beirates  – das Pro­ blem staatenloser deutscher Flüchtlinge verhandelt hatte,259 zog der nur wenige Wochen später erfolgte »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich in quantitativer wie qualitativer Hinsicht eine Eskalation des bestehenden Flüchtlingsproblems nach sich. Über Nacht schufen die Annexion Österreichs 80

und die damit einhergehenden, zum Teil pogromartigen Verfolgungen ein Klima der Angst, das Tausende Juden und politische Gegner des Nationalsozialismus veranlasste, sich um Ausreise zu bemühen oder das Land zu verlassen. Gleichzeitig ließ die Anwendung der Nürnberger Rassengesetzgebung Ende Mai 1938 erahnen, dass der Großteil der etwa 200 000 österreichischen Juden über kurz oder lang versuchen würde, außerhalb Österreichs Zuflucht zu suchen.260 Die Aufnahmekapazitäten der umliegenden Staaten und die an ihrer Leistungsgrenze operierenden Hilfsorganisationen wurden durch den Zustrom weiterer Flüchtlinge vor zusätzliche Herausforderungen gestellt. Die Deutschen gingen nicht nur dazu über, gewaltsame Austreibungen vorzunehmen; zudem waren Anrainerstaaten nicht länger bereit, Flüchtlinge aufzunehmen und schlossen, wie die Tschechoslowakei und Polen, ihre Grenzen.261 An den österreichischen Außengrenzen führte dies zu einem neuartigen Phänomen, dem »Niemandsland«, als dessen berüchtigtster Fall bald die mehreren Dutzend burgenländischen Juden galten, die im April 1938 – von den Deutschen vertrieben, von der Tschechoslowakei und Ungarn nicht ins Land gelassen – auf einem französischen Schlepper südlich von Bratislava im internationalen Fahrwasser der Donau ausharren mussten, bis ihnen nach Monaten Hilfe zuteilwurde.262 Auch wenn Leo Zuckermann kaum entgangen sein konnte, dass Juden die Hauptleidtragenden der Radikalisierung in Österreich waren, galt seine Aufmerksamkeit weiterhin ausschließlich den politischen Flüchtlingen. Deutlich wird dies etwa an seinen Positionen, die er auf der Évian-Konferenz vom Juli 1938 und in ihrem Umfeld vertrat. Für gewöhnlich wird das Zusammentreffen in Évian, das auf Initiative des US -amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt an die französische Seite des Genfer Sees einberufen wurde, als »jüdische« Konferenz wahrgenommen, was insofern richtig ist, als ihr Hauptaugenmerk, über Hilfe für die Flüchtlinge aus Österreich und Deutschland zu beraten, primär Juden betraf.263 Dennoch vertraten von den 39 Organisationen, in deren Namen in Évian Delegierte Vorschläge an die Konferenz unterbreiteten, etwa die Hälfte nichtjüdische Belange, darunter Katholiken, Quäker, die Internationale Völkerbundligen-Union, das Royal Institute of International Affairs, und – in Person Leo Zuckermanns – auch das Asylrechtsbüro.264 Zuckermann, der mit seiner Frau angereist und gleichzeitig als Sonderberichterstatter für die Pariser Tageszeitung akkreditiert war,265 sprach gleich zweifach in Évian vor: indirekt als Mitglied des Liaison Committee, das in Person des Hohen Kommissars Malcolm ein Memorandum vortrug, und persönlich als Vertreter des Asylrechtsbüros, in dessen Namen er insbesondere die Ausweitung der Flüchtlingskonventionen von 1936 und 1938 sowie die Erweiterung der nationalen Gesetzgebungen anmahnte.266 81

Während in Zuckermanns Statement vor der Konferenz kein jüdischer Bezug auszumachen ist, wurde er in seinen Beiträgen für die Pariser Tageszeitung in dieser Hinsicht expliziter. In einer Reihe von Artikeln berichtete Zuckermann im Jahr 1938 in der wichtigsten Zeitung des deutschsprachigen Exils in Frankreich, die der ehemalige Chefredakteur der Vossischen Zeitung, Georg Bernhard, herausgab, über juristische Aspekte der von Deutschland ausgelösten Flüchtlingskrise und streifte erwartungsgemäß auch die jüdische Problematik. Vehement verwandte er sich darin gegen die Annahme, dass das »Flüchtlingsproblem aus Deutschland und Oesterreich […] eine fast ausschliessliche jüdische Frage« sei. Obgleich die Einladung Roosevelts und das Abschlusskommuniqué der Konferenz vom 14. Juli aus Rücksicht auf deutsche Befindlichkeiten ausschließlich von einem Zusammentreffen zugunsten »politischer Flüchtlinge« gesprochen hatten,267 erfuhr das Schicksal der Juden unter ihnen Zuckermanns Meinung nach offenbar über die Maßen Beachtung. Stelle man die Flüchtlingskrise einzig als eine jüdische Angelegenheit dar, wozu viele jüdische Verbände und auch die Öffentlichkeit neigen würden, leiste man antisemitischen Stimmungen Vorschub und tue überdies antidemokratischen Kreisen einen Gefallen, die nur darauf warten würden, die Verhandlungen »ausschliesslich als eine Beratung zur Lösung des Judenproblems« zu diffamieren, kommentierte Zuckermann aus Évian.268 Indem »[s]orgfältig« vermieden würde, »von der politischen Emigration zu sprechen«, führte er wenige Wochen später aus, gingen die in Évian in die Wege geleiteten Lösungsansätze in eine falsche Richtung. Als Anfang September 1938 die Meldung verbreitet wurde, das in Évian eingesetzte Intergovernmental Committee unter der Leitung des Amerikaners George Rublee mache sich daran, mit Deutschland Verhandlungen über mögliche Ausfuhrerleichterungen für emigrationswillige Juden aufzunehmen, brandmarkte Zuckermann dies mit den Worten: »[M]an will Hitler die Juden abkaufen.« Politische Flüchtlinge, so kann man ihn verstehen, drohten darüber leer auszugehen. Indem sich die Verhandlungen auf jüdische Flüchtlinge konzentrierten, so Zuckermann weiter, würde den »antihitlerischen Emigranten« nicht nur ein basales Menschenrecht – »Asyl und Hilfe« – verweigert. Zugleich trete in den Hintergrund, »dass die Emigration aus Deutschland, sei sie politisch oder rassistisch, die gleichen Wurzeln [habe]: die Barbarei des nationalsozialistischen Regimes«.269 Nun ist es wenig verwunderlich, dass sich Zuckermann in seiner Position als Sekretär des Asylrechtsbüros, das den Schutz politischer Flüchtlinge im Titel führte, zuvorderst für diese einsetzte. Gleichwohl kommt in seinem Lamento, die Interessen der »antihitlerischen Emigranten« würden gegenüber denen jüdischer Flüchtlinge vernachlässigt, eine erhellende Konstellation zum 82

Ausdruck: die eines gleichermaßen biografisch-weltanschaulichen wie zeitgebundenen Unwillens, auf die Spezifik des jüdischen Schicksals gesondert einzugehen. Zwar mochten die »Wurzeln« der Emigration tatsächlich beiderseits in der »nationalsozialistischen Barbarei« liegen; dennoch bestanden hinsichtlich des Charakters beider Fluchtbewegungen und dementsprechend auch ihrer Lösungsansätze erhebliche Unterschiede. Deutlich wird dies an der Frage des Kapitaltransfers, den Zuckermann aus zwei Gründen ablehnte. Zum einen gab er zu bedenken, es sei »gefährlich«, sich hierüber auf Verhandlungen mit Deutschland einzulassen. Das Reich wäre so nicht nur in der Lage, die »Besprechungen ins Unendliche auszudehnen und eine Hilfsaktion der Asylländer zu verhindern«, wofür es bereits in der Vergangenheit Beispiele geliefert habe; die Lage der Emigranten dulde auch »keinen Aufschub«.270 Zum anderen ging er – ganz in marxistischer Diktion – davon aus, das wertvollste Kapital, das die in die Emigration gezwungenen Angehörigen der »werktätigen, kleinbürgerlichen und intellektuellen Schichten des deutschen und österreichischen Volkes« mit sich führten, sei »in der persönlichen Arbeitskraft« zu suchen. Für die Zielländer stelle diese »eine wertvollere Quelle neuen nationalen Reichtums [dar] als zweifelhafte Reichsbanknoten«.271 Zuckermanns Einwände bezogen sich darauf, dass verschiedene jüdische Verbände in ihren Memoranden in Évian darauf gedrängt hatten, die Ausarbeitung langfristiger Emigrationspläne für die deutschen und österreichischen Juden mit Bestimmungen zur Kapitalausfuhr zu verknüpfen, und auch das Intergovernmental Committee dies erwog. Sowohl der World Jewish Congress (die selbsternannte Vertretung der Juden in der Diaspora), die Jewish Agency (die Repräsentanz des Jischuw, der jüdischen Gemeinschaft in Palästina, gegenüber der britischen Mandatsmacht) als auch eine Reihe weiterer jüdischer Organisationen, die mit einem gemeinsamen Forderungskatalog aufgetreten waren,272 hatten verlangt, die Konferenz möge auf die deutsche Regierung einwirken, emigrationsbereiten Juden »mindestens« zu gestatten, »Teile ihres Vermögens« auszuführen.273 Sollte dies nicht erreicht werden, so der World Jewish Congress, werde es kaum möglich sein, »eine Emigration der Juden aus Deutschland in großem Maßstab« zu organisieren, da die Mittel privater Organisationen nicht ausreichten.274 Als Vorbild für eine solche Regelung hatten diese Verbände das sogenannte Ha’avara-Abkommen vom Sommer 1933 vor Augen. In diesem hatten sich die Jewish Agency, die Zionistische Vereinigung für Deutschland und das Reichswirtschaftsministerium verpflichtet, deutschen Juden unter Umgehung der bereits 1931 erlassenen Reichsfluchtsteuer die Ausfuhr von Teilen ihres Besitzes nach Palästina zu gestatten, indem ihre Vermögen zunächst auf ein Treuhandkonto und dann in Form deutscher Waren in den Jischuw transferiert wurden, wo sie sich den 83

Gegenwert gutschreiben lassen konnten. Wenngleich das Abkommen in der jüdischen Welt höchst umstritten war, da es den zur selben Zeit ausgerufenen Boykott deutscher Produkte unterlief, hatten mit dessen Hilfe bis Ende 1937 etwa 38 400 deutsche Juden Teile ihres Vermögens im Gesamtwert von mehr als 7  Millionen britischen Pfund nach Palästina transferieren können und dort nicht unerheblich zur wirtschaftlichen Konjunktur des Jischuw wie auch ihrer eigenen erfolgreichen Integration beigetragen.275 Insbesondere der Jewish Agency schwebte deshalb vor, das bestehende Abkommen durch Gründung einer International Transfer Company zu erweitern und auf diese Weise von den Deutschen blockiertes Vermögen in Höhe von 2 Milliarden Reichsmark langfristig für die Ansiedlung in Palästina zu verwenden.276 Letztlich drückten sich in den divergierenden Lösungsvorschlägen, die Zuckermann beziehungsweise die jüdischen Verbände vorbrachten  – Asyl und schnelle Hilfe auf der einen, humanitäre Unterstützung plus langfristige Emigration inklusive Vermögenstransfer auf der anderen Seite – unterschiedliche Zeithorizonte aus, die ihrerseits aus verschiedener Bedrohung und damit einhergehender Dringlichkeit resultierten. So plädierte Zuckermann für schnelle Lösungen, weil es den Nöten der von ihm vertretenen Klientel entsprach. Antifaschisten im Reich und der neu hinzugewonnenen »Ostmark« drohten ebenso wie von der Ausweisung betroffene politische Flüchtlinge in Haft genommen und in Konzentrationslager eingewiesen zu werden, das heißt, einer ernsthaften Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt zu sein, und überdies der kommunistischen Bewegung verloren zu gehen. Was sie zu ihrem Schutz benötigten, waren eine schnelle Ausreise, ein gesicherter Aufenthaltsstatus und die Möglichkeit, sich mittels Arbeit den eigenen Lebensunterhalt verdienen zu können. Dann würden sie die Ersten sein, so Zuckermann, »die bei einem Kriege der nationalsozialistischen Machthaber das deutsche Volk zur Abschüttelung des Joches und zur Beendigung des Krieges durch einen Sieg der Demokratie aufrufen« würden.277 Materielle Werte hingegen, die aus Deutschland hätten transferiert werden müssen, waren für Angehörige der Arbeiterschicht, aus denen sich die gefährdeten Kader etwa der KPD am stärksten rekrutierten, von untergeordneter Bedeutung. Kurz, es brauchte unmittelbare Hilfe, die Zuckermann und das Asylrechtsbüro am besten in einem möglichst weit gefassten, international gültigen Flüchtlingsstatut garantiert sahen. Anders stellte sich der jüdische Fall dar, und dies nicht nur hinsichtlich seiner Größenordnung. Zusätzlich zu der dringend benötigten humanitären Hilfe für die außer Landes getriebenen jüdischen Flüchtlinge hatten die mehr als 500 000 Juden in Deutschland und Österreich, wie die neuerliche Verschärfung der antijüdischen Politik ab 1937 zeigte, keine Zukunft im 84

Reich, sondern sollten – so zumindest die Maxime der Nazis bis zum Verbot der Auswanderung im November 1941  – langfristig zur Emigration gedrängt werden. Im Gegensatz zu den politisch Verfolgten konnten sie sich politisch nicht »neutral« verhalten, oder, wie es die KPD -Führung zeitweise als Devise ausgab, als »trojanische Pferde« gar in NS -Massenorganisationen eintreten,278 um dort den Widerstand von innen zu organisieren – aufgrund der Nürnberger Gesetze würden sie stets sichtbar bleiben. Sie gingen deshalb zumeist mit langfristigem Ziel in die Emigration, nämlich, sich anderswo – häufig in Übersee  – dauerhaft niederzulassen. Dafür aber brauchten sie Mittel, über die sie, anders als exilierte Angehörige der Arbeiterklasse, auch verfügten. Wenngleich sie ab 1933 enorme Vermögenseinbußen hinnehmen mussten, hatten sie als Vertreter des Mittelstandes etwas zu verlieren: mobiles (Vermögen, Aktien, Renten- und Pensionsansprüche) ebenso wie immobiles Kapital (Unternehmen, Geschäfte, Häuser), dessen erfolgreicher Transfer so etwas wie einer Versicherung gleichkam, den Einwanderungsbestimmungen potenzieller Aufnahmestaaten zu genügen. So hatte das Ha’avara-Abkommen entscheidend dazu beigetragen, dass deutsche Juden die von der britischen Mandatsmacht für die Ausstellung eines Visums für Palästina erhobene Summe von 1000  britischen Pfund aufbringen konnten, das Familien eine vergleichsweise unkomplizierte Einreise gestattete; etwa 36 Prozent der knapp 40 000 seit 1933 nach Palästina eingewanderten deutschen Juden hatten dies mithilfe des sogenannten Kapitalistenvisums getan.279 Vor diesem Hintergrund verfochten jüdische Verbände in Évian zwar ebenso die Forderung, humanitäre Hilfe zu leisten. Größere Erwartungen jedoch hegten sie hinsichtlich einer Regelung, die langfristig die geordnete Emigration des Großteils der deutschen Juden erlauben würde, worin sie nicht zuletzt die Einrichtung des Intergovernmental Committee in Évian bestärkte. Ob Leo Zuckermann diese Unterschiede letztlich wahrnahm, lässt sich nur vermuten; zumindest fanden sie in seinen politischen Erwägungen jener Jahre keinen Ausdruck. Das wiederum war aus seiner Perspektive wenig verwunderlich. Abgesehen davon, dass das jüdische Flüchtlingsproblem ab 1933 ohnehin nicht im Fokus seines Interesses gestanden hatte, mochte es bis dato zwar als gravierend, gleichzeitig jedoch weitgehend als unter Kontrolle gelten. Dafür sprach nicht nur, dass von den etwa 137 000 jüdischen Flüchtlingen, die Deutschland bis 1938 verlassen hatten, etwa 100 000 nach Übersee ausgewandert waren und sich dort ein neues Leben aufgebaut hatten. Dem entsprach die verbreitete Einschätzung, die jüdischen Hilfsstrukturen seien äußerst gut aufgestellt gewesen, wie selbst Experten hervorhoben: »Die konstruktive Hilfe, die durch die Kooperation von Juden inner- und außerhalb Deutschlands ermöglicht wird«, hielt beispielsweise der britische Parlamentarier John 85

H. Simpson 1938 in seinem Bericht an die Évian-Konferenz fest, »steht in deutlichem Kontrast zur Unzulänglichkeit der Hilfe für die nichtjüdische Emi­gra­ tion.«280 Das jüdische Flüchtlingsproblem, konnte ein überzeugter Kommunist wie Leo Zuckermann entsprechend annehmen, könne vernachlässigt werden, da ihm von jüdischer Seite mit der nötigen Hilfe begegnet werde. Selbst im an Ereignissen reichen Jahr 1938 stellten die Radikalisierung der antijüdischen Politik, auch wenn dies im Nachhinein zutreffend als »Schicksalsjahr« der deutschen Juden charakterisiert worden ist,281 und ihr Ausdruck in einer erhöhten Emigrationsbereitschaft, in den Augen Zuckermanns deshalb nur ein (Flüchtlings-)Problem unter vielen dar. Dies zeigte sich zunächst an der Sudetenkrise, die ab September 1938 die Weltöffentlichkeit und mit ihr die Mitarbeiter des Asylrechtsbüros in Atem hielt. Mit der Einverleibung des Sudetengebietes durch das Deutsche Reich ab dem 1. Oktober 1938 waren bis Jahresende mehr als 150 000 ehemalige Bewohner der deutschsprachigen Gebiete, unter ihnen etwa 5000  politische Flüchtlinge, 14 000 Juden, die Übrigen Tschechen, vor dem drohenden Zugriff der Nazis ins Landesinnere geflohen.282 Ihre Lage dort verkomplizierte sich nicht nur, weil sich auf dem Gebiet der neuen Tschechoslowakischen Republik weitere etwa 1000 politische Flüchtlinge wie auch 4000 Juden aus dem Reich inklusive Österreich aufhielten.283 Die tschechoslowakische Regierung sah sich zudem außerstande, die deutschsprachigen Flüchtlinge  – selbst wenn sie Antifaschisten waren – zu integrieren. Vielmehr drängte sie sie, die am 20. November 1938 in einem Vertrag zwischen beiden Staaten niedergelegte Möglichkeit wahrzunehmen, für Repatriierung ins Reich zu optieren,284 oder drohte sogar, sie nach Deutschland auszuweisen, weshalb die neue Vereinbarung auch Reichsflüchtlinge, die bereits länger in der Tschechoslowakei lebten, gefährdete. Im Reich erwartete diese die Überprüfung durch die Gestapo, das heißt schlimmstenfalls die Einweisung in ein Konzentrationslager, weshalb selbst die Delegierte des tschechischen Flüchtlingskomitees im Liaison Committee Maria Schmolka, die als Vertreterin der amerikanisch-jüdischen Hilfsorganisation HICEM in Prag primär zugunsten jüdischer Flüchtlinge auftrat, davor warnte, die deutschsprachigen politischen Flüchtlinge in der Tschechoslowakei durch Ausweisung »zu opfern« – vielmehr »müsse ihnen geholfen werden, zu emigrieren«.285 Flüchtlings- und Hilfsorganisationen aller Couleur, unter ihnen auch das Asylrechtsbüro und Leo Zuckermann, entwickelten daraufhin einen fieberhaften Aktionismus. Wie sich Zuckermann 1950 erinnerte, galt die Sorge der IRH in erster Linie den »dort anwesenden deutschen Genossen«, die nach Möglichkeit außer Landes gebracht werden sollten.286 Da das seit April 1938 vom Kabinett Édouard Daladier regierte Frankreich als eine der ersten Maß86

nahmen Beschränkungen für die Einreise von Flüchtlingen erlassen hatte und (so entsann sich zumindest Zuckermann) nur einem Dutzend Kadern der zuvor in Prag exilierten SPD -Führung die Einreise gestattete,287 kam vor allem Großbritannien in Betracht, das sich als Ausgleich für das Münchner Abkommen – und unter immensem Druck der britischen Öffentlichkeit – offenbar bemüßigt sah, eine größere Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen. Beim daraufhin ins Leben gerufenen Czech Refugee Trust Fund, der neben privaten Spenden über eine britische Staatsanleihe in Höhe von 4 Millionen Pfund zur Organisation der Emigration verfügen konnte, setzte sich vornehmlich die ZVE für die Ausreise kommunistischer Flüchtlinge ein, wobei deren Sekretär Leo Bauer als Sekretär des Beirates des Hohen Kommissars bei diesem einigen Einfluss geltend machen konnte. Auch das Asylrechtsbüro in Person seines Mitarbeiters Jérôme Ferrucci sprach daraufhin in Prag vor und stellte Geldmittel zur Verfügung.288 Bevor die deutsche Besetzung der »Resttschechei« am 15. März 1939 die Möglichkeiten zur Auswanderung weiter drastisch einschränkte, gelang auf diese Weise etwa 700 reichsdeutschen Flüchtlingen sowie mindestens 1100 tschechoslowakischen Staatsbürgern, darunter Juden, Sudetendeutschen aber auch Tschechen und Slowaken, die Emigration nach Großbritannien.289 Die Zahl der Kommunisten unter ihnen, die den Großteil des späteren deutschsprachigen kommunistischen Exils in England stellten, betrug nach Schätzungen einige Hundert.290 Während die Sudetenkrise und ihre Folgen für die Flüchtlingsproblematik in Mitteleuropa anhielten, wurden diese bereits von einer weiteren Krise überlagert: die Niederlage der republikanischen Seite im Spanischen Bürgerkrieg und die daraufhin einsetzende Massenflucht ins benachbarte Frankreich. Mehr als 400 000 ehemalige Kombattanten und Zivilisten hatten sich nach der gescheiterten Katalonien-Offensive im Januar 1939 über die Pyrenäen abgesetzt, darunter mehrere Tausend Angehörige der bereits im Oktober 1938 aufgelösten Internationalen Brigaden, die sich aus ausländischen Freiwilligen, unter ihnen mehr als 6000  deutschsprachige Antifaschisten, zusammengesetzt hatten.291 In Frankreich in hastig errichteten Lagern an der Mittelmeerküste unter katastrophalen Bedingungen interniert, standen diese Flüchtlinge, von den französischen Behörden unisono als Marxisten beargwöhnt, vor einer äußerst ungewissen Zukunft. Während ein Großteil der spanischen Staatsangehörigen repatriiert wurde und französische, amerikanische, kanadische und andere Interbrigadisten in ihre Heimatländer zurückkehrten, blieben namentlich zwei Gruppen übrig: Republikaner, die es aufgrund politischer Gefährdung ablehnten, nach Spanien repatriiert zu werden, und ehemalige Angehörige der Internationalen Brigaden, denen es angesichts der politischen Lage in ihren Herkunftsländern unmöglich war, 87

heimzukehren oder die ihre Staatsangehörigkeit verloren hatten.292 Auch für diesen Personenkreis setzte sich das Asylrechtsbüro ab 1939 ein, so innerhalb des neu eingerichteten Liaison Committee, wo es mit dem Antrag, die Befugnisse des Hohen Kommissariats für deutsche Flüchtlinge auf die etwa 3000 deutschsprachigen Angehörigen der Brigaden in Frankreich auszudehnen, jedoch scheiterte;293 oder in der Ausrichtung einer International Emergency Conference am 15./16. Juli 1939 in Paris, die ganz allgemein die Verteilung spanischer Flüchtlinge auf »demokratische Länder« anstrebte, und an deren Zustandekommen das Asylrechtsbüro federführend beteiligt war.294 Leo Zuckermann wiederum war in diese Aktivitäten nicht nur qua seiner Position involviert, er war auch persönlich betroffen. Als ihm bekannt wurde, dass sein Bruder Rudolf als ehemaliger Sanitätsoffizier der Internationalen Brigaden in dem französischen Lager Saint-Cyprien interniert war, bemühte er sich mithilfe seiner Kontakte zu dem einflussreichen Politiker der SFIO und Delegierten des Departements Pyrénées-Orientales in der französischen Abgeordnetenkammer, Louis Noguères, um Rudolfs Entlassung. Nachdem es Zuckermanns, mit entsprechenden Papieren ausgestatteter Frau gelungen war, Rudolf aufzuspüren, ihn freizubekommen und mit einer Aufenthaltsgenehmigung zu versehen, flossen die während des Lagerbesuches gewonnenen Kenntnisse über die unhaltbaren Zustände als Informationen aus erster Hand in einen Pressebericht des Asylrechtsbüros ein.295 Die Krise in der Tschechoslowakei und der Massenexodus aus Spanien waren demnach nur wenig angetan, Leo Zuckermanns Aufmerksamkeit für das sich gleichzeitig dramatisch entwickelnde jüdische Schicksal zu vergrößern. Vielmehr dürften ihn beide Ereignisse in der Wahrnehmung bestärkt haben, dass die Hilfe zugunsten politischer Flüchtlinge eine gleichrangige, wenn nicht höhere Dringlichkeit besaß als die Rettung verfolgter Juden. Das entsprach in gewisser Weise der Realität: Wenngleich insbesondere die Konferenz von Évian nach 1945 – nun mit dem Wissen um den Holocaust – als Versäumnis der Staatenwelt interpretiert wurde, die deutschen und österreichischen Juden zu »retten«,296 hatte 1938 keine unmittelbare Notwendigkeit zur Rettung in dem Sinne bestanden, dass ihre Leben kollektiv und akut in Gefahr gewesen wären. Begreift man »Rettung« im Wortsinn als notwendige Reaktion auf eine unmittelbar drohende Gefahr für Leib und Leben, der nur durch sofortige Flucht entgangen werden kann, trifft diese Definition auf die deutschen Juden vor dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 nur bedingt zu. Zweifellos stellten die antijüdischen Ausschreitungen im Gefolge des »Anschlusses«, und dann die Novemberpogrome im Reich eine gravierende Verschlechterung für die deutschen und österreichischen Juden dar: in Österreich, weil hier im Laufe weniger Wochen jene antijüdischen Gesetze, 88

die im Reich ab 1933 sukzessive umgesetzt worden waren, quasi über Nacht implementiert wurden; im »Altreich« hingegen, weil während der Novemberpogrome nun auch in Deutschland offen zu Gewalt übergegangen wurde, der Ausschluss aus dem Wirtschaftsleben unverhohlen in Raub umschlug und die jüdische Infrastruktur durch die Schließung von Vereinen, Stiftungen und Zeitschriften faktisch zum Erliegen kam.297 Dennoch vollzog sich die bis Jahresende und dann 1939 anschwellende Emigration der deutschen Juden primär vor dem Hintergrund, den neuen Einschränkungen – und sicher auch der Gewalt – zu entgehen und sich anderswo eine neue Existenz aufzubauen, nicht aber, um das blanke Leben zu »retten«. Dies ist eine nachträgliche Einschätzung angesichts der ab 1941 in physische Vernichtung umschlagenden Verfolgung.298 Schließlich schien bei Zuckermann jene Neutralisierung von Herkunft noch wirksam gewesen zu sein, die eine allzu starke Beschäftigung mit dem sich zuspitzenden jüdischen Schicksal verhinderte. Wenn er seit mehr als zehn Jahren, seit seinem Eintritt in die KPD 1928, darum bemüht gewesen war, die Brücken zu seiner jüdischen Herkunft abzubrechen, so bestand aufgrund der Ereignisse des Jahres 1938 für ihn nur wenig Veranlassung, daran etwas zu ändern. In diesem Sinne blieb er sogar hinter der Generallinie der KPD zurück, die aufgrund der Novemberpogrome die Erklärung »Gegen die Schmach der Judenpogrome!« verbreitet hatte, in der neben altbekannten Auslegungen nach Art der Ablenkungsthese erstmals direkt zu Solidarität mit »unseren gequälten jüdischen Mitbürgern« aufgerufen wurde.299 Aus der Perspektive eines Parteikommunisten mochten ihn die Sudetenkrise und die Niederlage der Spanischen Republik ebenso wie das endgültige Scheitern der Volksfront in Frankreich im April 1938 ohnehin noch in anderer Weise beschäftigt haben. Schließlich deuteten die Pariser Parteikreise wie auch die Komintern das sichtbar werdende deutsche Ausgreifen in Mitteleuropa ja primär vor dem Hintergrund eines drohenden imperialistischen Krieges. Dies freilich führte zu Erwägungen, die in keinster Weise auf die Lage der Juden rekurrierten: der Frage einerseits, ob ein möglicher Krieg für die Kräfteverhältnisse in Deutschland bedeutsam werden würde, das heißt, ob es  – wie die KPD -Führung auf ihrer ZK-Sitzung Ende Januar 1939, der sogenannten Berner Konferenz mutmaßte – zum Zusammenbruch im Reich käme, da die Arbeitermassen endlich die Gelegenheit ergreifen würden, sich gegen Hitler zu erheben.300 Andererseits ging es um Erwägungen, was insbesondere das Münchener Abkommen für die Sowjetunion bedeutete: In Bezug auf die ohnehin stets im Vordergrund stehende Sorge um die Abwendung eines »imperialistischen« Überfalls auf die Sowjetunion wurden die AppeasementPolitik Großbritanniens und Frankreichs in München wie auch ihre Nicht89

einmischungslinie in Spanien als Belege interpretiert, dass beide Mächte das nationalsozialistische Deutschland durch Zugeständnisse an seine territorialen Forderungen in Mitteleuropa zu einer expansiven Orientierung gen Osten  – gegen die Sowjetunion  – zwingen wollten.301 Wenig überraschend spielte das Schicksal der Juden in derartigen strategischen Erwägungen nicht einmal ansatzweise eine Rolle. Und selbst wenn Zuckermann die sich verschärfende Lage wahrgenommen haben sollte, wovon auszugehen ist, steht infrage, wie sich dies angesichts bestehender weltanschaulicher und auf Erfahrung beruhender Barrieren Ausdruck hätte verschaffen können. Ein erhellendes Beispiel ist der kommunistische Schriftsteller und Arzt jüdischer Herkunft Friedrich Wolf (1888–1953), der sich 1937/38 ebenfalls in Paris aufhielt. Dort hatte Wolf, der mit seinem Schauspiel Professor Mamlock (1933) bereits einmal die Entrechtung der deutschen Juden thematisiert hatte, das Schicksal der burgenländischen Juden vom Frühjahr 1938 offenbar derart umgetrieben, dass er ihre Odyssee kurzerhand in dem Drama Das Schiff auf der Donau verarbeitete.302 Obwohl alle Passagiere des Schiffes – wie die internationale Presse auch wiederholt gemeldet hatte –303 Juden waren, nahm Wolf eine folgenschwere Änderung vor: Neben den Hauptprotagonisten, der Familie des jüdischen Apothekers Rebstock, dessen Geschäft nach dem »Anschluss« beschlagnahmt worden war, stellte er den Schiffsinsassen verschiedene nichtjüdische Charaktere zur Seite. Die kommunistisch gebotene Deutung der Vorgänge als Drama aus der Zeit der Okkupation Österreichs durch die Nazis (so der Untertitel) überwog die Spezifik der jüdischen Erfahrung. An Leo Zuckermanns ab Ende der 1920er Jahre spürbaren Neutralisierung der jüdischen Herkunft änderte auch die sich dramatisch zuspitzende Lage der Juden in Mitteleuropa zunächst nichts, zumindest nichts, was sich nach außen hin Ausdruck verschafft hätte. Abgesehen von der Tatsache – die indes noch bedeutsam werden würde –, dass er durch seine Arbeit im Asylrechtsbüro ab 1936 praktisch mit allen Akteuren namhafter jüdischer Verbände und Hilfsorganisationen und den von ihnen vertretenen Konzepten in Berührung gekommen war, er also en passant zu einem der am besten vernetzten Kenner der jüdischen Frage innerhalb des deutschsprachigen kommunistischen Exils avanciert war, blieb die eingeübte Neutralisierung intakt. Dem entsprach im Jahr 1939 nicht nur die weitverbreitete Stimmung, die beispielsweise den Spanischen Bürgerkrieg lediglich als eine verloren gegangene Schlacht der sich zuspitzenden Auseinandersetzung zwischen Imperialismus und fortschrittlichen Kräften deutete. Mit ihr korrespondierte ein zumindest nach außen unbeirrt zur Schau gestellter Aktionismus innerhalb der IRH, den ihr gestellten Aufgaben zur Erweiterung ihres Einflusses, zur »Einberufung einer 90

Weltkonferenz zur Schaffung einer internationalen Hilfsbewegung neuen Typus« oder hinsichtlich der Entwicklung von Kampagnen zugunsten unter der japanischen Aggression leidender Kommunisten in China nachzukommen.304 Wenig überraschend also folgte Zuckermann als loyaler Parteisoldat treu den Vorgaben seiner Vorgesetzten in der IRH: Im Juli 1939, noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, trat er planmäßig eine Reise nach Übersee an, um als Vertreter des Asylrechtsbüros sowohl an einer für Oktober geplanten Sitzung des Liaison Committee des Intergovernmental Committee in Washington, D. C., als auch an einer internationalen Tagung zur SpanienHilfe in New York teilzunehmen.305

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Kapitel 2

Wiederaneignung von Herkunft (1940–1947)

2.1  Restitution und Wiedergutmachung II: Das mexikanische Interregnum Erinnern wir uns: In seinem im Frühjahr 1948 in der Weltbühne erschienenen Artikel Restitution und Wiedergutmachung hatte Leo Zuckermann ganz selbstverständlich von den jüdischen Verfolgten des Nationalsozialismus als »Volk« gesprochen, das ein kollektives Anrecht auf Rückgabe oder Entschädigung für das unter den Nazis erlittene Leid besitze. »Das jüdische Volk hat die gleichen Ansprüche auf Wiedergutmachung wie die anderen überfallenen Völker«, hieß es da, und dass die aus den Verbrechen der Nazis resultierenden »Individualansprüche zu einem Kollektivanspruch verschmolzen sind, der dem jüdischen Volk als solchem zusteht«.1 In vielerlei Hinsicht waren derlei Einlassungen für einen Kommunisten, selbst – oder gerade – wenn er jüdischer Herkunft war, bemerkenswert. So hatten Zuckermanns im Jahr 1921 erfolgter Austritt aus der jüdischen Gemeinde und sein einige Jahre darauf vollzogener Eintritt zunächst in die SPD, dann in die KPD nicht zuletzt dazu gedient, die Brücken zum Judentum als Gruppe abzubrechen. Hierin folgte er dem marxistischen Kanon, der den Juden den Charakter eines nationalen Kollektivs absprach. Hatten diese zur Zeit der Naziverbrechen noch kein völkerrechtliches Subjekt gebildet, sollten sie jetzt aber rückwirkend in den Genuss von Rückgabe oder Entschädigung kommen, die für gewöhnlich nur Staaten gewährt wurden. Was also war geschehen, um einen erwiesenermaßen kommunistischen Juristen wie Leo Zuckermann davon zu überzeugen, dass über die Berechtigung der Juden auf »Wiedergutmachung« »wohl kein Zweifel mehr« bestehe, und die »bevorstehende Konstituierung der Juden als völkerrechtlich anerkannte Nation mit eigenem Staatswesen  […] eine Verwirklichung der Ansprüche auf völkerrechtlichem Wege als möglich erscheinen« ließ? Die Erkenntnis, das Schicksal der jüdischen Verfolgten sei ein besonderes und ziehe deshalb spezifische Rechtsansprüche nach sich, hatte sich in Mexiko herausgebildet, wo Leo Zuckermann Angehöriger der kommunistischen Exilgruppe um das ZK-Mitglied Paul Merker gewesen war, als deren Rechtsberater er fungierte. Mit Wucht war im mexikanischen Exil ab 1941 die in 93

der kommunistischen Bewegung für gewöhnlich vernachlässigte Frage des Antisemitismus in die Diskussionen hereingebrochen, ausgelöst durch die sich unaufhaltsam verbreitenden Nachrichten über die Ermordung der Juden überall dort, wohin Hitlers Truppen in Europa vorrückten. In der Folge entwickelte sich im Kreis um Merker eine bis dahin innerhalb kommunistischer Parteigruppen ungekannte Beschäftigung mit der antijüdischen Politik der Nazis, in der bald zwei Eckpunkte als gesetzt galten: die Errichtung eines jüdischen Staates in Palästina nach Ende des Krieges und die Forderung nach der Restitution geraubten Vermögens beziehungsweise der Entschädigung für erlittene Verluste. Diese für die kommunistische Bewegung einzigartige Ausnahme – in Anlehnung an eine Formulierung Jeffrey Herfs könnte man vom »mexikanischen Interregnum« sprechen2 – verdankte sich einer Vielzahl an Faktoren: der abgeschiedenen Lage Mexikos und dem Fehlen klarer Anweisungen aus Moskau ebenso wie den bohrenden Nachfragen der deutschjüdischen Exilgemeinde vor Ort und einer tiefen Betroffenheit zahlreicher jüdischer Angehöriger der Merker-Gruppe. Zuckermanns bemerkenswerter Text von 1948 hatte demnach eine Entsprechung in den Diskussionen im mexikanischen Exil, und zwar ganz konkret in einem frühen Text Merkers vom Oktober 1942 mit dem Titel Hitlers Antisemitismus und wir, der Zuckermanns spätere Argumente in weiten Teilen vorwegnahm.3 Darin sprach Merker in beachtlicher Abweichung von der bisherigen Parteilinie unter anderem davon, der Antisemitismus sei offenbar in »politisch zurueckgeliebene[n] proletarische[n] Schichten« weit verbreitet. Auch die Bewertung der Juden als mögliches Kollektiv hatte eine folgenreiche Akzentverschiebung durchgemacht. Merker führte nämlich sowohl aus, dass die »Schaffung eines juedischen Nationalstaats […] mehr denn je zu einem anhaltenden internationalen Problem geworden« sei und »dem Wunsch der Juden Rechnung tragend« auf der kommenden Friedenskonferenz »ernstlich behandelt werden muess[e]«, wie er auch die »Wiedergutmachung der durch [den Antisemitismus] verursachten moralischen und wirtschaftlichen Schaeden« für erforderlich erachtete und in Aussicht stellte. Merker  – der seine Vorschläge später noch konkretisierte  –4 betrachtete die Juden inzwischen offenbar als »Volk« und nicht länger als klassenspezifische »Kaste«; und obgleich er weiterhin die »autonom[e] juedisch[e] Republik« im fernen Osten der Sowjetunion als leuchtendes Beispiel hervorhob, das den Juden dort ermögliche, sich »zu einer Nation zu konstituieren«, war zu Birobidschan offenbar Palästina hinzugetreten. Ungeachtet seines Ausnahmecharakters bezeugt der Text, wie die Beschäftigung mit dem jüdischen Schicksal innerhalb der Merker-Gruppe als solche, einen starken instrumentellen Einschlag. Denn mit seinen Einlassungen 94

folgte Merker zugleich wenig überraschend einer etablierten Parteitradition. Bereits im französischen Exil, als er zum ersten Mal mit dem sich zuspitzenden jüdischen Schicksal konfrontiert gewesen war, mit der Frage von aus Baden und der Saarpfalz nach Frankreich zwangsausgewiesenen Juden nämlich, die im Oktober 1941 in zuvor »feindlichen Ausländern« und ehemaligen Spanienkämpfern vorbehaltenen Lagern in der unbesetzten Zone interniert worden waren, deutete Merker deren Schicksal auch und zuvorderst hinsichtlich ihres Propagandanutzens. »Dachten unsere Genossen in der Schweiz daran«, auf deren Situation zu verweisen, habe er sich damals gefragt, »wenn sie Agitationsmaterial für Süddeutschland herstellten?«5 Auch in Mexiko war diese Haltung handlungsleitend. So wurde Merker mit seinem Text recht eigentlich aktiv, weil er vor Ort eine »wesentliche Staerkung des juedischen Nationalgefuehls« wahrgenommen habe, mit der die Verbreitung der »irrige[n] Ansicht« einhergegangen wäre, »dass der Antisemitismus etwas den Nichtjuden Angeborenes, eine Art ›Urinstinkt‹ sei«.6 Dies implizierte scharfe Kritik an der für gewöhnlich von der kommunistischen Bewegung für unbelastet erklärten deutschen Bevölkerung, als deren Vertreter die KPD sich stets gerierte und die dementsprechend nicht unwidersprochen bleiben konnte. Auch mehr als zwei Jahrzehnte später, in einem ausführlichen Bericht für das SED -Parteiarchiv, gab Merker an, es sei 1942 in Mexiko notwendig gewesen, »grundsätzlich Stellung zu nehmen«, weil »die Stimmung unter den jüdischen Bürgern Amerikas und Südamerikas gegen alles Deutsche ungemein« zugenommen habe, und weil »ein Schweigen zu diesen Fragen die Gefahr mit sich gebracht [habe], mit den Nazis in einen Topf geworfen zu werden«.7 Das heißt nicht, dass Merker nicht empfänglich gewesen wäre für das sich zuspitzende Schicksal der Juden, wie ebenfalls spätere Wortmeldungen belegen. In einem ausführlichen Schreiben an die Zentrale Parteikontrollkommission (ZPKK) der SED aus dem Jahr 1956, in dem er seine Rehabilitierung forderte, verlieh er dezidiert seinem Entsetzen Ausdruck, von der Partei der Arbeiterklasse für sein »von Gefühlen der Menschlichkeit diktiertes Auftreten gegen den Antisemitismus und für [sein] von denselben Erwägungen diktiertes Eintreten für die jüdischen Menschen […] eingekerkert« worden zu sein – dies habe er »nie für möglich gehalten«.8 Wie sein Bericht auch verrät, waren diese »Gefühl[e] der Menschlichkeit« jedoch ebenso »von politischen und nationalen Erwägungen« begleitet gewesen – die zweifellos überlieferte wie bemerkenswerte Empathie Merkers für das jüdische Schicksal wurde nicht minder von Überlegungen hinsichtlich des Nutzens für die Partei bestimmt. Als treuer Parteikader und überzeugter Kommunist prägte diese Haltung auch Leo Zuckermanns politisches Handeln. Dennoch trat bei ihm noch ein zusätzlicher Aspekt hinzu, der zentral in seinem Artikel von 1948 Ausdruck 95

fand. Nicht von ungefähr hatte er dort argumentiert, die Verfolgung habe sich »auf die Juden« in ihrer Gesamtheit gerichtet, während die »politisch Verfolgten« eine Gruppe »gleich welcher Partei oder Religionsgemeinschaft« gebildet hätten. Hätten diese also aus »freiem, eigenen Entschluß« entschieden, ob sie gegen Hitler kämpfen wollten, das heißt, von dieser Entscheidung jederzeit zurücktreten können, habe diese Option für »die Juden« nicht bestanden.9 Und in der Tat musste Zuckermann, anders als Merker, den ab 1941/42 in Mexiko gewahr werdenden Angriff auf die Juden als Juden, ob er wollte oder nicht, auch als Angriff auf sich selbst wahrnehmen. Dass die Verfolgung der Juden durch die Nazis unerbittlich und völlig unabhängig von der persönlichen Wahrnehmung der eigenen jüdischen Herkunft erfolgte, ließ Zuckermanns geglückte Emigration nach Mexiko geradezu als Zufall erscheinen. Wäre es ihm und seiner Familie nicht gelungen, den europäischen Kontinent zu verlassen, hätte ihm mit großer Sicherheit dasselbe Schicksal gedroht, das die sich häufenden Nachrichten vom europäischen Kontinent zum Gegenstand hatten. Dadurch wurde seine spätestens mit dem Eintritt in die KPD abgelegt geglaubte Zugehörigkeit zum jüdischen Kollektiv gleichsam gewalttätig in Erinnerung gerufen  – die vormalige Distanzierung von seiner Herkunft erwies sich angesichts der Ereignisse in Europa zunehmend als hinfällig. Und während dies einen Prozess der Wiederaneignung einleitete, resultierte daraus, über die Anforderungen der Parteilinie hinaus, die für Merker (zumal als Leiter der Parteigruppe) zentral waren, noch eine andere Dringlichkeit, in jüdischen Fragen Position zu beziehen. Dazu bot nicht zuletzt die Restitutionsproblematik Gelegenheit, in der Zuckermann spätestens ab 1944 als wichtigster Stichwortgeber innerhalb der Merker-Gruppe vernehmbar wurde. Diese wiederum vereinte mehrere Fragen in sich: Sie stellte nicht nur einen weitgehend »objektiven«, weil juristischen Gegenstand dar, der ein Nachdenken über den Charakter der antijüdischen Verfolgung erlaubte, das einem marxistischen Weltbild ansonsten verschlossen bleiben mochte;10 zugleich gestattete sie, auf die unter jüdischen Emigranten in Mexiko diskutierte Frage zu reagieren, welche Zukunft jüdisches Leben in (einem sozialistischen) Deutschland haben werde. Vor allem verband sich mit ihr aber die Möglichkeit, dem jüdischen Kollektiv Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und Fragen, die aus der neu entdeckten Zugehörigkeit zu ihm resultierten, Ausdruck zu verschaffen. Diese Wiederannäherung an die jüdische Herkunft war sicherlich kein geradliniger Prozess. Wie zu zeigen sein wird, verlief sie in Etappen und schloss Ungleichzeitigkeiten, Ambivalenzen und Paradoxien ein. Zudem betraf sie nicht alle jüdischen Angehörigen der Merker-Gruppe gleichermaßen. So ist nicht überliefert, dass sich beispielsweise Alexander Abusch, Erich J­ ungmann, 96

Hilde Neumann oder Anna Seghers – die, wie Zuckermann, jüdische Mitglieder der Parteigruppe um Merker waren  – derart prononciert geäußert hätten. Zwar stellt die Schriftstellerin Seghers eine Ausnahme dar, insofern sie der Ermordung ihrer Mutter im Holocaust dezidiert in ihrer in Mexiko entstandenen Erzählung Der Ausflug der toten Mädchen (1944/46) Raum gab, selten jedoch ihrer jüdischen Herkunft.11 Gleiches gilt für Abusch, Jungmann und Neumann, wobei ersterer ganz besonders linientreu blieb (linientreuer als Merker sogar), indem er noch bis in das Jahr 1945 hinein den bevorstehenden Aufstand der deutschen Bevölkerung gegen Hitler beschwor.12 Der öffentlichen Thematisierung eines wie auch immer gearteten jüdischen Selbstverständnisses jedenfalls enthielten sie sich eindeutig. Anders hingegen die ebenfalls jüdischen Mitglieder der Merker-Gruppe Leo und Otto Katz, Egon Erwin Kisch, in gewisser Weise auch Bruno Frei. Sie alle beschäftigten sich in Mexiko dezidiert mit jüdischen Themen: Leo Katz im Rahmen einer geplanten Romantrilogie, die das Schicksal der Juden in seiner rumänischen Heimatstadt Sereth zum Gegenstand hatte,13 Otto Katz (1895–1952) in der Gründung der spanischsprachigen, explizit jüdischen Zeitschrift Tribuna Israelita,14 Egon Erwin Kisch, insofern er Gerüchten über die Existenz einer konvertierten jüdisch-indianischen Gemeinde im mexikanischen Urwald nachging,15 und Bruno Frei, indem er begann, unter dem Eindruck der Nachrichten aus Europa der Wiederherstellung eines österreichischen Nationalstaates das Wort zu reden und sich darüber mit der Merker-Gruppe entzweite.16 Vergleicht man beide Gruppen miteinander, fällt auf, dass zwischen ihnen eine Bruchlinie verlief: Abusch, Jungmann, Neumann und Seghers waren (mit Ausnahme von Abusch, der in Krakau geboren, jedoch in Nürnberg aufgewachsen war) deutsche Juden, das heißt, sie waren in Deutschland sozialisiert; Leo und Otto Katz, Kisch und Frei hingegen hatten einen ostmitteleuropäischen Hintergrund, da sie in der Habsburgermonarchie geboren worden waren und die Staatsbürgerschaft einer derer Nachfolgestaaten, Österreich, Rumänien beziehungsweise Tschechoslowakei, besaßen. Entlang dieser vermeintlich nebensächlichen Bruchlinie verliefen jedoch offenbar verschiedene Auffassungen und Erfahrungen von jüdischer Kollektivität und dies unabhängig davon, dass die Angehörigen beider Gruppen als überzeugte Kommunisten vor ihrer Ankunft in Mexiko die Existenz eines »jüdischen Volkes« einhellig und bestimmt abgelehnt hatten. Während erstere, auch generationell bedingt, das deutsche Modell einer vollständigen Assimilation weitestgehend verinnerlicht hatten, wirkten bei letzteren Residuen jüdischer Kollektivität nach, die die Lebenswelten der Juden des östlichen Europa bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein ungleich stärker bestimmt hatten. Leo 97

Zuckermann stand mit seiner Biografie zwischen diesen Erfahrungen. Von der Sozialisation eindeutig (reichs)deutsch geprägt, hatten sich offenbar, da er aus einer Familie aus dem östlichen Europa stammte, ebensolche Residuen in ausgeprägtem Maß erhalten. Deshalb fanden die Nachrichten vom Kontinent bei ihm eine andere Resonanz als bei seinen deutschen Genossen, und vor diesem Hintergrund war er auch 1948 in der Lage, ganz selbstverständlich vom »jüdischen Volk« zu sprechen. Wie dieser Prozess genau verlief und welche Ambivalenzen sich damit verbanden, wird im Folgenden zu entfalten sein.

2.2  Marseille, Nadelöhr von Flucht und Emigration Im Sommer 1940 begann die kommunistische Schriftstellerin Anna Seghers (eigentlich Netty Radványi, geborene Reiling), die zur Jahreswende 1939/40 ihren späteren Welterfolg Das siebte Kreuz abgeschlossen hatte, mit der Arbeit an einem neuen Roman.17 Wie für Literaten nicht unüblich, diktierten ihr die Zeitläufte den neuen Stoff. Ihr Buch, das erstmals 1944 unter dem Titel Transit in englischer Sprache erschien, verarbeitete aus autobiografischer Perspektive die dramatischen Ereignisse, die auf den Fall Frankreichs im Juni 1940 folgten.18 Infolge des Westfeldzuges waren Zehntausende, meist politische Emigranten, die sich in Frankreich aufhielten, panisch gen Süden geflohen, um dem Zugriff der ungehindert vorrückenden Wehrmacht zu entgehen. Bald drängten sie sich in der südfranzösischen Hafenstadt ­Marseille, dem Schauplatz von Seghers’ Roman, wo sie versuchten, Visen und Schiffspassagen nach Übersee zu ergattern. Die außerordentliche Bedeutung von Marseille als »Notausgang« aus dem europäischen Kontinent (die es mit Lissabon teilte) hielt bis zum November 1942 an, als mit der deutschen (und italienischen) Besetzung des vormals unter französischer Kontrolle stehenden Südens die legale Ausreise endgültig zum Erliegen kam.19 Transit, der Roman, der die sich kafkaesk ausnehmende Erlangung von Aufenthaltsgenehmigungen, Schiffspassagen und Visen in Marseille zum Gegenstand hat, zählt zu den am wenigsten ideologischen Büchern Seghers’. Das zunächst in Cafés und »in Wartezimmern von Konsulaten, dann auf Schiffen  […]« niedergeschriebene und schließlich in Mexiko fertiggestellte Manuskript entbehrt nicht nur des antifaschistischen Heroismus ihres Opus magnum Das siebte Kreuz, wie an dem desillusionierten, den Umständen ausgelieferten und nur wenig als positive Identifikationsfigur taugenden Erzähler deutlich wird.20 Auch die Arbeiterklasse und ihre Vertreter, bei Seghers für gewöhnlich Subjekt der Geschichte und im Zentrum stehend, existieren allen98

falls als Statisten in der jahrtausendealten Hafenstadt. Nur der am Rande auftretende Kommunist und Spanienkämpfer Heinz repräsentiert noch so etwas wie vergangene Gewissheiten, wenn es über ihn heißt, er habe etwas Festes an sich, »das nie in die Brüche geht«.21 Heinz freilich hatte, als Angehöriger der Internationalen Brigaden, im Spanischen Bürgerkrieg ein Bein verloren und bewegte sich nur mehr mühsam auf Krücken vorwärts – eine nachgerade ketzerische, zumindest höchst ungewöhnliche Allegorie für eine nachweislich orthodoxe Kommunistin wie Seghers. Wie bewusst ihr die Ausnahmestellung ihres Romans im Moment seiner Abfassung auch gewesen sein mag, scheint Transit jedenfalls so etwas wie eine vorübergehende weltanschauliche Verunsicherung seiner Verfasserin zu dokumentieren. Zumindest strahlte ihr Buch nicht länger jenen in früheren Werken zur Schau gestellten Zukunftsoptimismus aus, demzufolge mit Solidarität und dem rechten (Klassen-)Bewusstsein noch jede Herausforderung zu meistern sei. Hatte Seghers’ Glauben an die Vorreiterrolle der Partei also womöglich selbst, wie sie anhand der Figur des versehrten Heinz der deutschen KP attestierte, Schaden genommen? Auch Leo Zuckermann war im Sommer 1940 unter den Flüchtlingen gewesen, die nach dem Fall Frankreichs gen Süden strömten, unterlag also denselben Bedingungen, die Seghers in Transit verarbeitete. Nach der Flucht aus einem Internierungslager in der Vendée, in das er mit Beginn des Westfeldzuges eingewiesen worden war, hatte er Marseille im Juli nach mehreren Wochen Fußmarsch gemeinsam mit zwei ehemaligen Mitgefangenen erreicht. Die Wegstrecke von mehr als 700 Kilometern hatten sie meist nachts zurückgelegt, während sie sich tagsüber im Wald oder in Heuschobern schlafen legten.22 Zuckermanns Erscheinungsbild machte den Figuren aus Seghers’ Roman alle Ehre. »[O]hne die vorherige Warnung, dass er es sei«, erinnerte sich sein Vetter Jacob Zuckerman später, habe er seinen Verwandten »kaum wiedererkannt«, als sie sich in Marseille unmittelbar nach dessen Ankunft zufällig über den Weg liefen. »Kaum ein Clochard hätte sich mit ihm zeigen wollen. Er, der von Natur aus Rundliche, war völlig abgemagert, seine Schuhe waren mit einer Kordel zugebunden und die Sohlen bestanden hauptsächlich aus Löchern. Die Hosen hingen im Zickzack über seine Fusslappen, die er an Stelle von Strümpfen trug. Sein Vermögen bestand aus 50 Centimes […].«23

Noch in anderer Hinsicht stand Zuckermann den von Seghers am eigenen Leib erfahrenen und in Transit porträtierten Schicksalen nicht nach. Wie Seghers  – und der von ihr erschaffene Erzähler des Romans Seidler alias Weidel –, lebte Zuckermann zu dieser Zeit unter falschem Namen in Frankreich. Wenngleich er sich vorerst vor dem deutschen Zugriff gerettet hatte, 99

lagen höchst ungewisse Zeiten vor ihm und seiner Familie. Komplementär zu Seghers, die mit ihren zwei Kindern aus Paris geflohen war, während sie von ihrem Mann (dem ungarischen Soziologen László Radványi) nur wusste, dass er im Lager Le Vernet in den Pyrenäen einsaß, hatte Zuckermann nicht nur seine Frau Lydia und den im März 1940 erstgeborenen Sohn Marc-Michel, sondern auch seine bei ihm lebende Mutter Sophie und die Schwester Dora in der von den Deutschen besetzten Zone zurücklassen müssen. Wie also reagierte Leo Zuckermann auf diese Umstände, die Anna Seghers offenbar so zusetzten? War er von ähnlichen Zweifeln befallen? Und was bedeutete dies für seine Wahrnehmung des sich zur selben Zeit zuspitzenden jüdischen Schicksals? An einschneidenden Ereignissen, die angetan waren, den Glauben von Parteimitgliedern auf die Probe zu stellen, mangelte es in den Jahren 1939 bis 1941 wahrlich nicht. Da war zunächst der Hitler-Stalin-Pakt vom 23. August 1939, der Angehörige der KPD in Frankreich (und anderswo) über Nacht zu Komplizen Hitlers gestempelt hatte. Als Kommunist war man zweifelsohne einiges gewohnt, was die zahlreichen Schwenks der Parteilinie betraf und wie diese stets aufs Neue als unumstößliche Wahrheit propagiert wurden; das Bündnis mit Hitler-Deutschland indes war selbst für Pariser Parteikreise überraschend gekommen und in dieser Form unvorstellbar gewesen.24 Ob sie wollten oder nicht, machte der Pakt gestandene Antifaschisten wie Franz Dahlem, Paul Merker und Siegfried Rädel, die seit 1937 die Auslandsleitung der KPD in Paris bildeten, zu »passiven Verbündeten« Nazideutschlands,25 jenes Landes also, aus dem sie 1933 geflohen waren und dessen Regierung sie seitdem aus tiefster Überzeugung und unter Inkaufnahme einschneidender Entbehrungen bekämpft hatten. Nicht weniger berechtigt war der Vorwurf, den man sich fortan gefallen lassen musste, als Kommunist Verantwortung am deutschen Überfall auf Polen, ja am Krieg an sich, zu tragen, weil der Pakt Hitler freie Hand gelassen und von der Gefahr eines Zweifrontenkrieges befreit hatte (und das noch ganz ohne Kenntnis des erst nach 1989 bekannt gewordenen geheimen Zusatzprotokolls, das die territoriale Aufteilung des östlichen Europa vornahm). Und auch für das eigene Handeln kam das Bündnis einer Katastrophe gleich. Das deutschsprachige kommunistische Exil in Frankreich geriet dadurch in völlige Isolation; und das Tischtuch mit dem sozialistischen Exil war nun endgültig zerschnitten, dessen Vertretern Hitler fortan – im Vergleich mit Stalin – nicht zufällig als das »kleinere Übel« erschien.26 Selbst in Parteikreisen regte sich deshalb Kritik an dem Pakt, wie aus einer Paul Merker zugeschriebenen Äußerung hervorgeht. Auf einer Sitzung der Auslandsleitung in Paris angesichts der Nachrichten aus Moskau soll sich dieser während eines Wutanfalls heftig darüber beklagt haben, dass 100

die deutschen Kommunisten zum wiederholten Male gezwungen wären, »eine Suppe […] auszulöffeln«, die ihnen »von den Russen […] eingebrockt worden« sei.27 Zum Bruch mit der Partei führte der Pakt dennoch bei den wenigsten. Für »Renegaten« wie Arthur Koestler oder Willy Münzenberg, die das Abkommen als »Verrat« und »widerliches Schauspiel« bezeichneten,28 bedeutete die Verständigung zwischen Hitler und Stalin die Zerstörung des »letzten Rest[es] von Illusionen«29 beziehungsweise die endgültige Veranlassung, keinerlei Zurückhaltung mit Kritik an Stalin mehr zu üben; ihren eigentlichen Abfall vom Kommunismus hatten zwei Jahre zuvor bereits die Moskauer Prozesse eingeleitet. Auch Gustav Regler und Herbert Wehner, die später angaben, sich aufgrund des Paktes von der Partei abgewandt zu haben, verliehen mit diesem Schritt bereits vorher bestehenden starken Zweifeln Ausdruck.30 Wer in der Partei blieb, fand unterdessen immer wieder Gründe, den Pakt als unausweichlich oder gar als historischen Sieg Stalins darzustellen. Hintergrund dieser Argumentation war Lenins während des Ersten Weltkrieges entwickelte Theorie vom imperialistischen Krieg beziehungsweise die Ausführungen, die er dazu in seiner kanonischen Schrift Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus (1916) gemacht hatte.31 Die Epoche des Imperialismus, den er seit der Jahrhundertwende am Werk sah, sei von der »Herrschaft der Monopole und des Finanzkapitals« gekennzeichnet, die danach trachteten, den Weltmarkt unter sich aufzuteilen.32 Da die in der Phase des Kolonialismus vorgenommene Aufteilung der Welt jedoch bereits abgeschlossen sei, kämen »in der Folge nur noch Neuaufteilungen in Frage […], d. h. der Übergang von einem ›Besitzer‹ auf den anderen, nicht aber die Besitzergreifung herrenlosen Landes«.33 Aus diesem Grund seien auch »›[i]nterimperialistische‹ oder ›ultraimperialistische Bündnisse‹  […] notwendigerweise nur ›Atempausen‹ zwischen Kriegen – gleichviel in welcher Form diese Bündnisse geschlossen werden«.34 Gut zwei Jahrzehnte später bedeutete der Hitler-Stalin-Pakt aus dieser Perspektive demnach ein gleichermaßen berechtigtes wie geschicktes Manöver der Sowjetunion, sich einer drohenden imperialistischen Auseinandersetzung zwischen den Westmächten Großbritannien und Frankreich mit Deutschland zu entziehen. Da die Appeasement-Politik Chamberlains dazu gedient habe, Deutschland mit territorialen Zugeständnissen zu weiteren Eroberungen im Osten – also auch auf sowjetischem Territorium – zu ermuntern, argumentierte etwa das Zentralkomitee der KPD am 25. August 1939, habe Stalins Bündnis mit Hitler diese Politik eines »neue[n] München« erfolgreich durchkreuzt.35 Als überzeugter Kommunist, der Lenin ausgiebig studiert hatte,36 hatte auch Leo Zuckermann die Theorie vom imperialistischen Krieg verinnerlicht 101

beziehungsweise erachtete sie prinzipiell für zutreffend. Dazu hielt ihn nicht zuletzt die Parteilinie an, die sein unmittelbarer Vorgesetzter in der IRH, Tom Bell, im Oktober 1939 ganz selbstverständlich an Lenin ausgerichtet hatte: »Der jetzige Krieg ist ein Krieg um Neuaufteilung der Welt im Interesse der untereinander rivalisierenden Imperialistengruppen.«37 Noch 1978 äußerte Zuckermann die feste Überzeugung, es sei in der Tat Sinn und Zweck der Appeasement­-Politik von 1938 gewesen, dass Deutschland gegen die Sowjetunion »gehetzt« werde, damit »die anderen« – Großbritannien und Frankreich – den Krieg »in ihrem Sinne« beenden könnten.38 Dass Zuckermann, wie Seghers einer Figur in Transit in den Mund legte, von dem Bündnis zwischen Hitler und Stalin despektierlich als »Russenpakt« gesprochen hätte, ist daher nur schwer vorstellbar.39 Und doch gab er seinem Interviewpartner zur selben Zeit auch preis, er habe »ein[e] Sache […] nie überwinden« können, nämlich »die Periode ’40 bis Juni ’41 […], als man gewissermaßen die Hand in den Schoß legen und zusehen musste, wie die deutschen Truppen [in Frankreich] einrückten«, weil es sich um einen imperialistischen Krieg gehandelt habe.40 Der Charakter der Wehrmacht als »faschistisch[e] Trupp[e]«, so ist Zuckermann hier wohl zu verstehen, hätte es demnach erlaubt, wenn nicht erfordert, dem Einmarsch nicht tatenlos zuzusehen, wie es der Nichtangriffspakt in der Konsequenz für die deutschen Kommunisten in Frankreich verlangte. Worin für ihn das Faschistische genau bestand, ließ Zuckermann an dieser Stelle nicht erkennen, doch existierte seines Erachtens offenbar ein Unterschied zwischen den Streitkräften eines »imperialistischen« Staates wie beispielsweise Großbritannien und den Truppen der Wehrmacht, mithin also zwischen einem imperialistischen Krieg nach traditionell kommunistischer Lesart und dem deutschen Überfall auf (Polen und) Frankreich. Ob sich darin zuvorderst Unglauben darüber ausdrückte, dass die Sowjetunion tatsächlich einen Nichtangriffspakt mit Nazideutschland eingegangen war (was streng genommen mit Lenins Definition von »interimperialistischen« Bündnissen kollidierte, da hierdurch die Frage aufgeworfen wurde, ob die Sowjetunion jetzt den Rang eines imperialistischen Staates angenommen hatte), ist nicht genau zu eruieren. Ein überzeugter Kommunist zu sein, verlangte ohnehin, derartige Zweifel niemals laut zu äußern. Von Außenstehenden mit Kritik an der Parteilinie konfrontiert, bezeugten verschiedene »Renegaten« später, habe bei ihnen stets einen Mechanismus zur Verteidigung der Partei in Gang gesetzt.41 Im Falle des Bündnisses mit Hitler hieß dies, den Pakt zu rechtfertigen und aus ihm eine Strategie für die Gegenwart abzuleiten. Die Parteiführung in Moskau legte in dieser Hinsicht wenig Skrupel an den Tag. Ihre Erwägungen richteten sich auf die Lage in Deutschland, hinsichtlich derer man immer noch die Hoffnung hegte, aus einem »imperialis­tischen 102

Krieg« möge ein revolutionärer Krieg hervorgehen, in dem sich die deutsche Arbeiterklasse erheben werde. So hätten die herrschenden Kreise Deutschlands die Offerte Stalins über freundschaftliche Beziehungen nicht zuletzt deshalb angenommen, führte Walter Ulbricht im Februar 1940 aus, weil »die Sympathie in den werktätigen Massen Deutschlands für die sozialistische Sowjetunion« das Abenteuer eines Krieges gegen sie »aussichtslos« habe erscheinen lassen.42 Da zudem weder die Sowjetunion noch Deutschland kritisiert werden konnten, zielte die Agitation in erster Linie auf den »englischen Imperialismus«, den Ulbricht konsequent als »reaktionärste Kraft in der Welt« bezeichnete.43 Zuvor, angesichts der Ablehnung deutscher Friedensvorschläge vom 6. Oktober 1939, hatte sich Wilhelm Pieck gar zu der Aussage verstiegen, die Weigerung der Briten und Franzosen, darauf einzugehen, resultiere aus ihrer Absicht, »das deutsche Volk auszuhungern«.44 Noch im Winter 1939/40, lässt sich daraus entnehmen, stellte für die deutsche KP und ihre Führung der Versailler Vertrag den primären Referenzpunkt für den deutschen Überfall auf Polen und den Westfeldzug dar. Ein weiterer Faktor, der die deutschsprachigen Genossen in Frankreich in den Jahren 1939 bis 1941 umtrieb, und der sich ob der Stigmatisierung durch den Nichtangriffspakt zusätzlich verstärkte, war die verschärfte Illegalität. Noch vor der französischen Kriegserklärung vom 3. September 1939, die zunächst alle männlichen Deutschen in Frankreich (dazu zählten ebenso Österreicher und deutschsprachige Tschechen) aus Erwägungen der nationalen Sicherheit zu »feindlichen Ausländern« erklärte, aber nach dem 23. August, hatte die französische Polizei damit begonnen, eine Reihe von Personen aus der Führungsriege der Pariser KPD zu verhaften. Nach dem 3. September kam es dann zu flächendeckenden Internierungen deutschsprachiger Emigranten, und auch Staatenlose mit ehemals deutscher Staatsangehörigkeit wurden in Lager eingewiesen, egal ob sie Antifaschisten (oder Juden) waren oder nicht. Die Internierungslager, in denen im Herbst / Winter 1939/40 bis zu 18 000 Personen einsaßen, waren eigentlich nicht als permanente Einrichtungen gedacht. Stattdessen sollten ihre Insassen einer Einteilung in Asylberechtigte und Reichsdeutsche unterzogen werden, was die Überforderung der französischen Verwaltung allerdings verhinderte; dennoch kam bis Ende Januar 1940 etwa die Hälfte von ihnen wieder frei.45 Trotz unzureichender Versorgungslage, katastrophalen hygienischen Bedingungen, fehlender Beschäftigung und anderen Zumutungen mehr, hatten es Kommunisten in den Lagern noch vergleichsweise gut, weil Angehörige der Partei im Zeichen von Solidarität und Parteidisziplin sogleich Netzwerke bildeten, die nicht nur die Lebenssituation oftmals etwas erträglicher gestalten konnten und politische Diskussionen erlaubten, sondern auch von 103

außen – meist mithilfe von Ehefrauen, die auf freiem Fuß geblieben waren – Unterstützung koordinierten.46 Als Staatenloser, der mit einer Französin verheiratet war, blieb Leo Zuckermann von der Internierung ausgenommen beziehungsweise war diese nach seiner Rückkehr aus den Vereinigten Staaten im November 1939 wieder aufgehoben worden.47 Mit dem Segen von Parteiführung und IRH übersiedelte Zuckermann daraufhin nach Concarneau, eine Kleinstadt in der Bretagne, wo seine Frau vorübergehend eine Stelle an einem Lyzeum annahm, bis sie schwanger wurde und seitdem von ihrem Mann vertreten wurde.48 Die den Eigenarten des »drôle de guerre«, des »Sitzkrieges« zwischen September 1939 und Mai 1940 entsprechende Normalität war jedoch trügerisch. Mit Beginn der Kriegshandlungen am 10. Mai 1940 erfolgte die erneute Verhaftung aller deutschsprachigen männlichen Ausländer (darunter nun auch Zuckermann) sowie von etwa 10 000 Frauen.49 Angesichts des atemberaubenden Vormarsches der Deutschen, der den Glauben der französischen Öffentlichkeit, die Maginot-Linie sei unüberwindbar, ad absurdum führte, drängte sich den Flüchtlingen in Frankreich – zumal den exponierten Kadern der Exil-KP und den zahlreichen prominenten Intellektuellen, Literaten und Künstlern – nun die bange Frage auf, was mit ihnen geschehen werde. Nicht zu Unrecht fürchteten sie, dass die Deutschen versuchen würden, ihrer habhaft zu werden, um sie ins Reich zu verbringen – sei es, um ihnen den Prozess zu machen, sie zu Strafarbeit zu verpflichten oder in einem KZ zu inhaftieren. In Anbetracht derartiger Aussichten häuften sich Selbstmorde, wie der des österreichischen Arztes und Schriftstellers Ernst Weiß (1882–1940), der seinem Leben am Tag des Einmarsches der deutschen Truppen in Paris am 14. Juni 1940 ein Ende setzte; sein Schicksal diente Anna Seghers in Transit als Vorbild für die Figur des Schriftstellers Weidel. Und in der Tat enthielt das am 22. Juni 1940 unterzeichnete Waffenstillstandsabkommen mit Artikel 19, Absatz 2, eine Auslieferungsklausel, auf der die deutsche Seite kategorial bestanden hatte, um, wie sie sagte, die »größten Kriegshetzer« bestrafen zu können.50 Darin verpflichtete sich die französische Regierung, »alle in Frankreich sowie in den französischen Besitzungen, Kolonien, Protektoratsgebieten und Mandaten befindlichen Deutschen, die von der Deutschen Reichsregierung namhaft gemacht werden, auf Verlangen auszuliefern«.51 Eine erste, auf den 8. Juli 1940 datierte Liste versammelte 190  Namen, unter ihnen Führungspersonal der deutschen KP wie Merker, Rädel und Otto Niebergall, aber auch Personen wie Anna Seghers, Friedrich Wolf und Lion Feuchtwanger, die die Vichy-Behörden ausliefern sollten, gelänge es ihnen, sie festzusetzen.52 Im Sommer und Herbst 1940 entsandten die Deutschen schließlich eine aus Wehrmacht, Gestapo, Rotem Kreuz und 104

anderen Stellen gebildete Kommission in die Internierungslager in der unbesetzten Zone, die nicht nur zu repatriierende Reichsdeutsche, sondern auch mögliche Regimegegner identifizieren sollte.53 Spätestens im August 1940 tauchte Zuckermann – damals noch unter seinem Decknamen Leo Lambert firmierend – auf einer solchen Liste auf, die ein »Sonderkommando« der Gestapo aus Material der französischen Behörden zusammengestellt hatte, das ihr bei der Besetzung von Paris in die Hände gefallen war.54 Der deutschen Botschaft waren seine »deutschfeindliche[n]« Aktivitäten während des Pariser Exils demnach nicht entgangen, wie ein Bericht an das Auswärtige Amt vom Mai 1939 nahelegt, der wiederum auf Betreiben der Gestapo angefertigt worden war.55 Zwar ging der Gestapo die Verbindung zwischen Leo Lambert und Leo Zuckermann wohl erst später, im Verlauf des Jahres 1941, auf,56 doch hatte Zuckermann augenscheinlich – wie zahlreiche andere seiner Genossen – gut daran getan, vor Eintreffen der deutschen Truppen im Juni 1940 zu fliehen und den Weg in die unbesetzte Zone zu suchen. Wenig verwunderlich war die Parteiarbeit unter diesen Umständen zum Erliegen kommen. Da man davon abgesehen hatte, in die Illegalität zu gehen und im Gegenteil am 4. September 1939 beschlossen hatte, sich als Zeichen guten Willens bei den französischen Behörden registrieren zu lassen, war die überwiegende Mehrheit der deutschen Genossen in Frankreich interniert worden, darunter die gesamte ehemalige Leitung.57 Ab den Internierungen im September 1939 beziehungsweise Mai 1940 vertraten zwischenzeitlich nur noch drei oder vier männliche Parteimitglieder, die wegen Krankheit von der Inhaftierung freigestellt worden waren, und eine Reihe Ehefrauen, die KPD in Frankreich. »Es gibt in Paris keine Freunde mehr«, meldeten diese Anfang September an Jürgen Kuczynski in London, »sondern nur noch Freundinnen.«58 Die Situation änderte sich erst, als in den Wirren angesichts des Vormarsches der Deutschen eine größere Anzahl Genossen freikam und ab Ende Juni 1940 unter der Führung von Alexander Abusch in Toulouse in der unbesetzten Zone eine neue Leitung aufbaute. Auch jetzt freilich hatte die Parteigruppe um Abusch in erster Linie mit sich selbst zu tun. Während es zunächst galt, Unterkünfte, regelmäßige Verpflegung und den Aufenthaltsstatus zu sichern sowie ein neues Netzwerk an Kontakten aufzubauen, wurde dies dadurch erschwert, dass man praktisch ohne Mittel war, in der Illegalität lebte und von Instruktionen der Parteiführung weitestgehend abgeschnitten blieb.59 An Parteiarbeit, die mit politischen Aktionen an die Öffentlichkeit trat, war unter diesen Umständen nicht ansatzweise zu denken, vielmehr war man mit dem bloßen Überleben der Exil-KP beschäftigt. Womöglich hatte Seghers doch nicht so Unrecht, als sie die Partei des Jahres 1940 in Transit mit einem hinkenden Versehrten verglich. 105

Schließlich mochte ein weiterer Faktor für Verunsicherung sorgen: die ungewisse Zukunft. Auch wenn Hitlers Vormarsch im Westen mit dem Scheitern im Luftkrieg gegen England im Herbst 1940 zu einem vorläufigen Ende gekommen war, blieb offen, wie lange Südfrankreich einen sicheren Rückzugsort darstellen würde. Außerdem war höchst ungewiss, ob die Flucht vom Kontinent durch das Nadelöhr Marseille gelingen würde. Die Hürden dafür waren hoch. Neben ordentlichen Papieren (einem Entlassungsschein aus dem Lager und einer gültigen Aufenthaltserlaubnis) benötigten Ausreisewillige das Visum eines Aufnahmelandes, das seinerseits an Voraussetzungen geknüpft war: eine mögliche Quote, ein oder mehrere Bürgen, den Nachweis ausreichender Mittel et cetera. Hatte man, nach zahlreichen Terminen auf dem Konsulat, die Zusage für ein Visum erhalten, galt es, bei den französischen Behörden eine Ausreisegenehmigung zu beschaffen, die nur erhielt, wer ordentliche Papiere vorweisen konnte und nicht auf der Fahndungsliste stand; reiste man über ein drittes Land, etwa Spanien, zu seinem Abfahrtshafen, war mitunter ein weiterer Schein – das sogenannte Transitvisum – erforderlich. Ferner musste noch eine Schiffspassage gebucht werden, was angesichts der begehrten Plätze bei sprunghaft gestiegenem Bedarf ebenfalls keinen Automatismus darstellte, von dafür nötigen Mitteln ganz abgesehen. Und selbst wenn man alle Voraussetzungen erfüllte, war dies keine Gewähr, Frankreich endlich verlassen zu können: Hatte man das eine Dokument erhalten, konnte ein anderes bereits wieder abgelaufen sein, woraufhin sich der Kreislauf des mehr und mehr ohnmächtigen Vorsprechens bei Konsulaten, Behörden oder Reedereien wiederholte. Kurz, die erfolgreiche Planung der Ausreise war derart voraussetzungsvoll und von ständigen Rückschlägen gekennzeichnet, dass Anna Seghers nicht von ungefähr diese Konstellation in Transit bildreich auffächerte und von einer »teuflischen Situation« sprach,60 die geeignet gewesen sei, existenzielle Ängste auszulösen. Wie Leo Zuckermann auf diese Umstände reagierte, ist nicht im Detail überliefert. Anlass zur Sorge bestand zweifelsohne. Da war zunächst seine Frau mitsamt dem neugeborenen Kind, mit der er sicherlich eine Vereinbarung getroffen hatte, wo sie sich im Fall eines deutschen Vormarsches treffen würden. Auch wenn Lydia Staloff als französischer Staatsbürgerin die Übersiedlung in die unbesetzte Zone vergleichsweise leichtgefallen sein dürfte, schwang hier sicher ein Stück Ungewissheit mit, unter welchen Umständen man sich wiedersehen würde. Zuckermanns Bruder Rudolf und dessen Lebensgefährtin Henny Schönstedt waren als in Frankreich gestrandete deutsche Kommunisten politische Flüchtlinge par excellence: Nach der Internierung als »feindliche Ausländer« im Frühjahr 1940 und der freiwilligen Verpflichtung Rudolfs als prestataire (Arbeitssoldat), war es beiden zwar 106

gelungen, sich im Herbst nach Marseille durchzuschlagen.61 Dort standen sie jedoch wie Tausende andere vor einer ungewissen Zukunft. Und auch die Lage seiner Mutter (wie die seiner Schwester), die in ihrem Haus in Enghien-les-Bains zurückgeblieben war, war alles andere als beruhigend. Zwar wusste er sie von Verwandten versorgt, dennoch blieb die Unsicherheit, was ihren zukünftigen Status als russische Staatsangehörige betraf, und ob nicht etwa die Deutschen versuchen würden, ihr etwas über den Aufenthaltsort ihres Sohnes abzupressen.62 Und schließlich war da noch die eigene Lage als jemand, der unter fremdem Namen in Frankreich lebte. Wenngleich ihm sein Nom de Guerre Leo Lambert über Jahre Tarnung verschafft hatte, drohte er nun, Schwierigkeiten zu bereiten. So war es eine Sache, unter falschem Namen in Pariser antifaschistischen Zeitungen zu publizieren. Da in Bezug auf ordentliche Papiere – also einen Pass, Aufenthaltsgenehmigungen, Visen et cetera – indes davon ausgegangen werden kann, dass solche Dokumente nur auf den Geburtsnamen ausgestellt wurden, lief Zuckermann nun Gefahr, die Deckung zu verlieren. Mehr noch, im Mai 1941 hatte die Gestapo ihn – aber das wurde Zuckermann erst nach dem Krieg bekannt –, wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zur Fahndung ausgeschrieben; ein Vergehen, das vor dem Volksgerichtshof verhandelt wurde und auf das die Todesstrafe stand.63 Gleichwohl waren nur wenige derart prädestiniert, mit diesen Herausfor­ derungen umzugehen, wie der vormalige Sekretär des Asylrechtsbüros. »Schon wenige Tage nach unserer Ankunft«, erinnerte sich sein Cousin Jacob Zuckerman, hatte »Leo grosse Geldsummen [erhalten], die man ihm anvertraut hatte, um antifaschistischen Schriftstellern zu helfen, Europa zu verlassen«.64 Ungeachtet des miserablen Zustandes, in dem er sich bei seiner Ankunft in Marseille befunden hatte, knüpfte Zuckermann, wohl auch unterstützt durch seine guten Kontakte, rasch an seine Pariser Tätigkeit an. Zu diesem Zweck war er von der Parteileitung in Toulouse nach Marseille entsandt worden, wo es galt, den Journalisten Lex Ende (eigentlich Adolf Ende, 1899–1951) dabei zu unterstützen, die Genossen in den Internierungslagern mit Lebensmitteln zu versorgen und sie aus den Lagern herauszubekommen, ferner ihnen bei der »Erledigung von Papierangelegenheiten« behilflich zu sein und für jene »Genossen, die auf der deutschen Auslieferungsliste standen«, »Sonderaktionen« durchzuführen, wie sich Zuckermann 1950 erinnerte.65 Aufgrund seiner asylrechtlichen Expertise und dem Netzwerk des Asylrechtsbüros war er für diese Tätigkeiten bestens geeignet. Die ehemalige Funktion als Delegierter im Beirat des Völkerbundkommissars mochte ihm hier ebenso zupasskommen wie die Tatsache, dass er mit dem Asylrechtsbüro eine etablierte und Eingeweihten bekannte Organisation vertrat; auch die Evakuierung bedrohter Genossen aus der ehemaligen Tschechoslowakei, 107

bei der die IRH entscheidende Hilfe geleistet hatte, lag nur wenig länger als ein Jahr zurück. Da er zudem durch seine französische Frau vergleichsweise geschützt war und so gut Französisch sprach, dass er für einen Franzosen gehalten wurde,66 konnte er sich relativ unbehelligt in Marseille bewegen. Trotzdem warf Zuckermanns Parteiauftrag Probleme auf. Das größte Hindernis bestand im schlechten Leumund, der den Kommunisten anhing. Konsulate wie Hilfsorganisationen wiesen sie deshalb reihenweise ab. Das lag nicht nur am Hitler-Stalin-Pakt; auch ohne diesen hatten nur wenige Staaten Interesse daran, bekennenden »Staatsfeinden« Asyl zu gewähren. Von den zunächst in Marseille tätigen Hilfsorganisationen konnten sie demnach keine Unterstützung erwarten. Das Emergency Rescue Committee unter der Leitung von Varian Fry kümmerte sich beispielsweise vornehmlich um prominente Flüchtlinge (darunter Anna Seghers), verweigerte jedoch – zum Leidwesen seines Leiters – »ganz offen die Hilfe für Kommunisten«; ein Komitee der Quäker bevorzugte den direkten Kontakt in die Internierungslager, während jüdische Hilfsorganisationen ebenfalls ausschieden.67 Abhilfe verhieß allein ein französisch-mexikanisches Abkommen vom 29. August 1940, in dem sich Mexiko bereit erklärte, republikanischen Flüchtlingen, meist ehemaligen Kämpfern im Spanischen Bürgerkrieg, Asyl zu gewähren. Dieses Abkommen war nicht so selbstlos, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Während die mexikanische Regierung unter der Führung des linksgerichteten Präsidenten Lázaro Cárdenas del Río durchaus politische Sympathien für die Republikaner hegte (zugleich aber an der Einwanderung qualifizierter europäischer Immigranten interessiert war), suchte Frankreich händeringend nach einer Möglichkeit, sich von den Verpflichtungen für mehrere Zehntausend Republikaner zu befreien, die nach der republikanischen Niederlage zum Jahreswechsel 1938/39 ins Land geströmt waren.68 Diese Ausgangslage machten sich die deutschen Kommunisten zunutze, da eine Reihe internierter Genossen (Walter Janka, Ludwig Renn, Rudolf Zuckermann und andere mehr) als ehemalige Angehörige der Internationalen Brigaden automatisch spanischen Staatsbürgern gleichgestellt wurden und als solche in den Genuss des Abkommens kamen.69 Und auch darüber hinaus war die mexikanische Seite offenbar bereit, bedrohten Kadern der deutschen KP die Einreise zu ermöglichen. Zentral für die Anbahnung dieser Regelung waren Kontakte Zuckermanns aus der Pariser Zeit, der nicht nur wusste, wie man sich in offiziellen Kreisen zu bewegen hatte, sondern der gemeinsam mit dem Asylrechtsbüro noch ein Jahr zuvor aktiv an Kampagnen für die Hilfe von Flüchtlingen aus Spanien mitgewirkt und in diesem Zusammenhang verschiedene mexikanische Diplomaten kennengelernt hatte.70 In jedem Fall gelang es Zuckermann, einen Kontakt zu Gilberto Bosques (1892–1995) her108

zustellen, dem mexikanischen Konsul in der besetzten Zone, der in Marseille freizügig die Vergabe von Visen organisierte und zu diesem Zweck eng mit Zuckermann kooperierte.71 Mit Bosques verabredete er die Erstellung von Listen, mit deren Hilfe am Ende mehrere Dutzend deutschsprachige Kommunisten in den Internierungslagern Aussicht auf ein Visum erhielten und die Lager verlassen konnten.72 Bisweilen operierte man dabei jenseits der Legalität, indem man beispielsweise auf gekaufte Pässe zurückgriff oder besonders gefährdete Flüchtlinge – unter Mithilfe offensichtlich korrupter spanischer Behörden – durch Spanien schleuste.73 Im Laufe des Jahres 1941 besserte sich allmählich die materielle Lage für die Gruppe um Lex Ende. Finanzielle Unterstützung, die etwa in die Buchung von Schiffspassagen floss, stellte das KP-nahe, in New York beheimatete Joint Antifascist Refugee Committee unter der Leitung von Edward  K.  Barsky (1895–1975) zur Verfügung;74 mit Noel H. Field (1904–1970), der später zentralen Figur in den Schauprozessen der frühen 1950er Jahre, der als Vertreter des Unitarian Service Committee (USC) im Frühjahr 1941 nach Marseille kam, trat eine weitere Person hinzu, die explizit bereit war, auch Kommunisten zu unterstützen.75 Schätzungen gehen davon aus, dass Bosques mehr als eintausend deutschsprachigen Flüchtlingen Visen ausstellte, von denen etwa die Hälfte tatsächlich Mexiko erreichte.76 Darunter waren mehrere Dutzend Angehörige der deutschen KP mitsamt ihren Familien, die Marseille bis März 1942 verließen und auf verschiedenen Schiffen die Reise über den Atlantik antraten.77 Wem es nicht glückte, die Internierungslager zu verlassen, weil sich keine Möglichkeit zur Flucht ergab oder die französischen Behörden die Erlaubnis verweigerten, wurde unterdessen an Deutschland ausgeliefert und dort in ein Konzentrationslager eingewiesen (Franz Dahlem, Siegfried Rädel, Heinrich Rau); andere gingen in den Untergrund und schlossen sich später der Résistance an (Lex Ende)  oder ließen sich als Arbeitskraft von deutschen Bautrupps wie der Organisation Todt verpflichten (unter anderem Erich Mielke).78 Aufgrund seiner privilegierten Stellung dürfte Zuckermann deshalb einigermaßen optimistisch in die Zukunft geschaut haben, auch und gerade im Vergleich zu Anna Seghers. Während ihr als Schriftstellerin wenn nicht ein anderes Sensorium, so doch andere Möglichkeiten der Verarbeitung zur Verfügung gestanden haben mögen als dem Juristen Zuckermann, war dieser mit einem klaren Parteiauftrag ausgestattet und bezog seitens der Partei zudem materielle Unterstützung. Die freischaffende Schriftstellerin indes blieb den Zeitläuften viel direkter – und ohne permanentes Einschwören auf die Parteilinie – ausgesetzt. Zumindest erinnert sich Abusch daran, dass seine Parteigruppe Anna Seghers bei einer zufälligen Begegnung in Toulouse, als 109

diese sich auf dem Weg zu ihrem in Le Vernet internierten Mann befand, nicht nur mit Essen, sondern »mehr noch […] mit unserem Rat als Genossen [gespeist]« habe.79 Hitler-Stalin-Pakt hin oder her, mochten die zum Teil lebensbedrohlichen Turbulenzen der Jahre 1939 bis 1941 wie auch die Isolation der Partei in der französischen Öffentlichkeit demnach eher dazu geführt haben, dass sich zumindest Parteikader wie Abusch und Zuckermann noch enger an die KP banden – sie war genau genommen das Einzige, was ihnen geblieben war. Während Zuckermann später rückblickend angab, der Atmosphäre in Marseille habe durchaus etwas »Schreckliches« geeignet, weil sich in dem ständigen Mitführen von Ausweisen und Identitätsnachweisen so etwas wie eine autoritäre »Verlängerung des Federhalters des Bürokraten« ausdrückte, der man über kurz oder lang selbst verfiel,80 scheinen die Jahre des HitlerStalin-Paktes und der Unsicherheit in Marseille jedenfalls keine besondere weltanschauliche Verunsicherung bei ihm hervorgerufen zu haben. Auch für die Frage, wie sich unter diesen Umständen Zuckermanns Wahrnehmung der Zuspitzung des jüdischen Schicksals entwickelte, ist der Vergleich mit Transit erhellend. So führte die weltanschauliche Verunsicherung bei Seghers nicht zwangsläufig zu einer vermehrten oder expliziten Thematisierung jüdischer Fragen. Wenngleich viele jüdische Flüchtlinge unter den Figuren ihres Romans sind, war Transit kein Buch über die Judenverfolgung, geschweige denn (wie dies bisweilen gedeutet worden ist) ein Roman über den Beginn des Holocaust.81 Sein Gegenstand war vielmehr die Verfolgung eines Milieus, das überwiegend aus politischen Gründen zunächst emigriert und dann in Panik ein weiteres Mal geflohen war. Dies alles beschrieb sie aus der Perspektive vor dem Jahr 1941, die eigentlich eine direkte Verlängerung von Erfahrungen des hinfällig gewordenen Pariser Exils darstellte. In Bezug auf die Verfolgung der Juden nahm das Buch allenfalls eine Situation vorweg, von der diese wenig später besonders drastisch betroffen waren beziehungsweise die sich besonders fatal auf sie auswirkte. Gleichsam erahnend dokumentierte Transit nämlich eine Erfahrung, die Hannah Arendt etwa zur selben Zeit unter dem Begriff der »Aporien der Menschenrechte« theoretisch zu fassen begann, oder, in Seghers’ Fall, des Erlöschens von Staatsangehörigkeit. Arendt, seit 1937 selbst staatenlos und 1940 von Paris über das Internierungslager Gurs und Marseille nach Lissabon entkommen, brachte damit zum Ausdruck, dass Menschen in dem Moment, da ihnen die Zugehörigkeit zu einem nationalen Kollektiv versagt wird, elementarste Rechte verlieren, die für gewöhnlich Nationalstaaten garantieren. »[In] dem Augenblick«, schrieb Arendt in ihrem Hauptwerk Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft (1951), »in dem Menschen sich nicht mehr des Schutzes einer Regierung erfreuen, keine Staatsbürgerrechte mehr genießen und daher auf das Minimum an 110

Recht verwiesen sind, das ihnen angeblich eingeboren ist«, habe es niemanden mehr gegeben, »der ihnen dieses Recht garantieren konnte, und keine staatliche oder zwischenstaatliche Autorität war bereit, es zu beschützen«.82 Auf die Flüchtlinge in Marseille traf diese Beobachtung paradigmatisch zu. Ihrer Staatsangehörigkeit beraubt, verfügten sie nicht länger über einen Pass, unterstanden nicht länger dem Schutz eines Staates, traten vor fremden Konsulaten als Bittsteller auf und waren auf Großzügigkeit und Wohltätigkeit angewiesen, kurz, sie hatten »das Recht, Rechte zu haben, verwirkt«.83 Als Jurist hatte sich Zuckermann mit der Gefährdung, die sich aus dem Phänomen der Staatenlosigkeit ergab, bereits länger beschäftigt. Er war zum einen persönlich davon betroffen; zum anderen war er in seiner Funktion als ehemaliger Sekretär des Asylrechtsbüros seit Mitte der 1930er Jahre mit dem Problem vertraut. Nicht umsonst hatte die IRH die Verabschiedung einer international gültigen Konvention gefordert, um die mit dem Status der Staatenlosigkeit verbundenen Defizite wettzumachen. Ob er der Frage in den Jahren 1940/41 mit Blick auf jüdische Flüchtlinge indes neue Bedeutung beimaß, ist zweifelhaft. Dem widersprachen zunächst die Erfahrungen, die er in Frankreich seit September 1939 gemacht hatte. Erneut, und in gesteigertem Maße, bestätigte sich vor seinen Augen der Eindruck einer eminenten Gefährdung politischer Flüchtlinge, die bereits seine Deutung der Ereignisse der Jahre 1938/39 bestimmt hatte. War schon dem »Anschluss« und der Sudetenkrise zu entnehmen, dass Antifaschisten dem deutschen Zugriff entzogen werden mussten, da ihnen sonst Haft, Folter, ja womöglich der Tod in einem KZ drohte, hatte sich diese Gefahr mit Beginn des Krieges noch verschärft. Jetzt war die Auslieferung nicht länger nur ein Schreckensszenario in Friedenszeiten, jetzt operierte die Gestapo auf französischem Boden und in Absprache mit den Vichy-Behörden. Für die politischen, von Auslieferung nach Deutschland bedrohten Flüchtlinge der Jahre 1940/41 hatte sich die Gefährdung demnach sogar potenziert. Dass Zuckermann die jüdischen Hilfsorganisationen weiterhin als effektiv wahrnahm,84 während er in Marseille am eigenen Leib erlebte, wie Kommunisten praktisch überall abgewiesen wurden, dürfte dieser Deutung ebenso zuträglich gewesen sein. Zudem hatte die von Seghers wie von Arendt beschriebene Situation der Rechtlosigkeit zunächst politische und jüdische Flüchtlinge gleichermaßen betroffen. Erst im Laufe des Jahres 1942 begann sie sich dramatisch zuungunsten letzterer zu entwickeln. Bis dahin mochte sich die Lage der Juden in Frankreich nicht gravierend von dem unterschieden haben, was Zuckermann aus dem Reich bekannt war. Aus dieser Perspektive vollzog Frankreich mittels des notorischen »Juden-Statutes«, dem Loi Alibert vom 3. Oktober 1940 und dem Loi Vallat vom 2. Juni 1941, das eine Reihe von Berufsbeschränkungen 111

vorsah, die Enteignung ihres Besitzes in die Wege leitete, vor allem aber ausländische Juden in die Rechtlosigkeit stieß, zunächst »nur« die fatale Angleichung an die Judenpolitik im Reich.85 Bis zum Herbst 1941, als der Großteil der späteren Mexiko-Emigranten, darunter auch Anna Seghers, Marseille längst verlassen hatte, war von der qualitativen Eskalation der Judenverfolgung, wie sie sich im deutschen Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 ausdrückte, in der unbesetzten Zone noch nichts zu spüren. Dass von den dortigen Lagern ein Jahr später, ab Sommer 1942, eine Spur zu den Deportationen nach Drancy und von dort aus nach ­Auschwitz führen würde,86 war schlichtweg nicht abzusehen. Selbst die Deportation jener 6500 badischen und saarpfälzischen Juden in das Internierungslager Gurs im Oktober 1940, an die Paul Merker sich Jahrzehnte später erinnerte, die erste ihrer Art aus dem Reich, ließ noch in keiner Weise die Dimension der späteren Transporte in die Vernichtungslager im Osten erahnen.87 Den Umschlag in die Vernichtung vollzog die antijüdische Politik im Süden Frankreichs erst im August 1942, als die Vichy-Behörden damit begannen, deutschen Gesuchen nach Auslieferung der staatenlosen Juden auf ihrem Gebiet zu entsprechen.88 Jetzt erwiesen sich deren Entrechtung und ihre massenhafte Einweisung in Internierungslager in den Jahren zuvor als tödliche Falle. Wem es nicht gelungen war, die Lager zu verlassen oder in die Illegalität abzutauchen, hatte keine Chance mehr, dem deutschen Zugriff zu entgehen  – die ausländischen Juden waren, wie Saul Friedländer bemerkt, »wandelnde Tote« geworden.89 Das soll nicht heißen, dass die sich zuspitzende Lage der Jahre 1940/41 an Zuckermann spurlos vorübergegangen wäre. Vor dem Hintergrund immer neuer Entrechtungen bot namentlich die Situation seiner Mutter und Schwester, in gewisser Weise auch seiner Schwiegereltern, Anlass zur Sorge. Alle vier lebten in dem Teil Frankreichs, der unmittelbar unter deutscher Herrschaft stand und waren als russische beziehungsweise naturalisierte französische Staatsangehörige mit den Einschränkungen, die Juden auferlegt wurden, viel unmittelbarer als im Süden Frankreichs konfrontiert.90 Dennoch ist nicht überliefert, dass Leo Zuckermann versucht hätte, auch für sie mexikanische Visen zu besorgen, um sie außer Landes zu bringen. Zwar ist ebenso wenig bekannt, ob beispielsweise seine Mutter eine Ausreise überhaupt in Erwägung zog, ob sie nicht ihrerseits darauf bestand, dass sich ihre Söhne in Sicherheit brachten, oder welchen Anteil die Sorge um Zuckermanns Schwester und den noch in Elberfeld lebenden Vater hatte. Auch, ob die Partei einer solchen Regelung überhaupt zugestimmt hätte, lässt sich nicht beantworten. Dennoch enthält die Frage einen zeithistorischen Kern, der für die Einschätzung der damaligen Gefährdung für Juden seitens eines Kommunisten von Bedeutung ist. Schließlich kann Zuckermann, wenn man so will, als der Funktionär 112

unter den deutschen Kommunisten in Frankreich bezeichnet werden, der am ehesten dazu in der Lage war, einer Person zur Ausreise zu verhelfen, sei es mittels seiner Kontakte zu Gilberto Bosques, sei es über andere (halblegale oder illegale) Kanäle. Wie zudem das Beispiel seines Bruders nahelegt, mit dem er gemeinsam die Überfahrt nach Mexiko antrat, hatte er in Rudolfs Fall offensichtlich nicht gezögert, dessen Namen auf die entsprechenden Listen setzen zu lassen. Die Gefährdung für Juden, selbst wenn sie mit Mutter und Schwester die engsten Familienangehörigen betraf  – so kann man daraus schließen –, schätzte er demnach noch nicht so ein, dass sie es, koste es was es wolle, erfordert hätte, ihnen zur Emigration zu verhelfen; im Falle des Bruders hingegen, der von politischer Verfolgung bedroht war, sah er sie als zwingend an. Der Fakt, dass Mutter, Schwester und Vater zurückblieben, sagt deshalb weniger etwas über Leo Zuckermann aus und ob er im Jahr 1941 »richtig« handelte. Er bedeutet auch nicht, dass er sich nicht später womöglich bittere Vorwürfe machte, wie dies für andere Emigranten überliefert ist.91 Vielmehr gibt er Auskunft darüber, unter welchen Vorzeichen die Judenverfolgung vor der Katastrophe gedeutet wurde: Die lebensbedrohliche Gefährdung aufgrund bloßer Zugehörigkeit zu einem nicht über die politische Überzeugung definierten Kollektiv war (noch) nicht vorstellbar. Einer solchen Deutung, die letztlich auf den Unterschied der Jahre bis 1941 vom Jahr 1942 verweist, entspricht auch eine selten nicht ideologische Erinnerung Alexander Abuschs, die dieser im Rückblick auf den Moment seiner Abreise aus Marseille im Herbst 1941 äußerte: »Man hatte keine konkrete Vorstellung, was den zurückbleibenden ›rassisch Verfolgten‹ bevorstehen konnte.« Vielmehr glaubte er beobachtet zu haben, dass zu dieser Zeit »der panische Schrecken des Sommers und Herbstes 1940« einer nicht unberechtigten Hoffnung aller Flüchtlinge »auf baldige eigene Abfahrt« gewichen war.92 Gemeinsam mit Alexander Abusch und, wie anzunehmen ist, unter ähnlichem Eindruck, verließ auch Leo Zuckermann im Oktober 1941 an Bord der Serpa Pinto Europa (beziehungsweise Afrika) mit Ziel Veracruz, Mexiko.

