180 85 11MB
German Pages 318 [320] Year 1993
WOLFENBÜTTELER STUDIEN ZUR AUFKLÄRUNG HERAUSGEGEBEN VON DER LESSING-AKADEMIE
BAND 17
ZENTREN DER AUFKLÄRUNG III
LEIPZIG Aufklärung und Bürgerlichkeit HERAUSGEGEBEN VON WOLFGANG MARTENS
Κ
® VERLAG LAMBERT SCHNEIDER · HEIDELBERG
REDAKTION: CLAUS RITTERHOFF · LESSING-AKADEMIE Mit 17 Abbildungen
Erste Auflage 1990 © 1990 · Verlag Lambert Schneider G m b H · Heidelberg Alle Rechte vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Printed in Germany. Texterfassung und -bearbeitung: Lessing-Akademie, Wolfenbüttel. Gesamtherstellung: Allgäuer Zeitungsverlag, Kempten
INHALTSVERZEICHNIS
Vorbemerkung des Herausgebers
WOLFGANG MARTENS:
Zur Einführung: Das Bild Leipzigs
bei Zeitgenossen KARLHEINZ BLASCHKE:
9
13 Die kursächsische Politik und Leipzig
im 18. Jahrhundert
23
Gelehrtenrepublik Leipzig. Wegweiser- und Mittlerrolle der Leipziger Aufklärung in der Wissenschaft
39
GÜNTER MÜHLPFORDT:
Leipzig als >Centralplatz< des deutschen Buchhandels
103
Die Universität Leipzig im Zeichen der frühen Aufklärung
125
HAZEL ROSENSTRAUCH:
NOTKER HAMMERSTEIN:
Kunst und Kunstanschauung in Leipzig
CHRISTIAN LENZ:
während der Aufklärung RUDOLF MÜNZ:
Theater im Leipzig der Aufklärung
Johann Christoph Gottsched als Vermittler der französischen Aufklärung
GÜNTER GAWLICK:
141 169
179 7
ECKHARD
^
MEYER-KRENTLER:
Christian Fürchtegott Geliert, Leipzig. Vom Nachleben vor und nach dem Tode
GERHARD SAUDER:
Der junge Goethe und Leipzig
205 233
Johann Christoph Adelung, Philologe und Schriftsteller in Leipzig
247
»Ein billetdoux an die ganze Menschheit«. Christian Felix Weiße und die Aufklärung
267
HERBERT KOLB:
WALTER PAPE:
Namenregister
297
Anschriften der Mitarbeiter
309
8
Vorbemerkung des Herausgebers
Der vorliegende Band vereinigt die Beiträge zu einem Symposion, das von der Lessing-Akademie, Wolfenbüttel, im Rahmen ihrer Reihe »Zentren der Aufklärung« vom 20. bis 22. N o v e m b e r 1986 in der Werner-Reimers-Stiftung in Bad H o m b u r g v. d. H . abgehalten worden ist. Außer den Vortragenden waren Fachleute aus verschiedenen historischen Disziplinen als Diskutanten zugegen. D e r Teilnehmerkreis umfaßte insgesamt 29 Personen. Planung und Leitung oblagen dem Herausgeber. — Bei den hier vorgelegten Beiträgen handelt es sich um Überarbeitungen des mündlich Vorgetragenen, zumeist unter Berücksichtigung der jeweils folgenden Diskussion. (In einem Fall hat die Überarbeitung den Vortrag zu einer größeren Abhandlung werden lassen. Der Herausgeber konnte sich ihrer Qualitäten wegen nicht zu einer Beschneidung entschließen.) D a Paul Raabe, Wolfenbüttel, seine Zusage zu einem Vortrag über Leipzig als Buchhandelszentrum leider nicht einhalten konnte und Herbert G . Göpfert, München, der ihn mit einem improvisierten Referat vertreten hatte, wegen anderer Verpflichtungen eine schriftliche Ausarbeitung seiner Darlegungen nicht leisten konnte, ist erfreulicherweise Hazel Rosenstrauch, Berlin, obwohl gar nicht Teilnehmerin am Symposion, eingesprungen und hat eigens für diesen Band ihren Beitrag über Leipzig als Zentralplatz des deutschen Buchhandels im 18. Jahrhundert verfaßt, notgedrungen unter Zeitdruck. Der Herausgeber, im Bewußtsein, daß ein Band über das Aufklärungs-Leipzig ohne Berücksichtigung seines Buchhandels ein schlimmer Torso gewesen wäre, ist ihr ganz besonders dankbar. E r dankt aber auch allen anderen Mitarbeitern, ferner namentlich Claus Ritterhoff, Wolfenbüttel, für die organisatorische Vorbereitung des Symposions und das Druckfertigmachen der Beiträge, schließlich der Werner-Reimers-Stiftung f ü r ihr großzügiges Mäzenatentum.
Das Erscheinen dieses Bandes hat sich, aus vom Herausgeber nicht zu vertretenden Gründen, verzögert. Inzwischen ist Leipzig zum Zentrum einer elementaren Freiheitsbewegung geworden. Sie hat ein die Prinzipien
9
der Aufklärung totalitär verfälschendes Herrschaftssystem zum Einsturz gebracht. Dem Herausgeber scheint das kein Zufall zu sein. Lebendigkeit, Helligkeit im Denken, bürgerliches Selbstbewußtsein waren in dieser Stadt zu Hause. Staatsbürgerliches Selbstbewußtsein heute (»Wir sind das Volk«) hat mit den Bestrebungen der Leipziger Aufklärung damals zu tun. W. M
io
Z E N T R E N DER A U F K L Ä R U N G III LEIPZIG • A U F K L Ä R U N G U N D B Ü R G E R L I C H K E I T
WOLFGANG
MARTENS
Zur Einführung: Das Bild Leipzigs bei Zeitgenossen
Was haben Zeitgenossen über das Leipzig des 18. Jahrhunderts geäußert? Ich habe als Literarhistoriker ein paar exemplarische Stellen dazu herausgesucht. Die bekannteste, fast zum geflügelten Wort geworden, ist wohl diese aus dem Faust: Mein Leipzig lob ich mir. Es ist ein klein Paris und bildet seine Leute.
Wenn Goethe das 1790 (in Faust, ein Fragment) einen Studenten in Auerbachs Keller sprechen läßt, so leistet er sich damit eigentlich einen kleinen Anachronismus, denn im 16. Jahrhundert der Fausthandlung war Leipzig noch kein Klein-Paris. Aber er trifft damit die Einschätzung, die Leipzig um die Mitte des Aufklärungsjahrhunderts und zur Zeit von Goethes Leipziger Studium erfuhr. Leipzig als Stadt der Mode, des manierlichen Betragens, und als Stadt der Bildung! »Ich komme nach Leipzig, an einen Ort, wo man die ganze Welt im kleinen sehen kann«, schreibt der junge Lessing Anfang 1749 an seine Mutter, und er erläutert: »Ich lernte einsehen, die Bücher würden mich wohl gelehrt, aber nimmermehr zu einem Menschen machen.« 1 So etwas erfährt man offenbar in Leipzig. Lessing lernt jetzt »tanzen, fechten, voltigieren«, er legt seine »bäuerliche Schüchternheit« ab, schult sich hier an Komödien. Als die Gottschedin 1735 als junge Ehefrau nach Leipzig zieht, berichtet sie einer Freundin: Es ist ein angenehmer, schöner O r t ; so klein er ist, soviel reitzendes hat er in seinen Ringmauern s o w o h l als außer derselben. Die schönsten Gärten gehören den hiesigen Kaufleuten, und ein Spaziergang längst der Pleiße ist einer der angenehmsten um die Stadt. D i e Leipziger sind sehr bescheidene, gesittete Leute; alle, bis auf die geringste A r t Menschen, besitzen ein, ich weiß nicht, was, das man an andern Orten nicht findet, und nur den Sachsen eigen seyn soll. 2
Bald darauf variiert sie: So klein als der O r t in seiner Ringmauer ist, so reinlich sind die Straßen, und wohl gebaut die Häuser. Die Lebensart der E i n w o h n e r ist artig und einnehmend, ein L o b spruch, den die Sachsen sich fast durchgängig erworben haben. Die hohe Schule ist
13
zahlreich, und die vielen Fremden, die sich hier befinden, bringen der Stadt Nahrung und Ehre. Leipzig hat schöne Kirchen und gute Prediger, ein Vorzug, der in meinen Augen sehr wichtig ist. Der Handel ist in großem Flor. [...] Die Gärten sind schön, und für die Gärtner einträglicher als für die Eigentümer [d.h. es sind Ziergärten, nicht Nutzgärten]. 3
Und noch ein Urteil, 50 Jahre später, aus dem Tagebuch einer Studienreise des Christoph Friedrich Rinck von 1783/84: Leipzig ist einer der feinsten Orte, die ich noch gesehen, in Sitten, Lebensart, H ö f f lichkeit pp.; steif fand ich es demohnerachtet nicht, gleich weit von Roheit und dem steifen Komplimententon entfernt. Die Stadt an sich ist wirklich schön, geräumige und reinliche Straßen, schöne, große, 3- und 5-stöckische Häuser. Vor einen Ort, v/ie dieser, w o lauter Privatleute leben und keine Herrschaft residiert, würklich viele Vergnügungen, wozu die häufigen Gesellschaften sehr vieles beitragen, in die jeder Fremde zugelassen wird. [...] Die zwey Hauptstände sind der Gelehrte, und der der Kaufherrn, die unter sich in schönster Verbindung leben, wozu eben jene Gesellschaften vieles beitragen. Eben daher findet man aber auch, so wie in Zürich, sehr viele vernünftige und halbgelehrte Handelsleute. Die Studenten sind in keinem gar großen Ansehen [...]. Es hat hier auch viele Freymäurer. 4
Übereinstimmend wird in diesen Urteilen die Schönheit des Stadtbildes gerühmt. Stattliche Häuser, außerhalb der Mauern schöne Gärten, bei überschaubarer Größe: Leipzig hat um 1725 etwa 25000 Einwohner, — 1765, zu Goethes Studentenzeit, etwa 30000; es ist also etwas kleiner als Frankfurt. Und übereinstimmend werden gute Manieren und Lebensart in Leipzig hervorgehoben, was die Gottschedin dem sächsischen Volksschlag als besonders eigen verstehen wollte, was aber ebenso mit der Weltoffenheit der Stadt zusammenhängen dürfte, den vielen Fremden, den offenen Gesellschaften, den weitreichenden Beziehungen der Kaufleute, dem ungezwungenen Austausch zwischen Gelehrten und Geschäftsmännern, und vor allem dem Fehlen eines Hofs mit Rangordnung und Zeremoniell. Leipzig war — im Kurfürstentum Sachsen — eine Bürgerstadt, eine Stadt, die zu Friedenszeiten nicht einmal eine Garnison besaß (nur die Pleißenburg hatte eine kleine Besatzung), geschweige denn von einer Residenz dominiert wurde. Fürsten und Hofleute ließen sich nur besuchsweise, besonders zu den Messen, sehen. Man residierte zu Dresden. — Die Unterschiede zwischen Leipzig und Dresden müssen beträchtlich gewesen sein. Als Schiller 1784, von Leipzig kommend, seinen nach Dresden versetzten Freund Körner besucht, konstatiert er dort gesellschaftliche Steifheit, strenge Beobachtung der Standesunterschiede, ängstliche Gemessenheit. Er spricht von einer »Wüste des Geistes«; der Umgang dort sei »seicht, zusammengeschrumpft und unleidlich«. 5 Leipzig dagegen war, wie Rinck sich ausdrückte, eine Stadt von »Privatleuten«, eine Bürgerstadt mit einem — abgesehen von Kriegszeiten — prosperierenden Handel. An einem Kreuzpunkt von Handelsstraßen gelegen, — von Böhmen und Schlesien nach Norden, in die Ostseeländer, 14
und von Augsburg und Nürnberg nach Polen und Rußland, — war es ein ökonomisches Zentrum und es zog mit seinen drei jährlichen Messen viele Auswärtige an. Ein Wort zu diesen Messen! Sie fanden zu Neujahr, zu Ostern und zu Michaelis statt und dauerten jeweils 14 Tage. Ein jüngst wiedergedrucktes Opernlibretto von 1 7 1 0 läßt erkennen, daß Leipziger Messen nicht nur wirtschaftliche Veranstaltungen waren, sondern Spektakel von beträchtlicher Attraktion. Der Titel der Oper: Le Bon Vivant, oder Die Leipziger Messel In einem Singe- und Lust-Spiel auff dem Hamburgischen SchauPlatz vorgestellet. Im Jahr ιγιο. (Der Verfasser war ein gewisser Weidemann. Die Musik war von Reinhard Keiser.) Im Text 6 ist die Rede von einer »Plaisir-Reise nach dem berühmten Leipzig«, um »von dessen Agrément profitiren« zu können, und die Agréments werden auch beim Namen genannt oder sogar szenisch vorgestellt: Von Tierschauen ist die Rede mit Löwe, Tiger, Panther, Elefant und Affen, von Seiltänzern und Springern, von Marionetten, Polichinellen und Komödien. In einer Szene verkauft ein Italiener Zitronen, Pomeranzen, Granatäpfel, Makronen und frische Mandeln. Ein Savoyarde lockt mit einem Raritätenkasten, in welchem man viele Heilige und alle 7 Kurfürsten bestaunen kann. Ein Bänkelsänger singt vor seiner Leinwand neue Zeitungen ab. Klopffechter treten auf, Polen mit Tanzbären, Juden, Mägde, Studenten und vornehme Personen. Eine Gassenszene ist mit Laternen illuminiert (Leipzig hatte seit 1701 bereits Straßenbeleuchtung). Die Handlung spielt in Kaffeehäusern, Trinkstuben, Lustgärten, Studentenbuden und natürlich auch in Auerbachs Hof. Die Messe war jedenfalls ein buntes gesellschaftliches Ereignis, und sie dürfte, selbst nachdem Gottsched ein akademisch regelrechtes Theater, eine klassizistische Schaubühne mit moralischem Lehrauftrag, dekretiert hatte, in Leipzig dem ungezogenen Mimus, der elementaren Spektakellust auch weiterhin Vorschub geleistet haben. Für das Hamburger Opernpublikum aber erschien Leipzig in diesem Stück offenbar als bezaubernder Lustort, sozusagen als Vergnügungsmetropole, wohin man reist, wenn man auf Divertissement und galante Abenteuer aus ist. Hamburg selber, ebenfalls eine Bürgerstadt, eine freie dazu und wie Leipzig ein Zentrum der Aufklärung, war demgegenüber offenbar doch etwas zu würdig und zu solide, um mit dem munteren Leipzig konkurrieren zu können. Der Unterschied wird übrigens auch in einem Hamburger Lustspiel von 1742 motivisch genützt, im Bookesbeutel von Hinrich Borkenstein. 7 In Hamburg spielend, lebt das Stück von der Konfrontation des altväterischen Hamburger Schlendrians mit der Manierlichkeit junger, soeben aus Leipzig kommender Leute. Der Repräsentant des alten Hamburg heißt Grobian, die Ankömmlinge aus Leipzig heißen Sittenreich und Ehrenwerth. Leipzig ist offenbar die Schule für Leute von Manieren und Bildung.
!5
Wiederum einen anderen dichterischen Reflex dieses Vorstellungsmusters von Leipzig als dem Hort des feinen Tons und der guten Sitten bietet uns 1744 Friedrich Wilhelm Zachariäs Renommist, ein komisches Epos, das einen in Jena relegierten Studenten namens Raufbold (Jena war für seine studentischen Schläger bekannt!) nach Leipzig kommen läßt, um aus ihm einen Stutzer, einen »süßen Jungfernknecht«, zu machen. Höflichkeit, Umgang, Artigkeit nehmen als allegorische Geister sich seiner an und die Göttin Mode gebietet ihm: Verabscheu' von nun an die ungezognen Händel, sprich zierlich und galant, und rieche nach Lavendel! 8
(Der junge Goethe, kein Raufbold, aber aus dem altfränkischen Frankfurt kommend, hat sich 21 Jahre später realiter in eine Art Stutzer, einen Pleißeschäfer, verwandelt.) In Leipzig jedenfalls scheint eine Verbindung des Modisch-Zierlich-Galanten mit dem Bürgerlichen erreicht worden zu sein, wie sonst nirgends. Das von Haus aus eher höfisch-aristokratische Rokoko scheint sich hier in Elementen mit bürgerlicher Lebensform verschmolzen zu haben. Die Gottschedin, aus der gediegenen Hansestadt Danzig kommend, verspürte es, wenn sie urteilte, jedermann habe hier »ein gewisses, ich weiß nicht, was« (Un certain je ne sais pas). Der Trend zu dieser Verfeinerung aber ist schon Ende des 17. Jahrhunderts spürbar. Bereits 1687 hatte Christian Thomasius, gebürtiger Leipziger, als junger Professor sein berühmtes deutsches Programm ans lateinische schwarze Brett geschlagen: Christian Thomas eröffnet der studirenden Jugend zu Leipzig in einem Discours, Welcher Gestalt man denen Frantzosen in gemeinem Leben und Wandel nachahmen solle? ein Collegium über des Gratians Grund-Reguln, vernünfftig, klug und artig zu leben.9 — Vernünftig, klug und artig, — vielleicht ist es eine Leipziger Formel; so jedenfalls sollte man leben, nicht altväterisch steif und als Gelehrter nicht pedantisch. Bürgerstand und Gelehrtenstand in Leipzig scheinen dem Konzept des Thomasius tatsächlich gefolgt zu sein. Und zu diesem vernünftigen, klugen, artigen Benehmen gehört sprachliche Kultur. In Zachariäs Renommist hatte die Göttin Mode nicht umsonst vom Jenenser Raufbold gefordert: »Sprich zierlich und galant!« Leipzig ist in der Tat im 18. Jahrhundert maßgeblich für ein reines, gepflegtes Hochdeutsch gewesen. Es ist kein Zufall, daß Thomasius mit seinem genannten Kolleg der deutschsprachigen akademischen Vorlesung in Leipzig die Bahn gebrochen hatte. Bereits im 17. Jahrhundert galt das Leipziger Deutsch als das »zierlicheste und reinste Deutsch« 10 (vom Wortschatz und der Grammatik, wohl nicht unbedingt vom Tonfall her). Das zugrundeliegende Sächsisch-Meißnische, an dem sich schon Luther orientiert hatte, ist als der kultivierteste deutsche Dialekt zur Norm geworden, deren sich Gottsched, von Haus aus Ostpreuße, nach Leipzig gekommen, alsbald instinktsicher 16
bediente und nach der sich schließlich nolens volens auch die Schweizer und das katholische Oberdeutschland richteten. Gottscheds Deutsche Gesellschaft, mit vielen Filialen in anderen Städten, hat die Pflege dieses Deutschen von Leipzig aus systematisch betrieben, — eine wesentliche Voraussetzung für die sich entfaltende literarische Kultur und für »Aufklärung« überhaupt. Johann Christoph Adelungs großes Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart (1793) ist ein Zeugnis dieser sächsischen Sprachkultur. Seine Artikel sind oft Köstlichkeiten zierlich-klarer Definition. In keinem der von mir eingesehenen zeitgenössischen Berichte über Leipzig ist übrigens davon Notiz genommen, daß Johann Sebastian Bach seit 1723 hier als Thomaskantor wirkte, immerhin bis zu seinem Tode 27 Jahre lang. Das schien unter aufgeklärten Beobachtern offenbar des Aufhebens nicht wert. Gelegentlich erwähnt dagegen sind Liedkultur und Singspielwesen. Unser Symposion wird sich nicht näher damit befassen, doch sei es hier nicht unterschlagen. Autoren wie Amaranthes, Celander, Sperontes und Picander, wie sie sich als galante Poeten nannten, haben, vom gestrengen Gottsched gar nicht geschätzt, eine Fülle von Liedtexten und Libretti verfaßt, — erforderlichenfalls übrigens auch zu geistlichem Gebrauch. Die singende Muse an der Pleiße, eine Liedersammlung des Sperontes, bezeichnet mit ihrem Titel etwas von der Pflege des Gesellschaftslieds in Leipzig, an die Johann Adam Hiller als Komponist von Liedern und Singspielen dann anknüpfen konnte. Goethes Leipziger Lieder stehen mit in der Tradition der galanten Gesellschaftsdichtung Leipzigs. Mit Christian Felix Weiße als Textdichter von Singspielen lebt die heitere sprachlich-musikalische Gesellschaftskultur Leipzigs bis ans Jahrhundertende fort. Daß in dieser galant-leichten, weltoffen-heiteren Atmosphäre der Pietismus nicht gedeihen konnte, liegt auf der Hand. August Hermann Francke und seine Freunde waren Ende des 17. Jahrhunderts ins benachbarte Halle gegangen. »Leipzig hat schöne Kirchen und gute Prediger«, hatte die Gottschedin bemerkt. Die geistliche Rhetorik, die Homiletik, hat sich hier offenbar behauptet und mußte nicht schlichter Erbaulichkeit weichen. Man blieb in Leipzig rechtgläubig lutherisch, verfuhr dabei übrigens relativ tolerant (von Zusammenstößen mit dem Theater, wie bei den Pietisten, aber auch im orthodox-lutherischen Hamburg, ist in Leipzig nichts zu hören) und harsche Auseinandersetzungen mit anderen Konfessionen verboten sich von selbst, seit der Landesherr, August der Starke, 1697 um des Erwerbs der polnischen Krone willen katholisch geworden war. Was die Gelehrsamkeit, die Pflege der Wissenschaften in Leipzig angeht, so erlaube ich mir, nun noch zwei weitere zeitgenössische Stimmen zu zitieren, und zwar französische. Im Artikel Leipsic ou Leipzig der großen Encyclopédie Diderots und d'Alemberts heißt es
17
Il n'est peut-être point de ville en Allemagne qui ait donné la naissance à tant de gens de lettres que Leipsic: j'en trouve même plusieurs de célèbres. Tels sont, indépendamment de M. Leibnitz, savant universel; tels sont, dis-je, les Carpzove, les Etmuller, les Fabricius, les Jungerman, les Mencken, les Thomasius; car l'abondance m'oblige de m'arrêter à cette liste, sans que mon silence pour d'autres puisse porter atteinte aux éloges qu'ils méritent. 11
Anschließend werden die genannten Gelehrten bzw. Gelehrtenfamilien im einzelnen gewürdigt. — Und 1692 bereits rühmte Pierre Bayle in seinem Projet d'un dictionnaire critique die Gelehrten der Acta Eruditorum in ihrem Nutzen für die Gelehrtenrepublik und Leipzig als eine Stadt, »qu'on peut à bon droit apeler l'Athènes de l'Allemagne«. 12 Die Menckes, die Carpzovs sind alteingesessene Familien, die durch mehrere Generationen hindurch der 1409 gegründeten Universität Gelehrte lieferten. Leibniz und Thomasius sind ihrer Vaterstadt verbunden, auch wenn sie später außerhalb Leipzigs wirkten. Sie waren die ersten, die den Geist der Aufklärung in einem neuartigen Medium, nämlich in der Form der Zeitschriften, bezeugten. In Leipzig sind die ersten Zeitschriften des deutschen Sprachgebiets herausgekommen, — zunächst, seit 1682, von den Menckes als Herausgebern betreut, mit Leibniz als Mitarbeiter, die Acta Eruditorum, noch in der internationalen Gelehrtensprache, dem Latein, abgefaßt; von 1688 — 90 aber auch, bei Weidmann in Leipzig, die erste deutschsprachige literarisch-kritische Zeitschrift, die Monatsgespräche des Thomasius, zwar schon von Halle aus redigiert, aber im Stil, in Witz und Satire vom hellen Leipziger Geist geprägt. Bezeichnend ist die Charakteristik der vier fingierten Personen, denen die ersten Gespräche in den Mund gelegt sind: N u r der pedantische Schulmann, Herr David, macht eine lächerliche Figur. Der weitgereiste Cavalier, Herr Augustin, der belesene Gelehrte, Herr Benedikt, und der hochgebildete Kaufmann, Herr Christoph, — sie fällen, in einer Kutsche auf der Fahrt zur Leipziger Messe, die kritischen Urteile. Sie repräsentieren, galant, gelehrt und weltkundig, die in Leipzig sich im Zuge der Aufklärung entwickelnde Geistigkeit. Zeitschriften, Vehikel und Motoren der Aufklärung, erscheinen in der Folge in Leipzig in Fülle. Um nur einige zu nennen: Die Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen (1715 ff.), Gottscheds Beyträge zur critischen Historie der deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit (i732ff.), sein Das Neueste aus der anmutigen Gelehrsamkeit (1751 ff.), die Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste (ij^jíí.), — an Moralischen Wochenschriften Gottscheds Vernünftige Tadlerinnen und sein Biedermann, und, aus dem Gottschedkreis heraus entstehend, die ersten deutschen literarischen Zeitschriften im engeren Sinne, die nur dichterische Texte, keine Rezensionen, bringen: Die Belustigungen des Verstandes und des Witzes (1741—44) und, zwar in Bremen verlegt, aber in Leipzig gemacht, die Neuen Beyträge zum Vergnügen des Verstandes und des Witzes, die Bremer 18
Beyträge. Leipzig ist ein Zentrum aufklärerischer Publizistik geworden und lange geblieben. Gerade die Zeitschriften bezeugen mit ihrer Existenz, daß die Wissenschaften nicht in den elitären Hallen der Gelehrtenrepublik verschlossen bleiben, sondern gut aufklärerisch einem weiten Publikum zugänglich gemacht werden sollten, bildend und belehrend auch für Unstudierte, für Frauen. Es wäre der Mühe wert, die Rolle und die Bildung der Frauen im Leipzig des 18. Jahrhunderts näher zu untersuchen. 1715 veröffentlicht Amaranthes (d.i. Gottlieb Siegmund Corvinus) im Zeichen galanter Erudition hier sein Frauenzimmer-Lexicon. Die Gottschedin und die Tochter des Leipziger Bürgermeisters Romanus, Christiane Marianne von Ziegler, wurden hier Frauen der Feder. — Und die Leipziger Zeitschriften besorgen unter aufklärerischem Impuls bahnbrechend auch die Erziehung der Kinder. Adelung gibt hier 1773 — 75 sein Leipziger Wochenblatt für Kinder heraus, Christian Felix Weiße 1775 — 85 seinen berühmten Kinderfreund. Der Reisetagebuchschreiber Rinck hatte 1783/84 bemerkt, die beiden maßgeblichen Stände in Leipzig, die Gelehrten und die Kaufleute, lebten »unter sich in schönster Verbindung«. Die Gelehrten, damit sind nach dem damaligen Sprachgebrauch auch die Schriftsteller gemeint. Nach Goldfriedrich kam um 1780 in Leipzig ein Schriftsteller auf 170 Einwohner, in Berlin einer auf 675 und in Wien einer auf 800 Einwohner. 13 Daß aber die Leipziger Gelehrten mit den dortigen Kaufleuten in schönster Verbindung lebten, wird besonders sinnfällig, wenn man hört, daß sie gelegentlich auch unter dem gleichen Dache wohnten, so Gottsched und sein Verleger Breitkopf, so Weiße und der Verleger Philipp Erasmus Reich. Womit wir bei einem weiteren Leipziger Thema sind. Die Stadt ist im 18. Jahrhundert die Buchhandelsmetropole Deutschlands geworden. Schon 1681 hatte die Leipziger die Frankfurter Buchmesse an Bedeutung überholt. Namen wie Weidmann, Fritsch, Gleditsch, Breitkopf, Reich oder Göschen sprechen für sich. Ohne, wie anderwärts, durch Zunftzwang behindert zu sein, konnten diese Verleger Schriftgießerei, Druckerei, Buchbinderei, Verlag und Buchhandel zugleich in der Hand haben. Ohne die enge Verbindung zu den Leipziger Schriftstellern wäre die buchhändlerische Vormachtstellung der Stadt kaum zustande gekommen, übrigens auch nicht ohne die relative Liberalität der Zensur, die in den Händen des Magistrats bzw. der Universität lag. Es ist bezeichnend, daß Wielands etwas lose Dichtung Musarion und sein Idris in Leipzig, bei Weidmanns Erben und Reich, erschienen, nicht im Züricher Verlag von Orell, Geßner und Companie, zu dem Wieland persönliche Beziehungen hatte, und daß Gottsched hier sogar die Übersetzung von Helvétius' theologisch höchst versächtiger Schrift De l'esprit herauszubringen vermochte. Daß es in Leipzig auch eine Zusammenarbeit der Gelehrten mit den Schauspielern gab, ist ein weiterer Zug im Bild dieser Stadt. Gottsched, 19
Universitätsprofessor und mehrfach Rector Magnificus, hatte sich nicht gescheut, Kontakt mit den gesellschaftlich dubiosen Komödianten aufzunehmen, — sie zählten sonst weithin noch wie Henker, Abdecker und Barbiere zu den »unehrlichen Leuten«. Seit den 20er Jahren des Aufklärungsjahrhunderts exerzieren die Bühnen der Neuberin, später Schönemanns, Kochs und Ekhofs in Leipzig ein manierliches Theater, zu dem u. a. die Professoren Gottsched und Geliert Stücke lieferten. Übrigens hatte man in der Bürgerstadt — mit Unterbrechungen — auch eine Oper. — Daß der Harlekin hier 1737 spektakulär von der Bühne verjagt wurde, ist eine puristische Aktion, die Lessing sarkastisch kommentiert hat. Ob das Harlekinswesen nicht doch in kluger Mimikry auch in Leipzig ein bißchen überlebt hat, so wie es in Wien, dem Gottschedianer Sonnenfels zum Verdruß, vital blieb, wäre zu fragen. Und eines noch wäre hervorzuheben: Das aufklärerische Leipzig hat nicht nur durch die gedruckten Schriften seiner Autoren, namentlich in periodischer Publizistik, gewirkt, sondern auch durch Briefe. Gottscheds riesiger Briefwechsel ist noch weitgehend unaufgearbeitet. Gellerts Briefe, zum guten Teil bereits kurz nach seinem Tod in die Werkausgaben aufgenommen, — etwas damals ganz Außergewöhnliches, aber seine Briefe waren erbaulich-moralisch, er wurde mit ihnen der Tugend-Praeceptor Germaniae —, Gellerts Briefe konnten damals weithin populär werden. Und auch Weiße hat in den Fußstapfen Gellerts eine riesige Korrespondenz geführt, gerade auch mit oberdeutschen, mit bayerischen und österreichischen Partnern, mit denen die Berliner Aufklärung — Nicolai — aufgrund religiöser und antiklerikaler Voreingenommenheiten nicht recht ins Gespräch kam. Leipzig als Zentrum epistolographischer Aufklärung wäre ein lohnender Forschungsgegenstand. Nach alledem ist es kein Wunder, daß die hellsten Köpfe der Nation sich bis zum Einsetzen der Geniebewegung von Leipzig angezogen fühlten. Christian Garve kommt, als Nachfolger in der Professur Gellerts, von Breslau nach Leipzig, Friedrich von Blanckenburg zieht hierher, der junge Herder interessiert sich für die Stadt und auch der junge Wieland möchte gern von Erfurt aus nach Leipzig überwechseln, bis ihn dann der Ruf nach Weimar erreicht. Weimar freilich, der höfische Musensitz, hat den Glanz des aufklärerischen Leipzig in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts überstrahlt. 1796 kann es dann in den in Weimar formulierten Xenien unter der Uberschrift Pleiße heißen: Flach ist mein U f e r und seicht mein Bächlein, es schöpften zu durstig meine Poeten mich, meine Prosaiker aus. ' 4
Seicht und flach sei man also an den Ufern der Pleiße. Es sind Prädikate, wie sie später zur Abqualifizierung der Aufklärung als »platt« pauschal in Kurs 20
gekommen sind. Uns aber geben sie Gelegenheit, das Profil und die Grenzen des aufklärerischen Leipzig noch einmal abschließend zu bedenken. »Tief« jedenfalls, im Sinne von dunkel, mystisch, oder »hoch«, erhabenseraphisch, wie sich die Klopstockianer gebärdeten, und pathetisch-enthusiastisch, wie speziell manche Göttinger Hainbündler, war man in Leipzig nicht (auch wenn Klopstock hier seine ersten Hervorbringungen hatte, — er hat sich später in Leipzig nicht mehr blicken lassen). Das dumpfe A h n den und die kraftgenialische Gebärde der Stürmer und Dränger waren hier nicht an ihrem Platze. U n d klassisch-höfisch, elitär-geistesaristokratisch oder idealistisch wie in Weimar oder Jena war man in Leipzig ebenfalls nicht, sondern: aufklärerisch-populär, bemüht um ein größeres Publikum und kultiviert-bürgerlich-liberal. U n d man fand sich hier auch in der Folge nicht zu transzendentaler Spekulation oder zu neufrommer Innerlichkeit disponiert. Es ist bezeichnend, daß Leipzig, anders als Dresden, für die romantische Bewegung — abgesehen vom Bereich der Musik — kein A k tionsplatz war. Erst in der Zeit des Vormärz wurde Leipzig wieder lebendig, liberal (nun auch im politischen Sinn), und schriftstellerisch aktiv. Es wäre reizvoll, das Fortleben aufklärerischer Traditionen in Leipzig aus dem 18. Jahrhundert ins 19. zu verfolgen. Heute freilich geht es um das Leipzig des 18. Jahrhunderts selber.
A N M E R K U N G E N
ι. G O T T H O L D E P H R A I M L E S S I N G : Gesammelte LA. Bd. 9: Briefe. Berlin 1957, S. ioff. 2. Briefe
der Frau
DOROTHEA
Louise
Adelgunde
Victorie
H E N R I E T T E VON R U N C K E L .
Werke. Hrsg. von P A U L R I L -
Gottsched,
geb. Kulmus.
Hrsg. von
I. Thl. Dresden 1 7 7 1 , S. 225.
3. Ebd., S. 228f. 4. C H R I S T O P H F R I E D R I C H R I N C K : Studienreise 1783/84, unternommen im Auftrage des Markgrafen Karl Friedrich von Baden, nach dem Tagebuch des Verfassers. Hrsg. von M O R I T Z G E Y E R . Altenburg 1897, S. i o i f . 5. Zit. nach E M I L P E S C H E L und E U G E N WILDENOW: Theodor Körner und die Seinen. 2 Bde. Leipzig 1898. Bd. 1, S. 33. - Der als wirklicher Steuerrat 1753 aus Leipzig nach Dresden versetzte Satiriker Gottlieb Wilhelm Rabener kennzeichnete brieflich, was Dresden für die Freiheit des Schreibens bedeuten konnte: »[...] in Dresden habe ich noch keine Feder angesetzt. Aufrichtig zu gestehn, muß ich hier mit meinen Satiren viel vorsichtiger seyn. Gemeiniglich suchen die Leser die Originale da, wo der Verfasser
21
schreibt. Das konnte ich allenfalls in Leipzig geschehen lassen. In Dresden wage ich zu viel, F . . . ] Ich muß die besten Themata fahren lassen.« ( G O T T L I E B W I L H E L M R A B E NER: Briefe, von ihm selbst gesammlet [...]. Hrsg. von C . F. WEISSE. Leipzig 1772, S. 164.) 6. WEIDEMANN: Le Bon Vivant, oder Die Leipziger Messe Un einem Singe- und Lust=Spiel auff dem Hamburgischen Schauplatz vorgestellet, im Jahr ijio. (Ndr. in: REINHART MEYER [Hrsg.]: Die Hamburger Oper. Bd. 2. München 1980, S. 335-388). 7.
Der Bookesbeutel, Lustspiel. Hrsg. von F R A N Z F E R Leipzig 1896 (Deutsche Litteraturdenkmale des 18. und 19. Jahrhunderts. N. F. 6/7). HINRICH BORKENSTEIN:
DINAND
HEITMÜLLER.
8. F R I E D R I C H W I L H E L M Z A C H A R I Ä : Der Renommist, ein komisches Heldengedicht. In: Bremer Beiträger. 2. Tl.: Rabener, Cramer, Schlegel, Zachariä. Hrsg. von F R A N Z M U N C K E R . Berlin und Stuttgart o.J. (Kürschners Deutsche National-Litteratur. 44), S. 28off.
9.
CHRISTIAN
THOMASIUS:
Deutsche Schriften. Ausgew. u. hrsg. von
PETER
VON D Ü F F E L . Stuttgart 1970, S. 3 f f .
10. Vgl. G E O R G W I T K O W S K I : Geschichte des literarischen Lebens in Leipzig. Leipzig und Berlin 1909, S. 167. 11. Encyclopédie, ou Dictionnaire raisonné des Sciences, des Arts et des Métiers, nouv. éd., vol. 19, Genève 1777, S. 809. 12. Zit. bei
WITKOWSKI,
Geschichte (Anm. 10), S. 187.
13. J O H A N N G O L D F R I E D R I C H : Leipzig 1909, S. 250.
Geschichte des deutschen Buchhandels.
Bd. 3.
14. E R I C H S C H M I D T und B E R N H A R D S U P H A N (Hrsg.): Xenien 1796, nach den Handschriften des Goethe- und Schiller-Archivs. Weimar 1893 (Schriften der GoetheGesellschaft. 8), S. 16.
22
KARLHEINZ
BLASCHKE
Die kursächsische Politik und Leipzig im 18. Jahrhundert
Einleitung Wenn man die Stellung Leipzigs im kursächsischen Territorialstaat ausdrücken will und dafür ein Bild im Sinne eines Denkmodells sucht, und wenn man dazu noch den Mut zur Vereinfachung aufbringt, dann bietet sich die Vorstellung einer Ellipse an, in deren beiden Brennpunkten die Städte Dresden und Leipzig stehen. Man gewinnt auf diese Weise ein brauchbares Modell, um die grundlegende Struktur zu kennzeichnen: es handelt sich um ein Staatswesen mit zwei Schwerpunkten, die eine erstrangige Stellung innehaben und die mit einer annähernd gleichen Wertigkeit einem gemeinsamen Ganzen zugeordnet sind, wenn sie sich auch in ihrer Funktion und ihrem Wesen stark voneinander unterscheiden. Alle anderen Orte Kursachsens erscheinen demgegenüber bestenfalls zweitrangig, keiner von ihnen kommt auch nur annähernd einem dieser beiden »Brennpunkte« Sachsens nahe. Dieses Kursachsen stellte im 18. Jahrhundert einen großen deutschen Mittelstaat dar, den man nach Größe und politischem Gewicht etwa mit Bayern oder Hannover vergleichen kann. Gegenüber jenen beiden zeichnete er sich auf jeden Fall durch seine leistungsfähige Wirtschaft aus, die sich durchaus noch mit derjenigen in Preußen messen konnte. Die gesellschaftliche Struktur war ausgeglichen und zeigte einen fortgeschrittenen Stand: nur noch ein Viertel der Bevölkerung lebte als Bauern, zwei Fünftel machten die auf dem Lande lebende, gewerblich tätige Bevölkerung aus, während bereits ein Drittel aller Landesbewohner in den Städten wohnte. Sachsen wies damit wohl unter allen deutschen Ländern den am meisten fortgeschrittenen Stand der Verstädterung auf, und drei Viertel seiner Einwohner lebten wirtschaftlich gesehen außerhalb feudaler Bindungen. Der hohe bürgerliche Anteil verschaffte dem Bürgertum insgesamt eine beachtenswerte Stellung im gesellschaftlichen Gefüge. Es gab kein Junkertum wie in den ostelbischen Gebieten, der Adel war wirtschaftlich und politisch schwächer als etwa in Preußen, Kursachsen war seiner sozial-kulturellen Prägung nach ein Teil des westelbischen Deutschland. Bürgerliches Denken und ziviler Geist hatten in dieser Gesellschaft einen anerkannten Platz. Das schlug sich in der politischen Haltung dieses Staates nach außen 2
3
nieder. E r betrieb keine expansionistische oder aggressive Politik. Die drei Fürsten, die von 1694 bis 1806 den Kurhut trugen, machten ihrem gemeinsamen N a m e n Friedrich August alle Ehre, wenn man an die Bedeutung des Namens Friedrich als »Friedensherrscher« und an das Vorbild des römischen Augustus denkt. Gewiß hatten die Landesfürsten des 18. Jahrhunderts ihre Spielzeuge, die sie sich auf Kosten des Landes leisten konnten, aber es war eben doch ein wesentlicher Unterschied, ob sie mit Schloßbauten und Gemäldesammlungen wie die Sachsen oder mit den Langen Kerls von Potsdam und einer überdimensionierten Armee zu spielen beliebten. Kursachsen war im 18. Jahrundert f ü r seine Nachbarn ungefährlich. U m die Stellung der Stadt Leipzig in diesem Staatswesen näher zu bestimmen, ist ein Blick auf die allgemeine Stadtverfassung in Kursachsen notwendig. Die Städte hatten sich hier seit ihrer Entstehung im hohen Mittelalter ungestört weiterentwickelt und ihre Selbstverwaltung gegenüber dem Stadtherrn ausgebaut. Die größeren unter ihnen hatten die Obergerichtsbarkeit erlangt, die Landsässigkeit besaßen auch viele kleinere, die somit als Immediatstädte auf den Landtagen erschienen und das Gewicht des Bürgertums politisch zur Geltung brachten. Der kursächsische Staat hat die städtische Selbstverwaltung zu keiner Zeit angetastet, er hat die Stadtverwaltung nicht verstaatlicht, aber er hat allmählich eine staatliche A u f sicht über die Städte aller Größenordnungen hergestellt. Die Städte hatten ihre Jahresrechnungen einzureichen und somit dem Staat gegenüber ihr Finanzwesen offenzulegen. Im Zusammenhang mit dem A u f b a u einer fachlich gegliederten Zentralverwaltung seit dem Ende des 15. Jahrhunderts wurden die Städte den staatlichen Spruchkollegien und Appellationsgerichten untergeordnet, so daß ihre Eigengerichtsbarkeit durch diejenige des Staates zwar nicht beseitigt, aber überlagert wurde. Die seit dem 16. Jahrhundert straff gehandhabte Landsteuereinnahme und die später eingeführte Akzise trugen das Ihre dazu bei, die Städte immer stärker in den werdenden modernen Staat einzubauen. V o n dieser elementaren Entwicklung abgesehen, die das ganze Land betraf, beschränkte sich die Wirksamkeit des Staates gegenüber den Städten auf eine behutsame Aufsicht, die mit einer Förderung ihrer wirtschaftlichen Interessen verbunden war. Die Wünsche und Beschwerden der Städtevertreter gegenüber den wirtschaftlichen Vorgängen im ländlich-dörflichen Bereich haben auf den Landtagen stets ein offenes O h r gefunden und entsprechende Maßnahmen der Regierung zu ihren Gunsten veranlaßt. Einen staatlichen Dirigismus gegenüber den Städten hat es in Kursachsen nicht gegeben, die Städte konnten sich mit ihrem Bürgertum ihren eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen entsprechend entwikkeln. Daß dabei auch viele überalterte Verhältnisse aufbewahrt und notwendig gewordene Neuerungen verhindert wurden, darf freilich nicht übersehen werden. Wenn man nun die Stadt Leipzig selbst ins Auge faßt und nach ihrem
24
Verhältnis z u r kursächsischen Politik fragt, s o ergeben sich z w e i hauptsächliche G e s i c h t s p u n k t e : L e i p z i g w a r O b j e k t dieser Politik, aber es w a r auch Subjekt, es hat diese Politik erlebt und erduldet, aber es hat sie auch zu einem guten Teil mitgestaltet. D i e weitere Darstellung w i r d daher v o n diesen beiden G e d a n k e n geleitet.