2.3  »In welchem Land ist der Faschismus nicht wild und barbarisch?« – Erste Nachrichten Nach knapp vierwöchiger Überfahrt erreichte Leo Zuckermann mit seiner Familie am 16. Dezember 1941 an Bord des portugiesischen Dampfers Serpa Pinto die mexikanische Hafenstadt Veracruz im Golf von Mexiko. Mit an Bord des Schiffes, das für 300  Passagiere ausgelegt war, jedoch mehr als 113

900  Flüchtlinge transportierte, befanden sich gut drei Dutzend Angehörige der KPD samt ihrer Familien, darunter hochrangige Funktionäre wie Alexan­der Abusch und seine Frau Hilde (1907–1989), Otto Börner (eigentlich Otto Wahls, 1907–1990), Georg Stibi (1901–1982) und seine Frau Henny (1902–1982), aber auch der ehemalige Interbrigadist Walter Janka (1914–1994) mit seiner Frau Charlotte (1914–2012), die der KPD nahestehenden Schauspieler Steffie Spira (1908–1995) und ihr Mann Günther Ruschin (1904–1963) sowie Zuckermanns Bruder Rudolf mit Familie.93 Die Ankunft dieser Genossen vervielfachte auf einen Schlag die Zahl der bereits in Mexiko befindlichen Parteimitglieder, zu denen neben Anna Seghers die kommunistischen Schriftsteller Egon Erwin Kisch (1885–1948), Ludwig Renn (1889–1979) und Bodo Uhse (1904–1963) sowie die altgedienten Parteikader Rudolf Feistmann (1908–1950), Leo Katz, Otto Katz und Bruno Frei zählten. Da diese sich bereits seit Monaten, manche, wie Renn, sogar seit Jahren in Mexiko befanden, hatten sie in Kooperation mit mexikanischen Stellen, Hilfsorganisationen und den Genossen in Frankreich aktiv die Einreise der dort internierten oder in der Illegalität lebenden Parteimitglieder betrieben. Erst während der Überfahrt hatte sich Mexiko als vorläufig endgültiger Exilort herauskristallisiert. Nicht wenige Funktionäre hatten die Serpa Pinto in Lissabon beziehungsweise Casablanca mit der Aussicht bestiegen, von Mexiko aus die Reise nach Moskau fortzusetzen, um dort zur exilierten KP-Führung um Wilhelm Pieck und Walter Ulbricht zu stoßen. An Alexander Abusch beispielsweise war im Zuge des Chaos des »drôle de guerre« 1940 seitens der Parteiführung die Weisung ergangen, Frankreich »auf beliebigem Weg in ein beliebiges Land« zu verlassen, um sich von dort aus nach Moskau durchzuschlagen.94 Eine mögliche Weiterreise während der Überfahrt hatte jedoch der japanische Angriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 vereitelt. Mit der tags darauf abgegebenen amerikanischen Kriegserklärung an Japan und dem sich daraufhin auf den Pazifik ausweitenden Kriegsschauplatz war an eine Weiterfahrt gen Westen auf konventionellen Reisewegen vorerst nicht zu denken; später verfügten die in Mexiko gestrandeten Parteikader wohl auch nicht über eine solche Bedeutung, dass sie darauf hoffen konnten, mittels sowjetischer Stellen, die ab Juni 1943 eine Botschaft in Mexiko-Stadt einrichteten, außer Landes gebracht zu werden. Die dank der Generosität der mexikanischen Regierung mit Visen ausgestatteten deutschsprachigen Kommunisten waren also mehr oder weniger unfreiwillig in Mexiko gestrandet. Einige wenige von ihnen – Leo und Otto Katz, Paul Merker und Leo Zuckermann – hatten zuvor zwar Gelegenheit gehabt, im Parteiauftrag Nordamerika zu bereisen; die auf mehr als 2300  Metern Höhe gelegene Millionenmetropole Mexiko-Stadt mit ihrem (kalt-)tropischen 114

Klima, der spanischen Sprache, katholischen Kultur, kolonial-aztekischem Erbe und kulinarischer Exotik dürfte ihnen, selbst wenn sie weitgereist und weltgewandt waren, zunächst nicht ohne Grund als ebenso stimulierendes wie furchteinflößendes Faszinosum erschienen sein. Die tschechische Emigrantin Lenka Reinerová (1916–2008) etwa lebte die erste Zeit in einem würfelartigen, für gewöhnlich Dienstboten vorbehaltenen Anbau über den Dächern der Stadt und schaute so tags wie nachts nicht nur auf eine belebte, palmengesäumte Avenida unter sich, sondern hatte auch ungehinderte Sicht auf die schneebedeckten Gipfel der Vulkane Popocatépetl (5465 m) und ­Iztaccíhuatl (5230 m), deren Anblick in ihr das Gefühl auslöste, in einer Welt zu leben, die es aufgrund ihrer Schönheit »gar nicht geben kann«.95 Der in verschiedenen preußischen Garnisonsstädten aufgewachsene Schriftsteller Bodo Uhse schrieb währenddessen unter dem Eindruck der »Tage der späten Regenzeit« in seinem kurzen Gedicht Mexikanischer Garten (Abb. 5): »Nie sahst du solche Pracht der Farben, solches Leben / in den Hybiskusblüten, in der Begonien Formenkleid, / in jenen Lilien, die Orangenflammen in den Himmel heben.«96 Dennoch gelang der deutschsprachigen Exilenklave die Integration gut und rasch. Nach Jahren der Isolation und Internierung in Frankreich blühten die Exilanten unter der mexikanischen Sonne regelrecht auf. Dies lag nicht nur daran, dass ihnen die Flucht aus Europa geglückt war oder der deutsche Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 sie endlich von der Schmach der Komplizenschaft mit Hitler-Deutschland befreit hatte. Im Frühjahr 1941 war ihnen in Absprache mit der KP Mexikos und der Komintern auch gestattet worden, eine eigene Parteigruppe zu bilden, und sich nicht, wie für gewöhnlich üblich, der KP vor Ort anschließen zu müssen.97 Zudem existierten von Anfang an enge Kontakte zur linken Gewerkschaftsbewegung, vornehmlich zu dem Funktionär Vicente Lombardo Toledano (1894–1968), der innerhalb der reformorientierten mexikanischen Regierung über einigen Einfluss verfügte und seinerseits die Anliegen der antifaschistischen Flüchtlinge vor den Behörden unterstützte.98 Vor allem aber war ihnen die Regierung Manuel Ávila Camachos äußerst wohlgesonnen. Sie erlaubte nicht nur die politische Betätigung oder stellte ihnen (nach fünf Jahren Aufenthalt) den Erwerb der mexikanischen Staatsbürgerschaft in Aussicht; sie gestattete den Flüchtlingen auch einer Arbeit nachzugehen, ja hielt sie nachgerade dazu an.99 Mit Verwunderung nahm etwa Leo Zuckermann wahr, dass er geraume Zeit nach seiner Ankunft aufgefordert wurde, seine Arbeitserlaubnis abzuholen  – »›Wovon leben Sie denn?‹«, hätten ihn die mexikanischen Behörden erstaunt gefragt.100 Für nicht weniger Überraschung sorgte überdies die fehlende Meldepflicht, wie den Mexikanern auch das ständige Mitführen von Ausweispapieren und 115

entsprechende Kontrollen fremd waren, was in Frankreich eine permanente Bedrohung dargestellt hatte. Der Staatsrechtler Zuckermann deutete die Vereinigten Staaten von Mexiko deshalb interessiert als »ein[en] nicht bestehende[n] Staat«; bei seinem Sohn, der als eines seiner ersten Wörter – noch in Frankreich  – angeblich »Ausweis« (beziehungsweise »Carte d’identité«) gelernt hatte, führte diese Haltung zu der verwunderten Nachfrage, weshalb »man denn hier nie« einen solchen brauche.101 Wenngleich die Bedingungen zunächst zwar prekär waren, da fast keiner der Flüchtlinge seinem erlernten Beruf nachgehen konnte und stattdessen auf die Ausübung von Hilfsarbeiten oder die Unterstützung durch Hilfsorganisationen angewiesen war, unterschied sich ihre Situation doch eklatant von früheren Exilorten, wo sie nicht nur in meist bescheidenen Verhältnissen gelebt hatten, sondern auch von politischer Verfolgung oder gar Ausweisung bedroht gewesen waren. Zuckermann stach aus diesen ohnehin guten Bedingungen nochmals heraus. Dass er des Spanischen mächtig war und wohl keine Probleme hatte, seine Sprachkenntnisse zu verbessern, dürfte einer raschen Integration ebenso zuträglich gewesen sein wie die frühere exzellente Vernetzung in Paris. Wie sein Bruder, der als Kardiologe (und Kunstliebhaber) unter anderem Elektrokardiogramme des mexikanischen Künstlerpaares Frida Kahlo und Diego Rivera schrieb,102 gab Zuckermann später an, beide Familien hätten freundschaftlichen Umgang etwa mit der Frau und den Kindern Toledanos gehabt.103 Spiegel dieser förderlichen äußeren Umstände in Mexiko, dem »wohltemperierte[n] Exil« (Renata von Hanffstengel),104 war ein äußerst produktiver Aktionismus der zuletzt etwa 65 Personen zählenden Exilgruppe.105 Bereits vor Ankunft der Serpa Pinto im Dezember 1941 hatte das ­Dutzend Kommunisten um Feistmann, Frei, Leo und Otto Katz, Kisch, Renn, Seghers und Uhse den Heinrich-Heine-Klub und die Monatsschrift Freies Deutschland (jeweils November 1941) ins Leben gerufen. Ersterer diente unter Verweis auf den Schutzpatron deutscher Emigranten der Abhaltung vornehmlich politisch-kultureller Veranstaltungen und damit dem Brückenschlag zur bürgerlichen Emigration in Mexiko-Stadt;106 das wichtigste Presseorgan Freies Deutschland (das anfangs eine weniger umfangreiche spanische Entsprechung, Alemania Libre, hatte) mit einer monatlichen Auflage von 2000 Exemplaren, wurde neben Lateinamerika in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und anderen Überseeregionen gelesen.107 Auch die Planungen zur Gründung der Bewegung Freies Deutschland (BFD, Januar 1942) und des hauseigenen Verlages El libro libre (Mai 1942) waren bereits angelaufen; mit der Ankunft Paul Merkers im Juni 1942 wurden sie auf eine feste Grundlage gestellt. Das einzige Mitglied des KPD -Politbüros in der westlichen Emigration sprach nicht nur ein Machtwort hinsichtlich interner Querelen, die sich 116

an der Besetzung der Leitung der Parteigruppe entzündet hatten,108 er schärfte zudem das Profil der Exilgruppe. So stellte Merker der auf Mexiko zielenden BFD das Lateinamerikanische Komitee der Freien Deutschen (LAK , Januar 1943) zur Seite, das unter kommunistischer Führung die Organisationen aller deutschsprachigen antifaschistischen Initiativen in Lateinamerika zusammenzufassen beanspruchte.109 Ein weiteres Periodikum, die zweiwöchentlich erscheinende Demokratische Post (August 1943), die aus der Alemania Libre beigefügten Beilage Der Deutsch-Mexikaner hervorging, diente der besseren Erreichbarkeit der auslandsdeutschen Community in Mexiko-Stadt und war deshalb weit weniger doktrinär als das Freie Deutschland gehalten.110 Zur finanziellen Versorgung von El libro libre etablierte Merker unterdessen ein Subskriptionssystem;111 bis zu seiner Schließung im Frühjahr 1946 veröffentlichte der von Walter Janka geleitete Verlag 26 deutsche und spanische Titel in einer Gesamtauflage von 54 000 Exemplaren, darunter in deutscher Erstveröffentlichung Anna Seghers’ Welterfolg Das siebte Kreuz.112 Zwei weitere Gründungen, das Haus der Freien Deutschen (August 1943)113 und die Einrichtung der Sozialvereinigung politischer Flüchtlinge deutscher Sprache in Mexiko (August 1942),114 als deren Sekretär Leo Zuckermann eingesetzt wurde, bildeten den organisatorischen Mittelpunkt für die Abhaltung von Parteisitzungen sowie Klubabenden und dienten als Verlagssitz beziehungsweise der sozialen und rechtlichen Absicherung der Flüchtlinge gegenüber den mexikanischen Behörden. Angesichts dieser beeindruckenden Bilanz erwies sich das mexikanische Exil nicht nur als das produktivste der »westlichen« deutschsprachigen kommunistischen Exilzentren neben Großbritan­nien, der Schweiz und Palästina; in gewisser Weise stellte es sogar das KPD -Exil in Moskau in den Schatten. Während dort mit der Gründung des Nationalkomitees Freies Deutschland (NKFD) im Juli 1943, der Schulung von Emigranten und Kriegsgefangenen auf sogenannten Antifa-Schulen und der Ausarbeitung von Konzepten vornehmlich politische Weichenstellungen für die Nachkriegszeit in Angriff genommen wurden,115 produzierte das mexikanische Exil ein einzigartiges Œeuvre mit kulturell-antifaschistischer Strahlkraft. Von Beginn nahmen jüdische Fragen eine zentrale Rolle in den Aktivitäten, Diskussionen und Verlautbarungen der später schlicht »Merker-Gruppe« genannten Exilgemeinde ein. Vor allem das Freie Deutschland entwickelte sich zum Schauplatz von Reflexionen über die zunehmend sichtbar werdende gewalttätige Verfolgung der Juden im deutschen Herrschaftsbereich. Den Anfang machte Bodo Uhse gleich im ersten Heft im November 1941 unter dem Titel Der Pogrom geht weiter. Hier nahm er eine Meldung aus Hannover zum Anlass, wonach die jüdische Bevölkerung »eines Nachts ploetzlich aus den Betten gerissen« und fortan auf dem jüdischen Friedhof der Stadt festgehalten 117

worden sei, um zu erklären, weshalb die Juden neuerdings wieder Opfer der Nazis würden.116 Eine Nummer darauf, im Dezember 1941, stellte der jugoslawische Kommunist Theodor Balk (1900–1974) den Lesern die Menorah vor, eine 1938 gegründete Vereinigung deutschsprechender Juden in MexikoStadt, deren Angehörige unter dem Eindruck von »Ghetto, Pogrom, gelbe[m] Fleck, wehrlose[m] Leiden« stünden.117 Einen Monat später, im Januar 1942, meldeten sich Leo Katz unter der Überschrift Antisemitismus als Barometer und Alexander Abusch mit dem Beitrag Der gelbe Stern und das deutsche Volk zu Wort. Während sich Katz angesichts von »Massenpogrome[n], Verordnungen über vollständige Entrechtung und Degradierung der Juden« der Frage widmete, »Was ist der Antisemitismus und wo sind seine Wurzeln zu suchen?«,118 berichtete Abusch von Gesprächen mit deutschen Juden auf der Serpa Pinto und wie diese die Verordnung zum Tragen des »Judensterns« aufgenommen hatten.119 Leserbriefe über die Reaktion der deutschen Bevölkerung auf die Verabschiedung neuer antisemitischer Gesetze und Meldungen über antijüdische Verordnungen oder Gewalttaten in den besetzten Gebieten komplettierten die frühe Beschäftigung mit den Nachrichten über die eskalierende Verfolgung im ersten Halbjahr der Berichterstattung des Freien Deutschland,120 während Egon Erwin Kisch in seinem bereits erwähnten Artikel Das Raetsel der juedischen Indianer Gerüchten über eine konvertierte jüdisch-indianische Gemeinde im mexikanischen Urwald nachspürte.121 Der Form nach war diese umfassende Beschäftigung mit jüdischen Themen, die in den kommenden Jahren noch zunehmen und sich auf andere Bereiche ausweiten sollte, eine unerhörte Ausnahme. Es kann nicht genug unterstrichen werden, dass es zu dieser Zeit keine andere Parteigruppe innerhalb der deutschsprachigen, womöglich sogar weltweiten kommunistischen Bewegung gab, die sich in derselben Intensität mit dem Schicksal der Juden in Europa befasst hätte. Jeffrey Herf hat dafür die treffende Deutung gefunden: »Kommunisten geht es nach Marx’ berühmter Feuerbach-These darum, die Welt zu verändern. Die Geschichte der deutschen Exilkommunisten in Mexiko-Stadt läßt den Schluß zu, daß die Welt gelegentlich auch Kommunisten verändert.«122 Nicht einmal die Kommunistische Partei Palästinas, der mehrheitlich Juden angehörten, thematisierte in ihrem Parteiorgan Kol Ha’am derart ausführlich den Überfall auf die Sowjetunion.123 Dem Inhalt nach freilich bewegten sich diese frühen Wortmeldungen von Angehörigen der Merker-Gruppe, zumindest jene, die explizite Reflexionen darauf darstellten, analog zu traditionell-kommunistischen Deutungen des Antisemitismus der 1920er und 1930er Jahre. Zwar war der Anlass, sich mit dem Thema zu befassen, offenbar der Zunahme von Meldungen, und damit auch einer erhöhten Aufmerksamkeit für das Neuartige des Antisemitismus geschuldet, wenn 118

beispielsweise Uhse von »Leid ohnegleichen [und] unnennbare[n] Qualen« sprach, die sich »unablaessig und rastlos« fortsetzten,124 oder Katz berichtete, der Antisemitismus sei »wie nie zuvor in der Geschichte […] zum Banner einer auf Eroberung ausgehenden Armee« geworden.125 Zur Erklärung der Nachrichten wurden jedoch ganz selbstverständlich einschlägige Muster der Zwischenkriegszeit aufgerufen, die auf die Funktion der Juden als Sünden­böcke oder den Aspekt der Bereicherung abhoben. So führte Uhse am Schicksal der Hannoveraner Juden aus, dass an ihnen ein »Schauspiel der Ablenkung« inszeniert worden sei. Sein Beispiel hatte durchaus einen realen Hintergrund. Im Zuge der zwangsweisen Unterbringung der etwa 1600 Juden Hannovers ab September 1941 in sogenannten Judenhäusern war auch die Predigthalle des Alten Jüdischen Friedhofs zu einem Massenlager umfunktioniert worden, in dem an die einhundert Juden auf engstem Raum eingepfercht wurden; ihre Wohnungen waren erst versiegelt und später bombengeschädigten Deutschen zur Verfügung gestellt, das darin befindliche Eigentum versteigert worden.126 Den Grund dafür suchte Uhse darin, dass die Nazis ein Auge auf den Wohnraum jüdischer Bürger geworfen hätten, nachdem Hannover als eine der »beschaeftigsten Industriestaedte Deutschlands« zunehmend Ziel britischer Luftangriffe geworden sei, dies aber nicht mehr durch die Enteignung des »Privateigentums der [nichtjüdischen] reichen Leute« kompensiert werden könne, deren Schutz die »Hauptaufgabe dieses komischen nationalen Sozialismus« sei. Vor allem aber machte er geltend, die Juden würden aufgrund des ungewissen, trotz Hitlers Erfolgen mit »dunkle[n] Flecken« belegten Kriegsausgangs als Sündenböcke »bereit« gehalten, »weil man doch nicht will, dass das Volk einmal nach dem wirklich Schuldigen zu fragen beginnt!«.127 Ähnlich klassisch argumentierte auch Katz, wenn er am Ende einer an Otto Heller angelehnten historischen Betrachtung der Rolle der Juden zu dem Schluss kam, es handele sich »beim Antisemitismus nicht um Religions- oder Rassengegensaetze, sondern um ein soziales Ablenkungsmittel, dessen sich stets die herrschende Schicht bedient hat, wenn ihre Herrschaft in Gefahr geriet«. Während sich der nationalsozialistische Antisemitismus vom historischen Judenhass »[v]orerst in nichts« unterscheide, attestierte er ihm an Neuartigkeit lediglich, dass Hitler ihn »zum politischen Banner des deutschen Imperialismus gemacht« habe. Mit dessen Hilfe solle nun überall der Boden »fuer eine Unterwerfung unter den deutschen Imperialismus« bereitet werden. Von einer ideologischen, sich selbst genügenden Besonderheit des Antisemitismus der Nazis war demnach noch nicht die Rede. Vielmehr deutete Katz die Nachrichten aus Europa quasi zeitlos und als »Barometer für den Zustand einer Gesellschaft […]. Sobald eine Krise ihres Regimes in Erscheinung tritt, wird der Pogrom organisiert.« Dieser direkten Wiedergabe 119

der einschlägigen Argumentation der frühen 1930er Jahre durfte am Ende seines Beitrags der pflichtschuldige Verweis auf die Sowjetunion nicht fehlen. Mit dem Untergang des Nazismus würde auch der Judenhass verschwinden, so wie »mit dem Untergang des Zarenreiches in Russland Pogrome und Antisemitismus ein endgueltiges Ende gefunden haben«.128 Zum Beleg, dass die sowjetischen Juden bestens integriert seien, diente etwa ein Bericht über die deutsche Belagerung Leningrads, der in erster Linie hervorhob, Juden seien entgegen den Behauptungen deutscher Propaganda als »Rotarmisten, Kommandeure und Kommissare« selbstverständlich unter den Verteidigern der Stadt.129 Leo Zuckermann, der wenig später im mexikanischen Exil eine entscheidende Rolle bei der Thematisierung jüdischer Ansprüche einnahm, war zu jenem frühen Zeitpunkt in diesen Fragen noch nicht zu vernehmen. Das war nicht weiter verwunderlich. Als Jurist, aber auch hinsichtlich der Hierarchie innerhalb der Exilgruppe, fielen politische Kommentare zunächst nicht in Zuckermanns Zuständigkeit – sie oblagen nach Ankunft der Serpa Pinto ausgewiesenen Kadern wie Katz und Abusch. In juristischer Hinsicht warf die zunehmend sichtbar werdende gewalttätige Verfolgung der Juden offenbar noch keine Fragen auf, die eine (öffentliche) Reaktion seinerseits erfordert hätten. Von der Parteigruppe wurde er in der ersten Jahreshälfte 1942 außerdem damit betraut, den Kontakt zu mexikanischen Behörden zu pflegen und dort die Interessen der politischen Flüchtlinge zu vertreten, wozu ihm weiterhin, wie einer Reihe anderer Genossen auch, finanzielle Hilfe seitens des Barsky-Komitees zuteilwurde.130 Hauptsächlich aber war er in Verlängerung seiner Marseiller Aktivitäten bemüht, den noch in Frankreich internierten Genossen  – und hier insbesondere Merker  – die Ausreise nach Mexiko zu ermöglichen.131 Wie zuvor in Südfrankreich – nun jedoch unter gesicherten Umständen – lag der Fokus seiner Aktivitäten demnach offiziell noch immer auf dem Schicksal politischer Flüchtlinge. Dementsprechend beanspruchte der damit einhergehende Erfahrungshintergrund nach wie vor Geltung, insofern die Neuankömmlinge beispielsweise im Freien Deutschland in breitem Umfang von ihren Erlebnissen in den französischen Lagern berichteten, wie auch Anzeigen geschaltet wurden, die dazu aufriefen, für die »Genossen in Frankreich« zu spenden.132 Darüber hinaus kann angenommen werden, dass Zuckermann bezüglich der zu vernehmenden Nachrichten aus Europa zunächst unter demselben Eindruck stand wie Uhse, Katz und Abusch und analog zu diesen die Ereignisse vor allem vor dem Hintergrund von zwei Faktoren deutete. Dazu zählte einerseits die Ereignisgeschichte des Holocaust, die zu diesem Zeitpunkt zwar eine Zunahme der Verfolgung, noch nicht aber den Umschlag in systema­tische 120

Vernichtung erkennen ließ. Dabei war dieser faktisch bereits erfolgt. Mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion hatten Einsatzgruppen in einem Bereich von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer damit begonnen, Massaker an der von ihnen vorgefundenen jüdischen Bevölkerung zu begehen, denen bis Ende 1941 mehr als eine halbe Million Juden zum Opfer fiel.133 Willkürliches Morden und Tod durch Entkräftung oder Hunger, denen speziell die ab Kriegsbeginn in Ghettos lebenden polnischen Juden ausgesetzt gewesen waren, war nunmehr systematischer Ermordung gewichen. Während halböffentliche Massenerschießungen für Gebiete außerhalb der Sowjetunion als Methode jedoch nicht ratsam schienen, verschärfte sich ab Herbst 1941 die Lage im besetzten Polen. Der Beginn der Deportationen von Juden aus dem Reich im Oktober,134 die zuvor gezwungen worden waren, einen »Judenstern« zu tragen und denen ab Ende des Monats auch die Ausreise verboten war,135 und ihre Unterbringung in Ghettos in Polen, führte dort zu Erwägungen einzelner Naziführer, sich der steigenden Zahl an Juden in ihrem Herrschaftsbereich zu entledigen.136 Unter Rückgriff auf Methode und Personal der »Aktion T4«, der Ermordung von etwa 75 000 körperlich und geistig Behinderten im Reich zwischen Oktober 1939 und August 1941,137 wurden ab Dezember 1941 sogenannte Gaswagen zur Ermordung der Juden im Warthe­ gau eingesetzt;138 zuvor hatte man im Konzentrationslager ­Auschwitz damit begonnen, an sowjetischen Kriegsgefangenen Experimente zur Tötung mit Zyklon  B durchzuführen.139 Ab Dezember 1941 nahm dann mit Kulmhof, später mit Belzec (März 1942), Sobibor (April 1942) und Treblinka (Juli 1942) eine Reihe von eigens zu diesem Zweck errichteten Vernichtungsstätten den Betrieb auf, um den Plan umzusetzen, auch die Juden im Generalgouvernement zu ermorden – nun hatte die Verfolgung endgültig den Charakter von Vernichtung angenommen.140 Den Genossen in Mexiko konnten diese Vorgänge und ihre Dynamik zu diesem Zeitpunkt nur schemenhaft bekannt sein. Wovon sie zunächst Kenntnis erhielten, war die Situation in Deutschland. Dies lag an öffentlichen Verlautbarungen der deutschen Behörden wie der Verordnung zum Tragen des »Judensterns« oder dem Ausreiseverbot, die von der internationalen Presse aufgegriffen wurden, so in einem Bericht der New York Times vom 11. Oktober 1941, der offensichtlich auch der Redaktion des Freien Deutschland vorlag.141 Vor allem aber war man aufgrund von Gesprächen mit emigrierten deutschen Juden vor Ort, die in Kontakt mit Verwandten in Deutschland standen, oder mit jüdischen Flüchtlingen auf der Serpa Pinto, über die Verschärfung der antijüdischen Politik im Reich wohl relativ gut informiert. Leo Zuckermann etwa hatte zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im Herbst 1941 erfahren, dass sein Vater zusammen mit anderen Elberfelder 121

Juden in das Ghetto Litzmannstadt deportiert worden war, vermutlich auf dem ersten von vier Transporten am 27. Oktober.142 Bereits weniger im Bilde war man über die Massaker in den besetzten Gebieten der Sowjetunion. So zitierte ein Leitartikel der Redaktion im Januar 1942 aus einem Aufruf Thomas Manns das »Unaussprechliche, das in Russland, das mit den Polen und Juden geschehen ist und geschieht«.143 Im Bericht eines zur Roten Armee desertierten deutschen Luftwaffenoffiziers hieß es, dieser habe auch erfahren, »dass Juden in Massen erschossen wurden«.144 Erst im Nachhinein erschließt sich, dass vereinzelte Meldungen im Freien Deutschland relativ genau konkrete Massaker der Einsatzgruppen bezeichneten. So wurde in einer Meldung in der Februarausgabe 1942, die von einem sowjetischen Radio »abgehoert« worden war, über »wochenlange endlose Massaker« berichtet, die die »deutschen Eindringlinge« verübt hätten und denen Zehntausende zum Opfer gefallen seien, darunter »in Odessa […] 8.000 Maenner und Frauen, in Kemenetz-Podolsk [sic] 8.500, in Dniepropetrowsk [sic] 10.550, in Kiew 52.000«.145 Diese Angaben hatten durchaus eine ereignisgeschichtliche Entsprechung. In allen vier genannten Städten hatten Einsatzgruppen, zum Teil unter Zuhilfenahme von Wehrmacht und kollaborierenden lokalen Einheiten, ab August 1941 mehrere Zehntausend Juden ermordet;146 das notorischste Massaker stellt jenes von Babyn Jar dar, wo am Vorabend von Jom Kippur, am 29. und 30. September, vor den Toren Kiews mehr als 33 000 Juden abgeschlachtet wurden.147 Die Einordnung derartiger Meldungen freilich fiel mitunter schwer, weil nicht immer aus ihnen hervorging, ob es sich bei den Ermordeten um Juden handelte. Der im März 1942 als Extraausgabe des Freien Deutschland zirkulierende, von der KPD -Führung in Moskau stammende »Aufruf an das deutsche Volk!« sprach, wie andere Berichte, ohne Bezug auf die Herkunft der Opfer von »systematischen Grausamkeiten, die von den faschistischen Henkern in den besetzten Gebieten der Sowjetunion begangen wurden«.148 Und tatsächlich waren nichtjüdische Sowjetbürger ebenso unter den Opfern der vom sogenannten Kommissarbefehl gedeckten wilden Massaker nach Beginn des deutschen Überfalls, wie auch Erschießungen von Juden nicht selten als »Bekämpfung von Partisanen« deklariert wurden.149 Schließlich mochten auch die Massaker an anderen ethnischen Gruppen, wie eine Meldung über »2.530 Serben in Kraljevo, 4.000 in Kragujevac« nahelegte,150 die Wehrmachteinheiten Ende Oktober 1941 im besetzten Jugoslawien ermordet hatten,151 zu Unklarheiten beitragen, worum es sich bei den Nachrichten eigentlich handelte. Noch gar keine Kenntnis hatte der Kreis um Abusch, Katz und Uhse schließlich vom Übergang der Verfolgung und Ghettoisierungen zur systematischen Ermordung an eigens dazu eingerichteten Orten. Die sich in der 122

polnischen Provinz abspielenden Vorgänge waren streng geheim, wurden, anders als die Massaker in der Sowjetunion, vor den Augen der Bewohner abgeschirmt und drangen erst im Sommer 1942 durch Berichte wie das RiegnerTelegramm sukzessive und bruchstückhaft an die Weltöffentlichkeit.152 Zwar sprachen Meldungen im Freien Deutschland von zunehmenden Deportationen von Juden »nach Polen«, oder dass »10.000 Juden aus Deutschland […] neuerdings von den Nazis in polnische Konzentrationslager gebracht wurden, davon 5.000 allein aus Berlin«.153 Der Zweck dieser Deportationen dürfte sich jedoch kaum erschlossen haben. Vielmehr verharrte ihre Deutung in gängigen Erklärungsmustern, etwa dem von Armut und Hunger, wie eine Meldung vom Februar 1942 nahelegt, in der es hieß, dass mehr als »400 Juden […] taeglich im Ghetto von Warschau [sterben], wohin Tausende Juden aus Deutschland, Oesterreich und der Tschechoslowakei von den Nazis verschickt wurden«.154 Zudem waren entsprechende Berichte über Deportationen in den Kategorien politischer Verfolgung gehalten, etwa wenn im Januar 1942 der gemeldete Transport von 6000 französischen Juden als deutsche Vergeltungsmaßnahme für zwei Bombenattentate auf französische »Gestapokasernen in Paris« bezeichnet wurde oder wenn von polnischen »Konzentrationslagern« die Rede war.155 Lediglich in dem Beitrag von Alexander Abusch vom Januar 1942 gab es einen Hinweis auf die später praktizierte Art des Tötens mittels Gas, insofern er auf die Praxis der »Aktion T4« verwies, wovon er im Gespräch mit einer Mutter auf der Serpa Pinto, die auf diese Weise ihren Sohn verloren hatte, erfahren hatte. Demnach seien eines Tages alle Insassen einer »juedischen Nervenheilanstalt«, darunter auch ihr Sohn, »nach Polen verschickt und dort alle durch Vergasung getoetet« worden. Abusch hielt dieses Wissen weder davon ab, zu erklären, dass die Frau dadurch nicht von ihrem Glauben »an die guten Kraefte im deutschen Volke« abgekommen sei; einem anderen jüdischen Passagier der Serpa Pinto legte er in demselben Artikel die Worte in den Mund: »Wenn die Deutschen wirklich Antisemiten waeren, dann wuerde nach diesen neun Jahren niemand von uns mehr am Leben sein.«156 Dass die ab Herbst 1941 einsetzenden Deportationen deutscher Juden »nach Polen« bereits das alleinige Ziel in sich bargen, diese zu ermorden, überstieg zum Jahreswechsel 1941/42 noch die allgemeine Vorstellungskraft. Ein zweiter Faktor für die in der Frühphase der mexikanischen Emigration noch streng orthodox erklärte und damit nicht in ihrer Spezifik erkannte Eskalation der Judenverfolgung in Europa resultierte aus den Umständen in Mexiko, genauer, aus der Existenz einer zahlenmäßig nicht unerheblichen deutschsprachig-jüdischen Exilgemeinde am Ort. Diese war insofern relevant, als schon das erklärte Ziel der ersten kommunistischen Ankömmlinge und dann der im Februar 1942 gegründeten Bewegung Freies Deutschland in 123

Mexiko in der Sammlung aller im weitesten Sinne deutschen Hitler-Gegner bestand. Dies entsprach gleichermaßen der antifaschistischen Haltung der Exilkommunisten wie auch ihrem weltanschaulichen Sendungsbewusstsein; überdies galt es gegenüber der mexikanischen Öffentlichkeit, selbst wenn diese ihnen wohlgesonnen war, den Nachweis zu erbringen, man bilde keine fünfte Kolonne des »Dritten Reiches«. In Mexiko traf dieses Ansinnen gleichwohl auf eine spezifische Konstellation. Während die guten Beziehungen zur Camacho-Regierung durch deren Einladung an den Präsidenten der BFD, Ludwig Renn, am 24. Mai 1942 auf der Kundgebung anlässlich der mexikanischen Kriegserklärung an Deutschland zu sprechen, unter Beweis gestellt wurden,157 schied eine weitere Gruppe, die mehrere Tausend Personen zählende Gemeinde der Auslandsdeutschen als Bündnispartner mehrheitlich aus. Ohnehin antirepublikanisch bis nationalistisch eingestellt, hatte diese, wie anderswo auf der Welt, ab 1933 eine ideologische wie organisatorische Gleichschaltung durch die Auslandsorganisationen (AO) der NSDAP erfahren und sich nur bedingt dagegen verwahrt. Mit der Machtübertragung an Hitler schlugen auch in Mexiko die deutschen Presseerzeugnisse einen nazistischen Kurs ein, die Deutsche Schule in Mexiko-Stadt schloss Juden vom Unterricht aus und das Vereinsleben wurde mit Gründung der Deutschen Volksgemeinschaft oder der Einführung von Hitlerjugend und Bund Deutscher Mädel an die Vorbilder im Reich angepasst.158 Dass sich diese Klientel offen gegenüber kommunistischen, noch dazu oftmals jüdischen Emigranten zeigen würde, stand nicht zu erwarten, auch dann nicht, als sich ihr Aktionsradius aufgrund der Ausweisung des deutschen Botschaftspersonals im Januar 1942, der Einstellung der Deutschen Zeitung von Mexiko im April und dann der mexikanischen Kriegserklärung an Deutschland am 22. Mai merklich einschränkte. Selbst als Mitgliedern der BFD beziehungsweise der Sozialvereinigung politischer Flüchtlinge deutscher Sprache in Mexiko durch die Ausstellung eines anerkannten »Sonderausweises« (tarjeta)  Vergünstigungen im Verkehr mit mexikanischen Behörden in Aussicht gestellt wurden, blieb der Zulauf verschwindend gering.159 Das Werben Bodo Uhses, der im Dezember 1941 an die Auslandsdeutschen gerichtet erklärt hatte, es sei noch nicht zu spät, den Fehler, auf Hitler gesetzt zu haben, einzugestehen und zu korrigieren, blieb unerwidert.160 Auch die überparteiliche Liga Pro Cultura Alemana en México (Liga für deutsche Kultur in Mexiko; LPC), die organisatorisch jedoch eher lose die wenigen, Hitler ablehnend gegenüberstehenden deutschsprachigen Emigranten in Mexiko versammelte, schied als Bündnispartnerin aus. Sie vertrat nicht nur einen zahlenmäßig geringen Personenkreis; hinsichtlich des Führungsanspruches der BFD stellte sie eine Konkurrentin dar. Die Liga war 124

im Frühjahr 1938 von dem kommunistischen Journalisten und Fotografen Heinrich (Enrique)  Gutmann gegründet worden und bildete zunächst ein Sammelbecken linker Emigranten, die ab Ende der 1930er Jahre Zuflucht in Mexiko fanden, darunter der prominente Wirtschaftswissenschaftler Alfons Goldschmidt und der frühere Bauhaus-Direktor Hannes Meyer.161 Auch Bodo Uhse und Ludwig Renn, jedoch nicht alle der früh eingetroffenen KP-Mitglieder, traten dem antifaschistischen Kulturbund zunächst bei, wobei Renn zwischen September 1939 und April 1940 sogar als Präsident amtierte. Noch aus der Frühzeit verfügte die Organisation über gute Kontakte zu Vicente Lombardo Toledano, der seit 1938 einem Unterstützungskomitee angehörte und mitunter auf Veranstaltungen der Liga sprach, sowie zur Regierung unter Lázaro Cárdenas, weshalb die LPC zunächst die Bemühungen um Visen für bedrohte Genossen in Frankreich koordinierte. Hinsichtlich der Durchsetzung einer kommunistischen Parteilinie waren jedoch Probleme zu erwarten. Auch wenn die im Geist der Volksfront agierende Liga die Jahre des HitlerStalin-Paktes überdauert hatte (womit sie eine bemerkenswerte Ausnahme unter ähnlichen Vereinigungen der Volksfrontära darstellte), war vereinzelt Kritik am Stalinismus der Parteikommunisten laut geworden. Da ihr nicht zuletzt »Renegaten« wie Gustav Regler angehörten, entschied sich die Parteileitung für den Aufbau eigener Strukturen und nicht für die »feindliche« Übernahme der Liga, was nach der Ankunft der Serpa-Pinto-Emigranten wohl problemlos möglich gewesen wäre.162 Durch das vielfältige Angebot seitens der Merker-Gruppe, den Rückzug der Kommunisten, aber auch den frühen Tod der Integrationsfigur Goldschmidt im Januar 1940 versank die Liga bald in der Bedeutungslosigkeit. Die größte Gruppe, die es zu erreichen galt, stellten ohnehin die deutschsprachigen Juden dar. Bis zum Versiegen der Ausreise im November 1942 wuchs die Zahl geflüchteter deutschsprachiger Juden in Mexiko auf etwa 1600 an.163 Sie trafen dort auf Gemeinden vor allem aschkenasischer und einiger sephardischer Juden, die Anfang des Jahrhunderts aus dem östlichen Europa nach Mexiko ausgewandert waren, sodass bei der Volkszählung des Jahres 1940 mehr als 18 000 Juden in Mexiko gezählt wurden.164 Von Beginn an gab es enge Überschneidungen zwischen Angehörigen der Merker-Gruppe und diesem Milieu. So war die Gruppe um Leo Zuckermann und Alexander Abusch nicht nur mit etwa einhundert jüdischen Flüchtlingen auf der Serpa Pinto gereist; auch vor Ort begrüßten Vertreter der jüdischen Gemeinde die Ankommenden. Leos Bruder Rudolf etwa wurde am Hauptbahnhof Mexiko-Stadt von einem Mitarbeiter des Comité Central Israelita de México (Zentralkomitee der Juden in Mexiko; CCIM) empfangen, dem Dachverband jüdischer Organisationen, der ihm ein Zimmer bei einem österreichischen 125

Emigranten zuwies; zuvor hatte eine »jüdische Bank« die notwendige Kaution zur Erlangung seines Einreisevisums bereitgestellt.165 In der Tat waren unter den Passagieren der Serpa Pinto, die das Comité im Dezember registriert, mit Essen und einer Unterkunft versorgt hatte, wohl auch spätere Mitglieder der Merker-Gruppe gewesen, und ein Bericht an das Comité sprach von knapp drei Dutzend Nichtjuden, die anfangs versorgt worden seien.166 Während sich diese Unterstützung im Fall der Kommunisten unter ihnen auf die ersten Wochen im Land beschränkte, stellte sie einen wichtigen Schritt zur Integration der Neuankömmlinge dar, den zu leisten der bereits anwesende Kreis um Seghers, Kisch, Katz und Uhse nicht imstande gewesen wäre. Georg Stibi dankte dementsprechend in der Januarausgabe des Freien Deutschland neben »antifaschistischen Organisationen« den »juedischen […], die uns vom Faschismus Verfolgte […] nicht allein die Freiheit, sondern auch das Leben zum zweiten Male neu geschenkt haben«.167 Vor Ort stellte das deutschjüdische Milieu ohnehin einen unübersehbaren Anlaufpunkt dar, sei es durch persönliche Kontakte, von Juden geführte Geschäfte, wie die von dem Wiener Buchhändler Rodolfo Neuhaus gegründete Libreria Internacional, ein von dem SAP-Politiker Max Diamant geführtes Delikatessen-Geschäft oder Restaurants, die man denen von Auslandsdeutschen vorzog. Diese Kontakte hatten freilich einen entscheidenden Makel. Ähnlich wie die Auslandsdeutschen, wenngleich aus anderen Gründen, waren auch die deutschsprachigen Juden in Mexiko aufgrund ihrer Erfahrungen nur wenig empfänglich für die politischen Botschaften der Merker-Gruppe; zudem verbreiteten sie die für Kommunisten nachgerade defätistische Ansicht, dass »Hitler gleich Deutschland« sei. Bereits auf der Serpa Pinto hatte Abusch in dieser Richtung Gespräche führen müssen, was auch den eigentlichen Grund für seinen Artikel im Freien Deutschland darstellte. So sei unter den jüdischen Passagieren, die er holzschnittartig einteilte in »aeltere Frauen und Maenner«, die die »grossen Schlafsaele im Bug des Schiffes« überfüllt hätten, und »juenger[e] kraeftiger[e] oft politisch bewusst[e] Menschen«, die die Frage diskutiert hätten, wann und wo sie wieder »fuer ein freies Deutschland« kämpfen könnten, das Urteil zu vernehmen gewesen, das »ganze deutsche Volk« sei »eins mit Hitler«. »Die so verzweifelt sprachen«, so Abusch, »waren Juden.«168 Deutlicher wurde eine Zuschrift in der Dezemberausgabe vom Freien Deutschland, die der Redaktion nach Lektüre der ersten Nummer vorwarf, der Welt weismachen zu wollen, »dass das deutsche Volk keine Verantwortung traegt fuer Hitler«. Stattdessen gab der Verfasser, der Deutschland aufgrund der »barbarischen Judengesetz[e]« bereits vor längerer Zeit verlassen und sich in Mexiko »eine neue Existenz« aufgebaut hatte, an, das deutsche Volk wähne sich sehr wohl im Einverständnis mit den Nazis: »Hitler ist nichts 126

anderes als die Verkoerperung des deutschen Volkscharakters. An dieser meiner Ueberzeugung werden auch Sie nichts aendern.«169 Die Parteigruppe um Abusch, Katz und Uhse – und am Ende wohl Leo Zuckermann selbst  – dürften sich von derartigen Äußerungen, die keinen Einzelfall darstellten, in mehrfacher Hinsicht herausgefordert gefühlt haben. Genau genommen kam hier zum ersten Mal eine Konstellation zum Tragen, die das mexikanische Exil bis zu seinem Ende 1946/47 entscheidend bestimmte. Die Ineinssetzung Hitlers mit dem deutschen Volk betraf zum einen ja ganz kategorial den zeitlos vorgebrachten Vertretungsanspruch hinsichtlich der deutschen Massen, die in den Augen der Kommunisten – wie glaubhaft das auch immer nach außen war – das revolutionäre Subjekt darstellten, das sich über kurz oder lang gegen Hitler erheben und sich seiner entledigen würde, und damit den ihr eigenen Unfehlbarkeitsanspruch, die Voraussage einer gesetzmäßig eintretenden sozialistischen Zukunft. Die Erfahrungen emigrierter Juden aber besagten das Gegenteil: Sie hatten am eigenen Leib zu spüren bekommen, dass sich die gewöhnlichen Deutschen am Nationalsozialismus beteiligten, von ihm profitierten und nicht opponierten, kurz: dass Hitler akzeptiert und von der Mehrheit der Deutschen  – unabhängig von deren Klassenzugehörigkeit – gestützt wurde. Zum anderen berührte die Kritik der deutschsprachigen Juden am Ort den Vertretungsanspruch der BFD hinsichtlich ihrer Ambitionen, alle Hitler-Gegner zu versammeln. Wollte man den eigenen Anspruch, das andere, »freie« Deutschland zu repräsentieren, nicht gefährden, waren derartige Äußerungen zu widerlegen. Man konnte es sich schlichtweg nicht erlauben, von einer zahlenmäßig derart starken Gruppe wie den deutschsprachigen Juden in Mexiko abgewiesen zu werden, zumal die Auslandsdeutschen aus den genannten Gründen als Bündnispartner ausfielen. Zur Auflösung dieses Dilemmas, in dem also Fragen des Selbstverständnisses mit taktisch-strategischen Erwägungen verschmolzen, griff man zu diesem frühen Zeitpunkt auf zweierlei zurück. Zum einen übte man sich an der Widerlegung des Eindrucks, das deutsche Volk sei antisemitisch, wie etwa Uhse und Abusch vor allem anhand von Reaktionen auf die Verordnung zum Tragen des »Judensterns« nachzuweisen suchten. Auf diese und darauffolgende Verordnungen, so Uhse, hätten weite Teile der deutschen Bevölkerung mit halböffentlicher Solidarität geantwortet. Auf das Verbot beispielsweise, nicht länger frisches Obst und Gemüse kaufen zu dürfen,170 hätten »viele Nichtjuden« reagiert, indem sie ihrerseits die Waren erworben und »heimlich [zu ihren] juedischen Freunden« gebracht hätten. In dem Umstand, dass »ungeachtet aller Ghettovorschriften« Juden und Nichtjuden »wieder in freundschaftlichem menschlichen [sic] Verkehr zusammen« kämen – auf 127

das »Nachlassen der antisemitischen Stimmung im deutschen Volke« also –, habe letztlich auch der Grund für den Erlass der Verordnung zum Tragen des »Judensterns« gelegen.171 Abusch wiederum glaubte, seinen Gesprächen auf der Serpa Pinto entnehmen zu können, das deutsche Volk sei der Einführung des »Judensterns« vornehmlich mit Akten der Solidarität und des zivilen Ungehorsams begegnet. »Die meisten Leute sind viel zu anstaendig, um die Hetze der Nazis mitzumachen«, hieß es da über nichtjüdische Nachbarn, sie hätten Juden heimlich mit »Zigaretten oder Zigarren« und mit Lebensmitteln beschenkt oder seien im öffentlichen Nahverkehr bewusst in den für Juden vorgesehenen Bereichen gefahren, um ihren Anstand unter Beweis zu stellen. Auch darin vermeinte Abusch den Beleg zu erkennen, dass weite Teile der Bevölkerung gegen Hitler eingestellt seien. »Es sind viele Nichtjuden gegen die Nazis«, habe eine Frau erfahren, nachdem ein Arbeiter ihrem misshandelten Mann seine Anteilnahme ausgesprochen hatte, während ein »sehr freundliche[r]« Beamter der deutschen Auswanderungsbehörde einer Emigrantin nicht nur »alles in schnellster Weise« organisiert, sondern sie auch gefragt habe: »Was wollens denn auf Cuba? Jetzt, wo die Schweinerei hier doch bald zu Ende ist.« »Ausser ein paar Luemmels«, legte Abusch stellvertretend für seine Ansicht über die marginale Verbreitung des Antisemitismus unter den Deutschen einer aus dem Rheinland stammenden Jüdin in den Mund, hätten sich »die Leute« gegenüber den deutschen Juden »hochanstaendig« verhalten.172 Zum anderen propagierte man unablässig die Existenz eines anderen Deutschland. Prominent hatte Ludwig Renn in seiner Rede auf der Massenkundgebung anlässlich des mexikanischen Kriegseintritts deklariert: »Wir, die wir hier in Mexiko die Möglichkeit besitzen, unsere Meinung frei zu äußern, erklären: Hitler ist nicht das deutsche Volk.«173 Emblematisch für diese Haltung ist zudem ein Artikel von Anna Seghers in der ersten Ausgabe des Freien Deutschland, der Deutschland und wir überschrieben ist.174 Darin reagierte sie offenbar auf Stimmen, die in Mexiko die Verderbtheit des deutschen Volkes anklagten und meinten, dieses würde »aus sich heraus nie heilen«. Dabei konzedierte sie durchaus ein »furchtbares Unglueck«, das aus Deutschland »herausgewachsen« sei, und warf die Frage auf, ob dieses Volk, »das sich auf die anderen Voelker wirft um sie auszurotten  […], das schweigend Pogromen zusieht« ebenso wie »Mord, Brandstiftungen [und] den raffinierten Quaelereien Schwacher und Unschuldiger […], noch unser Volk« sei. Wenngleich Seghers also Zugeständnisse an die Verbitterung machte, die die im Namen des Faschismus begangenen Verbrechen in Mexiko auslösten, gab sie zu verstehen, die Frage, was Deutschland sei, müsse besser heißen »WESSEN DEUTSCHLAND?« Zur Beantwortung verwies sie, ganz in der Tradition kommunistischer Deutungen der jüngeren deutschen Vergangenheit, 128

auf die deutsche Geschichte. Da der »Zusammenschluss Deutschlands zur Nation unter Bismarck […] nicht von den freiheitlichen Kraeften« der Arbeiter und des liberalen Bürgertums ausgegangen sei, »sondern von den antisozialen, von den Junkern und von der Schwerindustrie«, seien nationales und soziales Bewusstsein – anders als etwa in Frankreich – auseinandergefallen und der Nationalismus besonders gut gediehen. Hitler, dessen »Epoche« mit dem Mord an Tausenden »Blutzeugen der deutschen Freiheit« begonnen habe, verkörperte für sie nur die Zuspitzung der Unterdrückung der sozialen Forderungen des deutschen Volkes, was im Umkehrschluss nicht nur bedeutete, dass Hitler nicht Deutschland sei, sondern auch, dass letztlich ein Arsenal an Deutschen bereitstehe, um die soziale und nationale Einheit zu erkämpfen, wenn man sie denn nur ließe. Dazu zählte sie insbesondere die durch die nationalsozialistische Erziehung fehlgeleiteten Jugendlichen, von denen viele »gar keinen Standpunkt« verträten und »ganz einfach der Magie des Krieges« erlegen, jedoch nicht indoktriniert genug seien, um nicht von den hinter Stacheldraht geschulten antifaschistischen Vertretern »unseres« Deutschlands umerzogen zu werden. »Nicht unser Land ist wild und barbarisch,« schloss Seghers ihren Text, »wild und barbarisch in unsrem Land ist nur der Faschismus, und in welchem Land ist der Faschismus nicht wild und barbarisch?«175 Auch Leo Zuckermann hing zu dieser Zeit noch vergleichbaren Einschät­ zungen an, wie sich einem Artikel in der Aprilausgabe des Freien Deutschland entnehmen lässt.176 Dieser beruhte auf einem Seminar zur Entwicklung des Strafrechts unter Hitler, das Zuckermann am 6. März 1942 noch unter seinem Nom de Guerre Leo Lambert als Teil einer Vortragsreihe der deutschsprachigen Emigranten an der Arbeiteruniversität (Universidad Obrera) gehalten hatte.177 In seinen Ausführungen zeichnete Zuckermann in anschaulicher Weise und auf Grundlage von Originaläußerungen führender Nazijuristen nach, wie die Grundsätze modernen Rechts »Nullum crimen sine lege« (Kein Verbrechen ohne Gesetz) und »Nulla poena sine lege« (Keine Strafe ohne Gesetz) im NS -Staat mittels der Ersetzung von Recht durch das Gutdünken einzelner Richter außer Kraft gesetzt worden seien. »Der Richter soll in erster Linie die autoritativen Willenskundgebungen des Fuehrers und die im Parteiprogramm der NSDAP enthaltenen Grundforderungen als Ausdruck des gesunden Volksempfindens anschauen«, zitierte er beispielsweise Roland Freisler, und schloss daraus, dadurch sei »die Rechtsunsicherheit und Willkuer total und das Nazistrafrecht, soweit man ueberhaupt von einem ›Recht‹ sprechen kann, [stelle] nichts Anderes als die Theorie und die Philo­sophie des in den Strassen und in den Wohnungen der Staatsbuerger hausenden Terrors der SS und der Gestapo« dar. Am Ende seiner bis dahin erstaunlich nicht ideologischen Ausführungen kam Zuckermann auch auf die »Statistik« 129

dieses »totalen Krieges« zu sprechen, die »eine solche Ziffer von Verurteilungen [umfasse], wie sie niemals in der Geschichte irgend eines anderen Landes erreicht« worden sei. Dennoch deutete er die Opfer des Nazistrafrechts  – »ueber 120.000 Gefangene in den Konzentrationslagern und Zuchthaeusern, mehr als 200 Gekoepfte, Tausende von heimlichen Hingerichteten, mehr als 820.000 Jahre verhaengter Freiheitsstrafen« und anderes mehr  – vorrangig als Beleg für die Hitler angeblich ablehnend gegenüberstehende »Haltung des deutschen Volkes«. Diese zeuge davon, »dass das deutsche Volk das Nazistrafrecht nicht akzeptiert, […] dass das deutsche Volk sich weigert, die Willkuer und das Standrecht der faschistischen Obrigkeit als deutsches Recht anzusehen«.178 Damit allerdings reproduzierte er  – eines überzeugten Parteimitglieds würdig  – ein hartnäckiges parteikommunistisches Argument, wonach der Widerstand in Deutschland so stark sei, dass die Nazis ihn nur mit brachialer Verfolgung unterdrücken könnten, und das in dieser Form gleichsam kanonisch bereits seit dem Reichstagsbrand bemüht wurde. Auch bei Leo Zuckermann  – so kann zumindest vor dem Hintergrund seiner späteren Entwicklung angenommen werden – versperrten die unklaren Ausmaße des Ereignisses und die abwehrende Haltung deutsch-jüdischer Stimmen vor Ort zunächst die Wahrnehmung der anhebenden Judenvernichtung in Europa, wie sie mittels erster Nachrichten ab der Jahreswende 1941/42 nach Mexiko drang. Dies soll nicht heißen, dass ihn die Meldungen nicht beschäftigt hätten; für eine andere Wirkung als auf persönlicher Ebene geben die zur Verfügung stehenden Quellen zu diesem Zeitpunkt jedoch keine Hinweise. So hatte er die Gräueltaten an Juden in der Sowjetunion zweifelsohne zur Kenntnis genommen, insofern er in seinem Beitrag über die Pervertierung des NS -Rechts durchaus auf die »Massenerschiessungen von in der Zivilbevoelkerung genommenen Geiseln [und] die systematische Aushungerung der Voelker« verwies und sie zu seiner »Statistik« des Nazistrafrechts hinzuaddierte.179 Zu einem expliziten Hinweis auf die Juden als Opfer von »Massenerschiessungen« und »Aushungerung« ließ er sich im Frühjahr 1942 hingegen noch nicht hinreißen. Gleich anderen Angehörigen der KP-Gruppe in der Frühphase des mexikanischen Exils nahm er die Eskalation der Judenverfolgung ihrer Häufung nach zwar wahr, beantwortete sie aber traditionell. Was die Nazis mit dem »totalen« Krieg bezweckten, erschloss sich ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

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Abb. 1: »Porträt des Staatssekretärs Dr. Leo Zuckermann«, fotografiert von Abraham Pisarek im Schloss Schönhausen in Berlin (1950). © SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Abraham Pisarek.

Abb. 2: Leo Zuckermann (2. v. r.) im Kreis der Familie in Elberfeld (1920er Jahre). © Privatbesitz Familie Zuckermann.

Abb. 3: Leo Zuckermann (2. v. r.) im Kreis von Freunden zum Jahreswechsel 1928/29, darunter auch sein Bruder Rudolf (2. v. l.). © Privatbesitz Familie Zuckermann.

Abb. 4: Leo Zuckermann mit seiner Ehefrau Lydia Staloff vermutlich in Mexiko-Stadt (Anfang der 1940er Jahre). © Privatbesitz Familie Zuckermann.

Abb. 5: Manuskript des Gedichtes Mexikanischer Garten von Bodo Uhse (undatiert). © Akademie der Künste, Berlin, Bodo-Uhse-Archiv, Nr. 481/16 sowie Aufbau Verlage GmbH & Co. KG , Berlin 1978, 2008. Mit freundlicher Genehmigung von Christina Maria Cichy-Uhse.

Abb. 6: Inserat in der in Mexiko-Stadt erscheinenden Zeitschrift Freies Deutschland 2 (1943), Nr. 7, 40. Quelle: Deutsche Nationalbibliothek.

Abb. 7: Leo Zuckermann, Maria Luisa Bosques, Gilberto Bosques und Paul Merker (v. l. n. r.) auf einem Bankett zu Ehren von Bosques’ Rückkehr aus deutscher Kriegsgefangenschaft, Mexiko-Stadt (8./9. Mai 1943). Quelle: Bundesarchiv, Bild Y 1-1115-01.

Abb. 8: Mitglieder des Heinrich-Heine-Klubs bei der Theateraufführung Die Menora. Ein biblisches Stück zu Purim in Mexiko-Stadt (März 1945), darunter Brigitte Alexander (1. v. l.), Steffie Spira-Ruschin (2. v. l.), Günter Ruschin (2. v. r.) und Kurt Stern (1. v. r.). © Akademie der Künste, Berlin, Kurt-und-Jeanne-Stern-Archiv, Nr. 152.

Abb. 9: Hausmitteilung der SED -Parteileitung, in der der Entwurf des Restitutionsgesetzes vom Januar 1948 bestätigt wird (26. Januar 1948). Quelle: Bundesarchiv, DY 30/68822, Sekretariat Helmut Lehmann im ZK der SED, Bl. 51.

Abb. 10: Leo Zuckermanns Beitrag Restitution und Wiedergutmachung in der Zeitschrift Die Weltbühne (27. April 1948). Quelle: Deutsche Nationalbibliothek.

Abb. 11: Kundgebung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) anlässlich des Tages der Opfer des Faschismus im Berliner Lustgarten (11. September 1949), Blick auf die Aufbauten mit Fahnenträgern und Gedenkkränzen vor dem Alten Museum. © SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Abraham Pisarek.

Abb. 12: Vereidigung der ersten DDR-Regierung im Schloss Schönhausen in Berlin (12. Oktober 1949) im Beisein von Leo Zuckermann (3. v. l.). Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-S88866/Walter Heilig.

Abb. 13: Der sowjetische Botschafter Georgi Puschkin bei Staatspräsident Pieck (4. November 1949). Botschafter Puschkin schreitet mit Staatssekretär Zuckermann eine Ehrenkompanie der Volkspolizei ab. Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-S89526/Rudolph.

Abb. 14: Die voll besetzte Tribüne zu den Feierlichkeiten des Ersten Mai 1950 in Berlin, darunter Leo Zuckermann und Paul Merker. © SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Abraham Pisarek.

Abb. 15: Leo Zuckermann mit seiner Familie, aufgenommen von Abraham Pisarek in Berlin (1950). © SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Abraham Pisarek.

Abb. 16: Leo Zuckermann in seinem Buchladen in Mexiko-Stadt (undatiert). © Privatbesitz Familie Zuckermann.

2.4  Das »schreckliche Geheimnis«: Reaktionen auf die Vernichtung In der Märzausgabe 1943 ihres Monatsorgans Freies Deutschland veröffentlichte die gleichnamige Bewegung eine Stellungnahme Paul Merkers, die dieser offenbar für nötig erachtete angesichts von Reaktionen, die sein fünf Monate zuvor im Oktober 1942 erschienener Grundsatzartikel Hitlers Antisemitismus und wir in Mexiko hervorgerufen hatte.180 In dem kurzen Text begegnete er Argumenten, die sich in der Diskussion seines Artikels vom Oktober herauskristallisiert hatten, und die an seinen Ausführungen über den darin formulierten Anspruch der deutschen Juden auf »Wiedergutmachung« bemängelten, dieser bevorteile die Juden.181 Während der Öffentlichkeit verborgen blieb, dass er mitnichten auf jüdische Stimmen vor Ort reagierte – diese hätten sich wohl kaum derart negativ geäußert –, sondern auf diese Weise interne Kritik seines Parteifreundes Georg Stibi zu entkräften suchte, der offenbar Anstoß an Merkers allzu offenem Zugehen auf die jüdische Exilgemeinde genommen hatte,182 ist noch etwas anderes an seinen Ausführungen interessant. Sie zeugen von einer schrittweisen Veränderung der Perspektiven in der Gruppe: Zum ersten Mal kam das Argument zum Ausdruck, dass zwischen jüdischen und politischen Verfolgten des Nationalsozialismus »ein wichtiger Unterschied« bestehe, dass das jüdische Schicksal ein besonderes sei. Antifaschisten stünden nämlich »wegen ihrer politischen Haltung […] im Kampfe gegen die Hitlerdiktatur«, und ihre Entschädigung liege deshalb in der »Errichtung einer demokratischen Macht« in Deutschland. Dagegen würden die Nazis »alle Juden […] ohne Ruecksicht auf deren Klassenzugehoerigkeit oder Moral« ausplündern und verfolgen, weshalb ihnen wie allen »von Hitler ueberfallenen und unterdrueckten Nationen« das Recht auf »Wiedergutmachung« zustehe. Wenngleich Merker weiterhin ganz traditionell davon ausging, dass die Juden »beraubt, misshandelt, gemordet, verschleppt oder vertrieben [wurden], weil sie als schutzlose, nationale, religioese oder kastenmaessige Minderheit dem Hitlerfaschismus als ein geeignetes Opfer zur Ablenkung von seinen Verbrechen und zur chauvinistischen Verhetzung der Massen fuer seine Welteroberungsplaene schienen«,183 benannte er hier zum ersten Mal das Motiv, sie würden allein aufgrund der Tatsache, dass sie Juden waren, verfolgt und ermordet. Merkers zweiter Text versammelte demnach nicht allein Reaktionen auf seinen Artikel vom Oktober. Genau genommen lag zwischen beiden Texten – und das war ursächlich für das neue Argument  – ein einschneidendes Er­ eignis, das eine grundsätzliche Veränderung in der Wahrnehmung des Status von Juden und politisch Verfolgten nach sich zog: Die Vernichtung 145

der europäischen Juden war Gewissheit geworden. In der Tat ging die von Merker vorgenommene veränderte Gewichtung auf einen neuen Kenntnisstand zurück. Ab Frühjahr 1942 hatten sich in Europa Berichte gehäuft, die von der systematischen Ermordung von Juden im besetzten Polen sprachen, sodass vor allem die polnische Exilregierung in London, aber auch britische und US -amerikanische Geheimdienststellen relativ gut im Bilde waren.184 Den entscheidenden Schub erhielten diese Gerüchte durch das sogenannte Riegner-Telegramm, das der Genfer Mitarbeiter des World Jewish Congress Gerhart Riegner am 10. August 1942 an seine Vorgesetzten in New York übermitteln ließ. Riegner hatte Mitte Juli von dem deutschen Industriellen Eduard Schulte erfahren, dass die Nazis offenbar begonnen hatten, die Juden in ihrem Herrschaftsbereich gezielt zu ermorden. Zumindest berichtete seine Quelle glaubhaft von einer Inspektion des Konzentrationslagers A ­ uschwitz durch Heinrich Himmler, während der dieser den Auftrag erteilte, das Lager in großem Stil mit Gaskammern und Krematorien auszustatten.185 Riegner, den als Leiter des Genfer Büros bereits ähnliche Berichte über Deportationen und die Ermordung von Juden erreicht hatten, kam deshalb zu dem Schluss, die Nazis würden über die bekannt gewordenen Massaker der Einsatzgruppen in der Sowjetunion hinaus mittlerweile anstreben, alle Juden in ihrem Herrschaftsbereich zu eliminieren, und sie seien bereits im Begriff, diesen Plan zu verwirklichen. Er beschloss daraufhin, das »schreckliche Geheimnis« (Walter Laqueur) in Form eines Telegramms über amerikanische und britische diplomatische Kanäle an den Präsidenten des WJC in New York, S­ tephen S.  Wise, weiterzuleiten. Nachdem dieser das Telegramm Mitte September erhalten und daraufhin das US -Außenministerium aufgesucht hatte, wurde ihm jedoch bedeutet, mit der Informierung der Öffentlichkeit zu warten, bis amerikanische Stellen die Nachrichten verifiziert hätten. Als dies der Fall war, setzte Wise die Öffentlichkeit am 24. November 1942 in einer Pressekonferenz vom Plan der Nazis, die europäischen Juden zu ermorden, in Kenntnis, wobei er darauf hinwies, dass zu diesem Zeitpunkt schätzungsweise bereits 2,5 Millionen Juden ermordet worden seien.186 Vier Tage später, am 28. November, informierte der WJC in einer gemeinsamen Erklärung mit dem American Jewish Congress und der World Zionist Organization auch das Comité Central Israelita in Mexiko. Bei einer daraufhin am 7. Dezember in Mexiko-Stadt anberaumten Pressekonferenz waren als Vertreter der BFD Paul Merker und Leo Zuckermann unter den Gästen.187 Die Merker-Gruppe reagierte ihrerseits umgehend mit einem Appell »Protest gegen die Judenmassake[r]«, den sie am 15. Dezember via Rundfunk verbreitete und zudem in der Januarausgabe des Freien Deutschland abdruckte, und der den entscheidenden Satz enthielt, dass die Nazis den »ungeheuerlichen 146

Plan« verfolgten, »die Juden von ganz Europa physisch auszurotten«.188 Auch im mexikanischen Exil schlug sich der neue Kenntnisstand also nieder. Zwar hatten Berichte im Freien Deutschland im Sommer 1942 bereits vereinzelt von »Ausrottung« gesprochen; sie bezogen sich jedoch jeweils auf Massaker der Einsatzgruppen.189 Noch im Oktober 1942 hatte Merker in seinem Grund­lagentext Hitlers Antisemitismus und wir eher schemenhaft dargestellt, welches Schicksal die Juden in den besetzten Gebieten erwartete. Zumindest war er zu diesem Zeitpunkt noch davon ausgegangen, die aus Deutschland deportierten Juden würden »in den von den Nazis verwuesteten Gebieten hinter der russischen Front« konzentriert und »als Arbeitssklaven verwendet«, nicht jedoch ermordet.190 Spätestens als die Interalliierte Erklärung einer Reihe westlicher Staaten vom 17. Dezember davon sprach, dass die von Hitler wiederholt geäußerte Absicht, »das jüdische Volk in Europa auszurotten« (»to exterminate the Jewish people in Europe«), mittlerweile ins Werk gesetzt werde,191 war der Umschlag der Verfolgung in die planvolle Auslöschung der Juden als Gruppe nicht länger zu übersehen. Angesichts der Diskussion dieser Fragen innerhalb der Merker-Gruppe begann Leo Zuckermann, eine zentrale Rolle einzunehmen. Zwar gibt es keinen Beleg für seine direkte Mitarbeit an den zwei Texten Merkers, von denen es heißt, dieser habe zumindest den ersten in Absprache mit Egon Erwin Kisch und Leo Katz ausgearbeitet.192 Über einen engen Kontakt zu Merker, der ihm später von ehemaligen Mitstreitern des mexikanischen Exils negativ ausgelegt werden sollte,193 schien er jedenfalls zu verfügen. So war Zuckermann nicht nur die Person, die Merker Ende Juni 1942 bei dessen Ankunft in Veracruz empfing und für den er die Visumsangelegenheiten erledigte;194 aufgrund seiner aus der Pariser Zeit herrührenden guten Kenntnis der jüdischen Welt dürfte er für Merker (neben Leo Katz) einen bevorzugten Ansprechpartner dargestellt haben, den dieser hinsichtlich einer Reaktion etwa auf die deutschen Juden vor Ort konsultierte. Vor allem aber bezüglich Merkers Erwiderung vom März 1943 ist auffällig, dass die darin vorgenommene neuartige Definition des jüdischen Schicksals inhaltlich und bis in den Wortlaut hinein jener Argumentation entsprach, die Zuckermann im April 1948 in Bezug auf die öffentliche Unterstützung seines Entwurfs für ein Restitutionsgesetz in der SBZ vorbrachte.195 Wenngleich nicht mehr zu klären ist, wer hier wen beeinflusste, ob also Zuckermann das Argument Merkers übernahm, oder Merker sich einst von Zuckermann hatte inspirieren lassen, kann jedoch nachgezeichnet werden, dass sich ausgehend von den Nachrichten aus Europa spätestens zu dieser Zeit, der Jahreswende 1942/43, etwas im Selbstverständnis Zuckermanns zu verändern begann, was auf der Wahrnehmung der Vernichtung beruhte. 147

So war der WJC Leo Zuckermann auffallenderweise nicht unbekannt. Jener unterhielt ab März 1941 ein improvisiertes Büro in Mexiko-Stadt, das sich ähnlich wie die Existenz der Merker-Gruppe dem Zufall verdankte. Auch die langjährige Verwaltungsleiterin des WJC in Paris, Kate Knopfmacher (1890–1965), war auf ihrer Flucht vom europäischen Kontinent im Frühjahr 1941 in Mexiko gestrandet und hatte, da ihr die Weiterreise nach New York, wo das neue Hauptbüro seinen Sitz hatte, verwehrt wurde, kurzerhand aus der Not eine Tugend gemacht und in Mexiko-Stadt eine Dependance eingerichtet.196 Knopfmacher fungierte daraufhin, zumindest in der Frühphase, für den WJC als eine Art Schaltstelle zwischen Amerika und Europa; sie verfügte über einigen Einfluss in der Organisation, da sie ab 1922 als Sekretärin für den späteren Geschäftsführer Nahum Goldmann (1895–1982) gearbeitet hatte und auch in Mexiko über einen direkten Draht zu diesem verfügte.197 Dabei sah sie Mexiko-Stadt als möglichen Ort für ein weiterhin »neutrales« Büro, sollten die Vereinigten Staaten in den Krieg eintreten; zudem unternahm sie sogleich Anstrengungen, die dortigen jüdischen Vertretungen als Mitglieder des Weltkongresses zu gewinnen, um auch im eher peripher gelegenen und bislang vernachlässigten Mexiko dem Selbstverständnis des WJC , die Judenheiten der Welt demokratisch zu repräsentieren, gerecht zu werden. Nach einigem Hin und Her gelang dies und das CCIM schloss sich im Juli 1942 endgültig dem WJC an.198 Leo Zuckermann und Kate Knopfmacher waren freilich persönlich miteinander bekannt. Sie hatten während Zuckermanns Zeit als Delegierter im Beirat des Flüchtlingskommissars des Völkerbundes, dem auch der WJC angehörte, mehrfach miteinander zu tun gehabt, als Knopfmacher dessen Pariser Büro leitete.199 Nachweislich hatten sie zudem in Briefverkehr für die Organisation der Ausarbeitung gemeinsamer Papiere für Sitzungen des Beirates gestanden; mitunter hatten diese Vorbesprechungen gar in den Räumen des Asylrechtsbüros beziehungsweise des WJC stattgefunden.200 In jedem Fall stellte Knopfmacher im Februar 1943 Zuckermann bei Nahum Goldmann ein gutes Zeugnis aus, als sie diesen daran erinnerte, »Dr. Leo Zuckermann« sei ihnen in Paris »sehr gut bekannt« gewesen;201 und auch wenn Zuckermann bei seiner Ankunft in Mexiko im Dezember 1941 sicherlich überrascht gewesen war, in jener Person, die im Auftrag des CCIM die Registrierung der Flüchtlinge der Serpa Pinto vornahm, auf Kate Knopfmacher zu treffen, bot die gemeinsame Vorgeschichte eine willkommene Gelegenheit, in Mexiko unkompliziert an die sporadische Kooperation der 1930er Jahre anzuknüpfen.202 Und selbst Nahum Goldmann war ihm persönlich bekannt. Wenngleich Goldmann erst von Knopfmacher daran erinnert werden musste, wer Zuckermann war, was aus der herausgehobenen Stellung Goldmanns resultiert haben mag, der als »Staatsmann ohne Staat« über eine kaum mehr zu überblickende 148

Zahl an Kontakten in der ganzen Welt verfügte, waren sich beide zwischen 1936 und 1939 mehrfach auf den vierteljährlich tagenden Sitzungen des Beirates des Völkerbundes begegnet.203 Höchstwahrscheinlich geht Zuckermanns Kenntnis der Person Goldmann sogar noch weiter zurück, auf das Jahr 1933 nämlich, als die örtliche Abteilung der Geserd-Gesellschaft, in deren Aktivitäten Zuckermann involviert war, in Wuppertal eine Veranstaltung mit Otto Heller über das sowjet-jüdische Siedlungswerk in Birobidschan organisiert hatte, zu der Goldmann als Redner eingeladen war.204 In Bezug auf die Zunahme von Nachrichten über die Vernichtung der Juden in Europa und ihre Echtheit saß Zuckermann mit dem Büro des WJC in Mexiko und dessen Leiterin Kate Knopfmacher also an der Quelle. Zwar sprachen Nahum Goldmann und Stephen S. Wise, die Mexiko Mitte November 1942 für eine Fundraisingkampagne besuchten und dabei auch Veranstaltungen in Mexiko-Stadt abhielten, an denen Leo Zuckermann teilnahm,205 aus den genannten Gründen noch nicht öffentlich von den ihnen vorliegenden Nachrichten, obschon ihren Äußerungen eine gesteigerte Dringlichkeit zu entnehmen war.206 Zur gleichen Zeit hatte sich jedoch ein professioneller Kontakt zwischen Zuckermann und Knopfmacher ergeben, die im Oktober 1942 gemeinsam mit dem CCIM den Versuch unternahm, die etablierte Praxis der mexikanischen Regierung, Flüchtlingen in Europa Visen zu erteilen, auf zurückgelassene Kinder deportierter Juden in Südfrankreich auszudehnen. Ende Januar 1943 führte dies zu der Zusage des Innenministeriums, zunächst 100 von insgesamt 500 Visen bereitzustellen.207 Aufgrund seiner aus der Arbeit für die Merker-Gruppe hervorgegangenen guten Kontakte zu Carmen Otero, der Schwägerin und Rechtsberaterin Vicente Toledanos, die dem Büro für Sozialfragen im mexikanischen Arbeitsministerium vorstand, fungierte Zuckermann in diesen Verhandlungen offenbar als eine Art Mittelsmann zwischen mexikanischen Behörden und Kate Knopfmacher und sei, so formulierte diese im Februar 1943 gegenüber Goldmann, »sehr hilfreich im Fall der Flüchtlingskinder« gewesen.208 Da diese Hilfskampagne auf die neue Bedrohungslage ab Sommer 1942 reagierte, als Deportationen in der Vichy-Zone eingesetzt hatten, und diese sich durch die deutsche Besetzung Südfrankreichs im November noch verschärfte, kann nicht nur Zuckermanns und Knopfmachers Zusammenarbeit als solche belegt werden, sondern auch, dass beide sich zwangsläufig über die Nachrichten aus Europa und was diese bedeuteten, austauschten. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Führungszirkel des WJC war Knopfmacher Teil jenes Personenkreises, der am besten über die Vorgänge auf dem Kontinent informiert war. Und noch etwas hatte Leo Zuckermann mit Kate Knopfmacher gemein: die Sorge um in Europa verbliebene Familienmitglieder. Vermutlich seit 149

ihrer Abreise aus Europa im Spätherbst 1940 hatte Knopfmacher versucht, ihre betagte, in Berlin lebende Mutter mit einem Visum für Nordamerika zu versorgen. Nachdem sie im Januar 1941 in Rio de Janeiro amerikanischen Boden betreten hatte,209 musste sie die Eskalation der Judenverfolgung hautnah am Schicksal ihrer Mutter miterleben. So zeichnete sich im Juli 1941 erstmals die Möglichkeit ab, für ihre Mutter ein Kuba-Visum zu erlangen, das Anfang November 1941 auch tatsächlich ausgestellt wurde; wegen des kurze Zeit zuvor ausgesprochenen Verbotes der Auswanderung verlor es allerdings seinen Nutzen.210 Während Knopfmacher daraufhin im Rahmen ihrer Möglichkeiten Erkundigungen einholte, ob das Verbot von Dauer sein werde, woraufhin sie neue Hoffnung schöpfte, erhielt sie im September 1942 durch das Genfer Büro die »traurige Nachricht«, ihre Mutter sei einen Monat zuvor an einen unbekannten Ort deportiert worden. »Sie können sich vorstellen, wie ich mich fühle«, gestattete sie daraufhin einer Mitarbeiterin des WJC in New York einen Blick in ihr Innenleben.211 Unter den jüdischen Angehörigen der Merker-Gruppe war dies ein Phänomen, das ausnahmslos alle betraf. Sie hatten seit ihrer Flucht vor dem Nationalsozialismus Familienangehörige in Europa zurückgelassen, und auch wenn viele, wie etwa Alexander Abusch,212 Jahrzehnte zuvor mit ihrer Hinwendung zur kommunistischen Bewegung die Familienbande gekappt hatten, beschäftigte sie dennoch das Schicksal ihrer Eltern und Geschwister sowie das weiter entfernter Verwandter. Anna Seghers war es analog zu Kate Knopfmacher im Herbst 1941 gelungen, ihrer Mutter ein mexikanisches Visum zu beschaffen, das aber – »einige Wochen zu spät« – ebenfalls aufgrund des Ausreiseverbots von dieser nicht mehr in Anspruch genommen werden konnte.213 Für Leo Zuckermann wurde bereits ausgeführt, dass seine Eltern in Europa zurückgeblieben waren, die Mutter (und Schwester) bei Verwandten in Paris, der Vater in Wuppertal, von wo er im Herbst 1941 in das Ghetto Litzmannstadt deportiert worden war. Eine ähnliche Sorge trieb auch Zuckermanns Frau um, die annehmen musste, ihre in der Illegalität in Frankreich lebenden Eltern seien auf das Schärfste bedroht.214 Wie für andere Angehörige des mexikanischen Exils ließ auch sie die Gewissheit über die Vernichtung die Lage ihrer Eltern und anderer Verwandter in neuem Licht erscheinen. Hatten sie alle bislang zwar befürchtet, dass ihre Eltern verfolgt und gedemütigt wurden und unter äußerst prekären Bedingungen lebten, mussten sie nun mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass diese unter den Ermordeten waren, oder aber ihnen dieses Schicksal unmittelbar bevorstand. Die Deportationen deutscher Juden waren ja bekannt, und hinsichtlich der Juden in Frankreich wusste etwa Zuckermann nicht zuletzt aufgrund seiner Kontakte zu Knopfmacher, dass von dort seit dem Sommer 1942 Transporte »nach Osten« abgingen – dies 150

war recht eigentlich der Grund dafür gewesen, für die jüdischen Kinder in Frankreich aktiv zu werden. Über Knopfmacher ließ Zuckermann deshalb im Februar 1943 beim Genfer Büro des WJC anfragen, ob anhand möglicher Listen des Ghettos Litzmannstadt etwas über das Schicksal seines Vaters in Erfahrung zu bringen sei. Da er zur gleichen Zeit, ebenfalls über Knopf­ macher, die Möglichkeit eruieren ließ, zwei Grundstücke seines Vaters in Palästina zu verkaufen, um den Erlös zum Aufbau einer Rechtsanwaltskanzlei in Mexiko-Stadt verwenden zu können, ging er wohl davon aus, er sei nicht mehr am Leben.215 Auch deswegen kann geschlossen werden, dass Zuckermann mit Knopfmacher über das Schicksal ihrer Eltern und wie ihnen geholfen werden könnte, sowie über das Los der europäischen Juden schlechthin im Austausch stand. Er war in das »schreckliche Geheimnis« eingeweiht worden, und dies über die öffentlich zugängliche Berichterstattung hinaus. Die Vermittlungsversuche zur Rettung jüdischer Kinder aus Südfrankreich, an denen Leo Zuckermann sich zur Jahreswende 1942/43 beteiligte, erscheinen deshalb noch einmal in einem anderen Licht. Nicht nur die mexikanische Regierung betrat hier Neuland, indem sie zum ersten – und wohl einzigen – Mal ihre vergleichsweise rigiden Einreisebestimmungen für Juden lockerte und jüdische Flüchtlinge als solche in den Genuss der zuvor nur politisch Verfolgten offenstehenden Visenerteilungen kommen ließ.216 Auch für Zuckermann stellen sie jenen tiefgreifenden Umschlag in der Bewertung der Spezifik jüdischer und politischer Verfolgung dar, der sich in der Argumentation Merkers vom März 1943 niederschlug. Dies war schon numerisch evident. So enthielt die Vereinbarung zwischen den jüdischen Stellen und dem mexikanischen Innenministerium den Passus, dass sich unter den 500 Kindern, denen Visen ausgestellt würden, etwa »20 bis 25 Namen […] nicht-jüdischer Kinder« antifaschistischer Eltern befinden sollten, die in französischen Lagern einsaßen oder deportiert worden waren. Auch diese sollten in den Genuss von Visen und der langfristigen Aufnahme in Mexiko kommen; ihre Namen sollten Knopfmacher von einer Stelle »in Mexiko« übermittelt werden.217 Wenngleich aus den Dokumenten nicht eindeutig ersichtlich ist, ob damit die Kinder deutschsprachiger (oder spanischer?) Antifaschisten gemeint waren, kann angenommen werden, dass Zuckermann daran beteiligt war, diesen Passus auszuhandeln. Er hielt für die Merker-Gruppe in rechtlichen Fragen den Kontakt zu Toledano und Carmen Otero, und von Knopfmacher war ihm ja attestiert worden, in dieser Frage »sehr hilfreich« gewesen zu sein.218 Darin drückte sich dann freilich eine eklatante Erweiterung seines bisherigen Aufgabengebietes aus: Die ursprünglich seinem Einsatz unterliegende Klientel politisch verfolgter Antifaschisten war nur noch verschwindend gering repräsentiert; stattdessen hatte sich das Schicksal der verfolgten Juden neben 151

das der politischen Opfer Hitlers gesellt, wenn nicht gar vor dieses geschoben. Hatte bisher die Sorge um deren Wohl seine Aktivitäten bestimmt (und Zuckermann das der Juden zumindest offiziell eher mit Desinteresse bedacht), weil ihnen Abschiebung, Haft, Folter und womöglich Tod drohten, kehrte sich das Verhältnis nun um: Aufgrund der Nachrichten aus Europa war das Schicksal jüdischer Kinder an die Stelle der politisch Verfolgten gerückt, da ihnen, nach allem, was man wusste, der sichere Tod drohte, würden sie nicht außer Landes gebracht werden. Auch wenn Zuckermann »nur« den Kontakt hergestellt und mit den Kindern nichtjüdischer Antifaschisten letztlich seine traditionelle Klientel einbezogen hatte, kommt hier die bemerkenswerte Verschiebung seines Aufgabengebietes zum Ausdruck, die offenbar Folge eines neu erwachten Zugehörigkeitsgefühls war. Zum ersten Mal in seiner politischen Biografie lässt sich nachweisen, dass er zugunsten von Juden als Juden aktiv wurde, wozu Kraft seiner Parteifunktion keine Verpflichtung bestand, ja er diese eigentlich überschritt. Der Zeitpunkt der Intensivierung des Kontaktes zu Kate Knopfmacher sowie sein Einsatz zugunsten der jüdischen Kinder legen dabei den Schluss nahe, dass sich dieses Engagement offensichtlich an den Meldungen von der Vernichtung entzündete. Zusätzlich zur allgemeinen, angesichts der Nachrichten um sich greifenden Erschütterung bewogen diese zur Jahreswende 1942/43 die Alliierten zur expliziten Benennung der deutschen Verbrechen und selbst die mexikanische Regierung zur (kurzzeitigen) Anpassung ihrer Einwanderungspolitik; und auch Zuckermann wurde unter dem Eindruck dieser Entwicklungen aktiv, wobei sich sein Handeln mutmaßlich ebenso dem unklaren Verbleib seiner Eltern verdankte wie der Tatsache, dass Kinder eine besonders schützenswerte Gruppe darstellten. Dieser Bewusstwerdungsprozess, in dem sich eine vorsichtige (Wieder-) Annäherung an seine jüdische Herkunft Ausdruck verschaffte, darf sich indes nicht zu geradlinig vorgestellt werden; in erster Linie war und blieb Leo Zuckermann Kommunist. Dafür spricht etwa, dass sein Eintreten für die jüdischen Kinder gewissermaßen hinter den Kulissen erfolgte, wie er auch nie, nicht einmal in Texten oder Gesprächen, die dies gestattet hätten, darauf oder auf ähnliche Aktivitäten hinwies. Und auch weitere Tätigkeiten, in die Zuckermann als Angehöriger der Merker-Gruppe zu jener Zeit involviert war, legen nahe, dass die Beschäftigung mit dem jüdischen Schicksal zur kommunistischen Überzeugung hinzutrat, und sie nicht ersetzte. Dazu zählte etwa die fortgesetzte Befassung mit Fragen der Aufnahme politischer Flüchtlinge in Mexiko, in der Zuckermann nicht müde wurde, dem Land und Gilberto Bosques seinen Dank auszusprechen, so in dem unter Vorsitz der MerkerGruppe im April 1943 publizierten El libro negro del terror nazi en europa 152

(Schwarzbuch über den Hitler-Terror in Europa),219 oder in einem Beitrag für das Freie Deutschland vom Juni 1943, in dem er in die Zukunft blickend sinnierte, die in ihre »befreite Heimat« zurückgekehrten »deutschen Antifaschisten« würden einst »die besten Advokaten der Freundschaft zwischen den beiden Demokratien« bilden.220 Am deutlichsten kam der Überhang kommunistischer Weltanschauung jedoch in einem Zwischenfall zum Ausdruck, der sich im Frühjahr 1943 in Mexiko im Zuge der bekannt gewordenen Ermordung der beiden Führer des Jüdisch-Sozialistischen Arbeiterbundes in Polen, Victor Alter und Henryk Erlich, ereignete. Nach einer Reihe Protesten und Nachfragen westlicher Prominenz (unter anderem seitens Eleanor Roosevelts und Albert Einsteins) nach dem Verbleib der beiden, die seit Dezember 1941 als verschollen galten, hatte die Sowjetregierung im Februar 1943 bestätigt, sie seien wegen Spionage verurteilt und hingerichtet worden.221 Zwei daraufhin in Mexiko-Stadt veranstaltete Gedenkfeiern jüdisch-sozialistischer Kreise wurden von Tumulten überschattet. Die erste, so heißt es, sei gesprengt worden, als die Angehörigen der Merker-Gruppe Bruno Frei, Leo Katz und Leo Zuckermann unter Rufen »Tod der fünften Kolonne!« einen Aufruhr ausgelöst hätten; die zweite Versammlung endete (ohne dass die erneute Anwesenheit von Frei, Katz oder Zuckermann überliefert wäre) in handfesten Auseinandersetzungen, nachdem sie von mehreren Dutzend Störern angegriffen worden sei und durch die Polizei geschützt werden musste.222 In Bezug auf den ersten Zwischenfall nahmen Frei, Katz und Zuckermann am 13. März in einem Brief gegenüber dem CCIM Stellung, in dessen Räumen die Veranstaltung stattgefunden hatte.223 In ihrer Erklärung wiesen die drei Mitglieder der Merker-Gruppe darauf hin, dass der Sowjetunion in Zeiten des Krieges kaum vorgeschrieben werden könne, wie sie mit »Spionen« umzugehen habe, und zogen sich (fälschlicherweise) darauf zurück, auch Albert Einstein habe nach Bekanntwerden der sowjetischen Erklärung diese Konzession gemacht.224 Darüber hinaus stellten sie sich als die wahren Sachwalter jüdischer Interessen dar, die verstanden hätten, dass »vom Sieg über Hitler […] das Überleben der Juden in der Welt« abhänge. Wer also im Falle von Alter und Erlich von »Mord« spräche, würde die Sowjetunion und deren Widerstandskraft, an die das Schicksal der Juden geknüpft sei, schwächen.225 Obschon auch hier ein neugewonnenes jüdisches Zugehörigkeitsgefühl zum Ausdruck kam, insofern Frei, Katz und Zuckermann von sich selbst explizit »als Juden« sprachen, die von der weltweiten Unterstützung der Sowjetunion »beseelt« seien, erfolgte dies zu einem denkbar hohen Preis. Sie unterließen es nicht nur zu hinterfragen, ob die Anklage, Adler und Erlich hätten spioniert, überhaupt den Tatsachen entsprach (der Vorwurf an sie lautete unter anderem, mit der polnischen Geheimpolizei zusammengearbeitet 153

zu haben).226 Das alte Argument, der Trotzkismus bilde die »fünfte Kolonne« des Faschismus und müsse entsprechend bekämpft werden, das Zuckermann schon Ende der 1930er mit Inbrunst vertreten hatte,227 behauptete sich (obgleich der Bund gar keine trotzkistische Organisation war) offenbar auch gegenüber dem Fakt, dass es sich bei den Hingerichteten um zwei Sozialisten jüdischer Herkunft handelte, die immerhin der wichtigsten jüdisch-sozialistischen Organisation des östlichen Europa vorgestanden hatten. Der blinde Gehorsam gegenüber der Sowjetunion und Stalin überwog in diesem Fall die neu entdeckte Verbindung zum Judentum, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Notwendigkeit des Sieges der Roten Armee, auf die sie andernorts hinwiesen und in der sich die Gewissheit über die Vernichtung der Juden spiegelte, mögliche Zweifel, die sich angesichts der Liquidation von Alter und Erlich eingestellt haben mochten, überdeckte. Das Störmanöver verweist somit einmal mehr auf den instrumentellen Charakter, der der Beschäftigung der Merker-Gruppe mit der jüdischen Frage von Beginn an innewohnte. So ist es kaum vorstellbar, dass Frei, Katz und Zuckermann mit ihrer Aktion ohne das Einverständnis Merkers handelten. Diese bedrohte schließlich das angestrebte gute Verhältnis zur deutsch-­jüdischen Exilgemeinde vor Ort, hätte die Störung doch schnell als Einmischung in die inneren Angelegenheiten aufgefasst werden und entsprechend negative Auswirkungen auslösen können. Dennoch entschied man sich, die Beziehungen auf die Probe zu stellen, wozu man mit Frei, Katz und Zuckermann wohl auch bewusst drei Kommunisten jüdischer Herkunft aussuchte, deren politischer Loyalität man sich offenbar relativ sicher war. Das überzeitliche Gebot der Parteilinie, stets und überall »Gegner« der Sowjetunion zu entlarven, behielt demzufolge seine Gültigkeit; und obwohl die Notwendigkeit, die Parteilinie auf die Gegebenheiten vor Ort abzustellen, es überhaupt erst ermöglicht hatte, ein an der Vernichtung der Juden gebildetes neu erwachendes Bewusstsein der Zugehörigkeit zum Ausdruck bringen zu können, blieb der Spielraum dafür beschränkt. Ohnehin verdankte sich diese Offenheit dem kuriosen Manko, dass Merker für die Dauer des mexikanischen Exils in keinerlei Kontakt zur deutschen KP-Führung in Moskau stand und demnach keine Anweisungen empfing, wie in dieser Frage zu argumentieren sei. Zwar erhielt die Merker-Gruppe gelegentlich über die sowjetische Botschaft deutschsprachige Drucksachen aus Moskau, die in Auszügen ihrerseits den Weg in Publikationen wie das Freie Deutschland fanden; einen direkten Draht und damit einen Austausch darüber, wie die Generallinie und aktuelle politische Entwicklungen in der Öffentlichkeit darzustellen seien, gab es aber nicht. Noch im März 1946 beklagte sich Merker in einem Brief an Pieck – »wie so oft schon in den letzten Jahren« –, seit 154

Beginn des Exils keinerlei Nachrichten von diesem erhalten zu haben. »[K]ein Wort von Euch an mich, keine Zeile, ob Ihr meine Briefe erhalten habt, nichts«, was nicht nur Merkers Reputation unter den Genossen in Mexiko geschwächt habe, sondern ihn auch daran zweifeln ließ, ob die Arbeit der vergangenen Jahre »überhaupt einen Zweck« gehabt hatte, zumal er wusste, dass andere Vertreter des westlichen Exils durchaus mit Pieck in Kontakt standen.228 Weshalb Pieck und Ulbricht das einzige Mitglied des ZK der Partei im westlichen Exil mit Nichtachtung straften, ist nur zu vermuten. Auf sowjetischer Seite waren dafür angeblich Sicherheitsbedenken ausschlaggebend, die eine Kommunikation während des Krieges nicht erlaubten; hinsichtlich der deutschen Führung ist denkbar, dass Ulbricht, ein Intimfeind Merkers seit Beginn der 1930er Jahre, nur wenig Interesse an einem persönlichen Austausch hatte.229 Ungeachtet dessen ist fraglich, ob die führenden Mitglieder der KPD Parteileitung, Ulbricht, Pieck, Anton Ackermann und Wilhelm Florin, in Moskau angesichts der Besonderheiten des mexikanischen Exils etwas hätten beitragen können.230 Wenngleich die flächendeckenden Gewalttaten gegen Juden auch und gerade in der Sowjetunion bekannt gewesen sein dürften, standen der Beschäftigung, geschweige denn ihrer Durchdringung seitens der deutschen Genossen verschiedene Faktoren entgegen. Dazu zählten sowohl die geografische wie die politische Isolation. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Oktober 1941 ins ferne Kuibyischew (heute Samara) evakuiert, wurde die KP-Führung auf das Riesenreich verteilt und nachfolgend wohl nur ungenügend informiert, bis sie im Frühjahr 1943 wieder in die Nähe Moskaus zurückkehrte. Zur geografischen Abgeschiedenheit kam die politische Zwangslage, im Mutterland der Revolution den Weisungen der russischen KP beziehungsweise der (im Mai 1943 aufgelösten) Komintern zu unterliegen, was sich infolge der in den Jahren zuvor ergangenen mörderischen Parteisäuberungen in sklavische Hörigkeit gegenüber Stalin übersetzte.231 Es stand demnach kaum zu erwarten, dass die Moskauer Exilanten plötzlich einer Frage Aufmerksamkeit schenken würden, der sie bislang kaum, und wenn, dann nur unter spezifischen Vorzeichen, Interesse entgegengebracht hatten. Diese Leerstelle wurde auch dadurch größer, dass Genossen jüdischer Herkunft unter ihnen, die eine solche Diskussion hätten einfordern können, anders als in Mexiko stark unterrepräsentiert waren. Auf Führungsebene zählten dazu eigentlich nur der Journalist und Mitarbeiter des sowjetischen Militärgeheimdienstes GPU, Rudolf Herrnstadt (1903–1966), im weiteren Umfeld der ungarische marxistische Philosoph Georg Lukács (1885–1971) sowie der Schriftsteller Friedrich Wolf. Am gewichtigsten mochte sich jedoch ausgewirkt haben, dass die spätere »Gruppe Ulbricht« mit gänzlich anderen Fragen konfrontiert war. Da sie auf155

grund des Krieges und den nahezu vollständig zerstörten illegalen Kommunikationsnetzwerken über keinerlei Möglichkeiten mehr verfügte, nennenswert nach Deutschland hineinzuwirken, fokussierte sie als Zielgruppe in der Sowjetunion allein die große Zahl deutscher Kriegsgefangener.232 Dies traf sich mit Stalins spezifischem, der exilierten KPD -Führung zugedachtem Auftrag, zugunsten der sowjetischen Kriegsanstrengungen deutsche Kriegsgefangene dafür zu gewinnen, mit ihrer Hilfe zersetzend auf das kämpfende deutsche Heer einzuwirken und so zu einer Verkürzung der Kampfhandlungen beizutragen. Sowohl die einfachen Mannschaftsgrade als auch das vielfach adlige, äußerst konservativ eingestellte Offizierskorps freilich zeigten sich für derartige Versuche – ähnlich wie die Auslandsdeutschen in Mexiko – nur bedingt empfänglich, da sie Kommunisten generell skeptisch gegenüberstanden und sich nicht selten durch den Eid an Hitler gebunden sahen, das heißt, mögliche Vorwürfe des Landesverrats befürchteten.233 Erst die Niederlage von Stalingrad im Winter 1942/43 mit ihren hohen Verlusten erlaubte es, Teile der Kriegsgefangenen anzusprechen, indem nun für jedermann nachvollziehbar argumentiert werden konnte, Hitler führe einen aussichtslosen Krieg, der gleichermaßen erbarmungs- wie sinnlos deutsche Soldaten opfere, dass also, wer Deutschland retten wolle, sich gegen Hitler wenden müsse.234 Das daraufhin im Juli 1943 ins Leben gerufene NKFD und der ihm später angeschlossene Bund Deutscher Offiziere sprachen das Nationalbewusstsein der Kriegsgefangenen nicht nur an, indem sie für ihre Publikation Freies Deutschland die Farben des Kaiserreiches Schwarz-Weiß-Rot denen der Weimarer Republik vorzogen oder als Erkennungsmelodie ihres Rundfunksenders das »Vaterlandslied« des als Antisemiten hinlänglich bekannten Ernst Moritz Arndt verwendeten.235 Diese Klientel mit den von den Deutschen begangenen Verbrechen an den Juden, das heißt mit ihrer eigenen Verantwortung, zu konfrontieren, dürfte  – wenn es denn überhaupt erwogen wurde  – als nur wenig zielführend erachtet worden sein. Die »jüdische Frage« spielte unter diesen Voraussetzungen nur eine peri­ phere Rolle in den Diskussionen des Moskauer Exils, wie insbesondere dessen einflussreichster Publikation, der Monatsschrift Internationale Literatur / Deutsche Blätter, zu entnehmen ist. Diese ab 1931 in Moskau verlegte deutsche Ausgabe des Zentralorgans der Internationalen Vereinigung revolutionärer Schriftsteller war zwar nicht das inoffizielle Organ einer Parteigruppe wie das Freie Deutschland in Mexiko, sondern veröffentlichte in erster Linie Prosa, Lyrik und Aufsätze in Moskau exilierter deutschsprachiger Schriftsteller sowie Texte sowjetischer Autoren. Nach Einstellung des Komintern-Organs Deutsche Zentral-Zeitung im Jahr 1939 war sie gleichwohl das einzig verbliebene deutschsprachige Medium in der Sowjetunion. Aus diesem 156

Grund enthielten die Blätter auch Verlautbarungen zum Tagesgeschehen wie Rundfunkansprachen Stalins oder Dokumente des NKFD (nicht jedoch gemeinsame Erklärungen der unter Leitung Johannes R. Bechers stehenden Redaktion) und stellen ein wichtiges Abbild der Diskussionen in Moskau dar.236 Von der Themenwahl – dem Lob des Aufbauwerkes in der Sowjetunion, der Beschwörung des deutschen Widerstandes und anderem mehr – war die Internationale Literatur demnach mit dem Freien Deutschland durchaus vergleichbar, obwohl ein eklatanter Unterschied bestand: Das jüdische Schicksal war bis Anfang 1944 nur ganz am Rande existent. Während dieses in Mexiko von Beginn an ein Dauerthema bildete, fehlten in Moskau die überraschend breite Berichterstattung über die Eskalation der Judenverfolgung, die Reflexionen auf den Bedeutungswandel des Antisemitismus und die weicheren, literarischen Verarbeitungen des jüdischen Schicksales. Nur vereinzelt wurde der Gegenstand überhaupt thematisiert, so im Hinweis auf den Aufruf jüdischer Intellektueller zur Gründung des Jüdischen Antifaschistischen Komitees im Oktober 1941 oder im Abdruck von Drei jüdische[n] Balladen des österreichischen Essayisten und Übersetzers Hugo Huppert im April 1943.237 Insgesamt war die Beschäftigung damit nur wenig explizit, wie ein Artikel von Georg Lukács im Januar 1943 mit dem Titel Der Rassenwahn als Feind des menschlichen Fortschritts veranschaulicht. Wenngleich angenommen werden kann, dass Lukács’ später einige Bekanntheit erlangender Beitrag auch eine Reaktion auf die Interalliierte Erklärung vom 17. Dezember 1942 und die um sie herum sich verdichtenden Gerüchte war – Lukács bezeichnete die NS -Rassenlehre als theoretisches Fundament »der fürchterlichsten Barbarei, die die Menschheitsgeschichte bisher kannte« –, räumte er einer möglichen jüdischen Spezifik darin keinen eigenständigen Raum ein. Die Termini »Jude / Jüdin« kamen in seinem Text ganze zweimal vor; überdies subsumierte er das jüdische Schicksal, ohne es explizit zu benennen, unter dem der anderen »nichtdeutschen Völker«, die vom »›Gesetz‹ der Rassenmäßigkeit dazu bestimmt [seien], den Deutschen zu dienen«, schenkte also dem entscheidenden Fakt, dass die Juden entgegen ökonomischer Nützlichkeitserwägungen ermordet wurden, keinerlei Beachtung.238 Neben den bereits genannten Gründen verdankte sich die weitgehende Abwesenheit beziehungsweise das bis zur Unkenntlichkeit verfremdete jüdische Schicksal in den Diskussionen der Moskauer dabei offenbar auch einer Informationslücke. Der Kreis um Ulbricht und Pieck sah aus ideologischen Gründen nur wenig Bedarf, sich mit dem Thema zu befassen, und es fand auch erst spät Eingang in die Prosa russisch-jüdischer Autoren wie Ilja Ehrenburg und Wassili Grossman, zumindest in die Texte, die von ihnen in Internationale Literatur erschienen. Während seit dem deutschen Überfall auf die 157

Sowjetunion wiederholt Beiträge der beiden abgedruckt worden waren, die die Entwicklung auf dem Kriegsschauplatz, vor allem aber den Heroismus der Sowjetsoldaten zum Gegenstand hatten, enthielt erst im April 1943 ein Artikel Ehrenburgs einen expliziten Hinweis auf Gräueltaten, die deutsche Einheiten nach der Einnahme von Kursk im November 1941 an jüdischen Einwohnern der Stadt begangen hatten. Diese waren offenbar erst nach dem Vormarsch der Roten Armee auf ehemals von der Wehrmacht besetztes Gebiet im Februar 1943 publik geworden.239 Auch Grossman wandte sich erstmals im Herbst 1943 dem Thema zu, in dem nüchternen Bericht Ukraine ohne Juden, der die auffällige Abwesenheit der jüdischen Bevölkerung in den bis November 1943 befreiten, ehemals von den Deutschen besetzten Gebieten östlich des Dnjepr zum Gegenstand hatte.240 Abgesehen von der Tatsache, dass der deutsche Feldzug gegen die Sowjetunion und die mit ihm einhergehenden Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung lange Zeit den Blick auf die Juden als spezifische Opfergruppe verstellten, scheinen die deutschen Kommunisten in Moskau deutlich schlechter über den Umschlag in die Vernichtung informiert gewesen zu sein, deutlich schlechter jedenfalls als Leo Zuckermann und die Merker-Gruppe mit ihren Informationen aus zweiter Hand. Diese Linie setzte sich fort bis zum Dezember 1943, als der erste Kriegsverbrecherprozess auf sowjetischem Gebiet in Charkow ebenfalls auf Massaker der Einsatzgruppen in der Ukraine rekurrierte.241 Demnach scheint es möglich, dass die Frage der umfassenden, auf alle Juden Europas ausgeweiteten Vernichtung im Moskauer Exil erst mehr als ein halbes Jahr später, im Sommer 1944, in das Bewusstsein getreten ist, als mit der Entdeckung des ehemaligen Vernichtungslagers Majdanek bei Lublin die Dimension der auf polnischem Boden begangenen Verbrechen auch in der Sowjetunion bekannt wurde.242 Obschon also die deutsche KP-Führung in Moskau weitgehend dazu schwieg, wie hinsichtlich der Verbrechen an den Juden zu argumentieren sei, gab es jedoch ein Vorbild, an dem sich Leo Zuckermann und die MerkerGruppe orientieren konnten: die sowjetische Parteilinie. Diese lebte in Form des Jüdischen Antifaschistischen Komitees nämlich vor, dass man sich als Kommunist durchaus für die Juden einsetzen konnte. Die Gründung des JAK im Februar 1942, dem ein Aufruf jüdischer Intellektueller wenige Tage nach Kriegsausbruch Ende Juni 1941 vorausgegangen war, rekurrierte ähnlich wie das spätere NKFD auf Überlegungen Stalins, die Kriegsanstrengungen zu unterstützen, wenngleich mit außenpolitischem Fokus. So wurde ihm in erster Linie die Aufgabe zugedacht, unter den Juden der westlichen Welt Hilfe zu generieren, und zwar in Form von Geldmitteln und Sachspenden.243 Durchaus erfolgreich darin (bis 1945 sammelte das JAK mehr als 45 Millionen US -Dollar),244 verbanden die sowjetischen Juden mit dem Komitee aber noch 158

mehr: Sie sahen im JAK eine Möglichkeit, nach dem Verbot der jüdischen Parteiorganisationen 1930 und Jahren des Nischendaseins endlich wieder eine zentrale Institution zu schaffen, die ihre Belange gegenüber der Sowjetführung vertreten würde. Da das JAK zudem den Auftrag hatte, die Verbrechen der Nazis und den ungebrochenen Widerstandswillen der Sowjetbevölkerung in der westlichen Welt publik zu machen, was es mit seiner Zeitschrift Eynikayt und Tausenden Berichten an die ausländische Presse ausführlich tat, war mit seiner Arbeit auch die Formulierung eines jüdischen Selbstverständnisses verknüpft, das offenbar entlang der kollektiven Verfolgung der Juden gebildet war. Prominent trat dies in den Äußerungen Ilja Ehrenburgs zutage, einer der wichtigsten Persönlichkeiten im JAK, der auf einer Massenkundgebung im August 1941 in Moskau nicht nur darauf hinwies, dass er als Russe sein Heimatland verteidige, sondern dass die Nazis ihn noch an etwas anderes erinnert hätten: »Ich bin ein Jude.«245 In der Merker-Gruppe, besonders unter ihren jüdischen Angehörigen, wurde die sowjetische Initiative dankbar aufgenommen. Im Juni 1942 etwa verstand es die Redaktion des Freien Deutschland als ihre »Ehrenpflicht«, dem Gründungsaufruf des JAK, der mit dem Titel »An die Juden der ganzen Welt!« überschrieben war und in dem der neue Ton, den Juden in der Sowjetunion nun offenbar anschlagen durften, im Detail nachzulesen war, »die weiteste Verbreitung in deutscher Sprache zu geben«. Der Appell rief in deutlicher Offenheit »juedische Rotarmisten« dazu auf, sich als »Scharfschuetzen« zu betätigen, und hielt die Juden Süd- und Zentralamerikas direkt an, alles dafür zu tun, dass aus »FLUECHE[N] TANKKOLONNEN [und] AUS SEGENS­ WUENSCHE[N] GESCHWADER VON JAGDFLUGZEUGEN UND BOMBERN WERDEN«.246 Der Höhepunkt seiner Rezeption in Mexiko war im August 1943, als die beiden Delegierten des JAK, der unter sowjetischen Juden Volks-

heldcharakter genießende Schauspieler Solomon Mikhoels (1890–1948) und der stärker linientreue Lyriker Itsik Fefer (1900–1952), im Rahmen ihrer siebenmonatigen Auslandsreise, die der Einwerbung von Spenden diente, auch in Mexiko-Stadt Station machten. Im Vorfeld des Besuches hatten sich nicht nur Paul Merker und Leo Katz beim sowjetischen Botschafter in MexikoStadt nach den Reiseplänen von Mikhoels und Fefer erkundigt und darum gebeten, informiert zu werden, sollte ein Termin feststehen; an dem offiziellen Empfang der beiden, in dessen Verlauf mexikanische Juden 70.000 mexikanische Pesos (umgerechnet etwa 14.000 US -Dollar) spendeten,247 nahm dann mit Egon Erwin Kisch auch ein Vertreter der BFD teil.248 Zugleich dürfte dieser Kontaktaufnahme zuträglich gewesen sein, dass der sowjetische Botschafter Konstantin Umansky (1902–1945) ebenfalls jüdischer Herkunft war und die Ziele des JAK unterstützte,249 wie auch, dass Paul Merker aus 159

seiner Zeit bei der Roten Gewerkschafts-Internationale (Profintern) Ende der 1920er Jahre mit Solomon Losowski (1878–1952) vertraut und von diesem ehemals protegiert worden war. Losowski wiederum überwachte ab 1941 als stellvertretender Leiter des neugegründeten Sowjetischen Informationsbüros (Sovinform) im Namen der Sowjetregierung die Aktivitäten des JAK .250 Für jüdische Angehörige der Merker-Gruppe wie Leo Katz und Leo Zuckermann, aber auch für Merker selbst, eröffneten die bis nach Mexiko ausstrahlenden Aktivitäten des JAK eine entscheidende Perspektive. Ganz unverhüllt stellte das Komitee eine als kriegswichtig erachtete Aufforderung dar, sich mit dem jüdischen Schicksal zu beschäftigen und, quasi mit »offiziellen Weihen versehen«, zugunsten der Juden Partei zu ergreifen. Diese Parteinahme war nicht nur dadurch gedeckt, dass hinsichtlich der Popularisierung der Ziele des JAK noch ein weiterer Bündnispartner in Mexiko saß, die zahlenmäßig bedeutende Gruppe osteuropäisch-jüdischer Einwanderer nämlich, die meist sozialistischen Überzeugungen anhingen und die für Katz einen noch natürlicheren Adressaten als die deutschen Juden darstellen mochten. Auch dieses Milieu, das sich angesichts der Ermordung der beiden Bund-Vorsitzenden Alter und Erlich noch stark vom Sowjetkommunismus distanziert hatte, konnte so, wenn schon nicht für die BFD, so doch für die Sowjetunion eingenommen werden, wovon Katz durch seine Mitarbeit in verschiedenen Unterstützerorganisationen wie der 1942 als Antwort auf den Aufruf des JAK gegründeten Liga Israelita Pro-Ayuda a la Union Sovietica (Jüdische Allianz für Hilfe an die Sowjetunion) dann reichlich Gebrauch machte.251 Damit knüpfte er folgerichtig an seine Aktivitäten vom Ende der 1920er Jahre in der Geserd-Bewegung an, die schon damals der Propagierung einer spezifisch jüdischen Existenz unter sowjetischer Ägide gedient hatten, wenngleich sie nun unter deutlich dramatischeren Vorzeichen standen. Dadurch aber öffnete sich mit dem JAK ein weiteres Einfallstor, durch das sich Kommunisten wie Katz und Zuckermann in ihrer Beschäftigung mit den Verbrechen bestätigt sehen konnten und sich die aufgrund der Vernichtung ausgelöste Wiederaneignung ihrer jüdischen Herkunft Ausdruck verschaffen konnte. Auch für Leo Zuckermann wurde bereits dargelegt, dass er Anfang der 1930er Jahre die »sowjetische« Lösung der jüdischen Frage begrüßt und unterstützt hatte.252 Wie er dem JAK konkret gegenüberstand, ist nicht überliefert, doch darf angenommen werden, dass er ihm ähnliche Sympathie entgegenbrachte, wie Katz sie hegte, und es ihn in seinem Prozess der Wiederannäherung bestärkte. In seinem Fall mochte das JAK auch als Vorbild dienen, weil es offen mit dem World Jewish Congress kooperierte, der sich davon versprach, erstmals seit 1917 einen direkten und dauerhaften Kontakt zu den russischen Juden aufbauen zu können,253 was wiederum mögliche Zweifel Leo 160

Zuckermanns, zu enge Beziehungen zu diesem zu unterhalten, entkräftete. Genau genommen versah die Zusammenarbeit Zuckermanns Aktivitäten mit parteioffiziellen Weihen. All diese Faktoren – die Kenntnis des Umschlags der Verfolgung in die Vernichtung, die persönliche Betroffenheit, die bohrenden Nachfragen der deutsch-jüdischen Exilgemeinde, das Schweigen der KPD -Führung in Moskau bei gleichzeitig leuchtendem Vorbild des JAK –, die letztlich eine sonst nicht vorgesehene Beschäftigung von Kommunisten mit der jüdischen Frage nach sich zogen, verweisen einmal mehr auf die besondere Rolle des Exilortes Mexiko-Stadt. Sie wird auch dadurch unterstrichen, dass es höchst fraglich ist, ob Leo Zuckermann als Angehöriger des Moskauer Exils zu ähnlichen Schlüssen gelangt wäre. So hatte seine Frau, die angesichts des Chaos im Frankreich des Jahres 1940 gelegentlich als Kurierin zwischen der Partei und dem sowjetischen Konsulat in Vichy-Frankreich fungierte, im Sommer 1940 mehrfach versucht, für sich und ihren Mann ein Ausreisevisum für die Sowjetunion zu beantragen.254 Weshalb dem Gesuch nicht stattgegeben wurde, ist nicht überliefert, doch ist kaum vorstellbar, dass sich Zuckermann in Moskau, das heißt als Mitglied der Gruppe Ulbricht, mit ihrem Schweigen gegenüber dem jüdischen Schicksal, ihrer Isolation und der erzwungenen Konzentration auf die deutschen Kriegsgefangenen, entscheidend anders als die dortigen deutschen Genossen entwickelt hätte. In Mexiko trafen die Nachrichten von der umfassend in Gang gesetzten Ermordung der Juden Europas jedoch auf einen besonderen Resonanzraum, der zunächst subkutan Folgen für das Selbstverständnis und das politische Handeln Leo Zuckermanns zeitigte – subkutan insofern, als sie sich bis auf Weiteres nur vermittelt öffentlich Ausdruck verschafften. So fanden die Kontakte zu Kate Knopfmacher und der gemeinsame Einsatz für die von Deportation in den Tod bedrohten jüdischen Kinder nach außen nicht sichtbar im Schutz seiner Tätigkeit als Rechtsberater der BFD statt, und auch eine Reihe von Artikeln in der spanischsprachigen Ausgabe des Freien Deutschland, Alemania Libre, die explizit auf den neuen Kenntnisstand rekurrierten und daher Zuckermann zugeschrieben werden können, waren im Gegensatz zu seinen anderen Veröffentlichungen über konkrete juristische Themen, die die deutschen Exilanten in Mexiko betrafen, im Frühjahr und Sommer 1943 nicht namentlich gekennzeichnet.255 Dennoch belegen Zuckermanns Aktivitäten zur Jahreswende 1942/43, dass die bislang stets aufrechterhaltene Distanzierung vom Judentum durchlässig geworden war. Im Angesicht des präzedenzlosen nationalsozialistischen Vernichtungsfeldzuges gegen die Juden war die ab 1921, seit dem offiziellen Austritt aus der Jüdischen Gemeinde Elberfeld, gezielt praktizierte Neutralisierung seiner jüdischen Herkunft einer unübersehbaren Wiederannäherung an dieselbe gewichen. 161

2.5  »Eine völlig neue Situation«: Zur Entstehung des Restitutionsprogramms Am 15. Januar 1945 veröffentlichte Leo Zuckermann in der spanischsprachi­ gen Zeitschrift Tribuna Israelita einen bemerkenswerten Artikel mit dem Titel Consideraciones tocante al problema de la reparación.256 Seine Überlegungen zum Problem der Reparation sind indes nicht allein wegen der darin erhobenen Forderung erstaunlich, dass den Juden auf der künftigen Friedenskonferenz ein gleichberechtigter Platz unter den anderen von Hitler verfolgten Nationen zugestanden werden müsse. Sie lassen auch nicht nur aufhorchen angesichts des Mediums, in dem sie erschienen – der kurz zuvor von seinem jüdischen Mitstreiter in der Merker-Gruppe Otto Katz gegründeten Zeitung, die sich primär an das spanischsprachige jüdische Milieu in Mexiko-Stadt wandte und sich trotz ihrer kommunistischen Ausrichtung offen »israelitisch« – also »jüdisch« – nannte. Sie sind vor allem bemerkenswert, weil der Artikel eine Aussage enthält, die die vom Holocaust ausgelöste Wiederannäherung Zuckermanns an seine jüdische Herkunft überraschend deutlich zum Ausdruck bringt. »Der Faschismus«, führte Zuckermann gleich zu Beginn aus, habe »eine völlig neue Situation für die Juden auf der ganzen Welt [geschaffen], der sich auch die Juden nicht entziehen konnten, die über Generationen hinweg einem extrem fortgeschrittenen Assimilationsprozess unterzogen worden waren«.257 Zuckermann machte also zweierlei geltend. Zum einen habe der Nationalsozialismus »die Juden auf der ganzen Welt« zu einem Kollektiv vereint, da die an alle gerichtete Vernichtungsdrohung keine Unterschiede machte; zum anderen seien auch solche Personen einbezogen worden, die geglaubt hatten, ihre Brücken zum Judentum abgebrochen zu haben. Zudem legt der Hinweis, das Ziel der Nazis habe spätestens ab 1939 in der »physischen Ausrottung des gesamten jüdischen Volkes« bestanden, der Nationalsozialismus die Juden mithin »als Nation« behandelt, nahe, dass die von Zuckermann konstatierte »völlig neue Situation« offenkundig seine Person einschloss. Auch ihn hatte demnach, so kann man den Text lesen, der Nationalsozialismus an seine jüdische Herkunft erinnert, und er verstand sich mittlerweile, trotz des »extrem weit fortgeschrittenen Assimilationsprozess[es]« in früheren Jahren, als Angehö­ riger des »jüdischen Volkes« – ein höchst erstaunlicher Befund, vergegenwärtigt man sich, dass diese Vorstellung nicht nur im kommunistischen Kanon, sondern auch für den Großteil der weltweiten Judenheiten ein Novum darstellte. Was war geschehen, dass Leo Zuckermann diese Zugehörigkeit plötzlich offen und auch in Verbindung mit politischen Forderungen artikulierte? 162

Es war kein Zufall, dass Zuckermann in seinem Artikel »Überlegungen zum Problem der Reparation« anstellte. Zwar machte er sich in dem Beitrag noch andere Forderungen, die in der jüdischen Welt hinsichtlich eines Nachkriegsprogramms formuliert wurden, zu eigen, so etwa die Notwendigkeit der Gründung eines jüdischen Staates in Palästina, die Ächtung des Antisemitismus oder die Bestrafung von Kriegsverbrechern. Ein, wenn nicht der zentrale Gegenstand, entlang dessen sich Zuckermanns Rückbesinnung auf seine jüdische Herkunft bevorzugt Ausdruck verschaffte, war jedoch die Frage der Restitution von den Nazis geraubten jüdischen Vermögens. So mochte sein Artikel vom Januar 1945 zwar der bemerkenswerteste sein, in dem seine neugewonnene Zugehörigkeit zutage trat, der einzige war er nicht. Ab Sommer 1944 war er mit einer Reihe von Texten und Veranstaltungen an die Öffentlichkeit getreten, die sämtlich um die Frage jüdischer Nachkriegsforderungen und die Stellung der BFD dazu kreisten, genauer: um das Problem der Restitution. Im August 1944 nahm er als Referent und Diskussionsteilnehmer an zwei Veranstaltungen der Acción Republicana Austriaca de Mexico (Österreichische republikanische Aktion in Mexiko; ARAM) beziehungsweise der BFD teil, in denen über die »Rückerstattung des von den Nazis geraubten Eigentums« debattiert wurde.258 Für die Septemberausgabe des Freien Deutschland entstand daraufhin ein Text, der die Voraussetzungen des Rechtsanspruches der deutschen Juden juristisch darzulegen suchte, und der einen solchen Anspruch gegeben sah, da Hitler durch Verfassungsbruch an die Macht gelangt sei, das heißt, sämtliche von den Nationalsozialisten erlassenen Gesetze und Verordnungen nach dem Krieg für nichtig erklärt werden würden.259 Einen weiteren Höhepunkt stellte ein Artikel Zuckermanns in der Demokratischen Post Ende des Jahres dar, in dem er die Position der BFD zum Zionismus definierte. Darin sprach er sich für einen jüdischen Staat in Palästina aus und machte geltend, dass die BFD »vorbehaltlos fuer die Wiedergutmachung der den [sic] juedischen Bevoelkerungsteil zugefuegten Schaeden« eintrete. Außerdem müsse in dieser Frage »das Prinzip der weitgehendsten Hilfe und Entschaedigung« gelten.260 Die Restitutionsfrage war aus verschiedenen, miteinander verschränkten Gründen ins Zentrum von Zuckermanns juristischem und politischem Interesse gerückt; genau genommen beschäftigte sie ihn als Jurist, als Partei­ mitglied und als Jude. So hatte sich Zuckermann ab April 1943 ein professionelles Standbein als Rechtsanwalt in Mexiko geschaffen. Wie Anzeigen im Freien Deutschland, ja selbst im New Yorker Aufbau belegen, war er zu dieser Zeit in die Kanzlei von Carmen Otero Gama und María Teresa ­Puente eingetreten, der Schwägerin beziehungsweise der zweiten Frau Vicente Lombardo Toledanos, zu dem die BFD bereits früh Kontakt aufgenommen 163

hatte.261 Für diesen Schritt war wohl weniger, wie Zuckermann später, im Licht der Parteisäuberungen Anfang der 1950er Jahre angab, ein Zerwürfnis mit Merker ausschlaggebend gewesen,262 als vielmehr die seltene Gelegenheit für einen Angehörigen der Merker-Gruppe, im Exil in seinem angestammten Beruf, noch dazu einem mit solcher Tragweite, zu arbeiten. Denn auf seinem neuen Posten, den ihm Zuckermann zufolge Toledano persönlich vermittelt hatte,263 war er für Merker von nicht zu unterschätzendem Wert. Auf diese Weise wurden nicht nur die ohnehin guten Beziehungen zu mexikanischen Regierungsstellen auf eine neue Ebene gehoben, auch die Rechtshilfe für die exilierten Genossen in Mexiko profitierte von diesen Kontakten.264 In seinen Inseraten versprach Zuckermann die »Beratung und Erledigung aller Rechtsangelegenheiten«.265 Und in der Tat bot die Kanzlei, die auf der renommierten Geschäftsstraße Avenida  5 de Mayo gelegen war, nur einen Steinwurf entfernt von Mexiko-Stadts zentralem Platz, dem von Kathedrale und Nationalpalast umgegebenen Zócalo, das ganze Spektrum an Rechtssachen, die für naturalisierte Ausländer und Emigranten, ja für die »ganze europäische Kolonie« von Belang waren.266 Dazu zählten »Auslaenderrecht, Immigrations- und Einbuergerungsangelegenheiten«, aber auch »Immobilien-administrative Angelegenheiten« sowie »Zivil-, Handels-, Prozess-, Familien- und Testamentssachen«. Von Beginn an behandelte Zuckermann also Eigentumsfragen, wenngleich diese zunächst Liegenschaften und Vermögen in Mexiko selbst betrafen. So hatte die Kriegserklärung an Deutschland im Mai 1942 dazu geführt, dass die mexikanische Regierung einen Teil deutscher Vermögen, Immobilien und Unternehmen beschlagnahmt und unter Treuhänderschaft gestellt hatte. Dazu zählten Liegenschaften des Deutschen Reiches wie Botschaft und Deutsche Schule, aber auch eine Reihe von Unternehmen deutscher »feindlicher Ausländer«.267 Um »demokratische Deutsche« von diesen Bestimmungen auszunehmen, die weitere Einschränkungen wie Kontensperrungen und Reiseverbote umfassten, strebte Zuckermann im Auftrag der BFD Erleichterungen bei den mexikanischen Behörden an. Auch wenn die Einführung einer neuen rechtlichen Kategorie, die Anerkennung eines Status »befreundeter Auslaender«, nicht erreicht werden konnte, waren die Behörden offenbar bereit, mittels der »Ueberpruefung von Einzelfaellen antifaschistischen Deutschen Erleichterungen« zu gewähren.268 Für das deutschsprachige Emigrantenmilieu bereitete Zuckermann, dessen Büro damit zu einer Art Clearingstelle zwischen Emigranten beziehungsweise Auslandsdeutschen und den mexikanischen Behörden wurde, diese Fragen detailliert auf. Er informierte regelmäßig in den einschlägigen Zeitschriften über Neuentwicklungen auf dem Gebiet,269 und mit der kommentierten Übersetzung des am 1. April 1944 verabschiedeten »Gesetzes ueber Eigentum und Handelsgeschaefte des 164

Feindes« legte Zuckermann, wie die Broschüre bewarb, »fuer jedermann unentbehrlich« den aktuellen Stand der mexikanischen Gesetzgebung in dieser Frage vor.270 Dass Zuckermann über die Gegebenheiten in seinem Gastland exzellent im Bilde war, belegt seine regelmäßige Kolumne Was man wissen muss, in der er die Leser der Demokratischen Post zweiwöchentlich über Neuerungen in der Rechtsprechung und im Wirtschaftssektor unterrichtete.271 Während Zuckermann also in kurzer Zeit zu einem ausgewiesenen, wenn nicht dem Experten für Ausländerrecht in Mexiko avancierte, wurde er zunehmend mit dem Problem der Restitution jüdischen Vermögens konfrontiert. So ist anzunehmen, dass seine jüdischen Mandanten, die er in Fragen des Aufenthaltsrechtes, Visen und dergleichen beriet, ihn auch hinsichtlich der Frage in Europa verbliebenen Vermögens konsultierten. Ein Artikel vom August 1943 belegt jedenfalls, dass er des Problemfeldes gewahr geworden war und sich für juristische Lösungen interessierte. In einem Titelbeitrag für die erste Ausgabe der Demokratischen Post, informierte er die Leser über die alliierten Bemühungen, Richtlinien für die Anmeldung von Restitutionsansprüchen auszuarbeiten.272 Konkret bezog er sich auf eine Verordnung des US -amerikanischen Finanzministeriums vom 1. Juni 1943, die Personen, die der amerikanischen Gerichtsbarkeit unterlagen  – also auch Emigranten  –, aufforderte, Sach- und Vermögenswerte anzugeben, die ihnen seit dem 1. Januar 1938 »durch Kriegsakte, Beschlagnahme oder Zwang« einer sich mit den Vereinigten Staaten im Krieg befindlichen Regierung entzogen worden waren. »Rechtspolitisch« wertete Zuckermann diese Ankündigung, die an eine »erste Erfassung von Entschaedigungsanspruechen gegen die Achsenlaender« denken ließ, als »interessant«, weil sie seines Erachtens nicht nur »den Charakter einer Vorbereitungsmassnahme fuer den Friedensvertrag« aufwies, sondern eine ähnliche Verordnung auch für Mexiko zu erwarten stand.273 Über das Jahr 1943 hinaus blieb Zuckermann ein aufmerksamer Beobachter der juristischen Grundlagen für Restitution und ihrer Bedeutung für seinen eigenen Spielraum als Anwalt. So enthält der eingangs zitierte Artikel aus der Tribuna Israelita noch ein weiteres Beispiel, das die Rechtsentwicklung auf diesem Gebiet betraf. Hinsichtlich Rumänien führte er aus, die dortige neue Regierung habe ein Gesetz verabschiedet, das es Juden erlaube, gestohlenes Vermögen zurückzuerhalten, »ohne ein Gericht oder eine andere Justizbehörde anrufen zu müssen«.274 Und in der Tat nahm Zuckermann, sobald es die Lage in Europa erlaubte, die Frage der Restitution in sein Anwaltsportfolio auf. Ab November 1945 warb er sowohl in der Demokratischen Post als auch im Freien Deutschland anfangs mit der »Bearbeitung von Rueckgabe- und Entschaedigungsanspruechen in Frankreich, Oesterreich  u. der Tschechoslowakei«, im Verlauf des Jahres 1946 dann zusätzlich mit der Übernahme 165

von »Schadensersatzanspruechen in Deutschland und anderen europaeischen Laendern«.275 Wie bereits die Problematik der »befreundeten Auslaender« und ihre Implikationen für das Verhältnis der Merker-Gruppe zu den Auslandsdeutschen verdeutlicht hat, beschäftigte die Eigentums- und Restitutionsfrage auch das Parteimitglied und den Kommunisten Leo Zuckermann. Ab Frühjahr 1944 musste sich die BFD dem Thema möglicher »Wiedergutmachung« erneut zuwenden. Dies war zunächst der Entwicklung des Krieges geschuldet. Nach den verlorenen Schlachten von Stalingrad (Februar 1943), dem Ende des deutschen Vormarsches in Nordafrika (Mai 1943) und den alliierten Landungen in Sizilien beziehungsweise Süditalien (Juli und September 1943), die der Eröffnung einer zweiten Front nahekamen, hatte sich das Blatt zugunsten der Alliierten gewendet. Zum ersten Mal war abzusehen, dass dieser Krieg nicht ewig dauern und die Deutschen ihn verlieren würden, wie auch die Merker-Gruppe aufmerksam beobachtete.276 Dadurch freilich rückte die Frage der kommenden Nachkriegsordnung auf die Agenda, wie nicht zuletzt die alliierten Zusammenkünfte in Moskau (Oktober 1943) und Teheran (Dezember 1943) nahelegten, auf denen neben der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands und der Wiederherstellung der Souveränität Österreichs die Bestrafung von Kriegsverbrechen und die Teilung Deutschlands als Kriegsziele vereinbart wurden.277 Im Zuge dieser Verhandlungen, dies zeigte nicht nur die bereits zitierte, auch von Zuckermann zur Kenntnis genommene Verordnung des US -Finanzministeriums vom Juli 1943, nahmen sich die Alliierten vermehrt des Themas möglicher Reparationen an, so auch die Sowjetunion. Im Vorfeld der Moskauer Außenministerkonferenz etwa hatte sich der marxistische Ökonom Eugen Varga mit einem Artikel zu Wort gemeldet, in dem er einen potenziellen sowjetischen Anspruch auf Reparationen darlegte und im Vergleich mit der Praxis nach dem Ersten Weltkrieg über die Möglichkeiten seiner Erfüllung nachdachte. Machte Varga den Anspruch der Sowjetunion auf materielle Entschädigungen insbesondere deshalb geltend, weil weite Teile des Landes von deutschen Truppen verheert worden waren, enthielt sein Papier zugleich Überlegungen zur Entschädigung der Zivilbevölkerung. Als zu berücksichtigende Gruppen nannte er konkret die »zur Zwangsarbeit verschleppt[en]« Zivilisten und den großen »Teil der Bevoelkerung [der] physisch ausgerottet« wurde.278 Diese personelle Komponente, die in früheren Friedensschlüssen allein als Problem von Renten eingeflossen sei, erachtete er als so gravierenden Unterschied »zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg«, dass sie »eine neuartige Behandlung des Reparationsproblems« erfordere. Zuckermann, dem Vargas Text in einer deutschen Übersetzung in der Ausgabe des Freien Deutschland vom März 1944 vorlag, dürfte demnach 166

nicht nur wegen der darin prominent ausgeführten Erstattung individueller Schäden hellhörig geworden sein; dass sich ein ranghoher sowjetischer Ökonom dem Thema zuwandte, mochte er einmal mehr als Bestätigung, wenn nicht Aufforderung und Legitimation verstanden haben, sich ebenfalls mit der Problematik zu befassen. Ohnehin machte es die Wendung des Kriegsglücks in Mexiko und anderswo in Lateinamerika notwendig, dass die BFD die Frage von Restitution und Entschädigung wieder aufgriff. So hatten sich unter den emigrierten deutschsprachigen Juden aufs Neue Stimmen gehäuft, die unverhohlen ihre Abneigung gegenüber Deutschland zum Ausdruck brachten. In diese Richtung ist eine Reihe von Wortmeldungen deutscher Juden im Freien Deutschland zu deuten, die teilweise bemüht waren, das Gegenteil zu beweisen (und deshalb wohl bevorzugt abgedruckt wurden). Zunächst hatte Paul Mayer, ehemaliger Lektor des Rowohlt Verlages, der ab 1938 in Mexiko-Stadt lebte und dort Mitglied sowohl des Heinrich-Heine-Klubs als auch der BFD geworden war, im Dezember 1943 auf das Erstarken derartiger Haltungen hingewiesen. Unter dem Eindruck, die »erzwungene Emigration« neige sich »vielleicht in absehbarer Zeit dem Ende« zu, warb er unter den Mitgliedern der BFD um Verständnis für »die gegenwaertige Haltung der aus Deutschland stammenden Juden«.279 In Aufnahme der zentralen Argumentation Merkers, wonach die Juden »nicht auf Grund irgend einer politischen Anklage gequaelt [worden seien], sondern nur, weil sie Juden waren«, hätten viele von ihnen jegliches Interesse »an ihrem frueheren Vaterlande« verloren: »Sie machten sich den Satz zu eigen«, führte Mayer aus, »den Heinrich Heine in bitterer Stunde niedergeschrieben hat: ›Deutschland ist hoffnungslos.‹« Eine weitere Wortmeldung, die von der Redaktion als Beleg für eine Haltung präsentiert wurde, »die sich trotz aller bittern [sic] Erlebnisse die Faehigkeit zum eigenen Denken bewahrt« habe, bestätigte im März 1944 diese Stimmung unter Juden in der englischen Emigration.280 Dort, so der namentlich nicht genannte Autor, gebe es eine ganze Menge Leute, »die wegen der Erfahrungen, die sie nach 1933 in Deutschland gemacht haben, ›beleidigt‹ spielen, die kein deutsches Buch mehr lesen koennen, weil sie eine innere Abneigung zu haben glauben, die nicht mehr Deutsch reden, um zu beweisen, dass sie 150 prozentige Antideutsche sind und dergleichen mehr«. Der Verfasser machte stattdessen geltend, »dass wir Juden uns davor hueten sollten, nach Nazimuster ganze Voelker oder Volksteile zu verurteilen« und verstand es vielmehr als Aufgabe jüdischer Emigranten, danach zu fragen, wie »die Deutschen in irgendeiner Form, wenn auch nicht sofort, und schrittweise in die Gemeinschaft der Kulturnationen neu eingegliedert werden« könnten. Eine weitere Zuschrift von Ende März 1944, die erst im Juni abgedruckt wurde, ging unterdessen nicht nur davon 167

aus, dass die »Zahl der Deutschen, die sich von der antijuedischen Politik Hitlers scharf abgegrenzt hatten,  […] innerhalb und ausserhalb Deutschlands sehr klein« sei; sie bemängelte auch, seitens der BFD bestehe zwar ein allgemeines Bekenntnis zur »Wiedergutmachung«, man höre jedoch nichts darüber, »wie […] sie sich diese« vorstelle.281 Angesichts dieser Stimmung sah sich im April 1944 Paul Merker gezwungen, einen auf der Titelseite des Freien Deutschland als »programmatisch« angekündigten Leitartikel zur »Zukunft der deutschen Juden« zu veröffent­ lichen, der als direkte Antwort auf Fragen »zur Stellung der Bewegung Freies Deutschland zum Antisemitismus und zu den aktuellen Problemen der deutschen Staatsbuerger juedischer Herkunft« gehalten war.282 Inhaltlich unterschied sich dieser Brief an einen Freund nicht sonderlich von seinem Text Hitlers Antisemitismus und wir vom November 1942, mit der Nuance, dass er nun stärker in die Zukunft gerichtet war. So betonte Merker, es müsse die »hoechste Pflicht und Verantwortung« der BFD sein, »im kuenftigen demokratischen Deutschland die Voraussetzungen zu schaffen,  […] allen juedischen Staatsbuergern, die in Deutschland weiter leben oder die trotz allem eine[s] Tages nach dort zurueckkehren wollen, vollkommene Gleichberechtigung, Achtung, Sicherheit, Schutz und wirtschaftlichen Aufstieg [zu] garantieren«. Zu diesen Voraussetzungen zählte er nicht nur die »Ausrottung des Antisemitismus [und] seiner Vertreter und Hauptnutzniesser«, sondern explizit auch den Ersatz des den deutschen Juden »durch die Nazihorden zugefuegte[n] unermessliche[n] moralische[n] und wirtschaftliche[n] Schaden[s]«.283 Merkers Forderung, emigrierten deutschen Juden müsste ohne Einschränkung die Rückkehr nach Deutschland ermöglicht werden, war in ihrer Deutlichkeit zweifelsohne eine bemerkenswerte Einladung, die in dieser Form etwa seitens des Moskauer Exils nicht erfolgte.284 Doch auch wenn aus seinem Text entschiedene Empathie für das »furchtbare Leid, das der Nazismus den Juden zufuegte«, und für das es »keine Entschuldigung« gebe, sprach, waren Merkers Äußerungen nicht so selbstlos, wie sie erscheinen mögen. Wie bereits 1942 hatte er vielmehr darauf zu reagieren, dass die deutschsprachige jüdische Emigration in Mexiko und Lateinamerika als Bündnispartner der BFD beziehungsweise des LAK abhanden zu kommen drohte.285 Mit der Wendung des Krieges wurde schließlich die Frage einer möglichen Rückkehr virulent, die ein Großteil der deutschsprachigen Juden jedoch offenbar kategorisch ausschloss. Ferner untergrub deren Kritik, alle Deutschen seien gleich und von ihnen keine Besserung zu erwarten, die von Merker und dem Freien Deutschland stets hervorgebrachte Behauptung, in Deutschland existiere eine nennenswerte Untergrundbewegung, die nur darauf warte, loszuschlagen. Diese 168

gebetsmühlenhaft vorgetragene Beteuerung, die umso stärker artikuliert wurde, je näher das Kriegsende rückte,286 war nicht nur zentral, weil sich in ihr das kommunistische Selbstverständnis ausdrückte, Vertreter der Massen zu sein; sie war auch in Bezug auf die bevorstehende Nachkriegsordnung von Bedeutung, hinsichtlich derer es galt, die Kommunisten als verlässliche Vertreter einer neuen demokratischen Ordnung in Stellung zu bringen. Immer noch galt die seit 1933 konservierte kommunistische Devise, Hitler stelle nur eine Etappe auf dem Weg zur sozialistischen Gesellschaftsordnung dar, also müsse eine starke und glaubwürdige kommunistische Bewegung bereitstehen, nach der nun absehbaren Niederlage die Macht zu übernehmen, um entweder einer bürgerlichen Regierung oder der dauerhaften alliierten Besetzung Deutschlands zuvorzukommen. Auch wenn Merker ohne direkten Kontakt zur KPD -Führung in Moskau war, die nach der Wende von Stalingrad ähnliche Überzeugungen zum Ausdruck brachte,287 entpuppte er sich einmal mehr als überzeugter Kommunist, dessen Referenzpunkt die (aus kommunistischer Sicht gescheiterte) Revolution von 1918 war. Und noch in einem weiteren Punkt reichten Merkers Beweggründe, zur »Zukunft der deutschen Juden« Stellung zu nehmen, über Mexiko hinaus, wie einem Artikel mit dem Titel Lord Vansittart, Friedrich Stampfer und die deutsche Untergrundbewegung vom Juni 1944 zu entnehmen ist.288 Auch außerhalb jüdischer Kreise wurde die Debatte um den Charakter Deutschlands geführt, vor allem im englischen und amerikanischen Exil. In England erfreuten sich die Thesen Lord Vansittarts weiter Verbreitung, der den Deutschen ein unveränderlich aggressives Nationalbewusstsein attestierte und deshalb die deutsche Staatlichkeit auf Dauer zerschlagen sehen wollte;289 in Nordamerika fand diese Haltung – wenngleich man Vansittart ablehnte – Gehör im vornehmlich sozialdemokratischen Milieu wie der New Yorker German Labour Delegation und bei deren Mitglied Friedrich Stampfer, dem langjährigen Chefredakteur des Vorwärts.290 Auch Vansittart und Stampfer stützten sich auf das Argument, es gebe in Deutschland keine Untergrundbewegung, die Deutschen würden Hitler also weithin unterstützten.291 Noch stärker freilich dürfte Merkers Unwillen dadurch hervorgerufen worden sein, dass Stampfer vor einer sowjetischen Machtausdehnung mit Ende des Krieges warnte und er den Kommunismus Stalins als »despotisch« ablehnte.292 Die Weigerung des New Yorker Kreises, mit den Kommunisten zusammenzuarbeiten und sich gleichermaßen als Kämpfer gegen Hitler wie Stalin zu verstehen, rief deshalb wiederholt den geballten Unmut Merkers hervor. In seinen Augen hatten »Stampfer und sein Kreis […] das moralische Recht verwirkt, im Namen der deutschen Demokraten oder gar im Namen der deutschen Untergrundbewegung zu sprechen«.293 169

Da sich aus Merkers Sicht die Kritik jüdischer Emigranten in Mexiko also gar nicht vordergründig an der Frage der Rückerstattung entzündete, sondern vielmehr an ihrer Ablehnung, nach Deutschland zurückzukehren, wurde die in Aussicht gestellte »Wiedergutmachung« in seinen Überlegungen folgerichtig ein unverzichtbarer Anreiz, deutsche Juden zur Rückkehr nach Deutschland zu bewegen. Aus dieser Perspektive dürfte die Anerkennung einer grundsätzlichen »Wiedergutmachung« zwar glaubhaft der Überzeugung entsprungen sein, dass unter den Nazis begangenes Unrecht aufgehoben werden müsse (und könne), und doch wohnte ihr – wie schon 1942 – ein starker instrumenteller Zug inne. Wenig überraschend war auch Leo ­Zuckermann in dieser Frage auf Parteilinie. So sekundierte er Merker nicht nur hinsichtlich Restitution und Entschädigung und sicherte den deutschen Juden zu, ihnen müsse zusätzlich zur »vollstaendigen Gleichberechtigung« in Deutschland die Möglichkeit offenstehen, neben der deutschen auch andere Staatsbürgerschaften anzunehmen.294 Sein Beitrag zum Rechtsanspruch der deutschen Juden auf Wiedergutmachung vom September 1944 endete mit den Worten: »Die Staerke, mit der die Wiedergutmachungsansprueche der deutschen Juden geltend gemacht werden, haengt also in entscheidendem Masse davon ab, dass in Deutschland der Faschismus mit seinen Wurzeln ausgerottet und die Errichtung der neuen Demokratie staatsrechtlich wie oekonomisch gesichert wird.«295

»Ausrottung der Wurzeln des Faschismus« meinte in kommunistischer Lesart jedoch stets Enteignung der »Imperialisten« und Großgrundbesitzer, das heißt Umsetzung einer sozialistischen Wirtschaftsordnung; »Errichtung der neuen Demokratie« und ihre »staatsrechtlich[e] wie oekonomisch[e]« Absicherung respektive die Vorherrschaft der Partei der Arbeiterklasse. Dass sich diese gegenüber jüdischen »Kapitalisten« und ihren Ansprüchen auf Restitution oder Entschädigung besonders aufgeschlossen zeigen würde, stand zumindest aus Perspektive der Zwischenkriegszeit nicht zu erwarten. Dennoch geht man fehl, würde man Zuckermanns Befassung mit der Restitutionsfrage entlang der Prämissen, die Merker mit dieser verband, allein als Gefolgschaft der Parteilinie deuten. Genau genommen hatte er eine zusätzliche Agenda, wie an seinem eingangs zitierten Beitrag für die Tribuna Israelita und dem Stellenwert, den er dort der Reparationsfrage einräumte, deutlich wird. Während Merker in seinen politischen Texten das Problem der »Wiedergutmachung« stets an den deutschen Juden behandelte, hatte Zuckermann in seinem Beitrag ganz selbstverständlich die Juden als solche als anspruchsberechtigt dargestellt, genauer: er bezeichnete neben den völkerrechtlich anerkannten Nationen »das jüdische Volk« als »Gläubiger« der »Wiedergutmachung des durch den Nazifaschismus verursachten Schadens«.296 Über die 170

deutschen Juden hinaus hatte er demnach alle von der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik betroffenen Juden überall im deutschen Herrschafts­ bereich, ja »die Juden auf der ganzen Welt« vor Augen. Zudem galt sein Text nun weniger, wie noch seine Ausführungen vom September 1944, der Frage, wie die Restitution geraubten Vermögens konkret aussehen beziehungsweise auf welcher rechtlichen Grundlage sie durchgeführt werden könne, sondern vornehmlich dem Nachweis, dass ein solcher Anspruch bestehe und das jüdische Volk zu dessen Vertretung zur Teilnahme an der Friedenskonferenz zugelassen werden müsse.297 Als gewissenhafter Jurist, der er war, muss Zuckermann klar gewesen sein, dass ein solches Anrecht nach den geltenden völkerrechtlichen Grundsätzen nicht zu realisieren war. Reparationen (wohlgemerkt nicht »Wiedergutmachung«) wurden für gewöhnlich nur zwischen Staaten gewährt;298 zudem verfügte »das jüdische Volk« – wenn es denn überhaupt ein solches gab – zum Zeitpunkt der gegen dieses Volk verübten Taten nicht über eigene Staatlichkeit, kollidierte Zuckermanns Auffassung also mit dem zu jener Zeit noch uneingeschränkt geltenden Rückwirkungsverbot völkerrechtlicher Vereinbarungen.299 Mit seiner Forderung begab er sich demnach nicht nur räumlich, sondern auch juristisch auf Neuland, wobei er den Anspruch offensichtlich primär als moralisch begründet erachtete: Aufgrund der »völlig neuen Situation«, die der Nationalsozialismus »für die Juden auf der ganzen Welt« geschaffen habe, hätten sie »das Recht erworben […] an Waffenstillstands- und Friedenskonferenzen« mit eigenen Delegierten teilzunehmen. Und auch im »Gewissen der Vereinten Nationen« (die zu dieser Zeit noch die Unterzeichner der Atlantik-Charta umfassten) habe sich diese »wichtige Veränderung in Bezug auf die Probleme des jüdischen Volkes« bereits vollzogen.300 Waren die Juden als solche und nicht als Staatsbürger feindlicher Nationen verfolgt worden, machte Zuckermann geltend, wären sie entsprechend als solche zu entschädigen. Dass eine Form der Entschädigung moralisch geboten war, hatte wohl seit 1933, also dem Beginn der Entrechtung im Reich nicht in Zweifel gestanden. Vor allem ab 1938, mit der Ausdehnung der antijüdischen Maßnahmen auf Österreich und den Novemberpogromen, waren der Vermögenstransfer und dann auch die Entschädigung deutscher Juden in jüdischen Kreisen diskutiert, die öffentliche Anmeldung derartiger Ansprüche jedoch für politisch inopportun erachtet worden.301 Ausgelöst durch das neue Wissen über das Ausmaß und die Form der Zerstörung aber nahm die Frage im Verlauf der Jahre 1943/44 neue Dringlichkeit an. Nicht von ungefähr fällt die anhebende Auseinandersetzung um Restitution im mexikanischen Exil, wie sie im Laufe des Jahres 1944 und dann vermehrt noch einmal im Sommer 1945 an der Menge von Leserbriefen, Veranstaltungen und Texten abzulesen ist, mit der 171

Verbreitung neuer Nachrichten zusammen. So nannten verschiedene Texte im Freien Deutschland oder der Demokratischen Post ab der Jahreswende 1943/44 mehrere Millionen getöteter Juden,302 und auch die Funktion »der Todeslager von Birkenau und Oswiecim« mitsamt der Tötung durch Gas303 wurde bekannt.304 Den Höhepunkt stellte das Vorrücken der Roten Armee auf Majdanek dar, das im Juli 1944 von der SS geräumt worden war. Berichte über die erstmalige Inaugenscheinnahme eines vormaligen Konzentrationslagers und zeitweisen Ortes der Vernichtung hatten sich bald in der gesamten westlichen Welt verbreitet, auch in Mexiko.305 Den daraufhin veröffentlichten Verlautbarungen der Merker-Gruppe war der Schock über die nun erstmals von alliierter Seite bezeugte Tötung durch Gas und den industriegleichen Einsatz von Verbrennungsöfen eingeschrieben. Besondere Abscheu riefen die in Majdanek vorgefundenen Zeugnisse der Vernichtung hervor: die verkohlten oder skelettierten Überreste Ermordeter ebenso wie die unzähligen Habseligkeiten, Kleidungstücke und Schuhe aus aller Herren Länder.306 Merker sprach deshalb in Anbetracht der »Nachrichten ueber das Mordkamp Majdanek« von »wortlose[m] Entsetzen und brennende[r] Scham« und brachte die Überzeugung zum Ausdruck, die BFD dürfe »in den Tagen der Vergeltung« nur ein Wunsch beseelen, dass ihr nämlich bei dieser »niemand in den Arm fallen moege«.307 Selbst Alexander Abusch, für gewöhnlich einer der linientreuesten Redakteure des Freien Deutschland, gab angesichts »der Enthuellung von Hitlers und Himmlers Todesfabriken« zu Protokoll, diese überträfen »alles an Grausamkeit, was wir uns vorstellen konnten. Keine Vorstellungskraft konnte ausreichen, eine solche ueberdimensionale Bestialitaet mit modernster Technik zu erwarten.«308 Als Angehöriger des Exekutivkomitees des LAK gehörte auch Zuckermann zu den Unterzeichnern einer Erklärung »Zu Hitlers Todesfabriken«, die das Freie Deutschland im Oktober 1944 abdruckte, und in der man erklärte, sich »erschuettert vor diesen hilflosesten aller Opfer in den Todesfabriken Hitlers und Himmlers« zu verneigen.309 Der ohnehin ausgezeichnet über die Vorgänge in Europa informierte Zuckermann dürfte aufgrund der Nachrichten indes noch aus einem anderen Grund »erschuettert« gewesen sein: Lublin, wie das Konzentrations- und Vernichtungslager Majdanek bisweilen in der Presse bezeichnet wurde, weil es in einem Vorort der ostpolnischen Stadt errichtet worden war, war nicht nur sein Geburts-, sondern auch der frühere Wohnort eines Teils seiner Familie gewesen. Vor allem aber verschaffte die Kriegswende der Forderung nach gebotener Rückerstattung und Entschädigung Auftrieb. Wie Zuckermann im September 1944 schrieb, werfe der »bevorstehende Zusammenbruch der Nazidiktatur« seinen Schatten voraus, als »Millionen von Juden« die Frage beschäftige, »ob das ihnen geschehene Unrecht wiedergutgemacht wird«.310 Ein solches hatten 172

seit 1933 nicht nur die deutschen Juden erfahren, sei es anfangs in Form aufgelöster Angestelltenverhältnisse, des anhaltenden Boykotts und dem Erlöschen von Renten- und Pensionsansprüchen, später dann durch Unterwertverkäufe ihres Besitzes oder der ab 1938 schlichtweg erzwungenen »Arisierung« von Vermögen, Unternehmen und Immobilien.311 Vielmehr hatten Verfolgung und Ermordung der Juden überall im deutschen Herrschaftsbereich das Problem geraubten jüdischen Vermögens, und was mit ihm geschehen würde, in einem größeren Maßstab aufgeworfen.312 In diesem Sinne betraf der »Anspruch auf Wiedergutmachung«, den Zuckermann zunächst für die deutschen Juden, dann aber auch für »das jüdische Volk« als solches hinsichtlich staatlicher Akte und der Bereicherung durch Einzelpersonen geltend machte, die Rückgabe oder Entschädigung konkreten geraubten Vermögens und Eigentums. Und mit ihm verband sich ganz zentral der Aspekt der Wiederherstellung von Gerechtigkeit. »Zuzulassen, dass Diebe und ihre Erben ihre Beute behalten«, argumentierte Zuckermann deshalb im Januar 1945, würde nicht nur »neue Raubüberfälle fördern«; wenn zudem »der Glaube an die Gerechtigkeit in der Welt wiederhergestellt werden [solle], müssen alle Gangster, Komplizen und sonstigen Missbrauchsverursacher das Gestohlene zurückgeben und die entstandenen Schäden reparieren«.313 Auch diese Frage betraf ihn am eigenen Leib. Ab dem Bekanntwerden der Vernichtung im Herbst 1942 mussten er und sein Bruder davon ausgehen, dass sie selbst wider Willen zu Erben des elterlichen Vermögens, darunter des Wohnhauses in Wuppertal, geworden waren, und sich dieses Erbe in fremder Hand befand. Mit seiner Einschätzung einer »völlig neuen Situation« und daraus resultierenden Schlussfolgerungen hinsichtlich der »Wiedergutmachung« für die Juden als Kollektiv bewegte sich Zuckermann einmal mehr in der Nähe eines alten Bekannten, genauer, des World Jewish Congress, der zur selben Zeit mit ähnlichen Überlegungen an die Öffentlichkeit trat. Ab 1941, mit der Gründung des Institute of Jewish Affairs (IJA) in New York, hatte der WJC die Konzeption eines jüdischen Nachkriegsprogramms aufgenommen, womit er ideell wie personell in der Tradition seines 1919 ins Leben gerufenen Vorgängers, des Comité des délégations juives stand, das sich als demokratisch legitimierte Vertretung der Judenheiten des östlichen Europa begriff und in deren Namen Forderungen an die Pariser Friedenskonferenz gerichtet hatte.314 Unter den Themen, die das IJA als zentral für die Ausarbeitung eines jüdischen Nachkriegsprogramms erachtete, stach neben der Ahndung von Kriegsverbrechen und der Lösung des Migrationsproblems die Reparationsfrage hervor.315 Auch im IJA hatte man den Umschlag in die Vernichtung registriert ebenso wie die Tatsache, dass die Verfolgung den Juden als Gruppe galt. Dies bedeutete, wie man in New York im Laufe des Jahres 1943 feststellte, 173

dass die traditionelle Klientel des WJC , die Judenheiten des östlichen Europa, nach dem Krieg nicht mehr existieren würde.316 Von Beginn an hatte das New Yorker Forschungsinstitut deshalb nicht nur versucht, möglichst genaue Angaben über das Ausmaß des an den Juden begangenen Raubes in Europa zu erheben, um so eine Gesamtsumme schätzen zu können; man beobachtete auch die Gesetzgebung in den einzelnen Ländern und stellte aus innerstaatlicher und völkerrechtlicher Perspektive erste Überlegungen zur Lösung der Reparationsfrage an. Speziell die völkerrechtlichen Vorschläge betraten dabei Neuland, wie Nehemiah Robinsons 1944 im Auftrag des IJA veröffentlichter Studie Indemnification and Reparations zu entnehmen ist. Darin schlug er vor, eine international anerkannte Treuhändergesellschaft, eine Jewish Agency for Reconstruction, zu gründen, die das Eigentum in Vertretung der Ermordeten erhalten und verwalten sollte. Von dieser aus müssten die Mittel der Wiederansiedlung jüdischer Flüchtlinge und dem Wiederaufbau zerstörter jüdischer Gemeinden zugutekommen, wenngleich außerhalb Deutschlands und mit einem Schwerpunkt in Palästina.317 Ausschlaggebend für diesen Vorschlag waren zwei spezifisch für die Juden als Gruppe geltende Charakteristika, die aus der Besonderheit ihrer Verfolgung resultierten: Zunächst das Problem »abwesender Personen« (»problems relating to absent persons«), die aufgrund von Emigration, Vertreibung oder Deportation nicht länger an ihrem angestammten Wohnort lebten und dorthin auch unter keinen Umständen zurückkehren wollten, für die demnach sichergestellt werden musste, dass sie ihre Ansprüche überhaupt an dem betreffenden Ort durchsetzen konnten; vor allem aber die »große Ungerechtigkeit«, dass sogenanntes erbenloses Vermögen (»property without heirs«), das heißt, der Besitz sowohl von zu Hunderttausenden ermordeten Juden als auch von ausgelöschten jüdischen Körperschaften, die nach Lage der Dinge keine Erben mehr hatten, nach geltendem Recht an den Staat fallen würde – womöglich sogar an Deutschland.318 Mittels deren Erbe, so die Überlegung Robinsons, sollte nicht nur den Ermordeten Gerechtigkeit widerfahren, sondern zugleich der Neuaufbau finanziert werden. In der Tat war Zuckermann die Argumentation des WJC bekannt. Genau genommen hatte sich sein Kontakt zu dessen mexikanischem Büro unter der Leitung von Kate Knopfmacher im Verlauf der Jahre 1943/44 in einer Weise intensiviert, die seine Äußerungen vom Januar 1945 nicht länger als Überraschung erscheinen lassen. Nicht zuletzt durch seinen Eintritt in die Anwaltskanzlei Carmen Oteros hatte diese Beziehung eine neue Qualität angenommen. Von nun an nahm Knopfmacher die Dienste Zuckermanns als Anwalt in Anspruch, wenn es etwa um die Erteilung von Visen für Mitarbeiter des WCJ ging, die nach Mexiko einreisen wollten;319 die Beziehung zu 174

Carmen Otero erwies sich dabei als nützlich, da sie dem Büro in Mexiko-Stadt im Frühjahr 1944 beispielsweise die Haltung der mexikanischen Regierung darlegte, die letztere zur rechtlichen Stellung von Emigranten nach dem Krieg einzunehmen gedachte.320 Auch inhaltlich arbeitete man zusammen. Als zur Jahreswende 1943/44 publik wurde, dass eine Reihe jüdischer Flüchtlinge polnischer Herkunft, die gemeinsam mit etwa 1500 Polen in dem mexikanischen Flüchtlingslager Santa Rosa untergebracht waren, von diesen »terrorisiert« wurden, beauftragte man Zuckermann mit der Erstellung eines Papiers, wie ihnen geholfen werden könne.321 In jedem Fall arbeitete Zuckermann derart häufig mit Knopfmacher, und nach deren Weiterreise nach New York im Januar 1944, auch mit ihrem Nachfolger Moises Glikowski zusammen, dass beide ihn in ihrer Korrespondenz schlicht als »den Anwalt« bezeichneten.322 Noch 1946 berichtete Knopfmacher nach Mexiko, Zuckermann sei »uns in unseren Angelegenheiten immer sehr behilflich« gewesen.323 In seiner Funktion als gelegentlicher »Anwalt« des mexikanischen Büros des WJC war Zuckermann zweifelsohne mit den Diskussionen in New York vertraut. Zwar gibt es keinen direkten Beleg, dass er Nehemiah Robinsons Studie konsultiert hätte (obwohl letzterem die Diskussionen der BFD bekannt waren);324 im Februar 1944 zitierte Zuckermann jedoch in einem Artikel über die Entwicklung des Flüchtlingsproblems nach dem Krieg aus einer Studie des IJA325 und Carmen Otero bat im März 1944 in ihrer Funktion als Sekretärin einer mexikanischen Vereinigung gegen Rassendiskriminierung Glikowski darum, ihrem – und damit auch Zuckermanns – Büro zukünftig sämtliches Schrifttum des WJC zu jüdischen Gegenwartsfragen zukommen zu lassen.326 Vor allem aber war Zuckermann zugegen, als der WJC ab Mitte 1944 daran ging, sein Nachkriegsprogramm weltweit publik zu machen, darunter in Mexiko. Zur Vorstellung seiner Nachkriegsforderungen hatte dieser seit 1943 eine internationale Konferenz in Aussicht gestellt, die nach einiger Verzögerung für November 1944 nach Atlantic City an der amerikanischen Ostküste einberufen wurde.327 Zur Propagierung der Kongressidee wiederum und zum Sammeln von Spenden unternahm Nahum Goldmann im Sommer 1944 ausgedehnte Reisen nach Lateinamerika, die ihn im August erneut nach Mexiko führten. Zuckermann war darin nicht nur insofern involviert, als er es war, der im Auftrag Glikowskis die Beantragung eines mexikanischen Visums für Goldmann erledigte;328 er nahm als Vertreter der BFD auch an mindestens einer Veranstaltung teil, an einer Pressekonferenz, die Goldmann nach seiner Ankunft abhielt.329 Ob er in diesem Zusammenhang Gelegenheit erhielt, sich persönlich mit Goldmann auszutauschen, mit dem er ja aufgrund seiner Tätigkeit für das Asylrechtsbüro in den späten 1930er Jahren bekannt war, ist denkbar, jedoch nicht überliefert und angesichts Goldmanns 175

vollem Terminkalender und Prominenz fraglich. Dieser hielt während seines achttägigen Aufenthaltes mehr als ein Dutzend Treffen und Empfänge mit Vertretern sämtlicher Strömungen der mexikanischen Judenheiten und Regierungsstellen ab.330 Dennoch kann man aus den Abläufen ableiten, dass Zuckermann spätestens im August 1944 mit dem Programm des WJC hinsichtlich der jüdischen Nachkriegsforderungen in direkten Kontakt kam, ja, dass es eine Art Blaupause für die Entwicklung seiner eigenen Argumentation darstellte, wie er sie in der Tribuna Israelita formulierte. Wie ihm dabei kaum entgangen sein konnte, nahm die »Wiedergutmachungsproblematik« in Goldmanns Analyse der jüdischen Gegenwart und die aus ihr zu ziehenden Schlüsse für die Zukunft einen zentralen Stellenwert ein. Dies ist jedenfalls dessen überlieferten Ausführungen von der Konferenz in Atlantic City zu entnehmen, von denen anzunehmen ist, dass er sie sinngemäß in Mexiko vortrug. In seinem Eingangsstatement ging Goldmann nämlich von der Frage aus, was bezüglich des präzedenzlosen Massenmordes an den Juden gerechtfertigter wäre »als zu verlangen, dass zumindest das jüdische Volk als Ganzes als Erbe seiner ermordeten Kinder angesehen wird«. »Es würde bedeuten«, fuhr er fort, »der Tragödie noch zu spotten, würden nichtjüdische Einzelne, nichtjüdische Gemeinschaften und Regierungen Erben dieses Eigentums werden, das, soweit nicht rechtlich, so doch fraglos moralisch der jüdischen Gemeinschaft gehört und zum Wiederaufbau jüdischen Lebens und jüdischer Zukunft verwendet werden muss.«331 Auch Goldmann ging demnach zentral von dem moralischen Problem aus, das die Frage des zukünftigen Verbleibs geraubten jüdischen Vermögens aufwarf; zudem präsentierte er eine völkerrechtliche Lösung hinsichtlich des daraus resultierenden Vertretungsanspruches, wie er überhaupt »vom jüdischen Volk als Ganzes« sprach. Diese Ausführungen Goldmanns dürften ihren Eindruck auf Zuckermann nicht verfehlt haben. Hatte dieser im September 1944 in der Demokratischen Post zunächst noch weitgehend neutral über Goldmanns Pressekonferenz berichtet,332 hieß es im Januar 1945 – also zeitgleich zu seiner Veröffentlichung in der Tribuna Israelita –, angesichts eines »ueberfuellten Klub-Abend[s] im Hause der Freien Deutschen«, der gemeinsam von Merker und Zuckermann anlässlich der Konferenz von Atlantic City ausgerichtet worden war, über ihn: »Er [Zuckermann] begruesste die Ergebnisse und Beschluesse dieser wichtigen Tagung, die unter anderem fordern: die Wiederherstellung der juedischen Rechts­ position im internationalen Masstabe, die Rueckgabe des geraubten juedischen Vermoegens, eine eigene juedische Vertretung, wirksame Hilfe fuer das europaeische Judentum und ruecksichtslose Bestrafung der Verbrechen an den Juden, auch wenn sie vor Ausbruch des Krieges begangen wurden.«333 176

Die Überschneidungen von Zuckermanns Positionen, wie er sie in seinem Beitrag für die Tribuna Israelita zum Ausdruck brachte, zum Nachkriegsprogramm des WJC , wie es maßgeblich von Robinson formuliert und von Goldmann vorgetragen wurde, sind evident. Genau genommen lässt sich seine Position als weitgehend im Einklang mit der Argumentation des WJC , wenn nicht von dieser inspiriert bezeichnen. Allerdings machte er sich dessen Restitutionsvorstellungen nicht in Gänze zu eigen. Die Forderung, erbenloses Vermögen müsse an eine jüdische Treuhänderorganisation übergehen, die es dann zum Aufbau Palästinas und jüdischer Gemeinden in der Diaspora verwenden würde, übernahm er nicht beziehungsweise nicht öffentlich, und dies wohl deshalb, weil sie im Widerspruch zu dem von ihm und Merker verfochtenen Ziel stand, Deutschlands Ansehen und das der BFD (auch) durch die Rückkehr emigrierter deutscher Juden aufzuwerten. Womöglich waren hier bereits Erwägungen hinsichtlich der sowjetischen Reparationen und ihrer Finanzierung ursächlich, wie überhaupt die Frage einer zukünftigen deutschen Wirtschaftsordnung, die in den Augen eines Kommunisten wesentlich auf dem Prinzip der Verstaatlichung aufbauen würde. Und schließlich konnte er die vom WJC in Atlantic City ausgesprochene Empfehlung, deutsche Juden mögen nicht nach Deutschland zurückkehren,334 schlechterdings nicht unterstützen. Während es für Zuckermann mit Blick auf die Parteilinie demnach nicht opportun war, seine bisherige Auffassung zur individuellen Restitution der deutschen Juden öffentlich um das vom WJC vorgebrachte Argument erbenlosen Vermögens zu erweitern, hatte er sich die zugrundeliegende Vorstellung der Juden als Volk und daraus resultierender Ansprüche sehr wohl zu eigen gemacht. Denn dass die Juden aufgrund des spezifischen Charakters ihrer Verfolgung durch die Nazis zu einem Kollektiv geworden waren, entsprach in weiten Teilen auch seiner Wahrnehmung. Hatte er die Verfolgung der Juden schon länger, spätestens seit 1942, als Krieg gegen diese gewertet und die »Wiedergutmachung« der Schäden als gebotenes Mittel zur Wiederherstellung von Gerechtigkeit, so erlaubte die völkerrechtliche Fixierung dieser Erfahrung, wie der WJC sie vornahm, Zuckermann den Anschluss an dieselbe. Sie war ja nicht nur in juristischer Hinsicht revolutionär, da, würde der Vorschlag einer Vertretungsinstanz umgesetzt werden, die Juden in den Status eines völkerrechtlich anerkannten Subjekts rückten, und dies unter Umgehung des allgemein anerkannten Rückwirkungsverbotes. Das Fundament der juristischen Formulierung, also die Erfahrung der absoluten Verfolgung war auch, wie der Historiker Dan Diner schreibt, »für das weltweite jüdische Selbstverständnis von einschneidender Wirkung«, insofern sie den vormaligen, »emanzipationsgeschichtlich begründeten Verschieden177

heiten der unterschiedlichen Judenheiten« den Boden zu entziehen schien.335 Zuckermann kann nachgerade als ideale Personifikation dieser Beobachtung angeführt werden, vergegenwärtigt man sich, dass ein Leitmotiv seiner politischen Biografie bis zu diesem Zeitpunkt – die Neutralisierung der jüdischen Herkunft –, angesichts der nationalsozialistischen Vernichtungsdrohung hinfällig geworden war, er bei den »Generationen von Juden«, die sich der »völlig neue[n] Situation« nicht entziehen konnten, obwohl sie einem »extrem fortgeschrittenen Assimilationsprozess« ausgesetzt gewesen waren, im Grunde also über seine eigene Person sprach. Hatte die präzedenzlose Verfolgung und der Fakt, dass sie Zuckermann bei einem Scheitern seiner Flucht ebenso getroffen hätte, bei ihm dazu geführt, dass er sich nolens volens als Angehöriger des jüdischen Volkes verstand, dann war es nun, mit Aussicht auf ein Ende des Krieges, naheliegend zu fordern, die diesem Kollektiv entstandenen Verluste zu entschädigen, und zwar nicht nur in individueller, sondern auch in kollektiver Hinsicht. Wenngleich sich also Zuckermann bereits seit Längerem mit derartigen Überlegungen getragen haben mochte, wird deutlich, dass es vornehmlich die Konzeptionen des WJC waren, die ihm eine Möglichkeit eröffneten, die durch die Kenntnis der Vernichtung ausgelöste Wieder­aneignung seiner jüdischen Herkunft in politische Forderungen zu übersetzen, und dies unter gleichzeitiger Wahrung eines kommunistischen Selbstverständnisses. Zugleich boten sie die Gelegenheit, der als besonders erkannten Spezifik der jüdischen Verfolgung gegenüber dem Schicksal politischer Opfer Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Bleibt die Frage, was Zuckermann zu dieser Wahrnehmung befähigte, andere (jüdische) Angehörige der Merker-Gruppe hingegen nicht. Während Kommunisten wie Alexander Abusch, Erich Jungmann, Hilde Neumann oder Anna Seghers kaum weniger betroffen waren von der »völlig neuen Situation«, da sie mit den Nachrichten ebenso konfrontiert waren und um das Wohl von Familienangehörigen in Europa bangten, blieb eine ähnliche Reaktion, in der sie ein wiedergewonnenes Selbstverständnis als Juden an den Tag legten, bei ihnen nachweislich aus. So nahm Abusch zwar die Nachrichten von der Befreiung Majdaneks mit erkennbarer Bestürzung zur Kenntnis, weil ihn die »Kinderschuhe von Majdanek« unter anderem »an unsere eigenen Kinder« denken ließen; gleichwohl nannte seine Aufzählung der in der Chiffre »Majdanek« zusammengefassten Opfer Juden nicht explizit beim Namen, schloss dafür aber den Gedanken »an unsre Kampfgefaehrten von Berlin und der Ruhr, [an] Thaelmann und Breitscheid« mit ein.336 Seghers wiederum, die in ihrer 1944 entstandenen Erzählung Der Ausflug der toten Mädchen auf eindringliche Weise das Schicksal ihrer 1942 deportierten Mutter verarbeitete, ließ der Spezifik der jüdischen Verfolgung praktisch keine 178

Bedeutung zukommen, verwob sie jedoch mit dem Bombentod ihrer früheren (deutschen) Klassenkameradinnen.337 Eine möglicherweise wiederentdeckte Zugehörigkeit zum »jüdischen Volk« zum Ausdruck zu bringen, sahen sich beide jedenfalls nicht veranlasst. Hinsichtlich dieser Frage fällt freilich auf, dass die jüdischen Angehörigen der Merker-Gruppe im Grunde zwei Lager bildeten. Denn mit den Genossen Leo und Otto Katz, Egon Erwin Kisch und Bruno Frei gab es durchaus Personen, die sich des jüdischen Themas in vergleichbarer Weise wie Zuckermann annahmen. Am stärksten stach darin sicherlich Leo Katz hervor, mit dem Zuckermann im Übrigen eine enge Freundschaft verband.338 Von ihm stammte der Großteil der Beiträge im Freien Deutschland, die sich mit der Verfolgung beschäftigten;339 zudem verarbeitete er die Nachrichten aus Europa literarisch, wie sein 1944 erschienener Roman Totenjaeger nahelegt, der das Schicksal der Juden der Bukowina zum Gegenstand hat.340 Darüber hinaus war Leo Katz federführend daran beteiligt gewesen, unter den jiddischsprachigen Emigranten in Mexiko-Stadt Verbündete zu finden, so durch die Gründung der Liga Israelita Pro-Ayuda a la Union Sovietica oder über die von ihm als Herausgeber verantwortete jiddische Zeitschrift Fraye welt.341 Dasselbe Milieu hatte Otto Katz im Blick, dem die Idee zur Gründung der Tribuna Israelita zugeschrieben wird.342 Die nur schwer zu durchschauenden Aktivitäten dieses schillerndsten Angehörigen der Merker-Gruppe, dem sowohl ein Leben als Geheimagent als auch Affären mit Hollywood-Schauspielerinnen nachgesagt werden,343 reichten dabei von außenpolitischen Leitartikeln im Freien Deutschland, in denen er Stalin pries,344 bis hin zu Kontakten mit der von Mitgliedern der jüdischen Gemeinde gegründeten Logia Spinoza No.  1176 de Bené Berith.345 Seine freundschaftlichen Kontakte in höchste Stellen der mexikanischen Gesellschaft, zu Toledano und zum sowjetischen Botschafter Umansky, die seinen Einsatz für jüdische Belange teilten, verliehen ihm und der Problematik zusätzlichen Einfluss. Egon Erwin Kisch schließlich, der politisch weniger stark in Erscheinung trat, widmete als Beiträger der Tribuna Israelita jüdischen Themen ebenfalls ganz selbstverständlich Raum;346 Bruno Frei hingegen, der sich selten, bis auf die Debatten um die Ermordung Alters und Erlichs, explizit mit jüdischen Fragen befasste, redete in auffälliger Weise einer von Deutschland losgelösten österreichischen Staatlichkeit das Wort.347 Der gemeinsame Nenner dieser Gruppe altgedienter Kommunisten innerhalb des Merker-Kreises war ihre Herkunft aus Österreich-Ungarn. Leo Katz etwa stammte aus dem bis 1918 zu Österreich gehörenden Teil der Bukowina, Bruno Frei hingegen war in Pressburg (Bratislava) geboren und in Wien aufgewachsen. Kisch wiederum, der aus einer alteingesessenen Prager jüdischen Familie kam, und Otto Katz, der in der südböhmischen Provinz geboren war, 179

besaßen jeweils die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft. Zwar hatten alle vier in der Zwischenkriegszeit die Nähe zur deutschen kommunistischen Bewegung gesucht und waren sukzessive nach Berlin übergesiedelt, wo sie im Umfeld der KPD aktiv wurden: Leo Katz als Redakteur der Zeitung Die Rote Fahne, Otto Katz als Mitarbeiter in Münzenbergs rotem Presseimperium, Kisch als »rasender Reporter« und Mitglied des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller Deutschlands und Frei als Herausgeber der ebenfalls von Münzenberg verlegten Tageszeitung Berlin am Morgen.348 Während sie sämtlich zu dieser Zeit und in den 1930er Jahren als Bilderbuchkommunisten agierten, die klaglos entsprechende Aufträge der KPD ausführten, trat im mexikanischen Exil zunehmend eine Entfremdung von der deutschen Partei ein, wie vor allem an Leo Katz und Bruno Frei abzulesen ist. Ihren Höhepunkt fand diese Abwendung (die nicht bedeutete, dass man sich fortan gänzlich aus dem Weg ging) im Herbst 1943, als Katz und Frei die Merker-Gruppe verließen, sich der österreichischen Exilgruppe ARAM anschlossen und fortan eine eigene Zeitschrift, Austria Libre, herausgaben.349 Auslöser der Meinungsverschiedenheiten mit Merker war dessen fortgesetzter positiver Bezug auf Deutschland, also genau jene Beschwörung des deutschen Widerstandes, den schon die deutschsprachigen Juden in Mexiko beklagt hatten. Während sich beispielsweise Katz darüber empörte, dass Merker unbeeindruckt »seine Überzeugung ausdrückte, die Mehrheit des deutschen Volkes bestehe aus Nazigegnern«,350 gab Frei später zu Protokoll, die hartnäckigen Beteuerungen Merkers, »die Mehrheit des deutschen Volkes sei Hitler feindlich gesinnt«, hätten ihn nicht länger überzeugt.351 Auch deshalb kam der von den Alliierten im Zuge der Moskauer Erklärung vom Oktober 1943 in Aussicht gestellten Wiedererrichtung Österreichs als eigenständigem Nationalstaat besondere Bedeutung zu, kann doch als gesichert gelten, dass sich das Unbehagen an Merkers permanenter Verteidigung Deutschlands wenn nicht allein an der Verfolgung der Juden entzündet hatte, so doch von dieser befördert wurde. Die größere Sensibilität für das jüdische Schicksal wiederum dürfte auf eine stärkere Vertrautheit mit Residuen jüdischer Herkunft zurückzuführen sein. So waren die jüdischen Lebenswelten des östlichen Europa bis weit in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts viel stärker von kollektiven Erfahrungen geprägt. Zumindest hatten sich weite Teile ihrer Bevölkerungen angesichts der nur spät sich durchsetzenden Modernisierung Merkmale einer in Sprache, Religion, Erwerbsleben und äußerem Erscheinungsbild distinkten ethnischen Gruppe ungleich stärker bewahrt als die assimilierten Juden West- und Mitteleuropas.352 Auch in politischer Hinsicht zeitigten diese Vorstellungen Auswirkungen, wenn etwa im östlichen Europa selbst explizit sozialistische Organisationen wie der Bund ein anderswo undenkbares Bekenntnis zur 180

jüdischen Nation abgelegt hatten.353 Vor allem an Leo Katz wird deutlich, wie das Fortwirken dieses Erbes Einfluss auf seine Wahrnehmung der Verfolgung ausübte. So erinnerte sich dessen Sohn Friedrich Katz, unter welchem Eindruck sein Vater bei der Abfassung von Totenjaeger stand. Zwar hätte es in Mexiko »einige Zeitungen und Nachrichten über die Ausrottung der Juden [gegeben], aber, was spezifisch in Rumänien vor sich ging, war ihm natürlich nicht bekannt. […] Und dadurch war er gezwungen, sich eigentlich auf seine Erinnerungen, auf Zeitungsnachrichten, auf seine Phantasie, auf seine Vorstellung, wie es sein könnte, zu verlassen.«354 Diese in der Abgeschiedenheit des mexikanischen Exils angerufene Erinnerung freilich rief Erfahrungen auf, die quer zu denen seiner reichsdeutschen Genossen lagen: zum einen die der Juden als quasi nationale Gruppe, zum anderen die einer Jahrhunderte zurückreichenden Verfolgungsgeschichte. Wenn Katz von Pogromen hörte, mochte er schließlich an die bisweilen gewalttätigen antijüdischen Aversionen der rumänischen Landbevölkerung denken, die er bereits 1940/41 in dem Roman Brennende Dörfer verarbeitet hatte, sowie an die heftigen antijüdischen Diskriminierungen seitens rumänischer Behörden in der Zwischenkriegszeit; darüber hinaus könnte er eigene Erlebnisse erinnert haben. Katz, aber auch Frei und Kisch, waren demnach eher dazu in der Lage, in der deutschen Vernichtungspolitik die gezielte Verfolgung und Auslöschung einer ganzen Bevölkerungsgruppe allein ihrer Herkunft wegen zu erkennen. Anders hingegen die deutschen Genossen, die biografisch viel stärker vom Paradigma der Klasse geprägt waren. Sie hatten das Judentum als Kollektiv nur noch in Rudimenten, etwa bei ihren Großeltern, wahrgenommen; zudem überwölbten der Erwartungshorizont einer unweigerlich eintretenden sozialistischen Revolution, die auf die Kämpfe des Kaiserreiches zurückgehende Dominanz sozialer Semantik wie auch die Abwesenheit ethnischer Konflikte im ethnisch weitgehend homogenen Reich die Wahrnehmung einer Verfolgung allein der Zugehörigkeit wegen.355 Im Fall von Katz, Frei und Kisch hingegen war diese Immunisierung, der sie bis zu Beginn des Zweiten Weltkrieges ebenso ausgesetzt gewesen waren, aufgrund ihrer Herkunft aus dem Habsburgerreich durchlässig geworden und hatte zu einer Wiederaneignung ihrer jüdischen Herkunft geführt. Leo Zuckermann lag mit seiner Biografie gewissermaßen zwischen diesen beiden Gruppen. Zwar war er zweifelsohne in Deutschland – und als Deutscher – sozialisiert worden, mit Deutsch als Muttersprache, der schulischen und akademischen Ausbildung, die ihn auf eine Laufbahn im deutschen Justizdienst vorbereitet hatte, und schließlich der Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft Ende der 1920er Jahre. Dennoch blieb ihm die Herkunft seiner Familie aus Kongresspolen stets gewahr, wie das bereits erwähnte Er181

staunen über die Tatsache, dass sein Vater – und damit auch er – »passmässig« russischer Staatsangehöriger war, schon früh belegt hatte.356 Und in der Tat gab Zuckermann später, als es gegenüber dem SED -Parteiapparat ratsam erschien, sich für sein Engagement zugunsten der Juden zu rechtfertigen, an, er stamme »aus einer ostjüdischen Familie, in der Jiddisch und Russisch gesprochen wurde, in der gewisse jüdische Traditionen und nationale Reste viel stärker vorhanden waren, als dies bei den Juden in Deutschland der Fall« gewesen sei.357 Demnach war es durchaus von Bedeutung gewesen, dass in seinem Elberfelder Elternhaus jüdische Traditionen gepflegt worden waren, der Vater Russisch und Hebräisch, die Mutter Polnisch (und wohl auch Jiddisch) gesprochen hatten, und ihr Haus in regelmäßigen Abständen »Ostjuden« als Gäste begrüßt hatte, mit denen über Politik oder den Talmud diskutiert und Schach gespielt wurde.358 Während diese »nationalen Reste« in den 1930er Jahren bei ihm keine Rolle gespielt hatten, bildeten sie in dem Moment, als die Juden als Gruppe verfolgt wurden, einen Resonanzboden, der Zuckermann anders als seine deutschen Genossen für deren Wahrnehmung empfänglicher machte. Die Vorstellung, die Juden bildeten ein Kollektiv, mochte er für lange Zeit als irrelevant erachtet haben; im entscheidenden Moment jedoch bildete seine Sozialisation als deutscher Jude osteuropäischer Herkunft den Hintergrund, vor dem ihm die Verfolgung der Juden als Gruppe unmittelbar einleuchtete. Von dort zur Affirmation der Juden als Kollektiv war es dann nur noch ein kleiner Schritt. Vor diesem Hintergrund gewinnt das Vorbild des WJC im Sinne einer tiefer liegenden Schicht noch einmal an Bedeutung, genauer, dass Zuckermann mit dessen politischem Konzept bereits ab Mitte der 1930er Jahre vertraut wurde. Im politischen Selbstverständnis des WJC hatte die Vorstellung der Juden als Nation von jeher im Zentrum gestanden. Die eigentliche Aufgabe, die er als solche gern offensiv zum Ausdruck brachte, indem er sich scharf von als überholt erachteten Verbänden westlich-assimilierter Juden abgrenzte, bestand ja genau darin, sich als Vertretung der Rechte des in der Diaspora verstreuten jüdischen Volkes zu verstehen.359 Spätestens ab 1936 war Zuckermann in seiner Funktion als Mitarbeiter des Pariser Asylrechtsbüros wiederholt mit diesem Programm in Berührung gekommen, sei es als Vertreter im Beirat des Völkerbundkommissars für Flüchtlingsfragen, sei es im täglichen Verkehr des Pariser Milieus aus Hilfsorganisationen. Auch auf der Konferenz von Évian waren die Kernpunkte dieses nationaljüdischen Programms – die Vorstellung der Juden als Nation, daraus resultierende Fragen hinsichtlich seiner juristischen Vertretung sowie mögliche Fragen von Kapitalexport  – seitens des WJC vorgebracht worden. In Bezug auf die Verfolgung der Juden hatte die an die Konferenz gerichtete Denkschrift sogar davon gesprochen, 182

dass der einzige Grund, weshalb jüdische »Männer, Frauen und Kinder« entrechtet und vertrieben würden, darin bestehe, »zu einem Volk zu gehören« (wenngleich dies zu jener Zeit noch durch den Zusatz, welches »der Welt die Zehn Gebote gab und dessen religiöses Bekenntnis die größten Religionen der Welt inspirierte«, ergänzt worden war).360 1938 freilich betrachtete Zuckermann derartige Forderungen noch als politisch inopportun, wenn nicht irrelevant, da er in der Verfolgung politischer Flüchtlinge die größte Gefahr sah. Die einzige Interessengemeinschaft des Asylrechtsbüros mit dem WJC hatte sich daher darauf beschränkt, neben einer funktionierenden Struktur des Beirates gemeinsam für eine bessere Rechtsstellung vornehmlich staatenloser Flüchtlinge einzutreten. Ab 1942/43, und dann noch einmal verstärkt ab 1944, bildete die vom WJC vertretene Auffassung der Juden als Volk jedoch eine Argumentation, die Zuckermann angesichts der »völlig neuen Situation« zunehmend sinnhaft erschien – und zwar in einem solchem Maße, dass er sich nicht nur als Angehöriger dieses Kollektivs verstand und in seinem Namen politische Forderungen erhob, sondern er diesem auch finanzielle Unterstützung angedeihen ließ (wie Zuckermanns Name auf einer Aufstellung über den Erlös einer 1946 gemeinsam von CCIM und WJC veranstalteten Spendenkampagne nahelegt).361 Und auch der Veröffentlichungsort von Zuckermanns eingangs zitiertem Artikel, an dem sich diese Wandlung am deutlichsten ablesen lässt  – die zwar eindeutig kommunistisch orientierte, der deutschen Parteilinie jedoch entzogene Tribuna Israelita –, erscheint daher noch einmal in anderem Licht. So bestand die Besonderheit Zuckermanns darin, dass er im Gegensatz zu seinen habsburgischen Genossen nicht mit Deutschland brechen konnte. Anders als Leo Katz und Bruno Frei beziehungsweise als Otto Katz und Egon Erwin Kisch, standen ihm Österreich oder die Tschechoslowakei als Land der Rückkehr nicht zur Verfügung. Sein wie auch immer geartetes, neu gewonnenes Selbstverständnis als jüdischer Kommunist musste sich deshalb wohl oder übel an Deutschland – und damit nicht zuletzt an Merker  – orientieren. Waren ihm in dessen Umfeld jedoch Grenzen gesetzt, insofern die Parteilinie die Zukunft der deutschen Juden an der (sozialistischen) Zukunft Deutschlands ausrichtete, blieben die stärker auf eine jüdische Gemeinsamkeit abzielenden Foren seiner Genossen mit habsburgischjüdischem Hintergrund, wie die Tribuna Israelita, noch für ihn zugänglich. Hier hatte er seiner Wiederaneignung von Herkunft  – wie übrigens auch Otto und Leo Katz sowie Egon Erwin Kisch – ungestraft Ausdruck verleihen können.

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Kapitel 3

Politischer Spielraum in der »Zwischenzeit« (1947–1953)

3.1  Restitution und Wiedergutmachung III: Schlüsseljahr 1948 Vor dem Hintergrund der Entwicklung, die Leo Zuckermann im mexikanischen Exil genommen hatte, war es nur wenig erstaunlich, dass er 1948 in seinem Artikel Restitution und Wiedergutmachung für die Weltbühne von den Juden als »Volk« sprach, das sowohl über Anspruch auf einen eigenen Staat als auch auf »Wiedergutmachung« von während der Nazizeit erlittener Schäden verfüge.1 Angesichts der Rückkehr nach Deutschland stellte sich nun freilich die Frage, ob das in Mexiko entwickelte Konzept überhaupt Aussicht auf Umsetzung haben würde. So war es das eine, unter der mexikanischen Sonne Forderungen für das jüdische Kollektiv zu formulieren, die aus der Wahrnehmung der Spezifik seiner Verfolgung resultierten; ein anderes hingegen, diesen Forderungen Geltung verschaffen zu können. Auch wenn die Zeichen der Zeit zunächst günstig erschienen, stellten die grundsätzlich anders gelagerten Bedingungen des unter alliierter Kontrolle stehenden, von wirtschaftlicher und moralischer Zerstörung gekennzeichneten Nachkriegsdeutschlands sowie die Logiken des kommunistischen Parteiapparates von vornherein große Hürden dar. Auch dieser tagespolitische Aspekt ist Zuckermanns Text vom April 1948 eingeschrieben; er bildete recht eigentlich den Grund, weshalb er sich überhaupt bemüßigt sah, ihn zu verfassen. Zwar gab er seinem Artikel den Anstrich eines ergebnisoffenen Beitrags zu einer in allen Zonen geführten Debatte über die »Wiedergutmachung«, die trotz aller gelegentlichen Polemik zu begrüßen sei, und präsentierte ihn als Versuch, »über den wahren Charakter des Problems aufklärend wirken« zu wollen.2 Seine Agenda war jedoch um einiges dringlicher. Das Projekt eines Restitutionsgesetzes für die SBZ , an dessen Ausarbeitung Zuckermann seit seiner Rückkehr nach Deutschland im Juni 1947 federführend beteiligt gewesen war, lief im Frühjahr 1948 nämlich Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten, wenn nicht zu scheitern. So war die Umsetzung des im Januar 1948 abgeschlossenen Gesetzentwurfs ins Stocken 185

geraten, insofern sowohl die beabsichtigte Verabschiedung in den Länder­ parlamenten nicht vorankam als auch innerhalb der SED sich die Stimmen mehrten, die einer derartigen Anerkennung der Juden als Opfergruppe kritisch bis offen ablehnend gegenüberstanden.3 Aus diesem Grund hatte sich der Kreis der mit der Ausarbeitung des Gesetzes Betrauten Anfang April 1948 darauf verständigt, eine »pressemäßige und literarische Propagierung  […] des V. d. N.-Gesetzes« zu unternehmen,4 aus der Zuckermanns Artikel in der Weltbühne schließlich als Text mit der weitesten Verbreitung hervorging  – diesem Ziel hatte sein Beitrag also gedient. Mit den Kritikern des Gesetzentwurfs ging Zuckermann nicht gerade zimperlich um. So machte er nicht nur geltend, dass über »die Grundfrage selbst, daß den Juden ein Anspruch auf Wiedergutmachung zusteht, […] wohl kein Zweifel mehr« bestehe; er behauptete sogar, wer diesen Anspruch verneine, folge der »Ideologie eines Kriegsverbrechers oder Naziaktivisten«,5 rückte potenziell also selbst ablehnende Parteimitglieder in die Nähe von Anhängern bestenfalls rückständiger Weltanschauungen. Der gewagte Vergleich dürfte nicht allein darauf zurückzuführen sein, dass Zuckermann durch seine kurz nach der Rückkehr erfolgte Berufung auf die Stelle eines Referenten in der Abteilung Landespolitik beim SED -Parteivorstand mittlerweile zur Partei­ nomenklatur gehörte und insbesondere über die Protektion des »starken Mannes« der Partei, Walter Ulbricht, verfügte. Er war zudem Sinnbild für eine spezifische Gemengelage im Schlüsseljahr 1948. So mochte er mit dem Artikel zwar primär auf Widerstand innerhalb der Partei reagieren (wie wohl auch auf eine ablehnende Haltung in weiten Teilen der Bevölkerung); gleichzeitig konnte er sich jedoch immer noch in Einklang mit der Position der SED -Parteiführung und der Sowjetunion hinsichtlich der »jüdischen Frage« wähnen. Von der SED -Führung jedenfalls waren eindeutig positive Signale ausgegangen. Am 26. Januar 1948 hatte das Zentralsekretariat nicht nur dem Gesetzentwurf zugestimmt.6 In einem auf Initiative Zuckermanns zustande­ gekommenen Treffen Otto Grotewohls mit Chaim Yahiel, dem Vertreter der Jewish Agency in Deutschland, im April 1948, hatte Grotewohl, neben Wilhelm Pieck immerhin einer der beiden SED -Vorsitzenden, Bereitschaft signalisiert, dass auch ein ostdeutscher Staat, wäre er denn einmal gegründet, Reparationen an Israel leisten werde.7 Und auch von der Sowjetunion konnte zu diesem Zeitpunkt noch angenommen werden, die 1941 eingeschlagene Linie, jüdische Anliegen zu unterstützen, habe Bestand. Da war zum einen die sowjetische Initiative zum Teilungsplan im Dezember 1947, die nachgerade eine Avantgarderolle der Sowjetunion hinsichtlich der Palästinafrage nahelegte, insofern der Vertreter der Sowjetunion bei den Vereinten Nationen, Andrei Gromyko, das Recht der Juden auf einen eigenen Staat (im Mai 1947) 186

insbesondere mit ihrer Verfolgung im Nationalsozialismus begründet hatte.8 Zum anderen hatte Zuckermann noch in der ersten Jahreshälfte 1948 der offiziellen Tageszeitung der Sowjetischen Militäradministration (SMAD), Tägliche Rundschau, entnehmen können, dass die Sowjetunion offenbar nichts sehnlicher wünschte als ein jüdisches Staatswesen in Palästina – so parteiisch mutete ihre Berichterstattung über den Nahostkonflikt zu dieser Zeit an.9 Angesichts dieses Klimas ließen sich eine ganze Reihe von Personen innerhalb der SED, Juden wie Nichtjuden, denen die Vertretung jüdischer Ansprüche aufgrund der Ereignisse des Weltkrieges ein Anliegen geworden war, zu Aktivitäten hinreißen, die nur wenige Jahre später undenkbar gewesen wären. Zu ihnen zählten etwa der Ökonom Siegbert Kahn (1909–1976), der 1948 im Parteiverlag Dietz eine erstaunlich undogmatische Analyse des Antisemitismus vorlegte;10 der ehemalige Buchenwald-Häftling Robert Siewert (1887–1973), der im Frühjahr 1948 in seiner Funktion als Innen­ minister Sachsen-Anhalts energisch für ein Restitutionsgesetz in seinem Land eintrat;11 der vormalige ­Auschwitz-Häftling Julius Meyer (1909–1979), der als Vorsitzender des Verbandes der Jüdischen Gemeinden in der SBZ deren Interessen selbstbewusst gegenüber der SED vertrat;12 oder der Fotograf und Bildjournalist Abraham Pisarek (1901–1983), unter dessen Auftragsarbeiten für die SMAD sich wiederholt jüdische Sujets fanden.13 Obwohl sie sich (mit Ausnahme Pisareks vielleicht) an erster Stelle als Kommunisten betrachteten, hatten sie ähnlich wie Zuckermann aufgrund ihrer Erfahrungen während der Naziherrschaft die Überzeugung gewonnen, das jüdische Schicksal sei ein besonderes, das daher beim Aufbau der Nachkriegsgesellschaft gesonderte Berücksichtigung erfahren müsse.14 Wie dieser Personenkreis, zu dessen Angehörigen er in teils engem Kontakt stand, empfand auch Leo Zuckermann nichts Anrüchiges dabei, die in Mexiko gewonnene Erkenntnis, dass die Juden ein Kollektiv bilden und als solches über bestimmte Ansprüche verfügten, selbstbewusst zu vertreten. Mehr noch, als altgedientes Parteimitglied, das wusste, welche Sanktionen selbst kleinste Abweichungen von der Parteilinie nach sich ziehen konnten, erschien ihm sein Engagement augenscheinlich nicht einmal als gefährlich – sonst, davon kann ausgegangen werden, hätte er es sicherlich unterlassen. Insofern verweist sein Einsatz für das jüdische Kollektiv auf den Niederschlag jener bemerkenswerten »Zwischenzeit« auch im Osten, in der für wenige Jahre nach Kriegsende ein derartiges Bekenntnis möglich und weitverbreitet war.15 Zuckermann erwies sich damit als Mitglied der jüdischen Welt, die vor dem Hintergrund der Erfahrung des Holocaust ein zuvor lediglich peripher vorhandenes kollektives Selbstverständnis der Juden als Volk ausgebildet hatte;16 wie an ihm und seinen Mitstreitern abzulesen ist, fand diese Dis187

kussion auch unter Kommunisten und im sowjetischen Machtbereich ihren Niederschlag. Im April 1948 allerdings, dies ist Zuckermanns Text ebenfalls abzulesen, hatte sich das Zeitfenster dieser »Zwischenzeit« bereits wieder zu schließen begonnen. Zwar war das Scheitern des Gesetzes zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen. So ging der Vorbereitungskreis Anfang April noch selbstverständlich von einer »Verabschiedung des Gesetzes« in den Ländern aus, zumal er beabsichtigte, dann auch eine Broschüre zu seiner »Propagierung« zu veröffentlichen.17 Aus der Nachschau betrachtet, hatten sich die Rahmenbedingungen jedoch seit Jahresanfang zu verändern begonnen, was Zuckermann nicht entgangen sein konnte. Neben der Zunahme kritischer Stimmen innerhalb der Partei zählten dazu der fehlende Fortschritt, den der Gesetz­ entwurf seit Ende Januar gemacht hatte, vor allem aber zwei Befehle der SMAD vom Frühjahr 1948, die zum einen das Ende der Entnazifizierung in der SBZ (10.  März), zum anderen die Überführung von bei Kriegsende »sequestrierten«, sprich von der Militärverwaltung beschlagnahmten mittelständischen Unternehmen und Kleinbetrieben in Volkseigentum (17. April) verfügt hatten.18 Beide Maßnahmen, das muss Zuckermann klar gewesen sein, waren angetan, sowohl die Akzeptanz einer Restitutionslösung innerhalb der Bevölkerung ebenso wie deren materielle Grundlage entscheidend zu verringern. Und auch international standen die Zeichen auf Veränderung. Noch war das spätere Zerwürfnis der Sowjetunion mit Israel nicht abzusehen; vielmehr gestattete sie zu jenem Zeitpunkt noch, dass die Tschechoslowakei während des Jahres 1948 dem in Gründung befindlichen jüdischen Staat in nicht unerheblichem Maße Waffen lieferte, die dessen Wehrkraft in der Auseinandersetzung mit den arabischen Nachbarn entscheidend stärken sollten.19 Unverkennbar jedoch nahm die Konfrontation zwischen den Großmächten an Fahrt auf, wie sich nicht zuletzt in Deutschland zeigte. Dort hatte die Aufkündigung der Mitarbeit der Sowjetunion im Alliierten Kontrollrat im März 1948 und der wenig später erfolgte Zusammenschluss der westlichen Besatzungszonen zur Trizone den zunehmenden Antagonismus zwischen den ehemaligen Alliierten offen zutage treten lassen, der mit der Berlin-Blockade ab Juni 1948 auf einen ersten Höhepunkt zusteuerte.20 Und auch innerhalb des sowjetischen Blocks zeichneten sich schwerwiegende Verschiebungen ab; so mit dem Februarputsch in der Tschechoslowakei, infolgedessen diese endgültig zu einem Satellitenstaat Moskaus wurde; und durch das im Februar offenbar werdende Schisma Titos mit Stalin, das Jugoslawien fortan aus dem kommunistischen Lager ausscheren ließ.21 Unübersehbar war eingetreten, was George Orwell spätestens 1946 mit dem Begriff »Kalter Krieg« bedacht 188

hatte  – mit allen Konsequenzen für eine nun wieder verschärft gegen den »Imperialismus« gerichtete Rhetorik innerhalb des sowjetischen Blocks.22 Damit wurde auch die Frage aufgeworfen, welche Auswirkungen ein mögliches Scheitern des Gesetzes auf Zuckermanns neu gewonnenes Selbstverständnis als Kommunist und Jude nach sich ziehen würde – und dies noch ungeachtet der ab 1949/50 einsetzenden Parteisäuberungen, in deren Verlauf ihm sein vormaliges Engagement zum Verhängnis werden sollte und die schließlich zu seiner Flucht im Dezember 1952 führten. Würden seine primäre Sozialisation als Kommunist oder sein hinzugetretenes Selbstverständnis als Jude – womöglich sogar beide – Schaden nehmen? Schon 1948 ist seinem Artikel jedenfalls zu entnehmen, dass er die Parteilinie nicht überzustrapazieren gedachte. So sehr (und selbstbewusst) er darin nämlich für die Ansprüche des »jüdischen Volkes« Partei ergriff, so sehr blieb er weiterhin als Parteimitglied zu erkennen. Konkret distanzierte er sich von Forderungen innerhalb der jüdischen Welt, die beabsichtigten, erbenloses Vermögen gänzlich aus Deutschland abzuziehen, um es andernorts zum Wiederaufbau jüdischer Gemeinden zu verwenden, wie es insbesondere der World Jewish Congress verfocht und wie es in der amerikanischen Zone mit Verabschiedung des Militärregierungsgesetzes Nr. 59 zur »Rückerstattung feststellbarer Vermögensbestände« vom 10. November 1947 eine rechtliche Grundlage erfahren hatte.23 Hatte die Frage des Verbleibs erbenlosen Vermögens Zuckermann während der Zeit in Mexiko in nicht unerheblichem Maße beschäftigt und in der Wiederannäherung an seine jüdische Herkunft mutmaßlich unterstützt, erteilte er ihr nun öffentlich eine klare Absage, die ihn nicht nur sprachlich als loyalen Parteigänger der SED auswies. Der jüdische »Wiedergutmachungsanspruch«, führte er aus, dürfe weder zum »Instrument einer bestimmten Minderheit zur Erweiterung ihrer egoistischen wirtschaftlichen Machtpositionen« werden noch anderweitig »für imperialistische Zwecke« missbraucht werden.24 Ob sich in dieser Haltung zuvorderst eine innere Überzeugung ausdrückte oder eine notwendige Konzession an die sowjetische Position, die aus Sorge um ihre Reparationen einen Kapitalabfluss aus der SBZ mit anderer Richtung als der Sowjetunion kategorisch ablehnte – wie nachhaltig also sowohl Zuckermanns Wiederaneignung seiner jüdischen Herkunft am Ende verlaufen, aber auch, welchen Platz ihr die SED einzuräumen bereit war –, ist Gegenstand der folgenden Ausführungen.