Leipzig als Objekt kursächsischer Politik D i e Stadt w a r seit dem ausgehenden Mittelalter f ü r den kursächsischen Territorialstaat v o n ganz besonderer B e d e u t u n g , die auf ihrer erstrangigen Stellung im W i r t s c h a f t s g e f ü g e Mitteldeutschlands beruhte. L e i p z i g hatte den V o r s i t z im Städteausschuß des Landtages inne und w a r damit als die f ü h r e n d e Stadt des K u r f ü r s t e n t u m s anerkannt. L e i p z i g w a r der Sammelplatz der L a n d s t e u e r f ü r das gesamte K u r f ü r s t e n t u m , denn diese Steuer w u r d e unter paritätischer Beteiligung der landesherrlichen Z e n t r a l v e r w a l tung und der Stände erhoben und verwaltet, der L e i p z i g e r R a t nahm hier also eine Vertrauensstellung im Interesse und A u f t r a g beider E b e n e n staatlicher M a c h t a u s ü b u n g w a h r . Seiner E i n w o h n e r z a h l nach stand L e i p z i g u m die Mitte des 18. J a h r h u n derts mit 3 2 4 0 0 deutlich gegenüber D r e s d e n mit 5 2 0 0 0 z u r ü c k , aber der A b s t a n d z u r drittgrößten Stadt C h e m n i t z mit 1 0 0 0 0 E i n w o h n e r n zeigt d o c h die überragende Stellung der beiden f ü h r e n d e n Städte. D a b e i erklärt sich das U b e r g e w i c h t D r e s d e n s im 1 8 . J a h r h u n d e r t einfach aus dem gewaltigen A u f s c h w u n g , den diese Stadt als kurfürstliche R e s i d e n z erlebt hat. N o c h im späten 16. J a h r h u n d e r t und dann w i e d e r seit der Industrialisierung im 19. J a h r h u n d e r t lag L e i p z i g auch in der G r ö ß e n o r d n u n g v o r D r e s d e n . B e i einer geschichtlichen Betrachtung L e i p z i g s im Z u s a m m e n h a n g des kursächsischen Territorialstaates drängt sich der Vergleich mit D r e s d e n geradezu auf, denn er w i r k t erhellend f ü r eine genauere B e s t i m m u n g des Wesens beider Städte, v o n denen jede einzelne gerade in der G e g e n ü b e r s t e l lung besser erkannt w e r d e n kann. So erscheint L e i p z i g als das selbstverantw o r t l i c h e , durch und durch bürgerlich geprägte G e m e i n w e s e n , dessen f ü h rende Bürgergeschlechter als w a g e m u t i g e U n t e r n e h m e r in europäischer Weite dachten, handelten und lebten. E i n e r hohen wirtschaftlichen E n t f a l tung stand eine rationale Lebensgestaltung zur Seite, die auf E r w e r b und G e w i n n eingestellt w a r . D a g e g e n w a r D r e s d e n die Stadt im Schatten des H o f e s , in der das fürstliche und adlige E l e m e n t stets tonangebend w a r . Sie w u r d e z u m T r e f f p u n k t politischer und diplomatischer Aktivitäten, erlebte aber auch eine hohe künstlerische Blüte, die einen höfischen G l a n z v o n bestechender A u s s t r a h l u n g s k r a f t erzeugte. W e n n man den Vergleich z w i schen D r e s d e n und L e i p z i g auf seine einfachsten Tatsachen z u r ü c k f ü h r t , dann steht A d e l s k u l t u r gegen B ü r g e r k u l t u r , dann stehen Adelspalais und
25
ein fürstliches Schloß gegen Bürgerpaläste, fürstliche Macht gegen bürgerlichen Geist. Noch heute tragen beide Städte ihr geschichtlich bestimmtes Erscheinungsbild mit sich: die Kunststadt Dresden und die Messe-, Buchund Universitätsstadt Leipzig. Es wäre einer eigenen Betrachtung wert, warum es eine Leipziger Aufklärung und eine Dresdener Romantik gegeben hat, warum also diese beiden Städte in so ganz unterschiedlichen Epochen der deutschen Geistesgeschichte ihre geistige Hochform erlangt haben. Von einer Leipziger Romantik läßt sich ebenso wenig sprechen wie von einer Dresdener Aufklärung, dazu hatten sie beide kein Geschick. Für die herausragende Stellung Leipzigs im kursächsischen Staat gibt es mehrere Ursachen. Die günstige geographische Lage der Stadt machte sie zu einem Mittelpunkt des Handels in kontinentalen Bezügen. Die kaiserlichen Messeprivilegien von 1497 und 1507 verschafften ihr ein klares Übergewicht über alle anderen großen Handelsplätze im mitteldeutschen Raum. Jährlich dreimal brachte die Messe fremde Händler in die Stadt, nach 1772 wurden jeweils bis zu 700 Polen, 60 Russen und 100 Griechen gezählt. Dazu kamen stets Juden, Franzosen und Reformierte aus Westeuropa. Sie brachten Geld ins Land. Die im Jahre 1409 gegründete Universität nahm in der frühen Neuzeit zeitweilig einen führenden Rang unter den deutschen Universitäten ein. Sie konnte ihre Selbstverwaltung ohne staatliche Eingriffe bewahren. Für den Territorialstaat war sie die wichtigste Ausbildungsstätte seiner höheren Staatsbeamten, Juristen, Theologen und Pädagogen, die alle von ihrer gemeinsamen Herkunft aus den Leipziger Hörsälen geprägt waren. Fast möchte man von einem Korpsgeist sprechen, den die Leipziger Universität mit ihren akademischen Lehrern unter der geistigen Führungsschicht des Landes hervorgebracht hat. Leipzig war einer der frühesten Orte des Buchdrucks überhaupt, Handel und Universität waren günstige Voraussetzungen für das weitere Aufblühen der Schwarzen Kunst, so daß die Stadt um 1700 Frankfurt a.M. überflügeln und zum größten deutschen Buchmarkt werden konnte. Verlagsbuchhandlungen und Druckereien waren hier konzentriert wie nirgends sonst in Deutschland. Alljährlich zur Ostermesse hielten die Buchhändler hier ihre Buchhändlerbörse ab, aus der später der Börsenverein der deutschen Buchhändler hervorgehen sollte. Schließlich war Leipzig auch Sitz einiger landesherrlich-staatlicher Behörden, die noch nicht vollzählig in der Residenzstadt Dresden vereinigt waren. Seit 1483 bestand hier das Oberhofgericht, seit 1544 das Konsistorium als Landesbehörde für die Wahrnehmung des landesherrlichen Kirchenregiments im westlichen Teil des Kurfürstentums. Der Leipziger Schöppenstuhl hatte über seine ursprüngliche Aufgabe als städtisches Gericht hinaus infolge seiner Autorität weite Anerkennung im Lande gefunden und war 1574 durch kurfürstlichen Befehl zu einem für das ganze 26
Kurfürstentum zuständigen Spruchkollegium geworden, womit er eine staatliche A u f g a b e erhalten hatte. Ebenso wirkte die Juristenfakultät als staatlich beauftragtes Spruchkollegium für das ganze Land, während die Medizinische Fakultät seit 1765 mit der Medizinalpolizei im westlichen Teil des Kurfürstentums betraut war. In dieser Hinsicht stand sie mit dem Medizinalkollegium in Dresden auf gleicher Stufe. Weitere staatliche Fachorgane waren im Anschluß an wirtschaftliche Leistungen der Stadt in Leipzig eingerichtet worden. Die 1687 ins Leben getretene kurfürstliche Bücherkommission war naturgemäß am Hauptsitz des Buchhandels am rechten Platz, ihr gehörte je ein Kommissar der Universität und des Rates an. Sie hatte alle staatlichen Befugnisse im Zusammenhang mit der Herstellung und dem Vertrieb von Büchern auszuüben wie Druckprivilegien, Nachdrucke und Bücherzensur. Das kursächsische Oberpostamt ging 1692 aus dem seit längerem bestehenden Leipziger Postamt hervor, mit ihm schuf sich Kursachsen eine von der kaiserlich privilegierten Post der Grafen T h u m und Taxis unabhängige eigene Postverwaltung. So waren mehrere Funktionen der staatlichen Zentralverwaltung in Leipzig festgelegt. A u s alledem ergibt sich die Feststellung, daß Leipzig f ü r Kursachsen sehr wichtig war. Als Residenz hat es jedoch niemals gedient, auch nicht im Sinne einer Nebenresidenz. Kurfürst Friedrich August I., der stets mit großartigen Schloßbauplänen beschäftigt war, hatte es immerhin erwogen, in der Auenlandschaft des Rosenthals unmittelbar nördlich der Stadt ein Schloß zu errichten, für das auch schon Pläne entworfen worden waren, aber über das Einschlagen einiger heute noch sichtbarer Schneisen in den Wald ist er nicht hinausgekommen. Die Landesfürsten müssen doch bei allem Interesse an der Stadt Leipzig auch wiederum die innere Entfernung zu ihr gespürt haben, so daß sie sich wohl hüteten, sich für dauernd in ihren Lebenskreis zu begeben, der ihnen als etwas Fremdes, etwas ganz Anderes gegenüberstand. In Dresden waren sie zu Hause, in Leipzig traten sie immer nur als Gäste auf. Regelmäßig zur Messe weilte der Landesherr mit dem H o f e in Leipzig, aber als Wohnung diente ihm ein Bürgerhaus. Seit dem frühen 18. Jahrhundert war es das Apelsche Haus am Markt, das 1707 zu einem regelrechten Barockpalast umgebaut wurde. Weil es von Kurfürsten und Königen bewohnt wurde, nannte man es auch das »Königshaus«. In ihm führte während des Siebenjährigen Krieges König Friedrich der Große das denkwürdige Gespräch mit Geliert über die deutsche Literatur, und während der Völkerschlacht von Leipzig 1 8 1 3 hielt sich hier König Friedrich August I. von Sachsen auf. Man beachte diesen Sachverhalt: in Leipzig begibt sich der König auf die Ebene der Bürger, er verzichtet in »seiner« Stadt Leipzig auf ein eigenes, seinem Stande angemessenes Haus und lebt hier als Gast. Freilich kam ihm Leipzig dabei ein gutes Stück entgegen, denn was das Apelsche Haus und mancher andere ähnliche Bürgerbau an Wohnkomfort und 2
7
Repräsentation zu bieten hatte, das konnte sich auch vor einem Könige sehen lassen. Die Familien des Leipziger Großbürgertums hatten in wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht eine Ebene erreicht, die es mit jener des wohlhabenden Adels durchaus aufnehmen konnte. Mit dem H o f e kam auch ein Teil der Beamtenschaft aus den kursächsischen Zentralbehörden Dresdens zur Leipziger Messe. Man hatte sich seit Jahrhunderten daran gewöhnt, sie als Zahlungstermin in größeren Geldgeschäften zu verwenden, an denen auch die territorialstaatliche Verwaltung beteiligt war. Als im Jahre 1764 die Landes-Ökonomie-, Manufaktur- und Commerziendeputation als neue staatliche Einrichtung zur Leitung der sächsischen Wirtschaft eingerichtet worden war, verlegte sie regelmäßig zweimal im Jahr, jeweils zur Oster- und zur Michaelismesse, ihre Tätigkeit nach Leipzig, um hier ihre Sitzungen abzuhalten und die Beschwerden der Manufakturisten, Fabrikanten und Kaufleute zu hören und auch auf die Stimme des Landmanns zu achten. Dabei wurden die nötigen Erkundigungen über den Nahrungsstand des Landes eingezogen, um dementsprechende Maßregeln zu treffen und alles zu befördern, was dem Besten der wirtschaftlichen Kräfte diente. Leipzig war der bedeutendste Geld- und Handelsplatz des Landes und darüber hinaus des ganzen mitteldeutschen Raumes. Die Stadt verfügte über kapitalkräftige Handelshäuser, sie war attraktiv für auswärtiges Kapital. D e r Leipziger Rat sorgte für die notwendigen Einrichtungen, die das Geschäftsleben erforderte. E r gründete 1682 ein Handelsgericht und erließ eine Wechselordnung, die 1699 als Handels- und Wechselordnung staatlich sanktioniert wurde. 1698 wurde in Leipzig eine Depositenbank mit staatlicher Genehmigung und Beteiligung errichtet, die zwar nach sechs Jahren wieder liquidiert wurde, während allein schon der Versuch die führende Rolle der Stadt im Wirtschaftsleben des Kurfürstentums anzeigt. Die Leipziger Messe hatte im gesamten öffentlichen Leben des K u r f ü r stentums Sachsen einen Stellenwert wie kein anderes Ereignis. Mit ihr konnten es höchstens die rauschenden Hoffeste des augusteischen Zeitalters in Dresden, Pillnitz und Moritzburg oder die großen Hofjagden aufnehmen. A b e r wie strahlend auch deren Glanz, wie unerhört auch der dabei getriebene A u f w a n d gewesen sein mag, sie waren Vergnügungen einer in sich abgeschlossenen Hofgesellschaft, die vom spontanen Willen des Fürsten abhängig waren und nur auf der Verbraucherseite der wirtschaftlichen Bilanz zu verbuchen waren, was freilich auch wiederum mittelbar die Wirtschaft belebte. Die Leipziger Messe aber kehrte mit pünktlicher Regelmäßigkeit dreimal im Jahre wieder, sie machte Leipzig jedesmal zum Mittelpunkt eines kontinentalen Handels und beherrschte mit Vorbereitung, Durchführung und Nachwirkungen das Wirtschaftsleben der Stadt und ihres weiteren Umlandes. Alle irgendwie mit Handel und Fuhrwesen befaßten Einrichtungen ent28
lang der nach Leipzig führenden Straßen bis zu den Gasthäusern und Schmieden hatten ihren Nutzen davon, die Messe brachte ihnen Geld. Die kursächsische Regierung beobachtete sorgfältig das Messegeschehen mit dem Auf und A b der Besucherzahlen. Im 18. Jahrhundert ließ sie sich von jedem Termin die Meßrelationen zusenden, die ein genaues Bild von der Bewegung der Messebesucher, des Warenangebotes und der Geldwerte ergaben. Die Messestatistik war wiederum die Grundlage für Überlegungen und Maßnahmen zur weiteren Förderung der Messe. Der Staat war bemüht, alle Behinderungen des freien Messeverkehrs auszuschalten und nahm dabei keine Rücksicht auf den Rat und dessen enge Konfessionspolitik. Die kursächsischen Zentralbehörden in Dresden waren ebenso wie der Leipziger Rat von einer geprägten lutherischen Grundhaltung beherrscht, aber in ihnen lebte ein größerer Geist und sie trugen eine umfassendere Verantwortung. Es gefiel ihnen nicht, daß der Rat den A n hängern anderer Konfessionen und Religionen die Ausübung ihres Kultes nicht gestattete. Sie zwangen ihn zwar nicht, seine Haltung aufzugeben, denn das hätte einen Eingriff in die städtische Selbstverwaltung bedeutet. A b e r sie umgingen seine Zuständigkeit und taten alles, um den Kaufleuten fremder Konfessionen ihren eigenen Gottesdienst zu ermöglichen und ihnen dadurch den Aufenthalt in Leipzig annehmbarer zu machen. So wurde im Jahre 1702 im kurfürstlichen Amtshause zu Leipzig eine reformierte Kapelle eingerichtet und an ihr ein deutscher und ein französischer Prediger angestellt. D e r Rat erhob gegen diese Maßnahme Einspruch, aber er konnte sie nicht verhindern, denn das kurfürstliche Amtsgebäude unterstand nicht seiner Botmäßigkeit, es war innerhalb der Stadt gewissermaßen exterritorial. Das gleiche traf f ü r die landesherrliche Pleißenburg zu, die am Rande der Stadt lag. In ihr wurde 1 7 1 0 eine katholische Kapelle angelegt. Auch die Bekenner der griechisch-orthodoxen Konfession erhielten auf diese Weise ein eigenes Bethaus. Besondere Schwierigkeiten bereiteten in dieser Hinsicht die Juden, die auf den Messen ständig anwesend waren, ohne daß ihnen eine offiziell genehmigte Kultstätte zur Verfügung gestanden hätte. In den Jahren von 1675 bis 1748 ist zu jedem Termin von jeweils 150 bis 500 Juden die Rede, die vor allem aus Böhmen nach Leipzig kamen. 1736 richteten sie an die Regierung in Dresden eine Eingabe, in der sie mit ihrem künftigen Fernbleiben drohten, falls man ihnen weiterhin ihren Gottesdienst verwehren würde. Daraufhin wurde er stillschweigend geduldet, so daß sich seit 1 7 3 7 von einer gewissen Kultfreiheit für sie sprechen läßt. Dennoch fanden sie 1789 wieder Anlaß, sich über schlechte Behandlung durch die Beamten zu beklagen. A u c h die französische Kolonie, die aus 32 Firmeninhabern bestand, und die 17 Italiener klagten 1755 wegen des »unglückseligen Religionsverhältnisses«. Als beim Ausbruch des Siebenjährigen Krieges 1756 die preußische
29
Besetzung Handel und Wandel schwer beeinträchtigte, nahm dies ein größerer Teil von ihnen zum Anlaß, die Stadt zu verlassen. Im Jahre zuvor hatten sich 22 reformierte Kaufleute aus Leipzig an die Regierung mit einer Klageschrift wegen offensichtlicher Benachteiligung bei der Erhebung von Gebühren und wegen des Ausschlusses von bürgerlichen Rechten gewandt. Der Erwerb von Grundstücken war ihnen verwehrt, außer im Großhandel wurden ihnen keine Erwerbsmöglichkeiten gestattet, auch konnten sie keine öffentlichen Amter bekleiden. Diese Klage wurde 1762 seitens der französischen Kolonie unter ihrem Vorsteher Jean Dubosc wieder aufgenommen und ging nun in die Bemühungen der Staatsreformer im Zusammenhang mit dem Rétablissement ein. Sie fanden bei den Reformern, die nun auf Abhilfe drängten, offene Ohren. Aus alledem wird das starke Interesse der kurfürstlichen Regierung an den wirtschaftlichen Verhältnissen in Leipzig deutlich. Das war keine Neuigkeit, denn bereits im 17. Jahrhundert war über die Stadt eine Zwangsverwaltung verhängt worden, die von 1627 in abnehmender Wirksamkeit bis 1688 dauerte. Der Rat hatte sich im Mansfelder Kupferbergbau verspekuliert, so daß er nach riesigen Kapitalverlusten den Konkurs erklären mußte, der dann zu dem landesherlich-staatlichen Eingriff führte. Ohne einen solchen besonderen Anlaß, eher aus dem allgemeinen Interesse des Staates an den inneren Verhältnissen in den beiden größten kursächsischen Städten, wurden 1765 in Dresden und Leipzig staatliche Polizeikommissionen eingerichtet, was wiederum zu Protesten der Stände führte, die allerdings vergeblich blieben. Schon 1762 war der mit Leipzig eng verbundene Minister Gutschmid kommissarisch mit den Leipziger Angelegenheiten befaßt worden, 1763 wurde er außer der Reihe zum Bürgermeister von Leipzig gewählt und wirkte als solcher, meistens von Dresden aus, bis zum Jahre 1770. Das war ein an sich unerhörtes Verfahren, denn es hob die stets eingehaltene Trennung von staatlicher Regierung und städtischer Selbstverwaltung auf, stellte zwischen beiden eine Personalunion her und könnte als staatliche Bevormundung aufgefaßt werden. Die guten Beziehungen Gutschmids zu den führenden Leipziger Wirtschaftskreisen und die besonderen Verhältnisse unter dem Rétablissement mit der dabei führenden Rolle des Leipziger Großbürgertums werden eine solche durchaus ungewöhnliche Maßnahme erleichtert und den Leipzigern erträglich gemacht haben. Neben der Stadt war auch die Universität dem Augenmerk der staatlichen Politik ausgesetzt. Das 18. Jahrhundert erforderte mit dem Fortschreiten der Wissenschaft die Einrichtung neuer Professuren, was bei den damaligen Verhältnissen in Kursachsen nur mit staatlicher Hilfe geschehen konnte. So wurden von 1702 bis 1725 zehn neue Professuren gestiftet, darunter solche für Physik und für Naturrecht. 1764 wurde eine neugegründete Professur für Ökonomie mit Daniel Gottfried Schreber besetzt, einem der damals führenden Kameralwissenschaftler, ihr folgte eine weitere für Na30
turgeschichte. Im Jahre 1764 trat die Leipziger Kunstakademie als staatliche Einrichtung ins Leben, sie war in den Baulichkeiten der landesherrlichen Pleißenburg untergebracht und wurde von dem bekannten A d a m Friedrich Oeser geleitet. Staatlicher Anregung folgend gründete Joseph Alexander Fürst Jablonowski 1768 in Leipzig die Fürstlich Jablonowskische Gesellschaft der Wissenschaften, deren Auftrag sich aus dem aufklärerischen Bemühen um eine Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse und der Volksbildung ergab. Im gleichen Jahre entstand die Leipziger Ö k o n o m i sche Sozietät, die durch ihre weit über das Land verstreuten Mitglieder, unter ihnen viele Pfarrer und Rittergutsbesitzer, in die Breite wirkte. Sie ging auf private Aktivitäten zur Aneignung neuer Erfahrungen zurück, die aber von Staats wegen angeregt worden waren. 1778 wurde schließlich in Leipzig das kurfürstliche Taubstummeninstitut als Nachfolge-Einrichtung der 1768 von Samuel Heinicke in Eppendorf bei Hamburg gegründeten Anstalt ins Leben gerufen. Leipzig war somit gerade auch infolge staatlicher Förderung zu einem hervorragenden O r t vielfältiger Bildungseinrichtungen geworden. Die Stadt war mit allen ihren Möglichkeiten in die kursächsische Politik eingebaut, eine Politik, die auf Nutzen bedacht war und bei möglichster Schonung der Eigenart und Selbständigkeit der Stadt ihre Entfaltung förderte. Unter diesen Bedingungen konnte Leipzig doch in den angedeuteten Grenzen seine eigenen Wege gehen.
Leipzig als Subjekt kursächsischer Politik Eine Stadt wie Leipzig, die über derartige wirtschaftliche Kräfte verfügte, konnte in ihrer Führungsschicht auch hervorragende kulturelle und geistige Fähigkeiten aufbauen, die in die kursächsische Politik eingebracht und für sie nutzbar gemacht werden konnten. In der gesamten Geschichte des sächsischen Staatswesens hat es keine Stadt gegeben, die in so spürbarem Maße mitgestaltend die Geschicke bestimmt hätte. Hier lebte ein Großbürgertum mit einem weiten Horizont und mit vielen persönlichen Beziehungen nach Oberdeutschland und bis in die Niederlande. Seine Söhne studierten an der hiesigen Universität und traten dann nicht selten in den Staatsdienst, so daß sich schon dadurch ein ständiger Fluß von bürgerlichem Geist in die Regierung und Verwaltung des Kurfürstentums ergab. Der Leipziger Einfluß auf die kursächsische Politik hatte eine lange Tradition, die auf jene Zeit zurückgeht, als die Mitarbeit erfahrener Finanzfachleute und studierter Juristen für den Territorialstaat unerläßlich wurde. D e r 1490 verstorbene Leipziger Bürger J a k o b Blasbalg gründete die einheitliche Zentralkasse des Herzogtums Sachsen. Sein Mitbürger Hans Leimbach war der Vertrauensmann des Kurfürsten Friedrichs des Weisen in
31
Geldsachen und Begründer der Landeszentralkasse des Kurfürstentums Sachsen. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts gingen aus dem Leipziger Bürgertum die fürstlichen Räte und Kanzler Simon Pistoris, Ludwig Fachs und Ulrich Mordeisen hervor. Der Leipziger Bürgerssohn Nikolaus Krell stieg unter Kurfürst Christian I. 1586 — 91 zum Kanzler und ersten Mann der Regierung in der Stellung eines Premierministers auf, strebte eine völlige Neuorientierung der kursächsischen Politik nach innen und außen an und beendete sein Leben nach seinem Sturz und zehnjähriger Kerkerhaft auf dem Richtblock. Auch im 18. Jahrhundert setzte sich der Einfluß Leipzigs auf die kursächsische Politik fort. Die im Jahre 1735 gegründete Commerziendeputation, die als staatliches Gremium zur Anleitung der Volkswirtschaft zu wirken bestimmt war, berief seit 1749 je einen bürgerlichen Unternehmer aus Dresden und Leipzig zu ihren Mitgliedern. Welches Gewicht die Stellungnahme Leipzigs in der kursächsischen Wirtschaftspolitik hatte, zeigte sich bei der Wirtschaftskrise von 1772. Als die Regierung die Einführung einer größeren Menge Papiergeldes plante, protestierten die Leipziger Kaufleute dagegen und hatten damit auch Erfolg. Der französische Gesandte berichtete in dieser Zeit an seine Regierung, daß der Kurfürst vor wichtigen Entscheidungen die Meinung der Stadt Leipzig einhole. Der Kurfürst selbst warf einmal seinem vertrauten Minister Gutschmid vor, er trete stets als Anwalt der Stadt Leipzig auf und tue dies sogar auf Kosten der landesherrlichen Hoheitsrechte. Die größte Steigerung erlebte der Leipziger Einfluß im Zusammenhang der kursächsischen Staatsreform, die seit 1762 im Kreise um den Kurprinzen Friedrich Christian theoretisch vorbereitet und eingeleitet wurde und nach dem Hubertusburger Frieden von 1763 unter dem Namen des Rétablissement eine grundlegende neue Ausrichtung der kursächsischen Politik herbeiführte. Wenn auch Kurfürst Friedrich Christian nach nur zweieinhalbmonatiger Regierungszeit starb, so trat Sachsen doch unter ihm in den aufgeklärten Absolutismus ein, der unter seinem Nachfolger fortgesetzt wurde. In der Zeit der Minderjährigkeit Friedrich Augusts III. waren die hohen Beamten die Träger der Reformpolitik. In welchem Maße diese Männer auf grundsätzliche militärpolitische und außenpolitische Entscheidungen einwirkten, zeigt ein Blick auf die sächsischen Ambitionen in bezug auf Polen. Es gab in Dresden eine Gruppe von maßgeblichen Leuten, die nach dem Tode des sächsischen Kurfürsten und Königs von Polen im Jahre 1763 immer noch die Fortsetzung der Personalunion mit Polen anstrebten, die Außenpolitik Sachsens dementsprechend zu gestalten suchten und die dafür notwendigen militärischen Maßnahmen trafen. Ihr Exponent war der Administrator Prinz Xaver, ein Bruder des verstorbenen Kurfürsten Friedrich Christian, der für den unmündigen Kurfürsten die Regierung führte. Dieser vorwiegend im militärischen Denken beheimatete Fürst hatte ganz 32
überstürzt die kursächsische Armee von 18 ooo auf 33 000 Mann erhöht, um sie für einen möglichen Einsatz fähig zu machen. Gegenüber der hinter ihm stehenden »polnischen« Partei in Dresden lehnte die von den Reformern getragene »sächsische« Partei die Fortführung der Polen-Politik ab, um sich mit ganzer K r a f t dem Wiederaufbau der Wirtschaft und der Innenpolitik zuzuwenden. Gutschmid scheute sich nicht vor einer Kontroverse mit dem Chef der sächsischen Armee, dem Feldmarschall Chevalier de Saxe, und der bürgerliche Minister, der zugleich Bürgermeister von Leipzig war, setzte sich durch, so daß schließlich 1772 auf sein Betreiben die Truppenerhöhung rückgängig gemacht wurde. Man stelle sich vor, wie etwa zur gleichen Zeit eine entsprechende Kontroverse zwischen dem Bürgermeister von Berlin und einem preußischen Feldmarschall ausgegangen wäre. Der französische Gesandte konnte geradezu von einer »republikanischen« Partei am kursächsischen H o f e sprechen. Damit war eben jene Gruppe von Reformern gemeint, deren Kern aus dem Leipziger Bürgertum kam. A n erster Stelle stand Thomas von Fritsch (1700— 1775), der Sohn eines Leipziger Buchhändlers. 1728 hatte er Sophie Winkler von Dölitz geheiratet, die Tochter eines Leipziger Rats- und Handelsherrn, dessen Familie ihrem gutbürgerlichen Namen Winkler den Namen des von ihr erworbenen Rittergutes am Rande der Stadt hinzugefügt hatte. Fritsch war 1730 geadelt worden, doch hielt er betont am bürgerlichen Denken fest. Das zwang ihn zu offener Kritik am politischen System des Grafen Brühl, der unter K u r fürst Friedrich August II. zum allmächtigen Premierminister aufgestiegen war, so daß er 1741 aus dem sächsischen Staatsdienst austrat, um sich fortan in der väterlichen Buchhandlung nützlich zu machen. In den folgenden Jahren nutzte er die weitreichenden Beziehungen des Geschäfts, die zum Waisenhaus in Halle, in die Niederlande, zu Hugenotten, nach West-, Südund Nordeuropa gingen, um ausgedehnte Reisen zu unternehmen. Dabei hatte er in Paris Begegnungen mit dem polnischen Magnaten Stanislaw Poniatowski, mit den Enzyklopädisten und französischen Aufklärern. Er bewunderte England, an der Nationalökonomie hatte er starkes Interesse. Als Gegner Brühls empfahl er sich von selbst dem »jungen H o f e « in Dresden um den Kurprinzen und dessen bayrische Gemahlin, die noch vor dem Ende des Siebenjährigen Krieges auf eine völlige Neuausrichtung der kursächsischen Politik hinarbeiteten. In der 1762 eingesetzten Restaurationskommission erhielt Fritsch den Vorsitz, nach der Regierungsübernahme durch Friedrich Christian wurde er Minister im Geheimen Consilium als der obersten kursächsischen Landesbehörde. E r war es vor allen Dingen, der die Staatsreform durch eine Fülle von sachkundigen Denkschriften vorbereitet und ihr dann mit seinem überlegenen Geist die Richtung gegeben hat. Der zweite Mann der Staatsreform war Christian Gotthelf Gutschmid ( 1 7 2 1 — 1798). E r entstammte einem pietistischen Pfarrhause der Niederlau33
sitz, die damals zu Kursachsen gehörte. Bis 1742 war er neben dem Studium Lehrer am Waisenhaus zu Halle, studierte dann in Leipzig Ökonomie und Rechtswissenschaft und promovierte 1750 über den staatswirtschaftlichen Nutzen des freien Warenaustauschs. Dabei folgte er der Schrift Montesq u i e u Esprit des loix, trat für bürgerliche Freiheit und Ordnung ein und strebte die Trennung der staatlichen und der individuellen Sphäre an. Er blieb sodann in Leipzig, wurde Rechtsanwalt, Rechtsberater der Leipziger Kramerinnung und Syndikus der Kaufleute reformierten Bekenntnisses in Leipzig. Nicht nur durch diese Tätigkeit war er dem Leipziger Milieu eng verbunden, sondern auch durch seine Ehe mit der Schwester des späteren Leipziger Bürgermeisters Karl Wilhelm Müller. Nachdem er 1756 Professor des Lehnrechts und der Staatswissenschaft an der Universität Leipzig geworden war, folgte er zwei Jahre später einem Ruf nach Dresden, um als H o f - und Justitienrat in die kursächsische Landesregierung einzutreten, die als eine der Zentralbehörden für die innere Verwaltung und die Gewerbepolizei zuständig war. Daß er daneben von Dresden aus von 1763 bis 1770 in der schwierigen Zeit des Wiederaufbaus nach dem Siebenjährigen Kriege das Amt des Bürgermeisters von Leipzig bekleidete, wurde bereits erwähnt. Seine 1765 erfolgte Standeserhöhung zum Reichsfreiherrn hielt er bis 1770 geheim. Dem jungen Kurprinzen und späteren Kurfürsten Friedrich August III. diente er zuerst als Lehrer des Staatsrechts und dann als dessen hauptsächlicher Berater. 1782 richtete er das neugegründete Geheime Finanzkollegium als die umfassende Zentralbehörde für innere Angelegenheiten und Finanzen ein, von 1770 bis zu seinem Tode war er Konferenzminister im Geheimen Consilium und Kabinettsminister des Inneren. Eine ganze Generation von höheren Staatsdienern ist von ihm nach den Grundsätzen des aufgeklärten Absolutismus erzogen worden, so daß auch sein Werk bis in das frühe 19. Jahrhundert hinein überdauert hat. Einer der Schüler Gutschmids aus dessen Leipziger Zeit war Friedrich Wilhelm Ferber (1732—1800). Er wurde 1763 unter dem Rétablissement Kabinettssekretär des Inneren, 1767 heiratete er eine Tochter des Seidenwarenhändlers Jean Dubosc in Leipzig und Frankfurt a.M., der bereits im Zusammenhang der Konfessionspolitik des Leipziger Rates genannt worden war. Ein Schwager Ferbers war Karl Ferdinand Lindemann ( 1 7 1 4 — 1782), der 1762/63 als Mitglied der Restaurationskommission tätig war. Ferber selbst stieg zu hohen Beamtenstellungen auf: er wurde Vizedirektor des Geheimen Kammerkollegiums, 1782 Vizedirektor des Geheimen Finanzkollegiums, seit 1779 war er außerdem Vizedirektor der LandesÖkonomie-, Manufaktur- und Commerziendeputation. 1776 wurde er in den Adels-, 1789 in den Freiherrnstand erhoben. Mit diesen drei Männern sind nur die wichtigsten Namen einer ganzen Gruppe bürgerlicher hoher Beamter genannt, die den Leipziger Geist in die kursächsische Politik hineintrugen. Sie waren einander nicht nur im Geiste, 34
sondern auch im familiären Sinne verwandt, denn in den Jahren nach dem Rétablissement von 1763 bis zur Jahrhundertwende hatten zehn nächste Verwandte Ferbers und Lindemanns führende Stellungen in kursächsischen Zentralbehörden inne. Sie galten als Häupter einer »republikanischen« Partei, die wegen ihrer Hinwendung zur englischen, als vorbildhaft betrachteten Verfassung auch als »anglikanische« Partei bezeichnet wurde. Man sagte ihnen die Absicht nach, sie wollten die sächsische Staatsverfassung zugunsten des dritten Standes umgestalten. Das sollte durch eine Weiterentwicklung der kursächsischen Landstände geschehen, die mit den Befugnissen des englischen Parlaments ausgestattet werden sollten. Hierzu läßt sich rückblickend sagen, daß solche Gedanken nicht als wirklichkeitsfremde Träumereien aufklärerisch beschwingter Theoretiker abgetan werden können, sondern durchaus in einer gewissen Ähnlichkeit der sächsischen mit den englischen Verhältnissen begründet sein konnten. Dazu gehört vor allem der hohe Grad der Verstädterung, die weit vorangekommene Entwicklung der gewerblichen Wirtschaft und die zurückhaltende staatliche Innenpolitik, die dem freien Spiel der Kräfte einen breiten Raum ließ. Wenn sich diese Absicht hätte durchsetzen lassen, dann wäre Kursachsen noch vor der französischen Revolution auf dem Wege der Reform zu einer frühkonstitutionellen Staatsverfassung gelangt, wie sie damals noch kein monarchisch aufgebautes Staatsgebilde auf dem europäischen Festland besaß. Was im Gang der europäischen Verfassungsgeschichte zumeist erst durch Revolutionen oder unter starkem Druck des Volkes erkämpft worden ist, zeichnete sich in den Plänen der kursächsischen Reformer als Ziel einer vernünftigen Politik der Mächtigen ab: das Kabinett als das kennzeichnende Machtorgan des absolutistisch regierenden Fürsten sollte abgeschafft werden, der Kurfürst sollte eine Zivilliste erhalten, um auf diese Weise das fürstliche Privatvermögen vom Staatsvermögen zu trennen und den Fürsten dadurch, jedenfalls im finanziellen Bereich, auf den Stand eines konstitutionellen Monarchen zu beschränken. Die gesamten Staatseinkünfte sollten durch eine vom Leipziger Handelskapital kontrollierte Staatsbank verwaltet und der Militärhaushalt drastisch eingeschränkt werden. Es waren sehr moderne, für damalige Verhältnisse geradezu umstürzende Gedanken, die in jener »republikanischen« Partei unter den kursächsischen Politikern umgingen. Wenn sie auch nicht verwirklicht werden konnten, so zeigen sie doch den Geist und den Willen einer Reformbewegung an, die immerhin das damals Mögliche durchgesetzt hat. Neben dem vorherrschenden Geist des Rationalismus dürfen die pietistischen Kräfte innerhalb der R e f o r m nicht vergessen werden, die ja schon im elterlichen Hause Gutschmids zu beobachten waren. Ihr hervorragendster Vertreter war Peter von Hohenthal (1726— 1794), der als Kreishauptmann im Leipziger Kreise zunächst eine landschaftlich begrenzte Verwaltungstätigkeit entfaltete, seit 1764 aber als Vizepräsident des Dresdener Oberkonsi35
storiums und Vizedirektor der Landes-Ökonomie-, Manufaktur- und Commerziendeputation für das Schulwesen und den wirtschaftlichen Aufschwung des Landes an zentraler Stelle wirken konnte. Überdies war er einer der Begründer der Leipziger Ökonomischen Sozietät. Er entstammte der Leipziger Kaufmannsfamilie Homann, sein Großvater war 1717 in den Adelsstand erhoben worden. Sein Leben lang hat er an seiner pietistischen Frömmigkeit festgehalten, die er mit aufklärerischer Gesinnung zu einem Christentum der Tat verband. Im vorgerückten Alter trat er in enge Beziehungen zur Herrnhuter Brüdergemeine, er starb in Herrnhut. Uber seine Mutter, die eine Tochter des Leipziger Professors für Geschichte Johann Burkhard Mencke war, ergab sich eine weitere Beziehung zum Leipziger Bildungszentrum.
Leipzig hat wie keine andere Stadt in Sachsen die kursächsische Politik im 18. Jahrhundert mitbestimmt, auch die Residenzstadt Dresden hat keine gleichrangigen geistigen Kräfte auf diesem Felde aufbringen können. Dabei bewegte sich dieser Einfluß nicht in den engen Grenzen einer auf die Leipziger Sonderinteressen festgelegten Haltung, vielmehr trat er mit einem weiten Blick für die Notwendigkeiten einer bürgerlichen Staats-, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik auf. Der gebürtige Leipziger Thomas von Fritsch hat sich nicht gescheut, engstirniger Leipziger Ratspolitik, wo sie einmal aufkam, im Interesse des Staatsganzen entgegenzutreten, wie bei der Verteidigung der für die freie Elbschiffahrt hinderlichen Leipziger Stapelrechte und auf dem Gebiet der konfessionellen Toleranz, wo es ihm um die Gleichberechtigung der Konfessionen ging. Die Stadt Leipzig stellte innerhalb des Kurfürstentums Sachsen eine wirtschaftliche und geistige Macht von überragender Bedeutung dar. Die in ihrem Bürgertum lebendigen Fähigkeiten auf diesen beiden Gebieten wurden in die kursächsische Politik einbezogen, während doch auch wieder genügend freier Raum zu eigener Entfaltung blieb, wodurch gute Voraussetzungen für den weiteren Aufschwung gegeben waren. Das ausgewogene Verhältnis zwischen Inanspruchnahme durch den Staat und Gewährenlassen gehört zu den eindrucksvollen Tatsachen in den Beziehungen zwischen der Stadt Leipzig und dem kursächsischen Staat. Es zeugt von Klugheit, beinahe sogar von Weisheit bei den verantwortlichen Männern. So wurde Leipzig einerseits in den aufstrebenden modernen Staat mehr und mehr einbezogen, denn die Verstaatlichung der Gesellschaft ging als eine grundlegende, zwingende Entwicklung der modernen Gesellschaftsgeschichte auch an der Stadt Leipzig nicht vorbei. Aber andererseits konnte die Stadt den Gang dieser Entwicklung und die Eigenart dieses Staates in hohem Maße mitbestimmen. 36
Dieser Sachverhalt erhebt das Verhältnis zwischen der Stadt Leipzig und der kursächsischen Politik im 18. Jahrhundert auf die Ebene einer allgemeingültigen geschichtlichen Wahrheit und macht es zur greifbaren, ortsund zeitgebundenen Verkörperung einer zeitlosen typischen Erscheinung. Man denkt hierbei an Parallelen wie das Hineinwachsen des geistig überlegenen Griechenland in das machtmäßig überlegene Römische Reich. Aus dem Abstand von mehr als einem Jahrhundert konnte damals der einsichtige H o r a z auf diesen für die römische Geschichte so bedeutsamen Vorgang mit einem Vers zurückblicken, der die Rolle des militärisch besiegten Griechenland als des eigentlichen Siegers würdigt, eines Siegers freilich auf dem Felde des Geistes und der Kultur, die sich in der Geschichte gegenüber der bloßen Macht noch immer als die dauerhaften und letztlich bleibenden Werte erwiesen haben. Der Kernsatz dieses Verses lautet: Graecia capta ferum victorem cepit.
E r sagt in der strengen Knappheit der lateinischen Sprache, daß das militärisch unterworfene Griechenland durch seine geistigen Fähigkeiten den noch ungebildeten Sieger überwand und, indem es seine eigenen geistigen Kräfte in die politische und gesellschaftliche Ordnung der römischen Welt einbrachte, die Kultur eben dieser Welt als deren bleibende Leistung mitgestaltete. Der horazische Satz läßt sich auf Leipzig und dessen Verhältnis zum kursächsischen Staat umformen: Lipsia capta feudalem Saxoniam cepit:
das in den kursächsischen Staat eingebaute bürgerliche Leipzig hat mit seinen wirtschaftlichen und geistigen Fähigkeiten diesen Staat mit seiner durchaus noch feudalen Struktur dadurch überwunden, daß es sich in dessen Entwicklung eingebracht hat. Leipzig war Objekt kursächsischer Politik, die es erleiden mußte wie das ganze Land auch, und es wurde im Interesse dieses Staates zu Leistungen herangezogen. A b e r mit seinen starken Kräften konnte es unversehens selbst zum Subjekt der kursächsischen Politik werden, in die es den Geist seines Bürgertums einbrachte, um dadurch den weiteren Ausbau dieses Staates wesentlich mitzubestimmen. Die kursächsische Politik und Leipzig — Leipzig und die kursächsische Politik: das ist im 18. Jahrhundert nur im Sinne eines Wechselverhältnisses zu verstehen, eines dialektischen Fortschreitens einander entgegengesetzter Kräfte, die doch auch wieder aufeinander bezogen sind und aus dem Widerstreit zu einer neuen Einheit den Weg finden. Es ist der Geist, der sich letztlich durchsetzt. So ist das anstehende Thema ein treffliches Lehrstück für die Bewältigung der immer wieder neu auftretenden Spannung zwischen Macht und Geist in der G e schichte.