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3.2  Im Zentrum der Macht: Die Entstehung des VdN-Gesetzes Ende Juni 1947 kehrte Leo Zuckermann auf dem sowjetischen Frachter Marschall Goworow nach Deutschland zurück. Mit an Bord des Kühlschiffes, das Südfrüchte für die Sowjetunion geladen hatte, befanden sich mehrere Familien, die in Mexiko zum Merker-Kreis gezählt hatten.25 Die abenteuerliche Fahrt auf dem Frachter stellte die einzige Möglichkeit dar, deutschen Staatsangehörigen die Rückreise nach Europa zu ermöglichen, die ihnen auf anderem Wege aufgrund von Transit- und Einreisebeschränkungen verwehrt blieb. Die mithilfe der Goworow organisierte Rückholung deutscher Genossen aus dem mexikanischen Exil war bereits die dritte ihrer Art; zuvor hatten im Mai 1946 der Leiter der Gruppe Paul Merker gemeinsam mit Alexander Abusch, Erich Jungmann und deren Familien auf der Puschkin, im Februar 1947 dann Ludwig Renn und Walter Janka auf der Goworow die Überfahrt angetreten.26 Während Zuckermanns Frau mit den beiden Kindern auf einem französischen Schiff nach Europa reiste und vorerst bei Verwandten in Paris unterkam, betrat ihr Ehemann am 30. Juni 1947 nach 14 Jahren Abwesenheit schließlich in Rostock-Warnemünde wieder deutschen Boden.27 Wie andere remigrierte Parteimitglieder quartierte man ihn zunächst im Gästehaus der SED in Berlin-Mitte ein. Bereits einen Tag später, am 1. Juli, eröffneten ihm Wilhelm Pieck und Franz Dahlem, ihres Zeichens Vorsitzender beziehungsweise Kaderchef der neuen Partei, seinen künftigen Einsatzort: Zuckermann war als Hauptreferent in der Abteilung Landespolitik beim Parteivorstand vorgesehen, die die Beziehungen der Partei zu den Ländern koordinierte.28 Wie aus den Quellen hervorgeht, nahm Zuckermann seine neue Tätigkeit unverzüglich auf,29 wobei ein Dokument besonderes Interesse erregt. In seiner Funktion als Mitarbeiter der Abteilung Landespolitik wurde er Anfang August 1947 – also nur einen Monat nach seiner Rückkehr – zu einer »wichtigen« Beratung eingeladen, die für den 8. August im Zentralhaus der Einheit im Büro des Genossen Merker anberaumt war. Ihr Thema lautete: »Besprechung der Wiedergutmachungsfragen«.30 In dem unscheinbaren Dokument drückt sich zweierlei aus. Zum einen war Zuckermann offenbar ein rascher Aufstieg im Parteiapparat beschieden. Er wurde von der Parteispitze empfangen und wohlweislich nicht zum Aufbau des Sozialismus in die Provinz entsandt wie etwa der Wuppertaler Kommunist Erich Glückauf, den man nach seiner Rückkehr aus dem schwedischen Exil zum Chefredakteur der Schweriner Landes-Zeitung, dem »Organ des 190

Landesvorstandes der SED in Mecklenburg-Vorpommern«, bestellte.31 Wie andere Mexiko-Emigranten auch – Paul Merker wurde in den Parteivorstand gewählt und übte eine leitende Funktion im Zentralsekretariat aus, Alexander Abusch übernahm die Leitung des Kulturbundes und die Herausgabe der Weltbühne, während Rudolf Feistmann Mitglied der Chefredaktion der Parteizeitung Neues Deutschland wurde – installierte man Zuckermann umgehend auf einem verantwortungsvollen Posten, der zudem im Zentrum der Partei, im Zentralsekretariat, angesiedelt war. Ganz offensichtlich genoss er das besondere Vertrauen der Parteiführung, wobei ihm wahrscheinlich der Umstand zugutekam, dass sowohl Merker sich für ihn eingesetzt hatte, als er auch Pieck und Ulbricht ein Begriff war, mit denen er jeweils im Pariser Exil zusammengearbeitet hatte. Schließlich existierte nachweislich ein großer Bedarf an loyalen, politisch unbelasteten und juristisch ausgebildeten Kadern32 und Zuckermann war in dieser Hinsicht in guter Erinnerung geblieben. So soll Anton Plenikowski, ein altgedienter Kommunist und ehemaliger Reichstagsabgeordneter aus Danzig, der nach seinem Exil in Schweden mit dem Aufbau der Abteilung Landespolitik betraut wurde und der Zuckermann (noch unter seinem Decknamen) aus Paris kannte, angesichts der Rückkehr Merkers aus Mexiko ausgerufen haben: »Wo ist denn der Lambert geblieben? Wieso ist der nicht da?«33 In jedem Fall war das Interesse an seiner Person so groß, dass die Parteiführung auf Betreiben Merkers im Laufe des Jahres 1946 darauf hinarbeitete, Zuckermann die Rückreise aus Mexiko zu ermöglichen, weswegen sie ihn bei den Sowjets anforderten und diese seine Rückkehr mittels der Marschall Goworow organisierten.34 Wie anderen Emigranten wurde ihm – und dies noch unabhängig von seinem Exil im »Westen« – beim Aufbau des Sozialismus beziehungsweise bei der Errichtung der »antifaschistischdemokratischen Ordnung«, wie es zu dieser Zeit noch hieß, offenbar eine tragende Rolle zugedacht. Des Weiteren bringt die Hausmitteilung vom 4. August zum Ausdruck, dass Zuckermann augenscheinlich fließend an seine in Mexiko aufgenommenen Aktivitäten in der »Wiedergutmachungsfrage« anknüpfte, und dies sowohl unter Beteiligung seines dortigen Weggefährten Paul Merker als auch mit dem Segen, wenn nicht auf Betreiben des Parteiapparates. In der Tat zeigen verschiedene private wie politische Unternehmungen Zuckermanns in den Jahren 1947/48 das nachgerade nahtlose Fortwirken seines zuvor im mexi­ kanischen Exil gewonnenen Selbstverständnisses als jüdischer Kommunist. Da ist zunächst eine seiner ersten Amtshandlungen nach seiner Ankunft in Berlin. Auf den gleichen Tag gut eine Woche nach seiner Rückkehr, den 7. Juli 1947, an dem er für die Partei verschiedene Berichte über die Emigrationszeit anfertigte, die der im Zuge seiner geplanten Anstellung erforderlichen politi191

schen Überprüfung dienten,35 datiert sein Eintritt in die Jüdische Gemeinde Berlin, wie Gemeindeunterlagen belegen.36 Die Beweggründe für diesen bemerkenswerten Schritt, den Zuckermann und seine Frau zusammen mit einer Reihe remigrierter Genossen unternahmen, sind nicht en détail überliefert. Anfang der 1950er Jahre, im Zuge der Parteisäuberungen, hieß es, dies sei im Einvernehmen mit Paul Merker erfolgt und verschiedenen jüdischen Genossen nahegelegt worden, um hierüber Einfluss auf die politische Ausrichtung der Gemeinde nehmen zu können.37 Selbst wenn nicht überliefert wäre, dass Zuckermann oder seine Familie fortan aktiv am Gemeindeleben teilnahmen,38 wäre es kaum vorstellbar, dass die Eintrittserklärung nur aus rein strategischen Motiven erfolgte. Recht eigentlich stellt der Beitritt so etwas wie die öffentliche Aufhebung der Neutralisierung seiner jüdischen Herkunft dar, wie er sie 1921 im Alter von 13 Jahren durch Austritt aus der Jüdischen Gemeinde Elberfeld vollzogen hatte. Nicht weniger beachtlich, wenngleich schon aus Mexiko bekannt, war Zuckermanns eindeutige Parteinahme für die Gründung eines jüdischen Staates in Palästina. So war er dem Vernehmen nach maßgeblich daran beteiligt, im Dezember 1947 für Wilhelm Pieck eine Erklärung vorzubereiten, die den UN-Teilungsplan für Palästina und damit die »Schaffung eines jüdischen Staates« begrüßte, indem sie einen solchen als notwendigen Beitrag würdigte, Tausenden Überlebenden des National­ sozialismus »den Aufbau eines neuen Lebens zu ermöglichen«.39 Vor allem aber in den Bemühungen, in der sowjetische Besatzungszone ein Gesetz für die Rückerstattung auch jüdischen Vermögens auf den Weg zu bringen, in die er seit jener »Besprechung der Wiedergutmachungsfragen« am 8. August 1947 involviert war, wird sein fortgesetztes Interesse sichtbar, die in Mexiko gewonnene Erkenntnis von der Besonderheit des jüdischen Schicksals angemessen beim Aufbau des Sozialismus repräsentiert zu sehen. Wenn man so will, traf Zuckermann also genau im richtigen Moment in Berlin ein. Im Sommer 1947 war ein anfänglicher Vorstoß seitens des Parteiapparates, eine Regelung zur Versorgung von Verfolgten des NS -­Regimes auf den Weg zu bringen, ins Stocken geraten.40 Ein halbes Jahr zuvor, am 19. November 1946, waren Paul Merker und Helmut Lehmann in ihrer Funktion als paritätisch bestellte Leiter der Deutschen Zentralverwaltung für Arbeit und Sozialfürsorge vom Zentralsekretariat der SED damit beauftragt worden, die »Frage der Wiedergutmachung« zu koordinieren. Vornehmlich sollten sie eine interzonale Tagung der Opfer-des-Faschismus-Ausschüsse, eines Vorläufers der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), in den Blick nehmen, die für März 1947 in Frankfurt am Main geplant war und auf der das Zentral­sekretariat seine Vorstellungen in einem entsprechen­den Programm präsentiert sehen wollte.41 Der von Merker mit der Ausarbeitung betraute Karl 192

R ­ addatz, SED -Mitglied und Vorsitzender des Hauptausschusses in Berlin, konnte aufgrund von Überlastung, die mit der Gründung der VVN zusammenhing, nicht liefern;42 stattdessen entstand politischer Druck von dritter Seite. Die Liberaldemokratische Partei (LDP) Sachsens hatte Ende Mai 1947 angekündigt, einen Antrag im Sächsischen Landtag einzubringen, der insbesondere auf »arisiertes« jüdisches Vermögen zielte und vorsah, dieses bis zu einer gesetzlichen Regelung unter Treuhänderschaft stellen zu lassen.43 Dieser Vorstoß, der der SED die Initiative aus der Hand zu nehmen drohte, war der eigentliche Anlass für die Einberufung des Treffens Anfang August im Haus der Einheit gewesen. So hatte Merker Anfang Juni 1947 Ulbricht in einem Schreiben auf den Alleingang der LDP hingewiesen und dafür plädiert, dass der mittlerweile in VVN umbenannten Organisation der Auftrag entzogen würde. Stattdessen wollte er die Ausarbeitung eines Entwurfs im Parteiapparat selbst – genauer, in der Abteilung »Wirtschaft und Landes­politik«, das heißt unter Ulbrichts (und Zuckermanns) Ägide – angesiedelt sehen. Dazu passt, dass er sich auch bereit erklärte, weiterhin »an der Regelung der Frage mitzuwirken«.44 Zuckermann trat also in dem Moment zum Vorbereitungskreis hinzu, als die Arbeit an einer gesetzlichen Regelung zur »Wiedergutmachung« an Fahrt aufnahm. Erstaunlicherweise galt die Berücksichtigung spezifisch jüdischer Ansprüche, wenngleich unter bestimmten Bedingungen, dabei zunächst als »gesetzt«, wie eine von Rudolf Weck, Mitarbeiter der Abteilung für Arbeit und Sozialfürsorge, vorbereitete Diskussionsgrundlage für jenes Treffen vom 8. August verdeutlicht. Diese sah unter Punkt 14, wenn auch noch unpräzise, vor, vormaligen Besitzern von »Geschäften, Betrieben, Grundbesitz, Möbeln und anderen Vermögenswerten«, das Eigentum, das ihnen als »Opfern des Faschismus« entzogen worden war, »zurückzugeben oder [sie] zu entschädigen«. Einschränkend wurde lediglich festgehalten, es möge der Grundsatz gelten, dass »große Vermögen in Hinblick auf die deutsche Gesamtlage nicht voll entschädigt werden können«.45 Und auch der weitere Fortgang der Beratungen bis zur Jahreswende 1947/48 offenbart, dass das von Merker und Zuckermann in Mexiko vertretene Programm zur »Wiedergutmachung« für jüdische Verfolgte zu diesem Zeitpunkt kaum auf Widerstände stieß, sondern sich zunächst vergleichsweise geräuschlos in die Überlegungen der beteiligten Stellen integrieren ließ. Diese bemerkenswerte, nachgerade selbstverständliche Berücksichtigung der Restitutionsproblematik, bei der außer Frage stand, dass sie vorrangig Juden betreffen würde, war im Wesentlichen zwei Faktoren geschuldet. Der eine war ein äußerer, insofern die Alliierten, inklusive der Sowjetunion, zu diesem Zeitpunkt noch ausdrücklich von Rückerstattung ausgingen und zu diesem Zweck über eine gemeinsame, zonenübergreifende Regelung verhan193

delten. Darauf deutete jedenfalls die Kontrollratdirektive Nr. 50 vom 29. April 1947 hin, die Vermögenswerten galt, die im Besitz der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen beziehungsweise Organisationen gewesen und deshalb im Oktober 1945 zunächst beschlagnahmt worden waren.46 Hinsichtlich der in der Direktive verfügten Übertragung dieser Vermögen an Länderbehörden machte die Verordnung lediglich fünf Ausnahmen geltend, von denen eine – auch wenn der Begriff so nicht verwendet wurde – in erster Linie sogenanntes arisiertes Eigentum betraf: Neben Vermögenswerten des Rüstungssektors, die gemäß Potsdamer Abkommen vernichtet werden sollten, und Werten, die für Reparationen vorgesehen waren oder der Versorgung der Besatzungstruppen dienen sollten, war explizit festgehalten, dass die jeweiligen Befehlshaber der Zonen »Vermögenswerte der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung […] zurückerstatten [sollen]«.47 Auch wenn erst ein weiterer Beschluss des Kontrollrates vom Januar 1948 verfügte, entsprechende gesetzliche Regelungen für jede Zone individuell auszuarbeiten, war hiermit von den Besatzungsbehörden eine Linie vorgegeben, die es seitens der SED zu berücksichtigen galt. Der andere Grund lag darin, dass zu dieser Zeit unter den politischen Entscheidungsträgern in der SBZ noch ein breites Verständnis von »Wiedergutmachung« vorherrschte. Die Rückerstattung oder Entschädigung des Vermögens von Individuen galt als selbstverständlicher Teil des größeren Zusammenhangs der Kriegsfolgenliquidation, zu dem neben dem Problem des während der NS -Zeit beschlagnahmten Vermögens von Organisationen und religiösen Körperschaften auch die Sozialfürsorge von Verfolgten des Nationalsozialismus zählte.48 Alle drei Problemkreise stellten noch mehr oder minder gleichberechtigte Themen dar, für die es notwendig erschien, eine Lösung herbeizuführen, wenngleich das primäre Interesse etwa der VVN aus nachvollziehbaren Gründen der Sozialfürsorge galt. Dies hatte nicht allein mit ihrem politischen Selbstverständnis zu tun, das die Erfahrungen kommunistischer Widerstandskämpfer, der »Kämpfer gegen den Faschismus«, schon früh höher gewichtete als die sogenannter Opfer des Faschismus,49 sondern zunächst mit der dringend nötigen kurz- wie langfristigen Versorgung von Angehörigen beider Kategorien.50 Obwohl die Befehlshaber der sowjetischen Zone bald nach Kriegsende verschiedene Übergangsbestimmungen erlassen hatten, um die soziale Versorgung hilfsbedürftiger NS -Verfolgter zu regeln,51 fehlte weiterhin ein Gesetz, das die Unterstützung mit Lebensmitteln, Wohnraum und Mobiliar, aber auch Rentenansprüche, medizinische Betreuung oder die berufliche Reintegration und anderes mehr detailliert festsetzte. Jüdische Angehörige der VVN als potenzielle Bezieher derartiger Ansprüche stellten freilich allein zahlenmäßig einen nicht zu übersehenden Faktor dar, 194

standen zu dieser Zeit (im Juni 1946) in der SBZ doch knapp 11 000 politischen Verfolgten mehr als 40 700 anerkannte »Opfer des Faschismus« gegenüber (von denen nicht alle, aber doch die Mehrzahl Juden waren); in Berlin betrug das Verhältnis 4600 »Kämpfer des Faschismus« zu 10 500 jüdischen NS -Verfolgten.52 Und auch wenn dieses Kräfteverhältnis nicht bedeutete, dass die jüdischen Verfolgten die VVN dominiert hätten, vertrat diese zumindest bis 1949/50 selbstverständlich deren Belange. Dem vierzigköpfigen Zentralvorstand für die SBZ gehörten 1948 jedenfalls nicht weniger als zehn jüdische Vertreter an;53 und im Vorbereitungskreis des Gesetzes schlug sich die jüdische Präsenz unter den Verfolgten ebenso nieder. Als Vertreter spezifisch jüdischer Verfolgtengruppen fungierten darin (in wechselnder Besetzung) sowohl Julius Meyer, SED -Mitglied und Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Berlin im Ostteil der Stadt, als auch Heinz Galinski, Gemeinde-Funktionär und 2. Vorsitzender der Berliner VVN; neben Zuckermann war außerdem die mit ihm befreundete Juristin und Mexiko-Emigrantin Hilde Neumann, die für die Abteilung Justiz im Parteivorstand an den Beratungen teilnahm, jüdischer Herkunft.54 Trotz dieser prinzipiellen Offenheit unterlag die Frage der von Zuckermann avisierten Rückerstattung jüdischen Vermögens selbstverständlich verschiedenen Prärogativen, die der Umsetzung des in Mexiko entwickelten Programms Kautelen auferlegten. Da war zunächst das Problem eines möglichen Kapitaltransfers des Vermögens (emigrierter) deutscher Juden, die nicht vorhatten, nach Deutschland zurückzukehren beziehungsweise die Deutschland verlassen wollten. In Mexiko war dieser Frage in den Bemühungen der Merker-Gruppe, der deutsch-jüdischen Exilgemeinde vor Ort die Ernsthaftigkeit eines demokratischen Neuanfangs in Deutschland – und damit die eigene Verlässlichkeit – unter Beweis zu stellen, nicht unerhebliche Bedeutung zugekommen. Zuckermann beispielsweise hatte in diesem Zusammenhang 1944 betont, dass die kommende deutsche Regierung größtmögliche Flexibilität an den Tag legen möge.55 Da man das Problem des Kapitalexportes meist mit dem Transfer von Vermögen nach Palästina in Verbindung gebracht hatte, war dieser Aspekt im Sommer 1947 im Hinblick auf ein Restitutionsgesetz für die SBZ in gewisser Weise zu vernachlässigen. Eine solche Regelung bedurfte der beiderseitigen Staatlichkeit, um etwa in Form von Reparationen gelöst zu werden, und entzog sich somit der Kompetenz des Vorbereitungskreises.56 Dass Zahlungen an Israel Zuckermann dennoch ein Anliegen waren, zeigte sich im Frühjahr 1948, als es in dieser Frage zu Sondierungen zwischen der Parteiführung und Vertretern der Jewish Agency in Deutschland kam, an denen er beteiligt war;57 in der zweiten Jahreshälfte 1947 genügte es noch, dass die Sowjetunion der Gründung eines jüdischen Staa195

tes in Palästina nicht ablehnend gegenüberstand, ja den UN-Teilungsplan prominent unterstützte, man also mit einigem Optimismus eine zukünftige Regelung erwarten konnte. Womöglich sorgte es auch für Erleichterung, sich mit der problematischen Frage ausländischer Antragsteller vorerst nicht beschäftigen zu müssen. Schon voraussetzungsvoller gestaltete sich die Frage, in welchem Umfang Vermögen überhaupt rückerstattet oder entschädigt werden sollten, denn sie kollidierte mit Grundüberzeugungen des kommunistischen Selbstverständnisses. In Mexiko war Zuckermann hierin der Linie Merkers gefolgt, der wohlweislich von einer Regelung »im Rahmen der eingeschlagenen wirtschaftlichen Ordnung« gesprochen hatte.58 Auf öffentliche Nachfragen seitens der Exilgemeinde zu diesem Vorschlag hatte Merker im Frühjahr 1944 konkretisiert, »eine Rueckgabe von Riesenvermoegen, die frueher in juedischen Haenden waren«, sei nicht angestrebt (deren Zahl ohnehin »gering« gewesen sei); ausdrücklich sprach er sich jedoch dafür aus, dass »der Mehrheit unserer juedischen Mitbuerger«, darunter »Aerzte, Wissenschaftler, Juristen, Kaufleute, Handwerker, Arbeiter und Bauern  […] ihr geraubtes Eigentum zurueckzugeben [sei] und ihre Existenz wieder hergestellt werden« müsse.59 Als loyales Parteimitglied dürfte Zuckermann diese Einschätzung prinzipiell geteilt haben, auch wenn er im September 1944 dahingehend von ihr abgewichen war, als er ausgeführt hatte, die Bewegung Freies Deutschland trete »vorbehaltlos fuer die Wiedergutmachung der dem juedischen Bevoelkerungsteil zugefuegten Schaeden« ein, er sich einer Klassifizierung von Vermögen also zeitweise enthielt.60 Schließlich bildete die Verstaatlichung der Produktionsmittel, zumal die großer Unternehmen der Schlüsselindustrien, im kommunistischen Selbstverständnis von jeher den ersten Schritt zum Übergang in eine sozialistische Wirtschaftsordnung, mit der sich die Überzeugung verband, dass die demokratische Erneuerung Deutschlands nur erfolgreich sein könne, wenn Konzerne, Groß- und Agrarbetriebe, die als elementare Stütze des deutschen Faschismus galten, zerschlagen und verstaatlicht werden würden.61 Nicht nur in, sondern auch angesichts des Scheiterns der Weimarer Republik hatte sich diese Überzeugung über die kommunistische Bewegung hinaus derart verbreitet, dass sie bei Kriegsende selbst Rückendeckung im bürgerlich-christlichen Lager fand, bei Eugen Kogon etwa oder bei dem zu starker kommunistischer Nähe unverdächtigen Heinrich Mann.62 Letzterer etwa hatte im Mai 1945 in einem Aufruf »An das Volk von Berlin!«, den die Merker-Gruppe unterstützt hatte, unmissverständlich gefordert, die Berliner sollten nicht ruhen, »bis alle lebenswichtigen Unternehmungen uebergegangen sind aus der Privathand in die oeffentliche«. Ansonsten würden ihnen aufs Neue »Rechtlosigkeit und Gewalt« drohen.63 196

Nach Deutschland zurückgekehrt, deckten sich diese in Mexiko angestellten Überlegungen in gewisser Weise mit den Maßnahmen, die die Alliierten, und im speziellen die SMAD, seit Kriegsende ergriffen hatten. Bereits im Potsdamer Abkommen war die Entflechtung der deutschen Großindustrie vereinbart worden, genauer die »Vernichtung der bestehenden übermäßigen Konzentration der Wirtschaftskraft, dargestellt insbesondere durch Kartelle, Syndikate, Trusts und andere Monopolvereinigungen« (III. B12).64 Gleiches galt für die »[v]öllige Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands und die Ausschaltung der gesamten deutschen Industrie, welche für eine Kriegsproduktion benutzt werden kann« und die zu diesem Zweck unter »Überwachung« gestellt wurde (III. A3, I). Komplementiert wurden diese Enteignungen durch die den Sowjets eingeräumte Erlaubnis, ihre Reparationsforderungen über die Entnahme vornehmlich von Industrieanlagen aus ihrer Zone zu befriedigen (IV. 1), was diese zu umfangreichen Demontagen veranlasste; wie auch durch jenen von allen Besatzungsmächten im Oktober 1945 als Kontrollratgesetz Nr. 2 gefassten (und später konkretisierten) Beschluss, das Vermögen der NSDAP und das der ihr angegliederten Abteilungen und Organisationen zu beschlagnahmen.65 Was also, wenn man so will, Usus unter den Alliierten war (wenngleich das Vorgehen nicht mit Verstaatlichungen per se gleichzusetzen ist), zeitigte in der SBZ größere Wirkung aufgrund weitergehender Einschnitte in die Eigentumsordnung nach sowjetischem Vorbild, namentlich durch die im September 1945 erlassene Bodenreform, das heißt die Beschlagnahmung landwirtschaftlicher Großbetriebe über 100  Hektar Fläche und ihrer Zuteilung an Neubauern, aber auch durch vergleichbare Maßnahmen im Banken- und Industriesektor. Dazu gehörte, dass Banken und Sparkassen, Betriebe der Schwer- und metallverarbeitenden Industrie sowie Bodenschatzgewinnung zunächst beschlagnahmt und dann entweder in sowjetische Aktiengesellschaften (SAG) oder Volkseigentum überführt wurden, womit klar war, dass sie auf Dauer einer möglichen Rückerstattung entzogen waren.66 Da diese Maßnahmen jedoch sowohl alliiertes Recht darstellten als auch – was den sowjetischen Fall betraf – dem langfristigen Aufbau einer sozialistischen Wirtschaftsordnung dienten, dürften sie bei Zuckermann nur wenig Widerspruch ausgelöst haben, zumal sie, mit der Ausnahme von Banken, nur in sehr geringem Maße Vorbesitzer jüdischer Herkunft betrafen. Diese hatten unter der Wirtschaftselite der Weimarer Republik mit Ausnahme weniger Konzerne wie dem Presseimperium Ullstein, der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) oder dem Bankhaus Warburg nur eine verschwindend geringe Gruppe gebildet.67 Jedenfalls geht aus den zur Verfügung stehenden Quellen nicht hervor, dass das Thema innerhalb des Vorbereitungskreises jemals kontrovers diskutiert worden wäre – die bereits 197

in Mexiko antizipierte, weltanschaulich begründete Verweigerung der Rückerstattung von »Riesenvermoegen, die frueher in juedischen Haenden waren«, war auch in der SBZ unstrittig. Ähnlich gelagert, und schon mit größeren Problemen behaftet, war unterdessen die Frage sogenannten sequestrierten Vermögens. Hierbei handelte es sich um einen Sonderfall mit nicht unerheblichen Auswirkungen auf die Restitutionsthematik, da er umfangreiche Vermögenswerte betraf, die von der SMAD bei Kriegsende beschlagnahmt und unter Treuhänderschaft gestellt worden waren. Seine Dimensionen gingen über das eingezogene Eigentum der NSDAP und ihrer Gliederungen hinaus, da zunächst die Beschlagnahmung sämtlicher Vermögenswerte des »deutschen Staates und seiner zentralen und örtlichen Organe«, der »deutschen Militärbehörden und Organisationen«, der vom »sowjetischen Militärkommando verbotenen und aufgelösten Gesellschaften, Klubs und Vereinigungen« und anderer (juristischer) Personen auf dem Gebiet der SBZ gemeint war, das sodann zur weiteren Verwendung in die Hände der Verwaltungen von Ländern, Provinzen, Landkreisen, Städten und Gemeinden übertragen wurde.68 Auch »herrenloses Vermögen«, das heißt Unternehmen, Betriebe oder landwirtschaftliche Güter, die beim Vormarsch der Roten Armee oder im Zuge der gesellschaftlichen Neuordnung der Verhältnisse zurückgelassen worden waren, zählte dazu. Anders als beschlagnahmte und bereits in SAG - oder Volkseigentum überführte Unternehmen der Schlüsselindustrien, Banken oder Bodenschatzgewinnung, war die Zukunft dieser Betriebe, die meist dem Mittelstand zuzurechnen waren, im Sommer 1947 noch nicht abschließend geklärt. Zwar war in Sachsen im Juni 1946 mit dem Gesetz über die Übergabe von Betrieben von Kriegs- und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes eine Reihe derartiger Unternehmen per Volksentscheid verstaatlicht worden, und die restlichen vier Länder waren dieser Linie bis August 1946 durch entsprechende Verordnungen gefolgt.69 Listen, die mit der Treuhänderschaft betraute Sequesterkommissionen auf Kreisebene anlegten und auf deren Grundlage über die weitere Verwendung beschieden wurde, sahen neben der entschädigungslosen Verstaatlichung (Liste A) jedoch noch die Möglichkeit der Rückgabe an ihre früheren Eigentümer vor (Liste B); eine weitere Kategorie (Liste C) erhob neben »herren­losem« Vermögen auch vormals jüdischen Besitz, der im Zuge der »Arisierung« an das Reich (das heißt nicht an Privatpersonen) gefallen war. Bis zum Frühjahr 1948, als ein SMAD -Befehl die Sequestrierung beendete – worauf noch einzugehen sein wird –,70 wurden auf Grundlage dieser Listen knapp 10 000 Industrieunternehmen und größere Handwerksbetriebe enteignet und in Volkseigentum überführt. Deren Anteil an der Industrieproduktion soll etwa 60 Prozent betragen haben.71 198

Wie viele dieser Unternehmen bis in die 1930er Jahre einen jüdischen Besitzer hatten, also »arisiert« worden waren, lässt sich nicht verlässlich sagen.72 Aus seiner Kindheit und Jugend in Elberfeld musste Zuckermann jedoch klar gewesen sein, dass zahlreiche darunter gewesen waren. Lichtspieltheater, Warenhäuser und Hotels etwa, die auch zu dieser Kategorie zählten, hatten sich nicht selten in jüdischem Besitz befunden; gleiches galt für große Einzelhandelsgeschäfte- und -ketten oder Unternehmen der Textilbranche, die neben der Präsenz in den freien Berufen das wirtschaftliche Rückgrat der mehrheitlich dem Mittelstand zugehörigen deutschen Juden dargestellt hatten.73 Sie in dem geplanten Gesetz zur »Wiedergutmachung« von der Gruppe zu restituierender Vermögen auszunehmen, mochte zwar durch den ideologischen Vorbehalt gedeckt gewesen sein, die größeren Unternehmen unter ihnen hätten bereits den Charakter kapitalistischer Großbetriebe angenommen. Als solches galten Unternehmen mit einer Obergrenze von zehn Angestellten.74 Dennoch stellte die Verstaatlichung mittelständischer Unternehmen einen erheblichen Einschnitt dar, der den Grundstock zu restituierender Vermögen stark einschränkte und diese Maßnahme mit dem in Mexiko gefassten Programm kollidieren ließ. Zumindest indirekt ist hier dann auch eine Initiative Zuckermanns nachzuweisen, eine Reihe sequestrierter Unternehmen unter die Vermögenswerte zu fassen, die zur Rückerstattung vorgesehen waren. Bis zum Jahresende 1947 waren nämlich die verschiedenen Entwürfe nicht nur recht vage in dieser Frage gewesen; sie sahen vor – so Artikel 34 eines Entwurfs vom 14. November 1947 –, dass »Vermögenswerte, die aufgrund der Verfassungsordnung in Volkseigentum übergegangen oder im Gefolge der Neuordnung der Verhältnisse beschlagnahmt worden sind«, nicht rückerstattungspflichtig seien.75 Erst eine Überarbeitung des Gesetzestextes vom 5. Januar 1948 unterschied nun sequestriertes Vermögen von bereits verstaatlichtem und ließ auf diese Weise erkennen, dass für unter Treuhänderschaft stehendes, aber noch nicht abschließend beurteiltes Vermögen ein Anspruch auf Rückgabe erhoben werden könne.76 Ein weiterer Entwurf vom 19. Januar schloss nur noch bereits verstaatlichtes Eigentum davon aus und machte keine Angaben mehr zum sequestrierten Vermögen.77 Was den mutmaßlichen Autor beider Überarbeitungen, den »Genossen Zuckermann«,78 zu dieser Präzisierung bewog, und auch, ob er damit auf Anweisung handelte, ist den Quellen nicht zu entnehmen. Dennoch bestand offenbar das Interesse, den Kreis der Bezugsberechtigten so groß wie möglich zu halten; zudem erregte die neue Formulierung augenscheinlich keinen Widerspruch und wurde geräuschlos akzeptiert. Schließlich war die Frage erbenlosen Vermögens mit erheblichen Problemen behaftet. Wie an anderer Stelle ausgeführt, hatte die zukünftige Behandlung 199

geraubten jüdischen Vermögens, das aufgrund der totalen Verfolgung durch die Nazis erbenlos geworden war, im Zentrum der Forderungen des WJC gestanden, und nicht nur bei diesem, sondern mutmaßlich auch bei Zuckermann eine wichtige Rolle im Erkenntnisprozess betreffs der Notwendigkeit von Restitution als solcher gespielt.79 Dennoch hatte er sich im mexikanischen Exil, trotz seiner Nähe zum WJC und ungeachtet der Annahme, dass er dessen Restitution moralisch für geboten gehalten haben dürfte, nie öffentlich dafür verwandt. Es ist deshalb nur schwer zu beurteilen, wie Zuckermann auf eine Regelung der Übertragung erbenloser Vermögenswerte an jüdische Nachfolgeorganisationen reagierte, wie sie in den westlichen Zonen diskutiert wurde, in der SBZ aber nie eine Chance auf Umsetzung hatte. Wie ihm kaum entgangen sein konnte, stellte sich die Sowjetunion (wie im Übrigen Großbritannien und Frankreich auch) im Kontrollrat vehement gegen eine solche Regelung, in der sie einen unlauteren Kapitalexport erblickte, der der Erfüllung eigener Reparationsansprüche zuwiderlief.80 Recht eigentlich bildete diese Weigerung einen der Hauptgründe, weshalb die Alliierten nicht zu einer gemeinsamen Regelung in Bezug auf rückzuerstattendes individuelles Eigentum gelangten.81 Zur gleichen Zeit dürfte die sowjetische Ablehnung den paradoxen Effekt gehabt haben, ein mögliches Unbehagen in dieser Frage bei Zuckermann zu entkräften – die anhaltende sowjetische Weigerung machte nämlich den Weg für individuelle Regelungen in den einzelnen Zonen frei, wie es schließlich die Kontrollratdirektive Nr. 57 vom 15. Januar 1948 bestätigte.82 Dass die Amerikaner im Militärregierungsgesetz Nr. 59 vom 10. November 1947 vorgeprescht waren und die Übertragung erbenlosen Vermögens an jüdische Treuhänderorganisationen ausdrücklich gestatteten,83 mochte Zuckermann dabei weniger als Vorbild gedient haben, es ihnen inhaltlich gleich zu tun, sondern vielmehr ihn beflügelt haben, nun ebenfalls Schritte einzuleiten, das Gesetz voranzubringen. Auf den Alleingang in der amerikanischen Zone folgte nämlich eine entscheidende Änderung in Bezug auf das geplante »Wiedergutmachungsgesetz« in der SBZ . Nicht nur war jetzt abzusehen, dass auch hier eine eigene Regelung verabschiedet werden würde: Hatte das geplante Gesetz bislang stets auf die Anmeldung von Rückerstattungsansprüchen, das heißt – so sein Titel  – auf die »Vorbereitung von Wiedergutmachung« abgezielt, sprach der Vorbereitungskreis ab Mitte Januar 1948 nun davon, die Länder mit der Durchführung von Restitution zu betrauen, sie also in die Lage zu versetzen, die Rückerstattung juristisch abschließend vornehmen zu können. Interessanterweise war es in dieser Frage nicht Zuckermann, der die Initiative ergriff, sondern Merker, der ihn am 13. Januar 1948 schriftlich anwies, den bestehenden Entwurf entsprechend umzuarbeiten. Die neue Fassung, so 200

Merker, solle die bislang vorgesehene Anmeldung durch »sofortige Maßnahmen zur Wiedergutmachung« ersetzen und »Wiedergutmachungskommissionen« der Länder mit der Vollmacht ausstatten, über Anträge von Verfolgten des Naziregimes »rechtskräftig zu entscheiden«.84 Merkers Vorschlag, zu dem er am Ende seines Schreibens mitteilte, »die Genossen Ulbricht und Dahlem« seien »mit den der Regelung zugrunde liegenden Prinzipien einverstanden«, belegt damit ein weiteres Mal, dass die Frage individueller Rückerstattung unter Einhaltung bestimmter Grenzen zumindest zu diesem Zeitpunkt in der Parteiführung nicht umstritten war. Er deutet zudem darauf hin, dass Zucker­ mann bis dato nur wenig Notwendigkeit gesehen hatte, über die offiziellen Bemühungen hinaus aktiv zu werden. Sowohl Ausrichtung als auch den Weg des Gesetzes schien er als ausreichend zu erachten – und dies, obwohl das Problem erbenlosen Vermögens darin keine Berücksichtigung nach amerikanischem Vorbild fand. Sein neuer Entwurf sah nun im Übrigen durchaus eine Verwendung erbenlosen Vermögens vor. Von Merker angewiesen, auch eine Formulierung zum Vermögen von »Verfolgte[n] des Naziregimes, die sich nicht mehr am Leben befinden«, zu ergänzen,85 fügte Zuckermann einen neuen Paragrafen ein, der die Bildung eines »Fonds für Wiedergutmachung« vorsah (§ 54,  Abs.  1).86 In diesen sollten Vermögenswerte einfließen, die aufgrund fehlender Anspruchsberechtigter nicht geltend gemacht werden könnten  – er zielte also unter anderem auf erbenloses Vermögen  –; dieses sollte offenbar zur Finanzierung der sozialfürsorgerischen Maßnahmen aus Abschnitt  II des Gesetzentwurfs beziehungsweise für ebenfalls vorgesehene Entschädigungsleistungen von bereits verstaatlichtem Vermögen, das nicht rückerstattet werden konnte, verwendet werden. Wenn man so will  – und dies ist nicht hoch genug zu bewerten –, erklärte Zuckermann demnach den künftigen sozialistischen Staat zur jüdischen Nachfolgeorganisation. Alles in allem gelang es Zuckermann bis zur Jahreswende 1947/48, die in Mexiko avisierten Forderungen weitestgehend und im Rahmen der in der SBZ gegebenen Möglichkeiten umzusetzen. Mehr noch, am 26. Januar 1948 erteilte das Zentralsekretariat der SED, das höchste Gremium zwischen den Parteitagen, dem von Zuckermann ausgearbeiteten und von Merker und Lehmann in der Fassung vom 19. Januar vorgelegten Entwurf seinen Segen. »Dem aus Anlage Nr. 7 ersichtlichen Gesetzentwurf gibt das Zentralsekretariat seine Zustimmung«,87 hieß es lapidar in einer Hausmitteilung über das geplante Gesetz, das in der Konsequenz nun Folgendes vorsah: Abschnitt II (»Betreuung der VdN«) enthielt umfassende Bestimmungen zur Besserstellung von »Verfolgten des Naziregimes« bei der Wohnungs- und Arbeitsplatzzuteilung, hinsichtlich Urlaubsanspruch, Rentenversorgung und anderem mehr, die politisch und rassisch Verfolgten gleichermaßen zugutekommen sollten; Ab201

schnitt III (»Sofortmassnahmen zur Durchführung der Wiedergutmachung«) hingegen regelte die Rückerstattung an Personen, »denen das Vermögen in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 aus Gründen der Rasse, Religion, Weltanschauung oder politischen Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus entzogen worden ist« (§ 28). Als Einschränkung wurde formuliert, dass Antragsteller ihren Wohnsitz in Deutschland haben mussten; anspruchsberechtigt waren neben noch lebenden Vorbesitzern deren Ehegatten oder Nachfahren bis zum zweiten Grad. Von der Rückerstattung ausgenommen waren allein »Vermögensgegenstände, die in Volkseigentum übergegangen oder sonstwie nach dem 8. Mai 1945 für einen öffentlichen Zweck enteignet« worden waren (§ 29), wobei die Möglichkeit bestand, »unter Berücksichtigung der sozialen Lage des Berechtigten […] eine angemessene Entschädigung« zu erhalten, sollte die »Wiedergutmachung unmöglich« sein (§ 55). Zur Rückerstattung freigegeben werden sollte demnach vornehmlich Vermögen, das sich noch in Hand von »Ariseuren« befand, sowie Werte, die zwar sequestriert, über deren Verbleib jedoch noch nicht entschieden worden war. Um rückerstattungspflichtiges Vermögen registrieren zu können, regelte der Entwurf deshalb eine Reihe von Einzelfragen, so etwa die, dass Personen, die im Besitz »arisierter« Vermögenswerte waren oder dies annehmen mussten, diese unter Strafandrohung bei Wahrung einer Frist anmelden mussten (§§ 44–46), ebenso sollten Rechtsgeschäfte aus der NS -Zeit, von denen vermutet werden konnte, sie seien unter Zwang zustande gekommen, gleichfalls als »Vermögensentziehung« definiert werden. In Zahlen ausgedrückt beliefen sich die zur Rückerstattung vorgesehenen Vermögenswerte für das Gebiet der SBZ , wie Mitte der 2000er Jahre geschätzt worden ist, auf etwa 10 000 Kleinbetriebe und 45 000 Immobilien sowie eine nicht näher zu bestimmende Anzahl mittelständischer Unternehmen, die noch unter Treuhänderschaft standen.88 Gemeinsam mit den umfassenden sozialfürsorgerischen Bestimmungen des Entwurfs war die vorgesehene Lösung zur Rückerstattung demnach angetan, unter den gegebenen Umständen einen substanziellen Beitrag zur »Wiedergutmachung« nationalsozialistischen Unrechts in der sowjetischen Zone zu leisten, der die »Arisierung« wenn nicht in Gänze rückgängig gemacht, so doch ihre Folgen deutlich abgemildert hätte. Da der vom Zentralsekretariat genehmigte Entwurf im Anschluss zur Abstimmung an die Länder vorgesehen war,89 schien die Rückerstattung geraubten jüdischen Vermögens in der SBZ , und dies weitestgehend gemäß der in Mexiko entwickelten Vorstellungen, unwiderruflich auf den Weg gebracht. Welche Auswirkungen diese Entwicklung auf Zuckermanns Selbstverständnis als Kommunist und Jude hatte, ist nur schwer zu bestimmen. Geht man davon aus, dass er mit dem Ansinnen nach Deutschland zurückgekehrt 202

war, die in Mexiko gewonnene Erkenntnis von der Besonderheit des jüdischen Schicksals in den Aufbau des Sozialismus zu integrieren, war er darin, wie der vom Zentralsekretariat genehmigte Gesetzentwurf verdeutlicht, zunächst und unter den gegebenen Möglichkeiten außerordentlich erfolgreich. So kann nicht genug darauf hingewiesen werden, was der Entwurf, wäre er denn geltendes Recht geworden, langfristig für den Stellenwert des jüdischen Schicksals, die Beziehungen zu den jüdischen Gemeinden in der DDR sowie zur jüdischen Diaspora beziehungsweise dem Staat Israel bedeutet hätte. Es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass eine entsprechende Regelung durchaus das Potenzial gehabt hätte, anders als in der späteren DDR , dieses Verhältnis auf eine vertrauensvolle Grundlage zu stellen. Aber auch hinsichtlich der Frage nach Zuckermanns politischem Selbstverständnis, dessen beide Pole »Kommunist« und »Jude« schon in Mexiko in einem Spannungsverhältnis gestanden hatten, ist der von der Parteiführung bestätigte Entwurf von Bedeutung. Entgegen der Vermutung nämlich, Zuckermann wäre aufgrund der traditionellen Indifferenz der kommunistischen Bewegung zum jüdischen Schicksal und seiner (und Merkers) Vorgeschichte nach der Rückkehr in die SBZ die Rolle zugefallen, für jüdische Ansprüche kämpfen zu müssen, war zur Jahreswende 1947/48 noch das Gegenteil der Fall. Sicher verdankte sich dieser Erfolg maßgeblich der Tatsache, dass sich insbesondere Paul Merker als Mitglied des Parteivorstandes von Beginn an für die Berücksichtigung der jüdischen Ansprüche eingesetzt hatte; dennoch war ihnen, gedeckt vor allem von der sowjetischen Haltung, der Gesetzentwurf gewissermaßen in den Schoß gefallen. Die nahezu geräuschlose Ausarbeitung des Entwurfs, namentlich aber seine Bestätigung durch die Parteiführung, dürfte Zuckermann demnach zunächst als nachträgliche Bestätigung der mexikanischen Diskussionen verstanden haben und als Beleg dafür, dass sich beides – kommunistisches Bekenntnis und die Berücksichtigung jüdischer Anliegen – nicht ausschlossen. Insofern mochte dies mögliche Bedenken entkräften, die alle Emigranten jüdischer Herkunft angesichts der Rückkehr nach Deutschland hegten. Schon in Mexiko hatte diese Frage die jüdischen Mitglieder der Merker-Gruppe umgetrieben, wenn etwa Egon Erwin Kisch am 8. Mai 1945, dem Tag der Befreiung, nur wenig zum Feiern zumute gewesen war. Auf die Frage Lenka Reinerovás, warum er trotz der Nachricht vom Ende des Krieges so bedrückt sei, habe dieser geantwortet: »Eben. […] Was werden wir jetzt erst alles erfahren.«90 Die Mehrzahl der nicht politischen jüdischen Emigranten schloss gar kategorisch aus, jemals wieder einen Fuß auf deutschen Boden zu setzen. Kisch, aber auch Leo und Otto Katz sowie Bruno Frei, fanden insofern eine Antwort darauf, als sie ganz selbstverständlich nicht nach Berlin (von wo aus sie 1933 203

vor dem Nationalsozialismus geflohen waren) zurückkehrten, sondern in ihre jeweiligen Heimatländer Tschechoslowakei und Österreich. Kommunisten jüdischer Herkunft mit deutscher Staatsbürgerschaft wie Alexander Abusch, Erich Jungmann oder Leo Zuckermann verfügten nicht über diese Option. Obgleich alle, wenn auch in unterschiedlichem Maße, die Vorstellung plagte, unter gewöhnlichen Deutschen leben zu müssen, von denen sie nicht wussten, welche Schuld sie im Nationalsozialismus auf sich geladen hatten, legte ihnen die Parteizugehörigkeit die Remigration und die Mitarbeit am Neuaufbau nahe.91 Nicht umsonst war es deshalb ein weitverbreitetes Phänomen unter jüdischen Parteiangehörigen und ihren Familien, dass man, nachdem man sich im sowjetischen Sektor eingerichtet hatte, den direkten Kontakt zu deutschen Nachbarn mied, ein distanziertes Verhältnis zu Hausangestellten pflegte und unter sich blieb, was aufgrund der Beschäftigung in parteinahen Einrichtungen und damit verbundener Privilegien relativ problemlos möglich war.92 Von Hilde Eisler, die im Juni 1949 aus New York nach Deutschland zurückkehrte, weil ihr Mann Gerhart vorausgefahren war, woraufhin ihr die Ausweisung aus den Vereinigten Staaten drohte, heißt es sogar, sie hätte am Anfang derartige Angst vor den Deutschen verspürt, dass sie es die erste Zeit vermied, aus dem Haus zu gehen.93 Öffentlich sprach man über derartige Bedenken, die das Bild vom Neuanfang befleckt hätten, nie, und in Briefen sicherte man sich, wie etwa Anna Seghers, dadurch ab, dass man mehrfach darauf hinwies, ihr Inhalt sei »privat«  – also nicht zitierfähig.94 Die Partei indes gewann unter diesen Voraussetzungen an Bedeutung als geschützter Ort, konnte man sich in ihr doch in gewisser Weise vor den gewöhnlichen Deutschen verbergen. Mehr noch, sie ersetzte den Remigranten quasi die Familie, was wenig später, infolge der von ihr ausgehenden Säuberungswellen, fatale Konsequenzen zeitigte. Auch Zuckermann waren derartige Zweifel nicht unbekannt. In den Frage­ bögen des Jahres 1947, die er für die Partei anzufertigen hatte, gab er unumwunden an, seine Eltern seien von den Nationalsozialisten ermordet worden,95 und das »Glücksgefühl«, dass er und seine Elberfelder Bekannte Lotte Winter angesichts ihres Wiedersehens in Berlin zunächst verspürt hatten, sei umgehend »überschattet [gewesen] durch die Ausrottung seiner und [ihrer] Familie«.96 Dennoch hatte seine Rückkehr wohl nie zur Disposition gestanden, und dies obwohl er einer der wenigen Angehörigen der Merker-Gruppe gewesen war, die sich in Mexiko eine sichere Existenz hatten aufbauen können. Nach Erlangung der mexikanischen Staatsangehörigkeit im April 1946 und aufgrund des Florierens seiner Anwaltspraxis hätte er dort ein ruhiges Leben führen können.97 Parteidisziplin und die Aussicht, in Deutschland an der Umsetzung seines seit seiner Jugend politischen Grundziels mitzuwirken, 204

dem Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung, behielten jedoch die Oberhand, und dies, obwohl seine Frau die Übersiedlung nach Deutschland als Französin und Jüdin lange abgelehnt hatte und später nie richtig warm mit der deutschen Nachkriegsgesellschaft wurde.98 Zuckermann selbst war in diesem Punkt offensichtlich nachsichtiger. Gegenüber einer seiner Sekretärinnen, von der es heißt, sie sei NSDAP-Mitglied gewesen, ließ er insofern Milde walten, als er unterschied zwischen Personen, die »nachweislich« Verbrechen begangen hatten und dafür belangt wurden, und Mitgliedern der Nazipartei im Allgemeinen, deren Integration, ja selbst ihre Aufnahme in die SED er als realistisches Gebot der Stunde akzeptierte.99 Stattdessen empfand er, wie übrigens auch Seghers, einen expliziten Bildungsauftrag, insbesondere junge Menschen, die ausschließlich in der Hitler-Zeit sozialisiert worden waren, mit marxistischer Theorie bekannt zu machen, ihnen auf diese Weise den Blendungscharakter des Nationalsozialismus zu verdeutlichen und sie zu eigenständigem Denken zu befähigen.100 Auch vor diesem Hintergrund entwickelte sich die SED, deren Antifaschismus außer Frage stand, zu einem Ankerpunkt und eine Entscheidung der Parteiführung wie die Zustimmung zum Entwurf des VdN-Gesetzes musste als Bestätigung erscheinen, man habe mit der Rückkehr nach Deutschland die richtige Entscheidung getroffen. Erkenntnisreich in Bezug auf Zuckermanns Selbstverständnis ist zudem, dass er ein Vierteljahr später, als der Entwurf des Gesetzes ins Stocken zu geraten drohte, aus der bislang geübten Zurückhaltung heraustrat und sich nun öffentlich als Verfechter jüdischer Interessen zu erkennen gab. Dabei war, im Gegensatz zu später – worauf noch einzugehen sein wird –, das Stocken des Gesetzes anfangs gar nicht auf eine ablehnende Haltung in der Partei zurückzuführen, sondern auf einen Konzeptionsfehler hinsichtlich dessen geplanter Verabschiedung. Die Ende Februar 1948 erfolgte Überweisung an die SED -Fraktionen in den Ländern, von wo aus das Gesetz in Ermangelung eigener Staatlichkeit der SBZ verabschiedet werden sollte,101 erwies sich insofern als kontraproduktiv, als die seinerzeit noch demokratisch verfassten Landtage ihr Recht nutzten, den Entwurf in die Ausschüsse zu verweisen und ihn ausgiebig zu diskutieren.102 In der Folge trafen derart viele Vorschläge bei der Parteizentrale in Berlin ein, wie das Gesetz verbessert werden könne (auch die VVN beteiligte sich daran),103 dass Kurt Nettball im Mai 1948 entnervt mit der Frage bei Merker vorstellig wurde, mit welcher Berechtigung die Landesvorstände der VVN »noch über einen vom Zentralsekretariat beschlossenen Entwurf« diskutieren würden und diesen um ein Machtwort bat.104 Nicht nur aufgrund dieser Verzögerung wurde nun der Vorbereitungskreis aktiv und verabredete sich zu einer Kampagne in der SBZ -Presse, die der Popularisierung des Gesetzes dienen sollte, und für die Zuckermann drei 205

Beiträge verfasste, darunter seinen Text Restitution und Wiedergutmachung in der Weltbühne vom 27. April.105 Auch das Treffen Otto Grotewohls mit Chaim Yahiel, an dessen Anbahnung Zuckermann neben Julius Meyer wohl entscheidenden Anteil hatte und in dem Fragen möglicher Reparationen eines ostdeutschen Teilstaates an ein jüdisches Gemeinwesen in Palästina diskutiert wurden, fällt in diese Zeit.106 Und schließlich holte Zuckermann aus, um die Bestimmungen des Gesetzentwurfs in zwei nicht unerheblichen Punkten noch einmal weiter zu fassen. In einem Papier von Anfang Mai 1948 formulierte er zwei Abänderungen mit großer Reichweite: Zum einen stellte er eine gesetzliche Regelung über Entschädigungen verstaatlichten Vermögens in Aussicht (§ 31), zum anderen erweiterte er den Kreis der Anspruchsberechtigten auf vormals deutsche Staatsangehörige mit ständigem Wohnsitz im Ausland, die nun ihre Ansprüche bis Ende 1949 geltend machen konnten und für die er ebenfalls ein »späteres« Gesetz avisierte (§ 56).107 Damit reagierte Zuckermann offensichtlich auf heftige Kritik an dem Gesetzentwurf von jüdischer Seite, die mehrfach an ihn herangetragen worden war.108 Insbesondere der Vertreter der Dresdner Jüdischen Gemeinde Leon Löwenkopf, zugleich SED -Mitglied, hatte wiederholt darauf hingewiesen, der kategorische Ausschluss von Entschädigungen für verstaatlichte Unternehmen und der Einbehalt erbenlosen Vermögens seien nicht tragbar, weil sie bedeuten würden, »durch Gesetz die Juden zum zweiten Male zu enteignen«.109 Auf einer gemeinsamen Besprechung der beteiligten Stellen in Berlin am 13. Mai 1948 hatte er erklärt, man könne es nicht hinnehmen, »dass der Staat der Erbe [erbenlosen Vermögens] ist« und stattdessen eine Nachfolgeorganisation bestehend aus jüdischen Gemeinden und der VVN ins Spiel gebracht.110 Worauf Zuckermanns Vorstöße genau zurückzuführen waren, das heißt, weshalb er sich den von jüdischer Seite vorgebrachten Forderungen anschloss, ja Kraft seiner Funktion im Parteiapparat nun sogar zu ihrem Wortführer wurde, ist nicht belegt. Denkbar ist, dass sowohl die Euphorie, die sich mit der Ausrufung des Staates Israel am 14. Mai 1948 und der förderlichen Rolle, die die Sowjetunion dabei einnahm, einstellte, als auch die zeitgleich erfolgte prinzipielle Zustimmung Grotewohls zu Reparationen gegenüber einem jüdischen Staat bei Zuckermann Spuren hinterlassen hatten. Zumindest fühlte er sich offensichtlich berufen, die Berücksichtigung jüdischer Anliegen nun in einer Weise zu vertreten, die ihn in Kauf nehmen ließ, für alle sichtbar als ihr Fürsprecher identifizierbar zu sein.111 Erfolgreich waren die Anläufe indes nicht. Innerhalb des Parteiapparates, und hier insbesondere in der Abteilung Justiz, stießen sie derart auf Widerspruch, dass sie in jener Sitzung vom 13.  Mai 1948 zwar von Zuckermann (wie auch Julius Meyer und Leon Löwenkopf) noch vertreten wurden, in der der Besprechung vorliegenden Fassung des 206

Gesetzentwurfs jedoch nicht mehr enthalten waren.112 Ohnehin ist an ihnen aber vor allem interessant, dass Zuckermann sich im Frühjahr 1948 offenbar derart sicher fühlte, mit seinem Engagement nicht von der Parteilinie abzuweichen, dass er die Vorstöße überhaupt unternahm. Schließlich war er sich als langjähriges KP-Mitglied bewusst, wann ein Thema der Parteilinie entsprach und wann nicht. Als solches hatte er verinnerlicht, sämtliche, wirklich alle Äußerungen aus Gründen des Selbstschutzes auf Linientreue abzu­wägen. Zudem waren ihm als Mitarbeiter mit Tuchfühlung zur Parteileitung im Pariser Exil die gefürchteten Überprüfungen durch sowjetische Emissäre – von ihm als das »Moskauer Auge« bezeichnet – bekannt, die dort ab Mitte der 1930er Jahre eingesetzt hatten, und die alle Genossen auf mögliche Kritik an Stalins Führung hin abklopften.113 Natürlich war man sich als Parteimitglied gewahr, wann man sich auf unsicheres Terrain begab und wann nicht. Wenn Zuckermann also wusste, wann die Parteinahme für ein Thema angebracht und wann besser zu schweigen war, scheint er die Verwendung für jüdische Themen im Frühjahr 1948 nicht für besonders heikel erachtet zu haben. Zwar nahm er in Kauf, sich unbeliebt zu machen – was dann auch eintrat –, hätte er aber seinen Einsatz zugunsten jüdischer Anliegen für gefährlich gehalten, wäre er sicherlich nicht in dieser Form in Erscheinung getreten. Damit erweist sich die Lage, in der sich Zuckermann im Frühjahr 1948 befand, einmal mehr als Ausdruck jener »Zwischenzeit«,114 der kurzen Epoche zwischen Kriegsende und Beginn des Kalten Krieges, in der ein deutliches Bekenntnis zu einem jüdischen Selbstverständnis seitens Personen, die in dieser Hinsicht zuvor nicht vernehmbar gewesen waren, nicht nur weitverbreitet, sondern auch im sowjetischen Machtbereich noch nicht schlecht beleumundet war, geschweige denn inquisitorisch verfolgt wurde. Die stalinistischen Parteisäuberungen der frühen 1950er Jahre, die mit antisemitischen Begleittönen (vermeintliches) projüdisches Engagement verfolgten, und aufgrund derer Zuckermanns Engagement heute überhaupt erst so bemerkenswert erscheint, waren in ihrer Dimension noch nicht vorstellbar. Zugleich wäre es jedoch falsch anzunehmen, der erfolgreich eingebrachte Gesetzentwurf wie auch Zuckermanns Initiativen vom Frühjahr 1948 wären gleichbedeutend damit, dass er sich von nun an nur noch oder in erster Linie der Anerkennung jüdischer Themen verpflichtet hätte. Vielmehr unterlag die Möglichkeit, sich für jüdische Belange einzusetzen, wie bereits in Mexiko, weiteren Faktoren. Zum einen durfte ebenjene Parteilinie, die derartige Äußerungen erlaubte, nicht über Gebühr strapaziert werden. Beleg dafür ist auch und gerade Zuckermanns Artikel Restitution und Wiedergutmachung. So bemerkenswert sein Beitrag war, weil er das »jüdische Volk« als Kollektiv mit spezifischen Rechtsansprüchen definierte und ganz selbstverständlich 207

den »Anspruch auf Rückgabe« von Vermögen in Deutschland erklärte, so sehr bewegten sich diese Forderungen doch ganz innerhalb der Grenzen des (zu dieser Zeit) Sagbaren. So verteidigte er nicht nur die in der SBZ vorgenommenen Verstaatlichungen, indem er die in der amerikanischen Zone praktizierte Rückerstattung von »Handels- und Industriegesellschaften« wie auch die Wiederherstellung von »Gesellschaftsanteile[n], gelöschte[n] Firmen und ähnliche[n] Rechte[n]« kritisierte. Sobald diese Maßnahmen einen »Personenkreis« betrafen, »der endgültig aus dem deutschen Wirtschaftsgefüge ausgeschieden« ist, wertete er sie gar als Versuch, die »Wiedergutmachung« »in den Dienst ausländischer Wirtschaftsinteressen zu stellen«. Mehr noch, die Regelung für erbenloses Vermögen mittels jüdischer Nachfolgeorganisationen, wie es das amerikanische Militärgesetz Nr. 59 vorsah, griff Zuckermann mit deutlichen Worten an. Die Übertragung »nicht reklamierte[n] Eigentum[s]« in die Hände von Nachfolgeorganisationen, führte er aus, diene nämlich nicht der »Wahrung und Sicherung der Interessen des jüdischen Volkes«; vielmehr stellte er die Regelung als »Instrument einer bestimmten Minderheit zur Erweiterung ihrer egozentrischen wirtschaftlichen Machtpositionen« dar, wodurch mit den berechtigten Ansprüchen des jüdischen Volkes auf »Wiedergutmachung« Missbrauch zugunsten »imperialistische[r] Zwecke« betrieben werde. »Ein solcher Missbrauch«, so Zuckermann abschließend, gefährde jedoch »die moralische Basis der gesamten Wiedergutmachung und den politisch-erzieherischen Zweck, dem er dient«.115 Mit diesem harschen Urteil machte Zuckermann eindeutig eine Konzession an die sowjetische Parteilinie, die die Kapitalausfuhr bekanntermaßen kategorisch ablehnte. Auch im Wettstreit mit den westlichen Zonen, wer das »bessere« Gesetz auf den Weg bringen würde, positionierte er sich. Weshalb er im gleichen Atemzug jedoch derart weit ausholte und jüdische Überlebende und Organisationen  – hier ist er im Text nicht klar  – des wirtschaftlichen Egoismus, ja sogar des Imperialismus bezichtigte, lässt sich nur schwer beurteilen. Beide Gruppen zählten schließlich ebenso zu dem von ihm anderswo apostrophierten »jüdischen Volk« beziehungsweise sahen sich als dessen Vertretung an und waren, wie die Jewish Restitution Commission (ab Juni 1948: Jewish Restitution Successor Organization Inc.), die 1947 als fraktionsübergreifende jüdische Nachfolgeorganisation für die amerikanische Zone eingerichtet worden war, dem »Aufbauwerk des jüdischen Volkes« – wenngleich nicht in Deutschland – verpflichtet.116 Mit dem World Jewish Congress, auf den die Konzeption der Rückerstattung erbenlosen Vermögens letztlich zurückging, und der maßgeblichen Anteil hatte am Zustandekommen einer gesamtjüdischen Nachfolgeorganisation, attackierte er jene Institution, die ihn in Mexiko im Prozess der Wiederaneignung seiner jüdischen Herkunft 208

unterstützt hatte. Glaubte er also wirklich an die Vorwürfe, die er in dem Beitrag machte, oder dienten sie vielmehr bewusst dazu, zu signalisieren, dass er entgegen seiner unorthodoxen Forderungen auf Linie sei, was ihm wiederum leichtfiel, eben weil hinter die sowjetische Position nicht zurückzufallen war? Aber auch in anderen Fragen galt es, die Loyalität gegenüber der Partei unter Beweis zu stellen. Sichtbar wird dies etwa am Verlauf von Zuckermanns Parteikarriere und an den Aktivitäten, mit denen er parallel zu den Bemühungen um das VdN-Gesetz befasst war. So hatte sich Zuckermann im Laufe des Jahres 1947 in der Abteilung Landespolitik etabliert. Als Mitarbeiter dieser Fachabteilung des Zentralsekretariats, die als Kontrollinstanz für länderpolitische Vorgaben der SMAD und ihre Anwendung in den Ländern fungierte, war er mit Fragen der Umsetzung der Entnazifizierung, der Einrichtung von Besoldungsklassen, aber auch der Schulung von Verwaltungskräften betraut.117 Ihm oblag zuvorderst die Prüfung von Gesetzestexten, so zum Beispiel einer Ausführungsverordnung des Kontrollrates über Verwaltungsgerichte (August 1947), zur Immunität (November 1947), über die »Neuorganisation der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen« (Dezember 1947) oder über ein Vereinsgesetz (April 1948); zudem war er offenbar an der staatsrechtlichen Diskussion des Konzeptes der »antifaschistisch-demokratischen Ordnung« beteiligt.118 Im November 1947 urteilte der bereits erwähnte Anton Plenikowski jedenfalls über ihn: »Er ist [ein] hervorragender Staatsrecht­ler und politisch und fachlich sehr gut qualifiziert«.119 Damit gingen nicht nur verschiedene Privilegien einher, wie ein eigenes Haus in Pankow samt Haushaltshilfe, ein Dienstwagen mit Chauffeur oder die Erhöhung seines Gehaltes, sondern auch der Zugang zur Parteispitze. Einer seiner Vorgesetzten war immerhin Walter Ulbricht, der Zuckermann als zuverlässigen, loyalen und versierten Mitarbeiter schätzte. »Leo muss es durchprüfen«,120 lauteten in dieser oder anderer Form Vermerke Ulbrichts in den Akten, in jener Mischung aus Vertrautheit und Parteijargon, die unter Genossen die Anrede mit Vornamen vorsah. Von Beginn an tangierten die Themen, in denen Zuckermanns juristischer Sachverstand gefragt war, jedoch auch die Durchsetzung des SED -Macht­ anspruches. Deutlich wird dies an einer Debatte um die Selbstverwaltung der ostdeutschen Länder, die sich ab Frühjahr 1948 – und damit zeitgleich zu den Diskussionen über das VdN-Gesetz – ereignete und in der Zuckermann im Auftrag Ulbrichts missliebige Stimmen mit harschen Methoden zum Verstummen brachte. Die Kontroverse hatte sich an Forderungen entzündet, die hinsichtlich der Kompetenzen der Länder- und Kreisverwaltungen größere Entscheidungsbefugnis im Falle sogenannter Auftragsangelegenheiten, also gegenüber Weisungen aus Berlin, eingeklagt hatten. Sie betraf demnach 209

Auslegungsfragen in den neu aufgebauten Verwaltungen auf Länder- und kommunaler Ebene, in denen zahlreiche Neulinge arbeiteten, die sich in dem Geflecht an Verfahrensvorschriften mitunter nur schwer zurechtfanden. Konkret war die Debatte mit der Durchsetzung des Machtanspruches der SED verbunden, zum einen mit ihrem Wunsch nach stärkerer Zentralisierung der Verwaltung, zum anderen mit der Eindämmung missliebiger, meist vormalig sozialdemokratischer Stimmen in der Provinz, die auf Eigenständigkeit gegenüber der Parteizentrale beziehungsweise den Zentralverwaltungen beharrten. Die Verfechter größerer Freiheiten verwies Zuckermann mehr als deutlich in ihre Schranken. So soll er auf einer Tagung des Kommunalpolitischen Beirates am 22./23. Mai 1948 in Eisenach, auf der die Frage der Selbstverwaltung zur Sprache kam und an der er in Vertretung Ulbrichts teilnahm, die Ausführungen Max Fechners, des neben Ulbricht paritätisch eingesetzten Leiters der Abteilung Wirtschafts- und Landespolitik, mehrfach durch Zwischenrufe gestört und die Diskussion um Selbstverwaltung lautstark als »Unsinn« betitelt haben – und dies offenbar auf Weisung Ulbrichts.121 Damit nicht genug, griff Zuckermann in einem Beitrag für die Verwaltungszeitschrift Demokratischer Aufbau vom August 1948 Kurt Böhme für seinen zuvor veröffentlichten Artikel scharf an, der im Sinne Fechners für die »Überwindung der Auftragsangelegenheiten« geworben und die Debatte dadurch erst ausgelöst hatte.122 Als Gründe für »eine starke zentrale Lenkung des gesamten Staatsapparates« benannte Zuckermann sowohl die Notwendigkeit der Verteidigung des neuen Gemeinwesens gegen in die Westzonen geflüchtete, noch immer aktive »Monopolisten« und ihre Helfershelfer in der SBZ als auch die Verbesserung der »Lebenshaltung der werktätigen Massen« durch den soeben (im Juli 1948) verabschiedeten Zweijahresplan.123 In der Kontroverse kamen demnach unterschiedliche Auffassungen über die Verfasstheit der neuen Gesellschaft zum Ausdruck, die auf divergierenden weltanschaulichen Überzeugungen und Erfahrungen, also auf früheren Zugehörigkeiten zur SPD beziehungsweise zur KPD, beruhten. Für ehemalige Mitglieder der SPD, die in der Weimarer Republik in hohem Maße kommunale Verwaltungserfahrung gesammelt hatten, betraf dies sowohl die Wiederherstellung kommunaler Kompetenzen, die der Nationalsozialismus zerschlagen hatte, als auch deren Ausweitung im Sinne eines nachholenden Abstreifens obrigkeitsstaatlicher Gängelungen, die Kennzeichen früherer, noch aus dem Kaiserreich stammender Vorstellungen von Selbstverwaltung gewesen waren.124 Angehörige der KPD hingegen entnahmen Lenins Schrift Staat und Revolution (wenngleich diese eigentlich die Überwindung des Staates zum Gegenstand hatte)125 den Auftrag zur Herstellung einer effizienten Verwaltungsstruktur bis hinunter zur kleinsten Einheit und begründeten 210

dies etwa damit, dass diese nur so fortschrittlich sein könnten wie das große Ganze. Zuckermann erinnerte beispielsweise in diesem Zusammenhang daran, die bekannten großflächigen Wiener Versuche der Arbeiterselbstverwaltung in der Zwischenkriegszeit, das sogenannte Rote Wien, hätten weder am Gesamtkapitalist Staat noch am Erstarken des Faschismus etwas geändert.126 Wenn Fechner jedoch provokant von den Zentralisierungstendenzen als einer »unmarxistische[n] Verkennung des Wesens des Zentralismus« sprach und von »bürgerliche[r] oder kleinbürgerliche[r] Ideologie«, die meine, »ein zentralistisch-demokratischer Staat [müsse] die freie Entfaltung der Kreise und Gemeinden abtöten«,127 forderte er dem Vokabular und der Sache nach die Vorherrschaft des KP-Milieus innerhalb der SED heraus, wie Ulbricht zornentbrannt zur Kenntnis nahm. In einer internen Sitzung des Parteivorstandes am 24. Juli 1948 gab dieser folgerichtig zu Protokoll, dass man hinsichtlich der Verwirklichung des Zweijahresplans »nicht spielen« dürfe; unmissverständlich war er auch, wenn er die in Böhmes Artikel erhobenen Forderungen als Angriff deutete, »von der kommunalen Basis aus unseren Staat kaputt zu machen«. Dann jedoch, so Ulbricht in aller Deutlichkeit, »werden wir ihnen […] auf die Finger schlagen«.128 Diesem Auftrag war Zuckermann in Eisenach nachgekommen; in seinem Artikel warf er Böhme ferner vor, die Forderung nach Selbstverwaltung gefährde die »Einheit unserer Staatsgewalt«, ja sei angetan  – wenn sie es nicht sogar bezwecke  –, »den Staatsapparat für die Erfüllung unserer Aufgaben unfähig zu machen« und so »Agenten der geflüchteten Monopolisten« Unterschlupf zu gewähren.129 Ein solcher Vorwurf freilich war im Sommer 1948 nicht länger eine »interessante« Diskussion mit vormals sozialdemokratischen Genossen, wie Zuckermann sich später zu erinnern glaubte,130 sondern im Zeichen der längst unter politischer Beobachtung stehenden ehemaligen sozialdemokratischen Parteimitglieder eine Unterstellung mit tendenziell karriereschädigenden, wenn nicht gar lebensbedrohlichen Folgen. Und auch wenn das Zentralsekretariat auf Betreiben Fechners Zuckermann für sein Verhalten in Eisenach offiziell rügte – ohne Konsequenzen, da Ulbricht die Hand über ihn hielt und dazu schwieg –,131 hatte er sich als loyaler Kommunist und Parteigänger Ulbrichts erwiesen. Wie sowohl die Kontroverse um die Selbstverwaltung der Länder als auch Zuckermanns steile Parteikarriere zeigen, ging beides also Hand in Hand – die Beteiligung am Aufbau des Sozialismus (um nicht zu sagen, an der stalinistischen Umwandlung der SBZ) mit der ihm ein Bedürfnis gewordenen Berücksichtigung jüdischer Ansprüche aus dem Weltkrieg. Mitunter wandte er die Methoden des einen auch im Sinne des anderen an. Der Kritik an seinen Vorstößen und seiner Person, die nach der Veröffentlichung des Artikels in der Weltbühne anzusteigen begann, begegnete Zuckermann näm211

lich in ähnlicher Manier, wie er zur selben Zeit Kurt Böhme attackierte. So beschwerte er sich im Juni 1948 bei niemand Geringerem als Walter Ulbricht über »grobe Unwahrheiten« und »eine falsche ideologische Einstellung«, die die Kritiker des »Wiedergutmachungsgesetzes« verbreiten beziehungsweise an den Tag legen würden.132 Konkret entzündete sich die Beschwerde daran, dass die Mitarbeiter der Abteilung Justiz im Parteivorstand Götz Berger, Ernst Melsheimer und Reinhold Schäfermeyer vehement gegen die Erweiterung der Bestimmungen des Gesetzes aufgetreten waren, so etwa gegen die von Löwenkopf geforderte nachträgliche Entschädigung bereits verstaatlichten jüdischen Vermögens, und sie als Urheber dieser »untragbare[n] Konzeption« in zwei Briefen an Ulbricht und Fechner den »Genossen Zuckermann« benannt hatten.133 Darin warnten sie davor, die neuen Vorschläge würden den »Etat ausserordentlich belasten« und seien »vom sozialistischen Standpunkt aus nicht zu verantworten«, weil sie bedeuteten, »dass die Sozialisierung vor dem jüdischen Kapital halt machen sollte«.134 Womöglich fühlte sich Zuckermann von diesen Vorwürfen aber nicht nur herausgefordert, weil sein Name gefallen war, sondern auch, weil in internen Diskussionen mit Mitarbeitern der Abteilung Justiz offenbar antisemitische Einstellungen zum Vorschein gekommen waren.135 Zudem waren Schäfermeyer und Melsheimer politisch nicht unbelastet (Schäfermeyer, weil er Wehrmachtssoldat und Mitglied verschiedener NS -Organisationen gewesen war; Melsheimer, der spätere DDRGeneralstaatsanwalt, weil er, obwohl einst SPD -Mitglied, unter den Nazis Karriere im Justizdienst gemacht hatte).136 In jedem Fall fuhr Zuckermann zu seiner Verteidigung und der des Gesetzes schweres Geschütz auf. Bergers fortgesetzte Kritik stellte er als mutwilligen Verstoß gegen einen Parteibeschluss dar, insofern dieser gewusst habe, »dass dieses Gesetz vom Zentralsekretariat beschlossen war«. Gravierender aber noch bezichtigte er Berger, der selbst jüdischer Herkunft war, der »Ideologie des Reformismus vom Schlage eines Otto Bauer« und betonte, dessen Äußerungen stünden »im direkten Gegensatz zur marxistischen Stellungnahme zum nationalen Problem«, »wie sie Lenin und Stalin ausführlich behandelt haben«.137 Es ist weder überliefert, wie Ulbricht auf Zuckermanns Anwürfe reagierte, noch, wie oft ihm vergleichbare Beschwerden von Untergebenen über vermeintlich von der Parteilinie abgewichene Mitarbeiter zugingen. Dass U ­ lbricht Zuckermann für seinen harschen Angriff auf die Abteilung Justiz jedoch nicht fallen ließ, legt die sich zur gleichen Zeit vollziehende Protektion in der Eisenacher Affäre nahe. Damit unterstreicht Zuckermanns Beschwerde dessen enges Verhältnis zum »starken Mann« der Partei und belegt ein weiteres Mal, wie sicher er sich hinsichtlich seines Einsatzes für jüdische Anliegen zu dieser Zeit noch gewesen sein muss – diese waren seinem Dafürhalten nach von der 212

Parteilinie, wenn nicht von seinen guten Beziehungen zu Ulbricht gedeckt. Schließlich verdeutlicht sein Schreiben, dass hinsichtlich der Verabschiedung eines »Wiedergutmachungsgesetzes« für die SBZ , in dem die Frage der Rückerstattung jüdischen Vermögens berücksichtigt sein würde, im Sommer 1948 noch keine Entscheidung gefallen war – noch schien ein solches in greifbarer Nähe zu liegen.

3.3  »Unter dem tiefen Eindruck der nazistischen Judenverfolgung habe ich Fehler gemacht …« – Ächtung und Demission Am 12. Oktober 1949 wurde Leo Zuckermann Zeuge eines Vorgangs, der die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik unmittelbar betraf. Als Leiter der Kanzlei des ersten Präsidenten der DDR , Wilhelm Pieck, zu dem er am Vortag im Rang eines Staatssekretärs bestellt worden war,138 wohnte Zuckermann der Vereidigung der provisorischen Regierung durch den Präsidenten bei, die in den neuen Amtsräumen Piecks im Schloss Schönhausen stattfand.139 Von Bedeutung war seine Anwesenheit nicht nur, weil er Kraft seines soeben erworbenen Amtes für die Einhaltung des Protokolls verantwortlich zeichnete; in seiner Funktion als Staatssekretär oblag ihm auch die Aufgabe, gemeinsam mit Pieck die Vereidigung der Regierungsmitglieder vorzunehmen. Nacheinander traten die designierten Minister – unter ihnen Grotewohl und Ulbricht – vor Pieck und Zuckermann, wobei es an letzterem war, ihnen den Eid abzunehmen, »ihre Geschäfte unparteiisch zum Wohle des Volkes und getreu der Verfassung und den Gesetzen« zu führen.140 Für Zuckermann schloss sich damit ein Kreis zu seiner akademischen Ausbildung als Staatsrechtler, der so kaum voraussehbar gewesen war; zugleich stand er, wenn man so will, in prominenter und nicht ganz unbedeutender Rolle auch der Gründung des neuen Staates Pate. Nur sieben Tage zuvor, am 5. Oktober, also noch vor Gründung der DDR , hatte die Deutsche Wirtschaftskommission (DWK), die von der SMAD eingesetzte höchste Verwaltungsinstanz für die SBZ , jenes Gesetz zur rechtlichen Stellung der Verfolgten des Naziregimes auf den Weg gebracht, an dem Zuckermann seit seiner Rückkehr aus dem mexikanischen Exil in führender Position mitgearbeitet hatte.141 Die neue Verordnung wies freilich ein Manko auf: Sie war ohne die ursprünglich enthaltenen Bestimmungen zur Rückerstattung oder Entschädigung von den Nazis geraubten Vermögens in der SBZ erschienen, die im Laufe der Jahre 1948/49 immer mehr infrage gestellt 213

worden waren. Aus beiden Ereignissen – der Gründung der DDR und der ohne die Paragrafen zur Restitution verabschiedeten VdN-Verordnung – ergab sich also eine Spannung zwischen der Bedeutung, die der vollzogenen Staatlichkeit der SBZ für Zuckermanns Sozialisation als Kommunist zukam, und dem im mexikanischen Exil entwickelten Ansinnen, den Juden beim Aufbau einer Nachkriegsordnung in Deutschland Gerechtigkeit mittels materieller »Wiedergutmachung« widerfahren zu lassen. Darüber allerdings, ob und inwiefern das Scheitern des Gesetzes – wie man geneigt ist anzunehmen – Unmut, gar Zweifel, bei Zuckermann auslösten, kann nur gemutmaßt werden; ein direkter Beleg dafür liegt jedenfalls nicht vor. Ohnehin ist eine solche Annahme nicht unwesentlich von unserem Wissen über den Fortgang der Geschichte beeinflusst, denn die Verordnung vom 5. Oktober 1949 stellt angesichts einer bis zum Ende des SED -Regimes verweigerten Regelung über die Rückerstattung »arisierten« Eigentums aus der Rückschau in der Tat eine zentrale Wegmarke dar. Vor dem Hintergrund des Jahres 1949 mochte es darauf zwar Hinweise gegeben haben, unausweichlich oder gar endgültig war die Entscheidung jedoch noch nicht gewesen. Betrachtet man die Umstände der Gründung der DDR genauer, wird vielmehr deutlich, welche guten Gründe Zuckermann hatte, sich mit der Entwicklung zu arrangieren, ja, dass das Scheitern des Gesetzes in einer Gemengelage aus realpolitischer Einsicht, parteipolitischem Zwang und historischer Notwendigkeit vermutlich weniger Irritationen seines Selbstverständnisses auslöste als zunächst angenommen. Dafür spricht etwa der banale Fakt, dass die Mitarbeiter der Präsidialkanzlei bei dem sich an die Vereidigung der Regierung anschließenden Staatsbankett offenbar derart dem Alkohol zusprachen – die soeben vollzogene Gründung der DDR also überschwänglich feierten  –, dass eine der ersten Amtshandlungen Zuckermanns als Staatssekretär wenn nicht in einem Fiasko, so doch zumindest in gewaltigem Zorn Piecks endete: Die noch am selben Abend auszufertigende und per Flugzeug nach Moskau zu überstellende Regierungserklärung von Ministerpräsident Grotewohl musste aufgrund mehrerer Tippfehler neu aufgesetzt werden und konnte deshalb auch nur verspätet dem sowjetischem Kurier übergeben werden, was Pieck, so Zuckermann, »tobend« quittierte.142 Zuckermann, der anhand dieses Zwischenfalles realisierte, dass es »doch verdammt ernst« sei – dass »wir […] hier doch noch einen Staat [bekämen]« –,143 dürfte indes, sollte er denn Unmut verspürt haben, auch durch einen anderen Aspekt besänftigt worden sein. Schließlich hätte das Gesetz durchaus noch zu einem späteren Zeitpunkt auf den Weg gebracht werden können. So war auf einer Konferenz von Sekretären der VVN am 26. September 1949 in Potsdam den Anwesenden im Vertrauen erklärt worden, es werde erwogen, »das Gesetz nicht als ein Ganzes zu verabschieden, sondern 214

in verschiedene Verordnungen zu unterteilen«.144 Dies dürfte zwar in erster Linie als Wille zur baldigen Verabschiedung der sozialfürsorgerischen Bestimmungen des Gesetzes verstanden worden sein, für die insbesondere die Querelen um die Rückerstattungsklauseln ein Hindernis darstellten; es bedeutete aber auch, dass politische Prioritätensetzungen, zumal solche der Parteilinie, sich ändern konnten, das heißt, die Protagonisten eines umfassenderen »Wiedergutmachungsgesetzes« trotz des Rückschlags vom 5. Oktober womöglich davon ausgingen, es könne eine spätere Regelung hinsichtlich der Rückerstattung geben. Noch ein Jahr darauf, im Dezember 1950, ist beispielsweise über Victor Klemperer überliefert, dass der Vorsitzende des Verbandes der Jüdischen Gemeinden in der DDR Julius Meyer ihm gegenüber zwar zu erkennen gab, eine Entschädigung für unter den Nazis erlittenes Berufsverbot sei »derzeit  […] unmöglich«, man erwarte jedoch »für nächstes Jahr« ihre Realisierung.145 Gleichwohl schien Zuckermann Realist genug zu sein, um die sich seit dem Frühjahr 1948 wandelnden Zeichen der Zeit zu erkennen. So war das Gesetz bereits lange vor dem 5. Oktober 1949 ins Stocken geraten. Eine erste Einschränkung war noch hinnehmbar gewesen, ohne am Grundgedanken des Gesetzes, die materielle Rückerstattung geraubten Vermögens zu regeln, Grundsätzliches zu ändern. Befehl Nr. 64 der SMAD vom 17. April 1948 hatte nämlich den Abschluss der bei Kriegsende vorgenommenen Sequestrierungen verfügt. Darin hieß es unmissverständlich, die mittlerweile in Volkseigentum übergegangenen Betriebe seien »unantastbar«, und dementsprechend ihr »Verkauf oder die Übergabe […] an Privatpersonen oder Organisationen verboten«.146 Zwar gab es Einzelfälle, in denen zugunsten früherer, politisch nicht belasteter Besitzer entschieden worden war; das Gros der in Listen geführten, etwa 10 000 Groß- und mittelständischen Betriebe jedoch wurde nun endgültig in Volkseigentum überführt und stand demnach als Objekt mög­ licher Restitution nicht länger zur Verfügung.147 Gleiches galt für die zwischenzeitlich verfolgte Überlegung, für Besitz, der nachweislich vor 1945 geraubt worden war, Entschädigungen zu zahlen, die nun ebenfalls obsolet war. Da der Abschluss der Sequestrierungen von der SMAD verfügt worden war, konnte er schlecht bemängelt werden. Ohnehin kam der Entscheidung weltanschaulich wie ökonomisch wichtige Bedeutung zu, da die dem Privateigentum entzogenen und in Volkseigentum überführten Betriebe einerseits ja als solche bewirtschaftet werden sollten, das heißt dem langfristigen Ziel einer sozialistischen Wirtschaftsordnung entsprachen, andererseits die angesichts der katastrophalen Versorgungslage unhaltbare Unsicherheit von unter Sequester stehenden, oftmals nur eingeschränkt arbeitenden Unternehmen beseitigt wurde.148 Dass Zuckermann die prinzipielle Verstaatlichung weiter Teile der 215

Produktion, wie es sich für seine politische Sozialisation gehörte, nicht infrage stellte, ja im Gegenteil begrüßte, lässt sich überdies noch Äußerungen aus den späten 1970er Jahren entnehmen, in denen er, sich an die lukrative Entwicklung des Kunststoffes Perlon im VEB Thüringisches Kunstfaserwerk Wilhelm Pieck erinnernd, gegenüber seinem Interviewer Eckart Boege spontan ins »wir« wechselte: Mit dessen Export in den Westen hätten »wir«, die »wir nur Braunkohle« hatten, es »austauschen [können] gegen Steinkohle, gegen Ruhrkohle […] außerdem bekam man Devisen«.149 Zuckermanns Unmut über die im Frühjahr 1948 erfolgte Ausklammerung mittelständischer Unternehmen dürfte sich also in Grenzen gehalten haben, zumal jene bereits erwähnte »kleine Lösung«, die als Kern des Gesetzentwurfs vom Abschluss der Sequestrierung unangetastet blieb, weiterhin die Rückerstattung einer beträchtlichen Anzahl Immobilien und Kleinbetriebe vorsah.150 Auch die zur selben Zeit publik gewordene Verzögerung des Gesetzentwurfs in den Länderparlamenten, wo demokratisch legitimierte Änderungsvorschläge dessen zügige Verabschiedung blockierten, hatte sich fortgesetzt. Da die Sowjets aus Gründen der Einheitlichkeit eine zonenumfassende Regelung anstrebten und die SED -Landtagsfraktionen deshalb im Juni 1948 angewiesen wurden, vorerst auf eine Abstimmung über das Gesetz (nicht jedoch seine Behandlung in den Ausschüssen) zu verzichten,151 entwickelte man im Vorbereitungskreis vermutlich im Spätsommer 1948 die Idee, die Landtage zu umgehen und das Gesetz als Verordnung durch die DWK verabschieden zu lassen, um weiteren Verzögerungen aus dem Weg zu gehen.152 Auch dies brauchte jedoch Zeit. Nachdem zunächst die Zustimmung der SMAD eingeholt werden musste – was im Herbst 1948 und dann noch einmal im Frühjahr 1949 erfolgte –,153 dauerte es noch bis zum Mai 1949, bis Helmut Lehmann endlich der DWK den aktualisierten, um die Vorschläge der Landtage ergänzten Entwurf mit Bitte um »Bestätigung durch das Plenum der DWK« übersandte.154 Und auch danach mahlten die Mühlen der DWK langsam. Wenngleich Lehmann um »beschleunigte Erledigung« gebeten hatte, lag ein erster Entwurf der DWK erst Anfang Juli 1949 vor.155 Dennoch ist die verzögerte Behandlung des Gesetzentwurfs, an der in der Tat überrascht, dass ein Beschluss des Zentralsekretariats über ein Jahr lang seiner Umsetzung harrte, wohl nicht mit dem jüdischen Thema und dessen mutwilliger Obstruktion seitens der Parteibürokratie zu erklären. Dagegen spricht nicht nur, dass selbst der DWK-Entwurf vom Juli 1949 die Passagen zur Rückerstattung noch enthielt, sondern auch, dass mit der Verzögerung gleichzeitig die überfällige und wiederholt energisch eingeforderte sozialfürsorgerische Regelung zugunsten der Mitglieder der VVN auf der Strecke blieb. Vielmehr dürfte der Aufschub darauf zurückzuführen sein, dass die 216

»Zwischenzeit« der Nachkriegsjahre an ihr Ende gekommen war und neue politische Prämissen das Tagesgeschäft bestimmten. Diese waren allerdings gewichtig. Genau genommen schlug nämlich das Einsetzen des Kalten Krieges voll auf die politischen Bedingungen in der SBZ durch. Zwar war der anhebende Systemkonflikt zunächst noch eine Angelegenheit zwischen der Sowjetunion und den westlichen Alliierten geblieben, der nach Verkündung der Truman-Doktrin (März 1947) und des Marshallplans (Juni 1947), nach Gründung des Kominform-Büros und der Bestätigung der Zwei-LagerTheorie durch Andrei Schdanow (beide September 1947) immer offener auf eine Auseinandersetzung im weltpolitischen Maßstab zusteuerte.156 Mit dem Scheitern der Londoner Außenministerkonferenz im Dezember 1947 und dem Auszug der Sowjetunion aus dem Alliierten Kontrollrat im März 1948 waren die Auswirkungen des Endes der Anti-Hitler-Koalition auf Deutschland jedoch nicht länger zu übersehen, wie kurz darauf ab Juni 1948 die sowjetische Blockade der westlichen Sektoren Berlins unterstrich. Stattdessen standen nun auch in Deutschland die Zeichen der Zeit, wie ranghohe sowjetische Beamte im Frühjahr 1948 der SED -Parteinomenklatur offenbarten,157 auf Kurswechsel. In dessen Folge wurden bislang geübte Rücksichten auf die deutschlandpolitischen Vorstellungen der westlichen Alliierten zurückgestellt und stattdessen der Weg der SBZ zur Staatlichkeit forciert. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung galt es innenpolitisch, die Macht der SED zu sichern beziehungsweise auszubauen. Zwar war diese stets von der SMAD protegiert und anderen Parteien vorgezogen worden; dennoch existierten der Schein einer antifaschistisch-demokratischen Ordnung und eine bürgerliche Klientel fort, die die zwei liberalen Parteien CDU und LDP gegenüber der SED bevorzugten, wie beispielsweise die Landtagswahlen im Oktober 1946 gezeigt hatten, bei denen beide gemeinsam 49,1 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnten.158 Um diesen Störfaktor langfristig auszuschalten, intensivierte die SED mithilfe der SMAD im Jahr 1947 ihre Bemühungen, den Einfluss der bürgerlichen Parteien zurückzudrängen, wozu sie einerseits die Parole der Bildung einer »Nationalen Front« ausgab und sich andererseits des Mittels der Einheitslisten bediente. Sowohl der im Dezember 1947 erstmals einberufene Deutsche Volkskongress als auch die von diesem beschlossene Gründung beziehungsweise Aufnahme neuer Parteien und Massenorganisationen in den allein von der SMAD zu Wahlen zugelassenen »Demokratischen Block« liefen jeweils darauf hinaus, mittels formal eigenständiger, jedoch von der SED gelenkter Organisationen deren Machtstellung innerhalb dieser Gremien zu sichern.159 Wenig überraschend war Zuckermann aufgrund seiner Funktion im Parteiapparat und wegen seiner juristischen Expertise direkt in diese Vorgänge involviert. Als Angehöriger des Friedens-, später 217

auch des Verfassungsausschusses des Deutschen Volksrates, einem im März 1948 aus dem Deutschen Volkskongress hervorgegangenen Vorparlament, beriet er beispielsweise den SED -Parteivorstand, wie die in den westlichen Zonen aufgekommene Forderung nach Abschluss eines Besatzungsstatutes völkerrechtlich zu beurteilen sei und entwarf entsprechende Resolutionen;160 im April 1949 betraute ihn das Politbüro mit der Organisation einer außenpolitischen Kommission, die den Parteivorstand in allen, die SBZ oder die westlichen Zonen betreffenden außenpolitischen Fragen auf dem Laufenden halten sollte.161 Auch publizistisch machte er den neuen Kurs mit, wie einem Artikel im Neuen Deutschland vom Mai 1949 zu entnehmen ist. Dort schrieb Zuckermann über die sowjetische Blockade der westlichen Sektoren Berlins, die die Stadt seit einem Jahr in Atem hielt, wider besseren Wissens: Eine »Blockierung der Berliner Bevölkerung in der Versorgung mit Lebensmitteln und sonstigen Gütern hat es nie gegeben«.162 Mit der Einrichtung beziehungsweise Kooptierung von Massenorganisationen ging jedoch nicht nur eine Aushöhlung der Demokratie einher, wie vor allem die Gründung der National-Demokratischen Partei (NDPD) am 25. Mai 1948 anzeigte. Diese diente zuvorderst der Integration konser­vativer Bevölkerungskreise, darunter ehemalige Mitglieder der NSDAP, denen die SED offiziell versperrt war, aber auch Vertriebene und vormalige Wehrmachtsangehörige, die man zur Schwächung des bürgerlichen Lagers (wozu die ebenfalls gegründete Demokratische Bauernpartei, DBD, diente) gewinnen wollte;163 flankiert wurde sie von der Gründung eines Presseorgans mit gleichem Zweck, der National-Zeitung, sowie dem SMAD -Befehl Nr. 35 vom 26. Februar 1948, der die Entnazifizierung in der SBZ für abgeschlossen erklärte.164 Alle diese Initiativen zeigen an, dass das Anheben des Systemkonfliktes und die daraufhin ergriffenen Maßnahmen den Blick weg von der jüngsten Vergangenheit in die Zukunft richteten. Verschiedene Wortmeldungen von Parteiautoritäten belegen diesen Paradigmenwechsel, der zudem in allen gesellschaftlichen Bereichen vor sich ging. So warf niemand Geringeres als Stalin in Bezug auf die Entnazifizierung gegenüber der SED -Führung im Frühjahr 1948 die Frage auf, ob es nicht an der Zeit wäre, »die Trennlinie zwischen ehemaligen Nazis und Nichtnazis aufzuheben«;165 Walter Ulbricht erklärte den Anwesenden einer Tagung von Schriftstellern und Künstlern im September 1948, sie sollten sich fortan mehr auf die Darstellung des sich entwickelnden »Neuen« verlegen statt auf die Welt der Emigration und Konzentrationslager.166 Im Übrigen scheint Zuckermann die Gründung der NDPD gar nicht so sehr als Problem erachtet zu haben. Gemäß der hinlänglich etablierten kommunistischen Praxis, sich eigens gegründete, nominell nicht kommunistische Organisationen gefügig zu machen, diente dieser Schritt 218

schließlich nicht nur dem Machtzuwachs der SED; offenbar erschien sie ihm auch nicht als Gefahr, wie er später zu Protokoll gab, sondern wähnte »die Nazis«, die sich »in der Nationaldemokratischen Partei [organisierten], unter Kontrolle«, da sie durch den Einsatz von »Vorsitzende[n], Offiziere[n], usw., die zuverlässig waren«, weil sie, wie der Vorsitzende Lothar Bolz, selbst Kommunisten waren oder entsprechende Lehrgänge durchlaufen hatten, gleichsam »unter Bewachung« standen.167 Für Zuckermann ergab sich aus der Entwicklung des Jahres 1948 ein ganz anderes Problem: Je stärker Themen der Vergangenheit zugunsten der Organisierung der Zukunft absanken, umso mehr engte sich der Spielraum für ein Gesetzesvorhaben wie das von ihm verfochtene Programm der Restitution »arisierten« Vermögens ein. Auch wenn es öffentlich nicht so dezidiert formuliert wurde, passte die im Gesetz avisierte Rückübertragung von geraubten Vermögenswerten aus den Händen von Profiteuren des Nationalsozialismus nicht länger zu deren beabsichtigter Integration in die neue »Nationale Front«. Und noch eine weitere Wegmarke, die sich im Herbst 1948 abzuzeichnen begann, beförderte diese Tendenz. Von unübersehbarer publizistischer Aktivität begleitet, vollzog die Sowjetunion zu jener Zeit offenbar eine Kursänderung ihrer Politik gegenüber Israel. Dies mochte Zuckermann jedenfalls einem Artikel Ilja Ehrenburgs in der Wochenendausgabe des Neuen Deutschland vom 3. Oktober 1948 entnehmen, den er äußerst aufmerksam studiert haben dürfte. Darin brachte der bekannteste Vertreter des sowjetischen Judentums unter dem Titel Die Sowjetunion, der Staat Israel und die Lösung der »jüdischen Frage« unverhohlen Kritik an der Entwicklung des jüdischen Staates zum Ausdruck. Dessen Werktätige kämpften zwar für Frieden und Fortschritt; seine Regierung stehe jedoch unter Kontrolle ausländischer bourgeoiser Kreise beziehungsweise setze sich selbst aus solchen zusammen.168 Da »die Lösung der ›jüdischen Frage‹« jedoch vom »Sieg des Sozialismus über den Kapitalismus« abhänge, empfahl er den sowjetischen Juden, nicht länger »nach dem Nahen Orient«, sondern »in die Zukunft« zu blicken. Während Ehrenburg vergleichsweise moderat argumentierte und beispielsweise weiterhin ein weltweites Band zwischen den Juden anerkannte, das sich angesichts ihres gemeinsamen Schicksals unter dem Nationalsozialismus gebildet habe (weshalb der Beitrag bisweilen nicht als Denunziation seitens Ehrenburgs, sondern als »Warnung« an die sowjetischen Juden gedeutet worden ist),169 wurde ein weiterer, nur mit Initialen gekennzeichneter Artikel in der Täglichen Rundschau, dem offiziellen Blatt der SMAD, wenige Wochen darauf deutlicher. Prägnanter als Ehrenburg brandmarkte sein Verfasser den Staat Israel als »imperialistisches Projekt« (eine Bezeichnung, der Ehrenburg sich noch enthalten hatte) und versuchte, zu belegen, dass dieser »untauglich« sei, 219

die »jüdische Frage« zu lösen; dies könne nur der Sieg des Sozialismus in der ganzen Welt unter Führung der Sowjetunion garantieren. Damit nicht genug, propagierte der zum zehnten Jahrestag der Novemberpogrome erschienene Artikel eine neue Linie, der zufolge das Gedenken an den Antisemitismus nicht länger zeitgemäß sei, da dieser mit der fortschrittlichen Nationalitätenpolitik der Sowjetunion überwunden worden wäre.170 Im Jahr 1949 setzte sich dieser Trend fort und Zuckermann war bald direkt involviert. Im Juni veröffentlichte er in der Wochenzeitung der VVN, Die Tat, den Artikel Wir werden niemals gegen die Befreier von Maidanek und A ­ uschwitz kämpfen.171 Dass er damit im Auftrag der Partei handelte, kann angenommen werden; ein direkter Bezug zu dem Beschluss des neu gebildeten Politbüros des ZK der SED vom 22. Februar 1949, der »Genosse Zuckermann« beauftragt hatte, »einen grundsätzlichen Artikel gegen die neue antisemitische Hetze zu schreiben«,172 ist aufgrund der zeitlichen Diskrepanz jedoch nicht nachweisbar.173 Das Ergebnis fiel in jedem Fall beachtlich aus. Zuckermann nahm nämlich mitnichten, wie zu erwarten gewesen wäre, antisemitische Vorfälle als Aufhänger für seinen Text, sondern antisowjetische Äußerungen, die sich an der Kehrtwende der sowjetischen Politik, genauer, an der zur Jahreswende 1948/49 vollzogenen Auflösung des JAK entzündet hatten. Unter dem Vorwand des »Kosmopolitismus« war die Sowjetführung darangegangen, im November 1948 das JAK zu liquidieren und zahlreiche seiner führenden Mitarbeiter zu inhaftieren; und überhaupt war die Stimmung gegen die sowjetischen Juden gekippt, die nun als wankelmütige Minderheit mit dem Kollektivvorwurf mangelnden Sowjetpatriotismus überzogen und deren Institutionen, darunter die 1942 gegründete Zeitschrift des Komitees Eynikayt, reihenweise geschlossen wurden.174 Zuckermann konterte die Vorwürfe einer »antisemitischen Kampagne«, die in westlichen Zeitungen wiederholt Verbreitung gefunden hatten,175 indes als »gefälschte Nachrichten« beziehungsweise »Fälschungen«, die allein dem Zweck dienten, »antisowjetische Stimmungen zu erzeugen«. Auch wenn Juden in der Sowjetunion bisweilen kritisiert würden, geschehe das nicht, »weil sie Juden« seien, sondern »wegen der von ihnen vertretenen Ansichten«; ohnehin habe die Sowjetunion, anders als kapitalistische Gesellschaften, den »Rassen- und Nationalitätenhass« mit »Stumpf und Stiel« ausgerottet.176 Mit welchen Gefühlen Zuckermann der Auftragsarbeit nachkam, ist nicht überliefert. Davon, dass er eine »antisemitische Kampagne« vehement abstritt, obwohl eine solche – wie wir heute wissen – in der Tat ins Rollen gekommen war, muss insofern abstrahiert werden, als ihm die Dimension aufgrund der rigiden sowjetischen Informationspolitik schlechterdings nicht in Gänze bekannt gewesen sein dürfte. Die beiden Artikel in dem Westberliner Blatt 220

Die Neue Zeitung, auf die er reagierte, vermochten keine genaueren Informationen, geschweige denn Beweise zu liefern und hatten sich deshalb auf den »Feldzug der Sowjetpresse« gegen den Kosmopolitismus konzentriert.177 Dass nur wenig über die Verfasstheit des sowjetischen Judentums nach außen drang, war ein bekanntes Phänomen. Schon die Ermordung Solomon Mikhoels im Januar 1948 war erfolgreich als Verkehrsunfall getarnt worden – sein Staatsbegräbnis inklusive  –,178 und selbst die Liquidation der führenden Mitglieder des JAK zur Jahreswende 1952/53 blieb den westlichen, ja den sowjetischen Judenheiten bis weit in die 1950er Jahre unbekannt, da über ihr Schicksal in der Sowjetpresse nichts verlautbart wurde.179 Die Anfang Januar 1949 ohne Angaben von Gründen in der westlichen Welt verbreitete Meldung über die Auflösung des JAK180 mochte deshalb wenngleich als bedauerlicher, so doch den Anfordernissen der sowjetischen Politik geschuldeter Schritt wahrgenommen worden sein, ihrem Zweck nach überholte Institutionen zu schließen. Beispiele dafür gab es zuhauf, man denke etwa an die sang- und klanglose Auflösung der Komintern im Mai 1943, die einst der sowjetischen Annäherung an die Alliierten zum Opfer gefallen war.181 Und selbst an der Kampagne gegen den »Kosmopolitismus«, die ebenfalls in der Presse der SBZ ihren Niederschlag fand, dürfte Zuckermann sich kaum gestoßen haben. Die Debatte, die in der Sowjetunion tatsächlich heftige Angriffe auf »wurzellose Kosmopoliten« beinhaltete und, zumal sie unverhohlen auf jüdische Familiennamen hinwies, Argumentationsmuster bemühte, die an antisemitische Vorstellungen von der Zersetzungskraft und Heimatlosigkeit »der Juden« erinnerten,182 kam in der SBZ ohne derartige Anwürfe aus. Stattdessen konzentrierten sich die Beiträge des Frühjahres 1949, so ist es zumindest dem Neuen Deutschland zu entnehmen, auf die Diffamierung der bürgerlichen Ideologie des »Kosmopolitismus«, von der es hieß, sie diene dazu, »dem finsteren Werk der Aufteilung Deutschlands und der Umwandlung seines Westteils in eine Kolonie und einen militärischen Aufmarsch­ raum des anglo-amerikanischen Imperialismus« Vorschub zu leisten; die Verwendung deutlicher antisemitischer Bilder wurde vermieden.183 Auch diese, den »Kampffragen des Tages« gewidmete Kampagne war demnach für einen Parteikommunisten wie Zuckermann (der im Übrigen kein Russisch sprach) rationalisierbar, zumal der Grad des notorischen Antisemitismus Stalins, der sich mehr als drei Jahre später zu Todesurteilen gegen die Führungsschicht der sowjetischen Juden auswachsen würde, zu diesem Zeitpunkt schlichtweg noch nicht vorstellbar war – Prozesse mochten es sein, Verfolgung hingegen, allein, »weil sie Juden sind«, nicht. Und selbst wenn Zuckermann Unmut über die Kampagne verspürt haben sollte, war kaum zu erwarten, dass er diesen laut äußern würde. Dem widersprach nicht nur sein Glaube an die 221

prinzipielle Richtigkeit der sowjetischen Politik; dem entsprach auch sein tief empfundener Dank gegenüber der Roten Armee, »die den faschistischen Kannibalen« – im Übrigen ein Stalin-Zitat, das pflichtschuldig bereits Ehrenburg bemüht hatte –184 »niederzwang und die noch lebenden Juden vor den Gaskammern von Maidanek, ­Auschwitz, Mauthausen und vor vielen anderen Todesfabriken im wahren Sinne des Wortes rettete«.185 Diese Dankbarkeit war ein in der gesamten jüdischen Welt weitverbreitetes Phänomen, das selbst Personen für die Sowjetunion einnahm, die ihr politisch sonst fernstanden.186 In diesem Sinn war der von Zuckermann gewählte Titel Wir werden niemals gegen die Befreier von Maidanek und A ­ uschwitz kämpfen, der in Variationen in dieser Zeit auch in anderen prosowjetischen Sinnzusammenhängen Verwendung fand – beziehungsweise finden musste –, wohl ungewollt Zeugnis einer gewissen Befangenheit. Nach Lage der Dinge würde Zuckermann der Sowjetunion selbst dann noch die Treue halten, wenn womöglich bereits Gründe für eine Abkehr von dieser bestanden. Schließlich waren da noch die Parteilinie und die Mechanismen, die mit ihrer gebotenen Einhaltung einhergingen. Auch hier hatten sich die Koordinaten ab dem Frühjahr 1948 empfindlich verschoben. Zwar war die KPD nie sonderlich bekannt für eine demokratische Diskussions- und Entscheidungskultur gewesen; Zentralisierungstendenzen und Verordnungen der Parteilinie hatten, plötzliche Umschwünge und darauffolgende Relegationen inbegriffen, von jeher, vor allem aber ab den späten 1920er Jahren ihren Charakter als bolschewistische Partei bestimmt.187 Dennoch hatte beispielsweise Zuckermann der KPD stets zugutegehalten, dass sie sich intern bis zu einem gewissen Zeitpunkt durchaus Meinungsvielfalt bewahrt hatte. Man wäre »überhaupt nicht auf die Idee gekommen«, gab er später an, »dass z. B. unter Genossen unbedingt dieselbe Meinung« bestehen müsse, vielmehr »diskutierte [man] alles durch«.188 Auch und gerade die Vereinigung mit der SPD 1946 hatte in diese Richtung gewiesen, mit deren ehemaligen Mitgliedern es, so Zuckermann, alten Vorurteilen zum Trotz, Meinungsverschiedenheiten geben mochte, bei denen es jedoch darauf ankam, miteinander zu diskutieren, um sich »einig [zu] werden über Sachen, über die man einig werden kann«, während der Rest dann einer nicht zu sanktionierenden persönlichen Meinung entsprochen habe.189 Ab dem Frühjahr 1948, mit der Umwandlung der SED in eine »Partei neuen Typs«,190 war es mit dieser Offenheit jedoch zunehmend vorbei. Jetzt ließ die Ausrichtung an einer Kaderpartei nach sowjetischem Vorbild, die praktisch nach innen das wiederholte, was der SBZ im Ganzen widerfuhr, das Parteiklima erstarren. Dazu zählten die Bedeutung, die fortan innerparteilichen Schulungen beigemessen wurde, aber auch Maßnahmen wie die Einführung öffentlicher Selbstkritik, das Einschwören auf die verpflichtende 222

Lektüre des Kurzen Lehrgangs der Geschichte der KPdSU (B), die Einrichtung einer Zentralen Parteikontrollkommission im September 1948 oder die Aufhebung der Parität zwischen SPD - und KPD -Mitgliedern bei der Besetzung von Parteiämtern im Januar 1949.191 Nicht von ungefähr begründete das Mitglied des Parteivorstandes Erich Gniffke (vormals SPD) seinen im Oktober 1948 vollzogenen Austritt aus der SED damit, dass er im Grunde nicht die von ihm erhoffte, im Geist der Vereinigung der Arbeiterklasse gegründete Einheitspartei des Jahres 1946, sondern die »Ulbrichtsch[e] KPD [von] 1932« verlasse.192 Wie die Partei unterdessen mit abweichenden Meinungen umging, zeigten zur selben Zeit die eng miteinander verzahnten Ereignisse um den Abfall Jugoslawiens aus dem sowjetischen Block und die Revision der These eines besonderen deutschen Weges zum Sozialismus, die das Mitglied des Zentralsekretariats Anton Ackermann 1946 aufgestellt hatte.193 Den Fall Jugoslawien, das im Juni 1948 aus dem Kominform ausgeschlossen wurde, weil es sich dem Führungsanspruch der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) widersetzt hatte, hatten Mitglieder der SED atemlos verfolgt, weil sich die Kommunistische Partei Jugoslawiens der geforderten Selbstkritik mit dem Hinweis verweigerte, sie könne nicht für Fehler belangt werden, die sie nicht begangen habe – ein in der kommunistischen Bewegung bis dato undenkbarer Vorgang.194 Unter Mitgliedern der SED genoss der Staat Titos auch deshalb Sympathien, weil ihnen durchaus bewusst war, dass ihre Akzeptanz in der Bevölkerung immens darunter litt, die unliebsamen Weisungen aus Moskau, etwa in der Reparationsfrage, unwidersprochen hinzunehmen, man dem Vorwurf, die SED sei eine »Russenpartei«, also nur wenig entgegenzusetzen hatte.195 Die von der Parteiführung ab Sommer 1948 einhellig mitgetragene Maßregelung Jugoslawiens ließ freilich zum ersten Mal erkennen, was unbotmäßiger Kritik in der SBZ drohte. So musste Ackermann seinen vormals von der Sowjetführung ausdrücklich bestätigten Kurs, der nun aber als Parteinahme für Tito interpretiert werden konnte, im September 1948 öffentlich widerrufen;196 und auch wer als »einfaches« Parteimitglied die fortan geforderte Bekämpfung des Titoismus als »imperialistische Ideologie« nicht mittragen mochte, weil er begründete Zweifel an der Unfehlbarkeit der sowjetischen Position hatte, konnte nun bereits aufgrund eines nicht für ausreichend erachteten Lobes auf die Sowjetunion schärfsten Disziplinierungsmaßnahmen unterworfen werden.197 Das jugoslawische Beispiel zeigte also, dass man mit der eigenen Meinung, drohte sie der Parteilinie zuwiderzulaufen, besser hinter dem Berg hielt. Auch Zuckermann hatte zu Jugoslawien eine solche. So gab ein Volkspolizist nach Zuckermanns Flucht an, dieser habe 1949 auf Beschimpfungen von Kindern 223

der Angehörigen der jugoslawischen Militärmission, die in der Nähe seines Wohnhauses in Niederschönhausen lebten und bisweilen mit seinen zwei Söhnen spielten, nur halbherzig reagiert. Statt die Kinder, die den Polizisten mit den Worten »Volkspolizei nicht gut, Stalin ist Mörder und Verbrecher« bedacht hätten, zu maßregeln und seinen Söhnen den Umgang mit ihnen zu untersagen, habe Zuckermann spöttisch reagiert und geantwortet, er solle sich nicht in seine Angelegenheiten einmischen, diese hätten »schon seine [sic] besonderen Gründe«.198 Einmal mehr zeigt diese Episode, was Wolfgang Leonhard, den seinerseits im Frühjahr 1949 die Behandlung der jugoslawischen Frage zum Bruch mit der SED und zur Flucht aus der SBZ veranlasst hatte, als Merkmale des Umgangs von Parteimitgliedern mit »politischen Bauchschmerzen« bezeichnete. Diese seien stets Ausdruck von Zweifeln innerhalb des Systems gewesen, also zwischen marxistischer Lehre und einer Auslegung durch die Partei; zudem seien sie gegenüber Parteigegnern niemals öffentlich bekundet, sondern in einem solchen Fall die Parteilinie verteidigt worden.199 Wurden die Zweifel zu stark, half entweder die Parteidisziplin nach, oder man rationalisierte die Zerrissenheit mit dem Hinweis auf Geburtswehen, die die Notwendigkeit des Großen und Ganzen nicht infrage stellten. Unisono kann diese Erfahrung bei linken Intellektuellen in der SBZ beziehungsweise der frühen DDR , die sich mit kritischen Gedanken über deren Entwicklung trugen, nachverfolgt werden. Alfred Kantorowicz nannte sie – bezeichnenderweise in seinem Tagebuch  – die »Notwendigkeit, Macht zu sichern  – zum guten Endzweck«;200 Victor Klemperer verteidigte sie gegenüber einem Kritiker zu einem späteren Zeitpunkt mit den Worten: »Fortschritte sehen, nicht die Kinderkrankheiten!«201 Es kann deshalb mit einiger Gewissheit davon ausgegangen werden, dass sich Leo Zuckermann vergleichsweise rasch mit dem am 5. Oktober 1949 besiegelten Scheitern des Restitutionsgesetzes arrangierte. Darin erwies er sich einmal mehr als flexibler Parteikommunist, der die Zeichen der Zeit erkannt hatte und auf die neue Linie eingeschwenkt war. Möglicherweise hatte er ein ähnliches Aha-Erlebnis wie Wolfgang Leonhard, der von seinem Freund aus Moskauer Tagen, Mischa Wolf, im Herbst 1947 einen Ratschlag erhalten hatte, wie er sich vor dem Hintergrund der in Bezug auf Ackermann gewandelten Parteilinie verhalten solle. »An deiner Stelle«, hatte der über ausgezeichnete Kontakte zu den Sowjets verfügende Wolf Leonhard zu verstehen gegeben, »würde ich nicht mehr allzuviel davon sprechen und schreiben, die zukünftige Umstellung wird dir dann leichterfallen.«202 Zuckermann scheint der Entwicklung des Jahres 1948/49 jedenfalls eine ähnliche Warnung entnommen zu haben. Auf jeden Fall war er fortan in jüdischen Fragen, in denen er sich im Frühjahr 1948 noch stark exponiert hatte, nicht länger öffentlich zu ver224

nehmen, zumindest nicht in der vormals von ihm vertretenen Weise, die dezidiert auf die Besonderheit des jüdischen Schicksals hingewiesen hatte. Umgekehrt betonte er nun vielmehr die eigene Verlässlichkeit, etwa mit seinem Artikel über die Befreier von Maidanek und A ­ uschwitz. Seinem jüdischen Selbstverständnis mochte dies im Übrigen zunächst keinen Abbruch tun. So schien es Zuckermann fortan für besser zu halten, dieses im Verborgenen zu pflegen beziehungsweise ganz zu beschweigen. Einen Hinweis, dass man für ein gegenteiliges Verhalten von der SED belangt werden könnte, gab es indes noch nicht, auch wenn das Parteiorgan im September 1949 offen davor gewarnt hatte, Mitglieder der jüdischer Gemeinden, die sogenannte Carepakete bezögen, könnten in die »Abhängigkeit vom amerikanischen Geheimdienst« geraten.203 Dem stand allerdings nicht nur das Glückwunschschreiben der Jüdischen Gemeinde Berlin entgegen, das Zuckermann anlässlich seiner Ernennung zum Staatssekretär erhielt und das die Hoffnung zum Ausdruck brachte, er werde »nach wie vor die Interessen unserer Menschen« vertreten;204 sondern auch, dass es Zuckermann war, der am 23. April 1950 in Vertretung Piecks der Enthüllung eines Gedenksteins für die Opfer des Nationalsozialismus auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee beiwohnte.205 Darüber hinaus gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Belege für sein zunächst gleichsam untergründig fortbestehendes jüdisches Selbstverständnis. So gaben zwei seiner Sekretärinnen in einer Befragung nach seiner Flucht zu Protokoll, Zuckermann habe während seiner Zeit als Staatssekretär in engem und regelmäßigem Kontakt mit Julius Meyer, dem Vorsitzenden des Verbandes der Jüdischen Gemeinden in der DDR , gestanden, obwohl »rein arbeitsmässig« kein Grund dazu vorgelegen habe,206 oder dass er Zeitungsberichte (vorrangig der westlichen Presse) über Israel und jüdische Themen sammelte, die er in speziellen Heftern abzulegen pflegte.207 In seine Amtszeit als Kanzleichef von Pieck fiel außerdem der Kontakt zum israelischen Konsulat in München, mit dem er im Frühjahr 1950 zwecks der Beglaubigung der Erbschaft eines Grundstückes seines Vaters, das dieser einst in Palästina erworben hatte, korrespondierte, wozu er ganz selbstverständlich Briefpapier der Präsidialkanzlei verwendete.208 Auch vor diesem Hintergrund scheint es plausibel, dass er das Scheitern des Gesetzes zunächst kaum als gravierenden Einschnitt empfand. Ohnehin war Zuckermann fürs Erste ganz von den Anforderungen seiner neuen Position als Chef der Präsidialkanzlei in Anspruch genommen. Als solchem oblagen ihm, anders als Piecks Privatsekretär, dem Moskau-Emigranten Otto Winzer, alle Angelegenheiten, die das Präsidentenamt betrafen.209 Dazu zählten, neben der Organisation des Amtssitzes, vor allem die Sichtung von Piecks Post, was insofern eine Herausforderung darstellte, als diesen in seiner Funktion als Präsident, der auch das Begnadigungsrecht ausübte, Tausende 225

von Briefen (im Jahr 1950 allein 47 050) mit persönlichen Bitten erreichten.210 Und in Zuckermanns Zuständigkeit fielen Aufgaben, die Pieck als Staatsoberhaupt in völkerrechtlicher Hinsicht zukamen, wie die Unterzeichnung von Verträgen mit ausländischen Staaten oder die Bestätigung von Botschaftern. Wie Dokumenten zu entnehmen ist, empfing Zuckermann im Amtssitz des Präsidenten deshalb nicht nur ausländische Gäste, etwa den sowjetischen Botschafter, mit dem er die Ehrenformation der Volkspolizei abschritt;211 als Staatssekretär kam ihm auch die Aufgabe zu, den Wortlaut von bilateralen Verträgen zu beglaubigen, weshalb beispielsweise das Abkommen zwischen der DDR und Polen über die Festlegung der Oder-Neiße-Grenze vom 6. Juli 1950 unter anderem seine Unterschrift trägt.212 Der hohe repräsentative und protokollarische Charakter seiner Tätigkeit für Pieck, die intellektuell eine Unterforderung darstellte und nur wenig damit gemein hatte, was er »früher in der Partei gemacht hatte«,213 führte bei Zuckermann bald zu Frustration. Zu ertragen war sie wohl nur, weil ihm – so berichtete er zumindest später – zugesichert worden war, in nicht allzu ferner Zukunft Georg Dertinger, den von der CDU gestellten ersten Außenminister der DDR im Amt zu beerben.214 Dennoch dürfte Zuckermann, zumindest zu Beginn, noch so etwas wie Stolz und Genugtuung über den Karriereschritt empfunden haben. Dies legen die Aufnahmen nahe, die der Berliner Fotograf Abraham Pisarek im Rahmen zweier Bildreportagen über »Präsident Wilhelm Pieck im Schloss Niederschönhausen« und »Staatssekretär Dr. Leo Zuckermann und seine Familie« anfertigte, und die diesen durchaus angemessen, ja passend, an seinem Arbeitsplatz in der vormaligen Sommerresidenz der preußischen Königin Elisabeth Christine zeigen und von denen mehrere Eingang in den Bildteil dieses Buches gefunden haben.215 Dies verdeutlicht auch eine eigens zu diesem Zweck hergestellte Glückwunschkarte zu Neujahr 1950, die sich im Nachlass von Jürgen Kuczynski befindet. Deren Aufdruck lautet ganz amtlich »Dr. Leo Zuckermann Staatssekretär beim Präsidenten der Deutschen Demokratischen Republik« und ist ergänzt um handschriftliche Grüße an Kuczynski und seine Familie.216 Für den Sohn ostjüdischer Einwanderer, deren Auskommen zunächst ein Nähmaschinenhandel sicherte, war dies fraglos kein zwangsläufiger Schritt gewesen. Zusätzlich zur intellektuellen Unterforderung wurde ihm die Position bald aber auch dadurch verleidet, dass der Parteiapparat ihm zunehmend mit Misstrauen begegnete  – auf Zuckermann war der Schatten der Westemigration gefallen. Die sich wandelnde Position wurde spürbar, als Pieck begann, ihn abschätzig zu behandeln und in seinem Beisein Bemerkungen fallen ließ wie die, er gehöre »ja sowieso nicht hier hin«;217 auch Ulbricht, zu dem Zuckermann nach seiner Übersiedlung in die Präsidialkanzlei ein derart 226

enges Verhältnis unterhalten hatte, dass er gelegentlich mit ihm und seiner Frau Lotte zu Abend zu essen pflegte, begann, ihn bei dienstlichen Kontakten im Schloss zu meiden.218 Noch deutlicher wurde Karl Polak, vormals Leiter der Justizabteilung beim Parteivorstand und nun Professor für Völkerrecht an der Universität Leipzig und wie Zuckermann mit einer Französin verheiratet, der das befreundete Ehepaar Zuckermann bat, ihn nicht länger privat einzuladen.219 Die zunehmende Ächtung schlug bis auf die Ebene der Kinder durch, deren Spielkameraden  – etwa die Tochter des Leiters der ZPKK, Hermann Matern, der nicht nur im Haus gegenüber wohnte, sondern Zuckermann auch seit Mitte der 1930er Jahre aus Paris kannte –, den Kontakt zu seinen Söhnen mit der Begründung abbrachen, ihr Vater sei »ein Verräter«.220 Mitunter nahm die Ausgrenzung paradoxe Züge an. Privaten Zusammenkünften ehemaliger Mexiko-Emigranten in Niederschönhausen, darunter die Familie Stern, Anna Seghers und andere Schriftsteller, die Zuckermann aufsuchte, um sich angesichts der bedrückenden Atmosphäre ein Stück Geselligkeit und Zerstreuung zu bewahren, blieb er bald fern, da er bemerkte, dass Gespräche, wenn er, der Mann »von der Regierung«, den Raum betrat, schlagartig verstummten.221 Zuckermann mochte recht früh darüber informiert gewesen seien, worauf diese Anfeindungen zurückzuführen waren. Mitte Oktober 1949 hatte das SED -Politbüro den Beschluss gefasst, »[a]lle führenden Funktionäre, die […] in englischer oder in amerikanischer Emigration waren  […] systematisch« zu überprüfen.222 Als Staatssekretär, der sowohl Zugang zu Drucksachen des Zentralkomitees als auch zu Verschlusssachen hatte, die über seinen Schreibtisch an Pieck gingen, dürfte ihm die Verfügung wohl bekannt gewesen sein. Begleitet wurde diese Untersuchung von augenfälligen Berichten in der Parteipresse über den Rajk-Prozess in Ungarn, im Zuge dessen angeblich ein amerikanisches Spionagenetzwerk aufgedeckt worden war, das mithilfe jugoslawischer Kreise bereits während des Zweiten Weltkrieges aufgebaut worden sein sollte.223 In Zusammenhang mit diesem ersten Schauprozess des sowjetischen Blocks waren mehrfach die Namen mutmaßlicher Spione gefallen, so auch eines gewissen Noel H. Field, der als einflussreicher Agent des amerikanischen Geheimdienstes charakterisiert wurde. Mittels von ihm geleiteter Hilfsmaßnahmen zugunsten politischer Flüchtlinge während des Zweiten Weltkrieges sollte dieser Kontakte zu linksgerichteten Emigranten gewonnen und diese daraufhin in den Volksdemokratien als Agenten zum Einsatz gebracht haben.224 Dass sich die Untersuchungen auch auf ihn selbst erstreckten, hatte Zuckermann unterdessen einem Gespräch mit Otto Winzer entnehmen können, mit dem er die Mittagspausen im Schloss Schönhausen zu verbringen pflegte. Dieser habe ihn eines Tages ins Vertrauen gezogen 227

und explizit gewarnt, er werde »bald in eine sehr unangenehme Situation kommen«.225 Winzer wiederum dürfte sein Wissen von Pieck selbst bezogen haben, der als einer der beiden Parteivorsitzenden in Gespräche mit den Sowjets involviert war, bei denen – mitunter gar bei Treffen im Schloss Schönhausen – diese die in ihren Augen schleppende Überprüfung »parteifeindlicher Elemente« bemängelten. Am 24. Dezember 1949 hatte sich Pieck unter anderem notiert, »ob nicht Agenten im Apparat – bei Eisler – Leute von Westmächten« seien.226 Schon schwieriger war es, den Ernst der daraufhin einsetzenden Überprüfungen richtig einzuschätzen, ob es also stimmte, was Otto Winzer gesagt hatte, dass »die unangenehme Situation« für Zuckermann »auch zu Ende gehen« werde, wenn er nur widerstünde.227 Seine Gefährdung musste ihm also klar gewesen sein, die Frage war nur, wie groß sie tatsächlich war und worin ihre genauen Ursachen lagen. So entzog sich die Politik der Sowjets, auf deren Geheiß die SED -Führung ohne Zweifel handelte, bis zu einem gewissen Grad der Vorhersagbarkeit. Immer wieder war es in der SBZ , und später in der DDR , zu Festnahmen selbst von Funktionsträgern der Partei gekommen, deren Gründe Außenstehenden ein Rätsel blieben und die deshalb als nicht zu ändern hingenommen wurden. Dies betraf etwa die Verhaftung Fritz Kattens, seines Zeichens ehemaliger Leiter der Wirtschaftsabteilung im Berliner Polizeipräsidium sowie Stellvertretender Vorsitzender der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde Berlin, im April 1949, über deren Ursache sich die SMAD ein halbes Jahr beharrlich ausschwieg, der jedoch im Oktober 1949 plötzlich als »Agent« der Amerikaner präsentiert wurde.228 Ähnliches widerfuhr dem ehemaligen Buchenwald-Funktionshäftling und Innenminister Thüringens Ernst Busse, der sich ab 1949, weil er sich der Partei in Berlin zur Verfügung halten sollte, in das leerstehende Dachgeschoss von Zuckermanns Haus in Pankow eingemietet hatte, dann jedoch »des Nachts« (im April 1950) abgeholt wurde. Als Zuckermann auf Bitten von Busses Frau bei Pieck nach dessen Verbleib fragte, antwortete dieser, er hätte schon zweimal bei den Sowjets interveniert, man könne aber »nichts« machen;229 dass ihr Mann 1952 in einem sowjetischen Arbeitslager gestorben war, erfuhr Busses Frau erst 1956.230 Aber auch als ehemaliger Westemigrant war Zuckermann angreifbar. Nicht nur hatte er in Mexiko der Exilgruppe um das Politbüro-Mitglied Paul Merker angehört, bei dem klar war, das er als »führender Funktionär« besonders gründlich durchleuchtet werden würde; in erster Linie war er in bedeutender Funktion in die Aktivitäten involviert gewesen, die bald als Haupteinfallstor des vermeintlichen Agenten Field erachtet wurden – die Flüchtlingsarbeit in Südfrankreich. Das von diesem vertretene Unitarian Service 228

Committee hatte 1941 in Marseille neben dem mexikanischen Generalkonsul Gilberto Bosques die wichtigsten Unterstützungsleistungen für die ansonsten weitgehend hilflos agierenden deutschen Kommunisten in Südfrankreich erbracht.231 Und wie die Untersuchung ergab, hatte Field dann in der Tat – wenngleich ohne Hintergedanken – die Funktion eines Mittelsmanns zwischen der KP-Zelle in der Schweiz und Merker in Südfrankreich übernommen und unter anderem Parteidokumente transferiert.232 Selbst wenn Genossen, die mit mutmaßlichen Agenten in Kontakt gekommen waren, nicht willentlich Geheimnisse weitergegeben hatten, hieß das nicht, dass eine Person wie Field nicht wirklich ein solcher gewesen sein mochte und sich ihrer Gutgläubigkeit beziehungsweise Notlage bedient hatte. Schließlich war da noch Zuckermanns »jüdische« Vergangenheit, von der sich zu distanzieren bereits 1948/49 ratsam geworden war. Zwar stand sein Einsatz für jüdische Anliegen im Sommer 1950 noch nicht als solcher im Zentrum der Ermittlungen. Insofern deutete er die Gefahr zu dieser Zeit wohl vor allem noch vor den Koordinaten der jugoslawischen Krise zuvor und des »Makels«, im Westen im Exil gewesen zu sein. Dennoch muss ihm bewusst gewesen sein, dass bestimmte Dinge seiner Biografie in Mexiko und der SBZ besser nicht ans Licht kommen sollten. Das öffentliche Werben um Akzeptanz für den Zionismus in Mexiko, die mehrfach geäußerte Vorstellung von den Juden als Volk, als dessen Teil er sich selbst begriff, das Eintreten für einen möglichst breiten Empfängerkreis des VdN-Gesetzes, namentlich aber die engen Beziehungen zum World Jewish Congress in Mexiko-Stadt inklusive der Spende an diesen – all diese Vorgänge galt es besser zu verbergen, da sie mittlerweile als Avancen an den Klassenfeind, wenn nicht als Beleg für die Zusammenarbeit mit ihm ausgelegt werden konnten. Dennoch scheint Zuckermann zunächst vergleichsweise ruhig geblieben zu sein, als ihn am 11. Juli 1950 die mit der Überprüfung betraute ZPKK einbestellte.233 Dies ist jedenfalls seinen Einlassungen vor der Kommission wie auch drei Berichten, die er im Nachhinein für sie anzufertigen hatte, zu entnehmen. Nach dem »Gegenstand der Untersuchung«, der Frage, ob er mit Field in Kontakt gekommen sei, befragt, wich Zuckermann aus, indem er alles stark herunterspielte. Er sei »wohl zweimal« im Büro des Komitees gewesen, könne sich aber nicht erinnern, ob er mit Field persönlich gesprochen habe; außerdem gab er an, dass dieser Schritt, der der Herstellung eines offiziellen Kontaktes zum USC hatte dienen sollen, auf Anweisung von Lex Ende bald wieder zugunsten privater Beziehungen zurückgestuft worden sei, seine Kontakte zu dem Komitee also überschaubar geblieben wären.234 Dabei setzte Zuckermann offenbar gezielt auf das Unwissen der ZPKK, von der er annahm, dass sie kaum ahnen konnte, welch zentrale Bedeutung er aufgrund 229

seiner Expertise, seines Aufenthaltsstatus und seiner Kontakte für das Funktionieren der KP-Gruppe um Lex Ende gehabt hatte. Insgesamt waren die Berichte in äußerst nüchternem Ton verfasst und galten der Darstellung von Sachverhalten, nicht der Rechtfertigung. Sie hoben darauf ab, seine Tätigkeiten für das Asylrechtsbüro und die KP-Gruppe in Marseille seien »im Parteiauftrag« erfolgt; Passagen, in denen er dezidiert Namen nannte, betrafen allein Personen, die bereits tot (Rudolf Feistmann) beziehungsweise außer Landes (Otto Katz) waren oder außerhalb der kommunistischen Bewegung (Gertrude Düby) standen. Allein in Bezug auf Paul Merker, dessen Stern Zuckermann scheinbar als im Sinken begriffen erachtete, erlaubte er sich eine vorsichtige Distanzierung. Die Eröffnung seiner Anwaltspraxis in MexikoStadt im Frühjahr 1943, die auf Vermittlung Lombardo Toledanos und zum Wohle der Merker-Gruppe zustande gekommen war, erklärte Zuckermann unter Verweis auf die Differenzen, die er mit Merker »über seine politische Linie« gehabt habe und aufgrund derer er von den finanziellen Zuwendungen der Merker-Gruppe abgeschnitten worden sei. Dies sei der eigentliche Grund gewesen, weshalb er sich »einen bürgerlichen Beruf« habe suchen müssen.235 Derart die Fassung zu wahren, gelang nicht allen Vorgeladenen. Alexander Abusch beispielsweise wandte sich mit immer neuen Briefen an Herta Geffke, die stellvertretende Leiterin der ZPKK, denen die nackte Angst vor den Konsequenzen eingeschrieben war;236 der ehemalige Mexiko-Emigrant Rudolf Feistmann, der Anfang Juni 1950 als einer der Ersten vernommen worden war, beging angesichts des ihm von der Partei entzogenen Vertrauens und der Aufforderung, binnen Wochenfrist »nochmals ausführlichen Bericht […] abzugeben«, nach seiner Befragung durch die ZPKK gar Selbstmord.237 In der Erklärung des Zentralkomitees und der Zentralen Parteikontrollkommission der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands zu den Verbindungen ehemaliger deutscher politischer Emigranten zu dem Leiter des Unitarian ServiceCommittee Noel H. Field, die am 30. August 1950 veröffentlicht wurde und von allen Grundorganisationen der SED ausgiebig zu studieren war, musste Zuckermann seinen Namen zwar nicht lesen, wohl aber die seiner ehemaligen Genossen Paul Merker, Leo Bauer, Lex Ende, Bruno Goldhammer, Willy Kreikemeyer und Maria Weiterer, die mit dem Hinweis, sie hätten durch ihre enge Verbindung zu Field »dem Klassenfeind in umfangreicher Weise Hilfe geleistet«, allesamt aus der Partei ausgeschlossen wurden.238 Weshalb Zuckermann diesem Schicksal im August 1950 entging, obwohl er genauso gut in die Reihe der Beschuldigten gepasst hätte, ist nicht eindeutig zu beantworten. Womöglich erschienen seine spärlichen Kontakte zum USC tatsächlich als nicht so gravierend, wie ihm offenbar auch zugutekam, dass er Marseille vergleichsweise früh, im November 1941, verlassen hatte, während alle an230

deren Beschuldigten sich noch deutlich länger in Südfrankreich, und damit in der Nähe Fields aufhielten. Vielleicht hatten sich aber auch die Protektion Ulbrichts und der Fakt ausgezahlt, dass sich die Parteiführung nur schwerlich entblößen wollte, die rechte Hand des Präsidenten in aller Öffentlichkeit als »Agenten« entlarven zu müssen.239 Nach der Erklärung des Zentralkomitees schien sich Zuckermann seiner Position jedenfalls zunächst recht sicher gewesen zu sein, nachgerade so, als wäre der Vorgang abgeschlossen. Womöglich war er der Verdächtigungen auch einfach überdrüssig. Zumindest richtete er am 28. Oktober 1950 ein wenig diplomatisches Schreiben an Ulbricht, in dem er dringend um seine Zulassung als Gast zu Sitzungen des Zentralkomitees bat, deren Teilnahme ihm aufgrund seiner Funktion als Staatssekretär zustehe; würde sie verweigert, hieße dies, die »Funktion des Staatssekretärs beim Präsidenten lächerlich [zu] machen«.240 Das Politbüro lehnte seine Bitte mit dem Hinweis ab, es würden bereits zwei persönliche Mitarbeiter Piecks, Otto Winzer und Walter Bartel, an den Sitzungen teilnehmen;241 unter der Hand soll Ulbricht Zuckermann später ausgerichtet haben, vor allem die Formulierung im Schlussteil seines Schreibens sei »eines verantwortlichen Funktionärs unwürdig« gewesen.242 Dass sich Zuckermann dennoch traute, ein derartig forderndes Schreiben einzureichen, schien mit einer gewissen Gleichgültigkeit zusammenzuhängen, mit der er seinen Posten als Staatssekretär mittlerweile betrachtete und die ihm im Laufe des Jahres 1950 mehrfach hatte überlegen lassen, ob er angesichts des ihm im Schloss entgegengebrachten Misstrauens nicht besser demissionieren und in einen akademischen Beruf wechseln sollte.243 Es mochte aber auch daher gerührt haben, dass er sich, zumindest was den Gegenstand der Untersuchungen betraf, keiner Schuld bewusst war. Das, was ihm wirklich zur Gefahr hätte werden können, war bis dahin, in der ersten Phase der Parteisäuberung, noch kein Thema gewesen. Während sich Zuckermann in Sicherheit wog, wurden die Untersuchungen, wie bereits die Parteierklärung vom 30. August in Aussicht gestellt hatte, freilich »weitergeführt«. Grundlage dafür war nicht zuletzt die Erklärung selbst, deren Aufruf zum Studium in den Parteigruppen nun Dutzende, wenn nicht Hunderte an Zuschriften an die ZPKK generierte, in denen Parteimitglieder versuchten, ihre Loyalität unter Beweis zu stellen beziehungsweise sich reinzuwaschen, indem sie andere denunzierten. Diese Briefe betrafen alle Ebenen der Parteihierarchie; in der Regel begannen sie mit einer Formulierung wie der, die aufmerksame Lektüre des Parteibeschlusses habe bestimmte Vorkommnisse einzelne Genossen betreffend in Erinnerung gerufen, über die man nun Auskunft erteilen wolle.244 Auch Zuckermann selbst war darunter, der der ZPKK am 4. September eine Information über Merker zukommen ließ. 231

Jetzt gab er vor, sich plötzlich zu erinnern, sein alter Bekannter Leo Katz habe ihm bei einem Berlin-Besuch im Jahr zuvor berichtet, dass Merker in Mexiko mit einem inzwischen zweifelsfrei als amerikanischer Agent enttarnten Pressevertreter Umgang gepflegt habe.245 Inwiefern Zuckermann glaubte, durch diesen vergleichsweise harmlosen Hinweis über eine zumal bereits aus der Partei ausgeschlossene Person die von ihm geforderte »Wachsamkeit« unter Beweis gestellt zu haben, sei dahingestellt; das Problem war vielmehr, dass derartige Denunziationen nun auch ihn selbst betrafen. Niemand Geringeres als seine enge Bekannte Hilde Neumann, an deren Freundschaft sich Zuckermann noch in hohem Alter gern erinnerte, fühlte sich Anfang September 1950 bemüßigt, der ZPKK ausführliche Informationen über Zuckermann zukommen zu lassen. Gemeinsam mit ihrem Mann beschuldigte sie Zuckermann konkret, Merker in Mexiko Kontakte zu jüdischen Organisationen vermittelt, die jüdischen Genossen zum Eintritt in die Vereinigung Menorah angehalten und überhaupt in der »Wiedergutmachungsfrage« außerordentlich weitgehende Vorstellungen vertreten zu haben.246 Einige Tage darauf bekräftigte sie gegenüber der ZPKK, sie habe bei Zuckermann über die Jahre »soviel Unklarheiten und schwer verstaendliche Beziehungen« beobachtet, die zudem mit dessen »ganz ausserordentlich verantwortungsvoller Position, die er heute inne hat«, im Konflikt stünden, dass sie ihre Angaben zu diesem Punkt noch mündlich ergänzen wolle.247 Gleichgültig, ob die Denunziation auf Animositäten zwischen Zuckermanns Bruder Rudolf und Neumanns Ehemann beruhte, die sich bis ins Pariser Exil zurückverfolgen lassen,248 oder ob Hilde Neumann angesichts ihrer vormaligen Nähe zur 1931 von ihrem Vater Kurt Rosenfeld mitbegründeten SAP Linientreue demonstrieren wollte, ließ die Parteisäuberung offenbar selbst vormals enge Freundschaften nicht unberührt. Nicht zuletzt aufgrund derartiger Hinweise wurden die Untersuchungen gegen Zuckermann (wie auch gegen Abusch) weiter betrieben und dieser am 10. November 1950 erneut vor die ZPKK geladen. In der Tat erkundigten sich die Genossen Herta Geffke und Max Sens nun »über die politische Linie in bezug auf die jüdische Frage«, wie sie von der Merker-Gruppe in Mexiko diskutiert worden sei.249 Genauer gesagt ging es darum, was es mit dem Eintritt mexikanischer Genossen in die Menorah auf sich gehabt hatte und wie Merker zu seiner Position in der Entschädigungsfrage gekommen sei, aber auch, weshalb nach Rückkehr in die SBZ jüdische Parteimitglieder aufgefordert worden seien, jüdischen Gemeinden beizutreten. Direkt an die Adresse Zuckermanns gerichtet war dabei die Frage, ob er für Merker tatsächlich eine öffentliche »Zusammenkunft« mit einem Vertreter des Jüdischen Weltkongresses arrangiert habe beziehungsweise ob es stimme, was ein Genosse behaupte, dass 232

nämlich Zuckermann und Otto Katz die »Initiator[en] der jüdischen Entschädigung gewesen« seien und »Merker auf diese Linie geschoben« hätten.250 Diese Konzentration auf die »jüdische Frage« war sicherlich nicht einer plötzlichen antisemitischen Kehrtwende der ZPKK geschuldet. Zwar ließen die Befragenden nur wenig Fingerspitzengefühl erkennen, wenn sie verallgemeinernd festhielten, dass »diese Menschen« – gemeint waren jüdische Emigranten – »heute wieder« eine dem Sozialismus feindliche Haltung einnähmen oder behaupteten, mit der »Wiedergutmachung« betraute jüdische Organisationen hätten primär und ausschließlich »eine bestimmte Linie« – nämlich die der Spionage – verfolgt. Hier wurden in der Tat Bilder bedient, die Antisemitismus Vorschub leisteten beziehungsweise dies billigend in Kauf nahmen. Geffke und Sens jedoch, bei denen es sich im Übrigen um altgediente KPD -Mitglieder handelte, die die Nazizeit im Zuchthaus verbracht hatten, fragten in erster Linie Muster ab, die hinsichtlich der Spionagehysterie des Kalten Krieges auf das »Eindringen« von »Agenten« ausgerichtet waren und solche »enttarnen« sollten. Deshalb vernahm die ZPKK Zuckermann zunächst ausführlich zu seiner Anwaltspraxis in Mexiko-Stadt, erfragte, mit wem er dort verkehrt hatte, genauso wie sie versuchte, sich ein Bild über die nichtdeutschen, spanischsprachigen Kommunisten vor Ort und den Einfluss »trotzkistischer Elemente« zu machen. Jüdische Organisationen wie das Amer­ican Jewish Joint Distribution Committee, aber auch die Gemeinden selbst, galten vor diesem Hintergrund als besonders verdächtig. Sie waren nicht nur international organisiert; ihre Praxis, nationale Grenzen übergreifend Hilfsmaßnahmen zu koordinieren, rückte sie automatisch in die Nähe von Verdächtigungen, damit deren Empfänger gefügig und erpressbar machen zu wollen. Sowohl der Eintritt in die Menorah als auch die Aufforderung Merkers, jüdische Parteimitglieder sollten der Gemeinde beitreten, arbeiteten diesem Bild zu; trat noch die Frage der »Wiedergutmachung« hinzu, fehlte nicht viel, um der ZPKK die beabsichtigte Rückerstattung geraubten Vermögens als »Entschädigung jüdischer Kapitalisten«, das heißt als »Gegenleistung« erscheinen zu lassen. Dennoch waren die neuerlichen Nachfragen der ZPKK an Zuckermann, wenngleich sie unter Genossen und im parteiüblichen »Du« erfolgten, von außerordentlicher Brisanz. Ihm wäre doch sicherlich bekannt, »dass Mitglieder der jüdischen Gemeinde zum amerikanischen Nachrichtendienst geholt wurden«, lautete ein Anwurf gegen Zuckermann, an den sich unmittelbar die Frage anschloss: »Bist Du auch Mitglied der jüdischen Gemeinde?«251 Wenig überraschend sah sich Zuckermann daraufhin genötigt, seine Rolle in der »jüdischen Frage« herunterzuspielen, ja abzustreiten. Die Bedeutung des Beitritts zur Menorah erklärte er damit, man sei in Mexiko »vollkommen ab233

geschnitten« gewesen und habe auf diese Weise Zugriff auf Personen erhalten, die sich einer Organisierung ansonsten verschlossen hätten; im Übrigen sei man »ja nicht zum Gottesdienst« gegangen. Fehler räumte er dahingehend ein, dass er anfangs in der Tat die Einstellung vertreten habe, es müsse »Entschädigung« für jüdische Rückkehrer geben; nach einem Gespräch mit den Sowjets (womit Zuckermann auf jene Konsultation mit der Finanzverwaltung der SMAD im November 1948 anspielte)252 habe er jedoch erkannt, »dass die Frage der Wiedergutmachung nicht richtig ist«. Darüber hinaus unternahm er einiges, um seine vermeintliche Rolle als »Initiator« zu schmälern. So wiederholte er, in Mexiko habe er nach etwa einem Jahr mit Merker gebrochen, was nicht zuletzt aus dessen Hinwendung zu Theorien resultiert sei, »die nicht mehr zu unterscheiden waren vom jüdischen Nationalismus«; seine Beteiligung an den Beratungen zum VdN-Gesetz für die SBZ stellte er nun so dar, dass er hier gegen Merkers »Linie« aufgetreten sei. Vor allem aber machte er falsche Angaben bezüglich seiner Zugehörigkeit zur Jüdischen Gemeinde. Nach dem Eingeständnis, er sei »damals«, also nach seiner Rückkehr, eingetreten, hieß es nun: »Jetzt bin ich raus.«253 Dies entsprach freilich nicht der Wahrheit. Nicht nur war er zum Zeitpunkt seiner Aussage immer noch Mitglied; auch nach der Unterredung bei der ZPKK unternahm er keinerlei Schritte in diese Richtung (sondern erklärte seinen Austritt, worauf noch einzugehen sein wird, erst anderthalb Jahre später, im August 1952).254 Darüber, weshalb Zuckermann die ZPKK in diesem Punkt belog, kann nur gemutmaßt werden. Im ersten Moment mag es Intuition, eine Art Reflex, gewesen sein, der dem zunehmend furchteinflößenden Charakter des Gesprächs geschuldet war. Der Frage nach seiner Mitgliedschaft war schließlich eine Reihe an Bemerkungen vorausgegangen, die alle erkennen ließen, dass die Vernehmenden der »jüdischen Frage« mit größtem Vorbehalt gegenüberstanden. Es sei eine »eigenartige Haltung« gewesen, in die Menorah einzutreten, hatte es zunächst geheißen, die Einstellung zur Entschädigung sei »nicht richtig« und diese ohnehin nicht finanzierbar gewesen; überdies hättet »[i]hr […] die Genossen doch aufgefordert […] Mitglied der jüdischen Gemeinde [zu] werden«.255 Insbesondere jedoch die Bemerkung, der amerikanische Geheimdienst habe unter den Mitgliedern jüdischer Gemeinden Agenten rekrutiert, muss für Zuckermann verstörend gewesen sein, da sie unverhohlen das ungeklärte Schicksal von Personen wie Fritz Katten aufrief. Alle zusammen legten die Nachfragen jedenfalls nahe, eine Mitgliedschaft besser abzustreiten, um sich angesichts der im Raum stehenden Vorwürfe nicht beziehungsweise nicht noch stärker zu belasten. Dafür spricht auch, dass Zuckermann allein im Fall der Menorah – der ersten Frage der Unterredung mit Bezug zum Judentum – eine Argumentation aufbot, die diesen Schritt zu234

nächst noch erklären sollte. Andere naheliegende Erklärungen hingegen, wie die, dass das Schicksal der Juden sich eklatant von dem politisch Verfolgter unterschieden habe, die er noch 1948 mit Nachdruck vertreten hatte, unterließ er im weiteren Verlauf des Gesprächs ebenso wie den Hinweis auf die Rolle der Sowjetunion, die eine solche Haltung während des Krieges überhaupt erst legitimiert hatte. Erst drei Tage später, in einem Schreiben an Geffke, das verschiedene Aspekte der Unterredung noch einmal aufgriff, führte Zuckermann – nun wieder in der ihm eigenen Nüchternheit – an, der Gesetzentwurf sei einst »mit den Freunden« (das heißt den Sowjets) abgestimmt worden und etwa Volkseigentum darin als »unantastbar« gekennzeichnet gewesen.256 Während des Gesprächs scheint Zuckermann die Frage nach seiner Zugehörigkeit zur Jüdischen Gemeinde jedoch als derart gefährlich empfunden zu haben, dass er – wahrscheinlich ohne groß nachzudenken – das nicht unerhebliche Risiko, die Partei könne seine Angabe überprüfen, in der Ahnung in Kauf nahm, dies sei ihr nicht ohne Weiteres möglich. Eventuell spielte auch eine Portion Trotz eine Rolle, dass diese Information die ZPKK nichts angehe, dass sie in der Tat privat war – dann freilich hätten sich die Zugehörigkeit zur Jüdischen Gemeinde, und mit ihr sein jüdisches Selbstverständnis, als eine Art Rückzugsraum entpuppt, in den der lange Arm der Partei nicht hineinreichte. Wie dem auch sei, letztlich verdeutlichte die Befragung, dass sich die Zeichen der Zeit ein weiteres Mal gewandelt hatten. Die jüdische Herkunft – beziehungsweise das aktive Bekenntnis zu ihr – galt es innerhalb der SED nicht mehr länger nur zu beschweigen, wie noch ein Jahr zuvor, als Zuckermann dies mit seinem Artikel für die Tägliche Rundschau unter Beweis gestellt hatte; jetzt war es vielmehr nötig, sie zu verleugnen. Dem entsprach der Fortgang der Ereignisse. Gut zwei Wochen nach seiner neuerlichen Befragung durch die ZPKK, am 27. November 1950, bat Zuckermann in einem kurzen Schreiben an Walter Ulbricht schließlich darum, ihn von seiner »Funktion als Staatssekretär zu entbinden«.257 Belegt ist es nicht, doch kann angenommen werden, dass die ZPKK Zuckermann aufgrund des Gesprächs nicht länger für tragbar erachtete und dies der Parteiführung mitgeteilt hatte. Die von Zuckermann für seinen Rücktritt angeführten Gründe lesen sich wie eine Bestätigung der zuvor nötig gewordenen Verleugnung. »Unter dem tiefen Eindruck der nazistischen Judenverfolgung habe ich Fehler gemacht«, führte Zuckermann aus, »– wie z. B. nach meiner Rückkehr [den] Beitritt zur jüdischen Gemeinde  – die mein[en] Verbleib in unmittelbarer Nähe des Parteivorsitzenden und Staatspräsidenten, sowie der Regierung nicht gestatten.«258 Der darin zum Ausdruck kommende Kotau war total. Schließlich gestand Zuckermann nicht nur ein, Fehler begangen zu haben, die eine Gefahr für Partei- und Staatsführung dargestellt hätten und überließ 235

die Entscheidung über seine weitere Verwendung der Partei; er gab auch zu erkennen, dass es nicht legitim gewesen sei, unter dem Eindruck der Verfolgung der Juden, selbst wenn dieser »tief« gewesen war, zu Schlussfolgerungen zu kommen, die einer spezifischen Beachtung des jüdischen Schicksals das Wort redeten. Trotz oder wegen dieser Distanzierung blieb Zuckermanns Position auch nach seinem Rücktritt eine ungewöhnliche. Dies legte schon der Akt der Demission selbst nahe, die dem Vernehmen nach mit Ulbricht abgesprochen war,259 wohl nicht zuletzt, weil sie formell, aufgrund seines Amtes als Staatssekretär, ein Rücktrittsgesuch erforderte. Aber auch sonst wurde Zuckermann eine gewisse Wertschätzung zuteil. Er blieb, wohl weil so schnell kein geeigneter Nachfolger gefunden werden konnte, ein weiteres halbes Jahr, bis Mai 1951, im Amt.260 Im Gegenzug für seine Demission war ihm offenbar unmittelbar zugesichert worden, er könne alsbald eine Professur an »einer der Universitäten in der Republik« antreten.261 Überdies nahmen sowohl Ulbricht als auch Grotewohl weiterhin seine Dienste für staatsrechtliche Ausarbeitungen in Anspruch.262 Verglichen mit anderen Westemigranten, die dieser ersten Welle der Parteisäuberung zum Opfer gefallen, aus der Partei ausgeschlossen und zuhauf in die Provinz versetzt worden waren – man denke an Paul Merker, dem als ausgebildetem Kellner die Leitung der HO -Gaststätte Turmklause in Luckenwalde südwestlich von Berlin übertragen worden war  –,263 kam Leo Zuckermann offensichtlich noch einmal glimpflich davon, wenngleich zu dem Preis, dass seinem jüdischen Selbstverständnis nach Lage der Dinge fortan keine öffentliche Bedeutung mehr zukommen durfte, ja er es verbergen und abstreiten musste.

3.4  »Aufbau des Sozialismus« oder die »nationalistische Volte«: Zum zweiten Mal Flucht Am 15. Dezember 1952, einem Montag, begann für Leo Zuckermann und seine Familie  – so machte es zumindest den Anschein  – eine gewöhnliche Arbeitswoche. Lydia Zuckermann erklärte am Morgen der Haushaltshilfe, dass sie sich mit dem jüngeren der beiden Kinder in die Stadt begebe, um Einkäufe zu tätigen; Leo Zuckermann selbst fuhr mit dem Dienstwagen zu seiner Arbeitsstelle in der Deutschen Verwaltungsakademie »Walter Ulbricht« (DVA) in Babelsberg, wobei ihn die befreundete Psychologin Lotte Winter begleitete, die ebenfalls an der DVA angestellt war. Zur Rückgabe einer Tasche, die Winter aufgrund einer krankheitsbedingten früheren Abreise nach Berlin 236

in Zuckermanns Wagen hinterlassen hatte und die er versprochen hatte, ihr am Abend vorbeizubringen, kam es indes nicht mehr.264 In Begleitung seines älteren Sohnes, der in Potsdam ein Internat besuchte, war Zuckermann im Laufe des Tages zwar wieder nach Berlin aufgebrochen. Die beiden kehrten jedoch nicht nach Niederschönhausen in das Haus der Familie zurück. Vielmehr stellten sie den Wagen in Mitte ab, am Haus am Werderschen Markt, dem damaligen DDR-Finanzministerium (heute Auswärtiges Amt), und überquerten von dort aus zu Fuß die nahe gelegene, noch nicht abgeriegelte Sektorengrenze, währenddessen Zuckermann – wie sich sein Sohn erinnert – sein Gesicht mit Hut und Sonnenbrille verdeckte.265 Schließlich vereinten sie sich am Ende des Tages im französischen Sektor wieder mit Lydia Zuckermann und dem jüngsten Sohn: Der Musterkommunist und vormalige Staatssekretär beim Präsidenten der DDR Leo Zuckermann hatte sich mit seiner Familie in den Westen abgesetzt.266 Zuckermanns Republikflucht war umso erstaunlicher, als er nach seiner erzwungenen Demission vom Posten des Kanzleichefs mehr als zwei Jahre zuvor inzwischen als rehabilitiert gelten konnte. Dafür sprach nicht nur, dass er die Präsidialkanzlei in Ermangelung eines geeigneten Nachfolgers bis April 1951 weiter geleitet hatte, oder dass das Zentralkomitee der SED ihm danach eine ordentliche Professur an der DVA antrug, die auch die Leitung des Instituts für Völkerrecht umfasste.267 Einer Rehabilitation gleich kam vor allem der positive Bescheid über seine Parteimitgliedschaft, die im Zuge der Field-Affäre (gemeinsam mit Tausenden anderen Parteimitgliedern) überprüft worden war. Am 19. Juli 1951 konstatierte die Überprüfung dem »langjährig organisierte[n] Genosse[n] […] großes juristisches Fachkönnen« und kam zu dem Schluss: »Das Mitgliedsbuch ist auszuhändigen.«268 Auch in der Parteipresse publizierte Zuckermann weiterhin269 und selbst ein Privileg, das eigentlich nur Mitgliedern des Zentralkomitees zustand, wurde ihm zuteil: Zur Erholung von einem Rückenleiden, das zwischenzeitlich im Regierungskrankenhaus behandelt worden war, gestattete man ihm im Juli 1951 einen mehrwöchigen Urlaub auf der für gewöhnlich nur obersten Parteikadern zugänglichen Insel Vilm im Greifswalder Bodden.270 Noch im Jahr 1952 setzte sich diese Wiedereingliederung fort. So meldete das Parteiorgan Neues Deutschland nur vier Wochen vor dem 15. Dezember, Zuckermann sei »feierlich« in sein neues Amt als Direktor des Deutschen Instituts für Rechtswissenschaft in Potsdam-Babelsberg eingeführt worden.271 Der neue Posten entsprach insofern einem Parteiauftrag, als der erst kurz zuvor gegründeten, der DVA unterstellten Einrichtung die Aufgabe zugedacht war, die rechtswissenschaftliche Forschung in der gesamten DDR zu koordinieren.272 Die neue, mit einigen Privilegien wie einem stattlichen Gehalt, einem Dienstwagen 237

und der Zusicherung der freien Berufsausbildung der Kinder einhergehende akademische Karriere Zuckermanns mochte nicht zwingend das gewesen sein, was ihm vorschwebte, und doch bedeutete sie, gerade eingedenk der Vorgänge des Jahres 1950, eine gewisse Sicherheit, ja eine langfristige Perspektive in der DDR .273 Was also war geschehen, dass sich Leo Zuckermann kurze Zeit später unter Zuhilfenahme konspirativer Techniken, die er zuletzt in der Zeit des Exils angewandt hatte, zum zweiten Mal zu einer Flucht aus Deutschland entschloss? In der Tat war ungeachtet der Protektion, die Zuckermann seitens der Parteiführung, und hier vor allem Ulbrichts, genoss, ab Sommer 1951 weiter gegen ihn ermittelt worden. Ungemach drohte jetzt jedoch nicht vonseiten der ZPKK , sondern vonseiten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), das am 27. Juni 1951, einen Monat vor Zuckermanns parteiinterner Rehabilitation, einen sogenannten Operativen Vorgang eröffnet hatte, der bezeichnenderweise den Titel »Mexico« trug. In der Begründung wurde Zuckermann einer »Agententätigkeit verdächtigt«, genauer, der Zugehörigkeit zu der »Agentengruppe« um Paul Merker, Alexander Abusch, Leo Bauer und »andere führende Personen der deutschen Emigration«, die im Dienst des »amerikanischen und englischen Geheimdienst[es]« stünden beziehungsweise als solche »entlarvt« und (wie Bauer) bereits »verhaftet« worden seien.274 Konkret lauteten die Anschuldigungen, Zuckermann habe deutschen Juden in Mexiko versprochen, ihre »Interessen innerhalb Deutschlands als Rechsanwalt [sic] in Bezug der Rückgabe ihrer Vermögen« zu vertreten und er habe von einer Reihe von Emigranten »weiterhin Gelder und Pakete« erhalten. Zur Überprüfung der Vorwürfe wurde als Erstes im August 1951 die Überwachung seines Post- und Telefonverkehrs angeordnet; mehr als ein Jahr darauf, im Oktober 1952, sah ein »Operativplan« vor, verstärkt Erkundigungen über Zuckermann und sein Umfeld einzuholen sowie Anwerbeversuche an seiner Arbeitsstätte zu unternehmen.275 Von wem die Initiative zu diesen Ermittlungen ausging, ist nicht überliefert. Dass die oberste Parteiführung jedoch Kenntnis davon hatte, ist anzunehmen, da der zuständige Minister Wilhelm Zaisser, zumal im Fall höherer Kader der Parteinomenklatur, wohl gehalten war, zumindest Ulbricht und Pieck, vielleicht auch Grotewohl darüber zu informieren. Wiederholt ist deshalb vermutet worden, die Anweisung sei von ganz oben, von den Sowjets selbst, gekommen.276 Dafür spricht nicht nur, dass Ulbricht wohl kaum dem Abschluss der parteiinternen Überprüfung zugestimmt hätte, wenn er den Vorwurf der Agententätigkeit für erwiesen gehalten hätte, sondern auch, dass noch vor Anlage des Vorgangs, am 14. Juni 1951, das MfS eine Aktennotiz über Zuckermann erstellt hatte, die offenbar auf Informationen »von den 238

›F‹« – also den sowjetischen »Freunden« – basierte.277 Doch der Vorgang kam eher schleppend in Gang und das MfS lieferte bis zum Winter 1952 praktisch keine nennenswerten Belege, was die Interpretation stützt, gegen Zuckermann sei auf sowjetischen Wunsch hin ermittelt worden, während die SED -Parteiführung dem (zunächst) wenig Bedeutung beimaß. Zuckermann dürfte von seiner geheimdienstlichen Überwachung kaum etwas mitbekommen haben. Dennoch spürte offenbar auch er eine veränderte Gefährdungslage, da er im Sommer 1952 einen entscheidenden Schritt unternahm. Ohne Angabe von Gründen und »mit sofortiger Wirkung« erklärte er am 22. August 1952 gemeinsam mit seiner Frau per Einschreiben den Austritt aus der Jüdischen Gemeinde Berlin, machte also den im Juli 1947 erfolgten Eintritt rückgängig.278 Da Zuckermanns Ausscheiden kommentarlos erfolgte, liegen die genauen Beweggründe im Dunkeln. Der wenige Tage zuvor publik gewordene Tod Philipp Auerbachs, des vormaligen bayerischen Staatskommissars für rassisch, religiös und politisch Verfolgte, der als maßgeblicher Vertreter der »Wiedergutmachung« in Westdeutschland galt, sich jedoch nach einem antisemitisch aufgeladenen Veruntreuungsprozess am 16. August in München das Leben genommen hatte,279 dürfte kaum etwas damit zu tun gehabt haben; und auch der Abschluss des Luxemburger Abkommens über Entschädigungszahlungen der Bundesrepublik an Israel und die Claims Conference am 10. September, das die SED bald propagandistisch für ihre Zwecke ausschlachten sollte,280 war noch nicht an die Öffentlichkeit gedrungen. Schon naheliegender war, dass Zuckermann aufgrund seiner engen Kontakte zu Julius Meyer von einer Warnung Kenntnis erhielt, die angeblich den Funktionär der Leipziger Jüdischen Gemeinde Fritz Grunsfeld im August 1952 erreicht hatte. Dieser gab nach seiner Flucht aus der DDR im Januar 1953 gegenüber der britischen Presse an, ein hochrangiges SED -Mitglied jüdischer Herkunft habe ihn zu dieser Zeit darüber informiert, dass mit staatlichen Maßnahmen gegen die jüdischen Gemeinden zu rechnen sei, woraufhin er den Verband der Jüdischen Gemeinden in der DDR davon in Kenntnis ge­ setzt habe.281 Wie dem auch sei, im August 1952 muss Zuckermann gefürchtet haben, seine Mitgliedschaft in der Jüdischen Gemeinde, die er knapp zwei Jahre zuvor gegenüber der ZPKK noch (erfolgreich) verleugnet hatte, nicht länger verbergen zu können beziehungsweise das Gefühl beschlichen haben, es sei mittlerweile angebracht, seine Distanz glaubhaft belegen zu können. Mit dieser Einschätzung stand er wiederum nicht allein. Gut zwei Monate zuvor, auf einer Tagung des Verbandes der Jüdischen Gemeinden am 15. Juni 1952, hatte deren Vorsitzender Julius Meyer zu »große[n] Diskussionen« innerhalb der Gemeinden Stellung genommen, die offenbar auf eine Reihe von Mit239

gliedsaustritten mit Parteizugehörigkeit zurückgingen.282 Zur Beruhigung der anwesenden Gemeindevertreter aus der gesamten Republik hatte Meyer geltend gemacht, dass es nach Rücksprache mit dem Referat für jüdische Angelegenheiten in der Partei keine Notwendigkeit für diesen Schritt gebe und die »Angelegenheit […] restlos klargestellt« worden sei.283 Für den Rückhalt, den das jüdische Leben innerhalb der Parteiführung genieße, verwies er just auf das Ansehen Zuckermanns, der nicht nur »der engste Freund von Herrn Präsident Pieck und Herrn Ministerpräsident Grotewohl ist«, sondern zudem bei »der letzten Repräsentantenwahl als einer der ersten  […] zur Wahl geschritten« sei. Es gebe in der Gemeinde eine Reihe »führende[r] Funktionäre, die trotz allem zu uns halten und für uns sind«.284 Ungeachtet der Tatsache, ob Zuckermann einen Hinweis erhielt oder nicht, war sein Gemeindeaustritt vor dem Hintergrund der Entwicklung, die die SED im Sommer 1952 nahm, nur folgerichtig. Genau genommen entsprach er dem Geist der Zeit. Denn zwischen der Tagung des Verbandes der Jüdischen Gemeinden und Zuckermanns Austritt lag die II. Parteikonferenz der SED vom 9. bis 12. Juli in Berlin, auf der die Partei den »planmäßigen Aufbau des Sozialismus« verkündet hatte. Der darin zum Ausdruck kommende Paradigmenwechsel für die DDR-Gesellschaft ist oft betont worden.285 Hatte die Parteiführung bis dahin aus innen- wie außenpolitischer Rücksichtnahme stets von der »antifaschistisch-demokratischen Ordnung« gesprochen, gab Ulbricht nun die Umgestaltung zu einem offen sozialistischen Staatswesen bekannt. Hintergrund dieser Entwicklung war einmal mehr die Zuspitzung des Kalten Krieges, der ab 1950 mit dem Koreakrieg, obzwar in Form einer Stellvertreterauseinandersetzung, erstmals »heiß« geworden war.286 Angesichts des befürchteten militärischen Eingreifens der Sowjetunion auch in Mitteleuropa waren daraufhin Bemühungen zur Westbindung der Bundes­republik vorangetrieben worden, die einen westdeutschen Beitrag zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) – sprich die mittelfristige Aufstellung einer Armee – vorsahen.287 Der dazu nötigen Abtretung bislang verweigerter Souveränitätsrechte der Westalliierten an die Bundesrepublik hatte Stalin mit seiner berühmten Märznote, die unter Wahrung deutscher Neutralität den Abschluss eines Friedensvertrages in Aussicht stellte, noch verhindern wollen, wie die Unterzeichnung des Deutschlandvertrages zwischen den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich und der Bundesrepublik am 26. Mai 1952 belegte, jedoch nicht aufhalten können.288 Da die darin der Bundes­ republik zugestandene »volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten« die deutsche Teilung auf unbestimmte Zeit besiegelte,289 sah sich die Sowjetunion nicht länger an Rücksichten gebunden und forcierte abermals die Sowjetisierung der DDR; die SED antwortete auf 240

die wiederholte Infragestellung von deren Legitimität nicht nur mit dem erwähnten »Aufbau des Sozialismus«, sondern auch mit einer »nationalistischen Volte« (Sigrid Meuschel), die sich in der II. Parteikonferenz prominent Ausdruck verschaffte.290 Wenn man so will, konnte Zuckermann der II. Parteikonferenz gleich drei Gründe entnehmen, weshalb eine Mitgliedschaft in der Jüdischen Gemeinde für ein Parteimitglied nicht länger angebracht war. So bestärkte die SED in Anbetracht der (Teil-)Souveränität der Bundesrepublik abermals das öffentlich propagierte Bild, sie allein sei die Sachwalterin eines unabhängigen, geeinten und demokratischen Deutschlands. Dies beinhaltete wütende Angriffe auf die Vereinigten Staaten, die im Sinne der »Interessen der amerikanischen Finanzhyänen« die nationalen Eigenarten westeuropäischer Länder unter­ drücken würden und als »der schlimmste Würger der Völker Europas« aufträten. Das Ganze kulminierte in einem Anstieg nationalistischer Rhetorik, die seitens der Parteiführung offenbar als geeignet erachtet wurde, angesichts der mit dem Deutschlandvertrag geschaffenen Fakten ihre von der ostdeutschen Bevölkerung infrage gestellte Legitimation zu festigen. So gab Ulbricht im Zuge dessen auf der Parteikonferenz die Parole einer »nationalen« Geschichtsauffassung aus und verstieg sich zu der Behauptung, das deutsche Volk befinde sich in einem »nationalen Befreiungskampf«.291 Der vermeintlichen Bedrohung des »Lebensrechts unseres Volkes« wurde freilich Stalins Angebot eines Friedensvertrages gegenübergestellt und Ulbricht appellierte an die »großen Traditionen unseres Volkes«, die mit dem verstärkten Studium der deutschen Geschichte wieder ins Bewusstsein gerufen werden sollten. Diese umfassten die Rehabilitierung »geschichtliche[r] Persönlichkeiten, die große Verdienste im Kampf um die Einheit [erworben] haben, wie Scharnhorst, Fichte, Gneisenau [und] Jahn«, den Verweis auf »Helden wie Lützow, Theodor Körner [und] Marschall Blücher«, aber auch den auf »die Germanen«, die in der Schlacht vom Teutoburger Wald durch ihre »persönliche Tüchtigkeit und Tapferkeit den römischen Truppen weit überlegen« gewesen wären.292 Inwieweit Zuckermann eine derart nationalistische Rhetorik, die ein Projekt wie die EVG als »in jeder Hinsicht dem Weg der Kriegsverbrecher Hitler und Mussolini« folgend verunglimpfte,293 unangenehm aufstieß, kann nur gemutmaßt werden. Bereits im Jahr zuvor hatte er, wohl nicht zuletzt unter dem Eindruck einer erforderlichen öffentlichen Zurschaustellung von Loyalität nach seiner Demission, in mehreren Zeitungsartikeln in die wütenden Angriffe auf die »Regierungen in London und Washington« eingestimmt, die einen »dritten Weltkrieg« vorbereiteten, und auf »Wallstreets Kriegspläne« und die »Petersberger Vertreter des amerikanischen Finanzkapitals« hingewiesen.294 Im April 1952, in einem Vortrag auf der V.  Tagung der 241

deutschen Völkerrechtslehrer in Hamburg, verkniff er sich (womöglich aufgrund des Tagungsortes) derartige rhetorischer Ausfälle, folgte ansonsten aber gewissenhaft der von ihm als Parteistaatsrechtler erwarteten Positionierung. Stalins Friedensvertrag, hieß es dort, erfülle »die Sehnsucht der deutschen Nation nach Einheit, Frieden und Unabhängigkeit« und sei demnach angetan, »die unserer Nation aufgezwungene Spaltung« zu überwinden.295 Doch nicht nur, weil Ulbricht in seinem Grundsatzreferat auf der Parteikonferenz gefordert hatte, dass sich die »Kirche der Deutschen Demokratischen Republik  […] entschieden lossagen [müsse] von allen amerikanischen und englischen Agenturen«,296 dürfte Zuckermann die unverhohlene Anrufung einer explizit deutschen Nationalkultur signalisiert haben und damit, dass sein Judentum beziehungsweise der allzu positive Bezug darauf dazu im Widerspruch stand.297 Dies galt in ähnlicher Weise für den verkündeten »Aufbau des Sozialismus«, den Ulbricht damit begründete, dass sowohl die »demokratische und ökonomische Entwicklung« als auch »das Bewußtsein der Arbeiterklasse und der Mehrheit der Werktätigen […] jetzt so weit entwickelt« wären, dass dieser Schritt gerechtfertigt sei. Verschiedene auf der Parteikonferenz verkündete Maßnahmen wiesen in diese Richtung: die Kollektivierung diverser Wirtschaftszweige, allen voran in der Landwirtschaft, die Verwaltungsreform, die die bestehenden fünf Länder durch 14 Bezirke ersetzte, ebenso wie die Aufstellung bewaffneter Streitkräfte zur »Verteidigung unserer Republik«.298 Die mehr als 2000 Delegierten bedachten Ulbrichts Ankündigung, wie das Protokoll vermerkt, mit stehenden Ovationen, lang anhaltendem Beifall und Hochrufen auf das ZK der SED – sie bildete im Grunde den Höhepunkt der Tagung.299 Ob Zuckermann angesichts dieser Wegmarke ähnlich ergriffen war, ist ebenfalls nicht bekannt. Dabei dürften ihm, der (wie bereits erwähnt) den Begriff der »antifaschistisch-demokratischen Ordnung« mitdefiniert hatte,300 die staatsrechtlichen Implikationen des »Aufbaus des Sozialismus« mehr als bewusst gewesen sein. Da die SED antizipierte, dass sie mit dem Kurswechsel auf die Gegenwehr breiter Bevölkerungsschichten stoßen würde, hatte sie »die Werktätigen« wohlweislich darauf eingeschworen, »den Widerstand der feindlichen Kräfte« zu brechen und »der Verbreitung bürgerlicher Ideologien« entgegenzutreten.301 Unabhängig davon, ob Zuckermann den Zeitpunkt für die »Diktatur des Proletariats« schon gekommen sah oder ob der Glaube daran, zumindest in Bezug auf die DDR , bereits Risse bekommen hatte, deutete alles darauf hin, dass sein früheres Engagement für jüdische Anliegen aufgrund des eingeschlagenen Weges zum Sozialismus kaum mehr zeitgemäß war. Dies umfasste nicht nur die »bürgerliche« Forderung nach Rückerstattung von Privateigentum, die infolge der vollzogenen »ökonomischen 242

Entwicklung« endgültig obsolet geworden war; es betraf vor allem seine anachronistisch gewordene Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft. Schließlich war da noch der Aufruf zu »Wachsamkeit« und die Aufforderung zur Abwehr von »Feinden«, denen auf der Parteikonferenz erhebliche Bedeutung beigemessen wurde. »Angesichts des Ernstes der Lage«, hieß es da, »muß die Partei noch nachdrücklicher als bisher ihre gesamte Mitgliedschaft unermüdlich zur äußersten Wachsamkeit erziehen, gegen alle Versuche des Feindes, in die Partei der Arbeiterklasse einzudringen und durch bürgerliche Ideologien ihre Kampfkraft zu schwächen.«302 In Zeiten des verschärften Klassenkampfes, wie er bezüglich der sich zuspitzenden Auseinandersetzung mit dem Westen, aber auch mit dem »Aufbau des Sozialismus« beschworen wurde, waren derartige Warnungen nur wenig verwunderlich. Ein Parteimitglied wie Zuckermann jedoch, dessen Vergangenheit im westlichen Exil bereits Gegenstand eingehender Befragungen seitens der ZPKK gewesen war, dürfte sie als besonders bedrohlich wahrgenommen haben, zumal es ebenfalls hieß, die Parteiführung gebe sich nicht der Illusion hin, »daß es durch die Überprüfung der Parteimitglieder und Kandidaten etwa gelungen ist, alle feindlichen Elemente bei uns ausfindig zu machen«.303 Zwar war den Ausführungen auf der Konferenz kein direkter Hinweis zu entnehmen, dass die Frage der Westemigration in naher Zukunft wieder aufgerollt werden würde. Die Hasstiraden gegen den US -Imperialismus und seine Helfershelfer, gepaart mit der anhaltenden Agentenhysterie des Kalten Krieges, ließen allerdings Schlimmstes erahnen. Auch vor diesem Hintergrund musste Zuckermann im Sommer 1952 den Eindruck gewinnen, es sei an der Zeit, den 1947 erfolgten Eintritt in die Jüdische Gemeinde rückgängig zu machen. Wenn man so will, war sein jüdisches Selbstverständnis – zumindest das öffentliche Bekenntnis dazu – dem »Aufbau des Sozialismus« zum Opfer gefallen. Anfangs schien sich die »innere« Wachsamkeit, die Zuckermann mit seinem Austritt aus der Jüdischen Gemeinde an den Tag legte, zu bewähren, wie die Übertragung des Direktorates des Deutschen Instituts für Rechtswissenschaft im November 1952 nahelegt. Die feierliche Amtseinführung fand nicht nur im Beisein von Justizminister Fechner statt;304 die ihm übertragene Aufgabe mochte zudem signalisiert haben, dass er, wie andere vormalige Westemigranten, die nach Jahren des Misstrauens neue verantwortungsvolle Ämter angetreten hatten, weiterhin das Vertrauen der Partei- und Staatsführung genoss. Auf diesen weiteren Schritt einer Rehabilitation folgte dann jedoch unmittelbar der Schock über den Prozess gegen die »Slansky-Bande« in Prag. Nur vier Tage nach seiner Amtseinführung konnte Zuckermann nämlich in der Parteipresse lesen, dass in Prag die Verhandlung gegen ein »staatsfeindliches Verschwörerzentrum« um den ehemaligen Generalsekretär 243

der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KPČ) Rudolf Slánský begonnen hatte. Der kurzen Meldung im Neuen Deutschland ließ sich dabei zunächst nur entnehmen, das Slánský und 13 weitere Angeklagte »des Hochverrats, der Spionage, Sabotage und des militärischen Verrats« beschuldigt wurden.305 Damit gewann für aufmerksame Beobachter das Schlagwort der »Slansky-Bande« an Kontur, das in der DDR-Presse spätestens ab November 1951, seit der Festnahme Slánskýs,306 die Runde gemacht hatte und auf der II. Parteikonferenz – noch wenig spezifisch – in einem Atemzug mit dem »abscheulichen Verrat der Tito-Clique«, »der verbrecherischen Tätigkeit […] der Gomulka-Gruppe in Polen« und der »parteifeindlichen Haltung Lucas und Georgescus in Rumänien« genannt worden war.307 Hatte die erste Meldung vom 21. November nur relativ knapp davon gesprochen, die Angeklagten hätten den Plan verfolgt, das »volksdemokratische Regime« zu liquidieren und die »Tschechoslowakische Republik erneut in das Lager des Imperialismus« hineinzuziehen,308 zeigte sich anhand der am folgenden Tag in Auszügen abgedruckten Anklageschrift nun en détail, um welche Vorwürfe es ging. Das elf Abschnitte umfassende Dokument freilich war angetan, Zuckermann das Blut in den Adern gefrieren zu lassen. Der Kern der Anklage bestand in dem Vorwurf, die Beschuldigten wären Mitglieder einer »Agentur« – also einer nachrichtendienstlichen Zelle – gewesen, die westliche Geheimdienste »aus den Reihen von Verrätern der Arbeiterklasse« gebildet hätten, um die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei zu infiltrieren.309 Zu diesem Zweck hätten die Angeklagten Einfluss auf die Kaderpolitik des tschechoslowakischen Staats- und Parteiapparates ausgeübt beziehungsweise entsprechende Ämter im Außenministerium, dem Präsidentenstab, der Wirtschaftsplanung und des Sicherheitsapparates an sich gerissen; auch Schritte, das Leben des Präsidenten Klement Gottwald auf dem Weg »zur Machtergreifung« zu »verkürzen«, sollten sie eingeleitet haben. Schon die Gründung dieser sogenannten Agentur tangierte Zuckermann persönlich. Der in der Anklageschrift enthaltene Passus, Slánský und Genossen hätten etwa bereits die Evakuierung deutschsprachiger Kommunisten nach Großbritannien im Zuge der Besetzung der »Resttschechei« im Frühjahr 1939 dazu genutzt, dem späteren Verschwörer Noel H. Field potenzielle Agenten zuzuführen, betraf ihn insofern konkret, als er in seiner damaligen Funktion als Rechtsberater der Internationalen Roten Hilfe in Paris unmittelbar an der Rettungsaktion beteiligt gewesen war.310 Nicht weniger gravierend war der Vorwurf, einzelne Beschuldigte hätten Handelsverträge mit kapitalistischen Staaten manipuliert und so ausländischen »Kapitalisten die Möglichkeit [geboten], sich auf Kosten des tschechoslowakischen Volkes zu bereichern«. Hervorgehoben wurden Verträge mit Israel, mit denen beabsichtigt worden 244

sei, das noch im Lande verbliebene Vermögen ermordeter oder ausgewanderter tschechoslowakischer Juden mittels Warenlieferungen an Israel zu verrechnen und auf diese Weise – so die Anklage – Werte in Milliardenhöhe außer Landes zu schaffen.311 Ganz konkret verwies dieser Anklagepunkt auf vergleichbare Aktivitäten Zuckermanns, der im Frühjahr 1948 im Beisein von Paul Merker und Otto Grotewohl Gespräche mit Gesandten der Jewish Agency in Deutschland geführt hatte, die sondieren sollten, ob die Möglichkeit zu einer ähnlichen Regelung zwischen dem in Gründung befindlichen Staat Israel und der SBZ bestünde.312 Ferner kannte Zuckermann einige der Angeklagten persönlich. Der »Volksfeind« Otto Fischl, dem unterstellt wurde, »kapitalistischen Elementen jüdischer Herkunft« ermöglicht zu haben, »den tschechoslowakischen Staat im Großen zu bestehlen«, war mit Zuckermann aus seiner Zeit als Botschafter der ČSR in Berlin bekannt;313 mit André Simone alias Otto Katz, der bezichtigt wurde, als Chefredakteur der Parteizeitung Rudé právo für westliche Nachrichtendienste spioniert zu haben, verband ihn die gemeinsame Zeit im mexikanischen Exil, inklusive der Autorschaft für die spanischsprachige Zeitschrift Tribuna Israelita. Spätestens damit kaprizierten sich die Vorwürfe unverhohlen auf jüdische Themen. Nicht nur waren der Großteil der Prager Angeklagten jüdischer Herkunft und wurden »die« Zionisten als besonders »zuverlässig[e] Agentur des amerikanischen Imperialismus« bezeichnet;314 auffällig an dem Dokument war auch und gerade, dass den Beschuldigten ein früheres Engagement für jüdische Anliegen beziehungsweise ein Kontakt zu israelischen Stellen jetzt zum Nachweis für den ihnen zur Last gelegten Hochverrat gereichte. Genau genommen erweckte die Anklageschrift den Eindruck, dass bereits eine jüdische Herkunft als hinreichender Beleg für Verfehlungen genügte, da jüdische Parteimitglieder aufgrund ihrer oftmals (klein-)bürgerlichen Klassenzugehörigkeit besonders verdächtig wurden, den angeblichen Avancen westlicher Geheimdienste nicht widerstanden zu haben. Wie kaum ein zweiter passte Zuckermann aufgrund seiner Vorgeschichte also in das Schema der Vorwürfe. Und auch der weitere Verlauf des Tribunals war nur wenig angetan, Zuckermanns durch die Vorgänge im Nachbarland ausgelöste Befürchtungen zu zerstreuen. Zwar handelte es sich zunächst um einen tschechoslowakischen Prozess, der nicht ohne Weiteres auf die DDR zu übertragen war, auch wenn der Abdruck der Anklageschrift im Parteiorgan Neues Deutschland mit den Worten begründet worden war, er gehe »in seiner Bedeutung weit über die Grenzen der Tschechoslowakischen Republik hinaus«.315 Aber schon 1949 hatten die Parteisäuberungen innerhalb der SED ersichtlich auf den im ungarischen Rajk-Prozess gewonnenen »Beweisen« aufgebaut. Und in der Tat erhielt der Slánský-Prozess bereits am 245

23. November eine deutsche Note. Nun war nämlich im Prozessprotokoll der Name Paul Merkers zu lesen, über den der Angeklagte Bedřich Geminder am zweiten Verhandlungstag ausgesagt hatte, dieser habe ihn »mit Spionagematerial« versorgt.316 Dass Merker dabei zudem als »deutsche[r] Trotzkist« bezeichnet wurde, belegte alle, die wie Zuckermann einst eng mit ihm zusammengearbeitet hatten, mit einem gefährlichen Makel. Sodann sprach der Leitartikel im Neuen Deutschland vom 25. November 1952, der den Abschluss des Luxemburger Abkommens zwischen der Bundesrepublik und Israel kommentierte – der also just zwei Tage, nachdem Merker als Trotzkist »überführt« worden war, die Problematik der »Wiedergutmachung« in Erinnerung rief –, zumindest aus Zuckermanns Sicht dafür, dass auch in der DDR etwas in Vorbereitung war. Allein der Zeitpunkt des Abdrucks – gut elf Wochen nach Unterzeichnung des Abkommens (nachdem es zuvor nicht in der Presse erwähnt worden war), vor allem aber parallel zum Slánský-Prozess – lud zu Spekulationen ein; zugleich war die Formulierung, dass allein die »von der Deutschen Demokratischen Republik eingenommene  […] Haltung« in der Restitutionsfrage die »einzig zulässige« sei,317 angetan, Befürchtungen zu wecken, hier habe man im Parteiorgan einen Präzedenzfall geschaffen, auf den bei Bedarf zurückgekommen werden könnte. Zudem ließen die Art und Weise der Verhandlung in Prag für die DDR nichts Gutes erahnen, sollte hier wirklich Ähnliches geplant werden. Dies betraf nicht allein die offensichtliche Verachtung, die den Angeklagten während des Prozesses entgegenschlug, in dem sie bisweilen – so vom Generalstaatsanwalt – als »Ratten« und »schändliche Eiterbeule« bezeichnet wurden, die sich zu »Schädlingsarbeit« beziehungsweise »Wühltätigkeit« verschworen hätten.318 Auch scheute die deutsche Parteipresse nicht davor zurück, das Schreiben eines minderjährigen Angehörigen von einem der »Verschwörer« wiederzugeben, in dem dieser seinen Vater als »Kreatur« beschimpfte, »die man nicht länger einen Menschen nennen kann«, und die Todesstrafe gefordert hatte.319 Dies sei »die Sprache Streichers«, notierte Alfred Kantorowicz angesichts der Vorgänge entsetzt in sein Tagebuch.320 Besonders verstörend waren schließlich die Geständnisse, zu denen sich alle Angeklagten hinreißen ließen. Bereits am ersten Verhandlungstag wurde Slánský mit den Worten zitiert, er bekenne sich »in vollem Umfang […] schuldig«;321 seinem Vorbild folgten in den nächsten Tagen Bedřich Geminder, Vavro Hajdů, Artur London und Otto Katz. Zwar mochte dies zunächst als Ausdruck des eingeübten Mechanismus gewertet werden, im Sinne von Selbstkritik weiteren Schaden von der Partei abzuwenden, der als solcher hinlänglich aus der Geschichte der kommunistischen Bewegung bekannt war und für gewöhnlich mit der Rehabilitation belohnt wurde. Im vorliegenden Fall war die Selbstkritik je246

doch keineswegs identisch mit einem Eingeständnis von Fehlern, etwa durch mangelnde Wachsamkeit Feinden der Partei Zutritt zu dieser verschafft zu haben; im Prager Prozess bekannten sich die Angeklagten vielmehr schuldig, gezielt, das heißt planvoll, und dies angeblich schon seit Jahrzehnten, im aktiven Dienst »imperialistischer« Geheimdienste gestanden zu haben. Schlimmer noch, ein gestandener Parteikommunist wie Otto Katz erklärte sich des damit einhergehenden Vorwurfes des Hochverrats, auf den auch in der Tschechoslowakei damals die Todesstrafe stand, für schuldig und gab an, er habe »die strengste Strafe verdient«. In Anlehnung an eine Formulierung Stalins, dass »Schriftsteller Ingenieure der Seele« seien, bezeichnete er sich selbst als Schriftsteller, der »Seelen vergiftet habe« und deshalb »an den Galgen« gehöre.322 Für Zuckermann muss dieses Eingeständnis wie ein Fanal gewirkt haben. Zwar war Katz immer der Ruf vorausgeeilt, er sei ein exzentrischer, mitunter in dubiosen Kreisen verkehrender Genosse; dass dieser kommunistische Hardliner, Autor des Braunbuches und notorische Stalin-Verehrer jedoch – wie Merker – ein imperialistischer Agent gewesen sein sollte, der ab Ende der 1920er Jahre gezielt auf die Zersetzung der KPD hingearbeitet hätte, war mehr als unglaubwürdig, ja monströs. Im Umkehrschluss musste dies bedeuten, die Prager Geständnisse waren entweder durch Erpressung und unter Folter zustande gekommen, oder die Partei war völlig außer Rand und Band geraten, was bedeutete, dass niemand, auch der überzeugteste Genosse, mehr vor ihr sicher war. Nicht zuletzt in Berlin fragten sich deshalb SED -Angehörige bei der Lektüre der Prozessberichte angsterfüllt, ob ihnen, die erwiesenermaßen genauso unschuldig waren wie die Prager Beschuldigten, »die gleiche Gefahr drohte«.323 Diese potenzierte sich freilich nochmals, als das am 27. November verkündete Urteil gegen elf der 14 Angeklagten – Katz eingeschlossen – die Todesstrafe verhängte.324 Spätestens mit den ergangenen Todesurteilen breitete sich unter Rückkehrern aus der westlichen Emigration deshalb Panik aus. Zeitgenössische Berichte legen nahe, dass gestandene Parteimitglieder angsterstarrt der kommentierten Übertragung des Prozesses im DDR-Rundfunk folgten.325 In der Folge häuften sich Infarkte,326 während auf privaten Zusammenkünften die bange Frage kursierte: »Wer ist der deutsche Slansky?«327 In Anbetracht des Urteils muss spätestens jetzt auch Leo Zuckermann den Ernst der Lage erkannt haben, zumal die Vernehmung von Otto Katz, wie das Neue Deutschland am 25. November 1952 berichtete, explizit dessen Urheberschaft an der »der Propagierung des jüdischen Nationalismus dienende[n] Zeitschrift ›Tribuna Israelice‹ [sic]« thematisiert hatte.328 Wohl deshalb klagte Zuckermann infolge des Slánský-Prozesses über Herzbeschwerden; der Wiedergabe 247

eines vertraulichen Gesprächs über das Urteil mit den ehemaligen MexikoEmigranten Charlotte und Hans Baumgarten, denen Zuckermann nach ihrer Rückkehr eine Anstellung an der DVA vermittelt hatte, lässt sich überdies entnehmen, dass er nicht nur »bedrückt« angesichts der Frage war, wieso sich »so viele Juden« unter den Angeklagten des Prager Tribunals befanden, sondern dass er die beiden auch befragte, wie sie sich an seine Thematisierung der »Wiedergutmachungsfrage« in Mexiko erinnerten.329 Ob ihn Hans Baumgartens Antwort, die Partei werde »früher oder später immer zu einer richtigen Wertung der Genossen« kommen, tatsächlich »viel gegeben« habe, wie jener sich kurz darauf zu erinnern meinte,330 sei dahingestellt – zunächst reagierte Zuckermann jedenfalls nach bekanntem Muster. Einmal mehr formulierte er nämlich – unaufgefordert und darin ähnlich wie andere Parteimitglieder – ein Schreiben an die ZPKK, mit dem er auf zwei Dinge hinweisen wollte, die ihm bei der Lektüre des Slánský-Prozessmaterials in Erinnerung getreten seien.331 Gemeint war jenes Treffen mit israelischen Regierungsvertretern im Frühjahr 1948, das im Zusammenhang der bevorstehenden Staatsgründung der Diskussion möglicher »Wiedergutmachung« und der Anbahnung von Handelsbeziehungen gedient hatte, und hinsichtlich dessen er offenbar seinen Anteil, auch und gerade vor dem Hintergrund ähnlich lautender »Enthüllungen« im Slánský-Prozess, richtigstellen wollte.332 Wenig überraschend ist dem Schreiben zu entnehmen, dass er seine Rolle als gering darzustellen suchte. So sprach aus den Ausführungen eine vage Erinnerung an die »sehr allgemein« verlaufenen, »1947 oder 1948« abgehaltenen Treffen; zudem seien sie nicht auf seine, sondern auf Paul Merkers beziehungsweise Julius Meyers Initiative einberufen worden und hätten – gleich einer Absicherung – in Gegenwart der beiden Parteivorsitzenden Pieck und Grotewohl stattgefunden. Der Eindruck eines zwar durchdachten, letztlich aber in Panik geschriebenen Briefes stellt sich auch insofern ein, als Zuckermann zu einem letzten Mittel griff, um von seiner Person abzulenken: Er denunzierte seinen langjährigen Weggefährten Julius Meyer mit den Worten, dieser sei »sicherlich ein Agent israelischer Regierungskreise«.333 Da Leo Zuckermann bislang zu keiner Zeit, zumindest nicht in dieser expliziten Form, als Denunziant in Erscheinung getreten war, gibt das Schreiben einen weiteren Beleg für den Ernst der Lage, in der er sich befand. Wie schon einmal, während der ersten Parteisäuberungen 1949/50, hoffte er offenbar noch, die Anschuldigungen würden an ihm vorüberziehen. Dass er dem eingeübten Prozedere der Selbstkritik mittlerweile nicht länger traute, zeigte sich jedoch eine Woche später. Als Delegierter einer Theoriekonferenz der SED, die am 13./14. Dezember 1952 in Berlin stattfand und dem Studium von Stalins Schrift Die ökonomischen Probleme des Sozialismus in der UdSSR gewidmet 248

war,334 erfuhr Zuckermann in einer der Tagungspausen, dass Paul Merker verhaftet worden war.335 In der Annahme, jetzt sei der Startschuss für einen Prozess in Ostberlin gefallen und auch seine Festnahme stehe unmittelbar bevor, entschuldigte er unter dem Vorwand, er habe Herzbeschwerden, am Sonntag sein Fernbleiben von der Konferenz und begab sich nach Hause – dies war der Hintergrund, vor dem er schließlich seine Flucht plante, die er einen Tag später, am 15. Dezember 1952, in die Tat umsetzte. Angesichts der furchteinflößenden Umstände war Leo Zuckermanns Flucht mehr als nachvollziehbar. Zwar gab er später zu Protokoll, dass er  – wäre das Abebben der Säuberungen nach Stalins Tod im März 1953 zu ahnen gewesen – »zwei, drei Monate im Kitchen« womöglich sogar in Kauf genommen hätte.336 Dies war aber eine nachträgliche Einordnung, die um das letztliche Ausbleiben eines Prozesses nach Prager Vorbild in der DDR wusste. Vor dem Hintergrund der Situation im Dezember 1952 jedoch hatten ihm sowohl die Hinrichtung von Otto Katz als auch die Verhaftung von Paul Merker nahegelegt, sein früheres Engagement für jüdische Anliegen könne unschwer als Landes-, wenn nicht als Hochverrat angesehen werden. »Ich mußte mein Leben retten«, schrieb er noch am Tag der Flucht aus der Wohnung eines Freundes seines Vaters aus Elberfelder Tagen im Berliner Bezirk Charlottenburg, in der er mit seiner Familie zunächst Zuflucht gefunden hatte, an den noch in Mexiko weilenden Bruder Rudolf.337 Der Ernst der Lage, in der er sich zu befinden glaubte, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass er die Frau seines Bruders, die mit deren gemeinsamem Sohn im Sommer 1952 in die DDR übergesiedelt war und in Berlin die Rückkehr ihres Mannes erwartete, nach allem was bekannt ist, nicht in die Fluchtpläne einweihte, das heißt, diese in nicht unerheblichem Maße der Gefahr aussetzte, für sein Verhalten in Haftung genommen zu werden.338 Und dennoch war Zuckermanns Flucht ungewöhnlich. Denn in der Regel flohen Parteifunktionäre – zumal solche in derart hohen Positionen – nicht. Dass langgediente und hochrangige Funktionäre der Partei den Rücken kehrten, war vielmehr die absolute Ausnahme. Zwar hatten sich hin und wieder Regierungsbeamte in den Westen abgesetzt, wie der Staatssekretär im Ministerium für Verkehr, Wilhelm Bachem (Januar 1951), oder der Staatssekretär im Ministerium für Aufbau, Hans Wermund (Dezember 1952).339 Beide waren indes Mitglieder bürgerlicher Parteien gewesen und hatten als solche dem Machtstreben der SED ohnehin kritisch gegenübergestanden. Verdienten Berufsrevolutionären jedoch ersetzte die Partei für gewöhnlich die Familie, und diese akzeptierten stoisch deren Urteil, egal, was es besagte. Das galt selbst im Jahr 1952 nicht nur für hochrangige Westemigranten wie Gerhart Eisler, Kurt Hager oder Albert Norden, die ihre Zeit im amerikani249

schen beziehungsweise englischen Exil hochgradig verdächtig machte und die – wie Eisler und Norden – infolge des Slánský-Prozesses in der Tat eine (neuerliche)  Degradierung erfuhren.340 Trotz des im Raum stehenden Generalverdachtes entschieden sie sich aber gegen eine Flucht. Dies galt jedoch insbesondere für Paul Merker und Alexander Abusch, die sich aufgrund ihrer »Verfehlungen« im mexikanischen Exil ähnlich gravierenden, ja lebensbedrohlichen Vorwürfen wie Zuckermann ausgesetzt sahen und in dem Anfang Januar 1953 veröffentlichten Parteibeschluss über die Lehren aus dem Prozeß gegen das Verschwörerzentrum Slansky dann auch mit Namen genannt wurden.341 Die beiden mochten, anders als Zuckermann, zwar nachvollziehbare Gründe gehabt haben, von einer Flucht abzusehen – der gelernte Kellner und ewige Parteisoldat Merker hatte im Grunde keinen Ort, an dem er sich eine neue Existenz hätte aufbauen können, während Abusch vermutlich von der Sorge um das Wohlergehen seiner geistig behinderten und pflegebedürftigen Tochter beeinflusst war –; vor allem aber blieb ihre Loyalität gegenüber der Partei ungebrochen. Diese bedeutete ihnen alles, und so erhob Merker noch während des Slánský-Prozesses mit dem Argument Einspruch gegen die ihm unterstellten Vorwürfe, dass die Partei ihm langfristig Recht geben werde.342 Abusch hingegen trat im Klima der Parteisäuberungen die Flucht nach vorn an, indem er rasch eine erweiterte Auflage seines Lobliedes auf Stalin veröffentlichte und ansonsten besonders eng mit dem MfS kooperierte.343 Was also hatte Leo Zuckermann veranlasst, aus dieser Gruppe auszuscheren? War er gar vom Glauben abgefallen? Mit Blick auf Zuckermanns Biografie lassen sich eine ganze Reihe von Gründen feststellen, die ihn hinsichtlich der Entscheidung zur Flucht von seinen Parteifreunden, und zwar auch von denen mit jüdischer Herkunft, unterschieden. 1978, in dem bereits mehrfach angeführten Interview mit seinem Kollegen Eckart Boege, fällte Zuckermann ein vernichtendes Urteil über die kommunistische Bewegung unter Stalin und darüber, wie sich diese seines Erachtens vom wissenschaftlichen Marxismus entfremdet hatte. Wie schon erwähnt, entzündete sich seine Kritik zuvorderst daran, dass die Stalinisierung der KPdSU ab den 1930er Jahren mit einem Ende innerparteilicher Diskussion einhergegangen sei, weshalb sich »der Marxismus«, wie Zuckermann in Anlehnung an einen Ausspruch des polnischen Philosophen Leszek Kołakowski formulierte, ab einem bestimmten Zeitpunkt nur mehr in Abhängigkeit von der augenblicklichen Meinung »von oben« hatte definieren lassen.344 Daran stieß ihm nicht nur die Gleichsetzung von Meinungen mit Straftatbeständen auf, sondern auch, dass diese »Administration von Meinungen« nur noch wenig mit dem wissenschaftlichen Anspruch des Marxismus gemein hatte, wegen dem – so kann man ihn hier lesen – dieser 250

ursprünglich eine derartige Anziehungskraft auf ihn ausgeübt hatte. Während es Sinn und Zweck einer marxistischen Partei gewesen sei, Probleme gemeinsam zu diskutieren und danach entsprechend zu handeln, habe das Ende der innerparteilichen Diskussion bewirkt, dass der Marxismus nicht länger Grundlage für politische Beschlüsse gewesen sei, sondern zur Phrase verkam, um politischen Entscheidungen nachträglich einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben. Indem der Hauptgrundsatz von Marx  – Zweifel und kritische Überprüfung – aufgegeben worden sei, habe man de facto die Wissenschaft und damit den Boden des Marxismus verlassen. Schlimmer noch, habe Stalin stattdessen eine »faschistische Imitation« der Partei vorangetrieben, in der nicht länger Diskussion, sondern Gehorsam das Maß der Dinge dargestellt habe.345 Zwar äußerte Zuckermann diese Kritik erst Ende der 1970er Jahre, also mehr als zwei Jahrzehnte nach seinem Ausstoß aus der kommunistischen Bewegung, nach den Enthüllungen des XX . Parteitages der KPdSU 1956 wie auch nach seiner Flucht. Trotzdem kann angenommen werden, dass ihm derartige Bedenken schon Anfang der 1950er Jahre nicht völlig fremd gewesen waren. Einer dieser Zweifel mochte sich etwa auf die Indienstnahme des Rechtes für den Aufbau des Sozialismus bezogen haben, die mit dessen weitgehendem Bedeutungswandel, ja -verlust einherging, an dem Zuckermann qua seiner Funktion als führender Staatsrechtler der SED jedoch entscheidenden Anteil hatte. Denn die Entwicklung einer »sozialistischen Gesetzlichkeit«, wie sie 1954 auf dem IV.  Parteitag von Justizministerin Hilde Benjamin abschließend proklamiert worden war,346 hatte Zuckermann direkt unterstützt. Die postulierte »Einheit von strikter Einhaltung der Gesetze und Parteilichkeit ihrer Anwendung« diente freilich nur mehr dem Machterhalt der SED. Kritik an ihrer Machtfülle, an der Ausschaltung des Parlamentarismus, am Fehlen freier Wahlen, am Ende des Föderalismus oder der Nichtexistenz einer Verwaltungsgerichtbarkeit  – mithin an Eckpunkten der DDR-Verfassung von 1949  – war durch die Anwendung hochgradig allgemein formulierter Rechtsvorschriften wie dem berüchtigten Art. 6, Abs. 2 über »Boykotthetze« praktisch verunmöglicht worden.347 Dieser war derart weit gefasst, dass schon die unbedacht geäußerte Kritik am Machtanspruch der SED als »Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen und Organisationen« gewertet und strafrechtlich geahndet werden konnte. Damit ging ein eklatanter Wandel im Rechtsverständnis einher, der Zuckermann offenbar noch im Jahr 1978 umtrieb. Indem nicht länger »die Tat, sondern die Gesinnung« (Michael Stolleis) sanktioniert wurde, orientierte sich Politik nicht mehr am Recht (wie etwa in Form per Verfassung verbriefter Grundrechte), sondern diente das Recht allein der Politik. 251

Als einer der führenden Staatsrechtler der frühen DDR war Zuckermann mit diesen Fragen unmittelbar vertraut, auch wenn er nicht, wie seine Fachkollegen Karl Polak,348 Johannes Gerats349 oder Hermann Klenner,350 mit rechtstheoretischen Abhandlungen, sondern bevorzugt mit völkerrechtlichen Betrachtungen zur Deutschlandpolitik an die Öffentlichkeit trat. Sie begegneten ihm während seiner Tätigkeit an der DVA, wo ihm die Organisation des Fernstudiums oder die Herausgabe der Schriftenreihe des Deutschen Instituts für Rechtswissenschaft oblag;351 und sie waren elementarer Bestandteil der Ausbildung der Absolventen der DVA zunächst in Forst Zinna, dann in Babelsberg, die als angehende Verwaltungsbeamte noch stärker als Studierende der juristischen Fakultäten der DDR auf den neuen Kurs eingeschworen wurden.352 Dabei kann angenommen werden, dass die Entwicklung eines sozialistischen Rechtsbegriffs lange Zeit auf Zuckermanns Einvernehmen stieß. Als Kommunist, der dem Fernziel einer sozialistischen Gesellschaftsordnung anhing, dürfte er die Notwendigkeit einer marxistischen Rechts­auffassung, die die Voraussetzungen der »Diktatur des Proletariats« wie auch den Führungsanspruch der Partei, die Vergesellschaftung der Produktionsmittel durch Überführung in Volkseigentum und anderes mehr legitimierte, grundsätzlich geteilt haben. Und die Diskussionen über den Gegenstand, die er als Mitglied des Juristischen Arbeitskreises an der Deutschen Akademie der Wissenschaften beispielsweise mit Jürgen Kuczynski (über die »Periodisierung der deutschen Geschichte«) hatte, mochten zunächst noch an die althergebrachte Praxis erinnert haben, mit Mitteln marxistischer Analysekategorien auf den Zustand der Welt zu reflektieren.353 Die Bereitschaft zum Bruch mag sich deshalb womöglich erst eingestellt haben, als sich die Partei – wie zunächst in Prag, dann aber, wie zu befürchten war, auch in Ostberlin – gegen ihre eigenen Mitglieder richtete. Dass bekennende Kommunisten, die sich erwiesenermaßen nichts zu Schulden hatten kommen lassen, als eine eigene Meinung zu vertreten, mit Hochverrat, also der Todesstrafe, belegt wurden, stellte nicht nur eine Einschränkung elementarer Freiheitsrechte dar; es desmaskierte die »sozialistische Gesetzlichkeit« als Mittel zum Zweck. Hier waren wirklich, wie Zuckermann 1978 zu Protokoll gab, Meinungen »mit staatlichen Delikten […] gleichgesetzt« und ohne hinreichende strafrechtliche Grundlage belangt worden.354 Die leichtfertige Anwendung des daraus ableitbaren Vorwurfes des Hochverrats und die Todesdrohungen gegen die Prager Angeklagten dürften ihm auch deshalb besonders unangenehm aufgestoßen sein, als er selbst bereits einmal des Hochverrats beschuldigt worden war – seitens der Nationalsozialisten im Jahr 1941.355 Wenngleich Zuckermann sich also lange und wohl mit der nötigen Überzeugung an der Entwicklung einer »sozialistischen Gesetzlichkeit« beteiligt hatte, mochte ihn der zutage getretene Bedeutungs252

verlust des Rechts in dem Moment, als er sich gegen ihn selbst zu richten drohte, in der Entscheidungsfindung für eine mögliche Flucht bestärkt haben. Ob darin jedoch noch mehr zum Ausdruck kam, nämlich so etwas wie ein Überhang seiner juristischen Ausbildung der späten 1920er Jahre, und damit Residuen einer »bürgerlichen Rechtsauffassung«, kann indes nur gemutmaßt werden. Schon einmal, in seiner Dissertation aus dem Jahr 1932, hatte er die Verteidigung »unserer republikanisch-parlamentarischen Verfassung« wenn nicht über, so doch »neben« die Partei, konkret neben deren permanente Angriffe auf die Legitimität der Weimarer Republik, gestellt.356 Neben diesem bürgerlichen Erbe, das aus seiner juristischen Ausbildung resultierte, zeichneten Zuckermann jedoch weitere Eigenschaften aus, die ihn eher als andere Parteigenossen die Flucht in Betracht ziehen und dann auch ergreifen ließen. Dazu zählten zunächst eine gewisse Weltläufigkeit und ein Grad an Vernetzung, die er sich erst im französischen, dann im mexikanischen Exil angeeignet hatte. Unterstützt von der Tatsache, dass er fließend Französisch und Spanisch sprach, hatte er dort jeweils bewiesen, selbst unter widrigsten Bedingungen ein Auskommen für sich und seine Familie sichern zu können; die erfolgreich geführte Rechtsanwaltspraxis in Mexiko-Stadt mochte ihm zudem eine gewisse Sicherheit vermittelt haben, an einen solchen Broterwerb anknüpfen zu können. Als jemand, dem es leichtgefallen war, sich in Paris beziehungsweise in Mexiko-Stadt in das gesellschaftliche Leben zu integrieren (während andere deutschsprachige Emigranten aufgrund der Sprach- und anderer Barrieren ein eher zurückgezogenes Dasein führten und unter sich geblieben waren), mag sich zudem ein gewisser Unwille eingestellt haben, in »dieser«, sich zusehends kleinbürgerlich-nationalistisch gebärdenden DDR eine Zukunft für sich und seine Familie zu sehen, auch wenn ihm der Staat allerlei Privilegien und seinen Kindern eine Reihe an Sicherheiten geboten hatte. Noch dazu könnte ihn seine Frau in seinem Vorhaben bestärkt haben, die sich als Französin (und Jüdin) immer fremd in dem Land gefühlt hatte, selbst wenn ihr Mann höchste Funktionen im Staatsapparat bekleidete.357 Ihre unterschwellig vorhandene Ablehnung gegenüber Deutschland als dem Land der Täter, wenngleich sich die DDR als antifaschistisch gerierte, dürfte angesichts des im Slánský-Prozesses zutage getretenen, kaum verdeckten Antisemitismus, den die SED zwar nicht in dieser Form reproduzierte, letztlich jedoch unwidersprochen ließ, noch verstärkt haben, sodass vermutet werden kann, dass sie die Erwägungen ihres Mannes hinsichtlich einer Flucht teilte und womöglich maßgeblich beförderte.358 Und schließlich war da noch ein nicht weniger entscheidender Umstand: die mexikanische Staatsbürgerschaft, die Zuckermann, nachdem er 1946 naturalisiert worden war, nie aufgegeben hatte beziehungsweise von der er so253

gar, weil sie das Reisen innerhalb Deutschlands zu dieser Zeit noch erheblich vereinfachte, regen Gebrauch machte.359 Daran ist nicht nur außergewöhnlich, dass Zuckermann offenbar niemals, auch nicht nach seiner Berufung zum Kanzleichef Piecks, dazu angehalten worden war, die Staatsbürgerschaft abzulegen (oder er sie erfolgreich zu verbergen gewusst hatte), während beispielsweise Anna Seghers, die ebenfalls mexikanische Staatsbürgerin war und nach ihrer Rückkehr mehrfach private Reisen nach Paris unternahm, ab 1950 verstärkt gedrängt wurde, diese Staatsangehörigkeit aufzugeben.360 Dass er es unterlassen hatte, seinen mexikanischen Pass abzugeben, offenbart demnach ein bemerkenswertes Sicherheitsbedürfnis, dass er es konnte, wiederum eine ausgeprägte Eigenständigkeit gegenüber der Partei, die ihn ein weiteres Mal von seinen Genossen unterschied. In jedem Fall stellte die Aufrechterhaltung der mexikanischen Staatsbürgerschaft eine entscheidende Sicherheit dar, im Fall einer Verschärfung der Lage handlungsfähig zu bleiben. Während anderen Parteimitgliedern aufgrund der vom Prager Prozess ausgehenden Gefahr nur wenig anderes übrig blieb, als voller Angst der Dinge zu harren, die da kommen mochten, und die Bestürzung über die Vorgänge – wie etwa Albert Norden – ins Innere zu verlagern,361 verfügte Zuckermann aufgrund seiner Mehrsprachigkeit, Weltgewandtheit, seinem beruflichem Sachverstand und harter Fakten – dem lediglich zu erneuernden mexikanischen Pass – über entscheidende Optionen, den Zumutungen der Säuberungswelle zu entgehen. Während Zuckermann also aus dem Kreis (auch jüdischer) Parteimitglieder hervorstach, die nach dem Slánský-Prozess Anlass hatten, die DDR zu verlassen, dies jedoch explizit nicht taten, drängt sich die Gemeinsamkeit mit einer anderen Gruppe auf, die diesen Schritt zur Jahreswende 1952/53 tatsächlich ging: der Reihe jüdischer Gemeindefunktionäre und -mitglieder, die im Januar 1953 der DDR fluchtartig den Rücken kehrten. Unter Rückgriff auf ein Codewort, das bereits im August des Jahres 1952 – angesichts jener an Fritz Grunsfeld ergangenen »Warnung«, es stünden »staatliche Maßnahmen« bevor – offenbar für den Fall einer drohenden Verhaftungswelle vereinbart worden war, hatte sich ab dem 11. Januar 1953 nahezu die gesamte Führungsebene der jüdischen Gemeinden in der DDR in den Westen abgesetzt.362 Vorausgegangen waren die Veröffentlichung der Lehren aus dem Prozeß gegen das Verschwörerzentrum Slansky im Neuen Deutschland am 4. Januar,363 vor allem aber zwei Verhöre Julius Meyers durch die ZPKK am 6. und 8. Januar, aufgrund derer sich der Vorstand der Berliner Gemeinde beraten und entschlossen hatte, das Codewort zum Einsatz zu bringen.364 Zu schwer wogen die Unterstellungen an Meyer, die faktisch seine gesamte Tätigkeit für den Verband der Jüdischen Gemeinden als vorsätzliche Zuarbeit für amerikanischzionistische Spionagenetzwerke inkriminiert hatten.365 Aber nicht nur dessen 254

Verhaftung und die weiterer jüdischer Gemeindefunktionäre, die fürchten mussten, zu Angeklagten eines Berliner Prozesses nach Prager Vorbild zu werden, stand nun im Raum; die Verhöre ließen auch erkennen, dass die Verfolgung umstandslos auf alle Gemeindemitglieder ausgeweitet zu werden drohte. In diese Richtung musste zumindest die Aufforderung der ZPKK an Meyer gedeutet werden, nun endlich eine Liste mit Empfängern von Paketen des Joint in der DDR – sprich de facto ein Verzeichnis aller Gemeindemitglieder – anzufertigen und an die Behörden zu übergeben.366 Die neuerliche Forderung nach Listen ebenso wie die drohende Umsetzung dieses Gesuches weckten schlimmste Erinnerungen an die Erfassung von Juden während des Nationalsozialismus, die ihrer Identifizierung und Entrechtung und schließlich der Deportation gedient hatten. Zuckermanns Flucht, die am 7. Januar in den Westzonen publik wurde (Meyer und Galinski jedoch schon vorher bekannt war),367 dürfte den zur gleichen Zeit gefassten Entschluss, den Alarmfall auszurufen, jedoch nicht wesentlich beeinflusst haben, wenngleich sie die Notwendigkeit eines solchen Schritts zu bestätigen schien. Gravierender war die zeitliche Koinzidenz mit einer Meldung der Prawda vom 13. Januar über die angebliche Verschwörung jüdischer Ärzte in der Sowjetunion, führenden Funktionären, darunter Stalin, nach dem Leben zu trachten,368 aufgrund derer geflüchtete Vertreter des Verbandes, unter ihnen Julius Meyer, in einer Pressekonferenz im Westteil Berlins am Tag darauf die Juden in der DDR nun offen zur Flucht in den Westen aufriefen.369 Unter dem Eindruck einer von den Sowjets sanktionierten, dem Anschein nach auch auf die DDR übergreifenden antisemitisch konnotierten Verfolgungswelle verließen daraufhin bis April 1953 mehr als ein Viertel der dortigen Gemeindemitglieder, insgesamt etwa 700 Personen, das Land.370 Die Vertreter der jüdischen Gemeinden, und später auch die »einfachen« Gemeindemitglieder, flohen also als Juden, da sie eine Verfolgung allein aufgrund ihrer Herkunft fürchteten beziehungsweise, wie Meyer nach seiner Flucht gegenüber einer früheren Hausangestellten angab, »nicht mehr die Kraft [hatten], um eine erneute Verfolgung als Juden auszuhalten«.371 Zuckermann vorbehaltlos dieser Gruppe zuzurechnen, geht sicherlich fehl; dazu unterschied ihn seine primäre kommunistische Sozialisation zu sehr von ihr. Und doch kann angenommen werden, dass es auch sein unter der Oberfläche erhalten gebliebenes jüdisches Selbstverständnis war, das zusätzlich zu den bereits genannten Faktoren seine Entscheidung zur Flucht beeinflusste. Offenbar hatte er dieses, wie am Blick auf die Ereignisse der Jahre 1949 bis 1952 deutlich geworden ist, nie in Gänze abgelegt, wenngleich er gezwungen worden war, es erst zu verbergen und dann zu verleugnen. Dabei hatte die sukzessive Einschränkung der Artikulation eines solchen lange dazu geführt, das 255

kommunistische Bekenntnis umso überzeugter zu vertreten, wahrscheinlich in der Einsicht, die Anforderungen der Zeit würden nichts anderes gestatten, womöglich aber auch in der Hoffnung, ein Einsatz für jüdische Anliegen unter anderen Umständen sei dereinst wieder möglich. In diesem Sinne sollte noch die Denunziation Meyers am 7. Dezember 1952 das eingeübte Verhältnis aufrechterhalten. In dem Moment jedoch, als sich seine Gefährdung angesichts der Verhaftung Merkers zu einer tödlichen Bedrohung auswuchs und selbst die bereitwillig an den Tag gelegte Verleugnung der jüdischen Herkunft keine Gewähr mehr dafür bot, verschont zu werden, kehrte sich dieses Verhältnis um. Zuckermann mochte bereit gewesen sein, das jüdische Selbstverständnis zu opfern; dafür aber zu sterben, obwohl er es bereits geopfert hatte, war er nicht. Wohlwissend, dass dies das Ende seiner Laufbahn in der kommunistischen Bewegung bedeuten würde, zog er stattdessen den politischen Tod (die lebenslange Reputation eines »Verräters« und damit den Ausschluss aus der kommunistischen Partei) dem physischen (einer möglichen Verurteilung wegen Hochverrats, das heißt dem Tod durch das Fallbeil) vor. Für ein Fortwirken seines jüdischen Selbstverständnisses, das er im Moment der Flucht wieder anrief, spricht schließlich auch, dass Zuckermann im Anschluss ganz selbstverständlich wieder auf jüdische Netzwerke zurückgriff. Dazu zählte zunächst der Kontakt zu jenem Jugendfreund seines Vaters, eines nach Berlin zurückgekehrten Elberfelder Juden, bei dem er und seine Familie vorerst unterkamen;372 dazu gehörte des Weiteren die Kontaktaufnahme zu (wie die Tageszeitung Die Welt zu berichten wusste) »alten Freunden der jüdischen Gemeinde in Westberlin«, namentlich zu Heinz Galinski, von denen er Hilfe erhielt und die bei der Vermittlung von Kontakten hinsichtlich der weiteren Schritte behilflich waren.373 Deren uneingeschränkte Hilfe war insofern beachtlich, als Galinski jüdischen SED -Funktionären skeptisch gegenüberstand, da sich diese – wie beispielsweise Julius Meyer – seiner Meinung nach politisch zu sehr exponiert und dadurch die gebotene Neutralität der (zu dieser Zeit noch nicht geteilten) Berliner Gemeinde gefährdet hatten.374 Auch Zuckermann galt diese Kritik, auf den Galinski wohl anspielte, als er 1953 erklärte, »ganz andere Persönlichkeiten [seien] in West-Berlin aufgetaucht […] und sehr schnell in das gewünschte Auswanderungsland verschwunden […].«375 Dass Zuckermann dennoch weitreichende Hilfe erfuhr, obwohl er noch ein halbes Jahr zuvor seinen Austritt erklärt hatte, verdankt sich wohl nicht zuletzt seinen Bemühungen um das Restitutionsgesetz in den Jahren 1947/48, weshalb er nicht nur über intime Kontakte zur Gemeinde verfügte, sondern auch ein unvermindert hohes Ansehen genoss. Schließlich war da noch die Fühlungnahme mit einem alten Bekannten, dem Mitarbeiter des israelischen Konsulates in München. Dessen Leiter, 256

Eliahu Livneh (ursprünglich Karl Liebstein), gab Zuckermann im Februar 1953 als Kontaktperson an, als ihn die Amerikaner zwischenzeitlich zu einer Vernehmung nach München ausgeflogen hatten und wissen wollten, wie er zu erreichen sei.376 Mit Livneh freilich, der bis 1949 die Jewish Agency in Berlin vertreten hatte, war Zuckermann  – wohl aufgrund jener Beratungen über mögliche Reparationen, die im Frühjahr 1948 zwischen der SED -Führung und der Jewish Agency stattgefunden hatten  – persönlich bekannt,377 und offensichtlich scheute er sich nicht, nach der Flucht an diese Bekanntschaft anzuknüpfen. Zwar mag es am Ende nur wenig überraschen, dass Zuckermann in Zeiten größter Not und in Ermangelung von Alternativen die Hilfe ergriff, die sich ihm bot. Dennoch ist es wohl mehr als eine Zufälligkeit, dass er mit seinem Herantreten an die Berliner Jüdische Gemeinde (wie auch das israelische Konsulat) ein weiteres Mal ausgerechnet in den Schoß jener Institution zurückkehrte, der er 1921, unter den Vorzeichen seiner Hinwendung zur sozialistischen Bewegung, den Rücken gekehrt hatte. Wenn man so will, hatte die jüdische Herkunft, der er mit seinem Eintritt in die KPD endgültig hatte entfliehen wollen, ihre Geltungskraft behauptet, während die kommunistische Wahlheimat – in Form des »Aufbaus des Sozialismus« – für ihn als Juden zwischenzeitlich eine lebensbedrohliche Dimension angenommen hatte.