37
LITERATURHINWEISE
Das vorliegende Thema ist in der Fachliteratur noch nicht ausdrücklich behandelt worden. Gewisse Hinweise finden sich in den allgemeinen Darstellungen zur sächsischen Landesgeschichte und zur Leipziger Stadtgeschichte: HELLMUT KRETZSCHMAR: Sächsische Geschichte, i. Bd. Dresden 1935. GUSTAV WUSTMANN: Geschichte der Stadt Leipzig. Bilder und Studien. Leipzig 1905. K A R L C Z O K : Das alte Leipzig.
Leipzig 1978.
Die im folgenden verzeichneten Arbeiten führen näher an das Thema heran: PETER B E Y E R : »Leipzig und Frankfurt a.M. Leipzigs Aufstieg zur ersten deutschen Messestadt«. In: Jh. f . Regionalgeschichte II, Weimar 1967, S. 62 — 86. K A R L H E I N Z BLASCHKE: Bevölkerungsgeschichte von Sachsen bis zur industriellen Revolution. Weimar 1967. RUDOLF F O R B E R G E R : Die Manufaktur des 19. Jahrhunderts. Berlin 1958.
in Sachsen vom Ende des 16. bis zum
Anfang
H E R B E R T H E L B I G : »Die wirtschaftlichen Führungsschichten in Leipzig bis 1750«. In: Geschichte in der Gesellschaft. Fschr. für K A R L BOSL. Stuttgart 1974, S. 216 — 254. THOMAS K L E I N : »Kursachsen«. In: Deutsche Verwaltungsgeschichte. Bd. 1. Stuttgart 1983, S. 803 — 843. AGATHA KOBUCH: Die Zensur in Kursachsen zur Zeit der sächsisch-polnischen Phil. Diss. Berlin 1965 (Manuskript).
Union.
D I E S . : »Der Aufklärer Gottsched und die kursächsische Bücherzensur«. In: Sächsische Heimatblätter 18. Jg. (1972), S. 261 —263. DIES.: »Aufklärung und Gedankengut der französischen Revolution im Konflikt mit der kursächsischen Zensur im 18. Jahrhundert«. In: Ebd., 21. Jg. (1975), S. 275 — 281. S. MOLTKE: »Das >Königshaus< in Leipzig«. In: Leipziger Kalender 1908. N I K O L A U S PEVSNER: Leipziger Barock. Dresden 1928. H A Z E L ROSENSTRAUCH: »Buchhandelsmanufaktur und Aufklärung. Die Reformen des Buchhändlers und Verlegers Ph. E. Reich (1717— 1787). Sozialgeschichtliche Studie zur Entwicklung des literarischen Marktes«. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens. Bd. X X V I , ι. Halbbd. Frankfurt a.M. 1985, S. 1 - 1 2 9 . HORST SCHLECHTE: »Zur Vorgeschichte des >Rétablissement< in Kursachsen«. In: Forschungen aus mitteldeutschen Archiven. Fschr. für HELLMUT KRETZSCHMAR. Berlin 1953, S. 3 3 9 - 3 6 2 . DERS.: »Pietismus und Staatsreform 1762/63 in Kursachsen«. In: Archivar und Historiker. F s c h r . f ü r H E I N R I C H O T T O M E I S N E R . B e r l i n 1 9 5 6 , S. 3 6 4 - 3 8 2 .
DERS. (Hrsg.): Die Staatsreform in Kursachsen IJ62 — 1763. Quellen zum kursächsischen Rétablissement nach dem Siebenjährigen Kriege. Berlin 1958.
38
GÜNTER
MÜHLPFORDT
Gelehrtenrepublik Leipzig Wegweiser- und Mittlerrolle der Leipziger in der Wissenschaft1
Aufklärung
Von Sachsen aus ist das Licht der Wissenschaft über und andre Länder ausgegangen.'
Deutschland
Leipzig war allmählich der Zentralpunkt [...] des gelehrten Verkehrs in Deutschland geworden, hier erschienen die ersten wissenschaftlichen Zeitschriften [...] Leibniz und Thomasius sind Leipziger Professorensöhne.J Die Universität Leipzig stand weitaus an der Spitze der deutschen Hochschulen (zur Zeit der Aufklärung). 4 Wer ein gutes Deutsch lernen will, studiere in Leipzig. (Alter Studentenspruch) ! Die Messestadt Leipzig war die unbestrittene Metropole des deutschen Buchhandels in der Aufklärung [...] das Zentrum der Buchproduktion (z.B. gelehrter Nachschlagewerke). 6 Leipzig ist die größte aller Journalfabriken
(1787). 7
Die Leipziger Aufklärung war maßgebend für ganz und über seine Grenzen hinaus.8
Deutschland
Leipzig, das Mekka der europäischen Bücherfreunde
(1788).®
Leipzigs Büchermarkt diente der Vertiefung< auch in des Wortes buchstäblicher Bedeutung. Ihre Urheber und Promotoren in Leipzig und Halle, z . T . nach Berlin oder Freiberg berufen, hatten das Anschauungsmaterial jener Gruben und Hütten vor Augen, dem sie Bausteine für ihre Lehrgebäude entnahmen. Die Systemschöpfer Georg Ernst Stahl (Chemie) 2 0 und Abraham Gottlob Werner (Geologie), 2 ' ebenso die Begründer der mineralogischen Chemie (Friedrich Henckel) und der kartographischen Geologie (Friedrich Wilhelm Charpentier) — zwei Zöglinge der Jena-Leipziger Frühaufklärung (Stahl, Henckel) und der Leipziger Hochaufklärung (Werner, Charpentier) — haben intensiv montanistische Stoffe und Prozesse erforscht und aus ihnen ihre Schlußfolgerungen gezogen. Mitteldeutsche Erze und Erden dienten diesen Initiatoren neuerer Naturwissenschaft als Indikatoren für Naturgesetze. Sowohl die in Leipzig publizierenden Experimental- und Systemchemiker Stahl und Henckel, als Matadoren der Chemie auf ihrer phlogistischen Stufe, wie die gleichfalls hier veröffentlichenden Absolventen Leipzigs Werner und Charpentier, als Fundamentbauer der Geologie, schöpften aus diesem Erkenntnispotential. Alle vier Leipzig-Autoren zeichneten sich, auf mitteldeutschen Lagerstätten und Verhüttungsverfahren fußend, zugleich als Beförderer der chemischen Mineralogie und mineralogischen Systematik aus. Das waren Wissensgebiete, die sich als Rationalwissenschaften zu Beginn der Aufklärung noch in statu nascendi befanden, aber in der Halle-Leipziger Aufklärung wissenschaftliches Format annahmen und — von Leipzig aus verbreitet — im Kontext der Aufklärung fertige, voll durchgebildete Fachwissenschaften wurden. Unter Vorantritt des Wissenschaftszentrums Leipzig entstanden so neuere, theoretische, systematisierte Chemie- und Geowissenschaften. Vordem praktizistisch, antiquarisch, alchimistisch oder utilitaristisch-kameralistisch betrieben, erhielten sie durch Halle-Leipziger Aufklärer genuin wissenschaftlichen und Systemcharakter. Leipziger Drucke, Veröffentlichungen, Messen, Verleger, Buchhändler machten die neuen Lehren publik. Mit Leipzig als Sprachrohr befruchteten diese so die Gelehrtenökumene der Aufklärung. Phlogistik und Neptunismus — die erste wissenschaftliche Theorie der Chemie (samt ihrer Nachbardisziplinen Montanistik/Metallurgie, Mineralogie, Pharmazie) und das früheste wissenschaftliche Lehrgebäude der Geologie, zwei schöpferische Umwege zu moderner Erkenntnis — traten auf diese Weise ihren Siegeszug durch Deutschland, Europa und über den Erdball an. Leipzig war für sie das T o r zur Welt, ähnlich wie für weitere aus der Halle-Leipziger Aufklärung hervorgegangene Fachwissenschaften. Phlogistische Chemie und neptunistische Geologie führten einen welt44
weiten Konsens herbei — eine Übereinstimmung fachlicher Lehrmeinungen, aus der erstmals ökumenische fachwissenschaftliche Gesinnungsgemeinschaften mit Zusammengehörigkeitsgefühl und Zusammenwirken hervorgingen, eine Fach-»Welt« im wörtlichen Sinn (Communitas eruditorum). Die aufklärerische Ökumene von Chemikern, Montanisten, Mineralogen und Pharmazeuten im Zeichen des Phlogiston, mit ihrer überseeischen Ausdehnung, besaß einen größeren Aktions- und Rezeptionsradius als je eine wissenschaftliche Schule zuvor. Klammer dieser Chemieökumene waren neben der von Leipzig aus propagierten Phlogistontheorie die weltweit gelesenen Leipziger Chemiezeitschriften der Spätaufklärung, die der Phlogistiker Crell herausgab und zu denen Autoren aller damals bekannten Kontinente beisteuerten. Mit der Etablierung der neuen Systemwissenschaften ging ihre Institutionalisierung und Professionalisierung einher. Die Berufe des Chemikers und des Geologen, als theoriefester, geschulter Fachleute, entstanden. Damit wurde zugleich ein verstärktes Ubergreifen auf Praxis und Öffentlichkeit eingeleitet. Auch in anderen Fächern initiierten Halle-Leipziger Aufklärungsgelehrte kultur- und naturwissenschaftliche Breitenaufklärung im europäischen Maßstab. Was der Leipzig-Hamburger Popularaufklärer Hübner in Geographie, Geschichte und Philologie begann, setzte der Halle-Leipziger Enzyklopädist Wolff in Philosophie, Mathematik und Naturwissenschaften fort. Physik und Physiologie wurden von Wolff zu Systemwissenschaften ausgebaut, in klarer Diktion, und gemeinverständlich erläutert. Wolff hat, besonders in seiner theoretischen und Experimentalphysik sowie seiner Human-, Tier- und Pflanzenphysiologie, sich Realitäten seines mitteldeutschen Umfeldes nach seiner empirio-rationalistischen Denk- und Beweismethode zunutze gemacht. So trugen Halle-Leipziger Aufklärer und ihre Anhänger den neuesten Stand der Wissenschaft ihrer Zeit popularisierend an die Öffentlichkeit. Sprachbarrieren wurden überwunden. In benachbarte und ferne Länder fanden Halle-Leipziger Systemwissenschaften lateinisch und durch Ubersetzungen Eingang. Nach Leipziger, halleschen und sonstigen mitteldeutschen Originalwerken oder Vorlagen entstand auf Fachgebieten, wo die Halle-Leipziger Aufklärung einen Vorsprung gewonnen hatte und wo sie Maßstäbe setzte, ein Übersetzungsschrifttum in lateinischer, französischer, englischer, russischer, niederländischer, italienischer, spanischer, schwedischer, dänisch-norwegischer, polnischer und ungarischer Sprache. Weitverästelte Fernwirkung erzielten, angefangen bei Pufendorf, Leibniz, Tschirnhaus, Cellarius, Weise, Hübner und Christian Wolff, Werke mitteldeutscher, vorab Halle-Leipziger Aufklärer, Naturforscher, Arzte, Techniker in lateinischen und französischen Fassungen. Weltgeschichtliche Relevanz und gesellschaftsverändernde Kraft erlangten Übertragungen ins Französische. Herausragend dabei die Ausstrahlung 45
auf Radikalaufklärer Frankreichs — darunter auf die geistigen Väter der Französischen Revolution — und auf das revolutionäre Frankreich selbst. Eine Reihe deutscher Aufklärer Halle-Leipziger Prägung hat auf das vorrevolutionäre, das konstitutionelle und das republikanische Frankreich girondistischer, jakobinischer, direktorialer und konsularischer Richtung und Staatsform eingewirkt wie auch auf das napoleonische, ein Einfluß, der sich in Veröffentlichungen, Beschlüssen, Aufrufen, Verordnungen widerspiegelt und bis in die revolutionären und nachrevolutionären Verfassungen zu verfolgen ist. Mainzer Revolutionäre und weitere deutsche Revolutionsfreunde standen ebenfalls unter Halle-Leipziger Aufklärungseinfluß. 22 Wissenschaftlicher Hauptsektor der Wirkung auf Frankreich waren naturwissenschaftlich-technische Fachgebiete, daneben pädagogische, neuhumanistisch-altertumswissenschaftliche, philosophische, juristische. Zeugen dafür sind die Geistesväter der französischen Aufklärung und Revolution Diderot, Helvétius (eigentlich Schweitzer, aus mitteldeutscher Familie), Holbach, Homberg, Necker (Sohn eines Brandenburgers), auch Voltaire und Rousseau. Wilhelm Homberg (1652— 1715), von mitteldeutscher Abkunft, Absolvent der Universitäten Leipzig und Wittenberg, Guerickeschüler, Tschirnhausadept und Inspizient sächsischer Bergwerke, war Lehrmeister einer Generation französischer Chemiker und Akademiemitglieder, auch des Regenten Philipp von Orléans, des Nachfolgers Ludwigs X I V . Der deutsche Radikalaufklärer in Frankreich Holbach, ein Kenner der Halle-Leipziger naturwissenschaftlichen Aufklärung, übertrug grundlegende, aus Leipzig bezogene mitteldeutsche, vornehmlich Leipziger und Dresdner Bücher zur Chemie, Mineralogie und Montanistik aus dem Deutschen ins Französische, so von Stahl selbst, von Henckel, von Christian Fürchtegott Gellerts älterem Bruder Christlieb Ehregott Geliert, diesem Hauptvertreter der Leipzig-Freiberger Aufklärungs-Montanistik (Lehrer Werners), der gleich dem Dichter ein >Voll-Lipsienser< war. Beispielsweise erschienen Henckels chemisch-mineralogische Hauptschriften 1756/57 in Holbachs französischer Übertragung. 1760 folgte eine Pariser HenckelGesamtausgabe (Œuvres de Henckel). 1766 brachte Holbach ein Hauptwerk Stahls französisch heraus. Nach der Verarbeitung dieser Bücher aus Leipzig, Dresden, Halle verfaßte Holbach sein Système de la nature (1770) und seine über 1000 Artikel für die Encyclopédie. Der Herausgeber der Encyclopédie Diderot fußte weithin auf dem HalleLeipziger Enzyklopädisten Wolff. Diderot schrieb für seine Artikel in der Encyclopédie Wolff z.T. wörtlich aus. 23 Auch die Wolffianer Formey und Sulzer arbeiteten an ihr mit. Im Revolutionsjahr 1789 hat der mitteldeutsche Chemiker Klaproth, aus Stahls phlogistischer Schule, das Uran aufgespürt. Das war der >Urknall des AtomzeitaltersFachrevolutionen< betrafen Sprache und Literatur — vor allem die Germanistik — sonstige Philologie (besonders die klassische und orientalische), reine und angewandte Mathematik, Philosophie (als enzyklopädisches Systemdenken), Theologie (philologische Dogmenkritik und Historisierung des Kanons), politisch-ökonomische, physische und historische Geographie, eine neue Geschichtswissenschaft in mehreren Zweigen (mit Quellenkritik), Altertumswissenschaft (Neuhumanismus), Kunstwissenschaft (Ästhetik, Musiktheorie, Kunstgeschichte), Rechtswissenschaft (Naturrechts-, Studien- und Strafrechtsreform), die meisten Naturwissenschaften — hier lag wirkungsgeschichtlich das Schwergewicht — das Buchwesen (mit Druckerei- und Verlagswesen, Zeitschriften, Lexikographie), Pädagogik (Philanthropismus), Popularaufklärung u. a. Fachliche Neuerungen wurden als Revolutionen angesehen. »Revolution« bedeutete wesentliche Veränderungkleine< Philanthropisten haben hier veröffentlicht. Da ihre Stärke teilweise weniger in der schulischen Praxis als in der Erziehungstheorie lag — Basedow, Bahrdt und selbst Campe waren bessere Erziehungswissenschaftler als Erzieher — erlangten die Leipziger und von Leipzig aus in Umlauf gebrachten philanthropistischen Drucke um so größeres Gewicht für diese Reformpädagogik. Mit Leipzig als Sprachrohr wurde der Philanthropismus propagiert und popularisiert. Ohne das Engagement von Leipziger Verlegern, voran Siegfried Leberecht Crusius, mit dem weitaus größten deutschen Erziehungsverlag, daneben Fleischer und Vogel, und ohne den Leipziger Buchmarkt hätte der Philanthropismus wesentlich geringere Wirkung erzielt. Der einsatzfreudige Crusius nahm, ähnlich Leipziger Verlagen wie Fritsch, Gleditsch, Breitkopf, Reich, Weygand, Göschen, im Interesse der Aufklärung geschäftliche und politische Risiken auf sich.40 Der Dessauer Autoren-Selbstverlag der Philanthropisten und ihrer Freunde {Buchhandlung der Gelehrten) hatte, gleich vielen in- und ausländischen Verlagen, in Leipzig Niederlassung und zweiten Erscheinungsort. Rousseaus Emile, Autorität aller Philanthropisten, fand über Leipzig Eingang in Deutschland. Der aufgeklärte Leipziger Komponist, Musiktheoretiker und Publizist Adam Hiller beflügelte durch seine frühen Rousseauübersetzungen die Rousseaurezeption in deutscher Sprache.4' 54
Produktivster philanthropistischer Autor war in und außerhalb Leipzigs Basedow. Seine Schaffensexplosion um 1770 fand in Leipziger Veröffentlichungen beeindruckenden Niederschlag. So publizierte Basedow 1771 in Leipzig sieben Schriften zur Verbesserung des Schulwesens (ein Titel). Am wichtigsten davon war sein Methodenbuch — Basedows Erziehungstheorie — in Zweitauflage. Auch Hefte seiner Leipziger Vierteljahrschrift Nachrichten zur Reform von Erziehung und Schulwesen befanden sich darunter. Diese und weitere Reformschriften verschafften ihm im selben Jahr 1771 den Ruf nach Dessau und damit eine Heimstatt zur Verwirklichung seiner Reformgedanken. Basedows Ordnung für das erste Philanthropin wurde im Jahr der Eröffnung von Leipzig aus bekanntgegeben (Das in Dessau errichtete Philanthropinum, 1774). Darin rühmte er die Leipziger Begründer des Neuhumanismus Gesner, Ernesti und Heyne als »Lehrer Germaniens«. Das grundlegende Opus der philanthropistischen Pädagogik, Basedows Elementarwerk, brachte 1785 in »sehr verbesserter« 2. Auflage Crusius heraus. Auch Fibeln, Fachlehrbücher, Hilfsmittel der Lehrerbildung und andere Erläuterungs- und Ergänzungsschriften zum Elementarwerk erschienen in Leipzig, so schon 1776 Basedows Deutsche Grammatik der philanthropinischen Seminare. Basedows Anleitung für die Lehrer des Mittelstandes (Leipzig 1786) wies ihren Autor besonders deutlich als bürgerlichen Reformer aus. In Leipzig hatten Basedows enge Mitarbeiter Wolke und Dohm studiert. Heinrich Wolke, sein Nachfolger, Mitverfasser des Elementarwerks, veröffentlichte in Leipzig fünfzehn Bände (Lehr- und Lesebücher, Schriften zur Erziehungslehre, Lehrerbildung und Körpererziehung). Dohm, der mit Bote die Leipziger Zeitschrift Deutsches Museum herausgab, warb für den Philanthropismus auch als Basedows erster Biograph (in den Nachrichten, Leipzig 1772). Leipzig war Verlagsort sämtlicher drei Nachfolger Basedows in der Leitung des Dessauer Philanthropins: Campe, Wolke und K. G . Neuendorf. Campes gesammelte Erziehungsschriften gelangten 1778 als Leipziger Publikation an die Öffentlichkeit, 42 ebenso 1805 Neuendorfs pädagogische Anthropologie. Campes Mitarbeiter Trapp — der Basedows Elementarwerk überarbeitete, Systematiker und erster Historiker des Philanthropismus — und Stuve (Über die Erziehung, 1779) folgten seiner Wahl Leipzigs als Publikationsort. Auch die Dessauer Philanthropisten Busse, Spazier, Funke und Crome, die wie Campe, Stuve und GutsMuths in Halle studiert hatten, publizierten in Leipzig. Philanthropinprofessor Gottlieb Busse veröffentlichte in Leipzig siebzehn Bände und arbeitete an den Schriften der Leipziger Ökonomischen Sozietät sowie an der Leipziger Literaturzeitung mit. Der Technologe der Philanthropisten Karl Ph. Funke schrieb für den Geschichtsunterricht eine Weltgeschichte der Staatsveränderungen (Reformen und Revolutionen", 2 Leipzig 1803). Karl Spazier (Deckname Karl Pilger) fand in Leipzig einen 55
Verlag für seinen freisinnig-kühnen Anti-Phaedon43 und gab dort eine Zeitschrift heraus. Der Geographielehrer am Dessauer Philanthropin A. F. W. Crome (später als Professor der Kameralistik in Kassel Kollege Dohms, Georg Forsters und des Leipziger Radikalaufklärers Mauvillon), bedeutend als Wirtschafts- und Staatswissenschaftler, Statistiker und Kartograph, veröffentlichte in Leipzig einundzwanzig Bände (bei Göschen, Crusius, Weygand, Fleischer). Crome schuf die erste Wirtschaftskarte Europas. 44 Er sagte 1783 / 84 den Aufstieg der Weltmächte Amerika und Rußland voraus. Im Jahr der völkerrechtlichen Anerkennung der Unabhängigkeit der U S A — als Bahrdt sich in einem Brief an George Washington erbot, das amerikanische Bildungswesen aufzubauen — zeichnete Crome die großen Perspektiven des Nordamerikanischen Freistaats (Leipzig 1783). Magister Karl C. Reiche, Leiter der Dessau-Leipziger Buchhandlung der Gelehrten, publizierte als freier Geist, wie er sich in einem anonymen Leipziger Titel vorstellte, 1774 — 78 in Leipzig acht Schriften zur Erziehungsreform u.a. Gleich anderen Zöglingen der Halle-Leipziger Aufklärung wählte Reiche dann das republikanische Neuland Amerika als Tätigkeitsfeld. Der Kunsthistoriker unter den Dessauer Philanthropisten, der Lipsienser Wilhelm G . Becker, den der Kreis des Goethelehrers Oeser zu seinem Beruf hinführte, veröffentlichte in Leipzig einhundertsiebzehn Bände. Sein Namensvetter Rudolf Z. Becker, der Bauernaufklärer, brachte dort u. a. seine Aufklärung des Landmannes heraus (Leipzig 1785), auch seine Kampfschrift gegen den Raubdruck (Leipzig 1789) und seine preisgekrönte Berliner Akademieschrift gegen Täuschung des Volkes durch die Obrigkeit (Leipzig 1781), wie denn viele Berliner, Petersburger, Stockholmer, Kopenhagener, Londoner, Pariser, italienische u. a. Akademieschriften und Arbeiten dortiger Akademiemitglieder in Leipzig erschienen. Zur Krönung des Philanthropismus wurde das Wirken von Gotthilf Salzmann. 45 Dieser Meisterschüler der Lipsienser Basedow, Bahrdt, Campe und Felix Weiße, der wie R. Z. Becker in Jena studiert hatte, schied gleich Campe und Becker bald aus Dessau, um eigene Wege zu gehen. Salzmann war der einzige unter den maßgeblichen Theoretikern und Schriftstellern des Philanthropismus, dem bleibend wertvolle Leistungen auch als Heimschulpraktiker gelangen. Viele seiner weltweit verbreiteten erziehungs- und sozialreformerischen Werke zeigen Leipzig als >Posaune des Philanthropismusandere BasedowThomasiana< war. Der Leipziger Dozent Wolff, der Schüler der Leibniz, Pfautz, Mencke I, Rechenberg I, Bohn, Pufendorf, Pauli, folgte dem Ruf auf das Ordinariat in Halle. Wolff erging es wie Weigel, Bose, Pufendorf, Leibniz, Thomasius, Α. H. Francke: Das erschwerte Vorwärtskommen, die langen Wartezeiten im überbesetzten Leipzig (»Lipsia vult exspectari«), orthodoxe Anfeindung, verkrustete Scholastik und akademischer Zopf verleideten neuerungsfreudigen, aufstrebenden jungen Talenten diese Stadt. Es war ein Exodus der Uberzähligen, darunter der Tüchtigsten und vieler Begabungen, der Leipzig um die Aussicht brachte, alleinige Metropole der deutschen Aufklärung zu werden. Halles Schulhäupter in der Gründungs- und ersten Blütezeit seiner Universität: das ungleiche Triumvirat Thomasius, August Hermann Francke 74 und Wolff, haben sämtlich zuvor unter großem Zulauf in Leipzig gewirkt. Das hallesche Siebengestirn der Neuerer Thomasius, Francke, Wolff, Hoffmann, Stahl, Heineccius und Gundling bestand aus fünf Lipsiensern — auch Heineccius und Gundling hatten in Leipzig studiert — und zwei Lipsienserschülern aus Jena. Diese, Hoffmann und Stahl, zwei der größten Ärzte Europas zu ihrer Zeit — Stahl zugleich der bedeutendste Chemiker —, waren Schüler Wedels und Weigels, standen zudem unter dem Einfluß von Bohn, Ettmüller, Leibniz, Bose. Die Schüler in Halle überholten ihre Lehrer. Durch Rückwirkungen aus Halle auf Leipzig, wie die Thomasianer und Wolffianer auf dem Leipziger Rektorstuhl zeigen, hauptsächlich aber durch Zusammenwirken thomasianischer, wolffianischer, gottschedianischer u. a. Aufklärer beider Städte, das der »Zedier« vor Augen führt, entstand die Halle-Leipziger Aufklärung. Beim Aufbau und Aufstieg der Universität Göttingen ab 1734 wiederholte sich der Auszug aus Leipzig. Abermals bewirkte der Kräftebedarf einer 68
neuen Bildungsstätte Berufungen und Abgänge aus der mit Akademikern überfüllten Messestadt. Ein Schüler von Thomasius und Gundling, Gerlach v. Münchhausen, in Jena und hauptsächlich in Halle ausgebildet, aus kursächsischen in hannoversche Dienste übergewechselt, hat die Universität Göttingen geschaffen und sie als Kurator geleitet. Münchhausens großzügige Berufungspolitik — unter Konzentration auf mitteldeutsche Aufklärer — und die von ihm gewährte relative Lehrfreiheit ermöglichten Göttingens Aufblühen, das dem Halles ähnelte. Wegbereiter der Universität Göttingen war ihr erster Professor und erster Doktorvater C. A . Heumann, ein eigenständiger Thomasianer, Zögling der Jena-Halle-Leipziger Aufklärung. Der Begründer der Göttinger Aufklärung hat als Rektor des dortigen Gymnasiums dieses zu einer Art Voruniversität entwickelt. Das gab den Ausschlag, die geplante hannoversche Universität nach Göttingen zu legen: Aus Heumanns höherer erwuchs Göttingens Hohe Schule. Der Initiator der Göttinger Aufklärung verarbeitete Zeitschriften, Nachschlagewerke und sonstige Schriften der Leipziger Aufklärung. Zu Heumanns Hauptautoritäten zählten neben Thomasius und dessen Paladin Gundling die Aufklärungsgelehrten in und aus Leipzig B. Mencke, A . Fabricius, J. Hübner I, G . Olearius II, Wolff. 7 5 Nächst Wolff und B. Mencke war Heumann der eifrigste Mitarbeiter der Acta Eruditorum (an 400 Beiträge). 76 Aus Leipziger Dozenten, Extraordinarien und Schulrektoren wurden Göttinger Ordinarien. Schon der erste von auswärts berufene Göttinger Universitätsprofessor kam aus Leipzig: Matthias Gesner, der den Neuhumanismus nach Göttingen verpflanzte und eine bestimmende Gelehrtenpersönlichkeit des jungen Aufklärungsvorwerks wurde. Die früheste Disputation an der neuen Universität hielt ihr erster Geschichtsprofessor, der Magister und Assessor der Universität Leipzig Gottlieb S. Treuer (zuvor in Wolfenbüttel), ihr Pionierprofessor neben Heumann und Gesner in den schwierigen Anfangsjahren. Friedrich Karl v. Moser rühmte Treuer als ersten (?) deutschen Universitätsprofessor, der mutig seine Stimme gegen Fürstenwillkür erhob. 77 Auf die drei Primärprofessoren folgte eine Galerie von Lipsiensern: die Namensvettern C. W. Büttner und D. S. A . Büttner II, A. Dieze, P. J. Förtsch, Κ. H. Geißler, C. G. Heyne, A. G . Kästner, C. A . Klotz, B. Koppe, C. Kortholt II, der bald scheidende Gottfried Mascov, »einer der größten Rechtsgelehrten seiner Zeit« (Bruder des Historikers Jakob Mascov), 78 A . L. F. Meister, C. G . Riccius, G . Gottlob Richter, F. Schleusner, H. C. v. Senkenberg, W. Β. A. v. Steinwehr. Gesner, Heyne, Kästner und Steinwehr nahmen führende Stellungen in Göttingens Geistesleben ein. 68 der 84 Göttinger Universitätsprofessoren bis 1765 kamen aus der Mitteldeutschen Aufklärung (81 % , also 4/5). 51 wurden direkt von mitteldeutschen Hochschulen her berufen: je 17 aus Leipzig und Halle, 9 aus 69
Jena, 5 aus Wittenberg, 3 aus Erfurt (mithin je 1/3 aus Leipzig, Halle und Jena/Wittenberg/Erfurt). Hinzu kamen so ideenreiche Göttinger Dozenten wir die Zöglinge der Halle-Leipziger Aufklärung G . A . Bürger und H. G . Justi. Fünf Wolffianer unter den Trägern der Göttinger Aufklärung waren: Pütter, ihr maßgeblicher Staatsrechtler, der auch die aufgeklärte Geschichte der Universität schrieb; 79 Heinrich Feder, der vielgelesene Philosoph und Begründer einer psychologischen Typenlehre; der Geo- und Kosmograph Michael Franz, der an der Verbesserung der Weltbeschreibungs-Wissenschaft arbeitete; der Naturwissenschaftler Polykarp Erxleben, Autor mehrfach aufgelegter Lehrbücher; schließlich, ursprünglich, der dann eigene Wege gehende Schlözer, der süddeutsche Aufklärer mitteldeutscher Prägung in Norddeutschland, diese Hauptfigur der Göttinger Aufklärung. Seit Schlözers Kindheit waren, durch Lektüre und Studium, Halle-Leipziger Aufklärer für sein geistiges Werden bestimmend: zuerst Hübner, dann Wolff, später Michaelis, Gesner, Leibniz, Pufendorf, Thomasius, Heyne. 80 Unter ihrem Einfluß wie auch unter westeuropäischem (schottischem, französischem) reifte er zum Begründer kritischer Geschichtswissenschaft, als der er mit dem Leipziger Adelung am Beginn der liberal-demokratischen Strömung in der deutschen Geschichtsschreibung steht. Auch als wirksamster bürgerlicher Publizist, als Anwalt Unterdrückter und Entrechteter, als unerschrockener Ankläger von Fürsten und anderen Obrigkeiten ging Schlözer über seine Halle-Leipziger Lehrmeister und noch über Treuer hinaus. Seine Geschichte Leipzigs blieb unvollendet. Von Leipzig aus, durch den Rousseauaner Professor Erhard, wurde Schlözer für Bahrdts Deutsche Union geworben, der auch die Göttinger Professoren Baldinger, Blumenbach, G . Eichhorn, Lichtenberg (?) und Selchow angehörten. Das Hauptorgan der Göttinger Aufklärung, die Göttingischen Gelehrten Anzeigen, gründete 1739 der aus Leipzig berufene Gottschedintimus Steinwehr nach dem Muster der Leipziger Neuen Zeitungen von Gelehrten Sachen (sie hießen anfänglich Göttingische Zeitungen von Gelehrten Sachen). In der Göttinger Deutschen Gesellschaft und der Göttinger Sozietät (später Akademie) der Wissenschaften, diesen beiden Sammelbecken und organisatorischen Klammern der Aufklärer Göttingens, gaben Leipziger Aufklärer den Ton an. Die gottschedianische Deutsche Gesellschaft, die der Leipziger Muttergesellschaft nachgebildet, zudem von Gottsched betreut wurde, leiteten Gesner, Kästner und Steinwehr. Die Pflege des deutschen Stils, eines guten »Geschmacks«, der »schönen Wissenschaften« lag damit in der Hand von Leipzigern. Der vom Leipziger außerordentlichen zum Göttinger ordentlichen Professor avancierte Professorsohn aus Leipzig Kästner, bekannt als Mathematiker, Wissenschaftshistoriker und scharfzüngiger Epigrammatiker, Lehrer von Lichtenberg und Gauß, fungierte auch als Kontaktperson der Göttinger Sozietät der Wissenschaften, als ihr >Außenmini-
70
sterdeutschen Griechen< von Halle-Leipziger Gelehrten: Seine Lehrer darin waren die Altertumskenner der Leipziger Aufklärung Ernesti, Gesner, Christ, Heyne, Hermann, Christs Schüler Winckelmann, Heynes Schüler Friedrich A. Wolf. Besonders stark wirkte Heyne auf Goethe wie auch auf Lessing. Zu Hermann in Leipzig hielt Goethe enge Verbindung. Die in Hermann gipfelnde Leipziger kritische Altphilologie, mit ihrer Verzweigung nach Göttingen und Halle, bot dem Klassizismus Lessings und der Weimarer wissenschaftliche Grundlagen. Vor allem fußte der Weimarer Klassizismus auf dem Leipziger Neuhumanismus, den sich Herder, Goethe wie auch die Schwaben Schiller und Wieland aneigneten.
72
Für Schiller waren Poetik, Ästhetik, Sprachlehre, Philosophie, Historik, Medizin und Psychologie der Halle-Jena-Leipziger Aufklärung bedeutsam, dazu seine Leipziger Residenz Gohlis, seine Leipziger Bekannten und Verleger. 84 Schillers Freund und Förderer Gottfried Körner, sein Berater bei seinen Werken, der dann sein Herausgeber und Biograph wurde, war Sohn eines Leipziger Professors sowie Magister, Dr. jur. und Habilitant der Universität Leipzig. Körners erste Schiller-Gesamtausgabe wie auch die vorausgegangenen ersten Wieland- und Goethe-Gesamtausgaben bei Göschen in Leipzig sind Marksteine der Wirkungsgeschichte der Weimarer Klassik. Uberhaupt waren die regen Leipziger Lessing- und Klassikerverleger wichtige Faktoren in der Rezeptionsgeschichte der vorklassischen und klassischen deutschen Literatur. Leipzigs größter Verleger Ph. E. Reich, der »Buchhändler der Nation« — der den Vorläufer des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler ins Leben rief, den frühesten gemeindeutschen Berufsverband — bahnte dem »Dichter der Nation« Wieland den Weg an die Öffentlichkeit. Wieland schmeichelte seinem Verleger Reich als dem »Pflegvater der Kinder meines Geistes«. 8s Mit Hilfe Reichs wurde Wieland, der die Leipziger Sprachverfeinerung sorgfältig befolgte, der meistgelesene deutsche Klassiker. Auch für die klassische deutsche Philosophie war die Halle-Jena-Leipziger Aufklärung sehr relevant, zunächst für Kant, frühe Kantianer und Fichte. Neben den erwähnten Denkanstößen für Kant durch Wolff, Leibniz, die Wolffianer A. G. Baumgarten und G. F. Meier sowie vom Leipziger Empiristen C. A. Crusius steht die geistige Formung Fichtes an seinem Studienort Leipzig und durch Halle-Jena-Leipziger Aufklärer. Kants Amtsnachfolger Traugott Krug, der Systematiker und Terminologe des Kantianismus, prägte z.B. den Begriff Erkenntnistheorie. Als Professor und Rektor der Universität Leipzig war Krug Rufer im Streit für nationale und soziale Befreiung, ein Wortführer von Frühliberalismus und Philhellenismus. 86 Die Philhellenen und Universitätsreformer Krug, Hermann, H. G. Tzschirner, Repräsentant des »ethisch-kritischen Rationalismus« in der Theologie, der Altphilologe und Polyhistor C. D. Beck, der Kenner des französischen Revolutionsrechts C. D. Erhard — sie und weitere demonstrierten, wie Seume in der Literatur, die Kraft der Leipziger Spätaufklärung. So erstreckte sich Leipzigs Wirksamkeit in der vorderen Linie des Aufklärertums auf die gesamte Aufklärungsära, was in vielem Primat oder Priorität bedeutete. Eckpfeiler im mitteldeutschen Führungsdreieck LeipzigJena-Halle, dieser drei Leituniversitäten der Aufklärung für weite Teile Europas, blieb Leipzig während aller Perioden. Es war der ältere Hauptherd der deutschen Aufklärung, von dem die beiden jüngeren, Jena und Halle, manches empfingen. Als einzige unter den örtlichen Varietäten der Aufklärung außerhalb Westeuropas hat die Leipziger in sämtlichen Phasen 73
eine Wegweiser-, Leit- und Mittlerfunktion ausgeübt. Damit wahrte Leipzig »durchgängig eine führende Position unter den deutschen Universitäten«, 87 wie in Vor-, Primär- (Ur-), Früh- und mittlerer oder Hochaufklärung, so auch noch in Spät- und Nachaufklärung. Mochte es zeitweilig von seinen >Filiationen< Jena, Halle, Göttingen oder Berlin überholt werden, so war es doch für die Epoche als Ganzes die stärkste Aufklärungsbastion nach Paris und London. Gebürtige Leipziger und Zöglinge Leipzigs traten sowohl als Häupter der Jenaer Primäraufklärung wie als Protagonisten der halleschen Hochaufklärung hervor. Sie stellten einen großen Teil der Göttinger, Hamburger, Berliner, deutschen Aufklärer. Leipzig teilte sich mit Jena in die Führung der mitteleuropäischen Primär- und Frühaufklärung (Jena-Leipziger Frühaufklärung), mit Halle in die der mitteleuropäischen Hochaufklärung {Halle-Leipziger Aufklärung), mit Göttingen, Halle, Jena und Berlin in die der verbreiterten deutschen Spätaufklärung. »Aus Mangel einer Hauptstadt wie Paris und London« unterblieb eine stärkere Zentralisierung des deutschen Geisteslebens (Göschen, 1793). Von allgemeingeschichtlicher Tragweite waren die Anstöße der Mitteldeutschen Aufklärung zu Reformen in Deutschland und Europa. Von Stockholm bis Lissabon und von Petersburg bis Paris wurden Reformideen aus Leipzig, Halle, Jena, Dessau, Weimar, Gotha, Dresden, Erfurt rezipiert, so bei Schul-, Universitäts-, Akademie- sowie sonstigen Bildungs- und Erziehungsreformen, auch bei Justiz-, Verwaltungs-, Gewerbe-, Medizinal-, Städte- und Agrarreformen. Zwei Wirkungsweisen zeichnen sich dabei ab: ι . unmittelbare Herbeiführung, Initiierung oder Anregung von Reformen; 2. mittelbare Inspirierung, meist mit naturrechtlicher oder kameralistischer Argumentation. Der Aufgeklärte Absolutismus entnahm Werken von Halle-Leipziger Aufklärern sowohl Antriebe wie Rechtfertigungen für seine Teilreformen und Reformansätze oder -versuche. Früchte waren z.B. die gesetzliche Abschaffung von Folter und Hexenprozessen in einer Reihe von Staaten sowie weitere Ansätze zur Humanisierung des Strafrechts. Zwei praxisnahe Bereiche der Halle-Leipziger Aufklärung: ihre Naturrechtslehre und ihre Kameralistik, fanden so in Reformbewegung und -gesetzgebung der europäischen Staatenwelt einen weiten Wirkungsraum. Die Kameralistik — als deutscher Merkantilismus — wurde an der Lipsiensis seit 1740 von den Professoren Zincke, Gutschmid und Schreber vertreten, ab 1764 mit eigenem Lehrstuhl für »Ökonomie und Kameralwissenschaften«. Heinrich Zincke baute seinen Grundriß der Kameralwissenschaften (2 Bde., Leipzig 1742/43) zu seinen Anfangsgründen der Kameralwissenschaft aus (4 Bde., Leipzig 1755). Auch während seiner anschließenden Tätigkeit als Professor der Kameralistik an der Universität Helmstedt und Kurator des Braunschweiger Carolinum88 — Zincke war einer der zahlreichen Halle-Leipziger Aufklärer im progressiven Braunschweig-Wolfenbüttel — publizierte er weiterhin in Leipzig. Wege zum Aufstieg des Bürger74
turns wies er im Anschluß an Becher in Ursachen der Auf- und Abnahme der Städte (Leipzig 1754/59). Zincke geißelte Rücksichts- und Erbarmungslosigkeit Adliger gegenüber »Elend und Armut« der Unterschichten 8 ' und schrieb eigens für diese seine Wirtschaftskunst der Armen und Dürftigen (Leipzig 1759). Als Lexikograph aufklärerischer Ökonomik (·Ökonomisches Lexikon, Leipzig 1742, 2. Aufl. 1745, '1780, 6 in 2 Bdn. 1800, 7 1820; Manufaktur- und Handwerkslexikon, nur Bd. A — F, Leipzig 1745; Neubearbeiter des Natur- und Handlungslexikons [Hübner II]) ist Zincke der Hauptökonom unter den Leipziger Lexikonautoren, zugleich Vorgänger des Enzyklopädisten der Kameralistik Krünitz, der am Leipziger Periodikum Ökonomisch-physikalische Abhandlungen mitwirkte. Eine kameralistische Zeitschrift mit Fernwirkung waren Zinckes Leipziger Sammlungen von wirtschaftlichen Sachen (192 Hefte in 16 Bdn. Leipzig 1 7 4 2 — 67). Zum publizistischen Höhepunkt der Kameralistik wurde Heinrich Gottlob Justi,90 ihr produktivster Autor, der »Systematiker und Vollender des Kameralismus«. Der im Sächsischen westlich Halle gebürtige Erzkameralist studierte an beiden Universitäten Kursachsens. In Leipzig verbrachte er zwei Abschnitte seines stürmischen Lebens (1745 — 47, 1754/55). Der mit fünfzig Jahren Verstorbene veröffentlichte siebenundfünfzig Bände in Leipzig. Justis Staats- und Gesellschaftsdenken fußt auf Pufendorf und Wolff. Als Exponent der Leipziger Aufklärung zeigt er sich auch bei seinem Eintreten für Gute deutsche Schreibart (Leipzig 1758; 2. Aufl. 1769) und als Herausgeber wie Hauptverfasser der Monatsschrift Ergötzungen der vernünftigen Gelahrsamkeit (6 Bde., Leipzig 1745—49). Blühende [...] Wissenschaften sieht er als Mittel an, »einen Staat mächtig und glücklich zu machen« (1750). Maximen für eine Gute Regierung arbeitet Justis Regentenspiegel heraus (5 Bde., Leipzig 1759). Justi verkündet Neue Wahrheiten des gesellschaftlichen Lebens (10 Hefte, Leipzig 1754 — 60). Reformen nach seinen Grundsätzen, verheißt er, bewirken Glückseligkeit der Staaten (2 Bde., Leipzig 1760/61). Dem aufklärerischen Ideal des Wohlfahrtsstaats gemäß lehrt Justi: Endzweck der bürgerlichen Gesellschaften ist die Wohlfahrt der Völker (Leipzig 1762). Justi stand in sächsischen, österreichischen, preußischen und hannoverschen Diensten (Dozent der Universität Göttingen). Seine Reformvorschläge wurden auch in Rußland aufgegriffen. Den stärksten Widerhall fanden Leipziger Kameralisten, Naturrechtler und Philanthropen in Kursachsen selbst. Die kursächsische Staatsreform ab 1762 bot ihnen Gelegenheit, ihre Lehren zu erproben. Sie ließ den Leipziger Wirtschaftstheoretiker Professor Gutschmid zu einem maßgeblichen Reformpraktiker werden. Gottfried Schreber, seit 1764 erster Inhaber des Leipziger Lehrstuhls der »Ökonomie und Kameralwissenschaften«, setzte sich mit Erfolg für die Förderung der Landwirtschaft und für die Einrichtung einer Ökonomischen Sozietät in Leipzig ein (gegründet 1764). Die 75
Ökonomische Sozietät überragte die meisten gelehrten Gesellschaften Leipzigs durch die beachtliche Zahl ihrer Mitglieder und Schriften. Ihre Tätigkeit erstreckte sich auf ganz Kursachsen. Sie war das Muster ähnlicher Gründungen mit wirtschaftlichen Reformbestrebungen in anderen Gebieten. Der humanitäre Leipziger Naturrechtler Karl F. Hommel, der Freiheits- und Gleichheitsforderungen erhob, erreichte 1770 die rechtliche Abschaffung von Inquisitionsverfahren und Tortur in Kursachsen. 91 Ernestis Schulordnung für Sachsen (1773) führte neuhumanistischen Unterricht ein. Auch reformfreudige Kleinstaaten in Kursachsens Nachbarschaft, wie Anhalt-Dessau, Sachsen-Gotha, Sachsen-Weimar, Braunschweig-Wolfenhüttel, nutzten Gedankengut der mitteldeutschen Aufklärung. Der Lipsienser Friedrich Thiersch, als »Praeceptor Bavariae« gepriesen, reformierte Bayerns Schulen. Für Reformen sehr aufgeschlossen war der dänische Gesamtstaat, mit Schleswig-Holstein. Seine drei deutschen Reformer kamen aus der Schule der Halle-Leipziger Aufklärung: neben dem radikalaufklärerischen Hallenser Struensee auch Hartwig Bernstorff und sein Neffe Andreas mit ihren bleibenden Reformen. Beide Bernstorff haben in Göttingen (bei Pütter u. a.) und Kursachsen — Klopstockmäzen Hartwig in Dresden, Andreas in Leipzig (bei Geliert) — manches aufgenommen, A. Bernstorff, unter dem Dänemark auf dem Wege zur Bauernbefreiung und mit dem Verbot des Sklavenhandels voranging, auch von dem Vorkämpfer der Bauern- und Sklavenbefreiung Schlözer. Reformer und Reformparteien in Kurland, Polen, Schweden, den Niederlanden, in Portugal, Spanien und italienischen Staaten (besonders in der habsburgischen Toskana und Lombardei) waren ebenfalls mit Lehren mitteldeutscher Naturrechtler, Philanthropen, Kameralisten und Eudämonisten bekannt. Alle fünf Großmächte verwerteten in ihrer Reformgesetzgebung Vorschläge und Vorstellungen Halle-Leipziger Ursprungs. Preußen bezog sie direkt aus Halle und Leipzig, Osterreich über Prag aus Leipzig und Halle, Rußland aus Leipzig und über Leipzig aus Halle (z.T. über Berlin), Frankreich aus französischen Übersetzungen und Popularisierungen sowie durch Vermittlung von Deutschen in Paris (Melchior Grimm) und Elsässern, Großbritannien via Göttingen-Hannover und von Deutschen in London. Der reformierende Absolutismus der Ostmächte unter Friedrich II., Joseph II. und Katharina II. tat es darin den Westmächten zuvor. Hohenzollern- und Habsburgermonarchie machten sich auch die Leipziger Sprachreform, mit Einführung der deutschen Wissenschaftssprache, zu eigen. A m intensivsten unter den Mächten übernahm Preußen Halle-Leipziger Reformimpulse. Mitten im Siebenjährigen Krieg führte sein König in Leipzig viele Stunden Unterredungen mit Gottsched, den er als den »sächsischen Schwan« besang, mit Geliert, von dem er sehr angetan war, wie auch mit Ernesti, Reiske und Rabener. Bei aller Vorliebe für französische und Schweizer Aufklärer, für Locke und Hume orientierte sich »Friedrich der
76
Einzige« als pragmatischer Staatsmann mehr auf die Halle-Leipziger Aufklärung. Gemäß dem Postulat von Thomasius schaffte er die Folter ab. Friedrich schätzte Thomasius und Wolff außerordentlich hoch. Er wies seine Minister, Beamten, Vertrauten und Pädagogen an, Thomasius zu folgen, auf Universitäten und Schulen nach Wolff lehren zu lassen und das kursächsische Bildungs- und Schulwesen zum Vorbild zu nehmen. Das 1794 verkündete neue preußische Landrecht griff Forderungen und Wünsche von Pufendorf, Thomasius, Wolff, des Wolffianers Darjes u.a. auf. Mit ihm wirkten diese im Bürgerlichen Gesetzbuch fort. Dohm, der philanthropistische Lipsienser im preußischen Dienst, der seinen Freund Georg Forster auf die Analogie von französischer und englischer Revolution aufmerksam machte, faßte 1789/90 wie Außenminister Hertzberg ein Zusammengehen Preußens mit dem revolutionären Frankreich ins Auge. Dohms Einsatz für Judenemanzipation und Toleranz beeindruckte in Frankreich, so daß seine wiederholt aufgelegte Schrift Uber die bürgerliche Verbesserung der Juden, die auch französisch herauskam, einen Niederschlag in dessen Gesetzgebung fand. Dohm reformierte Verfassung und Schulwesen der Stadtrepubliken Aachen und Goslar, des Erfurter Gebiets und des Eichsfelds. Der Demokrat Dohm forderte bereits 1777, nach seinem Studium bei K. Hommel und Geliert, Volkssouveränität und »Menschenrecht«. Die preußischen Reformer Stein und Hardenberg haben in Kursachsen die Leipziger Aufklärung an der Quelle studiert: Stein bei Lipsiensern der Bergakademie Freiberg, Hardenberg wie Dohm an der Universität Leipzig selbst. Alle drei bekamen außerdem in Göttingen Halle-Leipziger Gedankengut vermittelt. Die Stein-Hardenbergschen Reformen erfolgten somit unter der richtunggebenden Leitung zweier Zöglinge der Leipziger Aufklärung. Auch Steins und Hardenbergs Mitarbeiter, darunter W. und A. v. Humboldt, waren mit der Halle-Leipziger Aufklärung vertraut. Der Humboldterzieher G. J . C. Kunth (Student in Leipzig ab 1774) stand während beider Reformphasen an der Spitze der preußischen Gewerbepolitik. Der nationalen Befreiungsbewegung in Preußen drückte Fichte mit seinen Reden an die deutsche Nation den Stempel auf. Der Philosoph von der Universität Leipzig wurde der erste gewählte Rektor der Universität Berlin. Das theresianisch-josephinische Osterreich stand in der Intensität der Rezeption von Gottschedianertum und Wolffianismus Preußen wenig nach. Sein leitender Staatsmann, der einundvierzig Jahre lang die Geschicke des habsburgischen Gesamtstaats lenkte, der aufklärungsfreundliche Staatskanzler Kaunitz, hatte gleich dem aufklärungsfreundlichen preußischen Staatskanzler Hardenberg an der Universität Leipzig studiert. In den deutschsprachigen Teilen der Monarchie fanden Sprachpflegegrundsätze und Stilbildungsregeln Gottscheds und der Gottschedianer starken Anklang, ebenso Rationalismus und Naturrecht Wolffs und der Wolffianer, 77
auch Neuhumanismus und Philanthropismus. Die Oberlausitzer Lipsienser Seibt und A. G. Meißner überbrachten die Gottschedsche und Gellertsche Stil- und Geschmacksreform ins Osterreichische. Von ihren Prager Lehrkanzeln her und direkt aus Leipzig verbreitete sich diese über die böhmisch-österreichischen Territorien und faßte in Wien festen Fuß. Martini machte das Wölfische Naturrecht in der Donaumonarchie heimisch. Gottscheds Empfang bei Maria Theresia zeitigte in den Schul- und Bildungsreformen der von ihr so genannten deutschen Erblande der Habsburger erhebliche Resultate. Auch im unteren Donauraum und in Südosteuropa eignete man sich Halle-Jena-Leipziger Aufklärung an. Neben Siebenbürger Sachsen und Zipser Sachsen, anderen Deutschen Ungarns, der Slowakei, rumänischer Gebiete, des Banats galt dies für Ungarn, Slowaken, Slowenen, Kroaten, Serben, Rumänen, Bulgaren und nicht zuletzt Griechen. Namentlich nationale Erwecker dieser Völker wie auch der Tschechen wandten sich dem mitteldeutschen Bildungsdreieck bzw. -viereck Leipzig-Jena-Halle(-Wittenberg) zu. Der serbische Aufklärer und Unterrichtsminister Obradovic studierte in Leipzig. Der slowenische Erwecker Kopitar hatte den Lipsienser Penzel zum Lehrer. Sein Schüler Karadzic, der serbische Erwecker, besuchte die mitteldeutschen Universitäten. Er war mit Goethe und dem Leipzigabsolventen Ranke befreundet. Breitkopf verlegte Karadzics Serbische Volkslieder. Leipzig, die Feste der altgriechischen Philologie, war auch eine Zufluchts- und Heimstätte des neugriechischen Schrifttums, ein ExilDruckort der Griechen. Der Vielsprachenverlag Breitkopf druckte die Schriften der griechischen Opposition. Der Neuhumanist Thiersch beriet die bayrische Regierung Griechenlands. Thiersch rief in seinem zweibändigen Leipziger Werk La Grèce Europa zur Befreiung Griechenlands auf. In Griechenland wurde nach Christian Wolff gelehrt, so im Epirus und auf dem Athos — wie in Rumänien und Bulgarien, in Rußland und der Ukraine, im Baltikum und in Skandinavien, in Italien und Portugal. Lateinische Kurzfassungen der Wölfischen Lehre kursierten durch ganz Europa. Von Trondheim, Upsala und Turku (Âbo) im äußersten Norden bis zu den Sitzen der portugiesischen und spanischen Aufklärung und Neapel im Süden, bis Istanbul im Südosten reichte der Halle-Jena-Leipziger Wirkungsradius. Neben lateinischen Versionen verschafften französische Übertragungen, Paraphrasen, Popularisierungen, Auszüge, Rezensionen, Biographien, namentlich aus der Feder von Hugenotten in Deutschland, Halle-Leipziger Aufklärungsschriften und -ideen Eingang in Europa. 92 Vor allem der Wölfischen Enzyklopädistik und dem Pufendorfschen Naturrecht wurde so der Weg nach Frankreich, der Westschweiz, Belgien, Italien, Spanien, Portugal, an französisch redende Höfe und zu französisch lesenden Adligen gebahnt. Die französische Hofsprache öffnete, nach Latein und Deutsch, 78
der Halle-Leipziger Aufklärung ein drittes Tor zur Welt. In der französischen Wissenschaft waren neben Paris Dijon und Lyon im Osten, Rouen im Norden und vor allem die Universität Montpellier im Süden Rezipienten dieser Aufklärung. Stark wurden in Frankreich, nächst chemisch-montanistischer Literatur und Stahlianismus, Wolff, Pufendorf, Leibniz, Tschirnhaus, Justi, Dohm rezipiert. Als Vermittler fungierten Leibniz und Tschirnhaus, Homberg, Holbach, Melchior Grimm, Diderot, die Hugenotten Barbeyrac, Formey, Jean Deschamps. Leipziger Gelehrte der Aufklärungszeit wurden Mitglieder französischer Akademien der Wissenschaften — auch russischer, britischer, niederländischer, nordischer, italienischer — so der Chirurg Günz, dem aufsehenerregende Steinoperationen gelangen, bei den Akademien der Wissenschaften Paris und Rouen, der Elektrizitätsforscher Winkler bei der Royal Society. Reformen im vorrevolutionären Frankreich (Turgot; der deutschstämmige Necker, dessen Absetzung die Revolution auslöste) und noch mehr im revolutionären zeigen Anklänge an Wolff, Pufendorf, Dohm, Justi u. a. Noch fruchtbringender gestaltete sich das außerordentlich enge Zusammenwirken Leipzigs mit der Aufklärung in Polen. Dies war dadurch begünstigt, daß dessen Herrscher 1697— 1763 — während der »sächsischen Epoche« Polens — und 1807— 13 Wettiner waren (als Wahlkönige von Polen und Großfürsten von Litauen bzw. Herzog/Großherzog von Warschau). Auch daß die polnische aufklärerische Reformbewegung sich geistig und politisch auf Sachsen orientierte, erweckte Aufnahmebereitschaft für Leipziger Aufklärung. Leipziger Zeitschriften, so Gottscheds Neuestes aus der anmutigen Gelehrsamkeit (1751—62), wurden in Polen sehr aufmerksam verfolgt. Umgekehrt berichteten Leipziger Zeitschriften eingehend über Polens Geistesleben. 93 Viele Polen und Deutsche Polens studierten in Leipzig. Polnische Adlige besuchten häufig die Messe- und Musenstadt; einige ließen sich in Leipzig nieder. Aufgeklärte Absolventen der Universitäten Leipzig und Halle waren als Lehrkräfte, Pfarrer, Zeitschriftenherausgeber, Naturforscher, Juristen, Historiker, Mathematiker in Polen und Litauen tätig, vor allem als Hauslehrer, Professoren, Bibliothekare und Ärzte. Der aufgeklärte Leipziger Dr. med. Heinrich Erndtel, als Leibarzt des ersten gewählten sächsischen Königs von Polen, Augusts des Starken, in Warschau tätig, beschrieb die polnische Hauptstadt wissenschaftlich ( Warsavia, 1730). Eingangspforten für die Halle-Leipziger Aufklärung waren Danzig, Thorn, Warschau, Krakau, daneben Posen, Fraustadt, Elbing, Marienburg in Polen, Wilna in Litauen. Zum Hauptsitz der Aufklärung wurde Danzig, wo Wolff, Gottsched, Thomasius, Gundling und Stahl in hohem Ansehen standen. Im Sozietäts- und Zeitschriftenwesen Danzigs waren Wolff/ Gottsched und Thomasius/Gundling tonangebend. Die Absolventen der Universität Leipzig Adam Kulmus, Georg Kulmus (Vater der Gottschedin, Stahlianer) und Hanov sowie Wolffkorrespondent Breyn, die sämtlich in 79
Leipzig publizierten, waren maßgebliche Danziger Aufklärer. Hanov, Hauptautor der Reihe Schriften der Danziger Naturforschenden Gesellschaft, wurde zum wichtigsten Hüter des Wölfischen Erbes, da er unvollendete Werke Wolffs zu Ende führte oder neugestaltete. Nach Wolffs Tod stellte er zunächst dessen Oeconomica fertig (1755), ließ ihr eine vierbändige Staatslehre folgen [Philosophια civilis seu politica Wolfiana, 1756— 60) und dieser eine vierbändige Naturphilosophie (theoretische Physik, mit Physiologie: Philosophia naturalis seu physica dogmatica Wolfiana, 1761 — 68). In einer Leipziger Schrift von 1765 behandelte Hanov Hauptstreitfragen neueren Denkens (Potiores philosophiae recentioris controversiae). Vier Vertreter der Halle-Leipziger Aufklärung verpflanzten deren Zeitschriftentypen nach Polen: Lengnich, Mitzier, Janocki und Carosi. Ihre Vorbilder waren Periodika der Leipziger Aufklärer Mencke, Krause, Gottsched, Jocher, Klotz, Weiße. Lengnich und Mitzier wurden Historiographen des polnischen Staats, um dessen geschichtliche Erforschung nach aufklärerischen Maßstäben sie sich verdient machten. Gottfried Lengnich, Schüler von Thomasius und Gundling, gründete und redigierte nach HalleLeipziger Modellen seine Polnische Bibliothek (Danzig 1 7 1 8 / 1 9 ) , »Polens erste gelehrte Zeitschrift«. 94 Auf Krauses Leipziger Ausgabe der Historia polonica von Dlugosz aus dem 15. Jahrhundert (2 Bde., 1 7 1 1 / 1 2 ) folgte Lengnichs Historia Polona (Leipzig 1740, wo er auch 1736 und 1763 publizierte). Gottsched, mit dem er korrespondierte, 9 ' nahm eine Rede Lengnichs in seine Redekunst auf. Lengnich vertrat als Thomasianer die naturrechtlich-historische Richtung der Danziger Aufklärung, in der noch stärker eine schöngeistige gottschedianische und eine philosophisch-naturwissenschaftliche wolffianische waren. Fünf Danziger Moralische Zeitschriften zwischen 1735 und 1769, darunter Der Freidenker (1741 —43, 2 1769), richteten sich nach gottschedianischen Vorbildern, so Die mühsame Bemerkerin (1735/36, 2 1 7 3 7 ) nach Gottscheds Vernünftigen Tadlerinnen. Diese Periodika »wollten im Sinne Gottscheds vor allem didaktisch und satirisch wirken«. 96 Wolffianisches Gepräge trugen Naturforschersozietäten Danzigs. Der polnische Mäzen Jablonowski verlegte seine geschichtskundliche Gesellschaft der Wissenschaften aus Danzig nach Leipzig, weil sie dort bessere Arbeits- und Publikationsmöglichkeiten besaß. Der Gesellschaft gehörten auch Leipziger Historiker an. Die Preisschriften der JablonowskiGesellschaft erschienen in Leipzig. An zweiter Stelle unter den frühen Sitzen der Aufklärung in Polen stand Thorn. Die Thorner Gesellschaft der Bestrebenden, die mit Gottsched korrespondierte, nahm sich die Deutsche Gesellschaft in Leipzig zum Muster. Ihr Mitglied Samuel Schulz z.B. studierte 1740 — 43 an der Universität Leipzig (dann Gymnasiallehrer in Thorn). 97 Sein Namensvetter Georg Peter Schultz, 1 7 1 1 —42 Prorektor des Gymnasiums, hielt sich ähnlich wie Lengnich an Pufendorf und Thomasius, später an Wolff. 9 8 80
Vom Wolffianismus her kam Lorenz Mi(t)zler, Magister und Dozent der Universität Leipzig, an der er 1731 — 34 studiert hatte. Mitzier suchte Wolffs mathematische Lehrart (so einer seiner Leipziger Buchtitel) oder Logistik auf Musiktheorie, Theologie, Recht und Medizin anzuwenden (in Leipziger Schriften 1734 — 46). Nach Polen berufen, wirkte Mitzier dort als Mathematiker, Arzt, Autor, Herausgeber, Drucker und Verlagsbuchhändler. Er wurde zum Hauptvertreter der Warschauer Aufklärung. Der Mehrsprachigkeit der Aufklärung in Polen entsprechend schuf und edierte Mitzier je eine deutsche, lateinische und polnische Zeitschrift. Zweiter Erscheinungsort seiner nach Halle-Leipziger Muster gestalteten Zeitschrift Warschauer Bibliothek (4 Bde., 1753 — 55) war Leipzig. Sie informierte durch gründliche Nachrichten von Büchern über die Gelehrsamkeit in Polen (Untertitel) und ist »die erste gelehrte Zeitschrift in Warschau«. 99 Mitzlers lateinische Acta Litteraria hatten ebenfalls Leipzig als zweiten Verlagsort (Varsaviae et Lipsiae 1756—63). Den Krauseschen Leipziger Nova Litteraria und den Klotzschen Acta Litteraria nachgebildet, enthalten sie geschichtliche Aufsätze sowie Besprechungen wissenschaftlicher Neuerscheinungen. Mitzlers dritte, polnische Zeitschrift gab sich zeitgemäß eudämonistisch. Sie hieß zu deutsch >Neue gelehrte und ökonomische Nachrichten oder Magazin aller zur menschlichen Glückseligkeit nötigen Wissenschaft e n (1758 — 61, 1766/67) und war ein für ein breiteres Lesepublikum bestimmtes popularaufklärerisches Periodikum. 100 In den Leipziger Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen entwickelte der polnische Aufklärer J . A . Zaluski, ein Bekannter B. Menckes, sein Programm zur Entfaltung der historisch-philologischen Aufklärungswissenschaft Polens. Der Bibliothekar der Brüder Zaluski, Daniel Janocki101 (eigentlich Jähnisch), ein großer Bücherkenner, hatte mit Klopstock in Pforta und Leipzig studiert. Janockis Lexikon der Gelehrten in Polen (1755), seine Leipziger lateinischen Publikationen Litterae in Polonia (1744) und Poloniae auctores (2 Bde., 1776/79) unterrichten über die Wissenschaften in Polen. Als Dritter rief er eine wissenschaftliche Zeitschrift ins Leben. Sein kurzlebiger Polnischer Büchersaal (1756), über Gelehrte in Polen (Untertitel), mit geschichtlichen Beiträgen, Buchanzeigen und wissenschaftlichen Nachrichten, ist den beiden Leipziger Büchersälen nachgebildet: Krauses Neuem Büchersaal der Gelehrten Welt und Gottscheds Neuem Büchersaal der Schönen Wissenschaften.102 Wie Lengnich in Danzig, Mitzier in Warschau, andere in Thorn und Marienburg, brachten die Lipsienser Ph. Garosi und A. J. Penzel in Krakau aufklärerisches Schrifttum in Gang. Carosi gründete eine ephemere gelehrte Polnische Gesellschaft. Penzel arbeitete als Universitätsbibliothekar und -drucker an Kollatajs Universitätsreform mit. Carosi und Penzel forderten einschneidende Reformen (Handels- und Gewerbefreiheit, Hebung des Bürger- und Bauernstands). Beide veröffentlichten auch während ihrer pol81
nischen Zeit in Leipzig, so Carosi seine Mineralogie Polens bei Breitkopf und Penzel die durch Zensurlücken der Erstausgabe ergänzte zweite Auflage seiner Krakauer Historik bei Schwickert (De arte histórica, 1784). 103 Als Mittler zwischen Polen, Deutschland und Frankreich fungierte der Leipziger Sprachmeister für Polnisch Trotz mit seinem polnisch-deutschfranzösischen Lexikon (3 Bde., Leipzig 1764/65). Ein noch weit wirksamerer Vermittler in deutscher und polnischer Sprache war der Warschauer Verleger Groll (aus Dresden), Hofbuchhändler und -drucker. Groll popularisierte Leipziger Aufklärung in Polen, indem er Lessing, Geliert, Gottsched polnisch herausbrachte. Er hatte Niederlassungen in Dresden und Leipzig, dem zweiten Erscheinungsort seiner Verlagstitel. Groll rief auch die zweite Polnische Bibliothek ins Leben (9 Hefte, 1787/88). Diese redigierte der Absolvent der Universität Leipzig Gottlieb Steiner (aus Thorn), Professor der Geschichte in Warschau. 104 Steiner bestimmte das Profil der Zeitschrift (Rechtsgeschichte, Literatur, Staats- und Wirtschaftskunde). Am Ausgang der Aufklärung schließlich führte Heyneschüler Gottfried E. Groddeck, Professor in Wilna, seinen Studenten Lelewel, den bedeutenden polnischen Historiker, zur Schlözerschen Quellenkritik hin. Auch den ebenfalls außergewöhnlich lebhaften Verbindungen der Leipziger Aufklärung zu Rußland sind politische Umstände förderlich gewesen. Rußland und Sachsen waren fast ständig Verbündete. Zudem wickelte sich Rußlands Verkehr mit dem Ausland großenteils über Leipzig ab, angesichts des anhaltenden Gegensatzes zum Osmanenreich auch der mit dem südlichen Europa. 1 0 5 In Türkenkriegen Rußlands diente Leipzig als russische Etappe (für die Seekriegführung im Mittelmeer und für Diversionen in Südosteuropa). Den Aufenthalt in Leipzig nutzten russische Offiziere zu Studien (wie preußische im Siebenjährigen Krieg). 106 Drei Reformperioden erlebte das Russische Reich im Zeichen der Aufklärung: die petrinische, die katharineische und die in den ersten Regierungsjahren Alexanders I. Jedesmal wurden Anregungen aus Halle/Leipzig verwertet. Für die Reformen unter Peter I. und nach ihm waren Leibniz, Wolff, Pufendorf, Hübner, Francke, Burkhard Mencke Autoritäten, auch der in Leipzig publizierende Halle-Jenaer >Halbaufklärer< Budde. 1 0 7 Peter hielt große Stücke auf seine wissenschaftlichen Berater Leibniz und Wolff. Die Reformen Katharinas II. stützten sich auf Wolff, Pufendorf und Thomasius, die der anhaltischen Prinzessin früh nahegebracht worden waren. So sehr die Zarin mit der Französischen Aufklärung kokettierte, bei ihren Reformen folgte sie mehr der Halle-Leipziger Naturrechtslehre und Kameralistik (Justi, 108 Zincke). Reformzar und Reformzarin hatten gemeinsam, daß sie sich bei ihren Neuerungen von der Aufklärung, gerade auch von der Halle-Leipziger, anregen ließen. Ein Kernstück der petrinischen Reformen war die Errichtung der Petersburger Akademie der Wissenschaften. Diese wissenschaftliche Leitinstitu82
tion des Russischen Reichs wurde unter beratender Mitwirkung der Leipziger Aufklärer Leibniz, Wolff und Burkhard Mencke aufgebaut. Wolff und Mencke empfahlen und vermittelten die meisten hervorragenden Akademieprofessoren der Gründungszeit. Wolff war zum Vizepräsidenten der Petersburger Akademie ausersehen und wurde, als er den Ruf ausschlug, ihr erstes Ehrenmitglied, mit einflußreicher Beraterfunktion. 109 Exponenten der Halle-Leipziger Aufklärung und ihr Nahestehende sind unter den frühen Mitgliedern und Mitarbeitern dieser zentralen Forschungs- und Lehrakademie zahlreich vertreten. Die ersten Petersburger Akademieprofessoren waren in ihrer Mehrzahl Lipsienser und Wolffianer. Die Liste der Akademiemitglieder im Eröffnungsjahr 1725 führen der Leibnizianer Jakob Hermann und Christian Martini (Student in Leipzig ab 1 7 2 1 ) an. Beide wurden auf Empfehlung Wolffs berufen. Der dritte Petersburger Akademieprofessor, Peter Kohl (Student in Leipzig 1724/25), erhielt den Ruf nach Petersburg auf Anraten B. Menckes. Im gleichen Jahr 1725 traf durch Vermittlung Wolffs dessen Lieblingsschüler Bülfinger ein, der C. F. Groß mitbrachte. Ebenfalls noch 1725 kamen drei Lipsienser, die führende Professoren der Akademie wurden: der Student der Universität Leipzig und Leibnizkorrespondent Christian Goldbach, der Bakkalaureus dieser Hohen Schule Gerhard Friedrich Müller (auch er von Mencke vermittelt) und ihr Magister Siegfried Bayer. Das waren, Wolff mitgerechnet, zwölf der siebzehn Gründungsmitglieder. Sie ermöglichten in den Jahren nach Peters Tod einen wissenschaftlich verheißungsvollen Start, nach dem Petersburg bald in die vordere Reihe der europäischen Akademien rückte. Der Pufendorfianer Groß, auch Anhänger von Leibniz, Wolff und Mencke, trug in Petersburg Pufendorfs Naturrecht und Sozialethik vor. Groß empfahl dort Menckes geistvolle Satire auf die Gelehrten. 110 Als Freund von Prokopovic, dem Haupt der russischen Frühaufklärung, als Erzieher des rumänisch-russischen Aufklärers Antioch Kantemir und als Hauslehrer beim langjährigen russischen Außenminister und Vizekanzler Ostermann (von der Universität Jena), der eine Zeitlang die Akademie leitete, übte Groß Einfluß in Petersburger intellektuellen und Regierungskreisen aus. Er war auch erster Redakteur der Petersburger Akademiezeitung (1727). Groß setzte sich für den Druck von Fontenelles Kosmologie Pluralité des mondes ein, die sein Zögling ins Russische übertrug. Die 1730 fertiggestellte Übersetzung erschien 1740 im Petersburger Akademieverl a g . 1 " Zu dieser Ubersetzung und zu dem gewagten Druck kam Ansporn aus Leipzig. Fontenelle hatte 1686, auf dem mitteldeutschen Astronomen A. Kircher fußend, den neuen Stand kosmischer Erkenntnis in gemeinverständliche Dialogform gebracht. Der Tschirnhauskreis betrieb seit 1692 den Druck dieser Vielwelten-Kosmologie in Deutsch. Tschirnhaus' Leipziger Verleger Fritsch brachte 1698 eine deutsche Fassung heraus. 112 1726 veranstaltete Gottsched eine weitere Leipziger deutsche Ausgabe. 1 1 3 Nach der
83
dritten Leipziger Auflage der Gottschedversion war der Weg frei für die Petersburger Edition. Als potenzierter Heliozentrismus versetzte der russische wie der deutsche Fontenelle dem Geozentrismus einen schweren Schlag. Kantemirs Geschichtslehrer Bayer — der Althistoriker, Mediävist, Orientalist, Sinologe (sein Museum Sinicum) und Mittelasienhistoriker (seine Geschichte des Hellenobaktrischen Reichs) — und der Rußlandhistoriker, Geograph, Sibirienforscher G. F. Müller (seine Sammlung russischer Geschichte) waren zwei der bedeutendsten Historiker Osteuropas und Asiens. Bayers Ansprache zur Eröffnung der Akademie fand wie Lengnich Aufnahme in Gottscheds Redekunst. Müller veröffentlichte von Petersburg aus in der Sammlung der Gottschedschen Gesellschaft der freien Künste über die altrussische Geschichtsquelle Nestor und in Gottscheds Neuestem 1756 Uber den Ursprung der Kosaken. 1735 folgten die Gottschedianer Lotter und Stählin dem Ruf nach Petersburg. Der begabte Georg Lotter, Dozent der Universität Leipzig, Mitherausgeber von Gottscheds Kritischen Beiträgen, Mitverfasser der Schriften der Deutschen Gesellschaft zu Leipzig, Mitarbeiter an den Menckeschen Acta Eruditorum, an Jöchers Deutschen Acta Eruditorum, Herausgeber von Krauses Gelehrten Zeitungen als dessen Nachfolger und Autor weiterer Leipziger Publikationen, wurde in Petersburg Professor für Altertumskunde, starb aber mit vierundzwanzig Jahren. Stählin hingegen war fünfzig Jahre an der Petersburger Akademie tätig und wurde eine Schlüsselfigur des Petersburger Kulturlebens. Der Tischgast Gottscheds ist auch Mitglied von dessen Deutscher Gesellschaft gewesen. Das Illuminierte Leipzig (1734) war sein frühes Werk. Stählin blieb zeitlebens ein Leipziger Schöngeist. In Petersburg las er über Naturrecht, verfaßte Lehrbücher, setzte die von Groß begonnene akademische Petersburger Zeitung fort. 1 1 4 Ein halbes Jahrhundert nach seinem Weggang aus Leipzig, in seinem Todesjahr, veröffentlichte er bei Breitkopf Originalanekdoten von Peter dem Großen (1785). 1 1 5 Aus Leipzig kam 1740 auch der Professor für Altertümer und Wissenschaftsgeschichte an der Petersburger Akademieuniversität Christian Crusius, ein Mascovschüler und Mitarbeiter der Acta Eruditorum. Nach Petersburg zog ihn ein dortiger Akademieprofessor aus Leipzig, Friedrich Wilhelm Juncker. Der Polyhistor Juncker, der u. a. Halograph war, leitet zu den Leipziger Natur- und Technikwissenschaftlern in Petersburg über. Zu ihnen gehörten der Astronom und Physiker Heinsius, der Chemiker C. E. Geliert, der Botaniker Christian Hebenstreit (Neffe von Ernst H., Vetter von Gottlieb H.), der Technologe Ernst Zeiher, wie Müller, Stählin und der russische Dichter Sumarokov Ehrenmitglied von Gottscheds Gesellschaft der Freien Künste. Beträchtlichen Anteil hatten Aufklärer mitteldeutscher, insbesondere 84
Leipziger Schule an der Petersburger Akademieleitung. Von den frühen Akademiepräsidenten kam Blumentrost (1725 — 33) aus Halle (Schüler F. Hoffmanns und Wolffs), Korff (1734 — 40) — der Lomonosovs Ausbildung bei Henckel in Freiberg und bei Wolff veranlaßte — aus Jena. Akademiechef Vladimir Orlov (Hauptdirektor 1766—74) hatte in Leipzig studiert. Als Sekretare und damit wissenschaftliche Leiter der 1725 eröffneten Akademie fungierten: 1725 — 28 der Lipsienser Goldbach, 1728 — 30 der Schüler Burkhard Menckes Gerhard Friedrich Müller, 1730 — 33 der Wolffianer Georg W. Kraft, 1734 — 42 wiederum Goldbach, 1742 — 46 der Jenenser Winsheim, 1746 — 49 der Thomasianer Strube, 1749—51 abermals Winsheim, 1751 — 54 der Hallenser Α. N . Grischow, 1754 — 65 nochmals Müller, 1765 —69 Stählin. 116 Damit standen in diesen ersten fünfundvierzig Jahren der Akademie an ihrer Spitze: achtundzwanzig Jahre lang Lipsienser und siebzehn Jahre Wolffianer, Thomasianer, Hallenser oder Jenenser. Stählin leitete überdies mit Lomonosov die Akademieverwaltung, außerdem allein die angegliederte Akademie der Künste. Schließlich war er neunzehn Jahre lang Sekretär der zweitwichtigsten Petersburger Sozietät, der Freien Ökonomischen Gesellschaft. Der Vertrieb der Petersburger Akademieschriften erfolgte größtenteils über Leipzig: Deutsche, lateinische und französische Veröffentlichungen hatten, ähnlich denen anderer europäischer Akademien, Leipzig als zweiten Erscheinungsort. Über Leipziger Kommissionsverlage (Schuster, Jacobäer, Breitkopf) wurde der wissenschaftliche Auslandsverkehr der Petersburger Akademie abgewickelt. Die Kommissionäre in Leipzig besorgten für sie wissenschaftliche Literatur und brachten die Akademiepublikationen auf den M a r k t . " 7 In die populärwissenschaftliche Monatsschrift der Akademie, Ezemesjacnye socinenija, die lange Müller redigierte, wurden übersetzte Auszüge aus Leipziger Zeitschriften übernommen, so aus den Gottschedschen Belustigungen des Verstandes, z.B. Beiträge von Kästner, Lessings Vetter Christlob Mylius und Elias Schlegel. 118 Leipzigs wissenschaftliche Zeitschriften, wie die Gelehrten Zeitungen, die verschiedenen Acta, Bibliotheken, Büchersäle und Gottscheds Neuestes aus der anmutigen Gelehrsamkeit, die über Rußlands Geistesleben berichteten, wurden außer in Petersburg auch in Moskau u.a. Städten gelesen. Auf Wunsch Müllers entsandte Gottsched 1757 zwei seiner engsten Mitarbeiter an die Universität Moskau. Neben Gottlieb Köllner sah er zunächst Lessing vor, der sich dies aber durch kritische Haltung zum Meister verscherzte. So wurde statt seiner der wakkere Gottschedstreiter Gottfried Reichel zweiter gottschedianischer Professor in Moskau. Köllner und Reichel waren Mitglieder der Gottschedschen Gesellschaft der Freien Künste und Mitarbeiter an deren Schriften (Sammlung])."9 Die vier größten russischen Aufklärer: Tatiscev, Lomonosov, Novikov
85
und Radiscev, hatten vielfältige Berührungen mit der Leipziger Aufklärung. Der Geograph, Historiker, Wirtschaftsorganisator und Staatsmann Tatiscev bearbeitete Hübners Geographie und das von Hübner eingeleitete Leipziger Konversationslexikon russisch. 120 A m umfassendsten und tiefgründigsten hat das Universalgenie Lomonosov Halle-Leipziger Aufklärung verarbeitet. Halle und Leipzig waren Brennpunkte in der Bildungsgeschichte dieses russischen Aufklärungsgelehrten und Schriftstellers. 121 »Durch Wolff, aber auch durch Lektüre wissenschaftlicher Literatur wurde Lomonosov von der Halle-Leipziger Aufklärung [...] wesentlich mit geprägt.« 122 Wie Lomonosov in Philosophie, Mathematik, Naturwissenschaft und Bevölkerungslehre stark auf Halle fußte (Wolff und Wolffianer, Stahl und die Phlogistik, Friedrich Hoffmann und Hoffmannianer), so in Philologie, Stillehre/Rhetorik/Literatur, den »schönen Wissenschaften« auf Leipzig (Gottsched und Gottschedianer, C. F. Geliert, 123 Günther, gottschedianische Zeitschriften). Trotz finanzieller Bedrängnis kaufte er die größte Gellert-Ausgabe der Zeit. »Geliert und Gottsched« ist bei ihm eine Metapher für Muster der Dichtung. 124 Freundschaft verband ihn mit Stählin, der sein erster ausführlicher Biograph wurde. Leibniz stand für Lomonosov an zweiter Stelle unter den größten Genien der Menschheit, den Bahnbrechern moderner Wissenschaft (nächst Descartes). Er konsultierte Leibniz in Physik, Mathematik, Geologie, Paläontologie (während er die Monadenlehre ablehnte). Auch weitere Leipziger Aufklärungsgelehrte wirkten auf Lomonosov ein: sein Lehrer in der Astronomie Heinsius (Kampf gegen den Kometenaberglauben), F. W. Juncker, der Lomonosov mit dem Salzwesen vertraut machte, der Leipziger Physikprofessor Heinrich Winkler, dessen Schriften er bei seinen Experimenten mit Elektrizität zu Rate zog, C. E. Geliert, mit dem er gemeinsame chemische Versuche anstellte. Leupolds Theatrum Machinarum erregte Lomonosovs Aufmerksamkeit. Im Arbeitsplan vermerkte er: »Leupold durchgehen«. 125 Westeuropäische Aufklärung lernte Lomonosov aus Vorlesungen, Übungen, Schriften Halle-Jena-Leipziger Aufklärer kennen (in Marburg und Freiberg), aus anderen Leipziger Schriften, aus Drucken, die er von und über Leipzig bezog. Antike Autoren kannte er aus Leipziger u.a. Cellarius-Ausgaben. Für Lomonosovs Auslandswirkung war Leipzig der Hauptausgangspunkt. 126 Als 1745 — 61 schwere Erdbeben, vor allem die Katastrophe von Lissabon, die Menschen auch seelisch erschütterten und den Weltoptimismus der Aufklärer in Frage stellten, suchte Lomonosov mit natürlichen Erklärungen zu beruhigen und den Erdbeben gemäß der Leibnizschen Theodizee einen positiven Sinn beizulegen. Das Leipziger Magazin der Wissenschaften brachte als Echo auf Lissabon Lomonosovs Erklärung der Erdbeben deutsch. 127 Leipzig war bevorzugter Ort für das Auslandsstudium junger Russen 86
und Ukrainer (wie später Göttingen). Leipziger Professoren und Ehrenmitglieder der Petersburger Akademie wie Heinsius und C. Hebenstreit, auch weitere Leipziger Professoren, so der Historiker Gottlob Böhme, betreuten die Studenten aus Rußland. Bis 1765 studierte Vladimir Orlov in Leipzig (der Akademiechef 1766 — 74), der sehr zufrieden heimkehrte. Orlov lernte in Leipzig so gut Deutsch, daß er Deutsch wieder als Protokollsprache der Akademie einführte (wie zuvor Jenaabsolvent Korff). 1 2 8 Katharina II., die in Leipzig ein russisches Konsulat einrichten ließ, schätzte die Leipziger Aufklärungswissenschaft sehr. Die Zarin las Leipziger wissenschaftliche Zeitschriften und hielt offenbar die Leipziger Zeitung. Daher wußte sie über die Prüfung der von ihr nach Leipzig entsandten Studenten aus »den Zeitungen« früher Bescheid, als der Bericht des Hofmeisters einlief. Katharina achtete die Leipziger Gelehrten so hoch — nach Orlovs positivem Bericht zumal — daß sie, als sie dreizehn junge Adlige, darunter zwölf Russen, auswählte, um sie auf Staatskosten im Ausland studieren zu lassen, sich für Leipzig entschied. Sie arbeitete 1766 selbst die Instruktion für die Ausbildung der angehenden Studenten aus, mit genauen Vorschriften. Die zur Vorbereitung auf den Staatsdienst Bestimmten trafen im Februar 1767 in Leipzig ein und studierten hier bis Oktober 1 7 7 1 , unter ihnen Radiscev, der somit ein fast fünfjähriges Studium in Leipzig absolvierte. Für die Ausbildung der Studenten standen qualifizierte Lehrkräfte zur Verfügung. Karl F. Hommel, Böhme u. a. entwarfen ein Ausbildungsprogramm für die russischen Studenten. Am beliebtesten war bei diesen Geliert. Radiscev fand bei Geliert das »große Glück des Umgangs mit einem für seine Tugend bekannten Menschen. Dieses Glück genossen wir [...] in Leipzig, als wir uns bei dem berühmten Geliert des Unterrichts in der Philologie erfreuten.« Der Wortführer der russischen Studenten, F. V. Usakov, war »Gellerts Lieblingsschüler. Der große Mann ging ihm bei seinen Arbeiten zur Hand.« 129 Starken Eindruck machte auf Radiscev auch der Leibnizianer Ernst Platner, der über Medizin, Mathematik und Philosophie las. Philosophie hörte Radiscev außerdem bei dem Popularphilosophen Garve, Logik bei Seydlitz, Ethik bei C. F. Schmid, Jura auch bei A. F. Schott. Deutsch lernten die russischen Studenten bei J. Schwabe, der Gottscheds Belustigungen des Verstandes redigiert hatte, Latein bei F. W. Reiz, Französisch bei M. Huber und in Schmids französisch gehaltenem Kolleg. Universalgeschichte hörten die jungen Russen bei G. F. Krebel, europäische Geschichte und deutsches Recht bei Böhme. Unter diesen Lehrkräften befanden sich sechs gleichzeitige oder spätere Universitätsrektoren: Böhme (viermal Rektor), Hommel, Platner (zweimal), Reiz, Schott und Seydlitz. Die »Vorlesungen über das Naturrecht« entfachten bei den Studenten, wie Radiscev bezeugt, das Verlangen nach Menschenwürde und Menschenrechten. 130 Außerdem las Radiscev in Leipzig deutsche und französische Aufklärer.