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Epilog

Zweierlei Zugehörigkeit, oder: Zur Anziehungs- und Bindekraft des Kommunismus

Im September 1981 kam es in Mexiko-Stadt zu einer erstaunlichen Begegnung. Auf einem Empfang der Botschaft der DDR anlässlich des viertägigen Staatsbesuches von Erich Honecker in Mexiko wurde dem Vorsitzenden des Staatsrates und Generalsekretär des Zentralkomitees der SED ein etwa gleichaltriger Mann vorgestellt, der als Gast der Veranstaltung beiwohnte. Honecker  – so heißt es  – reichte diesem die Hand, sprach ihn beim Vornamen an und versicherte ihm, dass er sich freue, ihn nach so vielen Jahren wiederzusehen.1 Bei dem Mann, der von Honecker gleichermaßen vertraut wie sichtlich erfreut begrüßt wurde, handelte es sich um Leo Zuckermann, der nach seiner Flucht aus der DDR im Dezember 1952 zum zweiten Mal ins mexikanische Exil gegangen war und sich mit seiner Familie in Mexiko-Stadt niedergelassen hatte. Erstaunlich war die kurze Begegnung aus zwei Gründen: Aus Honeckers Perspektive kam die überaus freundliche Begrüßung Zuckermanns einer Rehabilitation des früheren Staatssekretärs gleich, auf dem nach seiner Flucht das Stigma des Verräters gelastet hatte und über dessen Biografie sich in der DDR deshalb für Jahrzehnte ein Mantel des Schweigens gebreitet hatte. Aber auch Leo Zuckermann war offenbar bereit gewesen, über seinen 1952 seitens der SED betriebenen Ausschluss aus der kommunistischen Bewegung hinwegzusehen, die ihn zum zweiten Mal aus Deutschland vertrieben hatte. Das Aufeinandertreffen von Zuckermann und Honecker 1981 in MexikoStadt liest sich zudem als späte Reminiszenz an die diesem Buch zugrunde liegende Problematik, welchen Stellenwert der Holocaust in der kommunistischen Bewegung einnahm. Schließlich wirft die Rehabilitation Zuckermanns durch Honecker die Frage auf, ob sie einem verspäteten Freispruch dafür gleichkam, dass ersterer sich einst gezwungen gesehen hatte zu fliehen, weil er sich aufgrund des Mordes an den europäischen Juden in einer kurzen Zeitspanne während und nach dem Zweiten Weltkrieg für jüdische Interessen eingesetzt hatte. Ging damit, dass Honecker offenbar keine Berührungsängste zeigte, auf den vormals als Verräter geltenden Zuckermann zuzugehen, eine 259

veränderte Haltung zum jüdischen Schicksal während des Nationalsozialis­ mus, und wie diesem seitens der kommunistischen Bewegung begegnet worden war, einher? In der Tat hatte die SED -Führung mittlerweile eine versöhnlichere Haltung sowohl gegenüber den vormals als Agenten denunzierten Westemigranten als auch gegenüber der »jüdischen Frage« eingenommen. So war die Wahrnehmung des einst hochgradig inkriminierten Exils im Westen mit drei Jahrzehnten Abstand einem differenzierteren Bild gewichen, wovon verschiedene Publikationen zeugen, die ab Mitte der 1970er Jahre entstanden und in denen nicht zuletzt auch Zuckermann Erwähnung fand.2 Zudem würdigte ­Honecker in verschiedenen öffentlichen Einlassungen während seines Staatsbesuches explizit Mexiko als Zufluchtsort der ehemals verfemten Westemigranten. »Mit Worten der Dankbarkeit«, heißt es in einem Bericht der Neuen Berliner Illustrierten über die Reise, habe Erich Honecker beispielsweise daran erinnert, »daß Mexiko in der Zeit des Faschismus und des Zweiten Weltkrieges neben der Sowjetunion das einzige Land gewesen ist, in dem die deutschen Antifaschisten als einzig legitime Vertreter ihres Volkes, als Verbündete im Krieg gegen das faschistische Deutschland betrachtet worden sind«. Mehr noch, aus »dem mexikanischen Exil zurückkehrend, haben Persönlichkeiten wie Anna Seghers, Ludwig Renn, Bodo Uhse und Alexander Abusch großen Anteil an der Formung eines neuen Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik, genommen, des ersten Arbeiter- und Bauern-Staates auf deutschem Boden, der sich nun seit Jahrzehnten als ein Bollwerk des Friedens und des Fortschritts bewährt«.3 Aber auch in der »jüdischen Frage« war ein frischer Ton zu vernehmen gewesen, seitdem im November 1979 mit dem SED -Funktionär Klaus Gysi ein neuer Staatssekretär für Kirchenfragen bestellt worden war, der nicht nur jüdischer Herkunft war, sondern offenbar auch bereit, eine Reihe ungelöster Probleme anzugehen, die das religiöse Leben der Berliner Gemeinde sowie Eigentumsfragen betrafen.4 Womöglich zeichnete sich also in Mexiko-Stadt schon ab, dass Honecker sich in den 1980er Jahren vermehrt darum bemühen würde, ein besseres Verhältnis zu den jüdischen Gemeinden der DDR zu demonstrieren. 1988, anlässlich des mit einem aufwendigen staatlichen Zeremoniell begangenen 50. Jahrestages der Novemberpogrome, fühlte er sich gar veranlasst, die jüdische Tradition innerhalb der Parteigeschichte erstmals öffentlich hervorzuheben, als er erwähnte, »daß nicht wenige Mitglieder der KPD aus jüdischen Familien kamen. Jüdische Arbeiter, Werktätige, Künstler und Wissenschaftler, darunter viele international bekannte Persönlichkeiten, kämpften an unserer Seite in den Reihen der KPD.«5 Mehr unbewusst als bewusst mochten Honeckers Worte dabei jüdischen KPD -Mitgliedern weiter260

hin eine gewisse Fremdheit attestieren. Dennoch scheint die Ernsthaftigkeit seiner Erklärung insofern verbürgt zu sein, als die Parteiführung den Gedenktag gleichzeitig dazu nutzte, um fünf Jahrzehnte nach der Zerstörung den Grundstein für den Wiederaufbau der Neuen Synagoge wie auch eines kulturellen Zentrums in Berlin, dem späteren Centrum Judaicum, zu legen.6 Auf den instrumentellen Charakter derartiger Äußerungen und Gesten ist nach 1989 hinlänglich verwiesen worden – demnach war es primär der Wunsch nach besseren Handelsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten, der die SED -Führung in den 1980er Jahren auf die jüdischen Gemeinden zugehen ließ.7 Dies zeigt sich auch daran, dass die DDR als Vorbedingung für Gespräche mit den Vereinigten Staaten zwar Entgegenkommen hinsichtlich einer möglichen Einmalzahlung an Holocaustüberlebende signalisierte, ansonsten jedoch nicht bereit war, die 1949 beerdigte Frage der »Wiedergutmachung« auf dem Gebiet der DDR neu aufzurollen  – hier blieb sie eisern bei ihrer Position, die Grundlagen des Faschismus beseitigt zu haben und daher keine Verantwortung für die Vergangenheit zu tragen. Ebenso blieb die feindliche Haltung gegenüber Israel von den öffentlichen Proklamationen unbeeinträchtigt, wie die 1982, angesichts des Libanonkrieges abermals aufwallende, äußerst aggressive Berichterstattung in der Parteipresse8 und die unverändert anhaltende militärische Unterstützung der Gegner Israels nahelegen.9 Was deshalb 1981 bei der Begegnung in der Botschaft der DDR wohl vor allem zum Ausdruck kam, war weniger eine plötzlich eingetretene Sensibi­ lisierung für das jüdische Schicksal als eine Verbundenheit aufgrund einer gemeinsamen Vergangenheit. Denn dass Honecker Zuckermann mit Vornamen ansprach, lag nicht nur an dem unter Angehörigen der Arbeiterbewegung üblichem Du der Anrede. Beide kannten sich aus der gemeinsamen Zeit im SED -Parteiapparat, wo sie Ende der 1940er, Anfang der 1950er Jahre in etwa gleichrangige Funktionen ausgeübt und jeweils in der Gunst Ulbrichts gestanden hatten: der 1912 geborene Honecker als Vorsitzender der Freien Deutschen Jugend und dessen politischer Ziehsohn, der vier Jahre ältere Zuckermann als juristischer Sachverständiger und Redenschreiber. Als solche blickten beide auf die gemeinsame Tätigkeit für die Partei zurück, in der sie zwar nie eng zusammengearbeitet hatten, aus der sie sich jedoch etwa von der Teilnahme an Sitzungen des Zentralsekretariats beziehungsweise -komitees kannten. Womöglich waren sie sich sogar bereits im Pariser Exil begegnet, wo Honecker 1935 nach der verlorenen Saarabstimmung für einige Monate gelebt hatte, während Zuckermann zu dieser Zeit innerhalb der KPD -Auslandsleitung tätig gewesen war. Jahrzehnte später mochte Honecker, der Ulbricht 1971 in der Tat beerbt hatte, zudem die spätstalinistischen Säuberungen der 1950er Jahre als dunkles Kapitel einer längst vergangenen Epoche angesehen 261

haben, das ihn persönlich nicht wirklich betraf, weil es nicht in seiner politischen Verantwortung gelegen hatte.10 Hinzu trat, dass Honecker mit zunehmendem Alter ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Anrufung seiner politischen Jugendjahre entwickelte, die selbst sogenannte Renegaten mit Wohlwollen bedachte. Ab Anfang der 1970er Jahre suchte er etwa Kontakt zu Herbert Wehner, der 1934, damals noch KPD -Mitglied, Honeckers Kontaktperson im »Saarkampf« gewesen war, und ihm nun einen direkten Draht zur Bundesregierung ermöglichte, wobei die gemeinsame Vergangenheit auf beiden Seiten als eine Art Türöffner fungierte.11 Zuckermann passte mit den erwiesenen Anteilen seiner Biografie als loyales Parteimitglied ebenfalls in dieses Muster. Auch weil Honecker dessen Rehabilitation, die ja im Übrigen keine öffentliche war und deshalb keine Konsequenzen nach sich zog, also nichts »kostete«, konnte er sich erlauben, 1981 in Mexiko-Stadt nostalgisch die Vergangenheit anzurufen. Jenes Band einer geteilten Vergangenheit in der Partei dürfte auch bei Zuckermann dafür gesorgt haben, über die verstörenden Elemente dieser Geschichte hinwegzusehen. Schließlich stellt sich auch in Bezug auf seine Person die Frage, was ihn bewogen hatte, Kontakt zur Botschaft des Landes zu suchen, das ihn einst vertrieben hatte, das heißt, weshalb er der Einladung zum Empfang überhaupt nachkam. Diese Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten. Zunächst blickte der 73-jährige Leo Zuckermann 1981, trotz der neuerlichen Vertreibung aus Deutschland, in Mexiko auf eine Etappe seines Lebens zurück, die sich noch einmal als erfolgreich, ja erfüllt erwiesen hatte. Denn im Vergleich etwa zu Julius Meyer, der sich Mitte der 1950er Jahre in Brasilien niedergelassen hatte, wo er von den Einkünften eines gemeinsam mit seiner Frau betriebenen kleinen Lebensmittelgeschäftes mehr schlecht als recht lebte,12 war Zuckermanns abermalige Integration in Lateinamerika geglückt. Nach seiner Ankunft in Mexiko-Stadt im Frühjahr 1953 hatte er sich recht zielstrebig eine neue Existenz aufgebaut, und zwar als Inhaber einer Buchhandlung, die sich auf den Import nicht spanischer Literatur – Bücher und Fachzeitschriften ebenso wie Unterhaltungsliteratur  – spezialisierte.13 Damit entschied er sich wohlgemerkt gegen die Fortführung einer juristischen Tätigkeit, die ihm vonseiten ehemaliger Geschäftspartner angetragen worden war, die er jedoch, womöglich aufgrund nachzuholender, nur mit erheblichem Aufwand zu erlangender Zertifikate, die ihn in Mexiko die Zulassung als Anwalt ermöglicht hätten, verwarf.14 Jedenfalls erwies sich diese Entscheidung als weitsichtig. Die Buchhandlung, die ihm mit dem Angebot fremdsprachiger Literatur ein Alleinstellungsmerkmal in Mexiko-Stadt verschaffte, florierte; nachdem er ab 1958 als Lizenznehmer des etablierten französischen Wörterbuchverlages Larousse darangegangen war, Schulungsmaterial für das 262

Erlernen von Fremdsprachen zu entwickeln und zu vertreiben, erarbeitete er sich bald eine gesicherte Existenz und auch einen gewissen Wohlstand.15 Und auch darüber hinaus sprachen die Umstände – die fortbestehende Ehe mit Lydia Zuckermann, die Familiengründungen der beiden Kinder samt der Geburt mehrerer Enkel sowie die Pflege von Freundschaften zu Bekannten aus Studientagen – für ein erfülltes Leben, weshalb er 1981 zumindest keinen Anlass gehabt haben dürfte, Honecker verbittert eine gescheiterte Existenz in Rechnung zu stellen. Zudem war Zuckermann, wenngleich nach außen nur mehr wenig an sein früheres Leben als altgedienter Parteikader und führendes Mitglied der SED -Nomenklatur erinnern mochte, Kommunist geblieben. Als solcher gab er sich jedenfalls ganz selbstverständlich einer Reihe meist jüngerer Gesprächspartner zu erkennen, die ab Ende der 1970er Jahre, angetrieben von einem neu erwachten Interesse am deutschsprachigen Exil in Mexiko, seine Bekanntschaft machten.16 Und auch in den Interviews mit seinem Kollegen Eckart Boege, den Zuckermann im Rahmen einer in späten Lebensjahren an der Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM) aufgenommenen Lehrtätigkeit in Soziologie kennenlernte, erwies er sich als gleichermaßen interessierter wie informierter Beobachter der Zeit unter kommunistischen Vorzeichen. Dafür spricht zum einen die in seinen Ausführungen zum Ausdruck kommende profunde Kenntnis marxistischer Theorie und kommunistischer Parteigeschichte; und dazu zählt zum anderen, dass er noch 1978 hinsichtlich der Bundesrepublik von einer »zunehmenden Zuspitzung der Klassenkämpfe« ausging, die den Gewerkschaften zukünftig neue Bedeutung zuweisen würde, oder dass der eigentliche Gegenstand der Lehrveranstaltungen an der UNAM darin bestand, die Aktualität der zu dieser Zeit weitverbreiteten Theorien von Antonio Gramsci hinsichtlich ihres Erneuerungspotenzials für die kommunistische Bewegung zu eruieren.17 Fast hat es den Anschein, als habe das einzige Manko dieses erhalten gebliebenen Glaubens an den Kommunismus darin bestanden, dass Zuckermann aufgrund seiner als Verrat gewerteten Flucht 1952 auf der ganzen Welt nicht länger Mitglied einer moskautreuen kommunistischen Partei sein konnte. Mit der in fortgesetztem Alter demonstrierten kommunistischen Welt­ anschauung einher ging letztlich auch eine überraschende Ferne zum Judentum – überraschend insofern, als nicht überliefert ist, dass Zuckermann in Mexiko, nun, da es ihm ohne Sanktionen möglich gewesen wäre, die Nähe zur Jüdischen Gemeinde gesucht oder gar den Wiedereintritt vollzogen hätte. Das Gegenteil war der Fall. So verkehrte zwar seine Frau bisweilen in der Gemeinde und legte gemeinsam mit seinem ältesten Sohn in späteren Jahren eine zionistische Überzeugung an den Tag; Leo Zuckermann hingegen blieb jüdi263

schen Organisationen und Einrichtungen fern und bewegte sich sozial eher in linksgerichteten Emigrantenkreisen im Umfeld der Universität.18 Mehr noch, der Bar-Mizwa seines ältesten Enkels Ende der 1970er Jahre wohnte er nur aus der Distanz bei, insofern er die Festgesellschaft zwar auf der Straße erwartete, es jedoch ablehnte, die Synagoge zu betreten.19 Diese Ferne hatte sich bereits früh angekündigt. Denn fast im selben Moment, als Zuckermann im Zuge seiner Flucht 1952 auf jüdische Netzwerke zurückgriff, zeigte sich in dieser Hinsicht wieder eine gewisse Distanzierung. So hatte er im Februar 1953 die Hilfe des israelischen Konsulates in München in Anspruch genommen und kurzzeitig wohl auch die Möglichkeiten sondiert, nach Israel überzusiedeln.20 Ein Angebot, an einer israelischen Hochschule eine Position anzunehmen, das ihm angeblich Ministerpräsident David Ben-Gurion persönlich unterbreitete, und zu dessen Begutachtung Zuckermann sogar nach Israel reiste, beschied er jedoch abschlägig.21 Bei der Entscheidung mag eine Rolle gespielt haben, dass er (und seine Familie) des Hebräischen nicht mächtig war und seine Frau die angespannte Sicherheitslage im Nahen Osten mit Sorge betrachtete; überdies heißt es (aber dies dürfte bereits eine nachträgliche Rationalisierung gewesen sein), er habe die Stellung der arabischen Bevölkerung als Staatsbürger zweiter Klasse missbilligt.22 Einer Distanz zum jüdischen Staat entspricht zudem eine überlieferte Äußerung über Zuckermanns Selbstverständnis. Zur selben Zeit, am 27. Dezember 1952, hatte er seinem Bruder in Mexiko in einem kurzen Brief als Grund für seine Flucht mitgeteilt: »Die Politik hat sich geändert und ich stehe jetzt als jüdischer Nationalist da.«23 Als solcher, als »jüdischer Nationalist«, wollte er trotz seines zwischenzeitlich starken Einsatzes für das jüdische Kollektiv dann offenbar doch nicht gelten. Überhaupt spielte diese Periode seines früheren Lebens in seinem neuen keine (öffentliche)  Rolle mehr. So ist nicht überliefert, dass Zuckermann spätere Gesprächspartner je an seine Bemühungen um ein Restitutionsgesetz oder an die im mexikanischen Exil demonstrierte Nähe zu jüdischen Organisationen erinnert hätte, wie er sein vormaliges Engagement augenscheinlich auch nicht als ursächlich für seine Flucht betrachtete. Man müsse »die Sache« – also die Parteisäuberungen der 1950er Jahre – »weniger persönlich sehen«, gab er 1978 an, sondern als »politische Massenmaßnahmen« im gesamten Ostblock, die zuvorderst darauf angelegt gewesen seien, »Konformität zu erreichen«.24 Dass er dann jedoch, als »normaler« Westemigrant, kaum geflohen wäre, überging Zuckermann geflissentlich. Eckart Boege mochte ihn in einer Mischung aus Unkenntnis und einem zur damaligen Zeit anders gelagerten Erkenntnisinteresse nachvollziehbarerweise nicht nach den jüdischen Anteilen seiner Biografie befragt haben; aber auch Zuckermann selbst kam in den mehr als 15 Stunden Interview, die aufgezeichnet wurden, nicht von 264

sich aus darauf zu sprechen. Vielmehr waren die wenigen Passagen, in denen das Gespräch jüdische Fragen überhaupt streifte, von einer augenfälligen Distanz gekennzeichnet: von »ungeheurem Krach mit den Juden« war da die Rede, den Zuckermann mit jüdischen Hilfsorganisationen im Frankreich der Jahre 1940/41 hinsichtlich der Unterstützung für politische Flüchtlinge gehabt habe, oder von »den Zionisten«, die der DDR vor den Vereinten Nationen aus Berechnung antisemitische Züge unterstellen würden.25 Soweit zu erkennen ist, verflüchtigte sich in Leo Zuckermanns zweitem mexikanischen Exil also nicht nur dessen während des Zweiten Weltkrieges wiedergewonnenes jüdisches Selbstverständnis weitgehend, sondern er schloss sich erneut der vorherrschenden, von Schweigen, Indifferenz, ja Ablehnung gekennzeichneten Haltung der kommunistischen Bewegung in der Betrachtung jüdischer Angelegenheiten an. Rückblickend erweist sich sein Engagement zugunsten jüdischer Anliegen zwischen 1942/43 und 1948/49 demnach nur mehr als Intermezzo, wenn auch als eines, das von einer Ungleichzeitigkeit geprägt war. So mochte er die Berücksichtigung der jüdischen Erfahrung für einige Zeit länger und vehementer als die Partei verfochten haben, war dann aber wieder vorbehaltlos auf ihren Standpunkt zurückgekehrt, den er zudem – wie es scheint – für den Rest seines Lebens vertrat. Dass die Frage indes derart geräuschlos absank, kann über sein konkretes Beispiel hinaus als Erklärung dafür verstanden werden, welchen Faktoren sich ihre zeitweilige Offenheit verdankte beziehungsweise was ihren Rückgang bedingte, mithin also, weshalb dem Holocaust in der kommunistischen Bewegung für die längste Zeit nur der Platz einer Leerstelle zukam. Denn erstaunlich ist es schon: Obgleich Zuckermann für einige Zeit eine Ausnahme innerhalb der Arbeiterbewegung darstellte, steht sein späteres Schweigen zugleich sinnbildlich für den Nicht-Ort, den diese der Erinnerung an den Holocaust zuwies. Als wichtigster Faktor sowohl für dessen Wahrnehmung wie auch seine Marginalisierung erwies sich über den gesamten Zeitraum die politische Großwetterlage. Allein aufgrund günstiger Bedingungen wie den Kriegsanstrengungen und der damit einhergehenden Hintanstellung ideologischer Gegensätze zu den Westmächten war die kommunistische Bewegung – und das meint hier in erster Linie die Sowjetunion – zeitweilig überhaupt bereit gewesen, über traditionelle Vorstellungen von den Juden als zu vernachlässigende Gruppe hinwegzusehen und ihnen einen Status als Kollektiv zuzuerkennen; eine Wahrnehmung ihrer spezifischen Erfahrung während des Weltkrieges war mit dieser Verschiebung nicht zwingend verbunden. Mit den zunehmenden alliierten Interessengegensätzen schloss sich dieses Zeitfenster wieder; die Aufmerksamkeit für das jüdische Schicksal wurde nun von Positionierungen überlagert, die im Zeichen des Kalten Krieges für erforderlich 265

erachtet wurden: von einem entlang des Blockkonfliktes an der Zukunft ausgerichteten Blick, der zudem von der atomaren Abschreckung konfiguriert war und so seinerseits die Wahrnehmung der Vergangenheit überblendete.26 Aus dieser Perspektive entsprach das Absinken von Zuckermanns jüdischem Selbstverständnis dem Bedeutungswandel, den der Stellenwert des Holocaust während weiter Strecken des Kalten Krieges einnahm.27 Insofern die Wiederaneignung seiner jüdischen Herkunft in erster Linie der Erfahrung der präzedenzlosen Vernichtung geschuldet gewesen war, verwundert es zumindest nicht, wenn es parallel zu deren dem Kalten Krieg geschuldeten Zurücktreten in der öffentlichen Perzeption in den Hintergrund rückte. In diesem Sinne war er schlichtweg ein Abbild seiner Zeit, in der sich während der 1950er und 1960er Jahre nur eine überschaubare Zahl an Historikern, Juristen und Schriftstellern – zumeist solche, die selbst jüdischer Herkunft waren – mit dem jüdischen Schicksal während des Nationalsozialismus befasste.28 Sekundiert wurde diese wesentlich den Zeitläuften geschuldete Konstellation von der kommunistischen Weltanschauung, die sich mit Anheben des Kalten Krieges rigoros wie selten zuvor präsentierte. Dies zeigte sich etwa in der Zwei-Lager-Theorie; die dem Traditionsmarxismus ohnehin innewohnende Tendenz zum Freund-Feind-Denken (auch wenn deren Antagonisten eine dialektische Einheit bildeten) zeitigte unter den Bedingungen der ersten Hochphase des Kalten Krieges besonders holzschnittartige Ausformungen.29 Zuckermann selbst ist der beste Beleg für diese ideologische Zuspitzung, präsentierte er sich doch in den Verlautbarungen jener Zeit, in denen er etwa gegen die Vertreter des amerikanischen Finanzkapitals wetterte, als Parteimitglied, das diesen Weg – ob widerwillig oder nicht – beflissen mitging.30 Aber auch in Bezug auf jüdische Fragen bedeutete dies seitens der Partei den Rückfall in Erklärungsmuster der Zwischenkriegszeit, die bestenfalls von Indifferenz, häufig jedoch von Ablehnung und Unterstellungen gekennzeich­net waren. War der Platz jüdischer Überlebender kurz nach Kriegsende weitgehend gleichberechtigt an der Seite anderer Opfer des Nationalsozialismus gewesen, bedeutete ihre zunehmende Gleichsetzung mit »bürgerlichen Elementen« die Stigmatisierung als Parteigänger des Imperialismus. Dadurch wurden wiederum Interpretationen reaktiviert, die Juden per se eine bestimmte Klassenzugehörigkeit unterstellten. Dies hatte zunächst weniger mit originärem, zielgerichtetem Antisemitismus zu tun, den zu vertreten der kommunistischen Bewegung ein Anliegen gewesen wäre, nahm Überschneidungen zu diesem sowie seine Beförderung jedoch billigend in Kauf. Ein neuer Aspekt in der Gemengelage einer spezifisch linken Judenfeindschaft mochte zudem insofern hinzugetreten sein, als der fortgesetzten Ablehnung von »Wiedergutmachung« und den permanenten Vergleichen Israels mit Hitler-Deutschland 266

nunmehr ein obsessives Moment innewohnte. Demnach verschaffte sich fortan auch im Osten Deutschlands eine Form des »sekundären Antisemitismus« Geltung,31 und zwar in dem Sinne, dass die SED jüdische Forderungen nach Restitution und Entschädigung beziehungsweise den jüdischen Staat als etwas wie die Repräsentation einer nicht abgegoltenen historischen Schuld der Linken ausmachte. In jedem Fall trug dieses Ressen­timent dazu bei, dass sowohl die Vertretung jüdischer Anliegen als auch die Erinnerung an den Holocaust zum höchst argwöhnisch beäugten Politikum wurden. Zusätzlich kamen Erfahrung und Gedächtnis in dieser Konstellation zum Tragen. Nicht nur für die zwischenzeitliche Wahrnehmung der Vernichtung war das »biographische Gepäck« (Martin Sabrow) von Belang gewesen,32 insofern etwa Zuckermann aufgrund seiner familiären Herkunft aus dem östlichen Europa und einer damit verbundenen stärkeren Vertrautheit mit Residuen jüdischer Kollektivität diese offensichtlich leichter gefallen war als seinen deutschen (auch jüdischen) Genossen. Auch hinsichtlich ihres Zurücktretens war es wirksam. Denn dass sich niemand an der Ausblendung des jüdischen Schicksals störte, geschweige dagegen opponierte, sondern dieses gemeinhin widerspruchslos akzeptiert wurde, lag nicht allein in interessengeleiteten Erwägungen oder weltanschaulichen Überzeugungen begründet, sondern wurde auch und gerade durch lebensweltliche Erfahrungen als Angehörige der kommunistischen Bewegung strukturiert. Für nichtjüdische Parteiangehörige mochten diese Fragen milieubedingt nie eine große Rolle gespielt haben, wenngleich das Beispiel Paul Merkers belegt, dass ihr Weltbild nicht immer hermetisch abgeschlossen sein musste. Diejenigen jedoch, die, wie Zuckermann (und Merker), aus dem jüdischen Schicksal politische Schlüsse gezogen hatten, die es ihrer Ansicht nach beim »Aufbau des Sozialismus« zu beachten galt, wurden mit Beginn des Kalten Krieges mit einem altbekannten Muster konfrontiert: Die Parteilinie – hier zunächst die sowjetische in Bezug auf den Nahen Osten, danach auch die »deutsche« – änderte sich und erlaubte nicht länger die Thematisierung dieser Fragen. Dabei war in gewisser Weise irrelevant, dass es sich um jüdische Fragen handelte. Wie das Beispiel Anton Ackermanns oder das jugoslawische Schisma gezeigt haben, war Widerspruch generell nicht vorgesehen und hätte in der Konsequenz den Bruch mit der Partei bedeutet. Ihr blind zu folgen hatte man jedoch über Jahrzehnte internalisiert, sodass sich Zuckermann selbst während der »Zwischenzeit« stets innerhalb dessen bewegt hatte, was er von der sowjetischen Parteilinie als gedeckt ansah. In Bezug auf die Behandlung des jüdischen Schicksals in der DDR , ja schon der späten SBZ , war dies verheerend: Angesichts der Stalinisierung der SED gab es praktisch niemanden mehr, der es gewagt hätte, dessen Berücksichtigung einzufordern. 267

Gleichwohl kommt in dem auferlegten Schweigen noch mehr zum Ausdruck als allein die Befolgung von Parteidisziplin, wie langjährigen Parteimitgliedern ihre Erfahrung nahelegte. Schließlich ist die Beobachtung, dass Zuckermann selbst noch nach seiner Flucht sowohl Kommunist blieb als auch die damit für gewöhnlich einhergehende Indifferenz gegenüber jüdischen Fragen an den Tag legte, davon unberührt. Vielmehr erinnert seine in Mexiko eingenommene Haltung verblüffend stark an die in der DDR verbliebenen Parteigenossen jüdischer Herkunft, die eine vergleichbare Einstellung erkennen ließen, wenngleich mit einem wichtigen Unterschied: Während sie objektiv keine andere Wahl hatten, da sie auch physisch innerhalb des Systems verblieben waren, agierte Zuckermann nicht länger unter äußerem Zwang und trotzdem verhielt er sich genau genommen identisch, als habe ihn eine unsichtbare Hand gelenkt. Vermutlich hätte er auf die Frage, ob es ihm etwas bedeute, »Jude zu sein«, nicht so bestimmt reagiert wie Jürgen Kuczynski, der 1989 in einem Interview daraufhin unmissverständlich zu verstehen gab: »Überhaupt nichts«.33 Der Haltung, seiner jüdischen Herkunft keine Bedeutung beizumessen, hatte sich Zuckermann aber sehr wohl wieder angeschlossen. Im Wesentlichen zwei Faktoren waren dafür ausschlaggebend. Zunächst hatte offenbar in dem Moment, als der Einsatz für jüdische Interessen nicht mehr länger durch die Parteilinie gedeckt war, für Zuckermann kaum noch die Notwendigkeit bestanden, weiterhin die Nähe zum Judentum zu suchen beziehungsweise, sich mit diesem verbundene Anliegen zu eigen zu machen. In diesem Sinne war sein damals verspätet vollzogener Gemeindeaustritt im August 1952 endgültig gewesen. Dies ist angesichts der Vorgeschichte nur auf den ersten Blick verwunderlich. Auf den zweiten zeigt sich, dass Zuckermanns zwischenzeitliche Beschäftigung mit jüdischen Fragen ja primär aus seiner vom jüdischen Religionsgesetz bedingten unveränderlichen Zugehörigkeit zum Judentum erwachsen war, die die Nazis gleich einer Schicksalsgemeinschaft gegen ihn in Stellung gebracht hatten. Ausdruck einer bewussten Entscheidung, dem Judentum als Glaubensgemeinschaft (wieder) angehören zu wollen, war sie nicht gewesen. Insofern mochte Zuckermann den Geltungsbereich des jüdischen Religionsgesetzes, der Halacha, als unabänderlich akzeptieren, darüber hinaus jedoch nur noch wenig mit ihr verbinden. Nicht umsonst hatte er schon in den Befragungen des Jahres 1950 nachgerade abfällig über die Nähe zu jüdischen Fragen im mexikanischen Exil zu Protokoll gegeben, schließlich sei man »ja nicht zum Gottesdienst« gegangen.34 Als die Bedrohung von außen also nicht länger gegeben war und die Partei die Beschäftigung mit dem Judentum unter Kuratel gestellt hatte, trat die unter dem Schock des Holocaust vollzogene Wiederannäherung wieder in den Hintergrund – die ethnisch-vertikale Achse büßte ihre irritierende Wirkung ein. 268

Darunter kam, begünstigt durch den Kalten Krieg, seine primäre politische Sozialisation wieder vollumfänglich zum Vorschein, die ja zuvor, in Form seines kommunistischen Selbstverständnisses, nicht einfach verschwunden war, im Gegenteil: Die weltanschaulich-horizontale Achse strebte erneut uneingeschränkt der Zukunft zu. Denn auch wenn Zuckermann sich nach der neuerlichen Übersiedlung nach Mexiko zunächst veranlasst sah, psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, da er »nicht mehr wusste, wer er war«,35 behielt die einst vollzogene Hinwendung zum Kommunismus noch im zweiten mexikanischen Exil ihre Gültigkeit. Weshalb Zuckermann nicht vom Marxismus ließ, ist indes nur schwer exakt zu bestimmen. Womöglich spielte – unbewusst – eine gewisse Angst vor der DDR eine Rolle, vor dem langen Arm der Staatssicherheit oder vor möglichen Konsequenzen für die Familie seines Bruders. So nahmen ihn zumindest verschiedene Gesprächspartner Ende der 1970er Jahre wahr, die bei Zuckermann eine ausgeprägte Zurückhaltung feststellten, sich kritisch über die DDR zu äußern.36 Auch der nur psychoanalytisch zu ergründende Aspekt, welche Hürden mit dem Austritt aus dem »geschlossenen System« des Kommunismus (Arthur Koestler) einhergingen, mag eine Rolle gespielt haben.37 Wäre er erfolgt, so steht zu vermuten, hätte dieser Schritt Zuckermann womöglich ein gescheitertes, seiner Sinnhaftigkeit beraubtes Leben schmerzlich vor Augen geführt – und unterblieb deshalb.38 Vor allem aber dürften die im jugendlichen Alter erfahrenen Reize von Weltkrieg, Inflation und Wirtschaftskrise und welchen Gegenpol das Versprechen der »klassenlosen Gesellschaft« in diesem Zusammenhang dargestellt hatte, schlicht zu prägend gewesen sein. Einmal eingeübt, überstand die verinnerlichte Utopie einer besseren, gerechteren Welt alle Beschädigungen, Unzulänglichkeiten und Zumutungen, die mit der Parteimitgliedschaft einhergingen. Dabei mochten Gründe eine Rolle gespielt haben, die mit einer jüdischen Erfahrung im Zusammenhang standen; ein auf jüdische Parteimitglieder beschränktes Phänomen freilich war das lebenslange Festhalten am Kommunismus, wenngleich es hierfür einige Beispiele gibt, nicht.39 Insbesondere darauf – auf die anhaltenden Anziehungs- und Bindekräfte der kommunistischen Bewegung – liefert die Begegnung Leo Zuckermanns mit Erich Honecker in der Botschaft der DDR 1981 in Mexiko-Stadt demzufolge einen Hinweis. So wie für diesen belegt ist, dass er seine politischen Ideale der 1920er und 1930er Jahre (nicht zuletzt aufgrund der langen Haft während der NS -Zeit) gleichsam konservierte, indem er noch in den 1980er Jahren Forderungen aus der Zwischenkriegszeit wie Frieden, Obdach, Nahrung und Arbeit für alle als oberste politische Ziele verstand,40 behielt auch Zuckermanns kommunistische Zugehörigkeit, die er nach dem Ersten Welt269

krieg angenommen hatte, die Oberhand – und dies ungeachtet der schwerwiegenden Verletzungen, die die Partei ihm zugefügt hatte. Dieser maßgeblich von Erfahrung und Gedächtnis strukturierte Überhang sozialer Semantik trug letztlich gleichermaßen dazu bei, dass dem Holocaust innerhalb der Arbeiterbewegung keine größere Bedeutung zuteilwurde, wie sich auch und gerade an der politischen Biografie Leo Zuckermanns verdeutlichen lässt. Wenn schon bei ihm den Erkenntnissen aus der »Zwischenzeit« nur eine begrenzte Halbwertszeit beschieden war, verwundert es jedenfalls nur wenig, dass die kommunistische Bewegung als solche daran scheiterte, die jüdische Erfahrung in ihre Vorstellung von Zukunft zu integrieren. Den jüdischen Kommunisten Leo Zuckermann hinterließ dieses Unvermögen auf verlorenem Posten. Nicht nur war ihm verwehrt worden, die jüdische Erfahrung des Weltkrieges zum Gegenstand eines sozialistischen Gesellschaftsentwurfs zu machen; sein als Folge dieses zwischenzeitlichen Engagements von Moskau erzwungener politischer Tod ließ ihn auch mit seinen Idealen allein. Das als »universalistisch« deklarierte Weltbild des Kommunismus, das Leo Zuckermann einst bereitwillig angenommen hatte, um seiner jüdischen Herkunft zu entsagen, hatte sich seinerseits als hochgradig selektiv erwiesen.

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Anmerkungen

Einleitung Berlin 1952, oder: »Wer ist der deutsche Slansky?« 1 Vgl. etwa Piecks früherer Kanzleichef geflüchtet, in: Der Tagesspiegel, 7. Januar 1953, 1; Wilhelm Piecks ehemaliger Kanzleichef geflüchtet, in: Die Welt, 7. Januar 1953, 1; Piecks Kanzleichef geflohen, in: Telegraf, 7. Januar 1953,  1; Der Absprung Zuckermanns, in: Neue Zürcher Zeitung, 7. Januar 1953, b2; Former High Aide in Soviet Zone Escapes to Avoid a Purge Trial for »Zionist Spying«, in: The New York Times, 7. Januar 1953, 7; Judge Flees Berlin’s Jewish Terror, in: Daily Herald, 7. Januar 1953, 1; Flood of Refugees from Eastern Germany, in: The Manchester Guardian, 7. Januar 1953, 5; Soviet Germany Issues Order Seizing Jewish Property, in: Jewish Telegraphic Agency, 8. Januar 1953. 2 Der Absprung Zuckermanns, in: Neue Zürcher Zeitung, 7. Januar 1953, b2. 3 Piecks früherer Kanzleichef geflüchtet, in: Der Tagesspiegel, 7. Januar 1953, 1. 4 Der Absprung Zuckermanns, in: Neue Zürcher Zeitung, 7. Januar 1953, b2. 5 Weber, Geschichte der DDR, 234. 6 Leonhard, Die Revolution entlässt ihre Kinder, 599. 7 Piecks früherer Kanzleichef geflüchtet, in: Der Tagesspiegel, 7. Januar 1953, 1; Der Absprung Zuckermanns, in: Neue Zürcher Zeitung, 7. Januar 1953, b2. 8 Der Absprung Zuckermanns, in: Neue Zürcher Zeitung, 7. Januar 1953, b2; Wie erst jetzt bekannt wird, in: Die Welt, 9. Januar 1953; Moskau, die Juden, der Westen, in: Die Zeit, 15. Januar 1953; Ulbricht: Die Götter dürsten, in: Der Spiegel, 21. Januar 1953. 9 Lehren aus dem Prozeß gegen das Verschwörerzentrum Slansky [sic], in: Neues Deutschland, 4. Januar 1953, 5 f. 10 Vgl. dazu Gerber, Ein Prozess in Prag. 11 Piecks Kanzleichef geflohen, in: Telegraf, 7. Januar 1953, 1. 12 Brandt, Ein Traum, der nicht entführbar ist, 182 (Schreibung von Slánský wie im Original). 13 Paul Merker, Das Echo. Diskussion ueber »Hitlers Antisemitismus und wir«, in: Freies Deutschland (nachfolgend FD) 2 (1942/1943), H. 4, 33. 14 Knigge, Antifaschistischer Widerstand und Holocaust, 66–77; Münkler, Das kollektive Gedächtnis der DDR. 15 Spannuth, Rückerstattung Ost. 16 Timm, Hammer, Zirkel, Davidstern; Herf, Unerklärte Kriege gegen Israel. 17 Vgl. etwa Wander, Der siebente Brunnen. 18 Jakob der Lügner (DEFA 1974, 120 Min.), Drehbuch: Jurek Becker / Frank Beyer, Regie: Frank Beyer. 19 Man denke etwa an Fühmann, Zweiundzwanzig Tage oder Die Hälfte des Lebens, 478. 20 Vgl. dazu auch Walther, Der Gerichtsreporter als Zeuge; Thiele, »Ich erzähl dir nicht die Nachkriegsgeschichte, ich erzähl dir, was mir passiert ist.« 21 Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (nachfolgend SAPMO-BArch), DY 30/IV2/2027/31, Bl. 18–30, Gesetz über die Betreuung der Verfolgten des Naziregimes und die Vorbereitung für Wiedergutmachung (Vorlage an die Mitglieder des Zentralsekretariats), 19. Januar 1948. Der Beschluss lautet gemäß

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Protokoll: »Dem aus Anlage Nr. 7 ersichtlichen Gesetzentwurf gibt das Zentralsekretariat seine Zustimmung.« Ebd., Bl. 51. Rubin, The Future of the Jews; Kurz, Jewish Internationalism and Human Rights after the Holocaust, 19–38. Horkheimer / Adorno, Dialektik der Aufklärung. Diner, Im Zeichen des Banns, 27 f. Zugleich entsprach Zuckermann damit auch einer anderswo zu beobachtenden Entwicklung, man denke etwa an Raphael Lemkins 1944 entwickelten Genozid-Begriff (ders., Axis Rule in Occupied Europe), oder an frühe Überlegungen internationaler jüdischer Organisationen hinsichtlich der Nachkriegsordnung aus dem Jahr 1943 (Institute of Jewish Affairs, Hitler’s Ten-Year War on the Jews). Grüner, Patrioten und Kosmopoliten. Herf, Zweierlei Erinnerung, 77. Krammer, The Forgotten Friendship. Zum Begriff der »Zwischenzeit« vgl. Diner, Zwischenzeit 1945 bis 1949. Diner / Fraenkel (Hgg.), Dark Times; Slezkine, Das jüdische Jahrhundert; Gerd Koenen, Art. »Komintern«, in: EJGK, Bd. 3, 390–394. Vgl. etwa Zadoff, Der rote Hiob. Das gleiche Phänomen für eine frühere Generation beschreibt eindrücklich Kosuch, Missratene Söhne. Leo Zuckermann, Eine Antwort an die »Neue Zeitung«. Wir werden niemals gegen die Befreier von Maidanek und ­Auschwitz kämpfen, in: Die Tat, 13. Juni 1949, 3 (Schreibung von Majdanek wie im Original). Abgedruckt in: Zentralverordnungsblatt, Teil I. Amtliches Organ der Deutschen Wirtschaftskommission und ihrer Hauptverwaltungen sowie der Deutschen Verwaltungen für Inneres, Justiz und Volksbildung, Nr. 89, 14. Oktober 1949, 765 f. Dem Vernehmen nach trug sich der Historiker Wolfgang Kießling (1929–1999) mit dem Gedanken, ein Buch über Leo und Rudolf Zuckermann zu schreiben, konnte dieses Vorhaben jedoch nicht mehr abschließen. Die daraus hervorgegangenen Materialien erschienen zunächst 1997 als Artikelserie in der Tageszeitung Junge Welt sowie – leider ohne Fußnotenapparat – als Band 57 der vom Verein Helle Panke herausgegebenen Reihe »Hefte zur DDR-Geschichte« (Kießling, Absturz in den kalten Krieg). Geller, Jews in Post-Holocaust Germany, 170 (Übersetzung des Verfassers). Leonhard, Die Revolution entlässt ihre Kinder; Brandt, Ein Traum, der nicht entführbar ist; Kantorowicz, Deutsches Tagebuch. Zuerst nannte Wolfgang Kießling Zuckermann in seinen Arbeiten zum lateinamerikanischen bzw. mexikanischen Exil. Ders., Alemania Libre in Mexiko, passim; ders., Exil in Lateinamerika, passim. 1984 folgte Alexander Abusch im zweiten Band seiner Memoiren. Ders., Der Deckname, 563. In einem umfangreichen, freilich erst 1989 im Auftrag des Instituts für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED herausgegebenen (Bild-)Band zur Geschichte der deutsch-mexikanischen Beziehungen wurde Zuckermann dann bereits ganz selbstverständlich erwähnt. Kießling, Brücken nach Mexiko, passim. Bes. Herf, Zweierlei Erinnerung, 146–152, und Hartewig, Zurückgekehrt, 358–364, sowie Kießling, Absturz in den kalten Krieg, und Weigelt, »Die Politik hat sich geändert und ich stehe jetzt als jüdischer Nationalist da«. Kießling, Alemania Libre in Mexiko; ders., Exil in Lateinamerika. Pohle, Das mexikanische Exil; Mühlen, Fluchtziel Lateinamerika. Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur  – Simon Dubnow (Leipzig), Leo Zuckermann, Interview mit Eckart Boege (1978) (nachfolgend Zuckermann, Interview mit Boege [1978]). – Die von Leo Zuckermann verwahrten Tonbandkassetten wurden

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nach dessen Tod von seinem jüngsten Sohn der mexikanischen Germanistin Renata von Hanffstengel (†) übergeben, die sie 2016 wiederum dem Autor überließ. Ich danke Eckart Boege (Veracruz) für die freundliche Zustimmung, die Bänder nutzen zu dürfen. Keßler, Die SED und die Juden – zwischen Repression und Toleranz; Timm, Hammer, Zirkel, Davidstern; Hartewig, Zurückgekehrt; Haury, Antisemitismus von links. Maderthaner / Schafranek / Unfried (Hgg.), »Ich habe den Tod verdient«; Kießling, Partner im »Narrenparadies«. Etwa Hanffstengel / Tercero Vasconcelos / Wehner Franco (Hgg.), Mexiko, das wohltemperierte Exil; Herf, Zweierlei Erinnerung; Patka, Zu nahe der Sonne. Patka, Von Juden und »Azteken«. Mit Ausnahme von Herf, Zweierlei Erinnerung, 80, der die Frage streift. Vgl. auch Graf, Angesichts des Holocaust; ders., Habsburger Residuen. Meining, Kommunistische Judenpolitik. Von der Tendenz her auch Schmidt, Wenn die Partei das Volk entdeckt; Haury, Antisemitismus von links. Keßler, Die SED und die Juden – zwischen Repression und Toleranz; Groehler / Keßler, Die SED-Politik, der Antifaschismus und die Juden in der SBZ und der frühen DDR. Am prominentesten sicher Wolffsohn, Die Deutschland-Akte, 13. Joseph, Die DDR und die Juden. Zuletzt auch wieder Dahn, Der Schnee von gestern ist die Sintflut von heute, 145–182; Herzberg, Jüdisch & Links. Diner, »Gestaute Zeit«. Vgl. stellvertretend, als eine der ersten Arbeiten zu dieser Frage: Sagi, German Reparations, sowie als bislang letzter, die Forschung zusammenfassender Überblick: Goschler, Schuld und Schulden. So zuletzt Brenner, Geschichte der Juden in Deutschland; Diner, Rituelle Distanz. Hockerts, Wiedergutmachung in Deutschland; Frei / Brunner / Goschler (Hgg.), Die Praxis der Wiedergutmachung. Herf, Zweierlei Erinnerung, 105–118; Hartewig, Zurückgekehrt, 278–282. In den einschlägigen Arbeiten, die sich – sei es als Spezialstudien, sei es als Teil von Überblicken – mit Fragen von Restitution und »Wiedergutmachung« in der SBZ / DDR befassen, fehlt der Hinweis in der Regel ganz. Jockusch, Collect and Record!; Auerbach, The House at Ujazdowskie 16; Friedla, Juden in Breslau / Wrocław 1933–1949. Ganzenmüller (Hg.), Jüdisches Leben in Deutschland und Europa nach der Shoah. Bohus u. a. (Hgg.), Unser Mut. Vgl. etwa Knigge, Antifaschistischer Widerstand und Holocaust; Niethammer (Hg.), Der »gesäuberte« Antifaschismus; Weber, Geschichte der DDR; Münkler, Das kollektive Gedächtnis der DDR, 468; Emmerich, Kleine Literaturgeschichte der DDR, bes. Kap. 1 und 3. Jarausch, Die Zukunft der ostdeutschen Vergangenheit. Ein Gegenbeispiel neueren Datums, das »biographische[s] Gepäck« und »innere Bindungskräfte der sozialistischen Sinnwelt« – mithin also die Vorgeschichte der DDR – für deren Deutung ernst nimmt, ist die 2016 erschienene Biografie des jungen Erich Honecker: Sabrow, Erich Honecker, 499 und 15. Vgl. zudem Graf / van Laak (Hgg.), Jenseits des »verordneten Antifaschismus«. Bes. Haury, Antisemitismus von links, aber auch Keßler, Die SED und die Juden – zwischen Repression und Toleranz, sowie älter Silberner, Kommunisten zur Judenfrage. Haury, Antisemitismus von links, 13. Die Studie von Kistenmacher, Arbeit und »jüdisches Kapital«, verlängert die Annahme einer letztlich »antisemitischen« Partei sogar bis in die Zwischenkriegszeit. Diner, Gegenläufige Gedächtnisse. Judt, Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart.

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67 Gerber, Verborgene Präsenzen, 15–20. 68 Vgl. etwa die Arbeiten aus der französischen Kultur- und Geschichtswissenschaft (Halbwachs, Das kollektive Gedächtnis; Nora, Zwischen Geschichte und Gedächtnis) und ihre Weiterentwicklungen im deutschsprachigen Raum (Assmann, Das kulturelle Gedächtnis; Assmann, Erinnerungsräume; Welzer / Moller / Tschugnall, »Opa war kein Nazi«). An der weiterhin ausgreifenden Forschung zum Gedächtnis (so etwa Rothberg, Multidirektionale Erinnerung) fällt auf, dass der sich stetig verzweigende terminologische Apparat nur bedingt auf konkrete historische Fragestellungen anwendbar ist, weshalb in der vorliegenden Studie die Methode am Material entwickelt wurde. Vgl. dazu auch Gerber, Verborgene Präsenzen, 21–23. 69 Diner, Kontraphobisch, 107. 70 Herf, Zweierlei Erinnerung, 12 f. Vgl. dazu auch Greenberg, Weimarer Erfahrungen. 71 Groh, Negative Integration und revolutionärer Attentismus; Postone, Antisemitismus und Nationalsozialismus (1979); Meuschel, Legitimation und Parteiherrschaft; Traverso, ­Auschwitz denken, 349–357. 72 Gerber, Ein Prozess in Prag. Vgl. auch die detaillierte Agenda für eine Gedächtnisgeschichte des Holocaust in der deutschsprachigen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung, wie von Gerber entworfen. Ders., Verborgene Präsenzen. 73 Vgl. etwa Hartewig, Zurückgekehrt, 7 f.; Herf, Zweierlei Erinnerung, 53. 74 SAPMO-BArch, DY  30/IV2/11/v.5248, Bl. 50, Leo Zuckermann an Walter Ulbricht, 27. November 1950. 75 Diner, Zweierlei Emanzipation. 76 Vgl. die Materialien in League of Nations Archive, Genf (nachfolgend LON), S  543, No.  9  38/8 und /9, sowie, zur Tätigkeit des Asylrechtsbüros diverse Materialien in SAPMO-BArch, RY 1/I2/3/352 und /354 (Emigration Frankreich), NY 4036/606 (NL Wil­ helm Pieck). 77 Karbach, The Evolution of Jewish Political Thought; Rubin, The End of Minority Rights. 78 Vgl. dazu Gerber, »Rote Assimilation«. 79 Vgl. dazu auch Zadoff, Shades of Red.

Kapitel 1 Neutralisierung von Herkunft (1908–1939) 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Zuckermann, Restitution und Wiedergutmachung, 430 f. Ebd. Ebd. SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2027/31, Bl. 18–30, Gesetz über die Betreuung der Verfolgten des Naziregimes und die Vorbereitung für Wiedergutmachung (Vorlage an die Mitglieder des Zentralsekretariats), 19. Januar 1948. Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz – VermG), 31. August 1990, in: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik 1990, Teil I, 1899. Kuchenbecker, Zionismus ohne Zion. Zeitgenössisch: Heller, Der Untergang des Judentums. Marx, Zur Judenfrage, 372. Vgl. auch Thomas Haury, Art. »Judenfrage«, in: EJGK, Bd. 3, 228–233; Silberner, Kommunisten zur Judenfrage. Bebel, Sozialdemokratie und Antisemitismus. Karl Kautsky, Das Massaker von Kischineff und die Judenfrage, in: Die Neue Zeit, 3. Juni 1903, 303–309; ders., Rasse und Judentum.

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10 Bauer, Die Nationalitätenfrage und die Sozialdemokratie. 11 Heller, Untergang des Judentums. 12 ZK der KPD, Gegen die Schmach der Judenpogrome! (November 1938), zit. nach Keßler, Die SED und die Juden – zwischen Repression und Toleranz, 24. 13 Ulbricht, Die Legende vom »deutschen Sozialismus«, 3–27. 14 Zuckermann, Restitution und Wiedergutmachung, 431. 15 Engels, Revolution und Konterrevolution in Deutschland, 50. 16 Vgl. dazu Rosdolsky, Zur nationalen Frage. 17 Lenin, Die Stellung des »Bund« in der Partei, 90. 18 Stalin, Die nationale Frage und die Sozialdemokratie, 325. 19 Diner / Fraenkel, Introduction. 20 Vgl. dazu Gerber, »Rote Assimilation«. 21 Frei, Der Papiersäbel, 11 und 376. Vgl. auch Reiter, Latenzen der Erinnerung; Graf, Habs­ burger Residuen. 22 Albert Norden, Ereignisse und Erlebtes, 26–29, hier 28. 23 »Helft Sowjetrußland!, in: Rundbriefe für die radikal-sozialistische jüdische Jugend, Nr. 1, Februar 1922, 1. Höchstwahrscheinlich erschien nur eine Nummer der Rundbriefe. Vgl. Podewin, Der Rabbinersohn im Politbüro, 35 f. 24 Albert Norden, Ereignisse und Erlebtes, 23. 25 Ebd., 16. 26 Begegnungsstätte Alte Synagoge, NL Ulrich Föhse, Ordner 4 (unpaginiert), Leo Zucker­ mann, Erinnerungsdaten an Wuppertal-Elberfeld (Oktober 1982) (nachfolgend Zuckermann, Erinnerungsdaten). – Wolfgang Kießling macht denselben Schritt für Leos jüngeren Bruder, Rudolf Zuckermann geltend. Während nicht ausgeschlossen ist, dass Rudolf dem Vorbild des älteren Bruders folgte, ist es durch Quellen nicht eindeutig belegt. Kießling, Absturz in den kalten Krieg, 9. 27 Gesetz betreffend den Austritt aus den Religionsgesellschaften öffentlichen Rechts vom 30. November 1920 (PrGS 1921, 119); Gesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15. Juli 1921 (RGBl. I, 939). – Die zeitliche Diskrepanz zwischen der von Zuckermann auf den Tag nach seiner Bar Mizwa datierten, vom Gesetz aber erst mit der Vollendung des 14. Lebensjahres vorgesehenen Entscheidung ist nicht eindeutig zu erklären. Womöglich ergibt sie sich daraus, dass Zuckermann den Schritt zwar mit Erreichen der traditionell jüdischen Religionsmündigkeit – also im Alter von 13 Jahren – vollzog, er aber erst ein Jahr darauf, mit Eintreten der gesetzlichen Religionsmündigkeit, juristisch wirksam wurde. 28 Unter der älteren Literatur vgl. Knütter, Die Juden und die deutsche Linke in der Weimarer Republik 1918–1931; Grab (Hg.), Juden und jüdische Aspekte in der deutschen Arbeiterbewegung 1848–1918; Silberner, Kommunisten zur Judenfrage; Lustiger, »Schalom Libertad!«; Traverso, Die Marxisten und die jüdische Frage. Neuer: Hartewig, Zurückgekehrt, sowie zuletzt und mit der größten Strahlkraft: Slezkine, Das jüdische Jahrhundert. 29 Knütter, Die Juden und die deutsche Linke in der Weimarer Republik 1918–1931, 121, 113 f. und 203 f.; Weber, Die Wandlung des deutschen Kommunismus, Bd. 2, 54 f. 30 Slezkine, Das jüdische Jahrhundert. 31 Gerd Koenen, Art. »Komintern«, in: EJGK, Bd. 3, 390–394. 32 Janos Hauszmann, Art. »Budapest«, in: EJGK, Bd. 1, 455–461. 33 Zadoff, Der rote Hiob. Vgl. dazu auch Geller, Die Scholems. 34 »Warum war der eine Bruder von der deutschen Sozialdemokratie fasziniert, während den anderen die jüdische Sache fesselte? […] Darauf habe ich keine Antwort. Das sind persönliche Entscheidungen, deren Geheimnis man kaum ergründen kann.« Zit. nach Zadoff, Der rote Hiob, 17.

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35 Ebd., 109. 36 Zuckermann, Erinnerungsdaten, 4. 37 SAPMO-BArch, NY 4559/KK44 (unpaginiert), Rudolf Zuckermann, Gespräch mit Wolfgang Kießling, 12. Dezember 1979. 38 Marcos Silber, Art. »Professionen«, in: EJGK, Bd. 5, 24–32. 39 Richarz, Berufliche und soziale Struktur. 40 Albert Norden, Ereignisse und Erlebtes, 10 f. Vgl. auch Joseph Norden, Unser Kaiser. 41 Zadoff, Der rote Hiob, 109. 42 Zehl Romero, Anna Seghers, Bd. 1, 86–92. 43 Zuckermann, Erinnerungsdaten, 4. 44 Zu diesem Zusammenhang: Kosuch, Missratene Söhne. 45 Es existiert keine Forschungsliteratur zu Hilde Neumann, die nach ihrer Rückkehr aus dem mexikanischen Exil – ähnlich wie Leo Zuckermann – eine steile Karriere als Juristin in der DDR erlebte. Vgl. Art. »Neumann, Hilde«, in: Röwekamp, Juristinnen, 280 f. 46 Alle Angaben nach Zuckermann, Erinnerungsdaten, passim. 47 Lorenz, Robert René Kuczynski (1876–1947). 48 Zadoff, Der rote Hiob, 13. 49 Art. »Hirsch, Werner Daniel«, in: Weber / Herbst, Deutsche Kommunisten, 378–380. 50 Richarz, Berufliche und soziale Struktur. 51 Zadoff, Der rote Hiob, 10. 52 Zwei vor ihm geborene Brüder starben an Diphterie, der letzte 1908, unmittelbar vor Leos Geburt. Zuckermann, Erinnerungsdaten, 1. 53 Albert Norden, Ereignisse und Erlebtes, 16. 54 Zu Topos und Realien des Begriffs »Ostjuden« vgl. Maurer, Ostjuden in Deutschland 1918–1933; Aschheim, Brothers and Strangers; Saß, Berliner Luftmenschen. 55 Zuckermann, Erinnerungsdaten, 2. 56 Mommsen, Die Urkatastrophe Deutschlands. 57 Zuckermann, Erinnerungsdaten, 1. 58 Albert Norden, Ereignisse und Erlebtes, 12. 59 Zit. nach Zehl Romero, Anna Seghers, Bd. 1, 86. 60 Zuckermann, Erinnerungsdaten, 1. Er bezieht diese Erinnerung allerdings auf seine Zeit als Primaner – also etwa um 1924/25 –, als die Klassenstärke kriegsbedingt nicht mehr als acht bis zwölf Schüler betragen habe. Da dies rechnerisch nicht möglich ist (er und seine Schulkameraden waren bei Kriegsbeginn sieben Jahre alt), wird hier angenommen, dass er als Grundschüler – also zwischen 1914 und 1918 – Zeuge wurde, wie die oberen Klassen, nicht jedoch seine eigene, ausdünnten. 61 Albert Norden, Ereignisse und Erlebtes, 11. 62 Zuckermann, Erinnerungsdaten, 3. 63 Ebd. 64 Vgl. Knies, Arbeiterbewegung und Revolution in Wuppertal; Rhefus, »Empor aus Nacht zum Licht«. 65 Zuckermann, Erinnerungsdaten, 3. – Norden, der vermutlich dasselbe Elberfelder Realgymnasium wie Zuckermann besuchte, schildert den Vorgang freilich ein wenig anders. Demnach war er es gewesen, der Anfang 1919 gemeinsam mit zwei Mitschülern beim Direktor die Einrichtung eines Schülerrats gefordert habe, von diesem daraufhin jedoch kurzerhand mit Karzer belegt worden sei. Ders., Ereignisse und Erlebtes, 15. 66 Zuckermann, Erinnerungsdaten, 3 f. 67 Albert Norden, Ereignisse und Erlebtes, 9. 68 Zuckermann, Erinnerungsdaten, 4. 69 Ebd., 2.

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70 Zwei Schulkameraden, die ihn in Anlehnung an den Titel einer 1917 populär werdenden Detektivserie »Judex« nannten, hätten diese Hänseleien unterlassen, nachdem sie von ihm »Senge bezogen« hätten. Ebd. 71 Ebd. 72 Ebd. 73 Bebel, Die Frau und der Sozialismus. Bis 1925 hatte die überaus einflussreiche Schrift mehr als 55 Auflagen erlebt. 74 Zuckermann, Erinnerungsdaten, 3. 75 Ebd., 1 f. 76 Bebel, Antisemitismus und Sozialdemokratie. Dass die Haltung Bebels zu »Judenfrage« und Antisemitismus komplexer und in Teilen auch problematisch war, insofern er sozioökonomische Häufungen durchaus auf angeblich jüdische Eigenschaften zurückführte, steht auf einem anderen Blatt. Vgl. dazu Haury, Antisemitismus von links, 186 f. 77 Kuczynski, Freunde und gute Bekannte, 23. 78 Zuckermann, Erinnerungsdaten, 4. 79 Bebel, Die Frau und der Sozialismus, 485 und 487. 80 Zuckermann, Erinnerungsdaten, 2. – Ganz ähnlich die Berliner Kommunistin Ilse Still­ mann, in: Herzberg, Überleben heißt Erinnern, 142–205, hier 149. 81 Vgl. allgemein dazu Detlef Pollack, Art. »Kirchenaustritt (Historisch und soziologisch)«, in: Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 4, 1053–1056. 82 Barkai, Politische Orientierungen und Krisenbewußtsein. 83 Winkler, Der Schein der Normalität, 521. 84 Allgemein: Weber, Die Wandlung des deutschen Kommunismus. Vgl. auch Reuter u. a. (Hgg.), Luxemburg oder Stalin. 85 Wahlaufruf der Kommunistischen Partei Deutschlands! (1928). 86 Er gibt darüber lediglich in zwei Dokumenten von 1982 bzw. 1983 Auskunft. Zuckermann, Erinnerungsdaten, und Begegnungsstätte Alte Synagoge, NL Ulrich Föhse, Ordner 4 (unpaginiert), Leo Zuckermann an Ilse Severing, 7. April 1983. 87 Wilde, Ernst Meyer (1887–1930)  – vergessene Führungsfigur des deutschen Kommunismus, 510 f. und 529. Hamburg: Büttner, Errichtung und Zerstörung der Demokratie in Hamburg,  6; Königsberg: Meyer, Die Bedeutung der Wahlen in Hamburg und Königsberg. 88 Winkler, Der Schein der Normalität, 662 f. 89 Begegnungsstätte Alte Synagoge, NL Ulrich Föhse, Ordner 4 (unpaginiert), Leo Zuckermann an Ilse Severing, 7. April 1983. 90 Zuckermann, Erinnerungsdaten, 4. 91 Loewenheim, Geschichte der Org [Neu Beginnen] 1929–1935; Bergmann, »Gegen den Strom«; Bremer, Die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAP). 92 Protokoll des Vereinigungsparteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) am 21. und 22. April 1946 in der Staatsoper »Admiralspalast« in Berlin. 93 Winkler, Der Schein der Normalität, 521 f. 94 1978 räumte Zuckermann in einem Interview ein, dass das Konzept der »Einheitsfront von unten«, also der Kampf gegen die Führung der SPD bei gleichzeitigem Zugehen auf die »Massen«, »in Deutschland dann zu diesem ganzen Unglück geführt hat«. Ders., Interview mit Boege (1978), Tbd. 9, nach Min. 22:49. 95 Büttner, Errichtung und Zerstörung der Demokratie in Hamburg, 65 f. 96 Wilde, Ernst Meyer (1887–1930) – vergessene Führungsfigur des deutschen Kommunismus, 527–532 (Schreibung von Hibiskusblüten wie im Original). 97 Winkler, Der Schein der Normalität, 417–444.

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98 Wahlaufruf der Kommunistischen Partei Deutschlands (1928). 99 Goebel, Fahnen, Feiern und Parolen, 10–12. Zu Goebbels’ Wuppertaler Zeit vgl. Reuth, Goebbels, 76–107. 100 Zuckermann, Erinnerungsdaten, 4. 101 Ebd. 102 Kurt Goldstein, in: Herzberg, Überleben heißt Erinnern, 274–351, hier 296. 103 Zuckermann ist nachgewiesen in den Matrikeln WS 1926/27 bis WS 1929/30. Ich danke der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn für diese Auskunft. 104 SAPMO-BArch, DY 30IV2/11/v.5248 (Kaderakte Leo Zuckermann), Bl. 105–108, hier 105, Leo Zuckermann, Lebensbericht, 18. Juli 1951 (Abschrift). 105 Peterson, German Communism, Workers’ Protest, and Labor Unions, 189. 106 Zuckermann, Erinnerungsdaten, 5. 107 Ebd.  – Die Prüfung der Jahrgänge 1930 bis 1933 des in Düsseldorf erscheinenden kommunistischen Blattes Freiheit. Tageszeitung für Rheinland und Westfalen ergab keine Hinweise auf den Namen »Salzmann«, was nicht zwangsläufig zu Zweifeln an der Wahrhaftigkeit von Zuckermanns Angaben führen muss. 108 Schüler-Springorum, Jugendbewegung und Politik. – Während das Wirken der Gruppe Bund Jüdischer Jugend von der Forschung relativ klar auf die Jahre 1927/28 eingegrenzt wird, enthält sich Leo Zuckermann einer genauen Zeitangabe. Eine Sichtung der überlieferten Materialien des Gaus Rhein-Ruhr im Centrum Judaicum ergab keinen Hinweis auf Zuckermann. Vgl. Centrum Judaicum Archiv (nachfolgend CJA) 1, 75 C Wa1, Nr. 11, 15 und 16. Gegen eine leitende Mitgliedschaft in diesem Zeitraum spricht auch sein Studium in Bonn. Da zudem noch im Januar 1933 von einem »Jüdisch-Sozialistischen Jugendbund« die Rede ist, dessen Mitglieder eine Veranstaltung der Zionistischen Vereinigung in Wuppertal gestört hätten, ist denkbar, dass der Bund in Elberfeld / Wuppertal weiter bestand – ob mit oder ohne Zuckermann als Vorsitzendem, sei dahingestellt. Vgl. Zionistische Provokationen, in: Die Wende. Zeitschrift der »Geserd«-Gesellschaft für Produktivierung und Siedlung der Juden in der UDSSR  – Deutschland  5 (1933), H. 1, 6. 109 Wie bereits 1923 in den sogenannten Königsberger Sätzen formuliert worden war: »Wir sind jüdisch kraft unserer Abstammung und wir sprechen deutsch (und das auch nicht immer richtig).« Zit. nach Schüler-Springorum, Jugendbewegung und Politik, 168. 110 Zit. nach ebd., 173. 111 Soziale Arbeit? – Sozialistische Arbeit!, in: Der Westfalen Gau. Blätter, 22. November 1926 (CJA 1, C Wa1, 13217, Nr. 15, Bl. 37–40). 112 Zuckermann, Erinnerungsdaten, 5. 113 Ebd. 114 Ebd. – »Als ich in meinem späteren Leben andere Länder kennen lernte, wo sich die Demokratie durch Revolutionen in der Bevölkerung eingewurzelt hatte, verstand ich, dass wir Rowdies gewesen waren, weil das deutsche Volk nie eine demokratische Revolution zu Ende geführt hatte, weder 48, noch 1918, noch gegen die Nazis.« 115 Ebd., 4. 116 Und machten sich später oftmals als Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus einen Namen. Schüler-Springorum, Jugendbewegung und Politik, 197–204. 117 Vgl. dazu auch dies., »Dazugehören.« 118 Aus unseren Organisationen. Wuppertal, in: Mitteilungsblatt der Gesellschaft zur Förderung des jüdischen Siedlungswerkes in der UdSSR 3 (1931), H. 6, 6. – So Zuckermanns Bemerkungen in Begegnungsstätte Alte Synagoge, NL Ulrich Föhse, Ordner 4 und 5 (unpaginiert). 119 Kuchenbecker, Zionismus ohne Zion.

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120 Wie diverse Anzeigen im Geserd-Mitteilungsblatt belegen, so im Oktober 1931 (H. 10, 8), im Januar 1932 (H. 1, 8) und im Januar 1933 (H. 1, 8). 121 Albert Norden, Mehr Aktivität, in: Die Wende. Zeitschrift der »Geserd«-Gesellschaft für Produktivierung und Siedlung der Juden in der UDSSR  – Deutschland  4 (1932), H. 2, 1. 122 Heller, Der Untergang des Judentums, 6. Zu Heller vgl. auch Navon, »The Jew Is to Be Burned«. 123 Heller, Der Untergang des Judentums, 11. 124 Ebd., 374. 125 Leo Katz, Der 17. Zionistenkongreß in Basel, in: Mitteilungsblatt der Gesellschaft zur Förderung des jüdischen Siedlungswerkes in der UdSSR 3 (1931), H. 7, 1. 126 Ebd. 127 Weinberg, Birobidshan. 128 Koestler, Die Geheimschrift, 59. 129 Leo Katz, Das veränderte Gesicht, in: Mitteilungsblatt der Gesellschaft zur Förderung des jüdischen Siedlungswerkes in der UdSSR 3 (1931), H. 10, 4. 130 Zur Figur des »Luftmenschen« vgl. Berg, Luftmenschen. 131 Leo Katz, Das veränderte Gesicht, in: Mitteilungsblatt der Gesellschaft zur Förderung des jüdischen Siedlungswerkes in der UdSSR 3 (1931), H. 10, 4. 132 Heller, Der Untergang des Judentums, 350. 133 Begegnungsstätte Alte Synagoge, NL Ulrich Föhse, Tbd. 78, Prof. Dr. Leo Zuckermann in Düsseldorf, 25. September 1983. 134 Begegnungsstätte Alte Synagoge, NL Ulrich Föhse, Ordner 5 (unpaginiert). 135 Kießling, Absturz in den kalten Krieg, 9. 136 Zionistische Provokationen, in: Die Wende. Zeitschrift der »Geserd«-Gesellschaft für Produktivierung und Siedlung der Juden in der UDSSR – Deutschland 5 (1933), H. 1, 6. Vgl. auch: Wuppertal, in: Jüdische Rundschau, 30. Dezember 1932, 511. 137 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/11/v.5248 (Kaderakte Leo Zuckermann), Bl. 105–108, hier 105, Zuckermann, Lebensbericht, 18. Juli 1951 (Abschrift). 138 Begegnungsstätte Alte Synagoge, NL Ulrich Föhse, Tbd. 78. – Es existieren praktisch keine Quellen zu Programmatik und Wirken des Vereins. Vgl. Stracke, Die Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse, 110. Dort auch der Hinweis, dass ein Onkel Leo Zuckermanns, der KPD-Funktionär und spätere Spanienkämpfer Ewald Maus, ebenfalls Mitglied des Vereins gewesen sei. 139 Schrader / Hartung (Hgg.), Tora und Textilien, 105 f. und 108. Vgl. auch Föhse, Erst Mensch, dann Untermensch, 67 f. 140 Vielmehr fiel bei Durchsicht des kommunistischen Blattes Freiheit. Tageszeitung für Rheinland und Westfalen die nahezu völlige Abwesenheit des jüdischen Themas auf. Vgl. Zuckermann, Erinnerungsdaten, 5. 141 Mosse, German Socialists and the Jewish Question in the Weimar Republic. 142 Vgl. auch den 1932 im Parteiverlag herausgegebenen Sammelband Klärung. 12 Autoren und Politiker über die Judenfrage. 143 Zahlen nach Winkler, Der Schein der Normalität, 446. Ebenfalls unter den 2,2 Prozent erfasst wurden mittlere Beamte und Kleingewerbetreibende. Zur Sozialstruktur vgl. auch Mallmann, Kommunisten in der Weimarer Republik, bes. 94–105. 144 Vgl. Kapitel 1.2 in diesem Buch. 145 Zuckermann, Erinnerungsdaten, 4. 146 Albert Norden, Ereignisse und Erlebtes, 21; Marx / Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, 471. 147 Stracke, Die Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse, 110.

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148 Ebd. 149 Zuckermann, Erinnerungsdaten, 5. 150 Ders., Der Reichsaußenminister. 151 Ebd., 11. 152 Ebd., 42. 153 Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik. 154 Zuckermann, Der Reichsaußenminister, 8. 155 Ebd., 9. 156 Ebd. 157 Winkler, Der Weg in die Katastrophe, 305–307. 158 Zumindest einer seiner Betreuer, der Bonner Staatsrechtler Richard Thoma, verwandte sich explizit für die Republik und war Mitbegründer des 1931 gegründeten verfassungskonformen Weimarer Kreises. Vgl. Groh, Richard Thoma (1874–1957). 159 Rosenberg, Geschichte des Bolschewismus. 160 Vgl. dazu auch Winkler, Der Weg in die Katastrophe, 951–954. 161 Zuckermann, Erinnerungsdaten, 5. 162 Ebd. – Mit etwas abweichenden Angaben Kießling, Absturz in den kalten Krieg, 10. 163 Zuckermann, Erinnerungsdaten,  5. Vgl. auch Bekanntmachung über die vorübergehende Wiedereinführung des Ausreisesichtvermerks, in: RGBl. 1933, I, 160. 164 Vgl. zur Struktur des kommunistischen Pariser Exils, wenngleich ideologisch eingefärbt, Pech, Die gesellschaftliche Situation in Frankreich und die Bedingungen für die antifaschistischen Emigranten. Allgemeiner: Vormaier, Frankreich; Saint SauveurHenn (Hg.), Fluchtziel Paris. 165 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 4, nach Min. 40:30. 166 Langkau-Alex, Deutsche Volksfront 1932–1939, Bd. 1, 164. 167 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 8, nach Min. 1:45. 168 Zu Lydia Staloff vgl. ihren Lebenslauf vom 9. Oktober 1949 in SAPMO-BArch, NY 4559/ KK44 (unpaginiert). 169 Zu Staloffs Tätigkeit für das Dimitroff-Komitee vgl. die Angaben in Bernhard (Hg.), Der Reichstagsbrandprozess und Georgi Dimitroff, Bd. 2, 140, 252–254 und 316. 170 Vgl. die Angaben in SAPMO-BArch, DY  30/IV2/11/v.5248 (Kaderakte Leo Zuckermann), Bl. 105–108, Leo Zuckermann, Lebensbericht, 18. Juli 1951 (Abschrift), und Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (nachfolgend BstU), MfS, BV Potsdam, AOP, Nr. 22/53, Bd. 1, 17 f., Lebenslauf Leo Zuckermann, 13. Februar 1950. Vgl. ferner SAPMO-BArch, NY 4559/KK44 (unpaginiert), Leo Zuckermann, Ergaenzung zu den der SED bereits ueberreichten beiden Lebenslaeufen, 7. Juli 1947. 171 SAPMO-BArch, RY 1/I2/3/242, Bl. 41, Leo Lambert [Leo Zuckermann] an Internationales Befreiungskomitee, 1. September 1934. 172 Sperber, Bis man mir Scherben auf die Augen legt. 173 Lambert, Asylrecht? Jawohl!, 40 f. 174 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), bes. Tbd. 7, nach Min. 30:00. 175 Kuczynski, Freunde und gute Bekannte, 159. 176 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 10, nach Min. 27:30. 177 Es gibt  – soweit ersichtlich  – keine Forschungsliteratur, die diese Annahme Zuckermanns belegen könnte. 178 Pomerance, Mord in der Wilhelmstraße. 179 Schneider, Unterm Hakenkreuz, 60; Wachsmann / Steinbacher (Hgg.), Die Linke im Visier. 180 Meuschel, Legitimation und Parteiherrschaft, 29 f.

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181 Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitler-Terror, 62 und 63–129. Vgl. dazu Krohn, Propaganda als Widerstand; Rabinbach, Staging Antifascism; ders., Art. »Braunbuch«, in: EJGK, Bd. 1, 402–407. 182 Blaze in Reichstag Laid to Chief Nazis, in: The New York Times, 1. September 1933, 12. 183 Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitler-Terror, 40–43. 184 Das erste Aufkommen dieser Parole ist nicht eindeutig belegt; sie wird u. a. dem Vorsitzenden der SPD-Reichstagsfraktion Rudolf Breitscheid zugesprochen, der sich auf einer Veranstaltung zur Reichstagswahl 1932 in Bielefeld entsprechend geäußert haben soll. Gruner / Wilke (Hgg.), Sozialdemokraten im Kampf um die Freiheit, 10 f. 185 Winkler, Der Weg in die Katastrophe, 774. 186 Ebd., 868–875. 187 Zur Frage des Generalstreiks vgl. Schneider, Verfolgt, unterdrückt und aus dem Land getrieben, 33–35. 188 Ernst Thälmann an die Kominternführung, 25. Februar 1933 (Dok.  308), in: Weber / Drabkin / Bayerlein (Hgg.), Deutschland, Russland, Komintern, Teilbd. 2, 941–950, hier 950. 189 Dmitri Manuilski, Bericht über die Einheitsfront, 28. Februar 1933 (Dok. 310), in: ebd., 953–958, hier 955. 190 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 3, nach Min. 31:00. 191 So Rabinbach, Paris, Capital of Anti-Fascism. Vgl. auch Langkau-Alex, Deutsche Volksfront 1932–1939; Saint Sauveur-Henn (Hg.), Fluchtziel Paris. 192 Koestler, Die Geheimschrift, 205 f. 193 Pritt, Der Reichstagsbrand. 194 Bernhard (Hg.), Der Reichstagsbrandprozess und Georgi Dimitroff, Bd. 2, 880. 195 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 3, nach Min. 34:00. 196 Rabinbach, Art. »Braunbuch«, 404. Zu Kantorowicz’ Rolle vgl. dessen spätere Einschätzung: Ders., Der Reichstagsbrand. Auftakt zur Weltbrandstiftung, in: Aufbau. Kulturpolitische Monatsschrift 3 (1947), H. 2, 111–118. 197 Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitler-Terror, 222–269. 198 Ebd., 222 f. 199 Ebd., 223. 200 Ebd., 227. 201 Ebd., 250 f. 202 Barkai, From Boycott to Annihilation, 22 f. 203 Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitler-Terror, 261. 204 Ebd., 262 f. 205 Zit. nach ebd., 268 f. 206 In einer Presseerklärung vom 22. September 1935 brachte etwa die Reichsvertretung der deutschen Juden ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass die Nürnberger Gesetze fortan eine Grundlage darstellen würden, »auf der ein erträgliches Verhältnis zwischen dem deutschen und dem jüdischen Volk möglich ist«. Zit. nach Kulka (Hg.), Deutsches Judentum unter dem Nationalsozialismus, Bd. 1, 236 f. 207 Barkai, »Schicksalsjahr 1938«. 208 Beate Meyer, Art. »Reichsvertretung der deutschen Juden«, in: EJGK, Bd. 5, 144–151. 209 Jünger, Jahre der Ungewissheit, 96–98. 210 Frei, Der Führerstaat, 36–41. 211 Vgl. dazu die Materialien in SAPMO-BArch, RY 1/I2/3/242; ferner Rabinbach, Freedom for Thälmann!; Lemmons, Hitler’s Rival, Kap. 2, 63–109. 212 Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (nachfolgend PAAA) Paris 555a (unpaginiert), Joachim Kühn, Paris, an Auswärtiges Amt, Berlin, 22. März 1935.

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213 Vgl. die Angaben in SAPMO-BArch, RY 1/I2/3/242, Bl. 155–163, Max Richter [Hermann Schubert], Arbeitsplan des Thälmann-Komitees (undatiert [1935]). 214 Resolution der Komintern für die Neubelebung der internationalen Kampagne zur Befreiung Thälmanns aus NS-Haft (Dok. 360), in: Weber / Drabkin / Bayerlein (Hgg.), Deutschland, Russland, Komintern, Teilbd. 2, 1107–1111; Beschluss des EKKI-Sekretariats zur erneuten Wiederbelebung der Befreiungskampagne für Ernst Thälmann (Dok. 416), in: ebd., 1378–1381. 215 Rabinbach, Freedom for Thälmann!, 24–26. 216 Lemmons, Hitler’s Rival, 96. 217 SAPMO-BArch, RY 1/I2/3/242, Bl. 155–163, hier 157, Max Richter [Hermann Schubert], Arbeitsplan des Thälmann-Komitees (undatiert [1935]). 218 SAPMO-BArch, RY  1/I2/3/242, Bl. 41, Leo Lambert an Internationales Befreiungs­ komitee, 1. September 1934. 219 Sabrow, Erich Honecker, 52. 220 Zur Haltung der KPD in der Saarfrage vgl. Duhnke, Die KPD von 1933 bis 1945, 157–162. 221 Léon Lambert (Leo Zuckermann), Kampf um das Asylrecht. Asylrecht für die Saaremigranten, in: Rundschau über Politik, Wirtschaft und Arbeiterbewegung, 14. März 1935, 707 f. 222 Freiherr von Neurath, Berlin, an Baron Aloisi (Präsident des Ratsausschusses für das Saargebiet), Genf, 3. Dezember 1934, in: RGBl. 1935, II, 125; Schreiben des Reichsministers des Auswärtigen an den Vorsitzenden des Ratsausschusses für das Saarland über die Regelung der Schuldverhältnisse im Saarland, 16. Februar 1935, in: RGBl. 1935, II, 131 f. 223 Vgl. stellvertretend: Schutz für die Saar-Juden, in: Pariser Tageblatt, 18. September 1934,  1; Equality for Saar Jews, in: Jewish Telegraphic Agency, 4. Dezember 1934; France and Reich Agree on a Saar Payment Plan; Pact Protects Minorities, in: The New York Times, 4. Dezember 1934, 1; Die Saarbeschlüsse von Rom, in: Pariser Tageblatt, 4. Dezember 1934, 1. 224 Léon Lambert (Leo Zuckermann), Kampf um das Asylrecht. Asylrecht für die Saaremigranten, in: Rundschau über Politik, Wirtschaft und Arbeiterbewegung, 14. März 1935, 708. 225 Rabinbach, Paris, Capital of Anti-Fascism, 190 f. 226 Duhnke, Die KPD von 1933 bis 1945, 145–150. 227 Resolution über die sektiererischen Fehler der KPD, 19. Januar 1935 (Dok. 359), in: Weber / ​Drabkin / Bayerlein (Hgg.), Deutschland, Russland, Komintern, Teilbd. 2, ­1097–1100, hier 1099. 228 Resolution zum Bericht des Genossen Dimitroff, in: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hg.), Referate auf dem VII. Kongreß der Kommunistischen Internationale, 269–292, hier 275 f. 229 Vgl. zum Ausschuss Langkau-Alex, Deutsche Volksfront 1932–1939, Bd. 1, 160–174. 230 SAPMO-BArch RY 1/I2/3/418, Bl. 23–24, Bericht von »Leo« bei Bernard [Wilhelm Koe­ nen] an Eiche [Walter Ulbricht], 26. August 1935. Vgl. auch Langkau-Alex, Deutsche Volksfront 1932–1939, Bd. 1, 166. 231 Vgl. Kap. 1.3 in diesem Buch. – Begegnungsstätte Alte Synagoge, NL Ulrich Föhse, Ordner 4 (unpaginiert), Leo Zuckermann an Ilse Severing, 7. April 1983. 232 Resolution zum Bericht des Genossen Dimitroff, in: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hg.), Referate auf dem VII. Kongreß der Kommunistischen Internationale, 269–292, 273 f. 233 Kuczynski, Freunde und gute Bekannte, 159 (Hervorhebung des Verfassers).

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234 SAPMO-BArch, NY  4036/606, Bl. 2–6, Die unmittelbaren Aufgaben des Sekretariats des Internationalen Bureaus (undatiert [nach Juni 1936]). Auszüge der Konferenz sind ver­öffentlicht in Olten, Weltappell für Asylrecht. Vgl. auch die Materialien in SAPMOBArch, RY 1/I2/3/352, sowie Langkau-Alex, Deutsche Volksfront 1932–1939, Bd. 2, 241–271. 235 Provisional Arrangement of July 4th, 1936, Concerning the Status of Refugees Coming from Germany, League of Nations Treaty Series, Bd. CLXXI, Nr. 3952. 236 SAPMO-BArch, RY 1/I2/3/352, Bl. 59–63, hier 62, Bericht der Emi-Leitung (undatiert [Frühjahr 1936]). 237 Vgl. Kap. 1.4 in diesem Buch. 238 SAPMO-BArch, NY 4036/604, Bl. 16–23, hier 16, Ueber den organisatorischen Umbau der Roten Hilfe (»Vertraulich«), 17. Februar 1936. 239 Langkau-Alex, Deutsche Volksfront 1932–1939, Bd. 2, 264 f. 240 Ebd., 252–261. 241 SAPMO-BArch, RY 1/I2/3/352, Bl. 59–63, hier 60, Bericht der Emi-Leitung (undatiert [Frühjahr 1936]). 242 McDonald, Letter of Resignation of James G.  McDonald addressed to the Secretary General of the League of Nations. 243 SAPMO-BArch, RY 1/I2/3/352, Bl. 2–4, hier 2, Kurzes Protokoll der Sitzung zur Asylund Emigrantenfrage, 26. Februar 1936. 244 Langkau-Alex, Deutsche Volksfront, Bd. 1, 58. 245 Holborn, The Legal Status of Political Refugees, 1920–1938. 246 Zur Lage von Flüchtlingen in der Zwischenkriegszeit, mit ausführlichen Zahlen, vgl. Simpson, Refugees; ferner Skran, Refugees in Inter-War Europe; Marrus, Die Unerwünschten; Gatrell, The Making of the Modern Refugee. 247 Marrus, Die Unerwünschten, 61–137. 248 Convention of October 28, 1933, Relating to the International Status of Refugees, League of Nations Treaty Series, Bd. CLIX, Nr. 3663. 249 SAPMO-BArch, RY 1/I2/3/352, Internationale Konferenz fuer Asylrecht, Paris, 20. und 21. Juni 1936, Entwurf eines Flüchtlingsstatutes nebst Begründung, und ebd., Materialien zur juristischen und sozialen Lage der politischen Flüchtlinge. 250 Im Detail hieß es: »Genosse LEO politischer Mitarbeiter der Vertretung. Arbeitet jetzt als zweiter Sekretär im Intern. Asylbüro und macht seine Arbeit sehr gut.« SAPMOBArch, NY 4036/604, Bl. 78–87, hier 80, Über die Zukunft der IRH (»Streng vertraulich«), 22. Oktober 1936. 251 Es existiert – soweit ersichtlich – kein zusammenhängend erhaltenes Archiv des Asylrechtsbüros. Ein größerer Bestand in russischen Archiven ist anzunehmen, war jedoch nicht in Erfahrung zu bringen. Vereinzelte Materialien finden sich verstreut im Archiv des Völkerbundes, im Bundesarchiv (SAPMO-BArch, RY 1/I2/3/352 und NY 4036/606), in der Wiener Library (Ref.  No.  1238) und am Goldstein-Goren Diaspora Research Center der Tel Aviv University (A-1, 1499). 252 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/4/112, Bl. 437–439, Leo Zuckermann, Bericht Beirat beim Völkerbundkommissar für Flüchtlinge, 15. Juli 1950. 253 SAPMO-BArch, RY  1/I2/3/352, Bl. 65–68, hier 67, Bericht ueber die Delegation nach Genf, Oktober 1936. 254 Joint Distribution Committee Archives (nachfolgend JDC Archives), NY  AR193344/​ 2/2/27/234, J. C. Hyman, Memorandum, 13. Juni 1938 (Übersetzung des Verfassers). 255 Lambert, Der Völkerbund und die politischen Flüchtlinge. 256 Simpson, Refugees, 47 f. Die Zahl russischer Flüchtlinge in Frankreich wurde 1938 auf max. 100 000 geschätzt. Ebd., 119.