87
Er kaufte dort auch Bücher. Gottsched, Klopstock, Herder und Basedows Pädagogik erregten sein Interesse. Durch Leipziger Vermittlung lernten Radiscev und seine Kommilitonen Ideen und Schriften von Helvétius, Mably, Montesquieu, Rousseau, Voltaire, Bayle und dem Fürstenkritiker Raynal kennen. Mit Rousseau befaßte sich Radiscev eingehend, vom Standpunkt der Sozialität kritisch. 131 Die russischen Studenten bevorzugten Helvétius und Mably. Sie teilten vor allem »Helvetius' Auffassung«. 1 3 2 Ihm schrieben sie ihre beste Denkschulung zu. »Mit Helvetius' >Vom Geist< lernten wir denken«, bekannte Radiscev. 133 Dieses Werk hatte Gottsched 1760, zwei Jahre nach dem Original, in Leipzig deutsch herausgegeben. 134 So rasch konnten Gottsched und Leipziger Verleger reagieren. Die Kenntnis Rousseaus und Raynals ermöglichten drei kurz zuvor herausgekommene Leipziger deutsche Ausgaben Hillers (Rousseauauswahl 1764, Raynals Anecdotes litéraires, deutsch 1763, dessen Anecdotes historiques, deutsch 1765). Ideen Montesquieus verbreitete Hommel. Der Geist der Gesetze war bereits 1753 mit Vorrede Kästners deutsch erschienen, die Originalausgabe letzter Hand folgte 1759 und erneut 1768, beides in Leipzig. Mablys Droit public de l'Europe (1748), über das sich Radiscev und seine Studienkollegen positiv äußerten, lag als Staatsrecht von Europa bereits seit 1749/50 deutsch vor, seine Geschichte Griechenlands, die Radiscev 1773 übersetzte, seit 1761. »Tyrannei« gab er darin kühn mit »samoderzavstvo« zaristische Autokratie< wieder. Auch Gottscheds Bayle-Ausgabe zog er heran. So wurde Radiscev zum Radikalaufklärer, nachdem kryptoradikale Leipziger Aufklärer ihm radikale Naturrechtslehre und offen radikale, antiabsolutistische französische Aufklärer nahegebracht hatten. Die Leipziger Bildungserlebnisse waren damit nächst den Zuständen unter dem Zarismus die Initialzündung seines revolutionären Aufklärertums. Katharina sah richtig, als sie 1790 die Bedeutung des Studiums in Leipzig für Radiscev betonte: »Der Verf. ist von der französischen Verirrung erfüllt und angesteckt [...] Er besitzt ein reiches Wissen [...] Dieses Wissen scheint in Leipzig empfangen zu sein.« 135 Basedow, den Radiscev ebenfalls las, wandte sich mit seinem Werben auch an Katharina und an die Petersburger Akademie. Seine der Akademie übersandten Schriften kursierten unter deren Professoren. 1768, im Jahr von Basedows Vorstellung an Menschenfreunde, nahm Stählin als Akademiesekretar Verbindung zu ihm auf. Werke und Briefe Basedows, so dessen Elementarbuch, reichte er 1771 bei Hof an die Kaiserin ein. Stählin bescheinigte Basedow, daß dieser »vielen [...] Ländern zur bessern Bildung ihrer Bürger« verhelfe und die Jugend vor »Zeitverlust« in den Schulen bewahre. 136 Der Lipsienser Aufklärer Gotthelf I. Hahn in Wandsbeck, Vertrauter Basedows und Studienfreund Bahrdts, meldete 1770 von Basedow: »Die Russische Kaiserin hat ihm eigenhändig geschrieben, 1000 Rubel zu seinem Elementarbuch geschenkt und ihn gebeten, auf ihre Kosten nach Petersburg 88
zu kommen, um sich mit den dasigen Gelehrten zu besprechen und seine Vorschläge zur Verbesserung der Kindererziehung und des Staates überhaupt daselbst bekannt zu machen, und hat ihm [...] alle Unterstützung versprochen [...] So wird er wohl dahin abreisen.« 137 Die dänische Regierung hielt ihn jedoch zurück. Die Petersburger Akademie beglückwünschte 1775 Basedow in einem Dank- und Anerkennungsschreiben zur Errichtung des Dessauer Philanthropins. Seine Unterrichtsmethoden seien »in mehrfacher Hinsicht den bisherigen vorzuziehen«. 138 Stählin bemühte sich seinerseits sehr um die Verbesserung der Volksschulen in Rußland und Deutschland, mit dem Ziel einer einheitlichen Unterstufe (im Sinne der späteren Grundschule), nach dem Realschulprinzip, unter Hebung des Mädchenunterrichts. Die von Stählin empfohlenen Biblischen Historien Hübners wurden in Rußland heimisch und z.B. ein Hausbuch der Familie Dostoevskij, mit dem der Dichter aufwuchs. 1 3 9 An Basedows Statt kam sein Stellvertreter und Nachfolger in Dessau, Leipzigabsolvent Heinrich Wolke, nach Petersburg. Er errichtete dort ein Philanthropin. Von Petersburg aus fand der Philanthropismus Eingang in Finnland, Rußland und, wie auch direkt aus Dessau /Leipzig, im Baltikum. So haben die drei Lipsienser Basedow, Stählin und Wolke den Philanthropismus nach Nordosteuropa getragen. In Unterrichts- und Erziehungsreformen des russischen Schulreformers Beckoj und Katharinas hinterließ er Spuren. Auch auf dem Umweg über Berlin-Schlesien-Österreich fand Halle-Leipziger Schulreform Eingang in Rußland. Ab 1772 unterrichtete Hartwig Bacmeisters bibliographisch-informelles Periodikum Russische Bibliothek Europa über Rußlands Geistesleben. Auch da kam Leipzigs Mittleraufgabe zur Geltung, da Hartknoch diese Zeitschrift in »Petersburg, Riga und Leipzig« herausbrachte. 140 So zeigt Rußland, wie Polen, Böhmen, Mähren, die Slowakei und Südosteuropa, »die große Bedeutung der Leipziger Universität für die Aufklärung bei den slawischen Völkern«. 1 4 1 Abgestuft trifft das für ganz Europa zu und selbst für überseeische Gebiete. Besonders auffallend ist die Weltgeltung des Halle-Leipziger Enzyklopädisten Christian Wolff, der in Leipzig rund sechshundert Arbeiten veröffentlichte. »Für Südosteuropa war Wolff« — »zunächst durch die Wiener Wolffianer vermittelt« — »der repräsentative Aufklärer, der praeceptor schlechthin.« 142 Unter diesem Aspekt verdienen auch seine Lehrer in Leipzig ins Gedächtnis gerufen zu werden: Otto Mencke, Pfautz, Wilhelm Pauli, Bohn, Tschirnhaus, Adam Rechenberg. 143 In der Sibirienforschung etwa zeichneten sich Halle-Leipziger Aufklärer wie Christoph Eberhard (Magnetische Theorie, Leipzig 1720), Messerschmidt, G. F. Müller, E. Fischer, Steller — der erste Europäer, der amerikanischen Boden von Asien her betrat — und Pallas aus. 144 Leipzigs größter Verleger Reich brachte 1770 Chappes Sibirienreise heraus. Leipziger >exotische< Literatur über Nord-, Ost-, Süd- und Vorderasien wie auch über die 89
anderen Erdteile war für die Kenntnis dieser Länder — einschließlich des gerade erst entdeckten Australien und Ozeanien — bedeutsam. Zum Urheber der systematischen Geologie A . G . Werner kamen Schüler aus den U S A , Mexiko, Spanien, England, Schottland, Norwegen, Schweden, Polen, Rußland u.a. Werner erhielt Berufungen nach Rußland, Spanien, Mexiko, Polen-Litauen, Portugal, Frankreich, England, Schottland. 145 Die überseeische Ausstrahlung der Halle-Leipziger Aufklärung gipfelte in der neuen Heimat der meisten deutschen Auswanderer, in Amerika. Deutsche Zeitungen, Zeitschriften und Bücher der nachmaligen Vereinigten Staaten wurden gemäß Leipziger Regeln gestaltet. Am sorgsamsten richtete man sich im seinerzeitigen Hauptstaat Pennsylvanien, wo man Deutsch zur Staatssprache erheben wollte, nach Gottscheds Sprachlehre. So »verpflanzte Heinrich Miller«, ein »Buchdruckergeselle aus der Breitkopfischen Offizin zu Leipzig«, Aufklärungsgrundsätze der mitteldeutschen Wissenschaftsmetropole »in die Neue Welt«. 1762 gründete Miller das Intelligenzblatt Der wöchentliche Philadelphische Staatsbote, mit Nachrichten aus der gelehrten Welt. »Miller verwebte darin Gottscheds Sprachreinheit, in dessen Hause er zu Leipzig gewohnt hatte.« Man hat in Amerikas erster Hauptstadt, »zu Philadelphia, seine Zeitung in Gegenwart der Kinder und des Gesindes laut vorgelesen«. Seit 1763 »verbreitete er sein Institut in ganz [?] Amerika«. 146 Ebenfalls aus der Mitteldeutschen Aufklärung kam der Radikalaufklärer im indianischen Nordamerika Christian Gottlieb Priher (1697— 1748), der ab 1718 in Leipzig studiert hatte. Priber baute als Haupt des Irokesenbundes, im Kampf gegen die Kolonialherrschaft, ein soziales indianisches Gemeinwesen auf. 1 4 7 Schließlich darf eine hochwichtige soziale Voraussetzung der Weltwirkung der Universitäten Leipzig, Halle, Jena, Wittenberg nicht übersehen werden: Die Lipsiensis galt, gleich Fridericiana, Salana und Leucorea, als »Universitas pauperum«. 148 An diesen Armenuniversitäten konnten auch Unbemittelte studieren, dank Förderung (Stipendien, Freitische, 149 Freikollegs, Internate — in Leipzig das Paulinum für arme Studenten — , Mäzene, Mentoren) und Unterhaltsmöglichkeiten (durch Stundengeben, Famulieren u.a.). Die mittellosen Webersöhne Heyne und Fichte, der arme Tischlersohn Leupold, der mäßig situierte Gerbersohn Wolff, der Hüttenmannsohn Werner bekamen, erkämpften sich die Chance des Studiums in Leipzig (die aber unzähligen Begabungen versagt blieb). Sie und alle anderen Leipziger Aufklärer hatten mit Gegenkräften und Widerständen zu ringen, sich mit Mängeln und Schwächen auseinanderzusetzen, Erscheinungen der Stagnation zu überwinden. Daß ihnen dies bis zu einem gewissen Grade gelang, war ein wesentlicher Faktor von Leipzigs Wegweiser- und Mittlerfunktion in der Aufklärungswissenschaft. So wurde Leipzig nächst Paris und London zum bedeutendsten Zentrum der Aufklärung. 1 ' 0 90
ANMERKUNGEN
ι. Unter Leipziger Aufklärung wird hier nicht nur die Aufklärung in Leipzig verstanden, sondern vornehmlich Aufklärung aus Leipzig. Die meisten Aufklärer Leipziger Prägung wirkten außerhalb. »Lipsienser«, die zwischen 1648 und 1806 in Leipzig studiert hatten bzw. wissenschaftlich von Leipziger Aufklärern und Schriften geformt wurden, waren größtenteils auswärts tätig. Absolventen trugen Leipziger Aufklärungsideen und -kenntnisse nach ihren Heimatorten und an ihre Wirkungsstätten, Lehrkräfte dozierten sie von auswärtigen Kathedern, Autoren vertraten sie in auswärtigen Drucken. Demgemäß wird im folgenden bei der Betrachtung von Leipzigs Wegweiser-, Leit- und Mittlerfunktion in der Aufklärungswissenschaft der Blick hauptsächlich auf sein mitteldeutsches, deutsches, europäisches und globales Wirkungsfeld gerichtet. 2. In dieser nicht unwidersprochenen Ansicht stimmte der gebürtige Bremer J . G. Göschen, der Klassiker-Verleger, mit dem Ostpreußen Gottsched, den Pommern E. C . von Manteuffel, J . C . Adelung, F. Mehring und weiteren Nichtsachsen überein. Sie fußte auf der Vorrangstellung kursächsischer Wissenschaft in Reformation (Wittenberg) und Aufklärung (Leipzig). (Vgl. Mein Leipzig lob ich mir. Hrsg. von ROLF WEBER. Berlin/ D D R 1983, 2. Aufl. 1986, S. 46, 387, 428.) »Obersachsen« war laut Gottsched »der Sitz der deutschen Gelehrsamkeit seit der Glaubensreinigung« (Deutsche Sprachkunst. 5. Aufl. Leipzig 1762, S. 4f.). Analog sah Adelung Südsachsen als »die Wiege aller Künste und Wissenschaften« Deutschlands seit der Reformation an (Lehrgebäude der deutschen Sprache. Bd. 1. Leipzig 1782, S. 6 i f . ; Ndr.); RUDOLF GROSSE: »Die Bedeutung der Leipziger Gelehrten des 18. Jahrhunderts für die Entwicklung der deutschen Literatursprache.« In: Wissenschafts- und Universitätsgeschichte in Sachsen im 18. und ¡9. Jahrhundert. Hrsg. von K A R L CZOK. B e r l i n / D D R 1987 (Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-historische Klasse. Bd. 7 1 , H . 3), S. 54; [ A D E L U N G : ] Geschichte der Kultur. Leipzig 1 7 8 2 , 2 1 8 0 0 , S. 462; Ndr. Königstein i.T. 1979. 3. F R I E D R I C H PAULSEN: Geschichte des gelehrten Unterrichts. Leipzig 1885, S. 464f.; ebenso 2. Aufl., Bd. 1, 1896, S. 539 und 3. Aufl., Bd. 1, 1919; Ndr. Berlin/West 1965, S. 552. 4. FRANZ M E H R I N G : Lessing-Legende. 1893, Tl. 2, Kap. 2 (Leipzig); Neuausg. B e r l i n / D D R 1963, 3. Aufl. 1983 ( M E H R I N G : Schriften. Bd. 9), S. 216. 5. Uberliefert von DAVID F R Ö L I C H : Bibliotheca seu cynosura peregrinantium, hoc est viatorium. Bd. 2. Ulm 1643, S. 178; hierzu GÜNTER MÜHLPFORDT: »Die sächsischen Universitäten Leipzig, Jena, Halle und Wittenberg als Vorhut der deutschen Aufklärung.« In: Wissenschafts- und Universitätsgeschichte in Sachsen (Anm. 2), S. 25. 6. Siehe PAUL R A A B E : Bücherlust und Lesefreuden. Beiträge Buchwesens. Stuttgart 1984, S. 40, 75, 76, 77, 78, 86, 94, 99, ioof.
zur Geschichte
des
7. [ F R I E D R I C H C . DREYSSIG:] Reisen des Grünen Mannes. Tl. 1. Halle 1787, 196 S.; Allgemeine Literaturzeitung. Jena 1787, Bd. 1, S. 217.
91
8. Siehe meinen Aufsatz von 1952: »Die deutsche Aufklärung und ihr Zentrum HalleLeipzig.« In: Wissenschaftliche Annalen zur Verbreitung neuer Forschungsergebnisse. Hrsg. von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. J g . 2. 1953, H . 6, S. 3 7 0 - 3 8 5 , bes. 3 7 5 f . 9. M I C H A E L E . H O A R E : The Tactless Philosopher. bourne 1976, S. 247. 1 0 . Leipzig.
Geschichte
der
Stadt.
Hrsg. von
KARL
Johann
Reinhold
Forster.
C Z O K und H O R S T
Mel-
THIEME.
B e r l i n / D D R 1978, S. 27. 11.
CHRISTIAN
lebende
Gelehrte
POLYKARP
Deutschland.
LEPORIN:
Germania
literata
vivens
oder
das
jetzt
Tl. 2. Quedlinburg 1725, S. 1 5 1 f.
12. J O H A N N H Ü B N E R : Kurze Fragen aus der neuen und alten Geographie. 6. A u f l . Leipzig 1696, Vorrede, § 3 1 ; ebenso 16. A u f l . 1706; 2 0 i 7 i o ; i 7 1 7 1 9 ; 3 1 . A u f l . 1725 usw. (nicht in allen Aufl.). 13. D e r Vergleich mit Paris wurde bereits 50 Jahre vor Goethe (Faust I. Leipzig 1790, Vers 2 1 7 1 f.) gezogen, und zwar für Leipzig als Publikationszentrum, im Sinne einer Ebenbürtigkeit. »Was Leipzig druckt«, hieß es 1740, habe solches Niveau, daß man glaube, »Paris zu sehn« ( C H R I S T I A N
GOTTLOB
K Ä N D L E R : Gepriesenes
Andenken.
Leipzig 1740, S. 139). Auch aus Goethes Studentenzeit ist der Vergleich Paris — Leipzig verbürgt ( R E I N H A R D BUCHWALD: Faustdichtung. Stuttgart 1942, S. 454). 1785 wurde e r als G e m e i n p l a t z v e r b u c h t ( [ K A R L H E I N R I C H K R Ö G E N : ] Freie
Bemerkungen.
o.O.
178 5 ; N d r . Leipzig 1986, S. 62). Als Publikationsort konnte sich das Leipzig der Aufklärung mit der französischen Hauptstadt messen. N o c h stärker wissenschaftsbezogen war sein älterer Schmuckname »Pleiß-Athen«. 14. Vgl. G Ü N T E R M Ü H L P F O R D T : »Petersburg und Leipzig. Zwei engverbundene Zentren der Aufklärung.« In: Russisch-deutsche Beziehungen. Hrsg. von H E I N Z L E M KE und
BRUNO
WIDERA.
Berlin/DDR
1976 (Quellen und Studien zur
Geschichte
Osteuropas. Bd. 19), S. 1 1 5 — 136, bes. 1 1 6 ; D E R S . : »Lomonosov und die Mitteldeutsche Aufklärung. Eine bildungs- und wirkungsgeschichtliche Untersuchung.« In: Studien zur Geschichte der russischen Literatur des 18. Jahrhunderts. Hrsg. von H E L M U T GRASSHOFF
und
ULF
LEHMANN.
B d . 2.
Berlin/DDR
1968,
S. 1 3 5 — 2 3 1
und
401 — 427, bes. 1 3 7 f . , 146, 1 5 3 — 1 5 5 , i}6, 157 — 160, 161 f.; D E R S . : »Leipzig als Brennpunkt [...]«, ebd., Bd. 3. B e r l i n / D D R 1968, S. 271 - 4 1 6 und 5 7 6 - 599,, bes. 334, 339, 35°» J J i » 357. 3 7 1 , 591· 15.
KARL
FRIEDRICH
BAHRDTS
Geschichte
seines
Lebens.
T l . 4.
Berlin
1791,
S. 144f., 167, 2 1 5 ; neu hrsg. von G Ü N T E R M Ü H L P F O R D T . Stuttgart (im Druck), ebd. 16. Vgl. die einleitenden Ausführungen von Wolfgang Martens. 17. Analog wurde, nach Leipziger Modell, die brandenburgische Universität nicht in Berlin, Kölln, Brandenburg, Potsdam oder der Altmark errichtet, sondern in der Messestadt Frankfurt an der Oder. Vgl. G Ü N T E R M Ü H L P F O R D T : Die Oderuniversität Frankfurt. 1506— 1811. Frankfurt a . d . O . 1981 (Frankfurter Beiträge zur Geschichte. Η . 9), S. 1 5 ; D E R S . in: Die Oder-Universität Frankfurt. Weimar 1983, S. 3 1 . 18. PAULSEN, Gelehrter
Unterricht
(Anm. 3), Bd. 1, 2. Aufl., S. 79.
19. Eine Komponente des Aufstiegs der Leipziger Aufklärung war die Angliederung der Oberlausitz, am Ostrand des mitteldeutschen Umfelds, an Kursachsen (1635). Zahlreiche Leipziger Aufklärer stammten aus diesem geistig regen Sechsstädtegebiet. Vgl.
92
G Ü N T E R M Ü H L P F O R D T : »Oberlausitzer Aufklärer«. In: Die Oberlausitz che
der
HEINZ
bürgerlichen LEMPER,
Emanzipation. GÜNTER
Hrsg. von J O H A N N E S
in der
IRMSCHER,
Epo-
ERNST-
M Ü H L P F O R D T . G ö r l i t z 1 9 8 1 (Schriftenreihe des Ratsar-
chivs Görlitz. Bd. 10), S. 3 — 32. 20. G Ü N T E R M Ü H L P F O R D T : »Stahls Grundlegung der neueren Chemie und die Weltwirkung der halleschen Aufklärung«. In: Georg Ernst Stahl (1659 — 1734)· Hrsg. von W O L F R A M K A I S E R und A R I N A V Ö L K E R . Halle 1985 (Wissenschaftliche Beiträ-
ge der Universität Halle-Wittenberg 1985/66. E 73), S. 1 1 7 - 160, bes. 158. 2 1 . M A R T I N G U N T A U : Die Genesis der Geologie als Wissenschaft. B e r l i n / D D R 1985; D E R S . : A. G. Werner. Leipzig 1984 (Biographien hervorragender Naturwissenschaftler. Bd. 75), bes. S. 17 — 20, 66 — 89; D E R S . : »Geschichte der Wissenschaften von A . G . Werner.« In: Schriftenreihe für Geschichte der Naturwissenschaften, Technik und Medizin. J g . 24. 1987, H . 2, S. 107— 1 1 2 . 22. G Ü N T E R M Ü H L P F O R D T : »Mainzer Präjakobinismus«. In: Deutsche Jakobiner. Bd. i . M a i n z 1 9 8 1 , 8 . 1 1 3 - 1 1 6 ; D E R S . , »Leipzig, Jena, Halle als Vorhut der deutschen Aufklärung« (Anm. 5), S. 28 f. 23. Hinweis des Aufklärungsforschers und Wolff-Herausgebers Jean Ecole (Nice/ Nizza); vgl. G Ü N T E R M Ü H L P F O R D T : »Polyhistorismus der Aufklärung«. In: Johann Heinrich Schulze. Hrsg. von W O L F R A M K A I S E R und A R I N A V Ö L K E R . Halle 1988 (Wissenschaftliche Beiträge der Universität Halle). 24. Vgl. K A R L G R I E W A N K : Der neuzeitliche Revolutionsbegriff. Weimar 1955 und Frankfurt a . M . 1969, S. 2 1 6 (Neuausg. Frankfurt a . M . 1 9 7 1 ) ; dazu meine Korrektur im Aufsatz: »Schlözer«. In: Jb. für Geschichte. Bd. 25. 1982, S. 58. 25. A B R A H A M J A K O B P E N Z E L : De arte histórica. 2. Aufl. Leipzig 1784, S. 1 1 7 . 26. K A R L P H I L I P P M O R I T Z : Anton Reiser. Tl. 1. Berlin 1785, Abs. 120; hrsg. von WOLFGANG
M A R T E N S . Stuttgart 1 9 7 2 ; hrsg. von
ERNST-PETER
WIECKENBERG.
Leipzig und München 1987, S. 25, 399. 27. [JOHANN C H R I S T O P H A D E L U N G : ] Geschichte der Kultur. Leipzig 1782 und 2. A u f l . 1800, S. 471 f.; N d r . Königstein i.Ts. 1979; vgl. G Ü N T E R M Ü H L P F O R D T : »Adelung als Kultur- und Wissenschaftshistoriker«. In: Sprache und Kulturentwicklung im Blickfeld der deutschen Spätaufklärung. Hrsg. von W E R N E R BAHNER. B e r l i n / D D R 1984 (Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften. Philologisch-historische Klasse. Bd. 70, H . 4), S. 50. D E R S . : »Adelung als Wegbereiter der Kulturgeschichtsschreibung.« In: Storia della Storiografia/Geschichte der Geschichtsschreibung. H . i l . Milano 1987, S. 34. 28. Unberücksichtigt sind hier die von Leipzig nach Halle gekommenen Begründer und Häupter des in Leipzig entstandenen Halleschen Pietismus, A . H . Francke und P. Anton, sowie Leipziger Schriftsteller am Ubergang vom Barock zur Primär- und Frühaufklärung oder in dieser selbst (vgl. Anm. 74). 29. W I L H E L M S T R I C K E R in: Germania. 30. Dichtung 31.
Bd. 2. Frankfurt a . M . 1848, S. 2 8 3 ^
und Wahrheit, Buch 1 1 , Abs. 99.
HERMANN
CORNELIUS
VON
AYRENHOFF:
Werke.
B d . 4. 1 7 8 4 , S . 1 7 3 ,
W O L F G A N G STAMMLER: »Schlagworte der Aufklärung«. In: Fschr. Walter Marburg 1948, S. 2 1 7 ; W I E L A N D : Werke 33. Leipzig 1 8 2 1 , S. 329 (1784).
bei
Goetz.
93
32.
ROLF
LIEBERWIRTH:
masius. Hrsg. von
WERNER
»Thomasius und die Gesetzgebung«. In: Christian ThoHamburg 1989.
SCHNEIDERS.
33. J O H A N N C H R I S T O P H Ndr. Hildesheim i960, Sp. 918.
ADELUNG:
Gelehrtenlexikon.
Bd. 2. Leipzig 1787;
34. So die Nicolai-Parodie Predigten des Sebaldus Nothanker. Leipzig 1774, S. 18. 35. J O H A N N G O T T F R I E D H E R D E R : »Von der griechischen Literatur in Deutschland«. In: H E R D E R : Uber die neuere deutsche Literatur (Riga 1767). Berlin/DDR 1985, S . 141; in: Werke. Hrsg. von B E R N H A R D S U P H A N . Bd. 1. Berlin 1877, S . 286. 36. E R H A R D H I R S C H : Dessau — Wörlitz. Aufklärung 1985, S. 46, vgl. S. 47Í. und 89— 106; 2. Aufl. 1987, ebd.
und Frühklassik. Leipzig
37. J O H A N N F R I E D R I C H M A Y : »Gedanken von der Auferziehung«. In: Schriften der Deutschen Gesellschaft. Bd. 1. Leipzig 1742; D E R S . : Die Kunst der vernünftigen Kinderzucht. Helmstedt 1753. Während Basedows Studium in Leipzig erschienen dort 1748 C . A . H E U M A N N S Kommentar De educatione und J . H . G . J U S T I : Bibliothek von Erziehung. 38.
BAHRDT,
»Leben« (Anm. 15), Tl. 4, S. 145.
39. [ K A R L F R I E D R I C H B A H R D T : ] Philanthropinischer Erziehungsplan. Frankfurt a.M. 1776; 2. [teils erw., teils gekürzte] Aufl. Frankenthal 1777; B A H R D T : »Über den Zweck der Erziehung«. In: J O A C H I M H E I N R I C H C A M P E (Hrsg.): Allgemeine Revision des gesamten Schul- und Erziehungswesens. Bd. 1. Hamburg 1785, S. 1 — 124; neu hrsg. von U L R I C H H E R R M A N N . Vaduz 1979. 40. Crusius und weitere Leipziger Verleger gehörten der Vereinigung der »Vertrauten« an, die ähnlich den Logen die Verbindung zwischen aufgeklärter Kaufmannschaft und Intelligenz herstellte (vgl. H E R B E R T H E L B I G : Die >VertrautenVertrautenUnionCentralplatz< des deutschen Buchhandels
In der Grimmaschen Gasse, gleich hinter dem Renaissance-Rathaus, drängten sich die G e w ö l b e der bedeutendsten Leipziger Buchhandlungen. 1754 waren dort zehn von 24 registrierten Buchhändlern ansässig, darunter die Firmen Große, Gleditsch, Weidmann, D y c k , Wendler, Lanckisch, Jacobi und Fritsch. Es waren die berühmten Verlage, denen Leipzig seinen Ruf als Buchhandelszentrum im 18. Jahrhundert verdankte. Noch um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurden hierher die Fässer mit rohen Bogen gerollt, die, Ballen gegen Ballen, getauscht oder verrechnet wurden. Ein fester Preis, der sich nach der Qualität richtete, der Verkauf mit Einband und nicht zuletzt die Ausstattung mit Kupfern und Vignetten, all dies setzte sich erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch. Während der Messezeit, die — zählt man Oster-, Herbst- und die (unwichtigere) Neujahrsmesse zusammen — ein Sechstel des Jahres hindurch stattfand, vermehrte sich die Bevölkerungszahl Leipzigs um ein vielfaches. Die Gasthöfe waren voll, jede Kammer und jedes Gewölbe vermietet; die zahlreichen Weinschenken, Kaffeehäuser und Ausflugslokale, die Gärten, in denen Leipziger und Messegäste promenierten und diverse Lustbarkeiten (seien es Schauspiele oder das Hunde- und Flohtheater) vermittelten, zumal für deutsche Verhälnisse, ein ungewöhnlich weltstädtisches Flair. Die Bücher zählten (neben Lerchen und Pelzen) zu den wichtigsten Waren der Leipziger Messen. Schon 1764 hatte es in einer Eingabe der Buchhändler geheißen: Buchhandlungen sind in Leipzig vierzehn. Gegenwärtig arbeiten in selbigen 165 G e sellen, ingleichen 58. Lehrpursche. Dieße Druckereien bestehen aus 70. Preßen, welche aber wegen Mangel der Leute nicht alle gangbar sind. Man kan rechnen, daß Jährlich wenigstens 3600. Ballen Pappier verdruckt werden, zu deßen Verfertigung sind wenigstens 50. PappiermacherGesellen nöthig; hierzu sind zu rechnen die Pappierhändler, Lumpenhändler u. dergl. V o n dem Buchhandel dependiren viele Gelehrte, Kupferstecher, K u p f e r d r u c k e r etc. 1
Ende des Jahrhunderts konnte der Leipziger Chronist stolz darauf hinweisen, daß hier jedes gewünschte Werk, wenn es nicht vorhanden war, doch beschafft werden konnte. Der jährliche Bücherumsatz, heißt es in der Stadtbeschreibung von 1799, steige in die Millionen und betrage auch in ganz 103
schlechten Jahren mehr als 750000 Taler. Es gebe »46 Buchhändler nebst einigen Antiquaren, 8 Buchdruckern, die zugleich Buchhändler sind und über 300 fremden zur Leipziger Messe kommenden Buchhändlern aus allen Ländern«. 2 Außerdem war Leipzig zum Zentrum des Zwischenhandels und wichtigsten Kommissionsplatz des deutschsprachigen Raums geworden. In einem der mehrstöckigen Bürgerpaläste mit ihren Gewölben, H ö f e n und Lagerkellern, die Goethe so beeindruckt hatten, befand sich Richters Kaffeehaus, w o die Buchhändler ihre Geschäfte besprachen und abrechneten, bevor sie 1797 eine »Buchhändlerbörse« einrichteten. Man kann davon ausgehen, daß in den Stadtchroniken, wie bei den anderen (stark von einander abweichenden) Zahlenangaben, eine unbekannt große Schar von Winkeldruckern, »Afterbuchhändlern«, Verlegern von Pasquillen oder erotischer Literatur meist unerwähnt blieb, ganz abgesehen davon, daß Buchbinder und -drukker oder Studenten, die im Auftrag ihrer Professoren deren Vorlesungsmitschriften verkauften, in gewissen Grenzen auch als »Buchhändler« tätig waren. Leipzig war keine Residenz, der Dresdner H o f war, auch mit Extrapost, neun bis zehn Stunden entfernt. Es war Handels- und zugleich Universitätsstadt, die Schriftsteller und dichtende Studenten anzog, nicht zuletzt, weil das Buchgewerbe mit all seinen Zweigen günstigere Erwerbsmöglichkeiten bot als andere Orte. Seit Anfang des 18. Jahrhunderts konzentrierten sich hier die großen Originalverlage, »Ubersetzungsmanufakturen« und die Druckereien, an die auch Auswärtige, wenn sie zur Messe kamen, ihre Aufträge vergaben. Die Leipziger Verfassung nennt unter den Bürgern die Buchhändler an erster Stelle, vor der Kaufmannschaft, den Kramern und einer vierten G r u p p e , die aus Handwerkern und Künstlern bestand. Das bedeutete zwar in der Praxis nur, daß sie, wie andere Gruppen, besondere Rechte und eine eigene Aufsichtsbehörde (nämlich die Bücherkommission) hatten, zeugt aber doch von der großen Bedeutung des Buchgewerbes für die Stadt. Die meisten der berühmten Firmen, die als »Buchhändlerdynastien« genannt werden, wenn es um das »Emporblühen« Leipzigs geht, wurden im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts teils neu gegründet, teils erweitert oder von einer Druckerei in einen Verlag verwandelt. Ihre Besitzer waren fast alle miteinander verschwägert, versippt oder zumindest durch A n - und Verkauf untereinander verbunden. O b w o h l der Buchhandel keinen Zunftschranken unterlag, war der am häufigsten beschrittene Weg zum eignen Geschäft die Heirat, sei es der Witwe oder einer Tochter des Besitzers. Wobei das Problem keineswegs darin bestand, eine Frau die Geschäfte führen zu lassen; es waren die Buchhändler, die darauf achteten, daß sich die Zahl der Handlungen nicht unerwünscht vermehrte. A n den familiären Bindungen der Gleditsch, Weidmann, Fritsch, Große, Lanckisch wird auch 104
der enge Zusammenhang zwischen einer Oberschicht der Buchhändler, den Gelehrtenfamilien, Kaufherren, Bankiers und Fabrikanten sichtbar, die in der ersten Jahrhunderthälfte die städtische Kultur prägten. Ein Blick auf die Firma Gleditsch mag dies illustrieren: Die Firma entstand 1681, als nach dem Tod Johann Fritschs dessen Witwe dem »Diener« (i.e. Geschäftsführer) Johann Friedrich Gleditsch ihre Hand und damit das Geschäft gab. Durch diese Heirat wurde J. F. Gleditsch Stiefvater Thomas Fritschs, dem er 1693 die Handlung überließ, um kurz danach eine eigene Firma zu gründen. Die Witwe Fritsch war ihrerseits eine geborene Götze und stammte damit aus einer der ältesten Buchhandlungen, nämlich der Firma Thomas Schürer, die 1594 gegründet wurde und in die Götze als »Diener« eingeheiratet hatte. Aus der Familie Fritsch ging jener Thomas von Fritsch hervor, der als zentrale Figur des »Sächsischen Rétablissement« zum Symbol für die Verbindung von Buchhandel, Aufklärung und politischer Karriere geworden ist. Der erste Sohn J . F. Gleditschs übernahm die Handlung des Vaters und kaufte die von Thomas Fritsch. Der zweite Sohn, Johann Gottfried Gleditsch, lernte unter anderem in der Buchhandlung Fritsch und heiratete später die Witwe Weidmann. Er wurde so zum Stiefvater Moritz Georg Weidmanns d. Jüngeren. Die Tochter J. F. Gleditschs heiratete den Gelehrten Otto Mencke, den Begründer der Acta eruditorum\ eine Enkelin J. F. Gleditschs heiratete den Kaufmann Peter Hohmann, dessen Aufstieg zu einem der reichsten Leipziger Handelsherren und mehrfachen Rittergutsbesitzer besonders eindrucksvoll ist; sein Sohn war neben Thomas von Fritsch die zweite Zentralfigur der sächsischen Staatsreform und nahm in dieser Funktion ebenfalls Einfluß auf die Belange des Buchhandels. Auch die Firma Weidmann wurde in den 1680er Jahren gegründet, indem M. G . Weidmann die Witwe des Mitbesitzers der Fuhrmannschen Buchhandlung ehelichte. Die älteste Leipziger Firma war die von Henning Große; aus ihr ging die »Ahnmutter« der Gelehrtenfamilie Thomasius hervor und Große wiederum war durch Heirat mit der Firma Lanckisch verbunden; die Verwandtschaftsbeziehungen führen auch hier zu berühmten Ratsherren, Professoren, Juristen. Die Leipziger Kultur wurde von einer starken, selbstbewußten Bürgerschaft geprägt, in der diese Gruppe von Buchhändlern eine wichtige Rolle spielte. So starb der erwähnte Henning Große als Leipziger Bürgermeister, und in jeder Lokalgeschichte wird stolz darauf hingewiesen, daß das »Große Konzert« zeitweise im Hause des Buchhändlers Gleditsch stattfand. Die Bedeutung des Buchhandels für Leipzig war so groß, daß sich — in der ersten Hälfte des Jahrhunderts nur zögernd, nach dem Siebenjährigen Krieg mit Nachdruck — die Regierung in Dresden alle Mühe gab, dieses florierende Gewerbe in ihrem Land zu halten. Die Entwicklungen, die das gesamte Buchgewerbe im Laufe des 18. Jahrhunderts veränderten, waren mit der Entwicklung Leipzigs und Sachsens untrennbar verknüpft. 105
Leipzig als Symbol der Modernität Z u m Zentrum des Bücherverkehrs war Leipzig erst im Laufe des 18. Jahrhunderts geworden. In der Zeit des wachsenden Interesses an nationalsprachlicher Literatur und aufklärendem Schrifttum zur Verbesserung von Lebensbedingungen, Geschmack und Gewerbe erreichte es eine Stellung, die mit sich brachte, daß ohne die Leipziger Originalverleger weder in der fernen Provinz noch in Nachdruckzentren wie Wien oder Karlsruhe Bücher angeboten werden konnten. Wo man die hohen Preise der Leipziger, die alle begehrten Titel in ihrem Verlag hatten, nicht zahlen konnte oder wollte, wurde nachgedruckt. Dieses Problem des Nachdrucks wurde einer der wichtigsten Auslöser f ü r Reformen im Buchgewerbe, die in der Form, wie sie durchgesetzt wurden, nur in Leipzig möglich waren. J e mehr absolutistische Regierungen in die Wirtschaft ihrer Länder eingriffen, desto mehr förderten sie auch das Buchgewerbe, je nach Region das der Originalverleger oder der Nachdrucker. 3 Mit den Reformen, die von Leipzig ihren Ausgangspunkt nahmen, begann die Moderne im Buchgewerbe; gemeint ist damit die radikale Umgestaltung der Handels- und Rechtsbeziehungen. Leipzig wurde zum S y n o n y m für jene Neuerungen, ohne die die Aufklärung in Deutschland nicht denkbar ist; damals wurden Strukturen geschaffen, die das literarische Leben bis heute prägen. Die »bürgerliche Öffentlichkeit« der 1770er und 80er Jahre ist ohne die enorme Buchproduktion, die zum überwiegenden Teil in Leipzig stattfand, ohne den literarischen Markt, die Buchhändler, Schriftsteller, Kupferstecher und nicht zuletzt Leser nicht denkbar. Schon deshalb wirkte die Entstehung neuer Kommunikations- und Verkehrsformen des Buchgewerbes weit über Leipzig hinaus. Im Leipzig der zweiten Jahrhunderthälfte waren die Bedingungen gegeben, unter denen deutsche Buchhändler aus den Grenzen ständischer Regeln und Rechtsauffassungen heraustreten konnten.
Der Aufstieg Leipzigs Spricht man von Leipzig als Zentrum des Buchhandels, so muß man von der — über Jahrzehnte sich hinziehenden — Konkurrenz mit Frankfurt am Main sprechen, von den Veränderungen in Qualität und Quantität der Buchproduktion und der sogenannten »Reich'schen Reform«, die, so J o hann Goldfriedrich, »die neuzeitliche Literatur, den neuzeitlichen Buchhandel, den neuzeitlichen Schriftsteller, den neuzeitlichen Buchhändler; das neuzeitliche Publikum« brachten. 4 August Schürmann, einer der interessantesten Geschichtsschreiber des Buchhandels, meinte 1865, die Beschreibung, wie Leipzig zu seiner Stellung als Buchhandelsplatz von Weltbedeutung gekommen sei, würde »ein Stück deutscher Culturgeschichte bilden; 106
keineswegs hat sich das in seiner Eigenschaft als Messeplatz von allem Anfang an so von selbst gefügt«. s N o c h um die Mitte des 17. Jahrhunderts war Frankfurt vor allem international der wichtigere und angesehenere »Meßplatz« — soweit der Dreißigjährige Krieg es zugelassen hatte. Die ganze Kulturgeschichte kann hier nicht erzählt werden, es gibt einen langen Katalog von Gründen für die Verschiebung, den Verfall Frankfurts und den Aufstieg Leipzigs, der in den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts immer deutlicher wurde. Hier soll vor allem betont werden, daß neben die allgemeinen Verschiebungen im politischen und wirtschaftlichen Kräftefeld bereits um 1720 bewußtes zielgerichtetes Handeln der großen Leipziger Buchhandelsfirmen trat, erste Ansätze eines organisierten Auftretens, das dann nach dem Siebenjährigen Krieg wirkungsvolle Nachfolger fand. Schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts war die Konkurrenz zwischen den beiden Messestädten davon geprägt, daß die bedeutendsten Leipziger Firmen systematisch den Frankfurter Platz abwerteten, indem sie die dortige Messe nicht mehr beschickten, sie nicht mehr besuchten oder nur noch ihre Gehilfen hinreisen ließen. U n d es gehörte zu ihren Kampfmaßnahmen, daß sie ihren Verlag nicht mehr in den Frankfurter Messekatalog einrücken ließen. 6 Ein Gutachten der Leipziger Kaufmannschaft, verfaßt anläßlich der Verlegung der Frankfurter Fastenmesse auf einen Termin, der den Kaufleuten nicht mehr den Besuch beider Messen ermöglichte, konstatierte 1 7 1 1 , daß der »weit importantere« Leipziger Handel von der Terminverlegung nichts zu befürchten habe. 7 1 7 1 9 schilderte eine Frankfurter Chronik, daß sich »viele Buchläden in Weinschenken verwandelt« hätten. 8 Im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts betrug — soweit die vorliegenden Zahlen Aussagen erlauben — die Leipziger Produktion das Vierfache der Frankfurter bei steter Aufwärtsentwicklung, wobei immer wieder die Firmen Fritsch, Gleditsch, Weidmann, Lanckische Erben und Frommann genannt werden. Die Messekataloge, das wichtigste Informationsmittel der Buchhändler, führen in den 30er Jahren des 18. Jahrhunderts für Frankfurt etwa 100, für Leipzig 700 Titel an. Die Leipziger Großfirmen importierten in dieser Zeit schon ausländische Literatur, und sie pflegten ihre regen Geschäftsbeziehungen nicht nur auf den Messen, sondern auch auf Reisen. Eines der wichtigsten Reiseziele war Holland, w o ein Großteil der verbotenen französischen Literatur gedruckt wurde. Seit etwa 1690 waren auch die bedeutendsten Amsterdamer Firmen auf den Leipziger Messen vertreten. Eine holländische Niederlassung wollten die Leipziger Großfirmen verhindern, dadurch hätten die Holländer auch an dem immer wichtiger werdenden Handel zwischen den Messen partizipieren können. Die Holländer handelten mit der gleichen begehrten Ware, der die Leipziger ihren A u f schwung verdankten, und sie gefährdeten wohl auch die überhöhten Preise der Einheimischen. Solche lokalen Auseinandersetzungen zwischen Einheimischen und »Ausländern« (zu denen auch preußische, österreichische oder 107
schwäbische Buchhändler gehörten) waren für die erste Hälfte des Jahrhunderts charakteristisch und zumindest ebenso wichtig wie der Kampf gegen den Nachdruck, der noch bis zur Mitte des Jahrhunderts als Kavaliersdelikt angesehen wurde. Die Bemühungen der Einheimischen, die von ihrer Stadtobrigkeit Bevorzugung verlangten, waren übrigens in diesem Kampf gegen die holländische Firma Arkstée & Merkus erfolglos; es gehört zu den hübschen Widersprüchlichkeiten der Geschichte (bzw. Widersprüchen in unserem Bild von der Geschichte dieser Zeit), daß es die Zentralregierung in Dresden war, die den internationalen, offenen Bücherverkehr gegen die bornierten Wünsche der lokalen Buchhändler durchzusetzen half. Leipzig wurde also ein internationaler Platz, den neben den Holländern auch Italiener, Franzosen und Schweizer regelmäßig besuchten; auch über Besucher aus England, Dänemark, Polen sowie Spanien und der Türkei gibt es Nachrichten. 9 Seine Internationalität hatte allerdings ganz anderen Charakter als seinerzeit die Frankfurts, das seinen Höhepunkt zu Zeiten humanistischer Gelehrsamkeit hatte, die schon durch die lateinische Sprache international war. Leipzig war 45 Jahre vor Frankfurt, seit 1479, Sitz von Druckereien gewesen, und f ü r die unterschiedliche Entwicklung der beiden Messeorte im 18. Jahrhundert dürfte neben der Verlagerung der Handelswege Richtung N o r d e n und Osten und der wachsenden Bedeutung deutschsprachiger und protestantischer Literatur auch eine Rolle gespielt haben, daß in Leipzig Drucker, Gelehrte und Verleger gleichsam unter einem Dach saßen, auch wenn sie immer noch unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten unterworfen waren; erst 1 7 2 1 wurden >Buchführer< und Drucker der Gerichtsbarkeit des Rats unterstellt. Im Gegensatz zur Reichsstadt Frankfurt lag Leipzig inmitten einer der wenigen größeren deutschen (und protestantischen) Territorialstaaten, die ein einheitliches Wirtschafts- und Verwaltungsgebiet Zusammenschloß. Es ist oft übersehen worden, daß in Leipzig, zur selben Zeit wie in Frankfurt am Main, 1589, eine Bücherkommission eingerichtet wurde, die nicht nur Schriften gegen Staat, Religion und Sitten verhindern sollte, sondern der auch die Überwachung der Gewerbebetriebe und die Einhaltung berufsspezifischer Vorschriften oblag. N o c h bis in die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts kopierte die Leipziger Behörde weitgehend die Maßnahmen der Reichsbehörde in Frankfurt — allerdings unter lutherisch-orthodoxen Vorzeichen. Im 18. Jahrhundert wurden die >pressepolizeilichen< Anordnungen des Reichs von den Ständen kaum mehr anerkannt. Man muß die Entwicklung also auch im Kontext der größeren Eigenständigkeit territorialer Behörden gegenüber den Ansprüchen der Reichsobrigkeiten betrachten. U n d in diesem Punkt gab die Frankfurter Bücherkommission ein klassisches Exempel dafür, daß die Reichsbehörde ihren Machtanspruch nicht mehr durchsetzen konnte bzw. eine territorial orientierte merkantili108
stische Politik von Wien aus das Vorgehen der Reichsinstitution steuerte. Die Beschwerden der sächsischen Buchhändler gegenüber der Frankfurter Bücherkommission, die sich seit den 1720er Jahren häuften, haben hier ihre Gründe. Allerdings waren noch im 17. Jahrhundert der fiskalische Hunger, die hohe Forderung von (zeitweise bis zu 18) Pflichtexemplaren, die einer erheblichen Summe Bargelds entsprachen, und die Probleme mit der Beachtung von Privilegien in Sachsen ebenso groß wie in Frankfurt. Die Beschwerden gegen die Schikanen der Frankfurter Behörde und die Eingaben der Leipziger Buchhändler im 18. Jahrhundert sind ein Hinweis darauf, daß sich die Leipziger Bücherkommission zunehmend von einer Repressionsund Aufsichtsbehörde zu einem Interessenorgan der lokalen Buchhändler entwickelt hat. 1 0 Auch das ging nicht ohne große Reibereien zwischen Buchhändlern und Rat, Kirche und Zentralbehörden in Dresden vor sich. Ein Spezifikum dieser allgemeinen Auseinandersetzung zwischen zentralen und lokalen, kirchlichen, territorialen und Reichsbehörden war in Leipzig das Bündnis, das zwischen der mächtigen Leipziger Kaufmannschaft und den aufgeklärten Beamten in Dresden entstand. Während sich in der Reichsstadt Frankfurt, dem Sitz der katholischen Bücheraufsicht, die kaiserliche Kommission gegenüber dem Rat große Machtvollkommenheiten verschafft hatte, wurde die Entwicklung Leipzigs durch die Wirtschaftsförderung im Rahmen der absolutistischen Reformen Sachsens beeinflußt.
Quantitative und qualitative Veränderungen am Buchmarkt Es gibt keine Diskussion über die Aufklärung in Deutschland ohne die Erwähnung des enormen Anstiegs und der inhaltlichen Veränderung der Buchproduktion im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts. Auch wenn man die vielen Zweifel am Zahlenmaterial berücksichtigt, geht daraus doch die zentrale Rolle, die Leipzig für die gesamte Entwicklung in Deutschland spielte, hervor. Die Daten sind weitgehend bekannt: Gegenüber den Jahren 1 7 2 1 — 1763 hatte sich die Buchproduktion von 1763 — 1805 verzehnfacht, sie betrug im 18. Jahrhundert doppelt soviel wie im 17. Jahrhundert, und besonders rasant stieg dabei die Titelzahl zwischen 1770 und 1780 an. Für 1769 wurde die Zahl der jährlichen Neuerscheinungen mit 1 3 0 0 und für 1780 mit 2500 angegeben. Reinhard Wittmanns Untersuchung der Jahre 1780 — 82, in der die Problematik überlieferter Statistiken schon berücksichtigt wurde, ergab, daß 7 0 % aller Neuerscheinungen in Norddeutschland, ein Sechstel der gesamten Buchproduktion, in Leipzig ediert wurd e n . " Zwischen 1765 und 1805 lag Leipzig mit (durchschnittlich) 5556 jährlich verzeichneten Titeln weit vor allen übrigen Plätzen, gefolgt von Berlin (2423), Wien (1 235), Halle (1 154) und Frankfurt a . M . (1 137). Dabei sind, nimmt man zum Beispiel das Jahr 1785, allein die Firmen Weidmann's 109
Erben & Reich mit 58 Titeln, Weygand mit 49 und Breitkopf mit 28 Titeln, S. L . Crusius mit 34, die Dyck'sche Handlung und die Firma Jacobäer mit je 26, C h . P. Hilscher, Α . F. Böhme und G . F. Schneider mit je 24, J . F. Junius und Schwickert mit je 20 Titeln vertreten. 1 2 Es waren im wesentlichen zwischen drei und sieben große Verlage, die die Liste in den 1770er und 80er Jahren anführten, unter ihnen ragten Weidmann's Erben & Reich, Wendler (der 1785 bereits verkauft hatte) und gegen Ende des Jahrhunderts Weygand besonders hervor. 1776 sind Weidmann's Erben & Reich sogar mit 54 Titeln angeführt. D e r Geschäftsführer dieser Firma, Philipp Erasmus Reich, behauptete in einer Schrift von 1 7 7 3 , es gebe von den reichen Buchhändlern in Deutschland »ungefehr 300, und unter denselben sind kaum 50, welche den öffentlichen Credit völlig genießen und verdienen«. 1 3 Diese großen, zahlungskräftigen Verlage brachten Romane, Dramen, G e dichte, allgemeinbildende und unterhaltende Literatur, populäre Schriften und die sogenannten »Realien« (Mathematik, Naturwissenschaften, Landwirtschaft und Gewerbe) auf den Markt, rasch veraltende Neuerscheinungen, die sich an ein anonymes Publikum wandten. 1 4 Nicht nur Herstellung und Vertrieb, die Menge und die Form der Bücher, sondern insbesondere die anderen Inhalte lassen die zweite Hälfte des Jahrhunderts als bibliopolitisch völlig neues Zeitalter erscheinen. V o r allem die Gattung des R o mans erlebte einen steilen Anstieg; ein Drittel aller deutschen Romane erschien in Leipzig. A m auffälligsten war der Rückgang der theologischen und damit auch der lateinischen Literatur; statt der schwergewichtigen, teuren Folianten, die über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte ihre Geltung behalten hatten, bestimmte neusprachliche Literatur — neben deutschen vor allem französische und englische Werke — und deren Übersetzungen das literarische L e b e n . 1 5 Es ist unbestritten, daß Leipzig die Vorherrschaft unter den deutschen Verlagsorten einnahm, allerdings wirkt sich auf unsere Kenntnis der Zahlen auch aus, daß die Leipziger (Großverleger) ihren Platzvorteil auch beim Eintrag in den Messekatalog besser nutzen konnten als auswärtige Firmen — zumal seit der Messekatalog sich im Besitz der Firma Weidmann befand. Leipzig wurde zum S y n o n y m für die Modernisierung des Buchhandels oder — wie die Gegner der Leipziger Großverleger klagten — f ü r das Diktat einiger Monopolisten, die allen anderen Buchhändlern in Deutschland ihre Gesetze aufzuzwingen trachteten. 16
Veränderungen im Buchgewerbe »Entstehung des modernen Buchhandels« meint in der Buchhandelsgeschichte den Übergang vom Tausch- zum Nettohandel, das Übergewicht
110
des reinen Verlegers gegenüber dem Drucker-Verleger, die erste Organisierung der Buchhändler und ein erstes Gesetz gegen das Nachdrucken. Die Abwanderung von Frankfurt, die Beschwerden und Eingaben seit den 1720er Jahren, die Klagen über Nachdrucker und den geringen Schutz durch Privilegien, über Fälschungen und schlechtes Papier, überhöhte Preise und betrügerische Pränumerationsverfahren waren Reaktionen auf eine Krise des Gewerbes, über die wir schon deshalb recht gut unterrichtet sind, weil die Beschreibungen des Verfalls und die Vorschläge zur Verbesserung der Buchhandlung zunehmend öffentlich gemacht wurden. 1 7 Leipzig war spätestens seit 1765 das Zentrum der kapitalkräftigen Nettohändler, die Barzahlung verlangten, ihren Platzvorteil nutzten und die sich leisten konnten, kurz nach dem Siebenjährigen Krieg ihre Preise drastisch zu erhöhen. (Wobei diese Nettohändler den Tausch Ballen gegen Ballen vor allem gegenüber jenen Buchhändlern verweigerten, die keine »gute«, im Tausch adäquate Ware hatten. Es entsteht oft der Eindruck, als wäre bis zur Mitte des Jahrhunderts der Tausch und danach der Nettohandel generell üblich gewesen; man hat schon vorher Differenzen verrechnet und nach der »Reform« des Buchhandels noch getauscht, allerdings nurmehr mit ausgesuchten, möglichst gleichwertigen Partnern). Die Stadt war schon aufgrund ihrer verkehrsgünstigen Lage, der (relativ) sicheren Straßen und günstigen Bedingungen für den Fernhandel zum K n o tenpunkt des Verkehrs mit dem Osten und Südosten und zum Sitz der Zwischenhändler und Kommissionäre geworden. Seit der Reformation war die deutschsprachige, »kleine« Literatur in Leipzig weit stärker etabliert als im katholischen Süden; etwa ab 1750 wurde hier der überwiegende Teil jener neuen deutschen, französischen und englischen Originalwerke und Ubersetzungen ediert oder zumindest gehandelt, die in den Kreisen einer neuen Mittelschicht begehrt waren, die »man« diskutierte, hübsch einband, vorlas und verschenkte. Frankfurt hingegen wurde zunehmend zum Umschlagplatz für die Nachdrucke solch begehrter Originalwerke. U n d der Kampf der Originalverleger gegen die — vielfach, aber nicht nur — im Süden ansässigen Nachdrukker ihrer Werke (am bekanntesten sind neben Frankfurt vor allem Wien, Reutlingen und Karlsruhe als Nachdruckzentren) wurde zum entscheidenden Auslöser für die »Reform des Buchhandels«.
Die Reform des Buchhandels Als Stichdatum, als eine Zäsur, in der verschiedene Auseinandersetzungen greifbar werden, gilt das Jahr 1764, in dem Philipp Erasmus Reich, der Mitinhaber der Weidmannschen Buchhandlung, in einem Brief an den damaligen Regenten Sachsens, Prinz Xaver, schrieb:
111
In der letzten Messe habe ich und verschiedene andere Fremde von F r a n k f u r t am M a y n A b s c h i e d genommen und die Buchhändler-Messe, so zu sagen, daselbst begraben [ . . . ] . ' 8
Dieser Brief lag als persönliches Schreiben Reichs einer Petition bei, die vierzehn Leipziger Buchhändler unterzeichnet hatten. In ihr forderten die Buchhändler Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung des einheimischen Buchhandels. Die Buchhändler haben die Frankfurter Messe, wie wir gesehen haben, nicht >umgebracht8
Die spätere Korrespondenz ist kein annähernder Ersatz. Als Geliert sich 1754 aufrafft, seine fünf Jahre liegengebliebenen Lehrgedichte zu veröffentlichen, schickt er sie zur Prüfung an die in alle Welt zerstreuten alten Freunde. Johann Adolf Schlegel klagt er: »Ich habe hier keine critische Seele«; 39 drei Leute könne er in Leipzig zur Not um Rat angehen, aber denen traue er nicht, sie seien keine Poeten. Auch sonst ist Leipzig in den 50er Jahren nicht mehr das geistige Zentrum, das es in den 40er Jahren noch war. 40 Das zeigt sich beispielsweise am Theater: 1750 löst die Neuberin ihre Truppe auf, deren Stützpunkt Leipzig war; ihr Aufführungs-Privileg wird von dem Prinzipal Koch erworben, der nur schwachen Ersatz bietet. Leipzig bleibt zwar ein wichtiger Spielort, verliert aber seine zentrale Rolle — die neuen Dinge tun sich anderswo, an der bisherigen Peripherie sächsischer Kultur, zum Beispiel am Rostocker Hoftheater. Leipzig gerät in den 50er Jahren in den Ruf der literarischen
213
Rückständigkeit. 1 7 5 5 z u m Beispiel klagt Friedrich Wilhelm Zachariä über die mangelnde Anerkennung der Gegenwartsliteratur in Deutschland und schießt dabei besonders gegen das nur noch von Gottscheds Geist beherrschte Leipzig: Doch, Göttinn, daß man itzt noch mehr als fühlloß bleibet, Wenn Klopstock göttlich singt, Satiren auf ihn schreibet, Und Bodmers Muse höhnt, und Wielands Lied verschmäht; Dies ist Germanien, was mir zu Herzen geht. In Leipzig, wo vor dem der Schlegel Lied gesungen; Wo noch ein Geliert singt und Cramers HarP erklungen, In Leipzig thront und herrscht ein blinder Aristarch, Der Reime Patriot, der Prosa Patriarch. Vergebens zeichnen ihn des strengen Satyrs Schläge, Er achtet Striemen nicht, und bleibt auf seinem Wege; Und tadelt allezeit, sobald ein grosses Lied Nicht an dem Boden kriecht, und seiner Zucht entflieht. Sey Richter zwischen mir, und diesem stolzen Manne, Den ich mit ewgem Haß aus meinem Reich verbanne! 4 ' H i e r in Leipzig sitzt Geliert als Extraordinarius in Gottscheds Fakultät, in einer Universität, die gerade in den 1 7 5 0 e r Jahren angesichts der neuen K o n k u r r e n z vor allem Göttingens, aber auch anderer Akademien wie des Braunschweiger Carolinums M ü h e hat, ihren Stand zu halten. Im Januar 1 7 5 6 bittet Geliert Rabener, doch seinen Einfluß am Dresdener H o f geltend zu machen, um der massiven A b w e r b u n g Leipziger Professoren mit Bleibeangeboten zu wehren. Sein Brief und Rabeners A n t w o r t zeigen bündig die ganze Situation der Universität und Gellerts in ihr. Geliert schreibt: Man will Ernestin mit aller Gewalt nach Göttingen ziehn. Können Sie es verhindern, so thun Sie es aus Liebe für Leipzig. Es ist ein wahres Unglück für unsre Academie, wenn man diesen gelehrten, brauchbaren, fleißigen und treflichen Mann fortgehn läßt. Er ist nützlicher und in 10 Jahren berühmter, als 100 Andre. So wollen sie auch Dr. Bachen gern nach Göttingen locken. Eine verteufelte List! Warum nicht auch Sie? Denn ich bin sicher, weil ich nicht gelehrt bin. 42 Rabener schreibt mit dem Z y n i s m u s der Hilflosigkeit angesichts der Interessen des H o f e s zurück: Ich kann es geschehn lassen, daß wir Ernesti und Bachen verlieren; behalten wir nur den göttlichen Belli und die unsterbliche Pilaja [ = Sänger und Sängerin der Dresdner Oper]. Kästnern können wir leicht vergessen; er konnte nicht einmal tanzen, und haben Sie wohl, so lange Sie ihn kennen, eine vernünftige Perücke auf seinem Kopfe gesehn? Wollen die Ausländer etwa Jöchern, Mascoven, Crusius etc. auch wegnehmen? Gut; wenn nur Sie bey uns bleiben, denn Sie machen gar zu drollichte Fabelchen. Und geht auch die ganze Universität ein; was ist es nun mehr? Leipzig wird doch wegen der Lerchen, nach wie vor berühmt bleiben? 43 In diesen Bemühungen um die Universität scheint die untergeordnete Rolle Gellerts in der akademischen Hierarchie durch. 4 4 D a z u stimmt seine schon 214
in den 40er Jahren merkliche Neigung, nicht auf Konfrontation zu gehen. Er hegt zum Beispiel stille Sympathien für Klopstocks Werk, freilich weniger für dessen neuen poetischen Ton als für die religiöse Position, — aber das darf um Gotteswillen nicht an die Öffentlichkeit gelangen: »Verhüten Sie, daß ich nicht zufälliger Weise ein Märtyrer der Aufrichtigkeit werde«. 45 So 1755 in einem Brief an Freifrau von Bentinck, die Kontakte zu höchsten politischen Kreisen und damit zur Spitze der literarischen Öffentlichkeit hat. Und sicherheitshalber hängt Geliert ein Postscriptum an: p. S. Ich lese Hallern lieber zehnmal, als Kloppstocken einmal, lieber den Virgil, als Kloppstocken; ich glaube, daß man viel Geschmack haben u. sich nicht überwinden kann, ihn zu lesen, wenn man nicht seine Sprache gewohnt ist. 4 6
Also Antwort drei: Ein gezwungener Verzicht auf literarische Betätigung angesichts beruflicher Zwänge und mangelnden literarischen Ambientes? Das ginge sicherlich zu weit. Nirgendwo nämlich entdeckt man schriftstellerische Pläne, die aus solchen Rücksichten in der Schublade blieben. Vielmehr läßt Geliert sich auch nicht zu Dingen bereden, die durchaus ungefährlich wären; zum Beispiel — 1748 — dazu, eine Fortsetzung der Schwedischen Gräfin zu verfassen, in der er die neue preußische Gesindeordnung moralisch-pädagogisch unters Volk bringen soll. 47 So bietet sich eine weitere Antwort an: Geliert hat alles gesagt, was zu sagen war. Er hat aufgrund seiner weltanschaulichen Position keinen Anlaß, sein bisheriges literarisches Werk zu revidieren oder fortzusetzen. Die einzige Revision geschieht seit den 50er Jahren bei den Neuauflagen der Dramen; sie werden in erotischer und religiöser Hinsicht purgiert.48 Eine Fortsetzung literarischer Produktion gelingt nur noch einmal und aus neuem Geist, nämlich mit den Geistlichen Oden und Liedern 1757. Deren Vorrede beginnt: W e n n die Sprache der Poesie vorzüglich geschickt ist, die Einbildungskraft zu beleben, den Verstand auf eine angenehme Weise zu beschäfftigen, und dem Gedächtnisse die A r b e i t zu erleichtern; wenn sie geschickt ist, das H e r z in B e w e g u n g zu setzen, und die E m p f i n d u n g e n der Freude, der Liebe, der Bewunderung, des Mitleidens, des Schmerzes zu erwecken, oder zu unterhalten: So ist es unstreitig eine große Pflicht der Dichter, diese K r a f t der Poesie vornehmlich den Wahrheiten und Empfindungen der Religion zu w i d m e n . 4 '
Poesie ist für Geliert schon vor dieser Wendung ins Religiöse kein Selbstzweck. Seinem adligen Schüler Hans Moritz von Brühl rät er 1754: [ . . . ] lassen Sie sich von den Zaubereyen der Poesie nicht zu sehr hinreißen. Ich kenne die G e w a l t dieser Sirene. Sie sind, so glücklich Ihr Genie auf der poetischen Seite ist, doch ganz gewiß zu größern Dingen bestimmt. V o n diesen darf Sie die Poesie nicht abziehen. >°
Das im selben Atemzug mit der Ablehnung, ein Gedicht Brühls im einzelnen zu kritisieren: Die akademische Lehrbelastung lasse ihm keine Zeit.
215
Geliert hierarchisiert so auch die eigenen Tätigkeiten: Das Lehramt rangiert vor den poetischen Interessen, auch vor denen der literarischen Kritik. Dichter-Autonomie, wie Klopstock sie zu dieser Zeit propagiert, ist für Geliert kein Thema, höchstens eine überwundene Versuchung. Damit haben wir schon Antwort fünf. Geliert hat keinen Anlaß, sich literarisch fortzuentwickelnKlein-Paris< 4 ° d o c h s e l b s t ä n d i g l e b e n — und schreiben.
ANMERKUNGEN Ι. [DOMINIKUS BECK:] Briefe eines Reisenden von *** an seinen guten Freund zu ''·"'·"''' über verschiedene Gegenstände der Naturlehre und Mathematik. Salzburg 1 7 8 1 , S. ioof. 2. Brief an Cornelia, 12.12.1765. In: Der junge Goethe. Neu bearb. Ausg. in 5. Bden. Hrsg. von HANNA F I S C H E R - L A M B E R G . Bd. I. Berlin 1963, S. 94. Im folgenden zit.: DjG. 3. G O E T H E : Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Hrsg. von PETER SPRENGEL. Münchner Ausg.: Bd. 16. München 1985 (im folgenden Dichtung und Wahrheit), S. 329ff. 4. Ebd., S. 268. 5. JULIUS VOGEL: Goethes Leipziger Studentenjahre. Dichtung und Wahrheit. Leipzig 4 1 9 2 3 , S. 39. 6. Vgl. Dichtung und Wahrheit, S. 302; DjG Studentenjahre, S. 34.
Bilder und Erläuterungen
I, S. 143; VOGEL, Goethes
zu
Leipziger
7. DjG I, S. 94. 8. DjG I, S. 103 f. Zitat aus As you like it. Ubers.: Goethe an Cornelia. Die dreizehn Briefe an seine Schwester. Hrsg. von ANDRÉ BANULS. Hamburg 1986, S. 53F.
245
9·
VOGEL,
Goethes Leipziger Studentenjahre,
S.
64f.
10. Dichtung und Wahrheit, S. 276f. 11.
VOGEL,
Goethes Leipziger Studentenjahre,
S. 17.
12. [ A N D R E A S M E Y E R : ] Briefe eines iungen Reisenden durch Ließand, Kurland und Deutschland zu seinem Freund Herrn Hofrath K... in Ließand. Zweyter Thl. Erlangen 1777, S. 145. 13. Ebd., S. 135. Außer der in Anm. 1 schon erwähnten Reisebeschreibung wurden herangezogen: [ J O H A N N J O S E F ] K A U S C H S Briefe an den Einsiedler Gerund auf dem Riesengebürge, über seine Landesverweisung und gethanen Reisen nach Leipzig, Jena, Weimar, Erfurt, Gotha, Göttingen, Halle, Potsdam und Berlin. Berlin 1798; [ J O H A N N G O T T L I E B B U R C K A R D T : ] Bemerkungen auf einer Reise von Leipzig bis London an eine Freundin. Leipzig 1788; L E O P O L D F R I E D R I C H G Ü N T H E R G O E C K I N G K : Briefe eines Reisenden an Herrn Drost von LB [1778/79]. Leipzig 1981. Für bibliographische Hilfe danke ich Wolfgang Griep, Bremen. 14. Dichtung und Wahrheit, S. 278 f. 15. Ebd., S. 319.
16. Ebd., S. 305.
17. Ebd., S. 293, 288.
18. Ebd., S. 293.
19. Ebd., S. 301.
20. Ebd., S. 303.
21. Ebd., S. 306.
22. Ebd., S. 306.
23. Ebd., S. 358.
24. DjG I, S. 102. 25. G O E T H E : Der junge
Goethe
i j j j — i j j j . Hrsg. von G E R H A R D
SAUDER.
Münchner Ausg.: Bd. 1. 1. München 1985, S. 87^ 26. DjG I, S. 116. Vgl. Goethe an Cornelia (Anm. 8), S. 64. 27. DjG I, S. 126.
28. DjG I, S. 142 (14.10.1767).
29. Vgl. W O L D E M A R F R E I H E R R V O N B I E D E R M A N N : Goethe und Leipzig. Zur hundertjährigen Wiederkehr des Tags von Goethe's Aufnahme auf Leipzigs Hochschule. Erster Thl. Goethe's Leben in Leipzig. Leipzig 1865, S. 1 j i f f . 30. Vgl. DjG I, S. 142, 145. 31. Vgl. A L F R E D J E R I C K E : . . . es ist ein klein Paris. Die Wirkung der Stadt Leipzig auf Persönlichkeit und Werk Goethes. Weimar 1965, S. 79 f. 32. Vgl. Dichtung und Wahrheit, S. 301. 33. Dichtung und Wahrheit, S. 333. 34. Vgl. Berühmte Leipziger Studenten. Hrsg. von Berlin 1984, S. 73.
HANS PIAZZA
u.a. Leipzig, Jena,
35. Dichtung und Wahrheit, S. 340. 36. Dichtung und Wahrheit, S. 308f. 37. DjG I, S. 89 (6.12.1765).
38. DjG I, S. 155.
39. [ A N O N . : ] Der leipziger Avanturieur, oder eines gebornen Leipzigers eigenhändiger Entwurf seiner Schicksale. I. Thl. Frankfurt und Leipzig 1756, S. 113 f. 40. Zur Herkunft des Topos — Goethe hat ihn in Leipzig kennengelernt — vgl. es ist ein klein Paris (Anm. 31), S. 2off.
J E R I C K E , ...
246
HERBERT
KOLB
Johann Christoph Adelung, Philologe und Schriftsteller in Leipzig
Adelung war kein Leipziger von Geburt, geboren ist er in einem Pfarrhaus in Preußisch-Vorpommern, gestorben in Dresden. Sein Leben erstreckte sich über reichlich siebzig Jahre, von 1732 bis 1806, die besten davon hat er in Leipzig verbracht. Dorthin gekommen war er aus Erfurt als Zweiunddreißigjähriger, verlassen hat er es als Fünfundfiinfzigjähriger. In Erfurt, damals noch kurmainzisch, war er vier Jahre lang Lehrer »in arte poetica und anderen nützlichen Wissenschaften« sowie in Religion am evangelischen Ratsgymnasium gewesen. ' Nach Dresden ging er, um die Stelle eines Oberbibliothekars an der kurfürstlichen Bibliothek anzutreten, um die er sich von Leipzig aus beworben hatte und die er hinfort mit dem Titel eines Hofrats bis an sein Lebensende einnahm. Vom Elternhaus her entschiedener Lutheraner und als Student der Theologie in Halle darin gefestigt, hatte er in Erfurt ein Stadtwesen kennengelernt, das, in seiner Bürgerschaft zwar evangelisch, von Mainz her durch eine katholische Obrigkeit regiert und, etwa über die katholisch-theologische Fakultät der noch bestehenden Universität, auch geistig mitbestimmt wurde, 2 und lernte er in Dresden wiederum eine Stadt kennen, die bei evangelischer Bevölkerung Residenz eines Landesherrn katholischer Konfession und seines Hofes war. Solche im übrigen durch ein aufgeklärtes Kirchentum auf beiden Seiten gemilderte Diskrepanz fand er in dem durch und durch protestantischen Leipzig nicht vor. Überdies lebte er hier frei von den Bindungen an ein mit geregelter Sorgfalt zu versehendes Amt, aber auch ohne die vielleicht bescheidenen, doch regelmäßigen Einkünfte eines solchen. Seine Leipziger Existenz war ganz auf freies Schriftstellertum gestellt, recht und schlecht schlug er sich damit durch, zeitlebens Junggeselle. Es waren hauptsächlich Korrektor- und Ubersetzungsarbeiten für das Haus Breitkopf und andere Verlage, womit er seinen Lebensunterhalt verdiente, danach auch, seit 1769 bis zu seinem Weggang nach Dresden, die Redaktion der zweimal wöchentlich erscheinenden Leipziger Zeitungen, von 1772 — 74 des von ihm gegründeten Leipziger Wochenblatts für Kinder, nach Art und Höhe der Belehrung eher eine »moralische Wochenschrift für die reifere Jugend«, 3 sowie die Redaktion weiterer, zumeist kurzlebiger Periodica für
247
ein an gelehrten Sachen der verschiedensten Art interessiertes Publikum; das redensartlich gewordene Leipziger Allerley der neuesten und merkwürdigsten Begebenheiten dieser Zeiten, wiederaufgenommen mit dem Titel Neues Leipziger Allerley der merkwürdigsten Begebenheiten dieser Zeiten, ist unter ihnen. Es sind insgesamt elf Zeitungen und Zeitschriften ganz verschiedenen Gepräges gezählt worden, die Adelung im Laufe seines Lebens herausgegeben hat, fast alle in seiner Leipziger Zeit. Doch die Ubersetzungen und, wie er sagt, »andere leichte Arbeiten, wozu ich die Nächte zu Hülfe nehmen mußte«, 4 waren nicht das, worauf sein Schriftsteller-Ehrgeiz eigentlich ausging; dies waren vielmehr gelehrte Arbeiten. Vorbereitet auf die in Leipzig ausgeübten Tätigkeiten, die ihn in allen literarischen Sätteln gerecht erscheinen ließen, und dafür empfohlen war er seit seinen Hallenser Studienjahren bei Siegmund Jacob Baumgarten, der nach damaligem Brauch, da die Historie erst auf dem Weg war, eine eigene Universitätsdisziplin zu werden, das historische Fach mitvertrat. Unter Baumgartens Anleitung hatte er an der Übersetzung englisch- und französischsprachiger Standardwerke ebenso zur Welt- wie zur nationalen Historie mitgewirkt und durch die Schule des Übersetzens im Hause und unter den Augen seines Lehrers in dem Maße schreiben gelernt, daß er einige Jahre danach, als er, nach dem Tod seines Lehrers und schon Gymnasialprofessor in Erfurt, sein erstes ganz selbständig herausgegebenes Übersetzungswerk vorlegte (die für die heraufkommende Geschichtswissenschaft grundlegende Urkundenlehre der Mauriner, den Nouveau traité de diplomatique, davon die ersten drei Teile), hatte sagen können, er habe seine »Art zu schreiben nach dem Geschmack eines großen Gottesgelehrten unsrer Kirche bilden müssen, unter dessen Aufsicht ich an einigen von ihm herausgegebenen Werken arbeitete«.5 Die wissenschaftliche Neugier des angehenden Theologen war damit einerseits über Heils-, Welt- und Kirchengeschichte hinaus auch auf die Geschichte einzelner Völker und Staaten gelenkt worden, die in der theologischen Betrachtung der historia terrena als einer Abfolge einander ablösender Weltreiche bis dahin wenig beachtet worden war. Und gelenkt anderseits auf die Fundamentalwissenschaft der pragmatisch betriebenen, d.h. die Gründe aufsuchenden und diese mit den Fakten zu Handlungs-, Geschehens- und Wirkungszusammenhängen verknüpfenden Historie, die ebenso sehr auch der Philologie zugute kommen sollte: die Diplomatik. Noch Gatterer, der Begründer der Historie als einer Schulwissenschaft, in seinem 1763 erschienenen Elementarwerk — Adelungs vorausgegangene Übersetzung der maurinischen Diplomatik findet sich darin aufgeführt 6 — hat sie, allmählich verblassendem Brauch folgend, ars diplomatica genannt und mit dieser Bezeichnung sie an die Septem artes liberales des vom Mittelalter herkommenden Schulstudiums, zumal an deren Trivialfächer Grammatik, Rhetorik, Dialektik, angereiht. 248
Die Diplomatik der damaligen Zeit, auch die von Adelung aus dem Französischen übersetzte, begann mit einer Darlegung der Verhältnisse zwischen Laut und Schriftzeichen in den verschiedenen Sprachen und Epochen, war als eine Art Entzifferungslehre für Texte Paläographie im heutigen Sinne und konnte leicht von einer Elementarwissenschaft zu einer Hauptwissenschaft mit eigenen Erkenntniszielen und Fragestellungen werden: nicht mehr bloß nach dem Verhältnis zwischen Laut und Schrift in einer jeweiligen Sprache oder Sprachstufe, sondern nach Erfindung und Erfinder der Schrift überhaupt, im besonderen dem »Ursprung der Buchstabenschrift aus der Hieroglyphe«, 7 nach der Übertragung und Nachahmung von einer Schriftkultur in die andere, nach ihrem Sinn und ihrer Geschichte und schließlich nach ihrer sprachnormierenden und konservierenden Wirkung. Diese Fragen haben Adelung von Studienzeiten her beschäftigt, und wie er die Dinge ansah, ist in allen seinen sprachkundlichen und kulturgeschichtlichen Werken in der einen oder anderen Weise niedergelegt. Seine Ansichten, vorerst aus der gelehrten Literatur, doch auch aus eigener Sprachenkenntnis gewonnen, spezifizierten sich zunächst in kürzerer Darstellung in dem 1782 in Leipzig herausgebrachten Umständlichen Lehrgebäude der Deutschen Sprache, sodann in der noch in Leipzig abgeschlossenen, doch erst kurz nach seiner Übersiedlung nach Dresden in der Weygandschen Buchhandlung Leipzig 1788 veröffentlichten Vollständigen Anweisung zur Deutschen Orthographie, die viel mehr ist, als der Titel anzuzeigen scheint. Denn sie enthält, den vollen Inhalt des Begriffs Orthographie ausschöpfend, eine Beschreibung des Verhältnisses von Schrift und Sprache des Deutschen in Geschichte und Gegenwart, einbegriffen die Hauptmundarten des Deutschen, und jeweils eingestreute kulturhistorische Rückblicke in die Geschichte der für die graphische Fixierung der deutschen Sprache benutzten Schriften und Schriftzeichen. Adelung war also von Hause aus viel mehr als der pedantische Sprachmeister und Regelanweiser mit angemaßter Kompetenz für das Hochdeutsche, als der er schon in der Folgegeneration bespöttelt wurde 8 und teilweise noch heute verkannt wird. Davor bewahrten ihn von allem Anfang an die Weitläufigkeit und Gründlichkeit seiner Studien, davor bewahrte ihn künftighin die Vielfalt der Schriftstellerei, die von ihm verlangte, über die Begebnisse des Tages ebenso auf dem laufenden zu sein wie über Neuerscheinungen auf vielerlei Wissensgebieten, auch in fremden Sprachen, vorab französisch und englisch, und davon einem breiteren Publikum verständlich und faßbar Mitteilung zu machen. Die größte thematische Weite erlangte sein schriftstellerisches Schaffen gelehrten Zuschnitts in der Leipziger Zeit. Dagegen verengte es sich, bei noch immer imponierender Fülle, in den ihm in Rüstigkeit noch verbleibenden zwanzig Schaffensjahren in Dresden, sichtlich in Richtung auf das 249
zünftig Philologische, Sprachgeschichtliche und Landeskundliche hin. Die kurfürstliche Bibliothek, deren Bestände er sichtete, ordnete und erweiterte, lud ihn dazu ein, Quellen freizulegen und bekanntzumachen. Die Hinwendung zu einer mehr zunftmäßig technischen Behandlung der Gegenstände hat für den Betrachter und Beurteiler Adelungs auch den Vorteil, daß sie aus Angaben zur gelehrten Literatur endlich auch sehen läßt, wie und worin er seinen Vorgängern verpflichtet war, nachdem er zuvor, wie gewiß übertreibend bemerkt wurde, durch eine »meisterhafte Technik verschweigenden Zitierens« 9 verhindert hatte, sich in die Karten sehen zu lassen. Ist es in der Tat schwer und mühselig, auszumachen, was Adelung sich einfach auf die Schultern seiner Vorgänger setzend vortrug, und davon zu unterscheiden, was er auf eigenen Füßen stehend und gehend zuwege brachte, so ist zu bedenken, ob das an ihm Gerügte vielleicht einem sich noch fortschleppenden altmodischen Gelehrtenusus entsprach, und jedenfalls: daß Adelung sich erst allmählich freizumachen vermochte von seiner zumal in Leipzig gepflegten publizistischen Darbietungsweise, die auf das gelehrte Beiwerk verzichten konnte und mußte. Seine erste Dresdner Veröffentlichung, 1788 wie das meiste Vorherige bei Breitkopf in Leipzig erschienen und »seinen in Leipzig zurück gelassenen Freunden« (die er namentlich leider nicht nennt) gewidmet, wirft ein erhellendes Licht voraus auf diesen letzten Abschnitt seiner Tätigkeit. Sie gilt dem bayerischen Edelmann Jacob Püterich von Reicherzhausen, einem Bücherliebhaber und Handschriftensammler aus dem 15. Jahrhundert, der große Partien eines langen strophischen Gedichts, Ehrenbrief genannt, damit ausfüllt, die Handschriften mittelalterlicher deutscher Dichtung, die sich in seinem Besitz befinden, aufzuzählen und knappe Angaben über ihre Autoren beizufügen; »vielleicht der einzige gereimte Bücher-Catalogus, welchen man hat«, schreibt er, und das Ganze, wie schon der Untertitel sagt, Ein kleiner Beytrag zur Geschichte der Deutschen Dichtkunst im Schwäbischen Zeitalter. Demgemäß druckt er nur diese Strophen, versehen mit einem für seine Zeit kenntnisreichen Sachkommentar, für seine Leipziger Freunde ab. Der historiographische Grundzug seines Gelehrtentums kommt also auch unter dem Mantel des Philologen zum Vorschein; nicht durch poetische Qualität vermag Dichtung ihn anzuziehen, sondern wegen des dokumentarischen Wertes, den sie für die Literaturgeschichte haben kann. Dies wird expressis verbis in der Mitteilung an den Leipziger Freundeskreis, der offenbar seine literarhistorischen Vorlieben und Interessen teilte, in eben diesem Büchlein deutlich: er habe schon ehedem damit angefangen, »Nachrichten von unsern ältern Dichtern zu sammeln«, und ihm sei bald nach seiner Ankunft in Dresden sein »altes Lieblings-Studium, die Geschichte unserer ältern Dichter«, wieder eingefallen. 10 Jedenfalls markiert diese erste Dresdner Veröffentlichung, mögen ihr auch längere Vorstudien 2JO
vorausgegangen sein, den Auftakt eines neuen Abschnitts in Adelungs schriftstellerischer Tätigkeit, eine Komponente, die bis dahin nicht zutage getreten war: die Beschäftigung mit der deutschen Literatur des Mittelalters nicht mehr unter bloß sprachgeschichtlichen Aspekten. Wir sehen ihn, der von der Universalhistorie ausgegangen war, nunmehr auf dem Weg, der in gerader Linie zu dem Göttinger Benecke, zu den Grimms und ihren Freunden der jungen Jahre hinführt. Aus dem Schaffen seiner Leipziger Zeit, aus dem das Umständliche Lehrgebäude der Deutschen Sprache (1782) und die Vollständige Anweisung zur Deutsche Orthographie (1788) schon hervorgehoben wurden, ragen an Bedeutung noch zwei weitere Werke heraus. Es ist an erster Stelle überhaupt der Versuch eines vollständigen grammatisch-kritisch en Wörterbuches der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der oberdeutschen, dessen erster Teil, die Buchstaben A —E umfassend, 1774 bei Breitkopf herauskam und dessen weiteren vier Teile 1786 abgeschlossen vorlagen. Es ist das Werk, das, in der Dresdner Zeit unter abgewandeltem Titel in »vermehrter und verbesserter Auflage« (1793 — 1801) neu herausgegeben, in Brünn 1788 nach der ersten, in Wien gleich nach seinem Tod nach der zweiten Auflage, »revidirt und berichtiget von Franz Xaver Schönberger«, und fortan — sei es in Auszügen, sei es im Ganzen — öfters nachgedruckt, den Ruhm Adelungs weit über die Grenzen Sachsens hinaustrug, bei weitem sein monumentalstes. Aber auch dasjenige, unter dem er am meisten gelitten hat, nicht allein wegen des Schweißes, den es ihn kostete, noch mehr wegen der Spannungen, Entfremdungen und Beinahe-Zerwürfnisse mit den Verlegern Breitkopf und anderer Mißhelligkeiten wegen, für die es Anlaß wurde. Die mühselige Arbeit an diesem Werk, so klagte er später, habe ihm zwanzig seiner besten Jahre und mit ihnen seine besten Kräfte verzehrt." Zwanzig Jahre — der Plan zu diesem Wörterbuch und Grundlinien seiner Anlage gingen auf eine Vereinbarung zwischen Gottsched und dem mit ihm befreundeten Verleger Bernhard Christoph Breitkopf zurück; doch Gottsched war, als er 1766 starb, über Anfangsarbeiten nicht hinausgekommen. Danach ließ Adelung, frisch nach Leipzig gekommen, sich von Breitkopf, dem an dem Unternehmen sehr gelegen war, dazu bestimmen, das Vorhaben, allerdings nach eigener Konzeption, auszuführen: es brauchte in der Tat zwanzig Jahre. Das Adelungsche Wörterbuch, das sich, worauf auch die zahlreichen Nach- und Neudrucke hinweisen, in der Öffentlichkeit bis weit in das 19. Jahrhundert hinein großen Ansehens erfreute, hat in der Germanistik auf lange hinaus nicht die Anerkennung gefunden, die es erst in jüngster Zeit wieder zu finden beginnt. Sein Ruf ist durch die Sprachauffassungen der Romantik und die daraus hervorgegangene frühe Germanistik verdunkelt, hernach von dem Grimm2
5!