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257 Vgl. etwa JDC Archives, NY AR193344/254, Bl. 8 und 11, Liaison Committee, Minutes of the Meeting Held at Geneva, on September 14, 1938. 258 The Wiener Library for the Study of Holocaust  & Genocide, 1238/2, Bl. 3 f., Liaison Committee, Minutes of the Meeting Held at Geneva, September 22, 1937; LON, R5720/​ 50/23970/7100, Bl. 3, 13 und 25, Liaison Committee, Minutes of the Meeting Held at Amsterdam, December 13th and 14th, 1937. – Ich danke Martin Jost (Leipzig) für die freundliche Überlassung eines Teils dieser – und weiterer – Dokumente. 259 LON, R5720/50/23970/7100, Bl. 17 f., Liaison Committee, Minutes of the Meeting Held at Amsterdam, December 13th and 14th, 1937; Convention Concerning the Status of Refugees Coming from Germany, 10 February 1938, League of Nations Treaty Series, Bd. CXCII, Nr. 4461. 260 Friedländer, Das Dritte Reich und die Juden, Bd. 1, 262–290. 261 Čapková / Frankl, Unsichere Zuflucht, 248–274; Frankl, No Man’s Land. 262 Die zeitgenössische Presse sprach von 51 über die Grenze getriebenen Flüchtlingen, von denen 15 Unterschlupf auf dem Schiff fanden. Drei Monate später berichtete ein Memorandum des Council for German Jewry hingegen von 68 Menschen, die auf dem Boot untergebracht gewesen seien. Vgl. Das Schiff der Heimatlosen, in: Pariser Tageszeitung, 22. April 1938, 1; JDC Archives, NY AR193344/4/6/3/448, Council for German Jewry, The Jews from Burgenland on the Cargo-Boat on the Danube near Rojka in Hungary, 25. Juli 1938. – Zum Phänomen des »Niemandslands« vgl. Frankl, No Man’s Land. 263 Von der mittlerweile überbordenden Literatur zu Èvian vgl. am neuesten Bartrop, The Evian Conference of 1938 and the Jewish Refugee Crisis. Einen innovativen Zugang, der die Konferenz primär in ihrer Zeit verortet, bietet Jost, A Battle against Time. 264 Vgl. die Materialien in LON, S 543/2 (Conférence d’Evian). 265 Lydia Lambert (der Deckname von Zuckermanns Ehefrau) war im Namen der sozialistischen Pariser Gewerkschaftszeitung Messidor akkreditiert. Vgl. LON, S 543/9. 266 LON, S 543/9, Bl. 8, Synopsis of Statements of Organisations, 16. Juli 1938. – Ein eigenständiges Memorandum des Asylrechtsbüros, von dem angenommen werden kann, dass es eingereicht wurde, ist nicht überliefert. 267 Die Einladung sprach von »the problem of political refugees«. Vgl. Franklin D. Roosevelt Presidential Library and Museum (FDRL), Official File 3186/Political Refugees Jan – May 1938, Department of State, For the Press, 24. März 1938 (18. November 2023). Auch die Resolution vom 14. April 1938 enthielt sich eines direkten Hinweises auf jüdische Flüchtlinge. Vgl. auch The Intergovernmental Committee, Resolution adopted by the Committee on July 14th, 1938. 268 Leo Lambert, Stimmungen … Verstimmungen … Hinter den Kulissen der Flüchtlingskonferenz, in: Pariser Tageszeitung, 10./11. Juli 1938, 1. 269 Ders., Zur internationalen Regelung der Flüchtlingsfrage, in: Pariser Tageszeitung, 8. September 1938, 3. 270 Ebd. 271 Leo Lambert, Die Flüchtlingsnot steigt. Von Evian nach London, in: Pariser Tageszeitung, 3. August 1938, 3. 272 Zusammengeschlossen hatten sich der Council for German Jewry, die Jewish Colonization Association, die Hias-Ica Emigration Association, das Joint Foreign Committee, das German Jewish Aid Committee und die Agudath Israel World Organization, während die Jewish Agency zusätzlich zu ihrem eigenen Memorandum die Forderungen ebenfalls unterstützte. 273 Appendix I: Three Memoranda Submitted to the Evian Conference, July 6, 1938, 530 f., 544 und 553 (Übersetzung des Verfassers).

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274 Ebd., 530 f. 275 Feilchenfeld / Michaelis / Pinner, Haavara-Transfer nach Palästina und Einwanderung deutscher Juden 1933–1939, 75 und 90; Yfaat Weiss, Art. »Ha’avara-Abkommen«, in: EJGK, Bd. 2, 490–494. 276 Der Auswanderungs- und Transferplan für das Intergovernmental Committee der Evian-Flüchtlingskonferenz in London unter Einbau des Haavara-Transfers. 277 Leo Lambert, Zur internationalen Regelung der Flüchtlingsfrage, in: Pariser Tageszeitung, 8. September 1938, 3. 278 Walter Ulbricht, Zur Taktik des trojanischen Pferdes (Dok.  383), in: Weber / Drabkin / Bayerlein (Hgg.), Deutschland, Russland, Komintern, Teilbd. 2, 1220–1222. 279 Die Prozentzahl bezieht sich auf den Zeitraum 1933 bis 1942. Feilchenfeld / Michaelis / ​Pinner, Haavara-Transfer nach Palästina und Einwanderung deutscher Juden ­1933–1939, 77. 280 Wovon er die IRH bezeichnenderweise ausnahm: »Abgesehen von der Betreuung für kommunistische Flüchtlinge seitens der Roten Hilfe und für einige politische Flüchtlinge durch den Matteotti-Fonds, der effizienten Hilfs- und Wiederaufbauarbeit der Quäker und einiger spezieller Maßnahmen für Juden und Nichtjuden,  […] blieb die Unterstützung für nichtjüdische und insbesondere christliche Flüchtlinge relativ gering.« Vgl. Simpson, Refugees, 63 f. (Übersetzung des Verfassers). 281 Barkai, »Schicksalsjahr 1938«, 94–117. 282 Vgl. dazu Heumos, Die Emigration aus der Tschechoslowakei nach Westeuropa und dem Nahen Osten 1938–1945, 15–53. 283 JDC Archives, NY AR193344/254, Bl. 1, Liaison Committee, Minutes of the Meeting Held at Paris, December 19, 1938. 284 Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und der Tschechoslowakischen Republik über Staatsangehörigkeits- und Optionsfragen (20. November 1938), RGBl. 1938, II, 896–900. 285 JDC Archives, NY AR193344/254, Bl. 2, Liaison Committee, Minutes of the Meeting Held at Paris, December 19, 1938 (Übersetzung des Verfassers). 286 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/4/114a, Bl. 276–278, Leo Zuckermann, Bericht [z]ur Evakuierung der Flüchtlinge aus der CSR nach dem Münchener Abkommen, 15. Juli 1950. 287 Ebd., Bl. 277. 288 Ebd. 289 Heumos, Die Emigration aus der Tschechoslowakei nach Westeuropa und dem Nahen Osten 1938–1945, 53. 290 Vgl. die Materialien in SAPMO-BArch, DY 30/IV2/4/113 (ZPKK Großbritannien). 291 Stein, Beyond Death and Exile; Soo, The Routes to Exile, 57–91. 292 Ebd. 293 JDC Archives, NY AR193344/254, Bl. 18, Liaison Committee of the High Commissioner for Refugees under the Protection of the League of Nations, Minutes of the Meeting Held at Paris, February 21, 1939; American Jewish Archives, MS-361/A1/3, Bl. 9, Liaison Committee of the High Commissioner for Refugees under the Protection of the League of Nations, Bericht über die Sitzung des Liaison-Comités vom 13. Juni 1939 in Paris. 294 Vgl. die Materialien der Warwick Digital Collections (https://wdc.contentdm.oclc. org/digital/): International Emergency Conference for Spanish Refugees, 30. Juni 1939 (Doc. 292/946/26/55); International Solidarity and the Spanish Republicans. Presented by the Organising Bureau of the International Emergency Conference for Spanish Ref­ ugees, July 15/16, 1939 (Broschüre, Doc. 292/946/18a/11). 295 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 8, nach Min. 17:00. Vgl. auch Schwartze, Rudolf Zuckermann, 17. 296 Vgl. etwa Morse, While Six Million Died; Wyman, Paper Walls; Wells, Who Speaks for

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the Vanquished?; Bauer, Jüdische Reaktionen auf den Holocaust. Zuletzt: Thies, Evian 1938. 297 Friedländer, Das Dritte Reich und die Juden, Bd. 1, 291–328. Vgl. auch Meyer, Art. »Reichsvertretung der deutschen Juden«, in: EJGK, Bd. 5, 144–151, hier 147 f. 298 Friedländer, Das Dritte Reich und die Juden, Bd. 1, 268 f. Zum Terminus der »Rettung« vgl. Jünger, Jahre der Ungewissheit, 13 und 20 f. 299 ZK der KPD, Gegen die Schmach der Judenpogrome! (November 1938), zit. nach Keßler, Die SED und die Juden – zwischen Repression und Toleranz, 24. 300 Mammach (Hg.), Die Berner Konferenz der KPD. 301 Vgl. dazu Duhnke, Die KPD von 1933 bis 1945, 311–324. 302 Wolf, Das Schiff auf der Donau. 303 Das Schiff der Heimatlosen, in: Pariser Tageszeitung, 22. April 1938,  1. Vgl. auch: Austrian Jews Set Adrift on Borders, in: The New York Times, 20. April 1938, 1 und 13; 51 Jews Cast Adrift by Nazis in Mid-Danube, in: Jewish Telegraphic Agency, 21. April 1938; Homeless Austrian Jews. Refugee Found in Danube Tugboat, in: The New York Times, 22. April 1938, 13. 304 SAPMO-BArch, NY 4036/606, Bl. 156–172, hier 167, Tom Bell, Bericht über die Arbeit der MOPR, 5. September 1939. 305 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/11/v.5248 (Kaderakte Leo Zuckermann), Bl. 105–108, hier 106, Leo Zuckermann, Lebensbericht, 18. Juli 1951 (Abschrift).

Kapitel 2 Wiederaneignung von Herkunft (1940–1947) 1 Zuckermann, Restitution und Wiedergutmachung, 431. 2 Herf, Zweierlei Erinnerung, 239–249, der mit dem ursprünglichen Begriff des »Nürnberger Interregnums« die unmittelbare, für eine Auseinandersetzung mit dem Erbe des Nationalsozialismus förderliche Nachkriegszeit unter dem Zeichen der Nürnberger Prozesse bezeichnet. 3 Paul Merker, Hitlers Antisemitismus und wir, in: FD 1 (1941/1942), H. 12, 9–11. 4 Vgl. Kap. 2.4 in diesem Buch. 5 Zit. nach Kießling, Partner im »Narrenparadies«, 58. 6 Paul Merker, Hitlers Antisemitismus und wir, in: FD 1 (1941/1942), H. 12, 9–11, hier 11. 7 SAPMO-BArch, NY 4102/6, Bl. 66, Paul Merker, Die Bewegung Freies Deutschland in Lateinamerika. Erinnerungen, Dokumentationen und Bericht (unveröffentlichtes Manuskript, 1965). 8 SAPMO-BArch, NY 4102/27, Bl. 31–68, hier 33, Paul Merker an ZPKK, 1. Juni 1956. An anderer Stelle desselben Dokuments heißt es auch: »Ich bin weder Jude noch Zionist – ein Verbrechen wäre wohl keines von beiden […].« Ebd., Bl. 46. 9 Zuckermann, Restitution und Wiedergutmachung, 430. 10 Wie dies auch aus anderen, nicht marxistischen Zusammenhängen überliefert ist. Vgl. etwa Gallas, »Das Leichenhaus der Bücher.«, bes. 77–97. 11 Vgl. dazu Graf, Vor den Trümmern zweier Welten. 12 Vgl. etwa Alexander Abusch, Sturm auf Ostpreussen, in: FD 3 (1943/1944), H. 9, 7 f.; ders., Kampf um Berlin, in: FD 4 (1944/1945), H. 4, 8 f. 13 Katz, Totenjäger. 14 Vgl. Pohle, Das mexikanische Exil, 328–331. 15 Egon Erwin Kisch, Das Raetsel der juedischen Indianer, in: FD 1 (1941/1942), H. 2, 13 f.

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Frei, Der Papiersäbel, 248. Schlenstedt, Kommentar, 313. Seghers, Transit. Vgl. dazu auch Philipp Graf, Art. »Transit«, in: EJGK, Bd. 6, 151–156. Weber, The Lisbon Route; Mühlen, Fluchtweg Spanien – Portugal. Seghers, Briefe an Leser, 43 f. Dies., Transit, 166. Jacob Zuckerman, unveröffentlichte Memoiren, 23 f. (die deutsche Rechtschreibung wurde stillschweigend angepasst). Ich danke Alex Zuckerman (Berlin) für die freundliche Überlassung des zitierten Materials. Ebd. Zur Haltung von Komintern und KPD gegenüber dem Pakt vgl. Duhnke, Die KPD von 1933 bis 1945, 324–364; Sator, Das kommunistische Exil und der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt; Weber / Drabkin / Bayerlein (Hgg.), Deutschland, Russland, Komintern, Teilbd.  2, 159–167; Bayerlein (Hg.), »Der Verräter, Stalin, bist Du!«. Zum Nichtangriffsvertrag allgemein: Weber, Der Pakt. So Koestler, Die Geheimschrift, 446. Duhnke, Die KPD von 1933 bis 1945, 341. Die Echtheit der von Anton Ackermann 1950 in einem Bericht an die ZPKK der SED kolportierten Begebenheit ist nicht verbürgt; Merker stritt sie bei seinen Verhören 1953 aus nachvollziehbaren Gründen vehement ab. SAPMO-BArch, DY 30/IV2/4/117, Bl. 53, Anton Ackermann, Aktennotiz, 29. August 1950. Vgl. dazu auch Kießling, Partner im »Narrenparadies«, 16. Gross, Willi Münzenberg, 480. Koestler, Die Geheimschrift, 414. Regler, Das Ohr des Malchus, 439–441; Wehner, Zeugnis, 233–238. Lenin, Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. Ebd., 102. Ebd., 88 (Hervorhebung im Original). Ebd., 136 (Hervorhebung im Original). Erklärung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Deutschlands zum Abschluß des Nichtangriffspaktes zwischen der Sowjetunion und Deutschland, in: Rundschau über Politik, Wirtschaft und Arbeiterbewegung, 31. August 1939, 1323 f. Vgl. auch Duhnke, Die KPD von 1933 bis 1945, 334 f. Deutlich wird dies u. a. an den Interviews mit Eckart Boege, in denen Zuckermann die Frage aufwirft, ob das »Studium heute von Gramsci […] die Fortsetzung von Lenin« darstelle bzw. inwieweit ersterer diesen »ergänzt« habe. Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 3, nach Min. 1:10:55. »In Wirklichkeit haben die englischen und französischen Imperialisten, insbesondere nach Hitlers Machtantritt, als sie das Misslingen ihres Planes, die bewaffneten Kräfte der deutschen Faschisten gegen die Sowjetunion zu lenken, sahen, begonnen, Milliarden auf die Kriegsvorbereitungen ihres dauernden Rivalen zu verwenden.« SAPMO-BArch, NY 4036/606, Bl. 174–181, hier 177, Tom Bell, Der imperialistische Krieg und die internationale Solidaritäts-Bewegung, 1. Oktober 1939. Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 10, nach Min. 22:00. Seghers, Transit, 74. Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 3, nach Min. 1:13:00. Kantorowicz, Deutsches Tagebuch, Bd. 1, 602–605; Koestler, Die Geheimschrift, 257 f. Walter Ulbricht, Hilferding über den »Sinn des Krieges«, in: Die Welt. Zeitschrift für Politik, Wirtschaft und Arbeiterbewegung, 9. Februar 1940, 135–137, zit. nach Weber, Der deutsche Kommunismus, 364–367, hier 365.

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43 Zit. nach ebd., 367. 44 Pieck, Um was geht es in diesem Krieg?, 1264. 45 Aus der reichhaltigen Literatur vgl. stellvertretend: Eggers, Deutschsprachige Emigranten in den französischen Internierungslagern (1939–1942), 35. Als Überblick vgl. ders., Unerwünschte Ausländer; Peschanski, La France des camps. Zu einzelnen Lagern vgl. Laharie, Gurs 1939–1945; Obschernitzki, Letzte Hoffnung  – Ausreise; Hinze, Antifaschisten im Camp Le Vernet; Friedemann, Begegnungen mit dem Camp de Rivesaltes. 46 Ein eindrücklicher Bericht ist Frei, Die Männer von Vernet. 47 SAPMO-BArch, DY  30IV2/11/v.5248 (Kaderakte Leo Zuckermann), Bl. 105–108, hier 106, Leo Zuckermann, Lebensbericht, 18. Juli 1951 (Abschrift). 48 Ebd. 49 Eggers, Deutschsprachige Emigranten, 37. 50 Zit. nach Delacor, »Auslieferung auf Verlangen«?, 219. 51 Text in Böhme, Der deutsch-französische Waffenstillstand im Zweiten Weltkrieg, 367. 52 Delacor, »Auslieferung auf Verlangen«?, 222 f., sowie Fn. 27. 53 Eggers, Die Reise der Kundt-Kommission durch die südfranzösischen Lager. 54 BArch, R  58/9700 (»Anlagekarte Nr. 1«), Karteikartensammlung Gestapo-Verfolgte, Bd. 10, Eintrag »Zuckermann, Leo«. 55 Vgl. den Briefverkehr in PAAA, R 99595, Fiche Nr. 6116 (Deutsche Emigrantentätigkeit im Ausland). 56 Vgl. den Eintrag »Zuckermann, Leo« in Bundesarchiv, R 58/9700, der zunächst »Lambert, Leo« lautete, dann aber (zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt) mit der Schreibmaschine in »Zuckermann, Leo« geändert wurde. Auch Zuckermann selbst erinnert sich, dass während seiner Zeit in Marseille »die Gestapo herausbekommen [habe], daß ›Leo Lambert‹ – [das] Pseudonym, unter dem ich gearbeitet hatte – mit mir identisch war«. SAPMO-BArch, DY  30IV2/11/v.5248 (Kaderakte Leo Zuckermann), Bl. 105–108, hier 107, Leo Zuckermann, Lebensbericht, 18. Juli 1951 (Abschrift). 57 Duhnke, Die KPD von 1933 bis 1945, 351 f. 58 Zit. nach Abusch, Der Deckname, 505. Abusch erinnert sich, die Pariser Leitung habe nach seiner Rückkehr aus der Internierung in der Normandie Anfang November 1939 aus Anton Ackermann und seiner Frau Elli Schmidt, aus Ernst Melis, Albert Norden, Käthe Dahlem und seiner Person bestanden. Ebd., 502 f. 59 Ebd., 530–566. 60 »[C]ette situation de diable!« –Anna Seghers an F. C. Weiskopf, 23. November 1940, abgedruckt in: Seghers, Ich erwarte Eure Briefe wie den Besuch der besten Freunde, 89–91, hier 90 f. 61 Schwartze, Rudolf Zuckermann, 18–20. 62 Wie Zuckermann 1951, allerdings ohne genaue Zeitangaben, geltend machte. Vgl. SAPMO-BArch, DY  30IV2/11/v.5248 (Kaderakte Leo Zuckermann), Bl. 105–108, hier 107, Leo Zuckermann, Lebensbericht, 18. Juli 1951 (Abschrift). 63 Bundesarchiv, R  58/9700, Karteikartensammlung Gestapo-Verfolgte, Bd. 10, Eintrag »Zuckermann, Leo«. – Zuckermann gab später an, vom Generalstaatsanwalt der DDR über das Verfahren informiert worden zu sein, nachdem die DDR-Behörden entsprechende Dokumente aufgefunden hatten. Begegnungsstätte Alte Synagoge, NL Ulrich Föhse, Ordner 4 (unpaginiert), Leo Zuckermann an Ulrich Föhse, 12. Dezember 1982. Ein seitens des Volksgerichtshofes in Abwesenheit Zuckermanns ergangenes Urteil konnte nicht ermittelt werden. 64 Zuckerman, unveröffentlichte Memoiren, 24. 65 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/4/112, Bl. 434–436, hier 434, Leo Zuckermann, Bericht über Marsaille [sic], 15. Juli 1950.

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66 So Axen, Ich war ein Diener der Partei, 96: »Zuckermann kannte ich aus Paris; damals wußte ich gar nicht, daß er Deutscher ist. Er sprach perfekt Französisch […].« 67 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/4/112, Bl. 434–436, hier 434, Leo Zuckermann, Bericht über Marsaille [sic], 15. Juli 1950. Vgl. auch Fry, Auslieferung auf Verlangen, 37. 68 Schuler, Mexico Between Hitler and Roosevelt, 193–195; Soo, The Routes to Exile, 96 f. 69 Kießling, Brücken nach Mexiko, 299. 70 Vgl. Kap. 1.5 in diesem Buch und Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd.  10, nach Min. 12:00. 71 Bosques stützte sich nach eigenen Angaben bei »vielen Fragen, die Deutsche betrafen, […] auf den Rat des Juristen Dr. Leo Zuckermann«; Zuckermann gab später an, in Marseille mit Bosques »täglich zusammengearbeitet« zu haben. Kießling, Brücken nach Mexiko, 308; Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 10, nach Min. 12:44. Für einen neuen Blick auf Bosques vgl. Gleizer, Gilberto Bosques y el consulado de México en Marsella (1940–1942) [Gilberto Bosques und das mexikanische Konsulat in Marseille (1940–1942)]. 72 Kießling, »Leistner ist Mielke«, 50–52. 73 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 10, nach Min. 15:00. 74 Ebd., Tbd. 8, nach Min. 9:00. 75 Zu Field vgl. Barth / Schweizer / Grimm (Hgg.), Der Fall Noel Field; Kießling, Partner im »Narrenparadies«, 41–96. 76 Kießling, Brücken nach Mexiko, 304. Zur Flucht aus Marseille allgemein vgl. Jennings, Escape from Vichy. 77 Kießling, Brücken nach Mexiko, 304–310. 78 Und das, obwohl für Dahlem, Rädel, Lex Ende und andere mexikanische Visen vorlagen. Ebd., 313. 79 Ebd., 548. 80 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 7, nach Min. 57:30. 81 Schwertfeger, In Transit. 82 Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, 608 f. 83 Ebd., 614. 84 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 8, nach Min. 7:30. 85 Vgl. dazu Marrus / Paxton, Vichy France and the Jews, 213 f.; Seibel, Macht und Moral, 43. 86 Eggers, Deutschsprachige Emigranten in den französischen Internierungslagern, 45 f. 87 Vgl. dazu Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hg.), »… es geschah am helllichten Tag!«. 88 Marrus / Paxton, Vichy France and the Jews, 215–278. 89 Saul Friedländer beschreibt eindringlich den Versuch seiner Eltern, sich nach der deutschen Okkupation der unbesetzten Zone im November 1942 durch Flucht in die Schweiz dem deutschen Zugriff zu entziehen. Ders., Wohin die Erinnerung führt, 17 f. und 193–197. 90 Für die Reihe an Gesetzen, Verordnungen und anderen Entrechtungen, die den Juden in Frankreich ab der deutschen Besatzung das Leben zur Hölle machten, vgl. die alltagsgeschichtlich orientierte Studie von Poznanski, Jews in France during World War  II, bes. Kap. 2. 91 Liberles, Salo W. Baron, 270–274. 92 Abusch, Der Deckname, 568. 93 Zu den verschiedenen Schiffen, die Angehörige der späteren Merker-Gruppe nach Mexiko brachten, vgl. Kießling, Brücken nach Mexiko, 310–314; Pohle, Das mexikanische Exil, 32–35. 94 Abusch, Der Deckname, 549 f. und 516 f. 95 So Reinerová in dem Dokumentarfilm Flucht nach Mexiko – Deutsche im Exil (Deutschland 1994, Buch und Regie: Gerlinde Böhm), Min. 34:00.

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96 Zit. nach Fischer-Defoy (Hg.), Letzte Zuflucht Mexiko, 278. 97 Die Gründe für diese Abweichung von der Regel lassen sich nur vermuten; möglicherweise spielte die Sprachenfrage eine Rolle, dass nämlich die überwiegende Mehrzahl der Emigranten aus Deutschland des Spanischen nicht mächtig war. SAPMO-BArch, NY 4102/6, Bl. 49, Paul Merker, Die Bewegung Freies Deutschland in Lateinamerika. Erinnerungen, Dokumentationen und Bericht (unveröffentlichtes Manuskript, 1965). 98 Der Kontakt war zunächst wohl über Ludwig Renn zustande gekommen, dann in erster Linie aber von Otto Katz vertieft worden. Renn, In Mexiko, 23–26. Zu Toledano vgl. Pohle, Das mexikanische Exil, 50–54, 90–95 und 115–117. 99 Vgl. zu diesem Komplex auch Gleizer, International Rescue of Academics, Intellectuals and Artists from Nazism during the Second World War. 100 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 7, nach Min. 54:00. 101 Ebd., nach Min.  58:00. Ähnlich auch Charlotte Janka: »Es war wirklich so, dass im Unterschied zu anderen Emigrationsländern Mexiko uns alle Chancen und Möglichkeiten eröffnete. Wir haben fünf Jahre keine Papiere bei uns haben müssen, nie hat einer gefragt: Wer bist du denn.« Zit. nach Fischer-Defoy (Hg.), Letzte Zuflucht Mexiko, 140. 102 Kießling, Absturz in den kalten Krieg, 7. 103 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 8, nach Min. 47:00. 104 Hanffstengel / Tercero Vasconcelos / Wehner Franco (Hgg.), Mexiko, das wohltemperierte Exil. 105 Vgl. die Aufstellung der wichtigsten Mitglieder in SAPMO-BArch, NY 4102/6, Bl. ­500–515, Paul Merker, Die Bewegung Freies Deutschland in Lateinamerika. Erinnerungen, Dokumentationen und Bericht (unveröffentlichtes Manuskript, 1965). Zur Organisationsstruktur der Merker-Gruppe vgl. die Ausführungen Merkers in ebd.; Kießling, Alemania Libre in Mexiko, Bd. 1; Pohle, Das mexikanische Exil, bes. Kap. 5 und 6. 106 Vgl. die Eigendarstellung Heinrich Heine Klub (Hg.), Heines Geist in Mexico. 107 Freies Deutschland. Alemania Libre. Vgl. dazu auch SAPMO-BArch, NY 4102/6, Bl. 58 f., Paul Merker, Die Bewegung Freies Deutschland in Lateinamerika. Erinnerungen, Dokumentationen und Bericht (unveröffentlichtes Manuskript, 1965). 108 Ebd., Bl. 46–61; SAPMO-BArch, NY 4246/1, Bl. 43–59, Georg Stibi, Kurze Darstellung der Meinungsverschiedenheiten in der deutschen Parteigruppe in Mexiko, 24. Juli 1946. 109 Vgl. den Gründungsaufruf: Zusammenschluss gegen Hitler, in: FD 2 (1942/1943), H. 3, 5. Zum LAK vgl. auch Kießling, Alemania Libre in Mexiko, Bd. 1, 150–219; Pohle, Das mexikanische Exil, 245–274. 110 Demokratische Post. 111 SAPMO-BArch, NY 4102/6, Bl. 59 f., Paul Merker, Die Bewegung Freies Deutschland in Lateinamerika. Erinnerungen, Dokumentationen und Bericht (unveröffentlichtes Manuskript, 1965). 112 Kießling, Alemania Libre in Mexiko, Bd. 2, 249–351; Patka, Zu nahe der Sonne, 139. 113 »Das nach spanischer Art gebaute Haus bestand aus sechs großen, sämtlich in Hochparterre gelegenen Räumen, die sich in Hufeisenform um eine offene Veranda gruppierten, auf die alle ihre Türen und Fenster führten. Das Haus bot also genügend Raum für das LAK und die Bewegung Freies Deutschland Mexiko, für die beiden Redaktionen sowie für den Zeitungs- und den Buchverlag, und auch noch für die Bibliothek.« SAPMO-BArch, NY 4102/6, Bl. 237–243, hier 237 f., Paul Merker, Die Bewegung Freies Deutschland in Lateinamerika. Erinnerungen, Dokumentationen und Bericht (unveröffentlichtes Manuskript, 1965). 114 Vgl. ebd., Bl. 80, sowie die Materialien in SAPMO-BArch, SgY 14/14 und NY 4102/54. 115 Morré, Hinter den Kulissen des Nationalkomitees; Erler / Laude / Wilke (Hgg.), »Nach Hitler kommen wir«. – Vgl. auch Kap. 2.4 in diesem Buch.

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116 Bodo Uhse, Der Pogrom geht weiter, in: FD 1 (1941/1942), H. 1, 8 f. 117 Theodor Balk, Freies Europa im freien México. Eine Rundfrage von Theodor Balk, in: ebd., H. 2, 19 f., hier 20. 118 Leo Katz, Antisemitismus als Barometer, in: ebd., H. 3, 13 f. 119 Ernst Abusch (Alexander Abusch), Der gelbe Stern und das deutsche Volk, in: ebd., 17 f. 120 Ist das deutsche Volk antisemitisch? (Leserbrief), in: ebd., H. 2, 27. Vgl. auch die Rubriken »FD hoert«, »FD liest« und »FD berichtet«, in: ebd., H. 1–6, passim. 121 Egon Erwin Kisch, Das Raetsel der juedischen Indianer, in: ebd., H. 2, 13 f. 122 Herf, Zweierlei Erinnerung, 54. 123 Grigat, Mit dem Mufti gegen den Zionismus – mit Gromyko für Israel. Vgl. dazu auch Rubenstein, The Communist Movement in Palestine and Israel, 1919–1984, Kap. 12. 124 Bodo Uhse, Der Pogrom geht weiter, in: FD 1 (1941/1942), H. 1, 8 f., hier 8. 125 Leo Katz, Antisemitismus als Barometer, in: ebd., H. 3, 13 f., hier 13. 126 Vgl. die Angaben in Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. u. a. (Hgg.), Buch der Erinnerung, Bd. 2, 766 f. – Woher Uhse seine Informationen über die Lage der Hannoveraner Juden bezogen hatte, ist nicht bekannt. 127 Bodo Uhse, Der Pogrom geht weiter, in: FD 1 (1941/1942), H. 1, 8 f., hier 8. 128 Leo Katz, Antisemitismus als Barometer, in: ebd., H. 3, 13 f., hier 14. 129 Leningrad und die Juden, in: ebd., H. 1, 10. 130 SAPMO-BArch, NY 4102/6, Bl. 50 f., Paul Merker, Die Bewegung Freies Deutschland in Lateinamerika. Erinnerungen, Dokumentationen und Bericht (unveröffentlichtes Manuskript, 1965). 131 Kießling, »Leistner ist Mielke«, 63 f. 132 Bruno Frei, Der Funke, in: FD  1 (1941/1942), H. 2, 23 f.; Lion Feuchtwanger, Flucht vor dem eigenen Schatten, in: ebd., H. 7, 18 f.; Fuer die Gefangenen in Castres, in: ebd., H. 10, 2. Eine Anzeige in der ersten Ausgabe lautete: »HELFT DEN HELFERN! // In den suedfranzoesischen Lagern warten Tausende auf ihre Rettung // IHR SEID IN SICHERHEIT // SPENDET! HELFT! […]«, in: ebd., H. 1, 25; H. 2, 26. 133 Matthäus, Das »Unternehmen Barbarossa« und der Beginn der Judenvernichtung, Juni – Dezember 1941; Longerich, Politik der Vernichtung, 293–418. 134 Gruner, Von der Kollektivausweisung zur Deportation der Juden aus Deutschland (1938–1945). 135 Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden, 1. September 1941, in: RGBl. 1941, I, 547; Schreiben des Gestapo-Chefs Müller an den Beauftragten des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD in Belgien und Frankreich. Auswanderungsverbot für Juden, 23. Oktober 1941, abgedruckt in: Longerich (Hg.), Die Ermordung der europäischen Juden, 82 (Dok. 17). 136 Longerich, Politik der Vernichtung, 441–465. 137 Hilberg, Die Vernichtung der europäischen Juden, Bd. 2, 980–983. Vgl. dazu auch Friedländer, Der Weg zum NS-Genozid. 138 Longerich, Politik der Vernichtung, 442 f. 139 Steinbacher, ­Auschwitz, 70. 140 Arad, The Operation Reinhard Death Camps; Lehnstaedt, Der Kern des Holocaust. 141 FD berichtet, in: FD 1 (1941/1942), H. 1, 26. 142 Er selbst gab später an, dass er im August 1941, also noch in Marseille, von der Deportation seines Vaters erfahren habe. Vgl. United States Holocaust Memorial Museum, Washington, D. C. (nachfolgend USHMM), RG-67.014M, H 245/412, Kate Knopfmacher an Arieh Tartakower, 17. Februar 1943. Die Deportationen der Wuppertaler Juden begannen jedoch nachweislich erst Ende Oktober 1941. Schrader / Hartung (Hgg.), Tora und Textilien, 200–206.

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143 Was wird aus Deutschland?, in: FD 1 (1941/1942), H. 3, 5 f. 144 Heinrich Freitag, Warum ich ueberging, in: ebd., H. 5, 10. 145 Ernst Fischer, Mit seinen eigenen Haenden …, in: ebd., H. 4, 9. 146 Vgl. die Artikel »Odessa«, »Kamenez-Podolsk« und »Dnjeprpetrowsk«, in: Enzyklopädie des Holocaust, 1057–1059, 731 f. und 355 f. 147 Wiehn (Hg.), Die Schoáh von Babij Jar. 148 Dulden heisst: Mitschuldig sein! Aufruf an das Deutsche Volk! (Extrablatt), in: FD 1 (1941/1942), H. 4, zwischen Seite 2 und 3. 149 Vgl. Longerich, Politik der Vernichtung, 300–302; Römer, Der Kommissarbefehl. 150 Die Chronik des Mordes an Wehrlosen, in: FD 1 (1941/1942), H. 6, 4. 151 Hamburger Institut für Sozialforschung (Hg.), Verbrechen der Wehrmacht, 550–557. 152 Vgl. Kap. 2.4 in diesem Buch. 153 FD berichtet, in: FD 1 (1941/1942), H. 4, 28. 154 Ebd. 155 FD berichtet, in: FD 1 (1941/1942), H. 3, 25. 156 Ernst Abusch (Alexander Abusch), Der gelbe Stern und das deutsche Volk, in: ebd., 17 f., hier 18. 157 Renn, In Mexiko, 12 f. 158 Pohle, Das mexikanische Exil, 54–60 und 222–227. Zur Geschichte der Auslandsdeutschen in Mexiko allgemein vgl. Oeste de Bopp, Die Deutschen in Mexiko; Nagel, Ausländer in Mexiko. 159 Renn, In Mexiko, 120. Vgl. auch eine entsprechende, wohl nach 1945 aufgestellte Liste, die etwas mehr als einhundert Namen, darunter meist Angehörige der Merker-Gruppe, enthält. SAPMO-BArch, SgY 14/14, 1 f., o. A. [Paul Merker?], Nummern der ausgestellten Personalausweise in Mexiko. 160 Joss Fritz (Bodo Uhse), Zeit sich zu besinnen. Ein Wort an die Auslandsdeutschen, in: FD 1 (1941/1942), H. 2, 10 und 24. 161 Zur Liga vgl. Patka, Zu nahe der Sonne, 63–68, und ausführlich Pohle, Das mexikanische Exil, Kap. 4 und 5. 162 So Pohle, Das mexikanische Exil, 126 f. 163 Ebd., 77. 164 Gleizer, Unwelcome Exiles, 41. Zur Geschichte der Juden in Mexiko allgemein vgl. Laikin Elkin, 150 Jahre Einsamkeit. 165 Schwartze, Rudolf Zuckermann, 21. 166 USHMM, RG-67.014M, H 244, Bl. 505, Report Concerning the Refugees from the »Serpa Pinto« for the Meeting of the Central Committee on December 23, 1941. 167 Georg Stibi, Wir kommen aus Europa, in: FD 1 (1941/1942), H. 3, 15 f., hier 15. 168 Ernst Abusch (Alexander Abusch), Der gelbe Stern und das deutsche Volk, in: ebd., 17 f., hier 17. 169 Einer, der von einem Freien Deutschland nichts wissen will (Leserbrief S. Berger), in: FD 1 (1941/1942), H. 2, 25. 170 Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges ging eine Reihe deutscher kommunaler Verwaltungen daran, die Versorgungslage für Juden stark einzuschränken und sie zum Kauf von Lebensmitteln und Dingen des täglichen Bedarfs in speziellen Läden zu nötigen. Für Leipzig etwa ist belegt, dass Mitarbeiter der Stadt im Jahr 1941 »Judenhäuser« »nach verbotenen Lebensmitteln wie Obst und Fleisch« durchsuchten. Held, Die Leipziger Stadtverwaltung und die Deportation der Juden im NS-Staat, 14. 171 Bodo Uhse, Der Pogrom geht weiter, in: FD 1 (1941/1942), H. 1, 8 f. 172 Ernst Abusch (Alexander Abusch), Der gelbe Stern und das deutsche Volk, in: ebd., H. 3, 17 f., hier 17.

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173 Ludwig Renn, Rede auf der Massenkundgebung aus Anlaß der Kriegserklärung M ­ exikos an Hitlerdeutschland, 24. Mai 1942, abgedruckt in: Renn, In Mexiko, 116 f., hier 116. 174 S-rs (Anna Seghers), Deutschland und wir, in: FD 1 (1941/1942), H. 1, 7 f. 175 Ebd., 8. 176 Leo Lambert, Arsenal des inneren Kriegsschauplatzes, in: FD 1 (1941/1942), H. 5, 14 f. 177 SAPMO-BArch, NY 4246/19, »Cursos y conferencias sobre problemas actuales« (Programm). 178 Leo Lambert, Arsenal des inneren Kriegsschauplatzes, in: FD 1 (1941/1942), H. 5, 14 f., hier 15. 179 Ebd. 180 Paul Merker, Das Echo. Diskussion ueber »Hitlers Antisemitismus und wir«, in: FD 2 (1942/1943), H. 4, 33; ders., Hitlers Antisemitismus und wir, in: FD 1 (1941/1942), H. 12, 9–11, hier 9. 181 »Schliesslich gibt es Einwaende arischer wie auch juedischer Emigranten, denen meine Vorschlaege zu weit gehen oder einseitig erscheinen.« Paul Merker, Das Echo. Diskussion ueber »Hitlers Antisemitismus und wir«, in: FD 2 (1942/1943), H. 4, 33. 182 »Ich trat Stibi auch hier, ohne seinen Namen zu nennen, entgegen […].« Vgl. dazu auch SAPMO-BArch, NY 4102/6, Bl. 118 f., Paul Merker, Die Bewegung Freies Deutschland in Lateinamerika. Erinnerungen, Dokumentationen und Bericht (unveröffentlichtes Manuskript, 1965). 183 Paul Merker, Das Echo. Diskussion ueber »Hitlers Antisemitismus und wir«, in: FD 2 (1942/1943), H. 4, 33. 184 Vgl. dazu Laqueur, Hitler’s Holocaust. 185 Himmler hatte sich zudem die Ermordung von Häftlingen durch Giftgas vorführen lassen. Longerich, Politik der Vernichtung, 508. Vgl. zum Riegner-Telegramm Riegner, Niemals verzweifeln, 59–76. Ferner die einschlägigen Studien Laqueur, The Terrible Secret; ders. / Breitman, Der Mann, der das Schweigen brach, sowie neueren Datums Matthäus, Predicting the Holocaust. 186 Hitler Has Ordered Annihilation of All Jews by End of 1942, Washington Hears, in: Jewish Telegraphic Agency, 25. November 1942. 187 Gleizer, Unwelcome Exiles, 249 f. 188 Ein Rundfunk-Appell. Protest gegen die Judenmassakers [sic], in: FD  2 (1942/1943), H. 2, 2. 189 Vgl. etwa die Meldungen, in: FD 1 (1941/1942), H. 9, 3 und H. 10, 4. 190 Paul Merker, Hitlers Antisemitismus und wir, in: FD, H. 12, 9–11, hier 9. 191 Joint Declaration by Members of the United Nations, 17. Dezember 1942, abgedruckt in: Riegner, Niemals verzweifeln, 83 f. 192 Vgl. Patka, Egon Erwin Kisch und sein Wandel vom gläubigen Kommunisten zum bekennenden Juden im Spiegel seiner Literatur, 240; SAPMO-BArch, NY  4102/27, Bl. 31–68, hier 35 und 41, Paul Merker an ZPKK, 1. Juni 1956; SAPMO-BArch, DY 30/ IV2/11/v.5250, Bl. 200, Alexander Abusch, Ergänzungen zu meinem Bericht über die innerparteilichen Gruppierungen in Mexiko, 25. März 1953. 193 1953 berichtete beispielsweise Erich Jungmann dem MfS, dass Zuckermann erheblichen Einfluss auf Merker gehabt habe, »auch in jüdischen Fragen«. SAPMO-BArch, NY 4559/ KK44 (NL Wolfgang Kießling; unpaginiert). 194 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/11/v.801, Bl. 32, Paul Merker, Mein politischer Lebenslauf (undatiert [nach 1949]). 195 Zuckermann, Restitution und Wiedergutmachung. 196 Vgl. die Materialien in USHMM, RG-67.014M., Hs 243, 244 und 238, Bl. 224–228, Bericht ueber Mexico, 7. März 1941.

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197 USHMM, H 244, Bl. 196, Curriculum vitae (Kate Knopfmacher). 198 USHMM, H 240, Bl. 502, Stephen S. Wise und Nachum Goldmann an Comité Central Israelita de Mexico, March 21, 1941; ebd., Bl. 622 f., dies. an The Central Jewish Committee of Mexico, July 8, 1942. 199 Laut Protokoll nahmen sie am 19. Dezember 1938 an einer Sitzung des Beirates in Paris teil. JDC Archives, NY  AR193344/254, Bl. 1, Minutes of the Meeting Held at Paris, December 19, 1938. 200 Vgl. den Schriftverkehr in USHMM, RG-11.001M.36, H 107, Bl. 279. 201 »Dr. Leo Zuckermann himself was very well known to us in Paris when he was a delegate for the Executive Committee of the High Commissioner for Refugees, Sir Herbert Emerson […].« USHMM, RG-67.014M, H 245, Bl. 367, Kate Knopfmacher an Nahum Goldmann, 18. Februar 1943. 202 USHMM, RG-67.014M, H  244, Bl. 505; ebd., Bl. 495 f., Kate Knopfmacher an Arieh Tartakower, 24. Dezember 1942. 203 Nämlich mindestens fünfmal, auf den Sitzungen vom 22. September 1937, 23. Mai und 14. September 1938 sowie vom 28. Januar und 29. April 1939, auf denen jeweils auch Zuckermann anwesend war. Vgl. dazu die bibliografischen Angaben der Beirats-Protokolle in Kap. 1.5 in diesem Buch. 204 Dies legt zumindest eine Notiz des Wuppertaler Historikers Ulrich Föhse nahe, die dieser sich anlässlich eines Gesprächs mit Leo Zuckermann 1982 in Düsseldorf machte. Begegnungsstätte Alte Synagoge, NL Ulrich Föhse, Ordner 4 (unpaginiert). Eine Veranstaltung mit Otto Heller war für den 10. Januar 1933 terminiert (Heller Versammlungen im Rheinlande, in: Die Wende. Zeitschrift der »Geserd«-Gesellschaft für Produktivierung und Siedlung der Juden in der UDSSR 4 [1933], H. 1, 6). Ob Nahum Goldmann tatsächlich daran teilnahm, ist nicht belegt. 205 USHMM, RG-67.014M, H 240, Bl. 347, List of the journalists who attended the press conference […] at the occasion of the visit of Dr. Stephen S. Wise and Dr. Goldmann to Mexico City (1942). Vgl. auch eine entsprechende Meldung in der Rubrik »FD hoert«, in: FD 2 (1942/1943), H. 1, 36. 206 Vgl. die Materialien in USHMM, RG-67.014M, H  251, Bl. 418–421 und 439–443; La Guerra Hitleriana de Exterminio contra los Judíos [Hitlers Vernichtungskrieg gegen die Juden], in: Alemania Libre, 15. November 1942, 1. 207 USHMM RG-67.014M, H 245, Bl. 326, Department of Migration, City Telegram 02937, to The Minister of Foreign Affairs, 28. Januar 1943 (Translation from the Spanish). Vgl. dazu auch Gleizer, Unwelcome Exiles, 211 f. 208 »May I add that Dr. Zuckermann was recently very helpful in the case of the refugee children  […].« USHMM RG-67.014M, H  245, Bl. 367, Kate Knopfmacher an Nahum Goldmann, 18. Februar 1943 (Übersetzung des Verfassers). 209 USHMM, RG-67.014M, H  246, Bl. 243 f., Kate Knopfmacher an Nahum Goldmann, 12. Januar 1941. 210 Vgl. die Briefe von Kate Knopfmacher an Ellen Hilb, 5. November 1941 (ebd., Bl. 299); 25. November 1941 (USHMM, RG-67.014M, H 244, Bl. 423); 31. Juli 1941 (ebd., Bl. 226 f.). 211 »Yesterday I received the sad news through our Geneva office that my mother was deported in the middle of August to an unknown destination. You can imagine how I feel.« Vgl. USHMM RG-67.014M, H 244, Bl. 1129, Kate Knopfmacher an Ellen Hilb, 25. September 1942 (Übersetzung des Verfassers). 212 Abusch, Der Deckname, 458 f. 213 Netty Radványi-Reiling an Anna Stork, 17. Juli 1946, abgedruckt in: Seghers, Ich erwarte Eure Briefe wie den Besuch der besten Freunde, 192 f., hier 192. In einem Brief wenige Wochen später erwähnte sie, das Visum sei nur »Tage« zu spät gekommen. Vgl. Anna

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Seghers an Lore Wolf, 30. September 1946, in: ebd., 199–202, hier 200. Zum Schicksal von Seghers Mutter allgemein vgl. Wagner, Deportation nach Piaski. 214 SAPMO-BArch, NY 4559/KK44 (unpaginiert), Lydia Zuckermann, Lebenslauf, 9. Okto­ ber 1949. 215 USHMM, RG-67.014M, H  245, Bl. 412, Kate Knopfmacher an Arieh Tartakower, 17. ­Februar 1943; ebd., Kate Knopfmacher an Nahum Goldmann, 18. Februar 1943, Bl. 453; USHMM, H 240, Bl. 788, Nahum Goldmann an Kate Knopfmacher, 24. Februar 1943. 216 Vgl. dazu Gleizer, Unwelcome Exiles, 212. Zwar wurde die Regelung letztlich nicht in Anspruch genommen, doch schmälert das die Exzeptionalität der Geste nicht. Dass am Ende keine Kinder gerettet werden konnten, lag weniger am Unwillen der mexikanischen Regierung als an der deutschen Besetzung Südfrankreichs und den daraus resultierenden Schwierigkeiten, überhaupt Kinder lokalisieren, geschweige denn die nötigen formalen Voraussetzungen wie die Erhebung von Namen, Alter, Staatsangehörigkeiten etc. erfüllen zu können. Ebd., sowie den Briefverkehr in USHMM, RG-67.014M, H 245. 217 USHMM, RG-67.014M, H  245, Bl. 324 f., Kate Knopfmacher an Arieh Tartakower, 4. Februar 1943. 218 Ebd., Bl. 412, Kate Knopfmacher an Nahum Goldmann, 18. Februar 1943. 219 Meyer (Hg.), El libro negro del terror nazi en europa. 220 Leo Lambert, Mexiko und die Fluechtlinge, in: FD 2 (1942/1943), H. 7, 8. 221 Lustiger, Rotbuch, 109–112. Vgl. auch Pickhan, Das NKVD-Dossier über Henryk Erlich und Wiktor Alter. 222 Vgl. dazu Pohle, Das mexikanische Exil, 281–284. 223 USHMM, RG-67.014M, H  240, Bl. 796–798, Bruno Frei, Leo Katz, Leo Zuckermann an Comité Central Israelita de México, 13. März 1943. Eine deutsche Übersetzung des spanischen Textes, nach der im Folgenden auch zitiert wird, findet sich im Nachlass von Wolfgang Kießling, SAPMO-BArch, NY 4559/KK44 (unpaginiert), eine Einschätzung der Ereignisse durch Kate Knopfmacher in USHMM, RG-67.014M, H 245, Bl. 442 f., dies. an Arieh Tartakower, 12. März 1943. 224 Im Juni 1943 sah sich das Freie Deutschland veranlasst, eine Gegendarstellung Einsteins abzudrucken, aus der hervorging, dieser habe »seine Intervention in der Angelegenheit Alter und Ehrlich bei der Sowjetregierung nicht zurueckgezogen«, was die Redaktion »mit Bedauern« zur Kenntnis nahm. Vgl. FD 2 (1942/1943), H. 7, 7. 225 USHMM, RG-67.014M, H 240, Bl. 796–798, Bruno Frei, Leo Katz, Leo Zuckermann an Comité Central Israelita de México, 13. März 1943. 226 Lustiger, Rotbuch, 111. 227 Vgl. Kap. 1.3 in diesem Buch. 228 SAPMO-BArch, SgY 14/15, Bl. 4–7, Paul Merker an Wilhelm Pieck, 28. März 1946. 229 In diesem Sinne Kießling, Im Widerstreit mit Moskau. 230 Zur KPD-Führung in Moskau vgl. Duhnke, Die KPD von 1933 bis 1945, 365–399. – Es existiert bislang keine Studie zum Exil in Moskau, die dessen politische Diskussionen – etwa anhand der Monatsschrift Internationale Literatur  – detailliert nachvollzogen hätte. In Ansätzen vgl. Müller, Menschenfalle Moskau; Tischler, Flucht in die Verfolgung; Herf, Zweierlei Erinnerung, 32–40. 231 Zum Klima der Angst im Moskau des »Großen Terrors« vgl. detailreich Petersen, Die Moskauer, und, aus einer literarischen Perspektive, Ruge, Metropol. 232 Duhnke, Die KPD von 1933 bis 1945, 365–371. 233 Morré, Hinter den Kulissen des Nationalkomitees, 52–55. 234 Scheurig, Verräter oder Patrioten, 35–43. 235 Zum NKFD vgl. Weinert (Hg.), Das Nationalkomitee »Freies Deutschland« 1943–1945;

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Ueberschär (Hg.), Das Nationalkomitee »Freies Deutschland« und der Bund Deutscher Offiziere. 236 Internationale Literatur / Deutsche Blätter. Vgl. auch Internationale Literatur Moskau 1931–1945. Bibliographie einer Zeitschrift. 237 An die Juden der ganzen Welt!, in: Internationale Literatur 11 (1941), H. 10, 79; Hugo Huppert, Drei jüdische Balladen, in: ebd. 13 (1943), H. 4, 44–48. 238 Georg Lukács, Der Rassenwahn als Feind des menschlichen Fortschritts, in: Internationale Literatur 11 (1941), H. 1, 40–51, hier 43. 239 Ilja Ehrenburg, Die »Neuordnung« in Kursk, in: Internationale Literatur 13 (1943), H. 4, 3–12, hier 4 f. 240 Vgl. dazu Grossman, Ukraine ohne Juden, 189–200. 241 Über die dann freilich ausführlich auch in Internationale Literatur berichtet wurde. Vgl. die Hefte 2 und 3 (1944) mit Beiträgen von Johannes R. Becher, Leonid Leonow, Ilja Ehrenburg, Maria Markowna Sokol und Bassja Pickmann. Zum Charkower Prozess vgl. Bazyler / Turekheimer, Forgotten Trials of the Holocaust, 15–43. 242 Vgl. die Beiträge von Konstantin Simonow (Das Vernichtungslager), Georg Lukács (Schicksalswende) und Johannes R. Becher (Kinderschuhe in Lublin), in: Internationale Literatur 14 (1944), H. 10, 3–11, 12–15 und 16–23. 243 Zum JAK vgl. Lustiger, Rotbuch; Grüner, Patrioten und Kosmopoliten; Estraikh, The Life, Death, and Afterlife of the Jewish Anti-Fascist Committee, sowie die Quellensammlung Rubenstein / Naumov (Hgg.), Stalin’s Secret Pogrom. 244 Grüner, Patrioten und Kosmopoliten, 64. 245 Zit. nach Rubenstein / Naumov (Hgg.), Stalin’s Secret Pogrom, 9. Vgl. dazu auch Fiedler, Drei Geschichten einer Desillusionierung. 246 An die Juden der ganzen Welt! (Extrablatt), in: FD 1 (1941/1942), H. 8, zwischen Seite 2 und 3. 247 Mexican Jews Collect 70,000 Pesos for Russia at Banquet for Mikhoels and Feffer, in: Jewish Telegraphic Agency, 23. August 1943. 248 Vgl. die Fotografie in Patka, Zu nahe der Sonne, 113. 249 Vgl. die Angaben zu Umansky in Patka, Egon Erwin Kisch und sein Wandel, 247. 250 Laut Kießling habe Merker auch in Mexiko mit Losowski in Kontakt gestanden. Ders., Im Widerstreit mit Moskau, 123. 251 Cimet-Singer, The Last Battles of Old-World Ideologies in the Race for Identity and Communal Power. 252 Vgl. Kap. 1.3 in diesem Buch. 253 So Goldmann, Mein Leben, 151. 254 »Meine Frau fuhr nach Vichy zum sowjetischen Konsulat, um gleichzeitig mit der Überbringung von Schriftstücken von der deutschen Parteileitung aus dem Lager Le Vernet, um Einreisevisum für uns in die SU zu erbitten.« SAPMO-BArch, DY 30IV2/11/v.5248 (Kaderakte Leo Zuckermann), Bl. 105–108, hier 107, Leo Zuckermann, Lebensbericht, 18. Juli 1951 (Abschrift). Vgl auch ders., Interview mit Boege (1978), Tbd. 7, nach Min. 44:00. 255 La guerra Hitleriana de exterminio contra los Judíos [Hitlers Vernichtungskrieg gegen die Juden], in: Alemania Libre, 15. November 1942, 1; Alemanes y Judíos. Argomentios del Rabbi Stephen Wise [Deutsche und Juden. Mahnungen von Rabbiner Stephen Wise], in: ebd.; La tragedia de los ninos Judíos en Francia [Die Tragödie der jüdischen Kinder in Frankreich], in: Alemania Libre, 17. Juli 1943, 8; Los [sic] refugiados Judios. Por el Dr. Arieh Tartakower [Die jüdischen Flüchtlinge. Von Dr. Arie Tartakower], in: ebd. – Die Urheberschaft Zuckermanns kann angenommen werden, da er in allen drei Fällen – dem Besuch von Stephen Wise im November 1942, dem Schicksal der jüdischen Kinder, und einer Rezension der Veröffentlichung des WJC-Mitarbeiters Arieh Tarta-

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kower – über Informationen aus erster Hand verfügte, die sonst kaum einem Mitglied der Merker-Gruppe zugänglich waren. 256 Leo Zuckermann, Consideraciones tocante al problema de la reparación [Überlegungen zum Problem der Reparation], in: Tribuna Israelita, 15. Januar 1945, 7–9 (Übersetzung des Verfassers). Zum Hintergrund der Zeitschrift Tribuna Israelita vgl. Pohle, Das mexi­kanische Exil, 328–331; Acle-Kreysing, Ex exilio de habla alemana y la recepción del Holocausto en México. 257 Leo Zuckermann, Consideraciones tocante al problema de la reparación [Überlegungen zum Problem der Reparation], in: Tribuna Israelita, 15. Januar 1945, 7–9, hier 7. 258 FD hoert, in: FD 3 (1943/1944), H. 10, 30. Vgl. auch Patka, Chronik der kulturellen und politischen Veranstaltungen verschiedener Exil-Organisationen in Mexiko, 625 f. 259 Leo Lambert-Zuckermann, Der Rechtsanspruch der deutschen Juden auf Wiedergutmachung, in: FD 3 (1943/1944), H. 10, 20 f. 260 Leo Zuckermann, Die Freien Deutschen und der Zionismus, in: Demokratische Post, 31. Dezember 1944, 1. 261 FD 2 (1942/1943), H. 5, 36; Aufbau, 16. April 1943, 3. 262 Vgl. die Ausführungen dazu in SAPMO-BArch, DY 30/IV2/4/112, Genosse Zuckermann (Befragung ZPKK), 10. November 1950, Bl. 419–430, hier 427 f. 263 So Zuckermann 1978 gegenüber Fritz Pohle. Ders., Das mexikanische Exil, 278, Fn. 261. 264 Ebd., 277–280. 265 Zit. nach FD 2 (1942/1943), H. 6, 36. 266 Zit. nach Pohle, Das mexikanische Exil, 278. 267 Nagel, Ausländer in Mexiko, 299 und 310; Oeste de Bopp, Die Deutschen in Mexiko, 521 f. 268 Eine juristische Kommission fuer Mexiko gebildet, in: FD 2 (1942/1943), H. 5, 32 f. 269 Vgl. die Beiträge von Zuckermann in der Beilage von Alemania Libre, Der DeutschMexikaner: Die Gesetzgebung ueber feindliche Auslaender. Das Einspruchsrecht der Hitlergegner (15. April 1943, 4); »Freundliche Auslaender.« Aus dem Referat von Dr. Leo Zuckermann (15. Mai 1943, 3); Der Ausschuss zur Verwaltung und Ueberwachung auslaendischen Eigentums (1. Juni 1943, 3); Was bedeutet die Streichung von der »Schwarzen Liste«? (1. Juli 1943, 3); ders., Ein schwerer Schlag fuer die Nazis in Mexiko … Neue Regierungsmassnahmen  – Fortbestehen der schwarzen Listen nach dem Kriege, in: Demokratische Post, 15. Oktober 1944, 1. 270 Vgl. die Anzeige in: Demokratische Post, 1. Mai 1944, 2, sowie die Besprechung von Dr. jur. P. F., Das neue Gesetz ueber die feindlichen Auslaender, in: Alemania Libre, Der Deutsch-Mexikaner, 15. Juni 1944, 2. 271 Dr. L. Z. (Leo Zuckermann), Was man wissen muss, in: ebd., passim (zweiwöchentliche Kolumne). 272 Leo Zuckermann, Anmeldung von Entschädigungsansprüchen, in: Alemania Libre, Der Deutsch-Mexikaner, 15. August 1943, 1. 273 Ebd. Zur Entwicklung der Reparationsfrage unter den Alliierten vgl. Goschler, Schuld und Schulden, 47–56. 274 Leo Zuckermann, Consideraciones tocante al problema de la reparación [Überlegungen zum Problem der Reparation], in: Tribuna Israelita, 15. Januar 1945, 7–9, hier 8 f. 275 Bearbeitung von »Rueckgabe- und Entschaedigungsanspruechen« in Frankreich, Oesterreich u. der Tschechoslowakei, in: FD 4 (1945), H. 12, 72; dito, in: Demokratische Post, 15. November 1945, 8; Uebernahme von Rechts- und Geschaeftsangelegenheiten fuer Frankreich und Deutschland. Schadensersatzansprueche in Deutschland und anderen europaeischen Laendern, in: Demokratische Post, 15. Mai 1946, 8. 276 Vgl. etwa Alexander Abusch, Goetterdaemmerung, in: FD 2 (1942/1943), H. 4, 7–9; LAK, Gruss den Siegern von Tunis, in: ebd., H. 7, 2; Die Landung in Sizilien, in: ebd., H. 9, 3.

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277 André Simone (Otto Katz), Nach der Konferenz von Moskau, in: FD  3 (1943/1944), H. 1, 6 f.; Paul Merker, Die Erklaerung von Teheran und die Freien Deutschen, in: ebd., H. 2, 6 f. 278 Eugen Varga, Vozmeščenie uščerba gitlerovskoj Germaniej i eё soobščnikami [Die Wiedergutmachung des Schadens durch Hitlerdeutschland und seine Verbündeten], in: Vojna i rabočij klass [Der Krieg und die Arbeiterklasse] 1 (1943), H. 10, 4–10, hier zit. nach ders., Zur Reparationsfrage, in: FD 3 (1943/1944), Nr. 4, 11 f. (gekürzte Fassung). Zur Entwicklung der sowjetischen Reparationsforderungen vgl. Karlsch, Allein bezahlt?, Kap. 2. 279 Paul Mayer, Deutsche und Juden, in: FD 3 (1943/1944), H. 1, 17 f. 280 Gedanken eines deutschen Juden. Brief an die Redaktion, in: ebd., H. 4, 26. 281 Briefe an die Redaktion. Diskussion ueber die Zukunft der deutschen Juden, in: ebd., H. 7, 26. 282 Paul Merker, Brief an einen Freund. Die Bewegung Freies Deutschland und die Zukunft der Juden, in: ebd., H. 5, 6–8, hier 6. 283 Ebd. 284 Zwar hatte das Manifest des NKFD vom 12./13. Juli 1943 allgemein von der »Befreiung und Entschädigung aller Opfer des Hitlerregimes« gesprochen ebenso wie von der erforderlichen »Rückgabe des durch die nationalsozialistischen Machthaber geraubten Hab und Guts an die Eigentümer«; weitergehende Erklärungen blieben jedoch aus. Ueberschär (Hg.), Das Nationalkomitee »Freies Deutschland« und der Bund Deutscher Offiziere, 267. 285 Vgl. Kap. 2.3 in diesem Buch. 286 So hieß es bei Alexander Abusch angesichts des Vormarsches der Roten Armee auf Ostpreußen im August 1944: »Das wirkliche Volk von Ostpreussen, seit elf Jahren geknebelt, wird die Rote Armee als Befreier begruessen. Die Untergrundbewegung wird hervortreten – aehnlich wie in Neapel und Rom beim Herannahen der alliierten Armeen –, um durch ihre eigene Tat den Nazis und Junkern auch eine alte ostpreussische Rechnung zu praesentieren.« Ders., Sturm auf Ostpreussen, in: FD 3 (1943/1944), H. 9, 7 f., hier 8. Ähnlich auch Paul Merker, Nach 25 Jahren, in: FD 2 (1942/1943), H. 12, 6–8; Alexander Abusch, Kampf um Berlin, in: FD 4 (1944/1945), H. 4, 8 f. 287 Vgl. dazu Erler / Laude / Wilke (Hgg.), »Nach Hitler kommen wir«, 51–57. 288 Paul Merker, Lord Vansittart, Friedrich Stampfer und die deutsche Untergrundbewegung, in: FD 3 (1943/1944), H. 7, 7–9. 289 Vansittart, Black Record. Zum Einfluss der Thesen Vansittarts vgl. Später, Vansittart; Geyer u. a., Fight for Freedom. 290 Zur German Labour Delegation vgl. Behring, Demokratische Außenpolitik für Deutschland; zu Sozialdemokraten im amerikanischen Exil und ihrer Wahrnehmung des Holocaust: Bankier, Responses of Exiled German Socialists in the USA and the UK to the Holocaust. 291 Im Laufe des Jahres 1945 erhielt diese Debatte neue Nahrung, als Merker sich gezwungen sah, auf ähnliche Äußerungen seines in London exilierten Parteifreundes Wilhelm Koenen zu reagieren. Vgl. Paul Merker, An meinen Bruder in London, in: FD 4 (1944/1945), H. 6, 6–8; Wilhelm Koenen, An meinen Bruder in Mexiko, in: ebd., H. 10, 37–39; Paul Merker, Antwort an Wilhelm Koenen, in: ebd., H. 10, 39–44. 292 Friedrich Stampfer, Was ist K. P.?, in: Neue Volkszeitung, 8. April 1944,  1. Stampfer hatte u. a. geschrieben: »Heute heisst Kommunist sein, jede Ueberzeugung und jede Menschenwuerde preisgeben, um einem despotischen System zu Dienste zu sein.« 293 Paul Merker, Lord Vansittart, Friedrich Stampfer und die deutsche Untergrundbewegung, in: FD 3 (1943/1944), H. 7, 7–9, hier 9.

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294 Leo Zuckermann, Die Freien Deutschen und der Zionismus, in: Demokratische Post, 31. Dezember 1944, 1. 295 Leo Lambert-Zuckermann, Der Rechtsanspruch der deutschen Juden auf Wiedergutmachung, in: FD 3 (1943/1944), H. 10, 20 f., hier 21. 296 Leo Zuckermann, Consideraciones tocante al problema de la reparación [Überlegungen zum Problem der Reparation], in: Tribuna Israelita, 15. Januar 1945, 7–9, hier 7. 297 In seinem Text vom September 1944 hatte es geheißen, es müsse einer »spaeteren Untersuchung […] vorbehalten bleiben, festzustellen, ob sich aus den Normen des geltenden internationalen oeffentlichen Rechts Wiedergutmachungsansprueche deutscher Juden ergeben«. Leo Lambert-Zuckermann, Der Rechtsanspruch der deutschen Juden auf Wiedergutmachung, in: FD 3 (1943/1944), H. 10, 20 f., hier 20. 298 Vgl. die zeitgenössische Diskussion, von der anzunehmen ist, dass sie zu Zuckermanns juristischer Ausbildung gehörte, u. a. Liszt, Das Völkerrecht; Kelsen, Das Problem der Souveränität und die Theorie des Völkerrechts; Kunz, Die Anerkennung von Staaten und Regierungen im Völkerrecht; Holborn, Kriegsschuld und Reparation auf der Pariser Friedenskonferenz von 1919. 299 Zur Genese des Rückwirkungsverbotes vgl. Cote Barco, Rückwirkung und die Entwicklung der internationalen Verbrechen. – Der Rechtssatz »Nullum crimen sine lege« hatte im Frühjahr 1942 im Zentrum von Zuckermanns Betrachtungen zum Strafrecht in Deutschland gestanden. Leo Lambert, Arsenal des inneren Kriegsschauplatzes, in: FD 1 (1941/1942), H. 5, 14 f. 300 Leo Zuckermann, Consideraciones tocante al problema de la reparación [Überlegungen zum Problem der Reparation], in: Tribuna Israelita, 15. Januar 1945, 7–9, hier 7. 301 Adler-Rudel, Aus der Vorzeit der kollektiven Wiedergutmachung. Vgl. dazu auch Goschler, Schuld und Schulden, 40–46. 302 Leo Katz, Die Juden in der SU, in: FD 2 (1942/1943), H. 12, 17 f.; Leo Deutsch, Das Vermächtnis der jüdischen Freiheitshelden, in: Demokratische Post, 1. August 1944, 2. 303 O. T., in: FD 2 (1942/1943), H. 10, 4; Karl Hetz, Der Todeswagen, in: FD 3 (1943/1944), H. 2, 19; Willi Bredel, Portraet eines Raubtieres, in: ebd., H. 3, 15; FD berichtet, in: ebd., 27; Alexander Abusch, Marschrichtung Berlin, in: ebd., H. 8, 9 f. 304 FD berichtet, in: ebd., H. 9, 32. 305 Neben westlichen Journalisten war es namentlich der Offizier der Roten Armee Konstantin Simonow, durch dessen Bericht die Existenz von Majdanek zeitnah bekannt wurde. Ders., Die Todesfabrik, in: Demokratische Post, 1. September 1944, 5. Der Bericht war der Merker-Gruppe über die sowjetische Botschaft zugegangen. 306 Vgl. den zeitgenössischen Bericht: Lublin Funeral. Russians Honor Jews whom Nazis Gassed and Cremated in Mass, in: Life, 28. August 1944, 34. 307 Paul Merker, Wie wir es sehen, in: Demokratische Post, 15. September 1944, 1. 308 Alexander Abusch, Hitlers Todesfabriken und die Verantwortung der Deutschen, in: FD 3 (1943/1944), H. 12, 13–15, hier 15. 309 LAK, Zu Hitlers Todesfabriken, in: ebd., H. 11, 10. 310 Leo Lambert-Zuckermann, Der Rechtsanspruch der deutschen Juden auf Wiedergutmachung, in: ebd., H. 10, 20 f., hier 20. 311 Bajohr, »Arisierung« und Rückerstattung. 312 Dreyfus, Die Enteignung der Juden in Westeuropa; Pohl, Der Raub an den Juden im besetzten Osteuropa 1939–1942. 313 Leo Zuckermann, Consideraciones tocante al problema de la reparación [Überlegungen zum Problem der Reparation], in: Tribuna Israelita, 15. Januar 1945, 7–9, hier 7. 314 Zur Geschichte des Comité vgl. Graf, Die Bernheim-Petition 1933; zu dessen Wirken auf der Pariser Friedenskonferenz Fink, Defending the Rights of Others, Kap. 5–8.

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315 Zur Geschichte des IJA, einem bislang wenig erforschten Gegenstand, vgl. dessen Eigenpublikation: dass. (Hg.), The Institute Anniversary Volume (1941–1961); Omry KaplanFeuereisen, Art. »Institute of Jewish Affairs«, in: EJGK, Bd. 3, 130–136. 316 Rubin, The End of Minority Rights. 317 Robinson, Indemnification and Reparations. In ähnlicher Weise, allerdings mit Palästina als bevorzugtem Ziel der Entschädigungszahlungen: Moses, Die jüdischen Nachkriegsforderungen; Gillis / K nopf, The Reparation Claim of the Jewish People. 318 Robinson, Indemnification and Reparations, 245 f., 255–262. 319 Vgl. die Materialien in USHMM, RG-67.014M, H 241 und 242. 320 USHMM, RG-67.014M, H  241, Bl. 1026 f., Moises Glikowski an Baruch Zuckerman, 2. März 1944. 321 Vgl. die Materialien in USHMM, RG-67.014M, H 238; ferner: Jews in Mexico Decide to Intervene for Terrorized Jewish Internees in Santa Rosa, in: Jewish Telegraphic Agency, 23.März 1944. 322 USHMM, RG-67.014M, H  242, Bl. 17, 21 f. und 26 f., Kate Knopfmacher an Moises ­Glikowski, 1. und 6. Juni 1944, und Glikowskis an Knopfmacher, 8. Juni 1944. 323 »I know that Zuckerman  [sic] was always  a very good worker for our matters.«  – USHMM RG-67.014M, H 245, Bl. 367, Kate Knopfmacher an Moises Glikowski, 27. Juni 1946 (Übersetzung des Verfassers). 324 Hinsichtlich der Positionen der Deutschen im Exil heißt es bei Robinson, der sich darin offenbar auf einen internen Bericht vom Herbst 1943 stützte: »Somewhat clearer is the attitude of the Free German Movement in Mexico. Speakers at the first conference of this movement on May 8 and 9, 1943, emphasized that Germany must undo the damage done in the Soviet Union and in other subjugated nations, and that such rebuilding must proceed under the control of the Allied nations.« Ders., Indemnification and Reparations, 225; USHMM, RG-67.014M, H 243, Bl. 541–547, Gerhard Jacoby, Bericht ueber den ersten Landeskongress der Bewegung »Freies Deutschland« in Mexico, 4. November 1943. 325 Leo Lambert, Was wird mit den Fluechtlingen?, in: FD 3 (1943/1944), H. 3, 11–13, hier 11. Auch Paul Merker listete 1945, in der Bibliografie zum zweiten Band seiner Deutschland-Studie, zwei Veröffentlichungen des IJA bzw. des WJC auf. Vgl. ders., Deutschland. Sein oder nicht Sein?, Bd. 1, 506. 326 USHMM, RG-67.014M, H 241, Bl. 1075, Mexican Committee Against Race Discrimination an World Jewish Congress (Mexiko), 25. März 1944. 327 Zur Konferenz von Atlantic City vgl. Segev, The World Jewish Congress during the Holocaust, 115–124. 328 USHMM, RG-67.014M, H 241, Bl. 1104 f., hier 1105, Moises Glikowski an Kate Knopfmacher, 9. Mai 1944. 329 L. Z. (Leo Zuckermann), Dr.  Nahum Goldmann zu den juedischen Problemen, in: Demokratische Post, 1. September 1944, 2. Vgl. auch FD hoert, in: FD 3 (1943/1944), H. 11, 35. 330 USHMM, RG-67.014M, H 242, Bl. 762, Program for Dr. Goldman [sic] in Mexico. 331 American Jewish Congress (Hg.), Summary of Proceedings, 4. – »It would be adding mockery to tragedy, were non-Jewish individuals and communities and governments to become the heirs to property which, if not legally, certainly morally, belongs to the Jewish community and must be used for rebuilding Jewish life and a Jewish future.« Die deutsche Übersetzung folgt Dan Diner, Art. »Restitution«, in: EJGK, Bd. 5, 202–209, hier 202. 332 L. Z. (Leo Zuckermann), Dr.  Nahum Goldmann zu den juedischen Problemen, in: ­Demokratische Post, 1. September 1944, 2.

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333 »Zur Kriegstagung des« Juedischen Weltkongresses, in: Demokratische Post, 15. Januar 1945, 6. 334 Jüdischer Weltkongress (Hg.), Ausserordentliche Konferenz, 25 f. 335 Dan Diner, Art. »Restitution«, in: EJGK, Bd. 5, 202–209, hier 203. 336 Alexander Abusch, Hitlers Todesfabriken und die Verantwortung der Deutschen, in: FD 3 (1943/1944), H. 12, 13–15, hier 14. 337 Seghers, Der Ausflug der toten Mädchen und andere Erzählungen. 338 Auskunft von Eckart Boege, 25. Januar 2021 sowie Auskunft von Brigida von Mentz, 28. Januar 2021. Vgl. auch SAPMO-BArch, NY 4559/KK44 (unpainiert), Leo Katz an Lydia Zuckermann, 10. Oktober 1951. 339 Leo Katz, Antisemitismus als Barometer, in: FD 1 (1941/1942), H. 3, 13 f.; ders., Johannes der Taeufer, in: FD 2 (1942/1943), H. 6, 15 f.; ders., Der Aufstand des Ghettos, in: ebd., H. 8, 15; ders., Die Juden in der Sowjetunion, in: ebd., H. 12, 17 f. 340 Katz, Totenjäger. 341 Katz, Nachwort, 397. 342 Pohle, Das mexikanische Exil, 328. 343 Zur Person Katz’ vgl. Rabinbach, Otto Katz; Miles, The Nine Lives of Otto Katz. 344 André Simone (Otto Katz), Die neue Magna Charta von Moskau, in: FD 3 (1943/1944), H. 4, 7–9; ders., Der Kampf um die Sicherung des Friedens, in: FD 4 (1944/1945), H. 1, 9–11. 345 Pohle, Das mexikanische Exil, 317 f. 346 Patka, Egon Erwin Kisch und sein Wandel. 347 Bruno Frei, »Auf den Bergen ist Freiheit«, in: FD 3 (1943/1944), H. 9, 15–17. Vgl. auch ders., Der Papiersäbel, 248 f. 348 Zu den Anreizen, nach Berlin überzusiedeln, vgl. Gerber, Ein Prozess in Prag, 99–106. 349 Austria Libre. Organo de los Austriacos Anti-Nazis de México. Vgl. dazu auch Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.), Österreicher im Exil; Graf, Habsburger Residuen. 350 Zit. nach Katz, Nachwort, 396. 351 Frei, Der Papiersäbel, 248. 352 Zur Vorgeschichte vgl. Bartal, Geschichte der Juden im östlichen Europa 1772–1881; für das 20. Jahrhundert: Mendelsohn, The Jews of East Central Europe between the World Wars; Gitelman (Hg.), The Emergence of Modern Jewish Politics. 353 Vgl. Pickhan, »Gegen den Strom«. Zu dieser Frage allgemein: Diner, Zweierlei Emanzi­ pation. 354 Katz, Nachwort, 376 f. 355 Zur Frage einer Dominanz sozialer Semantik vgl. Gerber, Karl Marx in Paris; ferner Groh, Negative Integration und revolutionärer Attentismus. 356 Vgl. Kap. 1.2 in diesem Buch. 357 SAPMO-BArch, DY 30IV2/11/v.5248 (Kaderakte Leo Zuckermann), Bl. 105–108, hier 108, Leo Zuckermann, Lebensbericht, 18. Juli 1951 (Abschrift). 358 Ders., Erinnerungsdaten, 4. 359 Vgl. dessen Eigenpublikation Kubowitzky (Hg.), Unity in Dispersion; Emmanuel Deonna, Art. »Jüdischer Weltkongress«, in: EJGK, Bd. 3, 263–268. 360 Memorandum of the World Jewish Congress, in: Tartakower / Grossmann, The Jewish Refugee, 529–537, hier 530 (Übersetzung des Verfassers). 361 Vgl. die Materialien in USHMM, RG-67.014M, H 245, Bl. 976–981.

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Kapitel 3 Politischer Spielraum in der »Zwischenzeit« (1947–1953) 1 Zuckermann, Restitution und Wiedergutmachung, 431. 2 Ebd. 3 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2.027/31, Bl. 137, Leo Zuckermann an Paul Merker, 30. April 1948. 4 Ebd., Bl. 109, [Kurt Nettball], Vorschläge für die pressemäßige und literarische Propagierung und Auswertung des V. d. N.-Gesetzes, 12. April 1948. 5 Zuckermann, Restitution und Wiedergutmachung, 431. 6 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2.1/168, Bl. 24–35, hier 29, Protokoll Nr. 41 (II) der Sitzung des Zentralsekretariats am 26. Januar 1948, daraus Anlage Nr. 7: Gesetz über die Betreuung der Verfolgten des Naziregimes und die Vorbereitung für Wiedergutmachung; SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2.027/31, Bl. 51. 7 Es existiert – soweit ersichtlich – kein Protokoll des Treffens in ostdeutschen oder israe­ lischen Archiven; allein Yahiel erinnert sich in einem 1961 geführten Interview an das Gespräch. Vgl. The Hebrew University of Jerusalem, Institute of Contemporary Jewry, Oral History Division, Chaim Yahiel Interview, 12 f. Einige Jahre später, auf dem Höhe­ punkt der spätstalinistischen Parteisäuberungen, fertigte Zuckermann einen Bericht über das Treffen an, in dem er freilich seine eigene Rolle herunterspielte. SAPMO-BArch, DY 30/IV2/4/124, Bl. 169–171, Leo Zuckermann an Herta Geffke, 7. Dezember 1952. 8 Krammer, The Forgotten Friendship, 33 f. 9 Vgl. etwa USA verursachen Palästinakrise, in: Tägliche Rundschau, 21. März 1948, 1; Der Verrat an Palästina, in: Tägliche Rundschau, 23. März 1948, 1; Die UdSSR erkennt Israel an, in: Tägliche Rundschau, 19. Mai 1948, 1; Die Schuldigen am Palästinakrieg, in: Tägliche Rundschau, 22. Mai 1948, 3. 10 Kahn, Antisemitismus und Rassenhetze. 11 Helmut Müller-Enbergs / Andreas Herbst, Art. »Siewert, Robert«, in: Müller-Enbergs u. a. (Hgg.), Wer war wer in der DDR?, 799. 12 Weigelt, »Der zionistische Agent Julius Meyer und seine Auftraggeber …«. 13 Pisarek, Jüdisches Leben in Berlin 1933–1941; Unikower, Suche nach dem gelobten Land. 14 Zu diesem Personenkreis vgl. Graf, Einsatz für das jüdische Kollektiv. 15 Diner, Zwischenzeit 1945 bis 1949. 16 Vgl. dazu Bohus u. a. (Hgg.), Unser Mut – Juden in Europa. 17 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2.027/31, Bl. 109, [Kurt Nettball], Vorschläge für die pressemäßige und literarische Propagierung und Auswertung des V. d. N.-Gesetzes, 12. April 1948. 18 SAPMO-BArch, DX 1/639, SMAD-Befehl Nr. 35/48, Auflösung der Entnazifizierungskommission in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, 26. Februar 1948; SAPMO-BArch, DX  1, Nr. 64/1948, SMAD-Befehl Nr. 64 über die »Beendigung der Sequesterverfahren in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands«, 17. April 1948. 19 Krammer, The Forgotten Friendship, 107–122. 20 Loth, Die Teilung der Welt, 156–200. 21 Zum Februarputsch vgl. Žácek / Faulenbach / Mählert (Hgg.), Die Tschechoslowakei 1945/48 bis 1989; zu Jugoslawien: Haberl, Die Emanzipation der KP Jugoslawiens von der Kontrolle der Komintern / K PdSU 1941–1945; Vucinich (Hg.), At the Brink of War and Peace. 22 George Orwell, Review of Charity Main (by Mark Benny), in: The Observer, 10. März 1946, 4. Zum Kalten Krieg allgemein: Gaddis, Der Kalte Krieg; Westad, Der kalte Krieg.

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23 Vgl. zum amerikanischen Militärgesetz Lillteicher, Raub, Recht, und Restitution, 53–61. 24 Zuckermann, Restitution und Wiedergutmachung, 432. 25 Zur Passage mit der Goworow, bei der Spira die Anwesenheit ihres ehemaligen Exil­ gefährten Zuckermann unterschlug, vgl. dies., Trab der Schaukelpferde, 234–241. 26 Merker, Rückkehr in das befreite Deutschland, 146–153; Renn, In Mexiko, 93–109. 27 Privatbesitz Andreas Herbst, Leo Zuckermann, Lebenslauf, 2. Juli 1947; SAPMO-BArch, NY 4559/KK44 (unpaginiert), Leo Zuckermann, Ergänzung zum Lebenslauf, 7. Juli 1947; SAPMO-BArch, NY 4559/KK44 (unpaginiert), ders., Über die ihm von Frankreich gemachten Schwierigkeiten seiner Rückreise, 7. Juli 1947. 28 Kießling, Absturz in den kalten Krieg, 25 f. 29 Vgl. die Angaben in SAPMO-BArch, DY 30/IV2/13/109, Bl. 22 und 150. 30 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2.027/30, Bl. 101, Abteilung für Arbeit und Sozialfürsorge, Einladung, 4. August 1947. 31 Michael F. Scholz, Art. »Glückauf, Erich«, in: Müller-Enbergs u. a. (Hgg.), Wer war wer in der DDR?, 258 f. 32 Vgl. dazu Amos, Justizverwaltung in der SBZ / DDR, bes. Kap. 4; Boyer, Kaderpolitik und zentrale Planbürokratie in der SBZ / DDR (1945–1961); neuer: Markovits, Diener zweier Herren, 24 f. 33 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd.  4, nach Min.  4:00. Vgl. auch Helmut Müller-Enbergs, Art. »Plenikowski, Anton«, in: ders. u. a. (Hgg.), Wer war wer in der DDR?, 663. 34 Kießling, Absturz in den kalten Krieg, 23–25. 35 Privatbesitz Andreas Herbst, Leo Zuckermann, Lebenslauf, 2. Juli 1947; SAPMO-BArch, NY 4559/KK44 (unpaginiert), Leo Zuckermann, Ergänzung zum Lebenslauf, 7. Juli 1947; SAPMO-BArch, NY 4559/KK44 (unpaginiert), ders., Über die ihm von Frankreich gemachten Schwierigkeiten seiner Rückreise, 7. Juli 1947. 36 Vgl. dazu die Unterlagen in CJA, 5A1, Nr. 494. 37 Vgl. etwa SAPMO-BArch, DY 30/IV2/4/112, Bl. 419–430, hier 426, Genosse Zuckermann (Befragung ZPKK), 10. November 1950. In der Forschung: Offenberg, »Seid vorsichtig gegen die Machthaber«, 85. Gleichwohl sind die Ausmaße dieses Schritts wohl überbewertet worden. Laut Unterlagen der Jüdischen Gemeinde Berlin machten nur etwa zwei Dutzend Personen von ihm Gebrauch, darunter die Familien Herzberg, Marum, Ruschin-Spira und Zuckermann. CJA, Mitgliederverzeichnis der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Berlin (1947), 78. 38 Auskunft von Marc-Michel Zuckermann, 23. Februar 2018. 39 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/4/112, Bl. 377, Erklärung von Wilhelm Pieck für Columbia Broadcasting – New York, 3. Dezember 1947. 40 Zur Frage der Wiedergutmachung in der SBZ vgl. Kessler / Peter, Wiedergutmachung im Osten Deutschlands 1933–1953; Spannuth, Rückerstattung Ost. Ein pointierter Beitrag, der die Frage des Scheiterns des VdN-Gesetzes diskutiert, ist Kessler, Interne Wiedergutmachungsdebatten im Osten Deutschlands. 41 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2.027/29, Bl. 159, Auszug aus dem Protokoll Nr. 55 der Sitzung des Zentralsekretariats vom 19. November 1946. 42 Ebd., Bl. 167, Paul Merker an Karl Raddatz, 9. Dezember 1946; SAPMO-BArch, DY30/ IV2/2.027/30, Bl. 91–93, Protokoll über die 1. Sitzung des engeren Zentralvorstandes der VVN, 28. Juni 1947. 43 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2.027/30, Bl. 87, Telegramm des Genossen Loewenkopf an Abt. Arbeit und Sozialfürsorge, 30. Mai 1947 (Abschrift). 44 Ebd., Bl. 88, Paul Merker an Walter Ulbricht / Georg Fechner, 4. Juni 1947.

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45 Ebd., 105–107, hier 107, Rudolf Weck, Probleme und Grundsätze für die Wiedergutmachung gegenüber Opfern des Faschismus (Diskussionsgrundlage), 8. August 1947 (Hervorhebung im Original unterstrichen). 46 Kontrollratsdirektive Nr. 50, 29. April 1947, in: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, Berlin 1947, 275. 47 Ebd. Eine weitere Ausnahme betraf vormaliges fremdstaatliches Vermögen, das ebenfalls zurückgegeben werden sollte. 48 Vgl. dazu Goschler, Schuld und Schulden, 361–367. 49 Vgl. dazu Reuter / Hansel, Das kurze Leben der VVN von 1947 bis 1953. 50 Hölscher, NS-Verfolgte im »antifaschistischen Staat«, 36–91. 51 Vgl. die Materialien in SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2.027/29 und DY 30/IV2/2.027/32. 52 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2.027/30, Bl. 99. Zusammenstellung der in der Sowjetischen Besatzungszone erfassten »Opfer des Faschismus« nach dem Stand vom 15. Juni 1946. 53 Der Zentralvorstand der VVN für die sowjetische Besatzungszone, in: Unser Appell, 20. März 1948, 7. 54 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2.027/30, Bl. 169–171, hier 169, Protokoll der Besprechung über das Wiedergutmachungs-Gesetz, 24. Oktober 1947. 55 Leo Zuckermann, Die Freien Deutschen und der Zionismus, in: Demokratische Post, 31. Dezember 1944, 1. 56 Vgl. dazu auch Goschler, Schuld und Schulden, 107. 57 SAPMO­-BArch, DY 30/IV2/4/124, Bl. 169–171, Leo Zuckermann an Herta Geffke, 7. Dezember 1952. 58 Paul Merker, Hitlers Antisemitismus und wir, in: FD 1 (1941/1942), H. 12, 9–11, hier 11; Leo Lambert-Zuckermann, Der Rechtsanspruch der deutschen Juden auf Wiedergutmachung, in: FD 3 (1943/1944), H. 10, 20 f., hier 21. 59 Merker, Brief an einen Freund. Die Bewegung Freies Deutschland und die Zukunft der Juden, in: FD 3 (1943/1944), Nr. 5, 6–8, hier 8. 60 Leo Zuckermann, Die Freien Deutschen und der Zionismus, in: Demokratische Post, 31. Dezember 1944, 1 (Hervorhebung des Verfassers). 61 Man denke etwa an den (gemeinsam mit der SPD) angestrebten Volksentscheid zur »Fürstenenteignung« 1926, d. h. die vorgesehene Verstaatlichung des 1919 beschlagnahmten Vermögens deutscher Adelshäuser. Vgl. dazu Jung, Direkte Demokratie in der Weimarer Republik; Winkler, Der Schein der Normalität, 270–289. 62 Vgl. zu Kogon etwa Euchner u. a. (Hgg.), Geschichte der sozialen Ideen in Deutschland, 775–778. 63 Heinrich Mann, An das Volk von Berlin!, in: FD, 9. Mai 1945 (Sondernummer), 4–7, hier 6. 64 Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin, 2. August 1945, in: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, Berlin 1945, Ergänzungsblatt Nr. 1, 13–20. 65 Kontrollratgesetz Nr. 2, Auflösung und Liquidierung der Naziorganisationen, 10. Oktober 1945, in: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, Berlin 1945, 19. 66 Vgl. zum Komplex der Boden- bzw. Industriereform: Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (Hg.), Die Enteignungen in der sowjetischen Besatzungszone und die Verwaltung des Vermögens von nicht in der Sowjetzone ansässigen Personen; Kluge / Halder /  Schlenker (Hgg.), Zwischen Bodenreform und Kollektivierung; Steiner, Von Plan zu Plan, 26–39; Beck, Die Konfiskationen in der Sowjetischen Besatzungszone von 1945 bis 1949; Sobotka (Hg.), Wiedergutmachungsverbot?. 67 Vgl. dazu Mosse, Jews in the German Economy; neuer: Münzel, Die jüdischen Mitglieder der deutschen Wirtschaftselite 1927–1955. 68 BArch, DX  1, Nr. 124/1945, Befehl Nr. 124 der Sowjetischen Militär-Administration

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betreffend Auferlegung der Sequestration und Übernahme in zeitweilige Verwaltung einiger Vermögenskategorien, 30. Oktober 1945. Gesetz über die Übergabe von Betrieben von Kriegs- und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes, 30. Juni 1946, in: Gesetz- und Verordnungsblatt Land Sachsen, Dresden 1946, 305. Vgl. dazu auch Braun, Wahlen und Abstimmungen. Vgl. Kap. 3.3 in diesem Buch. Vgl. etwa Beck, Die Konfiskationen in der Sowjetischen Besatzungszone von 1945 bis 1949, 107. Die Gesamtzahlen sind insofern irreführend, als sie den endgültigen Stand der Verstaatlichungen im Frühjahr 1948 markieren; wie hoch diese etwa im Herbst 1947, zum Zeitpunkt der ersten Abfassung des Gesetzes ausfielen, ist demzufolge nicht erforscht. Gräf, Restitution des in der sogenannten Liste C aufgeführten jüdischen Eigentums. Barkai, From Boycott to Annihilation, 1–8; vgl. auch die Fallstudie zu Berlin von Kreutzmüller, Ausverkauf, bes. 97–120. Beck, Die Konfiskationen in der Sowjetischen Besatzungszone von 1945 bis 1949, 95, Fn. 181. SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2.027/30, Bl. 200–207, hier 207, Gesetz über die Betreuung für Verfolgte des Naziregimes und die Vorbereitung für Wiedergutmachung (Entwurf), 14. November 1947. SAPMO-BArch, DY  30/IV2/2.027/31, Bl. 3–8, hier 8, Gesetz über die Betreuung für Verfolgte des Naziregimes und die Vorbereitung für Wiedergutmachung (Entwurf), 5. Januar 1948. Ebd., Bl. 18–30, hier 24, Gesetz über die Betreuung der Verfolgten des Naziregimes und die Vorbereitung für Wiedergutmachung (Vorlage an die Mitglieder des Zentralsekretariats), 19. Januar 1948. Im Anschreiben Kurt Nettballs an Helmut Lehmann zum Entwurf vom 5. Januar 1948 heißt es: »Der in der Anlage befindliche Gesetzentwurf […] enthält die letzte vom Genossen Zuckermann und mir überarbeitete Formulierung.« Ebd., Bl. 2. Die Federführung Zuckermann kann angenommen werden, weil ihm als Juristen, und nicht dem Funktionär und gelernten Elektromonteur Nettball die Formulierung juristischer Passagen oblegen haben dürfte. Vgl. Kap. 2.5 in diesem Buch. Goschler, Schuld und Schulden, 103–112. Ders., Wiedergutmachung, 69. Vgl. auch Lillteicher, Raub, Recht und Restitution, 43–61. Kontrollratdirektive Nr. 57 betreffend Verfügung über Vermögen, das auf Grund der Bestimmungen des Kontrollratgesetzes Nr. 10 oder anderer gemäß Kontrollratdirektive Nr. 38 erlassener Bestimmungen eingezogen worden ist, 15. Januar 1948, in: Amtsblatt des Kontrollrates in Deutschland, Berlin 1948, 38. Godin / Godin, Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände in der amerikanischen Besatzungszone. Vgl. dazu auch Lillteicher, Raub, Recht und Restitution, 53–61; Goschler, Schuld und Schulden, 122–126. SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2.027/31, Bl. 14, Paul Merker an Leo Zuckermann, 13. Januar 1948. Ebd. Ebd., Bl. 18–30, 29, Gesetz über die Betreuung der Verfolgten des Naziregimes und die Vorbereitung für Wiedergutmachung (Vorlage an die Mitglieder des Zentralsekretariats), 19. Januar 1948. Ebd., Bl. 51, Auszug aus dem Protokoll Nr. 41  (II) der Sitzung des Zentralsekretariats vom 26. Januar 1948. Spannuth, Rückerstattung Ost, 164–166 und 204.

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89 Im Anschreiben Merkers und Lehmanns an das Zentralsekretariat hatte es geheißen, »der Einbringung des nachstehenden Entwurfs bei den Landtagen« solle zugestimmt werden. SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2.027/31, Bl. 18, Gesetz über die Betreuung der Verfolgten des Naziregimes und die Vorbereitung für Wiedergutmachung (Vorlage an die Mitglieder des Zentralsekretariats), 19. Januar 1948; ebd., Bl. 130, An die Vorsitzenden der Landesvorstände der SED, 27. Februar 1948 (Abschrift). 90 Reinerová, Es begann in der Melantrichgasse, 97. 91 Hartewig, Zurückgekehrt, 92–100. Zum größeren Komplex der Remigration vgl. Lühe / ​ Schildt / Schüler-Springorum (Hgg.), »Auch in Deutschland waren wir nicht wirklich zu Hause«. 92 Honigmann, Ein Kapitel aus meinem Leben, 7. 93 Engelhardt, Deutsche Lebensläufe, 46. 94 So Seghers in Briefen an Helene Weigel (23. Oktober 1947), Erika Friedländer (vermutlich Mitte Dezember 1947), und Elisabeth Zakowski (16. Dezember 1947), abgedruckt in: Seghers, Briefe 1924–1952, 254 f., 267–269 und 270 f. Vgl. dazu auch Melchert, Heimkehr in ein kaltes Land. 95 Privatbesitz Andreas Herbst, Leo Zuckermann, Lebenslauf, 2. Juli 1947. 96 Lotte Winter, Erinnerungen, 306. – Ich danke Andreas Herbst (Berlin) für die freundliche Überlassung von Teilen des unveröffentlichten Manuskriptes. 97 Secretaria de Relaciones Exteriores Mexico, Departemento de Concentraciones, VII(N)-​ 974–3, Bl. 45, Carta de Naturalizacion Mexicana  a Favor de Leo Zuckermann Maus, 30. April 1946. Ich danke Daniela Gleizer (Mexiko-Stadt) für die freundliche Überlassung der Akte. 98 Auskunft von Marc-Michel Zuckermann, 23. Februar 2018. – Man denke dabei auch an das Beispiel von Beatrice Zweig, der Ehefrau Arnold Zweigs, die die maßgeblich von ihrem Mann forcierte und gegen ihren Willen betriebene Rückkehr nach Deutschland in eine schwere psychische Krise stürzte. Gordon, Widersprüchliche Zugehörigkeiten, 192 f. 99 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 4, nach Min. 20:00. 100 Ebd., vor Min. 18:00. – Für Seghers stellte dies nachgerade einen Grundzug ihres Schreibens nach der Rückkehr dar. Graf, Vor den Trümmern zweier Welten. 101 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2.027/31, Bl. 130, An die Vorsitzenden der Landesvorstände der SED, 27. Februar 1948 (Abschrift). 102 Der Fortgang des Gesetzes in den einzelnen Ländern ist nicht hinreichend erforscht. Für Sachsen-Anhalt vgl. Kessler / Peter, Wiedergutmachung im Osten Deutschlands, 163–165. 103 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2.027/31, passim. 104 Ebd., Bl. 160, Kurt Nettball an Paul Merker, 11. Mai 1948. 105 Ebd., Bl. 109, [Kurt Nettball], Vorschläge für die pressemäßige und literarische Propagierung und Auswertung des V. d. N.-Gesetzes, 12. April 1948. 106 The Hebrew University of Jerusalem, Institute of Contemporary Jewry, Oral History Division, Chaim Yahiel Interview, 12 f. 107 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2.027/31, Bl. 186–188, o. A., Abänderung zum Gesetz über die Rechtsstellung der V. d. N. (undatiert). 108 Ebd., Bl. 200, Landesverband der Jüdischen Gemeinden in der Ostzone an Leo Zuckermann, 11. Juni 1948. 109 Ebd., Bl. 192, Hans Seigewasser, Aktennotiz, 21. Mai 1948. 110 Vgl. die keiner Person zuzuordnenden handschriftlichen Notizen in: ebd., Bl. 160 [RS], 13. Mai 1948. 111 Schon im Februar war auch Paul Merker mit ähnlicher Verve an die Öffentlichkeit

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getreten. Ders., Der neue Staat des jüdischen Volkes entsteht, in: Neues Deutschland, 24. Februar 1948, 2. 112 So jedenfalls SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2.027/31, Bl. 189 f., hier 189, Götz Berger an Walter Ulbricht / Max Fechner, 14. Mai 1948. Vgl. dazu auch Hölscher, NS-Verfolgte im »antifaschistischen Staat«, 97 f. 113 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 7, vor Min. 56:00. 114 Diner, Zwischenzeit 1945 bis 1949. 115 Alle Zitate dieses Absatzes nach Zuckermann, Restitution und Wiedergutmachung, 432. 116 Lillteicher, Raub, Recht und Restitution, Kap. 7. 117 Vgl. etwa SAPMO-BArch, DY 30/IV2/13/25 (unpaginiert), Abt. Landespolitik, Arbeitsplan für die Zeit Mai – September, 30. Mai 1947. Zum Aufbau des SED-Zentralsekretariats vgl. Amos, Politik und Organisation der SED-Zentrale 1949–1963, Kap. 2. Eine Fallstudie zu den Beziehungen der Zentrale zu den Ländern ist Sattler, Wirtschaftsordnung im Übergang. 118 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 7, nach Min. 1:01:00. 119 SAPMO-BArch, NY 4559/KK44 (unpaginiert), Leo Zuckermann an Anton Plenikowski, 12. November 1947. 120 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/13/109, Bd. 2, Bl. 22, Handschriftliche Notiz über das weitere Vorgehen nach der Innenministerkonferenz auf Hiddensee (9. bis 11. Juli 1948). 121 Gniffke, Jahre mit Ulbricht, 305 f. 122 Kurt Böhme, Zur Überwindung der Auftragsangelegenheiten, in: Demokratischer Aufbau 3 (1948), H. 5, 102 f.; Leo Zuckermann, Demokratische Ordnung und Selbstverwaltung, in: ebd., H. 8, 169 f.; Max Fechner, Selbstverwaltung. Ein Teil der staatlichen Gesamtverwaltung, in: ebd., H. 7, 145–147. 123 Leo Zuckermann, Demokratische Ordnung und Selbstverwaltung, in: Demokratischer Aufbau 3 (1948), H. 8, 169 f., hier 169. 124 Vgl. stellvertretend: Rebentisch, Die deutsche Sozialdemokratie und die kommunale Selbstverwaltung. 125 Lenin, Staat und Revolution. 126 Leo Zuckermann, Demokratische Ordnung und Selbstverwaltung, in: Demokratischer Aufbau 3 (1948), H. 8, 169 f., hier 170. Zur Arbeiterselbstverwaltung in Wien vgl. Rabinbach, Vom Roten Wien zum Bürgerkrieg. 127 Max Fechner, Selbstverwaltung. Ein Teil der staatlichen Gesamtverwaltung, in: Demokratischer Aufbau 3 (1948), H. 7, 145–147, hier 147. 128 Vgl. das Schlusswort von Walter Ulbricht in SAPMO-BArch, DY 30/IV2/13/110, Bl. 167– 182, hier 173, Protokoll der Tagung für aktuelle Fragen der Staatsverwaltung und Koordinierung der Landespolitik in Werder / Havel am 23. und 24. Juli 1948. 129 Leo Zuckermann, Demokratische Ordnung und Selbstverwaltung, in: Demokratischer Aufbau 3 (1948), H. 8, 169 f., hier 170. 130 Ders., Interview mit Boege (1978), Tbd. 7, nach Min. 1:15. 131 SAPMO-BArch, DY 30/ZSPR/203, Bl. 3 f., Protokoll Nr. 80 (II) der Sitzung des Zentralsekretariats am 31. Mai 48. Der Beschluss lautete: »Die Abteilung Personalpolitik wird beauftragt, eine Klärung des Verhaltens von Zuckermann auf der Tagung des Kommunalpolitischen Beirates herbeizuführen.« Vgl. auch Gniffke, Jahre mit Ulbricht, 306. 132 SAPMO-BArch, DY  30/IV2/2.027/31, Bl. 302, Leo Zuckermann an Walter Ulbricht, 16. Juni 1948. 133 Ebd., Bl. 189 f., Götz Berger an Walter Ulbricht und Max Fechner, 14. Mai 1948; ebd., Bl. 194, Reinhold Schäfermeyer an dies., 25. Mai 1948. 134 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2.027/31, Bl. 190, Berger an Ulbricht und Fechner, 14. Mai 1948.