sehen Wörterbuch überschattet worden. Wenigstens hatte Jacob Grimm, der sonst an tadelnden Worten über seinen Vorgänger ja nicht sparte, in der Vorrede zu diesem Werk Urteil und Freimut genug, zuzugestehen, daß an dessen Wörterbuch »alles aus einem gusz und reiflich erwogen« sei. 12 Gerechterweise muß solches von dem Sprachgelehrten Adelung insgesamt, aus dem man den Lexikographen ja nicht herausnehmen kann, gesagt werden. Mehr noch, mit Leitsätzen wie »eine gründliche Sprachlehre ist gewisser Maßen eine pragmatische Geschichte der Sprache«, 13 und »ohne eine genaue Kenntniß des Stufenganges, welchen eine Nation in dem Baue und der Bildung ihrer Wörter von dem ersten Ursprünge ihrer Sprache an, bis zu ihrer höchsten Verfeinerung beobachtet hat, wird in keiner Sprache eine erträgliche Sprachlehre zu Stande kommen«,' 4 steht Adelung nicht mehr im Vorhof oder an der Schwelle der historischen Betrachtung der Sprache, sondern, zumindest mit seinen Prinzipien, bereits mitten darin. Denn was er fordert und mit seinen Kräften zu praktizieren trachtet, ist, wenn auch noch ohne ausgebildete Methode, der Sache nach diachrone und evolutive Beschreibung von zeitlich aufeinander folgenden Sprachzuständen, analytisch bis zum Bau ihrer Wörter, und das heißt doch: historische Lautlehre und Morphologie. Woran es, vergleicht man ihn darin mit den die historische Sprachwissenschaft begründenden Anfangsleistungen der Bopp, Rask und Grimm, ihm noch fehlt, ist der Fortgang vom bloß ermittelten und pragmatisch verknüpften Befund »des Veränderlichen in der Sprache«,' 5 bei dem er stehen bleibt, zum Herausfinden von inneren Regeloder Gesetzmäßigkeiten, nach denen der Stufengang einer Sprache »von ihrem ersten Ursprünge an bis zu ihrer höchsten Verfeinerung« sich vollzieht. Und was ihn außerdem in charakteristischer Weise von den Späteren unterscheidet, ist der aus aufklärerischer Grundansicht von ihm festgehaltene Begriff der fortschreitenden und zuletzt höchsten Verfeinerung, der bloß im Verbund mit einer allgemeinen Idee des Fortschritts in der Kultur- und Menschheitsgeschichte behauptet werden kann und von der historischen Sprachwissenschaft, wenigstens mit dieser Allgemeinheit, fallen gelassen wurde. Während der Sprachgelehrte Adelung, vor allem mit seinem Wörterbuch, aber auch mit seinen grammatischen und sprachhistorischen Schriften, auch späterhin, zumindest in den engen Kreisen der germanistischen Sprachwissenschaft und Wissenschaftsgeschichte, nicht gänzlich unbeachtet blieb, ist der Kulturhistoriker bis in die jüngste Zeit so gut wie völlig dem Vergessen anheimgefallen. ' 6 Dies betrifft auch dasjenige seiner Werke, das ich an letzter Stelle als eines der herausragenden seiner Leipziger Zeit bezeichnen möchte, den Versuch einer Geschichte der Cultur des menschlichen Geschlechts, »Leipzig bey Christian Gottlieb Hertel 1782«, erschienen ohne direkte Angabe des Verfassernamens. Dieses Werk hebe ich aus seiner mittleren Schaffensperiode vor allem deshalb hervor, weil es mir als der umfas252
sendste Entwurf und als die kompakteste Synthese von allen Werken Adelungs erscheint und weil es sowohl den Polyhistor, der er war, als auch den konstruktiven Denker am deutlichsten sehen läßt. Dem mit Völker- und Staatengeschichten, Reise- und Weltbeschreibungen, Werken von Handel, Schiffahrt, Metallgewinnung und vielem anderen durch die Literatur, die er gelesen, über die er in Zeitungen und Zeitschriften berichtet und die durch Ubersetzungen allgemeiner zugänglich zu machen er zu seinem Teil mitgeholfen hatte, zu diesem Zeitpunkt auf das weitläufigste, sachgerechteste und konkreteste, soweit dies über die Literatur geschehen konnte, vertrauten und auf das Pragmatische eingeschworenen Schriftsteller mußte bewußt sein, daß eine Geschichte der Kultur des menschlichen Geschlechts, selbst bloß als >Versuch< ausgegeben und in ein einziges Buch zusammengedrängt, nicht bewältigt werden konnte ohne den sozusagen geballten Einsatz konstruktiver oder, wie die Zeit zu sagen liebte, spekulativer Gedanken. Und Adelung hielt sich, bis an den Hals im historischen Material steckend, den Kopf dafür frei. Bei den Positionen, die er längst eingenommen hatte, war es aussichtslos, der Materialauswahl, -anordnung und -durchdringung mit einer einzigen Denkform Herr zu werden. Er mußte mehrere zugleich aufbieten, sie miteinander zu kombinieren suchen, um den Gesamtablauf der Kulturgeschichte überschaubar, der Vernunft einsichtig und pragmatisch, das heißt in seinem Sinne aus Gründen erklärbar und auf künftiges Handeln anwendbar, darzustellen. Dazu durfte er sich gestatten, unter Beibehaltung der Großstrukturen die Einzelelemente verschiedenfältigen Modifikationen zu unterwerfen. Nach Adelungs universaler Darstellung gliedert sich die Geschichte der Kultur des menschlichen Geschlechts von den Anfängen bis in die Gegenwart des Autors in acht zeitliche Abschnitte: I. Von dem Ursprünge des menschlichen Geschlechtes bis auf die Sündfluth — II. Von der Sündfluth his auf den gereinigten Religions-Begriff durch Mosen — III. Von dem durch Mosen gereinigten Religions-Begriffe bis zur aufgeklärten Cultur der Griechen — IV. Von der blühenden Griechischen Cultur bis auf Christum — V. Von Christo bis auf die Völkerwanderung — VI. Von der Völkerwanderung bis auf die Kreutzzüge — VII. Von den Kreutzzügen bis zur völligen Aufklärung im i6ten Jahrhunderte — VIII. Von dem i6ten Jahrhunderte bis auf unsere Zeiten. Solche Strukturierung des Ablaufs der Geschichte der Kultur gibt leicht zu erkennen, daß Adelung, freilich mit schon deutlichen Abwandlungen, hierbei eine Denkform anwendet, die seit dem spätantiken Christentum und das ganze Mittelalter hindurch als Gliederungsprinzip der Heils- und Weltgeschichte in Geltung war: die Lehre von den sex aetates mundi von Anfang bis Ende der Zeiten, die erste aetas von Adam bis Noah sich erstreckend, die weiteren über die Periodeneinschnitte Abraham, David, babylonisches Exil der Juden, Christi Geburt bis zum Weltende. Daß das 253
Strukturprinzip, ungeachtet dessen, daß es mittlerweile erheblichen Modifikationen unterworfen wurde, letztlich dorthin zurückweist, wirkd nicht nur an der Identität des ersten Zeitabschnitts in der Adelungschen Kulturgeschichte mit der ersten aetas mundi deutlich, sondern auch an der von ihm vorgenommenen Parallelisierung der Weltzeitalter mit den Altersstufen des menschlichen Lebens. Waren es in der alten Heils- und Weltgeschichte die infantia, pueritia, adolescentia, iuventus, gravitas, senectus, die als die sex aetates hominis zu den sechs Weltzeitaltern in Parallele gesetzt wurden, 1 7 so heißt es bei Adelung, der an dem Prinzip der Parallelisierung festhält, dieses aber der Streckung auf acht Zeiträume und inhaltlichen Modifikationen unterwirft: I. Der Mensch ein Embryo — II. Das menschliche Geschlecht der Cultur nach ein Kind — III. Das menschliche Geschlecht ein Knabe — IV. Blühendes und rasches Jünglingsalter des menschlichen Geschlechtes — V. Der Mensch ein aufgeklärter Mann — VI. Der Mann in schweren körperlichen Arbeiten — VII. Der in Einrichtung und Verschönerung seines Hauswesens begriffene Mann — VIII. Der Mann im aufgeklärten Genüsse. 18 Es braucht nach der Gegenüberstellung der beiden Zeitalter-Konzeptionen nicht näher darauf eingegangen zu werden, worin Gemeinsames und Unterschiedliches besteht. An einem Punkt tritt es besonders deutlich hervor: Christi Geburt wird auch von Adelung als tiefer Einschnitt in der Menschheitsgeschichte angesehen. Dies zeigt sich an zweierlei. Zum einen dient ihm dieses Ereignis als Abbruch und Neueinsatz in der Zeitrechnung. Dabei legt er die damals auch sonst noch vertretene chronologische Bestimmung zugrunde, daß seit Erschaffung der Welt bis zu Christi Geburt rund 4000 Jahre vergangen sind. Alle vorchristlichen Jahreszahlen erhalten somit die Kennzeichnung Jahr der Welt, die nachfolgenden vom Jahr Christi oder von Christi Geburt. Zum andern bezeichnet dieser zweite Zeitpunkt Null bei ihm nicht mehr den Beginn des Greisenalters von Welt und Menschheit, sondern an diesem historischen Punkt läßt er erst das Mannesalter des menschlichen Geschlechts beginnen, und er sieht sich mit seiner Gegenwart auf dem Höhepunkt dieses Menschenzeitalters: »der Mann im aufgeklärten Genüsse«. Das Ende von Welt- und Menschenzeit wird von ihm weit in die Zukunft hinein verschoben: »Es ist daher hypochondrische Thorheit, jetzt schon von dem nahen Ende der Welt zu träumen, da das menschliche Geschlecht das Ziel, welches ihm von seinem Schöpfer gesetzt, und die Absicht wozu es von ihm bestimmt worden, allem Ansehen nach nicht halb erreicht hat.« 19 Durch die Parallelisierung mit der Kurve des menschlichen Lebens, dem Wachstum und Abstieg von Natur aus eigen ist, erhält die Zeitlinie der Geschichte der Kultur des menschlichen Geschlechts den Ansatz eines zyklischen Verlaufs. Den Zirkel, den das menschliche Leben von der Geburt bis zum Tode beschreibt, hat Adelung jedoch nicht zu Ende, nicht einmal 2
54
über seinen Höhepunkt hinweg geführt, sondern durch Streckung des Mannesalter-Abschnitts über vier Geschichtszeiträume hin in eine immer noch ansteigende Linie umgebogen. In seiner Sicht hat die Geschichte der menschlichen Kultur insgesamt ihren Gipfelpunkt, von dem aus sie wieder absteigen würde, noch nicht erreicht, ja sie wird ihn, aufs Ganze gesehen, nie erreichen, sondern immer weiterer Vervollkommnung zustreben. Nicht so die einzelnen Kulturkreise und Phasen im Stufengang des Gesamtablaufs der menschlichen Kulturgeschichte. Hier wendet Adelung eine voll zyklische Denkform an. Die Geschichte der einzelnen Kulturkreise, die, einander ablösend und das unverlierbar Errungene an die folgenden weiterreichend, zusammengenommen die Geschichte des menschlichen Geschlechts bildet, verläuft jeweils im Zyklus des Entstehens und Vergehens. Da aber jede Einzelkultur in der Weltgeschichte etwas von ihrem Besten und Unverlierbaren an die nächstfolgende Kultur weitergibt und dieses von ihrer Nachfolgerin aufgenommen wird, entsteht im Ganzen das Verlaufsbild eines Aufstiegs, wenn nicht in gerader Linie, so doch in Stufen. Der zyklische Charakter eines einzelnen Kulturabschnitts in der Gesamtgeschichte der menschlichen Kultur läßt sich nach Adelungs Darstellung etwa am Beispiel der griechischen Kultur veranschaulichen: Griechenland ist in der Geschichte der menschlichen Cultur immer das wichtigste L a n d , weil es dem menschlichen Verstände die erste wahre Richtung gab. Wollen w i r den langen Zeitraum, welchen dasselbe durchlebet hat, nach dem Maße seiner Cultur in kleinere Abschnitte zertheilen, so wird der Zeitraum von dessen ersten B e v ö l k e rung bis auf die Eroberung Trojas (2800.) den ersten Zeitraum desselben, oder der Stand der völligen Wildheit das Kindesalter seiner Cultur, der Zeitraum von da an bis auf die Niederlage des Xerxes (3504.) den z w e y t e n Zeitraum, oder das Knabenalter, der Zeitraum von da an bis auf Alexandern (3660.) den dritten Zeitraum, oder das Jünglingsalter, die folgende Zeit bis auf Christum, (3983.) das männliche Alter, ausmachen, worauf die folgenden Jahrhunderte uns dieses so merkwürdige V o l k wieder in seinem Verfalle z e i g e n . "
Die Denkformen, mit deren Hilfe Adelung seine Kulturgeschichte strukturiert, wird man eher konventionell nennen können. Sie bestehen in einer Kombination einerseits aus der Einteilung in Weltzeitalter, diese in Parallele gesetzt zu den Zeitaltern des menschlichen Lebens, das Ganze in eine aufsteigende Linie gebracht, anderseits und aus der in sich zwischen Aufstieg und Verfall zyklisch konstruierten Verlaufskurve der Einzelkulturen. Bei alledem wird der Gesamtablauf abgemessen in absoluten Jahreszahlen, die auf zwei hintereinander geschalteten Skalen als Jahr der Welt die einen, als Jahr Christi oder als Jahr von Christi Geburt die andern gekennzeichnet sind. In solchen Einteilungen und Gliederungen hängt er noch einem Schematismus an, der, zu seiner Zeit zwar auch bei zünftigen Historikern noch in Übung, 11 doch bereits für altmodisch gehalten zu werden beginnt. Modern aber erscheint er darin, wie er sich die innere Dynamik der 2
55
einzelnen Abschnitte der Geschichte der menschlichen Kultur vorstellt. Nach seiner Ansicht verwirklichen sich in jeder Einzelkultur Aufstieg und Abstieg in voll ausgeprägter Weise nur in den oberen Klassen der jeweiligen Gesellschaft, in den unteren hingegen, da diese nur in einem minderen Grade an der Kultur teilhaben, in einer abgeflachten Kurve. Als eigentlichen Motor kultureller Veränderungen zum Besseren wie zum Schlechteren hin erkennt er die mittleren Stände. Die Fürsten und den Adel hält er durch ihr Festhalten am Bestehenden und wegen der Neigung, »ihre oft sehr unbedeutenden Zwiste [ . . . ] nach Art des Wilden« kriegerisch auszutragen, dem kulturellen Fortschritt zumeist für hinderlich, 22 in die unteren Schichten dringt die Aufklärung — das Wort ist bei Adelung immer ein Nomen actionis, er gebraucht es nicht als Epochenbegriff — nur langsam vor. 2 3 Er sieht alle Kultur aus dem kulturlosen Zustand der Wildheit, den er nahe an die Tierheit setzt, durch ein kausales, nahezu mechanisch funktionierendes Prinzip hervorgegangen: Vergrößerung der Bevölkerungsmenge, sei es durch inneres Wachstum, von außen bewirktes Zusammendrängen oder Uberlagerung durch ein Eroberervolk, ergibt die erste Ursache. Das Zusammenwohnen auf enger werdendem Raum hat ein Abschleifen der vordem roheren Sitten zur Folge und bringt erhöhten Gewerbefleiß hervor, damit die vermehrte Bevölkerung ernährt und mit materiellen Gütern versorgt werden kann. Dies wiederum führt zu Wohlstand, und daraus gehen Verfeinerung der Sitten und alle höhere Kultur hervor, wozu Adelung auch die materielle Kultur bis zum Luxus rechnet. Damit ist erreicht, was er den Gipfel der »männlichen Cultur« nennt; für deren rechten Gebrauch und wahren Genuß spielt als regulatives Prinzip der »Geschmack« — ein kultureller Leitbegriff Adelungs — die dominierende Rolle. Eine Schwächung oder ein Ubermaß der Faktoren, die den kulturellen Aufstieg einer Kultur bis auf ihre Höhe bewirkt haben, leitet unvermeidlich ihren Abstieg ein. Denn läßt sich eine Nation »durch den Wohlstand zur Ueppigkeit, und durch den Genuß zur Trägheit verleiten, gehet die männliche körperliche Stärke durch Schwelgerey, Weichlichkeit und Zügellosigkeit der Sitten verloren, schleiffen sich Geist und Körper durch überfüllte Volksmenge über das einige wahre Maß ab: so wird sie auch sehr schnell an Wohlstand und Cultur abnehmen«. 2 4 Somit erscheint durch die Dynamik der kulturellen Abläufe in den Einzelkulturen, wie Adelung sie beschreibt, der starre Schematismus, der sich aus dem Gebrauch herkömmlicher Denkformen für die Konturierung des Gesamtverlaufs der Kulturgeschichte ergibt, am Ende beträchtlich aufgelockert. Beides zusammen findet sich zu einem Gesamtbild komponiert, in dem bei aufwärts strebender Linie im Ganzen die innere Bewegtheit der Kultur im Laufe der Menschheitsgeschichte, wie sehr sie auch eingefangen, ja eingepreßt sein mag in eine vorentworfene Konstruktion, dennoch zu ihrem Recht kommt: 256
Jedes V o l k hat seinen ihm eigenen höchsten G r a d so w o h l der Volksmenge, als der C u l t u r , welchen es, wenn es einmahl dazu auf dem Wege ist, sehr bald erreicht, aber auch sehr bald wieder verlasset, und zu seinem Verfalle eilet. Ihm zur Seite hebet sich ein anders, steiget, culminiret eine kurze Zeit und gehet wieder unter, und so das dritte, vierte und alle folgende. B e y dieser unaufhörlichen E b b e und Fluth, bey diesem ewigen Kreislaufe der Dinge, welcher in der ganzen N a t u r in den geringsten Pflanzen, so wie in den mächtigsten Staaten herrschet, gewinnen doch C u l t u r und Volksmenge im G a n z e n , weil Kenntniß und E r f a h r u n g immer wachsen, und eine einmahl gemachte E r f a h r u n g im G a n z e n eben so wenig verloren gehet, als sich ein Stäubchen Materie aus dem Reiche der Wirklichkeit verlieren kann, obgleich beyde in ihrem Kreislaufe tausendfacher Modificationen und zufälliger Gestalten fähig sind. 2 5
J e mehr Adelung in seiner Kulturgeschichte sich den neuzeitlichen Jahrhunderten nähert, um so reicher werden die Materialien, mit denen er sie füllt, und um so differenzierter seine begleitenden und durchdringenden Reflexionen. Man merkt ihnen an, daß dahinter ein Autor steht, der sich zuvor als Geschichtsschreiber mit der seiner Gegenwart unmittelbar vorausliegenden Epoche im europäischen Rahmen aufs engste vertraut gemacht hatte. 1 6 Mehr als zuvor finden innerhalb der letzten Stufen der Kulturgeschichte die Nationen eine gesonderte Betrachtung, dabei wird eine gewisse Ungleichzeitigkeit der Phasen ihrer kulturellen Entwicklung hervorgekehrt, besonders ein Zurückbleiben Deutschlands hinter der »Lehrmeisterinn des ganzen übrigen Europa« Frankreich. 1 7 Erklärt wird dies als Folge der »unaufhörlichen Kriege und innern Zerrüttungen«, der innerstaatlichen Zerrissenheit und der kulturellen Rückständigkeit der »Hauptstadt des Reiches [Wien], welche in andern Ländern den Geschmack leitet und bildet«, während des 16. und 17. Jahrhunderts. 2 8 In der Ungunst der nationalen Verhältnisse fiel dem Kurfürstentum Sachsen, das sich damals noch weit nordwärts bis unweit Brandenburgs und Frankfurts an der Oder erstreckte, vorab seinem durch verschiedenerlei Umstände begünstigten südlichen Teil, die Rolle zu, zur führenden Kulturprovinz Deutschlands aufzusteigen und in den Belangen der Sprache, der Wissenschaften und der schönen Künste maßgebend für die übrigen Regionen zu werden. In der Apotheose Kursachsens als des Herzlandes der neuzeitlichen deutschen Kultur, die darzutun der gebürtige Preuße Adelung in kaum einem seiner Bücher der mittleren und späteren Schaffensperiode sich hat entgehen lassen, ist immer der Kardinalpunkt seiner Ansichten zur Geschichte der nationalen Kultur gesehen worden. Es ist verständlich, daß er damit nicht überall, zumal in den oberdeutschen Landen nicht, auf Zustimmung stieß. In seinem kulturgeschichtlichen Hauptwerk hat er dies gemäß den darin entfalteten Grundansichten in der umfassendsten Weise so dargelegt: Was daher in den schönen Künsten im i6ten und i7ten Jahrhunderte gethan werden konnte, waren bloß u n v o l l k o m m n e Versuche, welchen die Leitung des Geschmackes 2
57
fehlte. Indessen fing das südliche Sachsen seit dem ijten Jahrhunderte an, sich durch Bergwerke, Manufacturen und Kunstfleiß im Stillen zu der blühendsten Provinz Deutschlandes zu heben. Schon dadurch bildete sich der Geschmack hier vorzüglich vor andern Provinzen aus, und er bekam außerordentliche Nahrung, als eben diese Provinz durch die Reformation zugleich Sitz der gereinigten und wieder hergestellten Wissenschaften ward. Schon damahls ward die Mundart dieser Provinz, als die wohlklingendste und ausgebildetste, die Schrift- und höhere Gesellschaftssprache des ganzen gesitteten Deutschlandes. Allein der gute Geschmack will seine Zeit haben, und hänget dabey von einer Menge zufälliger Umstände ab, welche sich nicht ehe, als in der ersten Hälfte des gegenwärtigen Jahrhundertes für ihn vereinigten. Sachsen erreichte jetzt den höchsten Gipfel seines Wohlstandes; die Sprache hatte durch fortgesetzte Verfeinerung die nöthige Biegsamkeit und den erforderlichen Wohlklang erhalten; die Regierung der Auguste 2 9 erweckte und begünstigte alle Künste und verbreitete Ueberfluß und Wohlstand um sich her; die von W o l f ' 0 allgemein gemachte gesunde Philosophie reinigte und erweiterte die Begriffe; man fing an, das einige wahre Schöne in den Werken der Alten und ihren besten Nachahmern in den neuern Sprachen zu empfinden, und nunmehr eilte der gute Geschmack sehr schnell zu seinem Ziele. Der wahre Zeitpunct der schönen Deutschen Litteratur fällt daher zwischen die Jahre 1745 und 1756, welches zugleich der Zeitpunct des höchsten Wohlstandes Sachsens war, wenigstens so fern derselbe von außen glänzet, und auf den Geschmack wirket. In diesen Zeitpunct fallen daher die besten Deutschen Schriftsteller, wenigstens so fern ihre Güte von der Sprache und dem Geschmacke abhängt, und die vorzüglichsten unter ihnen sind solche, welche sich in Obersachsen oder doch nach Obersächsischen Mustern gebildet haben. 3 '
Adelung markiert Anfang und Ende des für ihn »wahre[n] Zeitpunctfes] der schönen Deutschen Litteratur«, der »zugleich der Zeitpunct des höchsten Wohlstandes Sachsens war«, nicht durch Daten, die in der Literatur oder der Kultur überhaupt herausragende und für deren Geschichte epochale Bedeutung haben. Die von ihm genannten Jahre bezeichnen das Ende des Zweiten Schlesischen Krieges (1745), von dem Sachsen trotz politisch-militärischer Verwicklung nur wenig in Mitleidenschaft gezogen worden war, und den A n f a n g des Siebenjährigen Krieges (1756), durch den Sachsen schwer und anhaltend heimgesucht wurde. 3 2 Adelung folgt auch hierin den Prämissen seiner kulturhistorischen Betrachtungsweise, wonach Bevölkerungsfülle, materieller Wohlstand und Gesittung im gesellschaftlichen wie im staatlichen Leben gegeben sein müssen, Voraussetzungen, die den Krieg ausschließen, »diesen wahren Ueberrest der alten barbarischen Wildheit, diese Pest der höhern Cultur, welche in kurzer Zeit alles das wieder zerstöret, woran Aufklärung und Philosophie Jahre lang gebauet haben«. 3 3 Wenn Adelung im Zyklus der europäischen Kulturen, der im 16. Jahrhundert A n f a n g und Aufstieg nahm, f ü r die deutsche den Höhepunkt bereits überschritten sieht, so ist nach seiner Auffassung die französische ihr darin vorangegangen. A u c h in dieser Hinsicht erscheint ihm Deutschland, zumindest gegenüber Frankreich, als die verspätete Nation; ein Zeichen für die Konsequenz seiner Konzeption, welche die Ungleichzeitigkeit des 2J8
Gleichartigen in Rechnung stellt. Unter Ludwig XIV. wurde die für ganz Europa beispielgebende Kulturhöhe Frankreichs, gegründet auf »die höchste Stufe seiner Macht und den höchsten Grad des Wohlstandes«, erreicht und durch des Königs »unaufhörlich von der Herrschsucht angeflammte[n] Kriege« wieder verspielt: der »höchste Gipfel ward zugleich der erste Schritt zum Verfalle«. Uber England hingegen urteilt er, nicht ohne eine Warnung vor dem schlechten Beispiel Frankreichs hinzuzufügen, daß es »gegenwärtig [ . . . ] den höchsten Gipfel seines Wohlstandes und der wahren männlichen Cultur erreicht zu haben« scheint. 34 Derartige Einsichten, Erfahrungen und Befürchtungen, die in sich einschließen, daß sich ihm die zeitgenössische Literatur und der alle höhere Kultur leitende gute Geschmack in Deutschland unter dem Bild eines anhaltenden Niedergangs darbieten, vermögen seine Grundkonzeptionen nicht zu erschüttern. Sie bestätigen sie geradezu, denn sie sind darin vorgesehen. Im Fortgang der Kulturgeschichte wird es auch künftighin nach dem Auf und Ab einer Einzelkultur aus den Erfahrungen der Vorwelt neue Verbindungen geben, und aufs Ganze gesehen, wird es so sein, »daß bey einer jeden das menschliche Geschlecht gewinnen muß, so wie es bisher dabey gewonnen hat«. 3 5 Unmut über die herkömmliche Art der Geschichtserzählung war schon durch Gatterer geäußert worden. 3 6 Schlözer hatte die Universalhistorie in dem Sinne neu bestimmt, daß sie »die Geschichte aller Menschenkinder, nach ihren allgemeinen Schicksalen« sich zum Vorwurf nehme. 3 7 Doch Adelung, so sehr er sich solchen Auffassungen anschließen konnte, beließ es nicht dabei, Ungenügen am Althergebrachten oder Allgemeinheiten für etwas neu zu Vollbringendes zu artikulieren. Für das, was er ins Auge faßte, fand er »nicht ein einziges Buch dieser Art« vor, »welches die Sache in ihr gehöriges Licht gestellet hätte«. 3 8 Also unternahm er, durch die Schule einer formalen Philosophie gegangener Pragmatiker, den ersten >VersuchSchattenriß< der Schöpfung: Die Frauen, denen die Hälfte der 24 Auftritte gehört, bewahren Tugend und Glauben trotz des scheinbar sinnlosen Grauens auch dort, wo die »Tyranney, der Tugend Schrey'n nicht höret« (II, 1; S. 135). Die bürgerlichen Bindungen gelten nur dort nichts, wo die absolute und absolut böse Macht herrscht; gleich im ersten Aufzug gibt Richard sein Credo: »Doch wo es Kronen gilt, ist Mitleid lächerlich« (S. 121). Auch Shakespeares Richard ist der herrschsüchtige, heimtückische Tyrann, allerdings ist er bei Weiße aus dem komplizierten Geflecht von psychologisch begründeter Kompensation der »own deformity« (I, ι) von 2
77
Geschichte und Bürgerkrieg gelöst und steht einzig und allein der privaten Sphäre feindlich gegenüber — selbst der Retter Richmond kämpft nicht in erster Linie für eine gerechte Herrschaft, sondern als »Bräutigam« der Elisabeth und Freund der Königin: »Du weißt, er ist dein Freund, du weißt, er liebet mich! Er wird voll edler Glut uns zu erretten eilen« (II, i; S. 128). Und Weißes Elisabeth (die Tochter der Königin) weist Richards Antrag zurück, als ob sie eine Bürgerstochter wäre: Und hätte deine Hand mir Welten anzutragen; So sprach' ich: fort, Tyrann. Nimm deine Welten hin! Ich brauche keine Welt, und bleibe was ich bin. Ein tugendhaftes Herz und ein unschuldig Leben, Nicht Krön' und Zepter sind's, die wahres Glück uns geben. (IV, 4; s. 192)
»Ich brauche keine Welt« — das könnte der Wahlspruch sein, mit dem sich das Bürgertum der Zeit Weißes von der feudalen repräsentativen Öffentlichkeit, von der Sphäre der Macht abgrenzte. Und von hier aus gesehen ist es auch verständlich, warum ein maßgeblicher Kritiker in Weißes Richard III. »eines der berühmtesten Tyrannenstücke« sah, schleudert doch die Prinzessin — in einem Historienstück Shakespeares oder einer französischen Tragödie undenkbar — dem Tyrannen entgegen: Dem edlen Menschenfreund, dem tugendhaften Bürger, G a b ' eh ich diese Hand, als dem gekrönten Würger, Der keine Tugend kennt [...]. (IV, 4; S. 1 7 1 )
Die Reduzierung — wenn denn Shakespeare die Vorlage war, was Weiße in Abrede stellt — des gewaltigen Shakespeareschen Personals auf neun Personen, von denen sechs miteinander verwandt sind, ist nicht nur die Ökonomie des französischen Trauerspiels, sondern zeigt an, daß hier, mit Nicolai zu reden, ein »bürgerliches Interesse« herrscht. Die Allgemeine Deutsche Bibliothek stellt ein anderes Trauerspiel mit >bürgerlichem< Interesse, Weißes Krispus,89 von Rang und Inhalt her gesehen auf eine Stufe mit Racines Phaedra,90 doch hat Weiße die Handlung etwas kompliziert. Fausta, die Gemahlin Konstantins des Großen, liebt ihren Stiefsohn Krispus, der seinerseits seit längerem Helena, der gefangenen, aber zum Christentum bekehrten Tochter eines Gotenkönigs zugetan ist, die wiederum wird von Licin, dem ebenfalls gefangenen Neffen Konstantins, begehrt. Wie in der Phaedra gibt es noch einen Lehrmeister des Helden, aber alle weiblichen Vertrauten fehlen ebenso wie die spektakulären Off-stage-Todesarten. Auch hier gibt die politische Sphäre nur die Folie ab, vor der sich das Familiendrama im kaiserlichen Hause abspielt: »Im eignen Hause Krieg, Krieg mit dem eigenen Sohn?« (IV, 7; S. 326) ruft der entsetzte Vater und Kaiser. Helena und Krispus verbergen ihre »unschuldvollen Flammen der Tugend« (I, 3; S. 245 — 246) vor den anderen, da Hele278
na ja aus einem feindlichen Hause stammt. Auch Hippolyte bei Racine spricht in ähnlichen Worten über seine Liebe zu Aricie: Sein H e r z habe nicht widerstanden >de brûler d'un chaste amoureigner Erfindungmoralische Anstalt für Kinder 91' 97, " 9 . I 2 l f · Goethe, Cornelia 233, 235, 24of., 244f. Goethe, Johann Kaspar 236^, 244 Goethe, Johann Wolfgang 13, i6f., 40, 50, ~j2f., 78, 104, 120f., 142, 145 f., 149— I Í3» i 6 9 Í · . 2 °5*·> 2 7 ° ) 2 7 2 > 274> 277, 279, 287^, 293, 295 Goldbach, Christian 83, 85 Goldmann, Nikolaus 142 Gottlob, Ernst 147, 149 Gottsched, Johann Christoph 15 — 20, 40, 42, j o f . , 61, 63f., 67, 70, 72, 75 - 88, 9of., 94, i2of., 1 3 5 f . , 144, 1 7 1 - 2 0 4 , 2o6f., 209f., 214, 2 5 1 , 263, 270 — 275, 283, 291
300
Gottsched, Luise Adelgunde Viktorie, geb. Kulmus 13 f., 17, 19, 2 1 , 79, 176, 182 Gracian, Balthasar 16 G r a f f , Anton 147 f. Gressel, Johann Georg (Celander)
17
Griebener (Gribner), Michael Heinrich 133 Grimm, Jacob ¿ j 1 f., 2of. Grimm, Melchior 76, 79 Grimm, Wilhelm 251 f., 260 Grischow, August Nathanael 85 Groddeck, Gottfried E. 82 Groll, Michael 82 Groschuff (Verlagshandlung) 62 Groß, Christoph Friedrich 83 f. Große (Verlagshandlung) 103 f. Große, Henning 105 Grotius, Hugo 51, 130 Gruber, Johann Gottfried 63 Günther, Johann Christian 86 Günz, Justus Gottfried 79 Guericke, Otto von 46, 62 Gundling, Nikolaus Hieronymus 49, 61, 68f., 79f., 126, 133, 138 Gutschmid, Christian Gotthelf
30,
3 2 - 3 5 . 74*· GutsMuths, Johann Christoph Friedrich 5 5 Habersang, Johann Paul Hackert, Philipp Händel, Samuel
149
149 235
Hagedorn, Christian Ludwig von
149,
153. 2 7 r Hagen, Johann Jost Anton von 289 Hahn, Gotthelf J . 88 Hahnemann, Samuel 61 Haller, Albrecht von 71, 2 1 5 , 238 Hamberger, Georg Albrecht 49 Hanov, Michael Christoph 79, 90 ' Hardenberg, Karl August Fürst von 77 Hartknoch, Johann Friedrich 40, 89 Haufe, Christian Gotthold 123 Haussmann, Elias Gottlieb 147 Hebenstreit, Christian 84, 87 Hebenstreit, Ernst 61, 84
Hebenstreit, Gottlieb Heine, Heinrich
6 ι , 84
Heineccius, Johann Gottlieb Heinicke, Samuel
Humboldt, Alexander von
205 61, 68, 134
3 1 , 61
Heinsius (Verlagshandlung) 119 Heinsius, Gottfried 61, 84, 86f. Helvétius, Claude-Adrien
19, 46, 88,
179, 188 — 190, 201, 203 Henckel, Friedrich 44, 46, 85 Henke, Heinrich Philipp Konrad Henrici, Christian Friedrich
6 9 - 7 2 , 82, 90, 135, 271 Hiller, Johann Adam 17, 54, 60, 88, 169, 110,
Hobbes, Thomas 64, 189 Hönn, Georg Paul 124 Hoffmann, Friedrich 49, 68, 85f. Hoffmann, Heinrich 51 Hohenhausen, Elise von 205, 226 Hohen thai, Peter von 35, 1 1 5 Hohmann, Peter 105, 143 Holbach, Paul Heinrich Dietrich Freiherr von 46, 79 Holberg, Ludvig 273 Homann (Kaufmannsfamilie) Homberg, Wilhelm 46, 79 Homer 281 Hommel, Karl Ferdinand
36
61,75-77,
87f., 136, 223f., 2 3 1 , 242 Huber, Michael 87, 149, 235, 242 Hübner, Johann 40, 45, 49, 51, 62, 6 9 - 7 1 , 82, 86, 89, 92, 95 f. Hugo, Gustav 51
53, 72, 75,
77. 97 Hume, David 52, 76, 234 Hunold, Christian Friedrich (Menantes) 220 280
Iffland, August Wilhelm Iselin, Isaac
(Picander) 17, 1 7 1 Herder, Johann Gottfried 20, 50, 53, 72, 88, 94, 120f., 153, 263, 269, 2 7 1 , 273f., 281, 288f., 291 Heres, Christoph 57 Hermann, Gottfried 61, 69, 72 f. Hermann, Christian Gottfried 150 Hermann, Jakob 83 Hertel, Christian Gottlieb 252 Hertzberg, Ewald Friedrich Graf von 77 Heumann, Christoph August 61, 94, 97 Heyne, Christian Gottlob 53, 55, 6of.,
242, 282 f., 294 Hilscher, Ch. Ρ, (Verlagshandlung) Ii9
77» 97 Humboldt, Wilhelm von
Hyginus 68
53, 72, 75,
224, 231
262 f.
Isidor von Sevilla
261
Jablonowski, Józef Alexander, Fürst
31,
80 Jacobäer (Verlagshandlung) Jacobi (Verlagshandlung) Jacobs, Johann August
85, 1 1 0 , 1 1 9 103
53
Janocki, Daniel 80 f. Jean Paul (Richter, Jean Paul Friedrich) 50, 72, 205, 273, 287, 295 Jerusalem, Johann Friedrich Wilhelm 52, 197, 204 Jöcher, Christian Gottlob
60, 62, 67, 80,
84, 136, 214 Joseph II., römisch-deutscher Kaiser 76 Juncker, Christian 49, 51 Juncker, Friedrich Wilhelm 84, 86 Jungermann (Gelehrtenfamilie) 18 Junius, J . F. (Verlagshandlung) 1 1 0 , 1 1 9 Jurieu, Pierre 184 Justi, Johann Heinrich Gottlob von 75, 79, 82, 94
70,
Kandier, Christian Gottlob 92 Kandier, Johann Joachim 141 Kästner, Abraham Gotthelf 69^, 72, 85, 88, 214, 220, 228, 230 Kant, Immanuel 52, J 7 f . , 73, 182, 198, 262, 268, 287 Kantemir, Antioch 83 f. Kapp, Johann Erhard 101 Karadzic, Vuk Stefanovic 78 Katharina II., Zarin von Rußland
76, 82,
8 7 - 89, 100 Kaunitz, Wenzel Anton, Fürst von Kaunitz-Rietberg 75, 77, 133 f.