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135 Ebd., Bl. 137, Leo Zuckermann an Paul Merker, 30. April 1948. 136 Zu Schäfermeyer: Dreier, Rechtswissenschaft als Wissenschaft, 37, Fn. 7; zu Melsheimer: Heymann, Ernst Melsheimer (1897–1960); Wentker, Justiz in der SBZ / DDR, 52–59. 137 SAPMO-BArch, DY  30/IV2/2.027/31, Bl. 302, Leo Zuckermann an Walter Ulbricht, 16. Juni 1948. – 1995 fand dieser Konflikt kurzzeitig eine öffentliche Bühne, als Berger, der spätere Anwalt des Regimekritikers Robert Havemann, in einer Tageszeitung mit seiner Rolle im Jahr 1948 konfrontiert wurde. Vgl. Ralf Kessler, Den Juristen Götz Berger in anderem Zusammenhang kennengelernt, in: Neues Deutschland, 7. Februar 1995, 12; Götz Berger, Ich brauche mich nicht zu verteidigen, in: Neues Deutschland, 28. Februar 1995, 12. 138 Dr. Leo Zuckermann Chef der Präsidialkanzlei, in: Neues Deutschland, 12. Oktober 1949, 1. 139 Dies ist mehren Fotografien zu entnehmen. Vgl. die Abbildungen 183-S88860 bis 183S88866 in der Bilddatenbank des Bundesarchivs, (18. November 2023). 140 Vgl. § 93 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik. Auch Zuckermann selbst erinnerte später an seine Rolle: »An dem Tag der Vereidigung, wo die Regierung gebildet wird, und den Eid musste ich abnehmen. Der Präsident, der spricht das noch nicht, steht nur neben mir, und ich vereidige im Namen des Präsidenten.« Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 6, nach Min. 25:00. 141 Anordnung zur Sicherung der rechtlichen Stellung der anerkannten Verfolgten des Naziregimes, in: Zentralverordnungsblatt, Teil I, Amtliches Organ der Deutschen Wirtschaftskommission und ihrer Hauptverwaltungen sowie der Deutschen Verwaltungen für Inneres, Justiz und Volksbildung, Nr. 89, 14. Oktober 1949, 765 f. 142 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 6, nach Min. 26:00. 143 Ebd. 144 Zit. nach Kessler / Peter, Wiedergutmachung im Osten Deutschlands, 181. 145 Klemperer, So sitze ich denn zwischen allen Stühlen, Bd. 2, 111 f. (Eintrag vom 14. September 1950). 146 BArch, DX 1, Nr. 64/1948, SMAD­-Befehl Nr. 64 über die »Beendigung der Sequesterverfahren in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands«, 17. April 1948. 147 Vgl. hierzu Kessler / Peter, Wiedergutmachung im Osten Deutschlands 1933–1953, bes. 162–189. Eine erschöpfende Studie zu den Sequestrierungen steht weiterhin aus. 148 Steiner, Von Plan zu Plan, 45–49. 149 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 5, nach Min. 37:30. 150 Vgl. Kap. 3.2 in diesem Buch. 151 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2.027/31, Bl. 211, Paul Merker an die Landtagsfraktionen der SED, 25. Juni 1948. 152 Ebd., Bl. 247, Walter Bartel an Paul Merker, 28. Oktober 1948. 153 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2.027/31, Bl. 251, Kurt Nettball an Paul Merker, 25. November 1948; SAPMO-BArch, DQ  2/3321, Bl. 74–76, Otto Giersch, Aktennotiz über die Rücksprache mit Herrn Prof. Budkow, 26. November 1948; SAPMO-BArch, DY 30/ IV2/2.027/32, Bl. 7, Paul Merker an Hugo Gräf, 6. April 1949. 154 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2.027/32, Bl. 15, Helmut Lehmann an Hauptverwaltung Arbeit und Sozialfürsorge in der D. W. K., 14. Mai 1949. 155 Ebd., Bl. 23–36, DWK, Verordnung über die Sicherung der Rechte und die Wieder­ gutmachung für anerkannte Verfolgte des Naziregimes in der SBZ Deutschlands (VdNVerordnung), 7. Juli 1949. 156 Loth, Die Teilung der Welt. 157 Leonhard, Die Revolution entlässt ihre Kinder, 592–598.

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158 Braun, Wahlen und Abstimmungen, 386. 159 Weber, Geschichte der DDR, 134–148. 160 Vgl. die Materialien in SAPMO-BArch, DY 30/IV2/13/244; Leo Zuckermann, Besetzung und Volksbegehren, in: Tägliche Rundschau, 8. Juni 1948, 3; ders., Friedensvertrag oder Besatzungsstatut?, in: Die Weltbühne, 4. Januar 1949, 9–12. 161 SAPMO-BArch, DY 30/55691, Bl. 7 f., Protokoll Nr. 19 des Kleinen Sekretariats der SED, 12. April 1949. – Die Einrichtung der Kommission ist belegt und Zuckermann ist auch vereinzelt namentlich als ihr Mitarbeiter aufgeführt, und doch scheint sie nur wenig Betriebsamkeit, geschweige denn Wirkung entfaltet zu haben. 162 Leo Zuckermann, Vom Panzerzug zum Verhandlungstisch, in: Neues Deutschland, 14. Mai 1949, 4. 163 Schreiber, »Deutsche, auf die wir stolz sind«. 164 BArch, DX 1/639, SMAD-Befehl Nr. 35/48, Auflösung der Entnazifizierungskommission in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, 26. Februar 1948. 165 Zit. nach Schroeder, Der SED-Staat, 42. 166 Ulbricht, Der Künstler im Zweijahrplan. 167 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 4, nach Min. 19:00. 168 Ilja Ehrenburg, Die Sowjetunion, der Staat Israel und die Lösung der »jüdischen Frage«, in: Neues Deutschland, 3. Oktober 1948, 3 (Sonntagsbeilage). Der Artikel war erstmals am 18. September in der sowjetischen Prawda erschienen. 169 Lustiger, Rotbuch, 205. 170 J. B., Kristallnacht, Rassismus, Israel. Das Problem des Judentums und seine Lösung in der Sowjetunion, in: Tägliche Rundschau, 10. November 1948. 171 Leo Zuckermann, Eine Antwort an die »Neue Zeitung«. Wir werden niemals gegen die Befreier von Maidanek [sic] und A ­ uschwitz kämpfen, in: Die Tat, 13. Juni 1949, 3. 172 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2/005, Bl. 3, Protokoll Nr. 5 der Sitzung des Politbüros am 22. Februar 1949. 173 Ende Februar 1949 hatte es im britischen Sektor Berlins erregte Diskussionen um die Aufführung des als antisemitisch erachteten Films Oliver Twist gegeben, die der SED als Anstoß gedient haben mögen, die stets behauptete Wiederkehr des Antisemitismus in den westlichen Zonen zu skandalisieren. »Oliver Twist« Withdrawn in Berlin Following Bloody Clash; 25 Jews Wounded in Rioting, in: Jewish Telegraphic Agency, 23. Februar 1949. 174 Grüner, Patrioten und Kosmopoliten. 175 Kosmopoliten, Heuchler und schamlose Ästheten. Judenfeindliche Kundgebungen in der sowjetischen Presse und Öffentlichkeit, in: Die Neue Zeitung, 28. Mai 1949, 4; Anatol Michailowsky, Antisemitismus in der Sowjetunion, in: ebd. 176 Leo Zuckermann, Eine Antwort an die »Neue Zeitung«: Wir werden niemals gegen die Befreier von Maidanek [sic] und A ­ uschwitz kämpfen, in: Die Tat, 13. Juni 1949, 3. 177 Anatol Michailowsky, Antisemitismus in der Sowjetunion, in: Die Neue Zeitung, 28. Mai 1949, 4. 178 Rapoport, Stalin’s War Against the Jews, 80–97. 179 Vgl. dazu Rubenstein / Naumov (Hgg.), Stalin’s Secret Pogrom, 47–50; Estraikh, The Life, Death, and Afterlife of the Jewish Anti-Fascist Committee. 180 Moscow Liquidates Jewish Anti-fascist Committee; Closes Down its Yiddish Newspaper, in: Jewish Telegraphic Agency, 4. Januar 1949. 181 Duhnke, Die KPD von 1933 bis 1945, 375. 182 Harriet Murav, Art. »Kosmopoliten«, in: EJGK, Bd. 3, 424–427. 183 S.  Titarenko, Kosmopolitismus als Waffe der imperialistischen Reaktion, in: Neues Deutschland, 25. März 1949, 3. Vgl. auch die Artikel Was ist Kosmopolitismus? (14. April

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1949, 4), Kosmopolitismus und Sowjet-Patriotismus. Eine Diskussion in der Sowjetunion (27.  April 1949,  4) und Gegen Nationalismus  – für proletarischen Internationalismus (28. Mai 1949, 4). 184 Stalin, Über den Antisemitismus. – Die Passage lautete: »Der National- und Rassenchauvinismus ist ein Überrest der menschenfeindlichen Sitten aus der Periode des Kannibalismus. Der Antisemitismus als extreme Form des Rassenchauvinismus ist der gefährlichste Überrest des Kannibalismus.« 185 Leo Zuckermann, Eine Antwort an die »Neue Zeitung«: Wir werden niemals gegen die Befreier von Maidanek [sic] und A ­ uschwitz kämpfen, in: Die Tat, 13. Juni 1949, 3. 186 Die Dankbarkeit erstreckte sich unterdessen nicht allein auf die militärischen Erfolge der Roten Armee, sondern auch auf den Fakt, dass mehrere Hunderttausend Juden aus Polen den Krieg in der Sowjetunion überlebten. Vgl. dazu Edele / Fitzpatrick / Grossmann (Hgg.), Shelter from the Holocaust; zum Phänomen von Juden in der Roten Armee vgl. Murav / Estraikh (Hgg.), Soviet Jews in World War II. 187 Winkler, Der Schein der Normalität, 417–444. 188 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 4, nach Min. 31:00. 189 Ebd., Tbd. 7, nach Min. 1:20:00. 190 Malycha, Partei von Stalins Gnaden? 191 Schroeder, Der SED-Staat, 59–66. 192 Gniffke, Jahre mit Ulbricht, 364 f. 193 Anton Ackermann, Gibt es einen besonderen deutschen Weg zum Sozialismus?, in: Einheit 1 (1946), H. 1, 22–32. 194 Leonhard, Die Revolution entlässt ihre Kinder, 615–632. 195 Malycha / Winters, Die SED, 47–51. 196 Anton Ackermann, Ueber den einzig möglichen Weg zum Sozialismus, in: Neues Deutschland, 24. September 1948, 2. 197 Leonhard, Die Revolution entlässt ihre Kinder, 599 f. Vgl. auch den Beschluss des Parteivorstandes vom 29. Juli 1948 über die Säuberung der Partei von feindlichen und entarteten Elementen, abgedruckt in: Dokumente der Sozialistischen Einheitspartei Deutschland, Bd. 2, Berlin 1950, 84 f. 198 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/4/124, Bl. 297, Bericht von Friedrich Hermle, 7. Januar 1953. 199 Leonhard, Die Revolution entlässt ihre Kinder, 599 f. 200 Kantorowicz, Deutsches Tagebuch, Bd. 1, 648 (Eintrag vom 10. Oktober 1949). 201 Klemperer, So sitze ich denn zwischen allen Stühlen, Bd. 2, 208 (Eintrag vom 2. September 1951). 202 Leonhard, Die Revolution entlässt ihre Kinder, 577. 203 E. N., IRO als Zubringer des USA-Geheimdienstes, in: Neues Deutschland, 29. September 1949, 6. 204 CJA, 5A1, Nr. 6, Bl. 88, Protokoll der Vorstandssitzung vom 14. Oktober 1949. 205 Vgl. die Abbildung 183-S95929 in der Bilddatenbank des Bundesarchivs, (18. November 2023). 206 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/4/112, Bl. 372–375, hier 375, Protokoll über die Befragung der Genossin Käte Weiss, 13. Juli 1953. 207 SAPMO-BArch, NY  4559/KK44 (unpaginiert), Bericht der Sekretärin Ursel Brunk, 12. Februar 1953. 208 Vgl. die Materialien in CJA, 5B1, Nr. 4, Bl. 487–594. 209 Vgl. dazu die Materialien in SAPMO-BArch, DA 4/810 und /811. 210 SAPMO-BArch, SA 4/810, Bl. 44 f. 211 Vgl. die Abbildung 183-S89526 in der Bilddatenbank des Bundesarchivs, (18. November 2023).

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212 Abkommen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Republik Polen über die Markierung der festgelegten und bestehenden deutsch-polnischen Staatsgrenze, 6. Juli 1950, in: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, 1950, 1205. 213 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 6, nach Min. 31:00. 214 »In Wirklichkeit war das [als] mein Posten vorgesehen. Ich sollte von dort aus, nach der Anstellung […] rüber wechseln, nachdem der CDU-Mann weg war, sollte ich der Außenminister werden.« – Ebd., nach Min. 18:00. 215 Vgl. die Abbildungen in der Deutschen Fotothek, (18. November 2023). 216 Zentral- und Landesbibliothek Berlin, NL Jürgen Kuczynski, Kuc2-1-Z 423 und 424, Herzliche Neujahrsgrüße (undatiert [1949/50]). 217 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 6, nach Min. 2:00. 218 Ebd., nach Min. 30:00. 219 Leo Zuckermann, Interview mit Eckart Boege (1978), Tbd. 5, nach Min. 22:40. 220 Ebd., nach Min. 18:45. 221 Ebd., nach Min. 28:45. 222 SAPMO-BArch, DY 30/IV/2/2/51, Bl. 77, Protokoll Nr. 51 der Sitzung des Politbüros am 10. Oktober 1949. 223 Randolph Churchills Mission in den kroatischen Bergen, in: Neues Deutschland, 23. September 1949, 4; E. Burger, Einige Lehren aus dem Rajk-Prozeß, in: ebd., 19. November 1949, 4. 224 Barth / Schweizer / Grimm (Hgg.), Der Fall Noel Field. 225 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 7, nach Min. 10:00. 226 Pieck, Aufzeichnungen zur Deutschlandpolitik 1945–1953, 319, 363 und 342. 227 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 7, nach Min. 10:00. 228 Weigelt, »Die näheren Gründe seiner Verurteilung sind nicht bekannt«. 229 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 7, nach Min. 35:00. 230 Anna Busse an Wladimir Semjonow, 20. Oktober 1953, in: Niethammer (Hg.), Der »gesäuberte« Antifaschismus, 298 f. 231 Vgl. Kap. 2.2 in diesem Buch. 232 Kießling, Partner im »Narrenparadies«, 55–63. 233 Aus der überbordenden Literatur zum Thema Parteisäuberungen in der SED vgl. stellvertretend: Weber, Politische Säuberungen und die Vorbereitung eines Schauprozesses in der DDR 1948 bis 1956; Kießling, Partner im »Narrenparadies«; Hartewig, Zurückgekehrt, bes. Kap. 2.3; Herf, Zweierlei Erinnerung, 130–193; Keßler, Die SED und die Juden – zwischen Repression und Toleranz; Hirschinger, »Gestapoagenten, Trotzkisten, Verräter«. 234 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/4/112, Bl. 443–445, Betr.: Leo Zuckermann (Zusammenfassung der ZPKK), 11. Juli 1950; ebd., Bl. 434–436, Leo Zuckermann, Bericht über Marsaille  [sic], 15. Juli 1950; ebd., 437–439, ders., Bericht über Beirat beim Völkerbundkommissar für Flüchtlinge, 15. Juli 1950; SAPMO-BArch, DY  30/IV2/4/114a, Bl. 276–278; ders., Bericht [z]ur Evakuierung der Flüchtlinge aus der CSR nach dem Münchener Abkommen, 15. Juli 1950. 235 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/4/112, Bl. 443–445, Betr.: Leo Zuckermann (Zusammenfassung der ZPKK), 11. Juli 1950. 236 Vgl. die Berichte in SAPMO-BArch, DY 30/IV2/4/111. 237 Ebd., Bl. 137–140, Rudi Feistmann (Zusammenfassung der ZPKK), 1. Juni 1950. Vgl. auch den Abschiedsbrief Feistmanns, SAPMO-BArch, NY  4036/663, Bl. 333, Rudolf Feistmann an Paul Merker, 3. Juni 1950. 238 Erklärung des Zentralkomitees und der Zentralen Parteikontrollkommission der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands zu den Verbindungen ehemaliger deutscher

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politischer Emigranten zu dem Leiter des Unitarian Service-Committee Noel H. Field, in: Dokumente der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Bd. 3, 197–213. 239 So Kießling, Absturz in den kalten Krieg, 36. 240 SAPMO-BArch, DY  30/IV2/11/v.5248, Bl. 52, Leo Zuckermann an Walter Ulbricht, 28. Oktober 1950. 241 SAPMO-BArch, DY 30/JIV2/3/151, Bl. 8, Protokoll des Kleinen Sekretariats, 6. November 1950. 242 So Kießling, Absturz in den kalten Krieg, 34. 243 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 5, nach Min. 33:00. 244 Vgl. die Materialien in SAPMO-BArch, DY 30/IV2/4/111, /112, /113 und /117. 245 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/4/112, Bl. 433, Leo Zuckermann an Herta Geffke, 4. September 1950. 246 Ebd., Bl. 5 f., Rudolf und Hilde Neumann an ZPKK, 30. August 1950. 247 Ebd., Bl. 7 f., hier Bl. 8, Hilde Neumann an ZPKK, 11. September 1950. 248 Vgl. die Materialien dazu in SAPMO-BArch, NY 4559/KK44 (unpaginiert); BStU, MfS, AU, Nr. 76/54, Bd. 1, Bl. 34 f., Bericht, 9. Januar 1953. 249 SAPMO-BArch, DY  30/IV2/4/112, Bl. 419–430, hier 424, Genosse Zuckermann (Befragung ZPKK), 10. November 1950. 250 Ebd., Bl. 426 f. 251 Ebd., Bl. 426. 252 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2.027/31, Bl. 251, Kurt Nettball an Paul Merker, 25. November 1948; ebd., DQ 2/3321, Bl. 74–76, Helmut Giersch, Aktennotiz, 26. November 1948. 253 SAPMO-BArch, DY  30/IV2/4/112, Bl. 419–430, hier 426, Genosse Zuckermann (Befragung ZPKK), 10. November 1950. 254 Vgl. dazu die Unterlagen in CJA, 5A1, Nr. 493, Bl. 249 f. 255 SAPMO-BArch, DY  30/IV2/4/112, Bl. 419–430, hier 426, Genosse Zuckermann (Befragung ZPKK), 10. November 1950. 256 Ebd., Bl. 410 f., Leo Zuckermann an Herta Geffke, 13. November 1950. 257 SAPMO-BArch, DY  30/IV2/11/v.5248, Bl. 50, Leo Zuckermann an Walter Ulbricht, 27. November 1950. 258 Ebd. 259 So Kießling, Absturz in den kalten Krieg, 36. 260 Vgl. die Protokolle der Dienstbesprechungen der Präsidialkanzlei, die bis April 1951 in Anwesenheit Zuckermanns stattfanden. SAPMO-BArch, DA4/811, passim. 261 Vgl. SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2/120, Bl. 30. Protokoll Nr. 20 der Sitzung des Politbüros des Zentralkomitees, 28. November 1950. 262 Wie Zuckermann selbst, aber auch seine Sekretärin bestätigten. Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 7, nach Min. 8:00; SAPMO-BArch, NY 4559/KK44 (unpaginiert), Bericht der Sekretärin Ursel Brunk, 12. Februar 1953. – Konkrete Belege für Zuckermanns Tätigkeit, also Schriftverkehr und Manuskripte, konnten im Nachlass Ulbrichts bzw. in den Akten des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der DDR jedoch nicht gefunden werden. 263 Vgl. die Angaben in SAPMO-BArch, DY 30/IV2/11/v.801, Bl. 81 f. 264 Winter, Erinnerungen, 303 f. 265 Vgl. die Angaben in Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 8, nach Min. 50:45, die sein Sohn bestätigte (Auskunft von Marc-Michel Zuckermann, 23. Februar 2018). Die von Kießling kolportierte Version, wonach Zuckermann auf dem Alexanderplatz, dem Ort des Berliner Weihnachtsmarktes, zunächst einen Verfolger der Staatssicherheit abgeschüttelt habe, um dann mit der S-Bahn nach Westberlin zu fliehen, ist nicht belegt. Ders., Absturz in den kalten Krieg, 41.

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266 Vgl. auch die Aktennotiz in BstU, MfS, BV Potsdam, AOP, Nr. 22/53, Bd. I, Bl. 37, 20. Dezember 1952. 267 SAPMO-BArch, DY 30/JIV2/3/186, Bl. 23, Protokoll Nr. 59/51, 12. April 1951; BstU, MfS, BV Potsdam, AOP, Nr. 22/53, Bd. I, Bl. 19–23, Einzelvertrag (Abschrift), 26. September 1951. 268 SAPMO-BArch, DY  30/IV2/11/v.5248, Bl. 109 f., Protokoll, 19. Juli 1951 (im Original unterstrichen). 269 Leo Zuckermann, Helgoland: Bombenziel oder Insel des Friedens?, in: Deutschlands Stimme, 6. April 1951; ders., Wallstreet verschärft seine Diktatur in Westdeutschland, in: Tägliche Rundschau, 25. März 1951; ders., Gegen Verfassung und Volksrechte, in: Neue Justiz  5 (1951), H. 5, 197 f.; ders., Die Volksbefragung  – Ein deutscher Beitrag für den Frieden, in: ebd., H. 6, 241 f.; ders., Die Verbotsforderung gegen die KPD – ein amerikanisches Attentat auf die deutsche Nation, in: Einheit 7 (1952), H. 4, 358–366. 270 BstU, MfS, BV Potsdam, AOP, Nr. 22/53, Bd. I, Bl. 7. 271 Professor Dr.  Zuckermann in sein neues Amt eingeführt, in: Neues Deutschland, 19. November 1952, 2. 272 Bernhardt, Die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft »Walter U ­ lbricht«, 21. 273 BstU, MfS, BV Potsdam, AOP, Nr. 22/53, Bd. I, Bl. 19–23, Einzelvertrag (Abschrift), 26. September 1951. 274 Ebd., Bl. 3 f., Beschluss über das Anlegen eines Vorgangs, 27. Juni 1951. 275 Ebd., Bl. 10; ebd., Bl. 33 f., Operativplan Betr.: Vorgang »Mexico«, 6. Oktober 1952. 276 Kießling, Absturz in den kalten Krieg, 37 f. 277 BstU, MfS, BV Potsdam, AOP, Nr. 22/53, Bd. I, Bl. 5, Aktennotiz, 14. Juni 1952. 278 CJA, 5A1, Nr. 493, Bl. 249 f., Leo und Lydia Zuckermann an Jüdische Gemeinde zu Berlin, 22. August 1952. 279 Zu Auerbach vgl. Kraushaar, Die Auerbach-Affäre; Klare, Auerbach. 280 »Wiedergutmachung« – für wen?, in: Neues Deutschland, 25. November 1952, 1. 281 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/4/124, Bl. 349, ADN Auslandsinformation, 5. Februar 1953. Vgl. auch Niether, Leipziger Juden und die DDR, 120 f. 282 CJA, 5B1, Nr. 31, Bl. 25–54, hier 34, Protokoll der Tagung des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in der DDR, 15. Juni 1952. 283 Über dieses »Referat für jüdische Angelegenheiten«, das im Referat für Kirchenfragen angesiedelt war und von dem jüdischen Kommunisten Albert Hirsch geleitet wurde, ist kaum etwas bekannt. Vgl. Geller, Jews in Post-Holocaust Germany, 167 f. 284 CJA, 5B1, Nr. 31, Bl. 25–54, hier 34, Protokoll der Tagung des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in der DDR, 15. Juni 1952. 285 Schroeder, Der SED-Staat, 96–99, 119–122. 286 Stöver, Geschichte des Koreakriegs. 287 Herbst, Option für den Westen. 288 Zarusky (Hg.), Die Stalinnote vom 10. März 1952. 289 Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten (Deutschland-Vertrag), 26. Mai 1952 (Fassung vom 23. Oktober 1954), in: Bundesgesetzblatt 1955 II, 306–320, hier 306. 290 Meuschel, Legitimation und Parteiherrschaft, 67. 291 Protokoll der Verhandlungen der II. Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, 29 und 45. 292 Ebd., 121. 293 Ebd., 29. 294 Leo Zuckermann, Helgoland Bombenziel oder Insel des Friedens?, in: Deutschlands

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Stimme, 6. April 1951; ders., Wallstreet verschärft seine Diktatur in Westdeutschland, in: Tägliche Rundschau, 25. März 1951. 295 Ders., Schuman-Plan und nationale Unabhängigkeit, in: Aufbau. Kulturpolitische Monatsschrift 8 (1952), H. 5, 395–402, hier 401 f. 296 Protokoll der Verhandlungen der II. Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, 44. 297 Vgl. dazu auch Haury, Antisemitismus von links, 367–387. 298 Protokoll der Verhandlungen der II. Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, 216. 299 Ebd., 58. 300 Vgl. Kap. 3.2 in diesem Buch. 301 Protokoll der Verhandlungen der II. Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, 492. 302 Ebd., 130. 303 Ebd., 151. 304 Professor Dr.  Zuckermann in sein neues Amt eingeführt, in: Neues Deutschland, 19. November 1952, 2. 305 Prozeß gegen staatsfeindliches Verschwörerzentrum in Prag, in: Neues Deutschland, 21. November 1952, 2. 306 Slansky seiner Funktion enthoben, in: ebd., 29. November 1951, 2. 307 Protokoll der Verhandlungen der II. Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, 151, 496. 308 Prozeß gegen staatsfeindliches Verschwörerzentrum in Prag, in: Neues Deutschland, 21. November 1952, 2. 309 Aus der Anklageschrift gegen das staatsfeindliche Verschwörerzentrum in der ČSR mit Rudolf Slansky an der Spitze, in: Neues Deutschland, 22. November 1952, 3 f., hier 3. – Nach dem Prozess wurden die Anklage und die Protokolle in einer knapp 700 Seiten zählenden Abhandlung auch auf Deutsch veröffentlicht (Justizministerium [Hg.], Prozess gegen die Leitung des staatsfeindlichen Verschwörerzentrums mit Rudolf Slánský an der Spitze). Vgl. zu den Hintergründen Gerber, Ein Prozess in Prag. 310 Vgl. Kap. 2.5 in diesem Buch sowie SAPMO-BArch, DY 30/IV2/4/114a, Bl. 276 f., Leo Zuckermann, Bericht [z]ur Evakuierung der Flüchtlinge aus der CSR nach dem Münchener Abkommen, 15. Juli 1950. 311 Aus der Anklageschrift gegen das staatsfeindliche Verschwörerzentrum in der ČSR mit Rudolf Slansky an der Spitze, in: Neues Deutschland, 22. November 1952, 3 f. 312 Vgl. Kap. 3.2 in diesem Buch. 313 Präsident Pieck empfing den Botschafter der Tschechoslowakischen Republik, in: Neues Deutschland, 6. Dezember 1949, 1. 314 Aus der Anklageschrift gegen das staatsfeindliche Verschwörerzentrum in der ČSR mit Rudolf Slansky an der Spitze, in: ebd., 22. November 1952, 3 f., hier 4. 315 Ebd., 3. 316 Verschwörer gestehen ihre Verbrechen an der CSR, in: ebd., 23. November 1952, 2. 317 »Wiedergutmachung« – für wen?, in: ebd., 25. November 1952, 1. 318 Aus der Rede des Generalstaatsanwalts, in: ebd., 28. November 1952, 8. 319 Der Sohn des Verschwörers Ludvik Frejka fordert für den Vater die Todesstrafe, in: ebd., 26. November 1952, 5. 320 Kantorowicz, Deutsches Tagebuch, Bd. 2, 335 (Eintrag vom 30. November 1952). 321 Rudolf Slansky: »Ich bekenne mich schuldig«, in: Neues Deutschland, 22. November 1952, 2. 322 André Simone bekennt seine Schuld, in: ebd., 25. November 1952, 5.

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323 Brandt, Ein Traum, der nicht entführbar ist, 181. 324 Elf Todesurteile im Slansky-Prozeß, in: Neues Deutschland, 28. November 1952, 1. 325 Brandt, Ein Traum, der nicht entführbar ist, 179. Vgl. dazu auch Kantorowicz, Deutsches Tagebuch, Bd. 2, 333–341 (Einträge vom 28. und 30. November 1952, 7. Februar 1953); Heym, Nachruf, 530–532. 326 Zur »Zeit der Infarkte« vgl. Gerber, Ein Prozess in Prag, 16. 327 Brandt, Ein Traum, der nicht entführbar ist, 182. 328 André Simone bekennt seine Schuld, in: Neues Deutschland, 25. November 1952, 5. 329 SAPMO-BArch, NY  4559/KK44 (unpaginiert), Charlotte und Hans Baumgarten an Zentralkomitee, 23. Dezember 1952. 330 Ebd. 331 Ebd., DY  30/IV2/4/124, Bl. 169–171, Leo Zuckermann an Herta Geffke, 7. Dezember 1952. 332 Vgl. The Hebrew University of Jerusalem, Institute of Contemporary Jewry, Oral History Division, Chaim Yahiel Interview, 12 f. – Weshalb Zuckermann hier von zwei Treffen sprach, ist unklar. 333 SAPMO-BArch, DY  30/IV2/4/124, Bl. 169–171, hier 171, Leo Zuckermann an Herta Geffke, 7. Dezember 1952. 334 Theoretische Konferenz der SED eröffnet, in: Neues Deutschland, 14. Dezember 1952, 1. 335 Kießling, Absturz in den kalten Krieg, 41. 336 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 5, nach Min. 9:00. 337 BStU, MfS, AU, Nr. 76/54, Bd. 1, Bl. 81–85, hier 82, Rudolf Zuckermann, Zur Affaire meines Bruders (undatiert). 338 Die dramatischen Verwicklungen, die Zuckermanns Flucht für seinen Anfang Januar in die DDR zurückgekehrten Bruder dann tatsächlich auslösten, behandelt ausführlich Kießling, Absturz in den kalten Krieg, 42–72. 339 Weber, Geschichte der DDR, 234. 340 Podewin, Der Rabbinersohn im Politbüro, 256–261; Friedmann, Ulbrichts Rundfunkmann, 225–238. 341 Lehren aus dem Prozeß gegen das Verschwörerzentrum Slansky [sic], in: Neues Deutschland, 4.  Januar 1953, 5 f. 342 SAPMO-BArch, NY 4102/27, Bl. 10–15, hier 10, Paul Merker an Wilhelm Pieck, 26. November 1952. 343 Abusch, Stalin und die Schicksalsfragen der deutschen Nation. 344 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 4, nach Min. 7:25. Bei Kołakowski heißt es u. a.: »Welchen aktuellen Inhalt der Marxismus besitzt, ist von diesem Gesichtspunkt aus ohne Bedeutung – man wird dadurch zum Marxisten, daß man sich bereit erklärt, von Fall zu Fall den Inhalt zu akzeptieren, den die Behörde präsentiert.« Ders., Der Mensch ohne Alternative, 8. 345 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 5, nach Min. 5:45. 346 Mollnau, Sozialistische Gesetzlichkeit in der DDR, 59–195. 347 Stolleis, Sozialistische Gesetzlichkeit, 28–30. Vgl. dazu auch Wentker, Justiz in der SBZ / DDR 1945–1953; Hofmann, Zur sozialistischen Rechts- und Staatsphilosophie in der DDR, sowie neuer: Markovits, Diener zweier Herren. 348 Karl Polak, Über A.  Wyschinskis Lehren und seine Praxis, in: Neue Justiz  9 (1955), H. 6, 65–71. 349 Gerats, Die Begriffe der strafrechtlichen Verantwortung und Verantwortlichkeit in der antifaschistisch-demokratischen Ordnung. 350 Klenner, Der Marxismus-Leninismus über das Wesen des Rechts. 351 Vgl. die Materialien in SAPMO-BArch, DY 30/IV2/13/467.

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352 Vgl. etwa ebd., Bl. 138–143, Vorschlag zum Themenplan der staats- und rechtswissenschaftlichen Fakultät (undatiert [um 1951]). 353 Vgl. die Materialien in Zentral- und Landesbibliothek Berlin, NL Jürgen Kuczynski, Kuc2-1-Z, Bl. 3290–3301, bes.  Protokoll der Tagung des Juristischen Arbeitskreises, 15. November 1952, Bl. 3296 f. 354 Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 4, nach Min. 4:00. 355 Begegnungsstätte Alte Synagoge, NL Ulrich Föhse, Ordner 4 (unpaginiert), Leo Zuckermann an Ulrich Föhse, 15. Dezember 1982. Vgl. auch Kap. 2.2 in diesem Buch. 356 Vgl. Kap 1.3 in diesem Buch. 357 Auskunft von Marc-Michel Zuckermann, 23. Februar 2018. 358 Noch 1953, in einem Brief an die ZPKK, denunzierte Götz Berger Lydia Zuckermann als »100 %ige französische Chauvinistin«, deren Aufnahme in die SED »wegen ihres bourgeoisen Verhaltens abgelehnt« worden sei. SAPMO-BArch, DY 30/IV2/4/124, Bl. 239, Götz Berger an ZPKK, 7. Januar 1953. 359 Ebd. Vgl. auch Secretaria de Relaciones Exteriores Mexico, Departemento de Concentraciones, VII(N)-974–3, Bl. 47, Leo Zuckermann an Secretaría de Relaciones Exteriores, 27. Dezember 1952. 360 Zehl Romero, Anna Seghers, 94–124. 361 Podewin, Der Rabbinersohn im Politbüro, 256. 362 Vgl. die bis dato umfassendste Darstellung der Vorgänge bei Weigelt, »Der zionistische Agent Julius Meyer und seine Auftraggeber …«, 75–129. 363 Lehren aus dem Prozeß gegen das Verschwörerzentrum Slansky [sic], in: Neues Deutschland, 4. Januar 1953, 5 f. 364 Weigelt, »Der zionistische Agent Julius Meyer und seine Auftraggeber …«, 113. 365 SAPMO-BArch, DY 30/IV2/4/404, Bl. 31–41, Vernehmung Julius Meyer, 6. Januar 1953; BStU, MfS, HA XX/4, Nr. 2034, Bl. 39–44, Vernehmung Julius Meyer (undatiert [8. Januar 1953]). 366 Vgl. Timm, Hammer, Zirkel, Davidstern, 122. Bereits im Dezember 1951 soll Julius Meyer von dem Mitarbeiter der Sowjetischen Kontrollkommission Oberst Tulpanow aufgefordert worden sein, Listen der Empfänger von Joint-Paketen zur Verfügung zu stellen. Vgl. Niether, Leipziger Juden und die DDR, 118. 367 Vgl. u. a. Wilhelm Piecks ehemaliger Kanzleichef geflüchtet, in: Die Welt, 7. Januar 1953, 1; Piecks früherer Kanzleichef geflüchtet; in: Der Tagesspiegel, 7. Januar 1953, 1; Former High Aide in Soviet Zone Escapes To Avoid a Purge Trial for »Zionist Spying«, in: The New York Times, 7. Januar 1953, 7; Soviet Germany Issues Order Seizing Jewish Property, in: Jewish Telegraphic Agency, 8. Januar 1953. 368 Podlye Shpiony i Ubijcy pod Maskoj Professorov-Vrachej [Bösartige Spione und Mörder unter der Maske akademischer Ärzte], in: Prawda, 13. Januar 1953,  1; Terroristische Ärztegruppe in der Sowjetunion entlarvt, in: Neues Deutschland, 14. Januar 1953, 1. Zur »Ärzteverschwörung« vgl. Brent / Naumov, Stalin’s Last Crime. 369 Weigelt, »Der zionistische Agent Julius Meyer und seine Auftraggeber …«, 114. 370 Offenberg, »Seid vorsichtig gegen die Machthaber«, 88 und 90. Zur Wahrnehmung der Ereignisse in der Leipziger Jüdischen Gemeinde vgl. Niether, Leipziger Juden und die DDR, 117–133. 371 Zit. nach Weigelt, »Der zionistische Agent Julius Meyer und seine Auftraggeber …«, 116. 372 Vgl. dazu die Angaben in BStU, MfS, AU, Nr. 76/54, Bd. 1, Bl. 81–85, hier 82, Rudolf Zuckermann, Zur Affaire meines Bruders (undatiert); Kießling, Absturz in den kalten Krieg, 42. 373 Wilhelm Piecks ehemaliger Kanzleichef geflüchtet, in: Die Welt, 7. Januar 1953, 1; Auskunft von Marc-Michel Zuckermann, 23. Februar 2018.

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374 Vgl. dazu Weigelt, »Der zionistische Agent Julius Meyer und seine Auftraggeber …«, 120–125. 375 Zit. nach ebd., 127. 376 US Army Intelligence Investigative Records / US Army Intelligence  & Security Command Fort Meade, Leo Zuckermann file, case H92F-95, Bl. 94–99, hier 94 f., Bericht über die Befragung von Leo Zuckermann am 13. Februar 1953 in München, Hotel Excelsior, 26. Februar 1953. – Ich danke Jeffrey Herf (Maryland) für die freundliche Überlassung der Akte. 377 Timm, Hammer, Zirkel, Davidstern, 122. Vgl. dazu auch Chen, The Israeli Consulate in Munich, 1948–1953.

Epilog Zweierlei Zugehörigkeit, oder: Zur Anziehungs- und Bindekraft des Kommunismus 1 Die Episode ist überliefert in Weigelt, »Die Politik hat sich geändert und ich stehe jetzt als jüdischer Nationalist da«, 238, und in Hartewig, Zurückgekehrt, 610, Fn. 113. – Leo Zuckermann ist der Einzige, der das Treffen 1982 während eines Deutschlandbesuches gegenüber dem Wuppertaler Historiker Ulrich Föhse bestätigte; dieser wiederum gab die Information 1998 an den Berliner Historiker Andreas Herbst weiter. SAPMO-BArch, NY 4559/KK44 (unpaginiert), Ulrich Föhse an Andreas Herbst, 1. September 1998. Der frühere Botschafter der DDR in Mexiko, Peter Lorf, erinnerte sich, ebenfalls 1998 darauf angesprochen, nicht an das Aufeinandertreffen, hielt es jedoch für möglich, dass Zuckermann zu den zahlreichen Besuchern deutscher (jüdischer) Herkunft gehört habe, die häufig Kulturangebote der ostdeutschen Botschaft in Mexiko-Stadt wahrnahmen. Peter Lorf an Andreas Herbst, 28. August 1998 (im Besitz des Autors). Ich danke Andreas Herbst (Berlin) für diese Informationen. 2 Kießling, Alemania Libre in Mexiko (1974), 297; ders., Exil in Lateinamerika (1980), 217, 233 und 247. – In der Studie von 1974 hatte es hinsichtlich der Standpunkte »nationalistische[r] jüdische[r] Kreise«, denen auch Zuckermann nahegestanden habe, geheißen: »Diese und ähnliche Äußerungen widersprachen den Aufgaben und Zielen der BFD, die eine antifaschistische deutsche Bewegung war.« (Kießling, Alemania Libre in Mexiko, 297). Schon 1980 deutete sich die Rehabilitation Zuckermanns an, als seine Tätigkeit zugunsten politischer Flüchtlinge in Südfrankreich nüchtern wiedergegeben wurde (ders., Exil in Lateinamerika, 247). 3 Staatsbesuch in Mexiko, in: NBI, Nr. 38, 1981, 2–15, hier 14. Ähnlich auch Dialog mit Mexiko, in: Freie Welt, Nr. 19, 1981, 2–5, hier 2 f. 4 Hartewig, Zurückgekehrt, 580–603. 5 Zit. nach ebd., 556. 6 Symbolische Grundsteinlegung für die Neue Synagoge Berlin, in: Neues Deutschland, 11. November 1988, 1. Vgl. dazu auch Offenberg, »Seid vorsichtig gegen die Machthaber«, 234–241; Hartewig, Zurückgekehrt, 593–596. 7 Wolffsohn, Die Deutschland-Akte, 275–381. Vgl. dazu auch die seit wenigen Jahren zugänglichen Dokumente in: Goschler / Böick / Reus (Hgg.), Kriegsverbrechen, Restitution, Prävention, Kap. 7. 8 Timm, Hammer, Zirkel, Davidstern, 280–285. 9 Herf, Unerklärte Kriege gegen Israel. 10 Die Behauptung Heinz Lippmanns, Honecker sei als Ziehsohn Ulbrichts an der Aus-

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schaltung Merkers und Franz Dahlems beteiligt gewesen, lässt sich nicht belegen. Ders., Honecker – Porträt eines Nachfolgers, 146. Sabrow, Erich Honecker, 174 f.; Andert, Nach dem Sturz, 166–168. Weigelt, »Der zionistische Agent Julius Meyer und seine Auftraggeber …«, 127–129. Vgl. die Angaben in Taubert, Lateinamerika als Absatzmarkt für deutsche Bücher, 46–48. Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 8, nach Min. 42:00. Auskunft von Marc-Michel Zuckermann, 23. Februar 2018. So der deutsche Germanist Fritz Pohle, dem gegenüber Zuckermann sich 1978 als »Kommunist« bezeichnete, aber auch gegenüber einem Studienfreund seines Neffen. Auskunft von Fritz Pohle, 15. Dezember 2016; Auskunft von Matthias Wolf, 27. April 2018. Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd.  10, nach Min.  56:25 (Gewerkschaften), Tbd. 9, nach Min. 48:00 (Gramsci). Auskunft von Marc-Michel Zuckermann, 23. Februar 2018. Auskunft von Erik Zuckermann, 11. Januar 2020. Meining, Kommunistische Judenpolitik, 166 f. Auskunft von Marc-Michel Zuckermann, 23. Februar 2018. Ebd. BStU, MfS, AU, Nr. 76/54, Bd. 1, Bl. 81–85, hier 84, Rudolf Zuckermann, Zur Affaire meines Bruders (undatiert). Vgl. auch Kießling, Absturz in den kalten Krieg, 44. Zuckermann, Interview mit Boege (1978), Tbd. 7, nach Min. 24:00. Ebd., Tbd. 8, nach Min. 7:30; Tbd. 6, nach Min. 19:20 (Hervorhebung des Verfassers). Zum Zusammenhang von atomarer Abschreckung und der Wahrnehmung des Holocaust vgl. Pollmann, Fragmente aus der Endzeit. Judt, Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart; Diner, Gegenläufige Gedächtnisse. Vgl. dazu auch Postone, Der Holocaust und der Verlauf des 20. Jahrhunderts. Vgl. etwa Hilberg, Die Vernichtung der europäischen Juden; Levi, Ist das ein Mensch?; Bauer, Die Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns. Meuschel, Legitimation und Parteiherrschaft, 101–116. Leo Zuckermann, Helgoland: Bombenziel oder Insel des Friedens?, in: Deutschlands Stimme, 6. April 1951; ders., Wallstreet verschärft seine Diktatur in Westdeutschland, in: Tägliche Rundschau, 25. März 1951. Vgl. dazu Salzborn, Antisemitismus als negative Leitidee der Moderne; Diner, Negative Symbiose; Geisel, Störenfriede der Erinnerung. Sabrow, Erich Honecker, Kap. 6. Borneman / Peck, Sojourners, 130. – Die Frage hatte gelautet: »May we go back to your childhood? What does it mean for you to be a Jew?« Die Antwort: »Absolutely nothing. It has played no role in my life.« SAPMO-BArch, DY 30/IV2/4/112, Bl. 419–430, hier 426, Genosse Zuckermann (Befragung ZPKK), 10. November 1950. Auskunft von Eckart Boege, 25. Januar 2021. Ebd.; Auskunft von Fritz Pohle, 15. Dezember 2016. Koestler, Pfeil ins Blaue, 308 f. Vgl. dazu auch Graf, Vor den Trümmern zweier Welten. Albert Norden, Ereignisse und Erlebtes; Abusch, Mit offenem Visier; Kuczynski, Fortgesetzter Dialog mit meinem Urenkel; Heym, Nachruf; Axen, Ich war ein Diener der Partei. Sabrow, Erich Honecker, 501.

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Abkürzungen

ADGB ARAM

Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund Acción Republicana Austriaca de Mexico (Österreichische republikanische Aktion in Mexiko) Asylrechtsbüro Internationales Bureau für Asylrecht und Flüchtlingshilfe (Bureau internationale pour le respect du droit d’asile et l’aide aux réfugiés politiques) ATSB Arbeiter-Turn- und Sportbund BArch Bundesarchiv BEG Bundesentschädigungsgesetz BFD Bewegung Freies Deutschland BstU Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Bund Allgemeiner Jüdischer Arbeiterbund in Russland, Polen und Litauen CCIM Comité Central Israelita de México (Zentralkomitee der Juden in Mexiko) CDU Christlich-Demokratische Union Deutschlands CJA Centrum Judaicum Archiv DBD Demokratische Bauernpartei DNVP Deutschnationale Volkspartei DVA Deutsche Verwaltungsakademie »Walter Ulbricht« DVP Deutsche Volkspartei DWK Deutsche Wirtschaftskommission EJGK Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur EVG Europäische Verteidigungsgemeinschaft FD Freies Deutschland Geserd Gesellschaft zur Förderung des jüdischen Siedlungswerkes in der UdSSR GPU Ob”edinёnnoe gosudarstwennoe političeskoe uprawlenie (Vereinigte staatliche politische Verwaltung; sowjetischer Militärgeheimdienst) HICEM Hebrew Immigrant Aid Society / Jewish Colonization Association / Emigdirect IJA Institute of Jewish Affairs IRH Internationale Rote Hilfe JAK Jüdisches Antifaschistisches Komitee JDC Archives Joint Distribution Committee Archives Joint American Jewish Joint Distribution Committee KJVD Kommunistischer Jugendverband Kominform Kommunistisches Informationsbüro (eigtl. Informationsbüro der Kommunistischen und Arbeiterparteien) Komintern Kommunistische Internationale KPČ Kommunistische Partei der Tschechoslowakei KPD Kommunistische Partei Deutschlands KPdSU Kommunistische Partei der Sowjetunion LAK Lateinamerikanisches Komitee der Freien Deutschen LDP Liberaldemokratische Partei Deutschlands LON League of Nations LPC Liga Pro Cultura Alemana en México (Liga für deutsche Kultur in Mexiko)

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MfS NBI NDPD NKFD NSDAP OZET

Ministerium für Staatssicherheit Neue Berliner Illustrierte National-Demokratische Partei Deutschlands Nationalkomitee Freies Deutschland Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Obshchestvo po zemel nomu ustrojstvu yevreev trudyashchikhsya (Organisation zur Landansiedlung werktätiger Juden) PAAA Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes RFB Rotfrontkämpferbund RGBl Reichsgesetzblatt SAG Sowjetische Aktiengesellschaften SAJ Sozialistische Arbeiter-Jugend SAP Sozialistische Arbeiterpartei SAPMO -BArch Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv SBZ Sowjetische Besatzungszone SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SFIO Section française de l’Internationale ouvrière SMAD Sowjetische Militäradministration SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands Tbd. Tonbandkassette UN United Nations UNAM Universidad Nacional Autónoma de México (Nationale Autonome Universität von Mexiko) USC Unitarian Service Committee USHMM United States Holocaust Memorial Museum VdN Verfolgte(r) des Naziregimes VVN Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes WJC World Jewish Congress ZK Zentralkomitee der SED ZPKK Zentrale Parteikontrollkommission der SED ZVE Zentralvereinigung Deutscher Emigration

320

Quellen und Literatur

Archive American Jewish Archives, Cincinnati, Oh.

MS-361/A1/3 (League of Nations, Liaison Committee, 1938–1939)

Begegnungsstätte Alte Synagoge, Elberfeld

Nachlass Ulrich Föhse, Ordner 4 und 5, Tbd. 78 (Prof. Dr. Leo Zuckermann in Düsseldorf, 25. September 1983)

Bundesarchiv, Berlin (BArch)

R 58/7068 (Materialsammlung Reichsführer SS zu Asylrechtskonferenz) R 58/9687 (Karteikartensammlung Gestapo-Verfolgte, Bd. 4) R 58/9700 (Karteikartensammlung Gestapo-Verfolgte, Bd. 10)

Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) MfS, BV Potsdam, AOP, Nr. 22/53, Bd. 1 und 2 (»Mexico«, Leo Zuckermann) MfS, AS, Nr. 251/56, Bd. 9d (Verbindung zu Field) MfS, AU, Nr. 192/56 (Paul Merker) MfS, AU, Nr. 76/54, Bd. 1 (Rudolf Zuckermann) MfS, HA IX/11, AS, Nr. 89/67 (Leo und Rudolf Zuckermann) MfS, HA XX/4, Nr. 2034 (Julius Meyer)

Centrum Judaicum Archiv, Berlin (CJA)

1, 75 C Wa1 (Wanderbund Kameraden): Nr. 11, 15 und 16 2A2 (Verband der Jüdischen Gemeinden in der DDR): Nr. 405 5A1 (Jüdische Gemeinde zu Berlin): Nr. 6, 26, 385, 455, 457, 458, 493 und 494 5B1 (Verband der Jüdischen Gemeinden in der DDR): Nr. 4, 30, 31 und 121

Hauptstaatsarchiv Düsseldorf

RW58/59871 (Geheime Staatspolizei Düsseldorf, Vorgang Leo Zuckermann)

The Hebrew University of Jerusalem, Institute of Contemporary Jewry, Oral History Division Chaim Yahiel Interview

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Joint Distribution Committee Archives, New York (JDC Archives)

NY  AR193344/2/2/27/234 (Records of the New York Office of the American Jewish Joint Distribution Committee 1933–1944)

League of Nations Archive, Genf (LON)

S 543 No. 9 38/8 und /9 (Conférence d’Évian) R5720/50/23970/7100 (Liaison Committee Minutes)

Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow, Leipzig (DI) Leo Zuckermann, Interview mit Eckart Boege, Mexiko-Stadt (1978)

The National Archives (UK), London KV2/3834 (Leo Zuckermann)

Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin (PAAA) Paris 555a (1921–1936) Paris 555b (1936–1939) Paris 1313 (Kampf gegen Kommunisten) R 99595, Nr. 6116 (Deutsche Emigrantentätigkeit im Ausland)

Secretaria de Relaciones Exteriores Mexico, Departemento de Concentraciones, Mexiko-Stadt VII(N)-974–3 (Zuckermann Maus Leo)

Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv, Berlin (SAPMO -BArch)

DA 1/1839 (Abgeordnetenmappe Volkskammer Leo Zuckermann) DA 4/810 und /811 (Präsidialkanzlei) DP 1/270 (Deutsches Institut für Rechtswissenschaft) DQ 2/3320 (Anerkennung als Kämpfer gegen den Faschismus und Opfer des Faschismus) DQ 2/3321 (Wiedergutmachung für Verfolgte des Naziregimes) DQ 2/3326 (Rechtliche und finanzielle Sicherung der Opfer des Faschismus) DQ 2/3371 (Rechtsvorschriften zur Betreuung von Verfolgten des Naziregimes) DX 1/639 (SMAD-Befehl Nr. 35/48) DX 1, Nr. 64/1948 (SMAD-Befehl Nr. 64/48) DY 30/15685 (Archiv Dietz Verlag) DY 30/55691 und /55823 (Protokolle Kleines Sekretariat) DY 30/56027 und /56029 (Protokoll Sekretariat Zentralkomitee) DY 30/IV2/2.022/114 (Übereignung sequestrierter Betriebe an die Konsumgenossenschaften der Länder in der sowjetischen Besatzungszone) DY 30/IV2/2.027/29–32 (Büro Helmut Lehmann) DY 30/IV2/4/106, /111–114, /117, /121, /124, /131, /148, /151, /404, /437 und /439 (Zentrale Parteikontrollkommission, ZPKK) DY 30/IV2/11/189, /192 und /257 (Abteilung für Kaderfragen. Emigration und Rückführung von Emigranten)

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DY 30/IV2/11/v.3154, /v.2566, /v.2895, /v.5248, /v.4749, /v.5250, /v.801, /v.1914 und /v.4273 (Kaderakten) DY 30/IV2/13/25 (Staat und Recht) DY 30/IV2/13/25/109–110, /219 (Abteilung Landespolitik) DY 30/IV2/13/25/230–233 (Verfassung) DY 30/IV2/13/25/244–245 (Deutscher Volksrat) DY 30/IV2/13/25/463, /465 und /467 (Verwaltungsakademie Forst Zinna) NY 4036/604, /606, /762, /763 und /765 (Internationale Rote Hilfe) NY 4102/5–7, /10, /27, /54, /58 und /64 (Mexiko) NY 4167/15 und /585 (Staatsbesuch Erich Honecker in Mexiko, 1981) NY 4182/1189, /1090, /1104 und /1127 (Nachlass Walter Ulbricht) NY 4246/1, /19, /33, /36 und /58 (Nachlass Georg Stibi) NY 4559/KK13, /KK44, /KK47 und / K K49 (Nachlass Wolfgang Kießling) RY 1/I2/3/242, /348, /352, /354 und /418 (Emigration Frankreich) SgY 8/v230/3/9 (Emigration Frankreich) SgY 14/14, /15 und /18 (Emigration in verschiedenen Ländern, Mexiko) SgY 15/v243/30 (Materialien zur Befreiung Thälmanns)

United States Holocaust Memorial Museum, Washington, D. C. (USHMM)

Records of the Executive Committee of the World Jewish Congress, Paris, RG-11.001M.36 World Jewish Congress, New York Office Records, Series H, RG-67.014M, H 232, H 237–H 245 (Mexico)

US Army Intelligence Investigative Records / US Army Intelligence  & Security

Command Fort Meade, Maryland

Leo Zuckermann file, case H92F-95

The Wiener Library for the Study of Holocaust & Genocide, London

Ref. No. 1238 (International Bureau for the Right of Asylum and Aid to Political Refugees)

Zentral- und Landesbibliothek, Berlin

Kuc2-1-Z 423 und 424 (Nachlass Jürgen Kuczynski)

Gespräche

Eckart Boege (Veracruz), Simone Bloch (New York), Andrée Fischer-Marum (1941–2023), Daniela Gleizer (Mexiko-Stadt), Renata von Hanffstengel (1934–2018), Andreas Herbst (Berlin), Jeffrey Herf (Washington, D. C.), Brigida von Mentz (Mexiko-Stadt), Fritz Pohle (Hamburg), Dieter Schwartze (Halle), Hermann Simon (Berlin), Matthias Wolf (Berlin), Alex Zuckerman (Berlin), Erik Zuckermann, Marc-Michel Zuckermann, Yuri Zuckermann (jeweils Mexiko-Stadt)

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Register

Personenregister Abusch, Alexander (Ernst Abusch)  33, 49, 62, 72, 75 f., 96 f., 105, 109 f., 113 f., 118, 120, 122 f., 125–128, 150, 172, 178, 190 f., 204, 230, 232, 238, 250, 260, 272, 288, 298 Abusch, Hildegard (Hildegard Aßmann) ​ 114 Ackermann, Anton ​12, 155, 223 f., 267, 287 f. Alexander, Brigitte ​137 Alter, Victor ​153 Aman, Dudley, 1.  Baron Marley ​67 Arendt, Hannah ​110  f. Aßmann, Hildegard, siehe Abusch, Hildegard Auerbach, Philipp ​239 Ávila Camacho, Manuel ​115 Bachem, Wilhelm ​11, 249 Balk, Theodor ​118 Barbusse, Henri ​67, 72 Barsky, Edward K. ​109, 120 Bartel, Walter ​231 Bauer, Leo ​79, 87, 230, 238 Bauer, Otto ​29 f., 212 Baumgarten, Charlotte (Charlotte Ruge, Charlotte Schwarz) ​248 Baumgarten, Hans ​248 Bebel, August ​29, 41–43, 56, 277 Becher, Johannes R. ​52, 157 Bell, Tom ​80, 102 Ben-Gurion, David ​264 Benjamin, Hilde (Helene Marie Hildegard Lange) ​251 Berger, Götz ​212, 308, 316 Bernhard, Georg ​82 Bernstein, Eduard ​33 Bismarck, Otto von ​129 Blücher, Gebhard Leberecht von ​241 Blum, Léon ​77

Blumenfeld, Kurt ​55 Boege, Eckart ​10, 19, 216, 250, 263 f., 273 f., 287 Böhme, Kurt ​210–212 Bolz, Lothar ​219 Börner, Otto (Otto Wahls) ​114 Bosques, Gilberto ​108 f., 113, 136, 152, 229, 289 Brandt, Heinz ​18 Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern, Elisabeth Christine von ​226 Breitscheid, Rudolf ​62, 75, 178, 281 Brüning, Heinrich ​59 Bucharin, Nikolai ​47 Busse, Ernst ​228 Cárdenas del Río, Lázaro ​108 Chamberlain, Arthur Neville ​101 Dahlem, Franz ​12, 62, 74, 100, 109, 190, 201, 289, 318 Dahlem, Käthe (Käthe Weber) ​288 Daladier, Édouard ​86 Dertinger, Georg ​226 Diamant, Max ​126 Dimitroff, Georgi ​17 f., 61–63, 65, 67, 70 f., 74 f., 280 Düby, Gertrude (Gertrude Duby-Blom, Gertrude Elisabeth Lörtschner) ​230 Ehrenburg, Ilja ​157–159, 219, 222 Einstein, Albert ​67, 153, 295 Eisler, Gerhart ​33, 49, 59, 76, 204, 228, 249 f. Eisler, Hanns ​33, 52 Eisler, Hilde (Brunhilde Rothstein) ​204 Ende, Lex (Adolf Ende) ​72, 107, 109, 229 f., 289 Engels, Friedrich ​30, 47, 57 Erlich, Henryk ​153 f., 160, 179

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Fechner, Max ​210–212, 243 Fefer, Itsik ​159 Feistmann, Rudolf ​114, 116, 191, 260 Ferrucci, Jérôme ​87 Feuchtwanger, Lion ​67, 104 Fichte, Johann Gottlieb ​241 Field, Noel H. ​19, 109, 227–231, 237, 244 Fischer, Ruth ​33 Fischl, Otto ​245 Florin, Wilhelm ​62, 155 Föhse, Ulrich ​294, 317 Frei, Bruno ​31, 33, 52, 62, 97, 114, 153, 179 f., 183, 203 Freisler, Roland ​129 Friedländer, Erika ​306 Friedländer, Saul ​112, 289 Fry, Varian ​108 Fürnberg, Louis ​23 Galinski, Heinz ​195, 255 f. Geffke, Herta ​230, 232 f., 235 Geminder, Bedrich ​246 Georgescu, Teohari ​244 Gerats, Johannes ​252 Gerszt, Izchock ​57 Gide, André ​67 Gilberg, Jakob ​57 Glikowski, Moises ​175 Glückauf, Erich ​32, 190 Gneisenau, August Neidhardt von ​241 Gniffke, Erich ​223 Goebbels, Joseph ​47 f., 66 f. Goldhammer, Bruno ​230 Goldmann, Nahum ​148 f., 175–177 Goldschmidt, Alfons ​125 Goldstein, Kurt ​48 Gomułka, Władysław ​244 Göring, Hermann ​66  f. Gottwald, Klement ​244 Gramsci, Antonio ​263, 287 Grossman, Wassili ​157  f. Grotewohl, Otto ​186, 206, 213 f., 236, 238, 240, 245, 248 Grunsfeld, Fritz ​239, 254 Gutmann, Heinrich (Enrique Gutmann) ​ 125 Gysi, Klaus ​260 Hager, Kurt ​249 Hajdu, Vavro ​246

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Havemann, Robert ​308 Heller, Otto ​29, 52 f., 55 f., 119, 149, 294 Herrnstadt, Rudolf ​155 Himmler, Heinrich ​146, 172, 293 Hirsch, Albert ​313 Hirsch, Emil ​55 Hirsch, Walter ​36 Hirsch, Werner ​33, 36 Honecker, Erich ​259–263, 269, 273, 317 f. Huppert, Hugo ​157 Jahn, Friedrich Ludwig ​241 Janka, Charlotte (Charlotte Scholz) ​ 114, 290 Janka, Walter ​108, 114, 117, 190 Jungmann, Erich ​96 f., 178, 190, 204, 293 Kahlo, Frida ​116 Kahn, Siegbert ​187 Kantorowicz, Alfred ​18, 33, 62, 68 f., 224, 246, 281 Katten, Fritz ​228, 234 Katz, Friedrich ​181 Katz, Leo ​33, 52–56, 97, 114, 118–120, 122, 126 f., 147, 153 f., 159 f., 179–181, 183, 232 Katz, Otto (André Simone) ​62, 97, 114, 116, 162, 179 f., 183, 203, 230, 233, 245–247, 249, 290 Kautsky, Karl ​29, 56 Kirchheimer, Hilde, siehe Neumann, Hilde Kisch, Egon Erwin ​33, 97, 114, 116, 118, 126, 147, 159, 179–181, 183, 203 Klemperer, Victor ​215, 224 Klenner, Hermann ​252 Knopfmacher, Kate ​148–152, 161, 174 f. Koenen, Wilhelm ​298 Koestler, Arthur ​33, 54, 62, 67, 72, 101, 269 Kogon, Eugen ​196 Kołakowksi, Leszek ​250, 315 Körner, Theodor ​241 Kreikemeyer, Willy ​230 Kuczynski, Jürgen ​33, 36, 42, 63, 75 f., 105, 226, 252, 268 Kuczynski, Robert René ​36 Kühn, Charlotte, siehe Ulbricht, Lotte Kühn, Joachim ​70 Lambert, Lydia, siehe Zuckermann, Lydia Lange, Helene Marie Hildegard, siehe Benjamin, Hilde

Lasalle, Ferdinand ​33 Laufer, Oswald ​64 Lehmann, Helmut ​138, 201, 216, 305 f. Lemkin, Raphael ​272 Lenin, Wladimir Iljitsch ​30, 56, 62, 69, 101 f., 210, 212, 287 Leonhard, Wolfgang ​11, 18, 224 Liebstein, Karl, siehe Livneh, Eliahu Lippmann, Heinz ​317  f. Livneh, Eliahu (Karl Liebstein) ​257 Lombardo Toledano, Vicente ​115, 125, 163, 230 London, Artur ​246 Lorf, Peter ​317 Lörtschner, Gertrude Elisabeth, siehe Gertrude Düby Losowski, Solomon ​160, 296 Löwenkopf, Leon ​206, 212 Lubbe, Marinus van der ​61, 66, 70 Luca, Vasile ​244 Lukács, Georg ​155, 157 Lützow, Adolf Freiherr von ​241 Luxemburg, Rosa ​33, 62, 239 Malcolm, Neill ​79, 81 Mann, Heinrich ​67, 196 Mann, Thomas ​122 Marx, Karl ​29, 56 f., 118, 251 Matern, Hermann ​227 Maus, Ewald ​279 Maus, Sophie, siehe Zuckermann, Sophie Mayer, Paul ​167 McDonald, James Grover ​77 Melis, Ernst ​288 Melsheimer, Ernst ​212 Merker, Paul ​13, 19–21, 93–97, 100, 104, 112, 114, 116 f., 120, 136, 142, 145–147, 151, 154 f., 159 f., 164, 167–170, 172, 176 f., 180, 183, 190–193, 196, 200 f., 203, 205, 228–234, 236, 238, 245–250, 256, 267, 287, 293, 296, 298, 300, 306 f., 317 f. Meyer, Ernst ​47 Meyer, Hannes ​125 Meyer, Julius ​187, 195, 206, 215, 225, 239 f., 248, 254–256, 262, 316 Mikhoels, Solomon ​16, 159, 221 Münzenberg, Willi ​32, 61, 65, 67, 101, 180 Mussolini, Benito ​241 Nettball, Kurt ​205, 305

Neuhaus, Rodolfo ​126 Neumann, Heinz ​33 Neumann, Hilde (Hilde Kirchheimer, Hilde Rosenfeld) ​35, 62, 76, 97, 178, 195, 232, 276 Niebergall, Otto ​104 Noguères, Louis ​88 Norden, Albert ​32 f., 35 f., 38, 40, 49, 52, 57, 59, 62, 76, 249 f., 254, 276, 288 Norden, Hans ​38 Norden, Joseph ​31 f., 34, 37, 40, 44 Ollenhauer, Erich ​75 Orwell, George ​188 Otero Gama, Carmen ​151, 163 f., 174 f. Papen, Franz von ​59 Perrin, Paul ​77 Pieck, Wilhelm ​11, 16, 62, 74, 80, 103, 114, 142, 154 f., 157, 186, 190–192, 213 f., 216, 225–228, 231, 240, 248, 254 Piepenstock, Henny, siehe Stibi, Henny Pisarek, Abraham ​4, 131, 140, 142 f., 187, 226 Plenikowski, Anton ​191, 209 Polak, Karl ​227, 252 Popow, Blagoi ​61 Puente, María Teresa ​163 f. Puschkin, Georgi Maximowitsch ​142, 190 Raddatz, Karl ​192  f. Rädel, Siegfried ​100, 104, 109, 289 Radványi, László (Johann-Lorenz Schmidt) ​ 100 Rau, Heinrich ​109 Regler, Gustav ​101, 125 Reinerová, Lenka ​115 Renn, Ludwig ​108, 114, 116, 124 f., 128, 190, 260, 290 Riegner, Gerhart ​146 Rivera, Diego ​116 Robinson, Nehemiah ​174 f., 177, 300 Rolland, Romain ​67 Roosevelt, Eleanor ​153 Roosevelt, Franklin D. ​81 f. Rosenfeld, Hilde, siehe Neumann, Hilde Rosenfeld, Kurt ​35, 62, 232 Roth, Joseph ​67 Rothstein, Brunhilde, siehe Eisler, Hilde Rublee, George ​82

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Ruge, Charlotte, siehe Baumgarten, ­Charlotte Ruschin, Günther ​114, 137, 303 Schäfermeyer, Reinhold ​212 Scharnhorst, Gerhard von ​241 Schdanow, Andrei ​217 Schmidt, Elli ​288 Schmidt, Johann-Lorenz, siehe Radványi, László Schmolka, Maria ​86 Scholem, Arthur ​34, 36 f. Scholem, Erich ​34 Scholem, Gershom (Gerhard Scholem)  ​34, 36 Scholem, Reinhold ​34 Scholem, Werner ​33–35 Scholz, Charlotte, siehe Janka, Charlotte Schönstedt, Henny ​106 Schrecke, Hans ​62 Schulte, Eduard ​146 Schwarz, Charlotte, siehe Baumgarten, Charlotte Seghers, Anna ​33, 35, 38, 97–100, 102, 104–106, 108–112, 114, 116 f., 126, 128 f., 150, 178, 204 f., 227, 254, 260, 294 f., 306 Sens, Max ​232 f. Siewert, Robert ​187 Simone, André, siehe Katz, Otto Simonow, Konstantin ​299 Simpson, John H. ​86 Slánský, Rudolf ​12, 23, 244–247, 250, 254 Sperber, Manès ​33, 62 f. Spira, Steffie (Stephanie Spira-Ruschin) ​ 114, 137, 303 Stalin, Josef ​16, 30, 47, 56, 71, 100–103, 108, 110, 125, 154–158, 169, 179, 188, 207, 212, 218, 221 f., 224, 240–242, 247–251, 255, 310 Staloff, Lydia, siehe Zuckermann, Lydia Stampfer, Friedrich ​169, 298 Stassowa, Jelena ​62 Stern, Kurt ​137, 227 Stibi, Georg ​114, 126, 145, 293 Stibi, Henny (Henny Piepenstock) ​114 Streicher, Julius ​246 Tanew, Wassil ​61 Tartakower, Arieh ​296  f. Thälmann, Ernst ​36, 45, 62, 66, 70 f., 178

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Thoma, Richard ​280 Tito, Josip Broz ​188, 223 Torgler, Ernst ​61 Triebel, Elisabeth, siehe Zakowski, Elisabeth Uhse, Bodo ​114–117, 119 f., 122, 124–127, 134, 260, 291 Ulbricht, Lotte (Charlotte Kühn) ​226 f. Ulbricht, Walter ​16, 28, 30, 74, 103, 114, 155, 157, 186, 191, 193, 201, 209–213, 218, 226, 231, 235 f., 238, 240–242, 261, 308, 312, 317 Umansky, Konstantin ​16, 159, 179 Vansittart, Robert, 1. Baron Vansittart ​169, 298 Wahls, Otto, siehe Börner, Otto Weber, Käthe, siehe Dahlem, Käthe Weck, Rudolf ​193 Wehner, Herbert ​101, 262 Weigel, Helene (Weigl, Helene) ​52 Weinert, Erich ​52 Weiß, Ernst ​104 Weiskopf, F. C. ​23 Wermund, Hans ​11, 249 Wilhelm  II. ​35 Winter, Lotte ​204, 236 Winzer, Otto ​225, 227 f., 231 Wise, Stephen S. ​146, 149, 294 Wolf, Friedrich ​90, 104, 155 Wolf, Mischa (Markus Wolf) ​224 Yahiel, Chaim ​186, 206, 302 Zaisser, Wilhelm ​238 Zakowski, Elisabeth (Elisabeth Triebel) ​ 306 Zuckerman, Jacob ​99, 107 Zuckermann, Dora ​100 Zuckermann, Lydia (Lydia Lambert, Lydia Staloff) ​62, 75, 88, 100, 106, 133, 150, 190, 236 f., 263, 284 Zuckermann, Marc-Michel ​10, 100 Zuckermann, Rudolf ​34, 55, 61, 88, 106, 108,113 f., 125, 132, 232, 249, 272, 275 Zuckermann, Samuel ​35–37, 57 Zuckermann, Sophie (Sophie Maus) ​35, 100 Zweig, Arnold ​306 Zweig, Beatrice ​306

Sachregister Acción Republicana Austriaca de Mexico (ARAM, Österreichische republikanische Aktion in Mexiko) ​163, 180 Agenten (Spione) ​80, 153 f., 179, 211, 227–229, 231–234, 238, 244–248, 254, 260 Agudath Israel World Organization ​284 »Aktion T4« ​121, 123 Alemania Libre (Zeitschrift) ​ 116 f., 161 Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund (ADGB) ​50 Allgemeiner Jüdischer Arbeiterbund (Bund) ​15, 30, 153 f., 160, 180 f. Alliierte ​152, 165 f., 169, 180, 188, 193 f., 197, 200, 217, 240 – Alliierter Kontrollrat ​188, 194, 197, 200, 209, 217 Alter Jüdischer Friedhof Hannover ​ 117–119 American Jewish Committee ​15 American Jewish Congress ​146 American Jewish Joint Distribution ­Committee (Joint) ​79 f., 233, 255, 316 »Anschluss« Österreichs ​80, 88, 90, 111 Anti-Hitler-Koalition ​217 Antifa-Schulen ​117 Antisemitismus (Judenfeindschaft, Judenhass) ​17, 19 f., 22, 29 f., 35, 40‒45, 52 f., 56, 64, 68 f., 82, 94 f., 118‒120, 123, 127 f., 156 f., 163, 168, 187, 212, 220 f., 233, 253, 255 – und Arbeiterbewegung ​29 f., 42 f., 52 f., 56, 64, 68 f., 94 f., 118‒120, 145, 147, 187, 233, 255, 265 f. – sekundärer Antisemitismus ​265  f. Appeasement-Politik ​89 f., 101 f. Arbeiter-Turn- und Sportbund (ATSB) ​48 Arbeiterbewegung (Kommunistische Bewegung, Sozialistische Bewegung) ​ 17, 46, 67 f., 74 f., 261, 265, 270 – und Juden 42‒45, ​47 f., 55 f. Arbeiterklasse (Proletariat) ​11, 32, 49, 53, 56, 59 f., 66, 69, 71, 74, 85, 94 f., 98 f., 102 f., 170, 223, 242–244, 252 Arbeitssoldat ​106  f. »Arisierung« ​28, 173, 193 f., 198 f., 202, 214, 219

»Ärzteverschwörung« ​255 Asylrecht ​73, 76–79, 82–84, 103, 107 f. Asylrechtsbüro, siehe Bureau internationale pour le respect du droit d’asile et l’aide aux réfugiés politiques Atlantik-Charta ​171 Atlantic City, siehe War Emergency ­Conference (1944) Aufbau (Zeitung) ​163  f. Aufenthaltsrecht (Aufenthaltsgenehmigung) ​78, 84, 88, 98, 105–107, 165, 229 f. Ausländerrecht, siehe Mexiko Auslandsdeutsche, siehe Mexiko Ausschüsse für die Opfer des Faschismus, siehe Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Austria libre (Zeitschrift) ​180 Babyn Jar ​122 Baden ​95, 112 Barmen ​36, 47, 50, 52, 55 Barsky-Komitee, siehe Joint Antifascist Refugee Committee Bayer AG ​38 Beirat des Völkerbundkommissars für Flüchtlinge aus Deutschland, siehe Liaison Committee beim Völkerbundkommissar für Flüchtlinge aus Deutschland Berlin ​11 f., 27 f., 32, 36, 47, 49, 52 f.,70, 123, 131, 140 f., 143, 149 f., 178, 180, 190–196, 203–206, 209, 217 f., 225 f., 228, 232, 236 f., 239 f., 245, 247–249, 252, 254–257, 260 f., 303, 309, 312, 317 – Niederschönhausen ​223 f., 226 f., 237 – Pankow ​12, 209, 228 Berlin am Morgen (Zeitung) ​180 Berlin-Blockade ​188, 217  f. Besatzungszonen ​11, 27, 185, 193 f., 200, 216 – Amerikanische Besatzungszone ​189, 200, 208 – Sowjetische Besatzungszone (SBZ) ​ 11–14, 20 f., 28, 147, 185, 187–189, 192, 194 f., 197 f., 200–203, 205 f., 208, 210 f., 213 f., 217 f., 221–224, 228 f., 232, 234, 245, 267, 273

349

– Westliche Besatzungszonen (Trizone) ​ 28 f., 188, 200, 208, 210, 217 f., 255, 309 Bewegung Freies Deutschland (BFD) ​116 f., 123 f., 127, 146, 159–161, 163 f., 166–168, 172, 175, 177, 196, 317 Birobidschan ​29, 50, 52–56, 94, 149 Blockkonfrontation, siehe Kalter Krieg Bolschewiki ​33, 222 Botschaften (Diplomatie) – Botschaft der DDR in Mexiko ​259, 261 f., 269, 317 – Botschaft des Deutschen Reichs in Frankreich ​70, 105 – Botschaft des Deutschen Reichs in Mexiko ​124, 164 – Botschaft der Sowjetunion in der DDR ​ 142, 226 – Botschaft der Sowjetunion in Mexiko ​ 16, 114, 154, 159 f., 179, 299 – Botschaft der Tschechoslowakischen Republik in der DDR ​245 Boykotte ​64 f., 69, 84, 172 f. »Boykotthetze« ​251 Bund, siehe Allgemeiner Jüdischer Arbeiterbund Bund Deutscher Mädel ​124 Bund Deutscher Offiziere ​156 Bund Jüdischer Jugend ​50, 278 Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller Deutschlands ​180 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) ​20 Bureau internationale pour le respect du droit d’asile et l’aide aux réfugiés politiques (Asylrechtsbüro, Internationales Bureau für Asylrecht und Flüchtlingshilfe) ​17, 24, 63, 76 f., 79–82, 84, 86–88, 90 f., 107 f., 111, 148, 175 f., 182 f., 230, 284 Bürgertum, Bürgerlichkeit ​17, 31, 36 f., 42, 51, 57, 59 f., 62, 69, 116, 129, 217, 242 f., 245, 253, 266 Carepakete ​225 Centre de liaison des emigrés en France (Kontaktstelle für Emigranten in Frankreich) ​77 Centrum Judaicum ​261, 278 Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDU) ​11, 217, 226, 311 Claims Conference ​239

350

Comité Central Israelita de México (CCIM, Zentralkomitee der Juden in Mexiko) ​ 125 f., 146, 148 f., 153, 183 Comité des délégations juives ​173 Council for German Jewry ​284 Czech Refugee Trust Fund ​87 Demokratische Bauernpartei (DBD) ​218 Demokratische Post (Zeitschrift) ​ 117, 163, 165 f., 172, 176 Demokratischer Aufbau (Zeitschrift) ​210 Demokratischer Block ​217 Denunziation ​231 f., 248, 256 Deportationen ​112, 121–123, 146 f., ­149–151, 161, 174, 178 f., 255, 291 Deutsch (Sprache) ​37, 181 Deutsch-Jüdischer Jugendbund ​50  f. Der Deutsch-Mexikaner (Zeitung) ​117 Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt, siehe Hitler-Stalin-Pakt Deutsche Akademie der Wissenschaften ​ 252 Deutsche Schule, Mexiko-Stadt ​124, 164 Deutsche Sektion der Internationalen Juristischen Vereinigung ​74 Deutsche Verwaltungsakademie »Walter Ulbricht« (DVA) ​236 f., 247 f., 252 Deutsche Volksgemeinschaft (Verein) ​124 Deutsche Volkspartei ​45  f. Deutsche Wirtschaftskommission (DWK) ​ 213, 216 Deutsche Zeitung von Mexiko ​124 Deutsche Zentral-Zeitung ​156 Deutsche Zentralverwaltung für Arbeit und Sozialfürsorge ​192  f. Deutscher Volkskongress ​217  f. Deutscher Volksrat ​217  f. Deutsches Institut für Rechtswissenschaft ​ 237, 243, 252 Deutschlandvertrag ​240  f. Deutschnationale Volkspartei (DNVP) ​46 Diaspora ​15, 83, 177, 182, 203 Dietz Verlag ​187 Dimitroff-Verteidigungskomitee ​17, 61  f., 65–67, 75 Donau (Fluss) ​81 »drôle de guerre« (»Sitzkrieg«) ​104, 114 Einheitsfront 45‒48, ​71, 73‒75, 277 Einsatzgruppen ​121 f., 146 f., 158

Elberfeld ​17, 31–33, 35–39, 41, 47–51, 55, 57, 60–62, 112, 121 f., 132, 161, 182, 192, 199, 204, 249, 256, 276, 278 El libro libre (Verlag) ​116 f. Emanzipation ​64, 177  f. Emergency Rescue Committee ​108 Emigration, Emigranten (Flucht, Flüchtlinge) ​61 f., 76‒91, 98, 103, 113 f., 116, 124 f., 164 f., 191, 227, 264 – jüdische 80‒89, ​125 f., 167 f., 170, 179, 203 f., 233 – politische ​78, 81‒84, 86‒88, 98, 120 Entnazifizierung ​188, 209, 218 Entschädigung ​13, 17, 20, 28, 93 f., 145, 163, 165 f., 171 f., 193‒203, 206, 212 f., 215, 233 f. Ermächtigungsgesetz ​65 Erster Weltkrieg ​35, 37 f., 40, 42 f., 44, 101, 166, 269 Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) ​240  f. Évian-les-Bains, siehe Konferenz von Évian Exil – amerikanisches Exil ​169, 227, 249 f. – englisches Exil ​87, 167, 169, 227, 250 – französisches Exil ​61 f., 95, 105 – mexikanisches Exil ​113–117, 190, 196, 232 – Moskauer Exil ​102, 114, 154–158, 161, 168 f., 225 – Pariser Exil ​33, 60–76, 89, 100, 232 – westliches Exil, siehe Westemigration Exil-KP, siehe Kommunistische Partei Exil-SPD ​74  f. Eynikayt (Zeitschrift) ​159, 220

Freies Deutschland. Alemania Libre (Zeitschrift, Mexiko) ​116, 118, 120–123, 126, 128 f., 135, 145–147, 156 f., 159, 161, 163–168, 172, 179 Freiheit. Tageszeitung für Rheinland und Westfalen ​ 278 f. »Fürstenenteignung« ​304

Faschismusanalyse ​49, 66 f., 74, 128–130, 162, 170, 196, 211 Februarputsch (1948) ​188 »Feindliche Ausländer« ​95, 103, 106 f., 164 Flucht, Flüchtlinge, siehe Emigration, Emigranten Flüchtlingsorganisationen ​61, 77, 79 f., 86 f., 90, 108, 116, 265 Forst Zinna ​252 Fraye welt (Zeitschrift) ​179 Freie Deutsche Jugend ​261 Freie Sozialistische Jugend ​32 f. Freies Deutschland (Zeitung, Sowjetunion) ​ 156

Ha’avara-Abkommen ​83, 85, 285 Halacha (jüdisches Religionsgesetz) ​268 Hamburger Aufstand ​47 Haus der Freien Deutschen ​117, 176 Hebräisch ​24, 182, 264 Heinrich-Heine-Klub ​116, 137, 167 Hias-Ica Emigration Association ​284 HICEM ​86 Historischer Materialismus, siehe ­Marxismus Hitler-Stalin-Pakt (Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt) ​100–103, 108, 110, 125 Hitlerjugend ​124

Gaskammern ​146, 221  f. Geheimdienste (westliche) ​146, 225, 227, 233 f., 238, 244 f., 247 Generalgouvernement ​121 Genfer Flüchtlingskonvention (Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge) ​78 German Jewish Aid Committee ​284 German Labour Delegation ​169 Geserd-Gesellschaft ​50, 52 f., 55, 149, 160 Gesetz über die Übergabe von Betrieben von Kriegs- und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes ​198 Gesetz über Eigentum und Handels­ geschäfte des Feindes ​164 f. Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen ​29 Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums ​64  f. Gestapo ​86, 104 f., 107, 111, 123, 129, 288 Gewerkschaften ​50 f., 65, 68, 74, 115, 160, 263 Ghetto Litzmannstadt ​121 f., 150 f. Ghetto Warschau ​123 Gruppe Ulbricht ​155, 161

351

Hoher Kommissar für Flüchtlinge aus Deutschland (Völkerbundkommissar für Flüchtlinge aus Deutschland) ​ 77–81, 87 f., 107, 182, 294 Holocaust (Judenvernichtung) – Ereignisgeschichte ​88 f., 111 f., 120–123, 145–147 – Wahrnehmung ​13–15, 18 f., 21–25, 171 f., 178–183, 265–270 Imperialismus – -theorie ​89 f., 101–103, 189, 221, 223 Informationsbüro der Kommunistischen und Arbeiterparteien, siehe Kominform Institut für Sozialforschung ​15 Institute of Jewish Affairs (IJA) ​173, 272 Interalliierte Erklärung vom 17. Dezember 1942 ​147, 157 Intergovernmental Committee for ­Refugees ​82 f., 85, 91, 285 Internationale Arbeiterhilfe ​32 Internationale Asylrechtskonferenz 1936 ​ 76, 78 Internationale Brigaden (Spanienkämpfer) ​ 48, 71, 87 f., 95, 99, 108, 113 f., 279 Internationale Literatur/Deutsche Blätter ​ 156 f., 295 f. Internationale Rote Hilfe (IRH) ​17, 61–63, 67, 70, 76–78, 80, 86, 90 f., 102, 104, 107 f., 111, 244, 285 Internationale Vereinigung revolutionärer Schriftsteller ​156 Internationale Völkerbundligen-Union ​81 Internationales Bureau für Asylrecht und Flüchtlingshilfe, siehe Bureau internationale pour le respect du droit d’asile et l’aide aux réfugiés politiques Internationales Rotes Kreuz ​38 Internationales Thälmann-Komitee ​17, 63, 67, 70–72, 75 Internierungslager ​99, 103–105, 108 f., 112 – Drancy ​112 – Gurs ​110, 112 – Le Vernet ​100, 109 f., 296 – Saint-Cyprien ​88 Jewish Agency ​83 f., 186, 195, 245, 257, 284 Jewish Agency for Reconstruction ​174 Jewish Colonization Association ​284

352

Jewish Restitution Commission (Jewish Restitution Successor Organization Inc.) ​ 208 Jiddisch ​54, 179, 182 Jischuw ​83  f. Joint Antifascist Refugee Committee (Barsky-Komitee) ​109, 120 Judenfeindschaft, siehe Antisemitismus »Judenfrage« (»jüdische Frage«) – und Arbeiterbewegung ​19, 22 f., 29, 50, 52–54, 56, 68 f. Judenhass, siehe Antisemitismus Judenvernichtung, siehe Holocaust Jüdische Allianz für Hilfe an die Sowjetunion, siehe Liga Israelita Pro-Ayuda a la Union Sovietica »jüdische Frage«, siehe »Judenfrage« Jüdische Gemeinde – Berlin ​192, 195, 225, 228, 239, 254, 256, 260, 303 – Dresden ​206 – Elberfeld ​31–33, 55, 192 – Leipzig ​239 Jüdische Nation, siehe Jüdisches Volk Jüdischer Arbeiter- und Kulturverein Wuppertal ​50, 55, 57 Jüdischer Friedhof Weißensee ​225 Jüdischer Weltkongress, siehe World Jewish Congress Jüdisches Antifaschistisches Komitee (JAK) ​16, 157–161, 220 f. Jüdisches Religionsgesetz, siehe Halacha Jüdisches Volk (Jüdische Nation) ​18 f., 30 f., 93, 97 f., 162, 171, 176–183, 187–189, 208, 229, 281 Jungdeutscher Orden ​40 Junge Welt (Zeitung) ​272 Kader ​64, 84, 191, 222 f. Kaiserreich ​39, 44, 156, 181, 210 Kalter Krieg (Blockkonfrontation, Systemkonflikt) 12, 14 f., 18 f., 21–24, 188 f., 207, 217 f., 233, 240, 243, 265–267, 269 Kameraden, Deutsch-Jüdischer Wanderbund ​50 Kapitalexport, siehe Vermögenstransfer Klassenkampf ​57, 243, 263 Kol Ha’am (Zeitung) ​118 Kollektivierung, siehe Verstaatlichung

Kominform (Informationsbüro der Kommunistischen und Arbeiter­ parteien) ​217, 223 Komintern, siehe Kommunistische Internationale Kommissarbefehl ​122 Kommunalpolitischer Beirat ​210, 307 Kommunistische Bewegung, siehe Arbeiterbewegung Kommunistische Internationale (Komintern) ​17, 33, 46, 63, 66 f., 70–72, 74–77, 79 f., 89, 115, 155–157, 221 Kommunistische Partei der Sowjetunion (KPdSU) ​222 f., 250 f. – XX. Parteitag der KPdSU ​251 Kommunistische Partei der Tschechos­ lowakei (KPČ) ​12, 243 f. Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) ​23, 45–60, 100, 114, 117, 155, 180, 210 f., 222 f., 233, 260, 262 – Auslandsleitung der KPD ​62, 72, 74, 78, 100, 261 – Berner Konferenz der KPD 1939 ​89 – Exil-KP ​61 f., 72, 103–105 – Geheimdienst der KPD, siehe M-Apparat Kommunistische Partei Jugoslawiens ​223 Kommunistische Partei Österreichs ​31 Kommunistische Partei Palästinas ​118 Kommunistischer Jugendverband (KJVD) ​ 32 f., 48, 52 Konferenz von Évian ​24, 76, 81–83, 85 f., 88, 107, 182, 285 Kontaktstelle für Emigranten in Frankreich, siehe Centre de liaison des emigrés en France Konzentrations- und Vernichtungslager – Auschwitz ​13 f., 17, 21, 23, 31, 112, 121, 146, 172, 187, 220, 222, 225 – Belzec ​121 – Birkenau ​172 – Buchenwald ​14, 187, 228 – Kulmhof ​121 – Majdanek ​17, 158, 172, 178, 220, 222, 225, 299 – Mauthausen ​222 – Sobibor ​121 – Treblinka ​121 Koreakrieg ​240 »Kosmopolitismus« ​17, 220  f. Kulturbund ​125, 191

Landes-Zeitung (Schwerin) ​190 f. Larousse (Verlag) ​262  f. Lateinamerikanisches Komitee der Freien Deutschen (LAK) ​117, 168, 172, 290 Liaison Committee beim Völkerbund­ kommissar für Flüchtlinge aus Deutschland (Beirat des Völkerbundkommissars für Flüchtlinge aus Deutschland) ​79–81, 86–88, 91, 107, 148 f., 182 f., 294 Libanonkrieg ​261 Liberaldemokratische Partei Deutschlands (LDP) ​11, 193, 217 Libreria Internacional (Buchhandlung) ​126 Liga für deutsche Kultur in Mexiko, siehe Liga Pro Cultura Alemana en México Liga für Menschenrechte ​70 Liga Israelita Pro-Ayuda a la Union Sovietica (Jüdische Allianz für Hilfe an die Sowjetunion) ​160, 179 Liga Pro Cultura Alemana en México (LPC; Liga für deutsche Kultur in Mexiko) ​124  f. Logia Spinoza No. 1176 de Bené Berith ​179 Lublin ​24, 35, 158, 172 Luckenwalde ​236 »Luftmenschen« ​54  f. Luxemburger Abkommen ​20, 239, 246 M-Apparat (Geheimdienst der KPD) ​57 Machtübernahme (Machtergreifung, Machtübertragung) ​20, 60, 63–69, 72 f., 124, 244 Maginot-Linie ​104 Marseille ​98 f., 106–113, 120, 228–231, 288 f., 291 Marshallplan ​217 Marxismus (Historischer Materialismus) ​ 22, 29, 40, 55, 250 f., 260, 269 Märznote ​240 Menorah (Vereinigung) ​118, 232–235 Merker-Gruppe ​13, 16, 19, 93 f., 96 f., 117 f., 125 f., 146–155, 158–160, 162, 164, 166, 172, 178–180, 190, 195 f., 203 f., 228, 230, 232, 296 f., 299 Mexiko – Ausländerrecht ​164  f. – Auslandsdeutsche ​117, 124, 126 f., 156, 164, 166 – Juden in ​125–127, 160

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Mexiko-Stadt ​113–116 Militärregierungsgesetz Nr. 59 ​189, 200, 208 Ministerium für Staatssicherheit (MfS) ​ 238 f., 250, 269, 312 Moskauer Prozesse ​101 Münchner Abkommen ​86  f. Nachfolgeorganisationen, jüdische ​174, 201, 206, 208 Nachkriegsordnung ​166, 169, 214 Nachkriegszeit ​15, 21, 23, 117 Nahostkonflikt (Palästinafrage) ​16, 18, 53 f., 186 f., 192, 195 f. Nansen-Pass ​78, 80 National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD) ​218  f. National-Zeitung ​218 Nationale Front ​217, 219 Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD) ​117, 156–158, 298 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) ​46, 66, 73, 124, 129, 194, 197 f., 205, 218 – Auslandsorganisationen der NSDAP 124 Nazistrafrecht ​129  f. Neu Beginnen (Organisation) ​46 Neue Berliner Illustrierte ​260 Neue Synagoge Berlin ​261 Neue Zürcher Zeitung ​11 Neues Deutschland (Zeitung) ​12, 191, 218 f., 221, 237, 244–246, 254 New York Times ​121 Novemberpogrome ​30, 88 f., 171, 220, 260 Novemberrevolution (Revolution 1918/19) ​ 39, 66, 169, 278 Nürnberger Gesetze ​70, 81, 85, 281 Nürnberger Prozesse ​286 Oder-Neiße-Grenze ​226 Opfer des Faschismus (Verfolgte des Nationalsozialismus) ​27 f., 93, 113, 145 f., 192–195, 225, 235, 266 Organisation Todt ​109 Organisation zur Landansiedlung werktätiger Juden (OZET) ​52 Österreichische republikanische Aktion in Mexiko, siehe Acción Republicana Austriaca de Mexico

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Palästinafrage, siehe Nahostkonflikt Paris ​60–76, 79, 88, 103, 110, 148, 254, 261 Pariser Friedenskonferenz ​173 Pariser Tageszeitung ​81 f. Parteidisziplin ​103, 204, 223 f., 268 Parteilinie ​16, 18, 24, 28, 47, 56, 94, 96, 100, 102, 109, 125, 154, 158, 170, 177, 183, 187, 189, 207 f., 212 f., 215, 222–224, 267 f. Parteisäuberungen (Säuberungs­ kampagnen) ​12, 19, 155, 164, 189, 192, 204, 207, 226–236, 243–257, 261, 264 Pearl Harbor ​114 Potsdamer Abkommen ​194, 197 Prag ​12, 23 f., 74 f., 86 f., 179 f., 243–249, 252, 254 f. Präsidialkabinette ​58  f. Präsidialkanzlei (DDR) ​11, 214, 225–227, 237 Prawda (Zeitung) ​255, 309 Produktivierung (»Umschichtung«) ​53  f. Profintern, siehe Rote GewerkschaftsInternationale Proletariat, siehe Arbeiterklasse Rajk-Prozess ​227, 245 Rechtsauffassung – bürgerliche ​59, 253 – marxistische ​251–253 Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold ​47  f. Reichsfluchtsteuer ​83  f. Reichsgericht (Leipzig) ​61 Reichstag ​35, 58, 66, 191, 281 Reichstagsbrand ​65  f., 130 Reichstagsbrandprozess ​17, 61, 70 f. Reichstagswahlen ​45 f., 66, 281 Reichsvertretung der deutschen Juden ​281 Reichswehr ​70 Reichswirtschaftsministerium ​83  f. Religionsunterricht ​43 Remigration, Remigranten ​70, 190, 192, 204 »Renegaten« ​18, 62, 101 f., 125, 262 Reparationen ​28, 162 f., 166 f., 171, 173 f., 177, 186, 189, 194 f., 197, 200, 206, 223 Republikflucht ​11 f., 18, 237 Résistance ​109 Restitution ​20 f., 27 f., 93 f., 162–183, 192–202, 208 f., 213 f., 246, 267 Restitutionsgesetz, siehe VdN-Gesetz

Revolution 1918/19, siehe November­ revolution Riegner-Telegramm ​122  f., 146 Röhm-Putsch ​70 Römisches Abkommen 1934 ​73 Rote Armee ​16, 122, 154, 158, 172, 198, 221 f., 298 f., 310 Die Rote Fahne (Zeitung) ​59 f., 180 Rote Gewerkschafts-Internationale (Profintern) ​159  f. Rotfrontkämpferbund (RFB) ​47  f. Rowohlt Verlag ​167 Royal Institute of International Affairs ​81 Rudé právo (Zeitung) ​245 Rundbriefe für die radikal-sozialistische jüdische Jugend ​32 Russischer Bürgerkrieg ​32, 69 Saar ​72 f., 76, 95, 112 Saarabstimmung ​72 f., 261 f. Santa Rosa (Flüchtlingslager) ​175 Säuberungskampagnen, siehe Partei­ säuberungen Schlacht vom Teutoburger Wald ​241 Schloss Schönhausen ​131, 141, 213, 226–228 Schwarzer Haufen ​50, 52 Sechstagekrieg ​31 Section française de l’Internationale ouvrière (SFIO) ​74, 88 Sequestrierungen ​188, 198 f., 202, 215 f. »Sitzkrieg«, siehe »drôle de guerre« Slánský-Prozess ​23, 243–250, 253 f. Sovinform, siehe Sowjetisches Informationsbüro Sowjetische Militäradministration (SMAD) ​187 f., 194, 197 f., 209, 213, 215–219, 228, 234 Sowjetischer Militärgeheimdienst (GPU) ​ 155 Sowjetisches Informationsbüro ­(Sovinform) ​160 Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ​17, 33, 35, 41, 45–50, 58–60, 62, 64, 66, 72–75, 86 f., 93, 169, 210–212, 222 f., 275, 277, 281, 304 Sozialfaschismusthese ​46 f., 49, 71 Sozialistische Arbeiter-Jugend (SAJ) ​16 f., 33, 41 f., 48–50, 57 Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) ​46, 62, 126, 232

Sozialistische Bewegung, siehe Arbeiterbewegung Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) – Abteilung Landespolitik beim SEDParteivorstand ​28, 186, 190 f., 209 f. – II. Parteikonferenz der SED ​240–243 – Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED ​272 – IV. Parteitag der SED ​251 – Parteivorstand der SED ​12, 28, 33, 186, 190 f., 195, 203, 211 f., 218, 223, 227 – Politbüro des ZK der SED ​32, 218, 220, 227, 231 – Referat für jüdische Angelegenheiten ​ 240, 313 – Referat für Kirchenfragen ​313 – Zentrale Parteikontrollkommission der SED (ZPKK) ​95, 227, 229–235, 238 f., 243, 248, 254 f. – Zentralsekretariat der SED ​14, 28, 186, 191 f., 201–203, 205, 209, 211 f., 216, 261 – Zentralkomitee der SED (ZK) ​17, 227, 231 f., 237, 259 Sozialvereinigung politischer Flüchtlinge deutscher Sprache in Mexiko ​117, 124 Spanienkämpfer, siehe Internationale Brigaden Spanischer Bürgerkrieg ​71, 87, 90, 99, 108 Spione, siehe Agenten Stalinisierung ​46, 250, 267 Stalinismus ​12, 18, 23, 60, 125, 207, 211, 261 f., 302 Sudetenkrise ​86 f., 89, 111 Systemkonflikt, siehe Kalter Krieg Thälmann-Bataillon ​71 Treuhänderschaft ​174, 177, 193, 198–200, 202 Tribuna Israelita (Zeitschrift) ​ 97, 162, 165, 170, 176 f., 179, 183, 245 Trotzkismus ​63, 154, 233, 246 Truman-Doktrin ​217 »Umschichtung«, siehe Produktivierung UN-Teilungsplan für Palästina ​16, 28, 186 f., 192, 195 f. Ungarische Räterepublik ​33 Unitarian Service Committee (USC) ​109, 229–231

355

Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM) ​263 Universidad Obrera, Mexiko-Stadt ​129 VdN-Gesetz (VdN-Verordnung, Restitutionsgesetz, »Wiedergutmachungs­ gesetz«) ​14, 20, 28, 138, 147, 185–187, 195, 200, 205, 209, 212–215, 224, 229, 234, 256, 264 Verband der Jüdischen Gemeinden in der SBZ / in der DDR ​187, 215, 225, 239 f., 255 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN; Opfer-des-Faschismus-Ausschüsse) ​140, 192–195, 205 f., 214–216, 220 Vereinte Nationen ​28, 171, 186 f., 265 Verfassung der DDR ​213, 251 Verfolgte des Nationalsozialismus, siehe »Opfer des Faschismus« Versailler Vertrag ​103 Verstaatlichung (Kollektivierung) ​53, 177, 196–199, 201, 206, 208, 212, 215, 305 Vichy-Regime ​22 f., 104, 111 f., 149, 161 Vilm ​237 Völkerbund ​72  f., 76–79 Völkerbundkommissar für Flüchtlinge aus Deutschland, siehe Hoher Kommissar für Flüchtlinge aus Deutschland Volksdemokratien ​21, 227, 244 Volkseigentum ​188, 197–199, 202, 215, 235, 252 Volksfront ​74–77, 89, 125 Volkspolizei ​142, 223 f., 226 Vorwärts (Zeitung) ​169 Vossische Zeitung ​82 War Emergency Conference (1944, Atlantic City) ​175–177 Wehrmacht ​98, 102, 104 f., 122, 156, 158, 212, 218 Weimarer Kreis ​280

356

Weimarer Republik ​29, 34, 46, 50, 58, 66, 68, 156, 196 f., 210, 253 Weimarer Verfassung ​58  f. Die Welt (Zeitung) ​256 Die Weltbühne (Zeitschrift) ​27 f., 93, 139, 185 f., 191, 205 f., 211 f. Welthilfskomitee für die Opfer des deutschen Faschismus ​67 Weltkomitee gegen Krieg und Faschismus ​ 67, 72 Westbindung ​240 Westemigration (westliches Exil) ​18 f., 228, 236, 243, 249, 260, 264 Widerstandskämpfer ​194, 278 Wiedergutmachung ​13, 20–22, 27 f., 30, 93 f., 145, 162–183, 185 f., 190–209, 246, 261 Wiedergutmachungsgesetz, siehe VdN-Gesetz World Jewish Congress (WJC; Jüdischer Weltkongress) ​15, 83, 146, 148–151, 160 f., 173–178, 182 f., 189, 199 f., 208 f., 229, 232 f., 296 f., 300 World Zionist Organization ​146 Wuppertal ​47, 50 f., 55 f., 62, 64, 149 f., 173, 190 f., 278, 291, 294, 317 Zentralkomitee der Juden in Mexiko, siehe Comité Central Israelita de México Zentralvereinigung Deutscher Emigration (ZVE) ​77, 79, 87 Zionismus ​12, 15, 20, 22, 34, 50–56, 163, 229, 245, 254, 263–265, 286 Zionistische Vereinigung für Deutschland ​ 55, 83 f. Zionistische Vereinigung, Wuppertal (Zionistische Vereinigung Elberfeld) ​ 51 f. Zwei-Lager-Theorie ​217, 266 Zweijahresplan ​210  f. Zweiter Weltkrieg ​12–15, 21, 30 f., 63, 91, 187, 227, 259 f., 270