301
Kausch, Johann Josef 246 Keiser, Reinhard 15 Kersten, Moritz Ludwig 209 Kirch, Gottfried 49, 61, 66, 71 Kircher, Athanasius 83 Klaproth, Martin 46 Kleist, Christian Ewald von 227, 239, 271 Kleist, Heinrich von
97
Klopstock, Friedrich Gottlieb
2 1 , 50, 72,
76, 88, 2 i o f . , 214 — 216, 238 Klotz, Christian Adolf
48, 53, 68, 8of.,
273, 290, 2 9 3 - 2 9 5 Knigge, Adolph Freiherr von Knöffel, Johann Christoph Koch, Heinrich Gottfried
57 141
20, 169, 176,
Köllner, Gottlieb
149 85
König, Johann Ulrich
1 7 1 , 174
Körner, Christian Gottfried
14,
73
Kohl, Peter
83
KoHataj, Hugo Konfuzius
81
192
Kopitar, Bartholomäus Koppe, Johann Benjamin
78 69
K o r f f , Johann Albrecht Freiherr von
8 5,
87 Kortholt, Christian 69 Kortte (Cortius), Gottlieb 135 Kraft, Georg W. 85 Krause, Gottlieb 60, 63, 8of. Krebel, Gottlieb Friedrich 87 Krell, Nikolaus 32 Kreuchauff, Franz Wilhelm 146, 148, 1 5 2 f . , 242 Kreysig, Georg Christoph 60 Krögen, Karl Heinrich 92 Krünitz, Johann Georg 75 Krug, Traugott 73, 97 Kulmus, Adam 79 Kulmus, Georg 79 Kummer, Paul Gotthelf 119 Kunth, Gottlieb Johann Christian 72, 75> 77
Kupetzky, Johann
302
147
103 — 105
(Verlagshandlung) 107 Langer, Ernst Theodor 236 Lauchen, Georg Joachim von (Rheticus) 61 Laudon (Loudon), Gideon Ernst Freiherr von 222 Laugier, Marc Antoine 145, 1 5 1 Lehms, Georg Christian 60 Leibniz, Gottfried Wilhelm 18, 39, 45, 49, 51 f., 66, 68, 70f., 73, 79, 82f., 86, 126, 143, 179, 1 8 5 - 1 8 7 , 193, 264 Leimbach, Hans 31 Lelewel, Joachim 82 Lenau, Nikolaus (Niembsch, Edler von Strehlenau) 205 Lenclos, Ninon de 218 f. Lengnich, Gottfried 80 f., 84 Lenz, Jakob Michael Reinhold 28of., 293
2 1 3 , 270, 282, 284 Koch, Josef Anton
Lanckisch (Verlagshandlung) Lanckische Erben
120,
Leonhardi, Friedrich Gottlieb 145, 148 Leporin, Christian Polycarp 39 f., 92 Lessing, Gotthold Ephraim 13, 20f., 40, 5 0 , 5 2 ^ , 7 1 - 7 3 , 8 2 , 8 5 , 1 2 1 , 135, 170, 203, 219, 223, 238, 242, 269 - 2 7 1 , 273 - 277, 28of., 283f., 288f., 2 9 1 - 2 9 4 Lessing, Karl Gotthelf 273, 281 Leupold, Jakob 49, 62, 90, 95 Lichtenberg, Georg Christoph 70 Lindemann, Karl Ferdinand 34 f. Linné, Karl von 61 Lisiewsky, Christian Friedrich Reinhold 147 Locke, John 64, 76, 1 8 9 — 1 9 1 , 234 Lohr (Leipziger Bürgerfamilie) 148 Löscher, Valentin Ernst 196, 199 Löwen, Johann Friedrich 218 Lomonosov, Michail W. 8 5 f. Longuelune, Zacharias 141 Lotter, Georg 84 Lucius, Caroline 205, 2 1 7 Ludovici, Carl Günther 63, 67, 199 Ludwig X I V . , König von Frankreich 46, 2 2 1 , 228, 259 Ludwig, Gottlieb Lukian 136
61
Luther, Martin
16, 47, 171
Mably, Gabriel Bonnot de 8 Machiavelli, Nicolo 189 Macpherson, James (Ossian) 281 Mann, Thomas 171, 178 Manteuffel, Ernst Christoph von 91 Maria Theresia, römisch-deutsche Kaiserin 78 Marmontel, Jean François 276 Marperger, Bernhard Walther 196 Marperger, Paul Jakob 62, 96 Martini, Christian 78, 83 Marx, Karl 170 Mascov, Gottfried 69, 84, 214 Mascov, Johann Jakob 60, 69, 130, 132 f. Mauvillon, Jakob j6f., 206, 227, 286 May, Johann Friedrich 54,94, 172, 176-178 Mechau, Jakob Wilhelm 149 Meier, Georg Friedrich 52, 73, 179, 195, 203, 216 Meinhard, Johann Nikolaus 281,293 Meißner, August Gottlieb 72, 76 Meister, Albrecht Ludwig Friedrich 69 Melanchthon, Philipp 127 Mencke (Gelehrtenfamilie) 18 Mencke, Friedrich 40, 63 Mencke, Johann Burkhard 36, 40, 49 — 51, 59f., 62f., 66 — 69, 80 — 85, 99, 131 f., i 3 4 f . Mencke, Lüder 67, 130 Mencke, Otto 40, 49L, 63, 66 —68, 89, 96, 105, 131 Mendelssohn, Moses 200, 203, 275, 287, 291 Mengs, Anton Raphael 146 Mengs, Ismael 147 Mercier, Louis-Sébastien 295 Messerschmidt, Daniel Gottlieb 89 Meusel, Johann Georg 62 Meyer, Andreas 246 Meyer, Joseph 63 Michaelis, Johann David 52, 70 Mieg, Johann Casimir 57 Miller, Heinrich 90 Milton, John 189
Mirabeau, Honoré Gabriel Victor Riquetti, Graf 57 Mitzier, Lorenz Christoph 60, 80 f. Moltke, Friedrich Ludwig Graf von 219, 228 Montesquieu, Charles de Secondât, Baron de 34, 64, 88 Mordeisen, Ulrich 32 Morhof, Daniel Georg 50 Moritz, Karl Philipp 48, 93 Moser, Friedrich Karl von 69, 242 Mosheim, Johann Lorenz von 71, 197 Müller, Gerhard Friedrich 8 3 - 8 5 , 89 Müller, Karl Wilhelm 34, 271 Münchhausen, Gerlach Adolf Freiherr von 69 Musäus, Johann Karl August Mylius, Christlob 85
120
Nathe, Christoph 149 Necker, Jacques 46, 79 Nestroy, Johann 284 Neuber, Caroline 20, 169, 176, 213, 269 Neuendorf, Karl Gottfried 5 Neumann I, Kaspar 49 Newton, Isaac 51, 264 Nicolai, Friedrich 20, 40, 64^, 71, 119, 2 7!> 2 74 —2 79> 2 9 0 - 2 9 3 Novikov, Nikolaj Ivanovic
85
Obradovic, Dimitrij 78 Oeser, Adam Friedrich 31, 56, 145 — 153, 206, 234-237, 242Í., 271 Oeser, Friederike Elisabeth 243 Olearius (Gelehrtenfamilie) 134 Olearius I, Gottfried 52, 128 Olearius II, Gottfried 66, 69 Olearius, Johann 128, 131 Olivier, Ludwig Heinrich F. 57 Orell, Geßner & Co. (Verlagshandlung) 19 Orlov, Vladimir, 85, 87 Ossian siehe Macpherson, James Ostermann, Heinrich Johann Friedrich Graf 83 Otto, Christian 295 Otto, Ernst Peter 148
3°3
Pallas, Peter Simon
89
Pascal, Blaise 188 Pauli, Wilhelm 49 f., 68, 89 Penzel, Abraham Jakob
47, 78, 81 f., 93
Permoser, Balthasar 141 Peter I., Zar von Rußland
82
Pfaff, Christoph Matthäus
200
Pfautz, Christoph
49 f., 62, 6 6 - 6 8 , 89
Pfeiffer, August 128 Pfeil, Johann Gottlob Benjamin
239
Philipp II., Herzog von Orléans, Regent von Frankreich 46 Piazetta, Giambattista 148 Picander siehe Henrici, Christian Friedrich Pilaja (Sängerin) 214 Pindar 221 Pistoris, Simon 32 Platner, Ernst 87 Platzmann (Leipziger Bürgerfamilie) 148 Plessen, Elisabeth Christine von Scheel229 Pöppelmann, Daniel 1 4 1 , 144 Poniatowski, Stanislaw 33 Pope, Alexander 281 Porée, Charles 178 Poussin, Nicolas 150 Priber, Christian Gottlob 90 Prokopovic, Feofan Eleazar 83 Püterich, Jakob, von Reicherzhausen 250 Pütter, Johann Stephan 70, 76, 97, 242 Pufendorf, Samuel 45, 49, 51, 68, 70, 75, 77f., 80, 82Í., 126, 130 Quandt, Johann Jakob
197
Raabe, Johann Burghard
2 1 , 76, 214,
223, 2 2 7 - 2 2 9 , 287 86 — 88, 100
Raffael (Raffael Santi)
146
Ramler, Karl Wilhelm
207, 238, 271 f.,
279. 295 304
Reichardt, Johann Friedrich 294 Reiche, Karl Christoph 56, 94 Reichel, Gottfried 8 5 Reimarus, Hermann Samuel 179,197, 201 f. Reinbeck, Johann Gustav 190, 197 Reinhart, Johann Christian 149 Reiske, Johann Jakob 47,52,61,76 Reiz, Friedrich Wolfgang 87 Reynolds, Joshua 271 Rhetikus siehe Lauchen, Georg Joachim von Riccius, Christian Gottlieb 69 Richardson, Samuel 1 1 2 , 1 1 9 , 208 Richter, G. Gottlob 69 Richter, Johann Salomo 149 Richter, Johann Thomas 235, 242f. Richter, Kaspar 144, 148 Riedel, Friedrich Justus 273 Riese, Johann Jakob 240 Rigaud, Hyacinthe 147 Rinck, Christoph Friedrich 14, 19, 21 Rivinus (Quirinus), Augustinus 61 Rochow, Eberhard von 54 Romanus, Franz Conrad 19, 143 Rost, Karl Christian Heinrich 148 f. Rousseau, Jean Jacques 46, 54, 64, 88, 94, 119
Sallust
13 5 f.
Salzmann, Christian Gotthilf 94 f.
279, 292
Radiscev, Aleksandr N .
128, 1 3 1 , 134 Rechenberg, Carl Otto 61, 67f., 1 3 2 ^ Reich, Philipp Erasmus 19, 40, 54, 64, 73> 97, 1 0 1 , 106, 110— 120, 122f., 148, 218 f.
147
Rabener, Gottlieb Wilhelm Racine, Jean
Ranke, Leopold von 78 Rask, Rasmus Christian 252 Raynal, Guillaume Thomas François 88 Réaumur, René Antoine Ferchault de 51 Rechenberg, Adam 49f., 52, 66 — 68, 89,
Saurin, Jacob Saxe, Chevalier Schade, Georg Schatz, David
209 de 33 200 144
56 — 58,
Schiebeier, Daniel 239 Schiller, Friedrich 14,40, 50, 72f., 97, 120f., 177, 205, 275, 279, 285, 292 Schlaitz, Gräfin von 222 Schlegel, Johann Adolf 210, 213, 218 f., 228 — 230 Schlegel, Johann Elias 2
8 5, 169, 21 o, 214,
" 9 > 73 Schleusner, Johann Friedrich 69 Schlözer, August Ludwig von 60, 70 f., 76, 82, 259, 262f. Schlosser, Johann Georg 240 Schmid, Christian Friedrich 87 Schmid, Christian Heinrich 292, 294 Schmohl, Johann Christian 57 Schneider, G. F. (Verlagshandlung) 110 Schömberg (Schönberg), Carl August von 221 Schönaich, Christoph Otto von 270 Schönberger, Franz Xaver 251 Schönemann, Johann Friedrich 20, 176 Schönfeld, Erdmuth von 205, 217, 221 f., 228, 230f. Schönkopf, Anna Katharina 243 Schönkopf, Christian Gottlob 150, 236, 242 Schöttgen, Johann Christoph 60 Scholze, Johann Sigismund (Sperontes) 17 Schott, August Friedrich 87 Schreber, Daniel Gottfried 30, 74f. Schröckh, Johann Matthias 60 Schürer (Verlagshandlung) 105 Schulenburg, Levin Friedrich von der 144 Schultz, Georg Peter 80 Schulz, Samuel 80 Schulze, Johann Daniel 229 Schulze, Michael F. 54, 57 Schummel, Johann Gottlieb 140, 216, 229 Schuster (Verlagshandlung) 85 Schwabe, Johann Joachim 87 Schweighäuser, Johannes 57 Schwickert (Verlagshandlung) 82, 110 Sedaine, Michel Jean 283 Seibt, Karl Heinrich Ritter von 78
Selchow, Johann Heinrich Christian von 70 Semler, Christoph 49 Semler, Johann Salomo 52 Senckenberg, Heinrich Christian Freiherr von 69 Seneca 192, 279^ Seume, Johann Gottfried 72f., 153 Seybold, David Christoph 53 Seydlitz, Christian Gottlieb 87 Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper, Earl of 119 Shakespeare, William 146,238,269, 2 7 6 - 2 7 8 , 281 f. Silvestre, François Charles 141 Simon, Johann Friedrich 57 Simonetti, Giovanni 142 Sinold von Schütz, Philipp Balthasar 62, 95 Smith, Adam 64, 119 Sokrates 192 Sonnenfels, Joseph von 20 Sophokles 146 Spazier, Karl 55, 57 Spener, Philipp Jacob 67, 127 f. Sperontes siehe Scholze, Johann Sigismund Stählin, Jakob von 84 - 86, 88f. Stahl, Georg Ernst 44, 46 f., 49, 68, 79, 86, 99 Standfuß, J. C. 169 Starcke, Johann Georg 142 Steele, Richard 281 Stein, Charlotte von 244 Stein, Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom 75, 77 Steinbach, Erwin von 151 Steinbrecher, Caroline Elisabeth 283 Steiner, Gottlieb 82 Steinwehr, Wolf Balthasar Adolf von 69 f. Steller, Georg Wilhelm 89 Stieler, Kaspar (Der Spate) 96 Stock, Johann Michael 150, 242 Stolle, Gottlieb 61, 199 Strube, Friedrich Heinrich 85 Struensee, Johann Friedrich 76
305
Sturm, Johann Christoph 49 Sturm, Leonhard Christoph 49, 142 f. Stuve, Johann 5 5 Sulzer, Catharine Wilhelmine 217, 229 Sulzer, Johann Georg 46, 1 1 9 , 146, 2 1 7 Sumarokov, Alexandr Petrovic 84 Talander siehe Bohse, August Tatiscev, Vasilij N . 8 5 f. Teller, Wilhelm Abraham 50, 52, 72 Terrasson, Jean 201 Thiele, Johann Alexander 150, 242 Thiersch, Friedrich 53, 76, 78 Thomasius (Gelehrtenfamilie) 18, 105 Thomasius, Christian 16, 18, 22, 39, 49 - 51, 61, 6 7 - 70, 77, 79 f., 82, 99, 1 2 6 — 1 2 8 , 130, 133 f., 136, 142t. Thomasius, Jakob 48 — 5 0 , 6 8 , 1 2 8 Thiimmel, Moritz August von 267, 273 Thun, Graf 222 Tieck, Ludwig 225, 231 Tischbein d. Α., Johann Heinrich i47f. Titius, Gerhard 61, 67, 128, 130 Tittel, Basilius 43 Töllner, Justinus 52 Trapp, Ernst Christian 55 Treuer, Gottlieb S. 69 f., 97 Trier, Johann Wolfgang 132 Trotz, Michael Abraham 82 Trublet, Nicolas Charles Joseph 219 Tschirnhaus, Ehrenfried Walter Graf von 40, 45 f., 49, 66f., 7 1 , 79, 83, 89 Turgot, Anne Robert Jacques, Baron de l'Aulne 79 Tzschirner, Heinrich Gottlieb Uhlefeld, Graf
73
222
Unzer, Ludwig August 206, 227, 286 Usakov, Fedor Vassilevic 87 U z , Johann Peter 272, 287, 295 Vanloo, Louis Michel 148 Vieth, Gerhard 57 Villaume, Peter 57 Vingboon, Philipp 143 Virgil 215
306
Vitzthum von Eckstädt, Johann Friedrich Graf
221
Vogel, Friedrich Christian
54, 56
Voltaire, François Marie Arouet, gen. 46, 88, i8/{.,
276
Walch, Johann Georg 63 Washington, George 56 Watteau, Antoine 146 Wedel, Georg Wolfgang 49f., 66, 68 Weidemann (Librettist) 15, 22 Weidmann (Verlagshandlung) 18 f., 103f., 107, 1 1 0 — 1 1 2 , 120, 208 Weidmann, Moritz Georg 105 Weidmann d. J., Moritz Georg 105 Weidmanns Erben & Reich (Verlagshandlung) 19, 62, 109 f., 1 1 9 Weigel, Erhard 43, 48 — 51, 54, 61, 65 f., 68, 71 Weise, Christian 45, 49—51 Weiße, Christian Felix 17, i9f., 22, 56, 6 3 , 7 2 , 8 0 , ι i9f., 169,239,242, 2 6 7 - 2 9 5 Wendler (Verlagshandlung) 103, 1 1 0 , 208 Wendler, Johann 120, 146, 206, 2 i 8 f . Werner, Abraham Gottlob 44, 47, 72, 90, 1 1 9 Werner, Georg 143 f. Westenrieder, Lorenz von 175, 178 Weygand (Verlagshandlung) 110,121 Weygand, Johann Friedrich 54, 56, 62, 7 1 , 120 Wezel, Johann Karl 271 Wideburg (Wiedeburg), Basilius Christian Bernhard 61 Wiegand, Christian Friedrich 146 Wieland, Christoph Martin 19f., 50, 7 2 f „ 97, i i 9 f . , 214, 238, 242, 273, 281 Winckelmann, Johann Joachim 53,72, 1 4 5 L , i5of., 242, 2 7 1 , 273, 289 Winkler, Gottfried 235, 242f. Winkler d. J „ Gottfried 148 Winkler, Heinrich 61, 79, 86 Winkler von Dölitz, Sophie 33 Winsheim, Christian Nikolaus 85 Wöllner, Johann Christoph von 72 Wolf, Friedrich August 53, 72
Wolff, Christian
40, 45 f., 49 — 52,
Zachariä, Friedrich Wilhelm
6 1 - 6 3 , 6 6 - 7 0 , 73, 75, 7 7 - 8 3 , 85f., 89, 96, 99» I3SÍ-' '79>
i82
>
I93Í., 195, 2 0 1 - 2 0 3 , 2
i8
2I
5>
i8
7 . 189,
2
° > 34> 2 5 8 >
2é
Zaluski, Józef Andrzej 4>
72
Wünsch, Ernst
J4Í-, 89 72, 97
Wurmbrand, Johann Wilhelm Graf von 1
33
Xaver, Franz August, Prinz von Sachsen Xenophon Xerxes
Zedier, Johann Heinrich Zeiher, Ernst
Wolke, Heinrich
16, 22, 210,
2 1 4 , 229, 235 81 62 f.
84
Zeising, Heinrich
62
Ziegler, Christiane Marianne von Zincke, Georg Heinrich
19
74Í., 82, 98,
136 Zink, Paul Christian 147 f. Zollikofer, Georg Joachim 52
32, 1 1 2 136
255
307
ANSCHRIFTEN DER
MITARBEITER
Dr. Karlheinz Blaschke, Am Park, D D R 8101 Friedewald Prof. Dr. Günter Gawlick, Wacholderstraße 2 1 , 5810 Witten-Bommern Prof. Dr. Notker Hammerstein, Promenade 109, 6380 Bad Homburg v . d . H . Prof. Dr. Herbert Kolb, Südendstraße 99, 8034 Germering Dr. Christian Lenz, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Neue Pinakothek, Barer Straße 29, 8000 München 40 Prof. Dr. Wolfgang Martens, Nockstraße 15, 8 1 1 0 Murnau Prof. Dr. Eckhardt Meyer-Krentler, Ritterholz 5, 4799 Borchen Prof. Dr. Günter Mühlpfordt, Gütchenstraße 20a, D D R 4020 Halle/S. Prof. Dr. sc. Rudolf Münz, Modersohnstraße 77, D D R 1017 Berlin Prof. Dr. Walter Pape, Kornblumenweg 15, 5030 Hürth Dr. Hazel Rosenstrauch, Wollzeile 3 1 / 2 9 , A 1010 Wien Prof. Dr. Gerhard Sauder, Albert-Weisgerber-Allee 148, 6670 St. Ingbert
309
C I P - T i t e l a u f n a h m e der D e u t s c h e n Bibliothek Zentren
der
Aufklärung
/ [hrsg. von d. Lessing-Akad.]. — Heidelberg : Schneider. N E : Lessing-Akademie j . Leipzig
: Aufklärung
und
Bürgerlichkeit
/ hrsg. von Wolfgang Martens, ι . Aufl. — 1990 (Wolfenbiitteler Studien zur Aufklärung ; Bd. 17) ISBN 3 - 7 9 5 3 - 0 7 3 5 - X N E : Martens, Wolfgang [Hrsg.]; G T
LESSING-AKADEMIE
Φ ZUR AUFKLÄRUNG WOLFENBÜTTELER
HEIDELBERG
1
VERLAG
S
T
U
LAMBERT
D
I
E
N
SCHNEIDER
[Zur Sozialgeschichte der Literatur und Philosophie im Zeitalter der Aufklärung] Herausgegeben von G Ü N T E R SCHULZ. 1 9 7 4 . 3 4 Ö S . , mit 5 A b b .
I n h a l t : I. Aufsätze: zialer W a n d e l
als
HERMANN LÜBBE: Traditionsverlust und Fortschrittskrise. So-
Orientierungsproblem.
-
J Ü R G E N F R E I H E R R VON S T A C K E L B E R G :
Moralistik und Aufklärung in Frankreich. - GERHARD ALEXANDER: Das Verständnis des Menschen bei Hermann Samuel Reimarus. - HERBERT G . GÖPFERT: Bemerkungen über Buchhändler und Buchhandel zur Zeit der Aufklärung in Deutschland. - WOLFGANG M A R T E N S : D i e G e b u r t des J o u r n a l i s t e n in der A u f k l ä r u n g . - P A U L R A A B E : D i e
Zeitschrift als Medium der Aufklärung. - WERNER SCHÜTZ: Die Kanzel als Katheder der Aufklärung. - Zwi BATSCHA: Ludwig Heinrich Jakobs frühbürgerliches Widerstandsrecht.
II. Quellen:
VIKTOR LINK: Geschichte in der Literatur: Drei Darstel-
lungen der Schlacht von Minden und Herzog Ferdinands von Braunschweig und Wolfenbüttel in englischen Romanen des 18. Jahrhunderts. -
GÜNTER SCHULZ:
Christian Garve im Briefwechsel mit Friedrich Nicolai und Elisa von der Recke. ANNALISA VIVIANI: Christian Garve-Bibliographie. GÜNTER SCHULZ:
Max
Plaut z u m
Gedächtnis.
-
III. Aus der
Lessing-Akademie:
GUNTER SCHULZ:
Arbeitsbericht
über die Jahre 1 9 7 1 - 1 9 7 3 .
2
[Zur Lessing-Forschung] Herausgegeben
von
GÜNTER SCHULZ.
1 9 7 $ . 342 S., mit
1 Abb.
und
3
Fak-
similes. I n h a l t : I. Aufsätze:
KARLS. GUTHKE: Grundlagen der Lessingforschung. Neuere
Ergebnisse, Probleme, Aufgaben. - FRANKLIN KOPITZSCH: Lessing und Hamburg. Aspekte und Aufgaben der Forschung. - GERHART SCHMIDT: Der Begriff der Toleranz im Hinblick auf Lessing. - JOHANNES SCHNEIDER: Lessings Frage nach der Erkenntnismöglichkeit der Religion. - PETER MICHELSEN: Der Kritiker des Details. Lessing in den »Briefen die Neueste Literatur betreffend«. - INGRID STROHSCHNEIDER-KOHRS: Die überwundene BOGHARDT:
Z u r Textgestalt der
Komödiantin »Minna von
in Lessings Barnhelm«.
-
Lustspiel. -
MARTIN
GÜNTER SCHULZ:
Der
Familienstreit nach Lessings Tod. - DIETRICH HOFFMANN: Lessing im Gespräch mit Naturforschern. - JÜRGEN KLEIN: Ethik und Politik bei Edmund Burke. II. Miszellen:
URSULA SCHULZ: Karl Ludwig Klöber, der »reisende Engländer«. - WOLF-
GANG MILDE: Das genaue Datum des Briefes von Lessing an Johann Joachim
311
Eschenburg LM 17, Nr. 334. - ANNALISA VIVIANI: Christian Garve-Bibliographie. Nachträge. - PAULRAABE: Die Weimarer Lessing-Bibliographie.
[Die Frau im 18. Jahrhundert und andere Aufsätze zur Geschichte der Erziehung und Bildung] Herausgegeben von
GÜNTER SCHULZ.
1976. 420 S . , mit 4 Abb.
I n h a l t : MARIONBEAUJEAN: Das Bild des Frauenzimmers im Roman des 18. Jahrhunderts. - REINHARD M. G. NICKISCH: Die Frau als Briefschreiberin im Zeitalter der deutschen Aufklärung. - 11 Briefe von Heinrich Christian Boie und Luise Mejer an Sophie La Roche (1779-1788). Mitgeteilt von URSULA SCHULZ. - ULRICH HERRMANN: Erziehung und Schulunterricht für Mädchen im 18. Jahrhundert. GOTTHARDT FRÜHSORGE : Die Einheit aller Geschäfte. Tradition und Veränderung des »Hausmutter«-Bildes in der deutschen ükonomieliteratur des 18. Jahrhunderts. GÜNTER SCHULZ: Elisa v. d. Recke, die Freundin Friedrich Nicolais. - EVAHORVATH: Die Frau im gesellschaftlichen Leben Hamburgs: Meta Klopstock, Eva König, Elise Reimarus. - KARL HEINRICH RENGSTORF: Der Wandsbecker Bote. Matthias Claudius als Anwalt der Humanität. - HANS-ALBRECHT KOCH: Matthias Claudius und die Kinder. Mit einem Anhang: Unbekannte Briefe von Matthias Claudius. GÜNTER SCHULZ: Carl Friedrich Pockels und die Erziehung in der frühen Kindheit. - FRANKLIN KOPITZSCH: Lessing und Hamburg. Aspekte und Aufgaben der Forschung. (Fortsetzung). - ROLAND MORTIER: Rhétorique et Discours scientifique dans »Le Rêve de d'Alembert«. - SIEGFRIED JÜTTNER: Das experimentelle Theater von Marivaux. - PETER BÜRGER/GERHARD LEITHAUSER: Die Theorie der Physiokraten. Zum Problem der gesellschaftlichen Funktion wissenschaftlicher Theorien. EDGAR MASS: Zur Professionalisierung der Literatur in der Aufklärung. Montesquieu und die Leser des »Esprit des Lois«.
Judentum im Zeitalter der Aufklärung Günter Schulz zum 70. Geburtstag. Herausgegeben vom Vorstand der Lessing-Akademie. 1977. 407 S. I n h a l t : KARL HEINRICH RENGSTORF: Judentum im Zeitalter der Aufklärung. Geschichtliche Voraussetzungen und einige zentrale Probleme. - RUDOLF VIERHAUS: Zur historischen Deutung der Aufklärung: Probleme und Perspektiven. - JACOB TOURY: Toleranz und Judenrecht in der öffentlichen Meinung vor 1783. - JULIUS H. SCHOEPS: Aufklärung, Judentum und Emanzipation. - LUDWIG BORINSKI: Antijudaistische Phänomene der Aufklärung. - FRIEDRICH NIEWÖHNER: »Primat der Ethik« oder »erkenntnistheoretische Begründung der Ethik«? Thesen zur KantRezeption in der jüdischen Philosophie. - FRIEDER LÖTZSCH: Moses Mendelssohn und Immanuel Kant im Gespräch über die Aufklärung. - GERHARD ALEXANDER: Moses Mendelssohn und Hermann Samuel Reimarus. - GRETE KLINGENSTEIN: Sonnenfels als Patriot. - KARLS. GUTHKE: Lessing und das Judentum. Rezeption. Dramatik und Kritik. Krypto-Spinozismus. - MICHAEL GRAETZ: »Die Erziehung des Menschengeschlechts« und jüdisches Selbstbewußtsein im 19. Jahrhundert. GUNTER SCHOLTZ: Friedrich Schleiermacher über das Sendschreiben jüdischer Haus-
väter. - Schrifttum über Salomon Maimón. Eine Bibliographie mit Anmerkungen von N O A H J . JACOBS,
übersetzt v o n G E R D LEISERSOHN. -
DAVID DAVIDOVITCH:
Italieni-
sche Synagogen in Israel.
Geheime Gesellschaften Herausgegeben und eingeleitet von
PETER CHRISTIAN
1979. 462
LUDZ.
I n h a l t : PETER CHRISTIAN L U D Z : Z u r E i n f ü h r u n g u n d z u m F o r s c h u n g s s t a n d .
Problematik
der
Gesellschaften:
Erforschung
der
Beziehungen
von
Freimaurerei
und
S.
I.
Zur
geheimen
FRITZ BOLLE: Forscher und Freimaurer. Uber die Möglichkeiten der
Zusammenarbeit von Wissenschaft und Freimaurerei. - HANS-HEINRICH SOLF: Die Funktion der Geheimhaltung in der Freimaurerei. - JACOB KATZ: Echte und imaginäre Beziehungen Bestimmung
zwischen Freimaurerei
politischer
Geheimbünde
und Judentum.
des
II. Zur
18. Jahrhunderts:
theoretischen
EBERHARD SCHMITT:
Elemente einer Theorie der politischen Konspiration im 18. Jahrhundert. - PETER CHRISTIAN LUDZ: Überlegungen zu einer soziologischen Analyse geheimer Gesellschaften des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. - MANFRED AGETHEN: Mittelalterlicher Sektentypus und Illuminatenideologie. Ein Versuch zur geistesgeschichtlich-soziologischen Einordnung des Illuminatenbundes. zwischen
Gegenaufklärung
und
radikalisierter
III.
Aufklärung:
Geheimgesellschaften HORST MOLLER:
Die
Gold- und Rosenkreuzer. Struktur, Zielsetzung und Wirkung einer anti-aufklärerischen Geheimgesellschaft. - NORBERT SCHINDLER: Aufklärung und Geheimnis im Illuminatenorden. ordens.
ERNST-OTTO FEHN: Zur Wiederentdeckung des Illuminaten-
I V . Freimaurerei
NICOLAI-HAAS:
und Geheimbünde
im Spiegel der Literatur:
D i e A n f ä n g e des deutschen G e h e i m b u n d r o m a n s .
-
ROSEMARIE
PETER M I C H E L -
SEN: Die »wahren Taten« der Freimaurer. Lessings »Ernst und Falk«. - WOLFGANG MARTENS: Geheimnis und Logenwesen als Elemente des Betrugs in Goethes Lustspiel
»Der Großcophta«. -
HANS GRASSL: Tragende Ideen der illuminatistisch-
jakobinischen Propaganda und ihre Nachwirkungen in der deutschen Literatur. V.
Zum
Struktur-
Deutschland:
und
Funktionswandel
geheimer
politischer
Organisationen
in
ERNST-OTTO FEHN: Knigges »Manifest«. Geheimbundpläne im Zeichen
der Französischen Revolution. - OTTO DANN: Geheime Organisierung und politisches Engagement im deutschen Bürgertum des frühen 19. Jahrhunderts. Der Tug e n d b u n d - S t r e i t in P r e u ß e n . -
J O H A N N E S R O G A L L A VON BIEBERSTEIN:
Geheime
Ge-
sellschaften als Vorläufer politischer Parteien.
Ludwig Hammermayer: Der Wilhelmsbader Freimaurer-Konvent von 1782 Ein Höhe- und Wendepunkt in der Geschichte europäischen Geheimgesellschaften. 1980. 244 S.
der deutschen
und
»Nicht nur der umfassende wissenschaftliche Apparat, sondern auch [ . . . ] , daß der Verfasser [ . . . ] die Vorgänge objektiv sieht [ . . . ] , gibt dem Werk seinen ganz besonderen Wert. (Es wird) vieles klarer und verständlicher, was bis in die Gegenwart hineinwirkt.« (Zirkelkorrespondenz,
Jg.
109/1981)
3J3
Aufklärung und Humanismus Herausgegeben v o n RICHARD TOELLNER. 1 9 8 0 . 2 6 4 S. I n h a l t : RICHARD TOELLNER: Zur Einführung. - ELISABETH KÖRNER: Das Renaissancebild der Aufklärung. - JÜRGEN VON STACKELBERG: Die »Querelle des Anciens et des Modernes«. Neue Überlegungen zu einer alten Auseinandersetzung. - HORST GÜNTHER: Rückgriffe der Aufklärung auf Geschichtstheorien des Humanismus.
-
NOTKER HAMMERSTEIN: Reichspublicistik und humanistische Tradition. - ULRICH SCHINDEL: Die Rezeption Sallusts in Deutschland in Humanismus und Aufklärung. BERNHARD FABIAN: Lukrez in England im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert. AUGUST BUCK: Diderot und die Antike. - SEM DRESDEN: Erasmianische Humanitas und aufklärerische Humanität. - HELMUT GÖBEL: Lessing und Cardano. Ein Beitrag zu Lessings Renaissance-Rezeption. - HENNING GRAF REVENTLOW: Grundsätze der Bibelauslegung bei Desiderius Erasmus und Thomas Chubb. - JOHANNES WALLMANN: Johann Salomo Semler und der Humanismus. - SVEN-AAGE JORGENSEN: Hamanns hermeneutische Grundsätze. - CHARLES LICHTENTHAELER: Humanismus und Aufklärung aus der Sicht der allgemeinen Medizingeschichte. - VINCENZO CAPPELLETTI: Humanistische und aufgeklärte Wissenschaft.
Bürger und Bürgerlichkeit im Zeitalter der Aufklärung Herausgegeben von RUDOLF VIERHAUS. 1 9 8 1 . 3 3 6 S. I n h a l t : RUDOLF VIERHAUS: Vorbemerkung. — MANFRED RIEDEL: Bürgerlichkeit und Humanität. — HERMANN LÜBBE: Aspekte der politischen Philosophie des B ü r gers. - IRING FETSCHER: Voltaires liberales Großbürgertum und der kleinbürgerliche Egalitarismus Rousseaus. — MICHAEL STOLLEIS: Untertan — Bürger — Staatsbürger. Bemerkungen zur juristischen Terminologie im späten 18. Jahrhundert. — PETER M I CHELSEN: D e r unruhige Bürger. D e r Bürger und die Literatur im 18. Jahrhundert. — HORST GÜNTHER: Darstellung der sozialen Wirklichkeit im frühen bürgerlichen T r a u erspiel. — GERHARD SAUDER: »Bürgerliche« Empfindsamkeit? — WILFRIED BARNER: Lessing zwischen Bürgerlichkeit und Gelehrtheit. — SVEN-AAGE JORGENSEN: Wieland zwischen Bürgerstube und Adelssalon. — HANS ERICH BÖDEKER: Thomas A b b t : Patriot, Bürger und bürgerliches Bewußtsein. — GÜNTER SCHULZ: Bürgertum und Bürgerlichkeit in der Darstellung Christian Garves. — JÜRGEN SCHLUMBOHM: »Tradit i o n a l Kollektivität und >moderne< Individualität: einige Fragen und Thesen f ü r eine historische Sozialisationsforschung. Kleines Bürgertum und gehobenes Bürgertum in Deutschland um 1800 als Beispiel. — ULRICH HERRMANN: D i e Kodifizierung bürgerlichen Bewußtseins in der deutschen Spätaufklärung - C a r l Friedrich Bahrdts »Handbuch der Moral f ü r den Bürgerstand« aus dem Jahre 1789.
Lessing und der Kreis seiner Freunde H e r a u s g e g e b e n v o n GÜNTER SCHULZ. 1 9 8 5 . 2 9 2 S., mit 13 A b b .
I n h a l t : GÜNTER SCHULZ: Vorbemerkung. - HEINRICH METTLER: Lessings unabdingbares Bedürfnis, mit Freunden zu disputieren. — DOMINIQUE BOUREL: Die Kontroverse zwischen Lessing und Mendelssohn um die Ewigkeit der Höllenstrafen bei Leibniz. -
KLAUS HAMMACHER: Über Friedrich Heinrich Jacobis Beziehungen zu
Lessing im Zusammenhang mit dem Streit um Spinoza. — WERNER KOHLSCHMIDT: Lessing und Herder: Sympathie, Distanz, Sachgespräch. — GÜNTER SCHULZ: Lessing und Goethe - Goethe und Lessing. — WOLFGANG MILDE: Lessing und sein bibliothekarischer Kollege Christian Gottlob Heyne. — GERHARD ALEXANDER: Johann Albert Hinrich Reimarus und Elise Reimarus in ihren Beziehungen zu Lessing. — KARL HEINRICH RENGSTORF: C l a u d i u s u n d Lessing.
— FRANKLIN KOPITZSCH:
Joachim
Heinrich Campe und Gotthold Ephraim Lessing. Zur Geschichte einer Freundschaft. -JÖRG-ULRICH FECHNER: Lessing und Helfrich Peter Sturz. - EDWARD P. HARRIS: Johann Friedrich Schink in seiner Beziehung zu Lessing. — WERNER KOHLSCHMIDT: Vernunft und Ehre — Ehre und Unvernunft in Lessings Dichtung.
Das Bild Lessings in der Geschichte Herausgegeben von
HERBERT G . GÖPFERT.
1981. 168
S.
I n h a l t : HERBERT G . GÖPFERT: V o r b e m e r k u n g . - INGRID STROHSCHNEIDER-KOHRS:
Die Vorstellungen vom >unpoetischen< Dichter Lessing. - HORST STEINMETZ: Literarische (In-)Kompetenz, Persönlichkeit, Philosophie oder Methode? Zur Rezeptionsgeschichte des Kritikers Lessing. - WOLFGANG TRILLHAAS: Zur Wirkungsgeschichte Lessings in der evangelischen Theologie. - ARNO SCHILSON: Zur Wirkungsgeschichte Lessings in der katholischen Theologie. - JÜRGEN SCHRÖDER: Der »Kämpfer« Lessing. Zur Geschichte einer Metapher im 19. Jahrhundert. - KLAUS BOHNEN: Aspekte marxistischer Lessing-Rezeption (Mehring, Lukács, Rilla). - KARL S. GUTHKE: Aufgaben der Lessing-Forschung heute. Unvorgreifliche Folgerungen aus neueren Interessenrichtungen. - CHAIM SHOHAM: Thesen zur Rezeption Lessings in der hebräischen Literatur Osteuropas im 19. Jahrhundert. Ein Diskussionsbeitrag.
Religionskritik und Religiosität in der deutschen Aufklärung Herausgegeben von RENGSTORF. Inhalt:
KARLFRIED
1989. 208
KARLFRIED
kung. — G E R H A R D
GRÜNDER
und
KARL
HEINRICH
S.
GRÜNDER,
KARL
HEINRICH
ALEXANDER, JOHANNES
RENGSTORF:
Vorbemer-
F R I T S C H E : »Religion« und
»Reli-
giosität« im 18. Jahrhundert. Eine Skizze zur Wortgeschichte. - V O L K E R K A P P : Der Einfluß der französischen Spiritualität auf das deutsche Geistesleben des 18. Jahrhunderts. -
GÜNTER
GAWLICK:
Reimarus
und
der
englische
Deismus. -
JÖRG-
U L R I C H F E C H N E R : »Vergesellschaftete Begebenheiten« für »rechtschaffene Müßiggänger«. Funktionen der Religiosität im Roman des 18. Jahrhunderts, an Hand einiger Zeugnisse und Beispiele. - H A N S - G E O R G K E M P E R : Norddeutsche Frühaufklärung. Poesie als Medium einer natürlichen Religion. - K A R L H E I N R I C H
RENGSTORF:
Lessings Ansatz in seiner theologischen Arbeit. - K A R L F R I E D G R Ü N D E R : Hamann
3!5
und Mendelssohn. — H A N S
ERICH
B Ö D E K E R : Die Religiosität der Gebildeten.
— J A C O B K A T Z : Mendelssohn und die Mendelssohnschüler im Bannkreis der Religionskritik.
Spinoza in der Frühzeit seiner religiösen Wirkung H e r a u s g e g e b e n v o n KARLFRIED GRÜNDER u n d W I L H E L M SCHMIDTBIGGEMANN. 1 9 8 4 . 2 4 8 S . , ι K u n s t d r u c k t a f e l . I n h a l t : KARLFRIED GRÜNDER: V o r b e m e r k u n g . - GERSHOM SCHOLEM: D i e W a c h t e r -
sche Kontroverse über den Spinozismus und ihre Folgen. - WALTER SPARN: Formalis Atheus? Die Krise der protestantischen Orthodoxie, gespiegelt in ihrer Auseinandersetzung mit Spinoza. - WILHELM SCHMIDT-BIGGEMANN: Veritas particeps Dei. Der Spinozismus im Horizont mystischer und rationalistischer Theologie. - GERHARD ALEXANDER: Spinoza und Dippel. - MICHAEL JOHN PETRY: Behmenism and Spinozism in the Religious Culture of the Netherlands, 1 6 6 0 - 1 7 3 0 . - HUBERTUS G . HUBBELING: Zur frühen Spinozarezeption in den Niederlanden. - SARAH HUTTON: Reason and Revelation in the Cambridge Platonists, and their Reception of Spinoza. - JOHN Ο. WOODBRIDGE: Richard Simon's Reaction to Spinoza's »Tractatus Theologico-Politicus«. - HUGH Β. NISBET: Spinoza und die Kontroverse »De Tribus Impostoribus«.
Aufklärung und Haskala in jüdischer und nichtjüdischer Sicht Herausgegeben von STREICH.
KARLFRIED
GRÜNDER
und
NATHAN
ROTEN-
1990. 1 9 2 S., mit 5 A b b .
I n h a l t : Vorwort der Herausgeber. - AMOS F U N K E N S T E I N : Das Verhältnis der jüdischen Aufklärung zur mittelalterlichen jüdischen Philosophie. — K A R L - H E I N Z ZUR M Ü H L E N : Die von Luther herkommende Komponente der Aufklärung in Deutschland. — P H I L I P P SCHÄFER: Die Beurteilung der Aufklärung in der katholischen
Theologie. — G E R H A R D
ALEXANDER:
Isachar
Falkensohn
Behr
( 1 7 4 6 — 1 8 1 7 ) . — N O R B E R T H I N S K E : D i e tragenden G r u n d i d e e n der deutschen A u f -
klärung. Versuch einer Typologie. — K A R L F R I E D G R Ü N D E R : Aufklärung und Surrogate.— M I C H A E L G R A E T Z : Judentum als Religion —Judentum als Wissenschaft. Kontinuität oder Bruch? - M O R D E C H A I B R E U E R : Das Bild der Aufklärung bei der deutsch-jüdischen Orthodoxie. — M O S H E Z I M M E R M A N N : Aufklärung, Emanzipation, Selbstemanzipation. — Aus der Diskussion. — R U D O L F V I E R H A U S : Aufklärung als Emanzipation? — N A T H A N R O T E N S T R E I C H : Hegel über die Aufklärung.
Zentren der Aufklärung I: Halle. Aufklärung und Pietismus H e r a u s g e g e b e n v o n N O R B E R T H I N S K E . 1 9 8 9 . 2 9 2 S., m i t 20 A b b .
Inhalt:
NORBERT
HINSKE:
Vorbemerkungen. - K A R L
HEINRICH
RENG-
STORF: Johann Heinrich Michaelis und seine »Biblia Hebraica« von 1720. — W A L T E R S P A R N : Auf dem Wege zur theologischen A u f k l ä r u n g in Halle: Von Johann Franz B u d d e zu Siegmund J a k o b Baumgarten. - W E R N E R S C H N E I D E R S : Thomasius politicus. Einige Bemerkungen über Staatskunst und Privatpolitik in der aufklärerischen Klugheitslehre. — B R U N O B I A N C O : Freiheit gegen Fatalismus. Z u Joachim Langes Kritik an W o l f f . - G Ü N T E R G A W L I C K : G . F. Meiers Stellung in der Religionsphilosophie der deutschen Aufklärung. - W O L F G A N G M A R T E N S : O f f i c i n a Diaboli. Das Theater im Visier des halleschen Pietismus. — T H E O D O R V E R W E Y E N : »Halle, die H o c h b u r g des Pietismus, die Wiege der Anakreontik«. U b e r das Konfliktpotential der anakreontischen Poesie als Kunst der »sinnlichen Erkenntnis«. — N O T K E R M E R S T E I N : Jurisprudenz und Historie in Halle. - J O H A N N A
HAM-
GEYER-KORDESCH:
D i e Medizin im Spannungsfeld zwischen Aufklärung und Pietismus: Das unbequeme W e r k G e o r g Ernst Stahls und dessen kulturelle Bedeutung.
1 7 Zentren der Aufklärung III: Leipzig Herausgegeben von W O L F G A N G M A R T E N S . 1990. Mit 17 A b b . I n h a l t : W O L F G A N G M A R T E N S : Z u r Einführung. Das Bild Leipzigs bei Zeitgenossen. - K A R L H E I N Z B L A S C H K E : Die kursächsische Politik und Leipzig im 18. Jahrhundert. - G Ü N T E R M Ü H L P F O R D T : Gelehrtenrepublik Leipzig. Wegweiser- und Mittlerrolle
der
Leipziger
Aufklärung
in der Wissenschaft. — H A Z E L
ROSEN-
S T R A U C H : Leipzig als >Centralplatz< des deutschen Buchhandels. - N O T K E R H A M M E R S T E I N : D i e Universität Leipzig im Zeichen der frühen Aufklärung. STIAN
CHRI-
L E N Z : Kunst und Kunstanschauung in Leipzig während der Aufklärun-
g . - R U D O L F M Ü N Z : Theater im Leipzig der Aufklärung. - G Ü N T E R
GAWLICK:
Johann Christoph Gottsched als Vermittler der französischen Aufklärung. - E C K HARDT M E Y E R - K R E N T L E R : Christian Fürchtegott Geliert, Leipzig. V o m Nachleben vor und nach dem Tode. — G E R H A R D S A U D E R : D e r junge Goethe und Leipzig. — HERBERT
K O L B : Johann Christoph Adelung, Philologe und Schriftsteller in
Leipzig. — W A L T E R P A P E : »Ein billetdoux
an die ganze Menschheit«. Christian Felix
Weiße und die Aufklärung.
317
Weitere, in Vorbereitung befindliche Bände:
10
Begegnung von Deutschen und Juden in der Geistesgeschichte des 18. Jahrhunderts Herausgegeben von J A C O B
KATZ
und
KARL
HEINRICH
RENG-
STORF.
13
Kultur und Gesellschaft in Nordwestdeutschland zur Zeit der Aufklärung I: Das >Volk< als Objekt obrigkeitlichen Handelns Herausgegeben von R U D O L F
16
Zentren der Aufklärung II : Königsberg und Riga Herausgegeben von H E I N Z
18
VIERHAUS.
ISCHREYT.
Zentren der Aufklärung IV: Der dänische Gesamtstaat. Kopenhagen · Kiel · Altona Herausgegeben
von
KLAUS
BOHNEN
und
SVEN-AAGE
JOR-
GENSEN.
19
Zentren der Aufklärung V : Wien Herausgegeben von G R E T E
20
KLINGENSTEIN.
Moses Mendelssohn und die Kreise seiner Wirksamkeit Herausgegeben von M I C H A E L A L B R E C H T , E V A E N G E L und BERT
318
HINSKE.
NOR-